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Die Bevölkerung von Bosnien

und Herzegowina in der Schweiz

Bashkim Iseni, Didier Ruedin, Dina Bader,


Denise Efionayi-Mäder
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 5
Impressum
1 Einleitung 6
Herausgeber: Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, CH-3003 Bern-Wabern
2 Bosnien und Herzegowina 12
www.bfm.admin.ch

2.1 Geschichte von Bosnien und Herzegowina 14


Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA),
2.2 Ethnische Vielfalt 22
Freiburgstrasse 130, 3003 Bern
2.3 Drei Migrationswellen in die Schweiz 25
www.deza.admin.ch
3 Soziodemografische Merkmale der
Diese Studie wurde vom Schweizerischen Forum für Migrations- in der Schweiz lebenden Staatsangehörigen aus BiH 34
und Bevölkerungsstudien (SFM) der Universität Neuchâtel im Auftrag 3.1 Offizielle Zahlen und inoffizielle Schätzungen 36
der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und 3.2 Demografische Entwicklung 40
des Bundesamts für Migration (BFM) durchgeführt. 3.3 Geografische Verteilung der Bevölkerung aus BiH 43
3.4 Demografisches Profil 45
Bei der vorliegenden Textfassung handelt es sich um eine externe 3.5 Zivilstand 49
Übersetzung der französischen Originalversion. 3.6 Aufenthaltstitel 52
3.7 Einbürgerungen 54
Autoren: Bashkim Iseni, Didier Ruedin, Dina Bader, Denise Efionayi-Mäder.
4 Soziokulturelle Integration und Teilnahme am Wirtschaftsleben 58
Projektleitung: Denise Efionayi-Mäder
4.1 Integrationsbegriffe 60
Projektbegleitung: Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), 4.2 Sprachkenntnisse 61
Bundesamt für Migration (BFM) 4.3 Vermittlung der Sprachen des Herkunftslandes 64
4.4 Ausbildung: beträchtliche Generationenunterschiede 66
Grafik: Casalini Werbeagentur AG, Bern 4.5 Arbeit: Ausübung wenig qualifizierter Berufe 70
www.casalini.ch 4.6 Gesundheit: Prävalenz posttraumatischer Belastungsstörungen 76
4.7 Das Vereinsleben und die Religionsausübung in der Diaspora 80
Fotonachweis: © Lukas Linder 4.8 Transnationale Beziehungen der Personen aus BiH 86

Bezugsquelle: Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL), 5 Synthese und Perspektiven 94
Vertrieb Bundespublikationen, CH-3003 Bern
www.bundespublikationen.admin.ch
Art.-Nr.: 420.047.d Anhang I: Vereinigungen und Klubs in der Schweiz
Anhang II: Erweiterte Bibliografie
© BFM / EJPD, DEZA / EDA Oktober 2014 Anhang III: Gesprächspartnerinnen und -partner

2 3
Vorwort

Der Anstoss zu dieser Studie erfolgte im Rah- Die führenden Behörden bei der Umsetzung
men der Migrationspartnerschaft zwischen der Strategie der Schweizer Migrationspart-
Bosnien und Herzegowina (nachfolgend BiH) nerschaft in den westlichen Balkanstaaten,
und der Schweiz. An einem bilateralen Migra- die Direktion für Entwicklung und Zusammen-
tionsdialog im Jahr 2011 unterbreitete das arbeit (DEZA) und das Bundesamt für Migra-
Ministerium für Menschenrechte und Flücht- tion (BFM), vereinbarten eine gemeinsame
linge von Bosnien und Herzegowina (MHRR) Finanzierung der Studie. Beide Ämter sahen
der interdepartementalen Arbeitsgruppe darin eine willkommene Gelegenheit, die bei-
Migration der Schweizer Regierung einen den unterschiedlichen und doch eng mitein-
Projektvorschlag mit dem Titel «Mapping of ander verbundenen Perspektiven – Migration
BiH Diaspora in Switzerland». Das Projekt sah und Entwicklung einerseits und Migration
die Schaffung von evidenzbasierten Strate- und Integration andererseits – zusammen-
gien und Programmen vor, um den Beitrag zubringen. Das Schweizerische Forum für
der Diaspora zur Entwicklung in BiH gemäss Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM)
entsprechenden Analyseempfehlungen zu der Universität Neuchâtel wurde beauftragt,
verbessern. dieses zweifach ausgerichtete Projekt zu leiten.

Die interdepartementale Arbeitsgruppe be- Die vorliegende in der Schweiz durchgeführte


grüsste die Initiative und schlug einen pro- Studie ist einerseits ein erster Schritt in der
zessorientierten, schrittweisen Ansatz vor. Umsetzung der Initiative des MHRR, die den
Dazu gehört als Ausgangspunkt eine umfas- Beitrag der Diaspora zur Entwicklung von BiH
sende Studie über die Integration der bos- verbessern möchte. Andererseits zeichnet die
nisch-herzegowinischen Diaspora, ihre Netz- Studie ein allgemeines Bild der Bevölkerung
werke und Möglichkeiten der Zusammen- von BiH und untersucht ihre Bedürfnisse und
arbeit mit dem Herkunftsland. Die Beziehung Möglichkeiten für eine erfolgreiche Integra-
zum Herkunftsland und die Integration im tion in der Schweiz.
Aufnahmestaat sind eng miteinander ver-
knüpfte Aspekte einer Diasporabevölkerung. Weiter wurde in BiH, als Teil des Projektes,
Die Studie untersucht diese zwei verschiede- eine separate Forschungsarbeit über die Ver-
nen Gesichtspunkte. bindung zwischen der Diaspora und der Ent-
wicklung aus der Perspektive des Herkunfts-
lands durchgeführt.

4 5
Seit den 1960er-Jahren leben Migrantinnen SFM über die kosovarischen, die sri-lankischen
und Migranten aus Bosnien und Herzegowina und die portugiesischen Bevölkerungsgruppen
(im Folgenden BiH) in der Schweiz. Bis zu den wendet sich die vorliegende Studie einerseits
1990er-Jahren wurden sie als jugoslawische an Fachleute aus verschiedenen Bereichen
Arbeitnehmende betrachtet. Die Mehrheit der (Verwaltung, Sozialbereich, Bildung, Gesund-
aus BiH stammenden Menschen kam jedoch heit und Polizei etc.), andererseits an Privat-
im Zuge der wirtschaftlichen Migrationswellen personen, die mehr über die Lebenswege von
der 1980er-Jahre oder als politische Flüchtlin- Personen aus BiH erfahren möchten.
ge nach dem Ende des blutigen Bosnienkrie-
ges von 1992 bis 1995 in unser Land. Obwohl Methodisches Vorgehen
die Bevölkerung aus BiH in der Schweiz zah- Die vorliegende Studie stützt sich hauptsäch-
lenmässig eine bedeutende Gruppe darstellt, lich auf die drei Informationsquellen Literatur,
hat sie anders als andere Volksgruppen aus statistische Daten und leitfadengestützte
dem Balkan kaum von sich reden gemacht. Einzel- und Gruppeninterviews. Die in der
Zwar hat der Krieg in BiH die schweizerische Schweiz gesammelten Erkenntnisse wurden
Öffentlichkeit beschäftigt, aber über die in der den Ergebnissen der von Adnan Efendic (Uni-
Schweiz lebenden Bosnier ist wenig bekannt. versität Sarajevo, School of Economics and
Dabei handelt es sich um eine heterogene Be- Business) in BIH durchgeführten Untersuchung
völkerungsgruppe, was deren Migrationsver- (November 2012 – Januar 2014) gegenüber-
lauf und die sozioökonomischen und kulturel- gestellt.
len Aspekte betrifft. Ausgehend von der
Feststellung, dass über die Zuwanderer aus Unsere Studie beruht erstens auf einem For-
BiH in der Schweiz kaum gesicherte Daten schungskorpus, der aus wissenschaftlichen
oder Studien bestehen, haben die Direktion Publikationen und amtlichen Berichten besteht.
für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) Sodann wurden verschiedene statistische
und das Bundesamt für Migration (BFM) beim Quellen berücksichtigt, darunter namentlich
Schweizerischen Forum für Migrations- und die Resultate der letzten Volkszählung, die
Bevölkerungsstudien (SFM) der Universität Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE)
Neuchâtel eine Studie in Auftrag gegeben. sowie andere Statistiken des Bundesamtes für
Gegenstand sind die Migrationsgeschichte Statistik (BFS). Als problematisch erwies sich
dieser Menschen, ihre demografische und dabei das Fehlen präziser Statistiken: Vor 1992
wirtschaftliche Situation, ihre soziokulturelle bildete die aus BiH stammende Wohnbevölke-
Integration in der Schweiz und ihre transnatio- rung in den offiziellen Statistiken über die Ge-
nalen Beziehungen. Ziel ist es, einen Überblick samtheit der Staatsangehörigen des ehemali-
über die Bevölkerung aus BiH unter Berück- gen Jugoslawiens keine separate Kategorie.
sichtigung des Potenzials für eine harmoni- Mehr noch: Auch nach diesem Datum wird
1 Einleitung sche Integration in die schweizerische Ge- eine nicht zu unterschätzende Zahl von ur-
sellschaft sowie für die sozioökonomische sprünglich aus BiH stammenden Personen in
Entwicklung im Herkunftsland zu erstellen. den Statistiken weiterhin als Kroaten und – in
Analog zu den früher erstellten Studien des geringerem Ausmass – als Serben aufgeführt.

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Diese berufen sich nämlich auf den Wechsel im Fokus, namentlich in Bezug auf ihre geo- Dank dungspersonen aus BiH oder Expertinnen und
der Staatszugehörigkeit, mithin von der jugos- grafische Ansiedlung und ihren aufenthalts- Unser Dank gilt in erster Linie unseren Ge- Experten aus der Schweiz. Seine Ansichten
lawischen zur kroatischen oder zur serbischen rechtlichen Status in der Schweiz. sprächspartnern sowohl in der Bevölkerung betreffend die untersuchten Bevölkerungs-
(nicht aber zur bosnischen), da sie sich stärker – Kapitel 4 betrachtet die soziokulturelle, von BiH als auch ausserhalb: Ihre Bereitschaft, gruppen waren für uns sehr hilfreich. Unser
mit einer ethnischen Gruppe identifizieren als wirtschaftliche und rechtliche Integration ihr Fachwissen, ihre Kenntnisse und Erfahrun- Dank geht ebenfalls an die anderen Mitglieder
mit einer nationalen (siehe 2.2). der Staatsangehörigen aus BiH in der gen mit uns zu teilen, hat diese Studie über- der Begleitgruppe: Taner Alićehić, Osman
Schweiz aus einer quantitativen und quali- haupt erst ermöglicht. Die Liste dieser Perso- Besić, Tarik Kapić und Mario Perić. Die Pers-
Schliesslich haben wir rund zwei Dutzend tativen Perspektive. Zudem sollen zu den nen findet sich im Anhang: An sie alle geht pektive von Jean-Claude Métraux hat uns zu
Gespräche mit Fachleuten aus diversen Berufs- wechselnden transnationalen Beziehungen, unser herzlicher Dank. einem besseren Verständnis der Mentalität
bereichen (Forschung, Gesundheit, Bildung, welche die Migrationsbevölkerung zwi- der Bevölkerung aus BiH nach dem Krieg ver-
Sozialdienst, Behörden) sowie mit in der Schweiz schen der Schweiz und BiH unterhält, einige Bedanken möchten wir uns bei all denen, die holfen. Seine vielfältige Vernetzung öffnete
lebenden Migrantinnen und Migranten aus Denkanstösse vermittelt werden. zu dieser Arbeit beigetragen haben, indem sie uns die Augen für die Probleme, die sich bei
BiH geführt. Diese Gespräche bilden eine uns ihre Expertise und ihre Zeit zur Verfügung der zweiten Generation, also den Kindern der
wichtige Informationsquelle, denn sie erhellen Weil die einzelnen Unterkapitel voneinander gestellt haben. Für ihre Unterstützung bei der Zugewanderten, stellen.
die verschiedenen Lebensaspekte dieser Mig- unabhängig sind, wurden gewisse Wiederho- statistischen Aufarbeitung der Thematik sind
rantengruppe vor dem Hintergrund der quan- lungen bewusst in Kauf genommen und durch wir Ilka Steiner und Yannick Rossi vom SFM zu Schliesslich danken wir den Vertreterinnen
titativ und qualitativ kargen Datenlage. Verweise auf andere Unterkapitel ergänzt. Zu besonders grossem Dank verpflichtet. Einen unserer Auftraggeber, die unsere Recherche
Beginn jedes Kapitels werden die wichtigsten zusätzlichen Mehrwert brachte die kritische während jeder einzelnen empirischen und re-
Aufbau und Inhalt Ergebnisse zusammengefasst. Den Schlussteil Begleitung dieser Arbeit durch unsere Kolle- daktionellen Etappe begleitet haben. Unser
Die Beiträge sind in drei Kapitel gegliedert, die jedes Kapitels bildet eine weiterführende ginnen und Kollegen am SFM; ihre fach- Dank geht namentlich an Stephanie Guha und
jeweils mehrere Unterkapitel umfassen. Damit Bibliografie, die der Leserin bzw. dem Leser kundigen Bemerkungen während der inter- Ursula Messerli Baftijaj (DEZA) sowie an Sté-
wird eine unabhängige Lektüre der einzelnen erlaubt, das Wissen über die verschiedenen nen Sitzungen der Schlussredaktion waren phanie Zbinden (BFM). Ebenso danken wir
Kapitel möglich. Themen zu vertiefen. Die im Text zitierten äusserst hilfreich. Allen sei ganz herzlich dem Ministerium für Menschenrechte und
Quellen sind in der Literaturübersicht am Ende gedankt, insbesondere Florian Tissot für das Flüchtlinge (MHRR) von Bosnien und Herzego-
– Kapitel 2 skizziert die Geschichte von BiH in der Publikation zu finden. Die verschiedenen abschliessende Lektorat des gesamten Origi- wina (Diasporaabteilung), das den Schweizer
groben Zügen. Die Lektüre soll das Ver- behandelten Themen sind zudem mit Grafi- naltextes. Jasmina Opardija, Elma Hadzika- Institutionen den ursprünglichen Projektplan
ständnis für das historische Erbe dieser Be- ken, Bildern und Zitaten aus den Gesprächen dunić und Nenad Stojanović von der Begleit- vorgelegt hat. Zu Dank verpflichtet sind wir
völkerungsgruppe und deren soziale und mit Fachleuten und Vertreterinnen und Ver- gruppe sowie Andreas Ernst danken wir für auch Azra Šarenkapa und Joseph Guntern
kulturelle Verflechtungen erschliessen, die tretern der Migrationsbevölkerung illustriert. ihr kritisches Lektorat einzelner Kapitel und vom Kooperationsbüro der DEZA in Sarajevo.
von der byzantinischen Vergangenheit bis Schliesslich enthält der Anhang eine Liste der ihre zutreffenden Kommentare, welche uns
zu den politischen Entwicklungen der Gesprächspartner sowie eine Zusammenstel- die Orientierung angesichts der aus ganz In zahlreichen Diskussionen wurden auch
1990er-Jahre reichen. Dieser historische lung der einschlägigen Organisationen, Vereine unterschiedlichen Perspektiven stammenden unterschiedliche Ansichten laut: Alle in die-
Rückblick beinhaltet auch die verschiede- und Kontaktstellen. Diese Liste ist nicht Informationen ebenfalls erleichtert haben. sem Dokument enthaltenen Aussagen und
nen Phasen der Einwanderung der Bevölke- abschliessend. In Anbetracht der ständigen Meinungen sind diejenigen der Verfasser.
rung aus BiH in die Schweiz. Weiterentwicklung der Vereine und der ande- Besondere Erwähnung verdient Prof. Rustem
– Kapitel 3 behandelt die soziodemografi- ren kulturellen oder sportlichen Organisa- Simitović, Honorarkonsul von BiH in Zürich Bashkim Iseni, Didier Ruedin, Dina Bader,
schen Merkmale der in der Schweiz leben- tionen kann nicht garantiert werden, dass die und ehemaliger Präsident der Organisation Denise Efionayi-Mäder (Projektleiterin)
den Migrationsbevölkerung aus BiH im Informationen jederzeit richtig und vollständig «Matica». Er hatte für unsere Anliegen stets  
Einzelnen. Dabei stehen Entwicklung und sind. ein offenes Ohr und vermittelte uns insbeson-
Interpretation ihrer vielfältigen Merkmale dere wertvolle Kontakte zu wichtigen Verbin-

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Terminologie Kroaten: Angehörige des kroatischen Sprach- ESPOP/STATPOP: Im Bundesamt für Statistik Sozioökonomische oder strukturelle In-
Balkan (der): Halbinsel in Südosteuropa, auf und Kulturraums von BiH. In der vorliegenden (BFS) ist 2010 die Jahresstatistik über den Be- tegration: Beinhaltet Indikatoren der Einglie-
drei Seiten von Meer umgeben: dem Adriati- Publikation werden diese Menschen als bosni- völkerungsstand ESPOP von der Statistik der derung in das Berufsleben, aber auch den
schen und dem Ionischen Meer im Westen, sche Kroaten bezeichnet. Bevölkerung und der Haushalte STATPOP ab- Bildungsstand und gegebenenfalls die Wohn-
dem Ägäischen Meer im Süden sowie dem Serben: Angehörige des serbischen Sprach- gelöst worden. Letztere gehört zum System verhältnisse.
Marmara-Meer und dem Schwarzen Meer im und Kulturraums von BiH. In der vorliegenden der neuen Volkszählung. Die ständige Wohn- Muslim: Das im Text in Schrägschrift ge-
Osten. Geläufig ist der Gebrauch des Wortes Publikation werden diese Menschen als bosni- bevölkerung umfasst Personen schweizeri- schriebene Wort «Muslim» (slawisch Musli-
«Balkan» bei einem Verweis auf die Gebiete sche Serben bezeichnet. scher Nationalität mit Hauptwohnsitz in der man) wurde von 1968 bis 1993 in einem
des ehemaligen Jugoslawiens. Gemeinschaft: In dieser Publikation wird der Schweiz; Personen ausländischer Nationali- nationalen Sinn als Bezeichnung für Slawen
Diese Arbeit befasst sich mit der Bevölke- Begriff der «Gemeinschaft» gleichbedeutend tät im Besitz einer Aufenthalts- oder Nieder- muslimischen Glaubens in der Sozialistischen
rung von Bosnien und Herzegowina mit Bevölkerungsgruppe oder Migrationsbe- lassungsbewilligung von mindestens zwölf Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) ver-
(BiH), d. h. der Gesamtheit der in der Schweiz völkerung verwendet. Eine besondere ethno- Monaten Dauer (Ausweis B oder C bzw. EDA- wendet, wobei der Grad ihrer Religiosität kei-
lebenden Personen aus BiH. Der Grossteil der logische oder soziologische Konnotation ist Ausweis [internationale Funktionäre, Diploma- ne Rolle spielt. Der Begriff «Muslim» bezieht
statistischen Daten beschränkt sich auf (nicht daher nicht beabsichtigt. In unseren Augen ten und deren Familienmitglieder]); Personen sich dagegen auf die Religion und bezeichnet
eingebürgerte) Staatsangehörige aus BiH, verweist das Wort Gemeinschaft – um eine ausländischer Nationalität im Besitz einer Kurz- die Gesamtheit der Personen muslimischen
während die Aussagen unserer Gewährsleute bekannte soziologische Enzyklopädie zu para- aufenthaltsbewilligung von kumuliert mindes- Glaubens, unabhängig von ihrer Zugehörig-
auch von Personen mit doppelter Staatsbür- phrasieren – auf eine Gruppe von Personen, tens zwölf Monaten (Ausweis L); Personen im keit zu einer bestimmten Volksgruppe.
gerschaft oder aus dem früheren Jugoslawien die «etwas» gemeinsam hat. Asyl­verfahren (Ausweis F oder N) nach mindes- BIP: Bruttoinlandprodukt
zugewanderten Menschen aus BiH stammen, Diaspora: Begriff aus dem Griechischen in tens zwölf  Monaten Aufenthaltsdauer in der Sex ratio: Statistische Messzahl der Anzahl
die sich in der Schweiz eingebürgert haben. der Bedeutung von «Zerstreutheit». Wenn wir Schweiz. Männer auf 100 Frauen.
Um die Lesbarkeit zu erleichtern, benutzten diesen Begriff verwenden, stützen wir uns auf Ethnie: Der Begriff wurde zunächst in den So- Transnationalismus: Räume, in denen die
wir auch die Kurzbegriffe «Bosnier/-in» oder den Ansatz des Global Forum on Migration zialwissenschaften verwendet, um menschli- Migrantinnen und Migranten reale oder ima-
«bosnische Bevölkerung» zur Bezeich- and Development: Danach setzt sich eine Dia- che Gruppen derselben Identität, die durch ginäre Beziehungen zwischen ihrem Her-
nung der gesamten Population aus BiH in spora aus Personen, gleich welcher Volkszuge- gemeinsame Zivilisationselemente wie gleiche kunftsland und dem Aufnahmeland knüpfen.
der Schweiz, d. h. der Zugewanderten (erste hörigkeit, eines bestimmten Herkunftslandes Geschichte, Sprache, Religion, Kultur oder Ab- Depressive Beschwerden und Posttrau-
Generation) und ihrer Nachkommen (zweite zusammen, die ausserhalb dieses Landes le- stammung miteinander verbunden sind, zu matische Belastungsstörungen (PTBS):
Generation) aus BiH. Sie werden unterschieds- ben und individuell oder kollektiv etwas zu bezeichnen. Anschliessend wurde er auch für Auch unter den Begriffen «posttraumatisches
los als «Migranten» bzw. «Migrantinnen» oder dessen Entwicklung beitragen wollen oder staatliche und nationale Zwecke, die aufgrund Stresssyndrom» (PTSS) oder «posttraumatische
als «Personen mit bosnischem Migrations- könnten. Die Nachkommen dieser Personen ethnischer Argumente gerechtfertigt wurden, Stressreaktion» (PTSR) bekannt, bezeichnet
hintergrund» bezeichnet. Die Bezeichnung gehören ebenfalls dazu (siehe die engere Be- beansprucht. das Akronym PTBS eine schwere Angststö-
«bosnisch» darf nicht mit «bosniakisch» ver- griffsdefinition in Kapitel 4.7). Soziokulturelle Integration: Sozialisierung rung, die als Folge eines als traumatisierend
wechselt werden (siehe unten). Džemat: Religiöser Verein der islamischen der Migrationsbevölkerung in Bezug auf die erfahrenen Ereignisses eintritt.
Bosniaken: Anders als der Begriff «Bosnier» Gemeinschaft der Bosniaken. Kultur des Aufnahmelandes, also den Erwerb
(Bosanac), der sich auf die Gesamtheit der Ein- Endogamie/Exogamie: Im Gegensatz zu von lokalen Sprachkenntnissen, aber auch die Wir haben uns im Rahmen des Zumutbaren
wohner von BiH bezieht, bezeichnet der Be- Exogamie (oder Mischehe) liegt Endogamie Übernahme des Lebensstils der Aufnahmege- um eine geschlechtergerechte Formulierung
griff «Bosniake» (Bošnjak) ausschliesslich die vor, wenn die beiden Ehepartner die gleiche sellschaft und die Identifizierung mit deren bemüht. Um die Lesbarkeit zu erleichtern,
Bosnier muslimischen Glaubens aus BiH. Siehe ethnische, religiöse oder nationale Herkunft Wertvorstellungen. Dabei geht es auch um wurde jedoch manchmal ein männlicher
die nachstehende Definition von «Muslim» und haben. demografische Aspekte (Eheschliessung, Ferti- Begriff zur Bezeichnung beider Geschlechter
die Erläuterungen in Kapitel 2.1 (Kasten 2). lität), soziale Kontakte oder die Einbindung in verwendet.
formelle und informelle soziale Netze.

10 11
In Kürze und Österreich (17 %). 1991 führt der Bun-
desrat das sogenannte Drei-Kreise-Modell
– Zwischen 1945 und 1992 war Bosnien ein, das der Wirtschaftsmigration aus den
und Herzegowina (BiH) eine der sechs Teil- Folgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens,
republiken der sozialistischen Föderativen ein abruptes Ende setzte.
Republik Jugoslawien (SFRJ). BiH zeichnet – Die dritte Einwanderungswelle in der
sich durch eine ethnische Durchmischung Schweiz betrifft Staatsangehörige aus BiH,
und Vielfalt aus, die sich insbesondere bis die vor dem Krieg geflohen sind. Die Asyl-
1992 über Mischehen bildete. gesuche erreichen 1993 mit fast 7000 Per-
– Mit dem Zusammenbruch Jugoslawiens An- sonen einen Höhepunkt und der Bundesrat
fang der 1990er-Jahre begann auch der beschliesst die kollektive vorläufige Auf-
Krieg in BiH, der von 1992 bis 1995 dauerte. nahme dieser Menschen. Trotz des Endes
– Während des Krieges und in der Nachkriegs- der Feindseligkeiten nach dem Abkommen
zeit engagierte sich die Schweiz in BiH mit von Dayton von 1995 gestaltet sich die na-
einem humanitären Hilfsprogramm. Danach tionale Versöhnung in BiH weiterhin schwie-
setzte sie sich aktiv für den Wiederaufbau rig, was die Rückkehr der Flüchtlinge und
des Landes und seiner demokratischen ihre Wiederansiedlung erschwert.
Strukturen ein. Sie entwickelte gute Be- – Vor dem Hintergrund dieses Konflikts und
ziehungen zu diesem Land, insbesondere der Spaltung der Bevölkerung von BiH ist es
durch den Aufbau eines bilateralen Koope- wenig erstaunlich, dass Migrantinnen und
rationsprogramms und die Unterzeichnung Migranten gelegentlich zu einer Art Jugos-
einer Migrationspartnerschaft (2009). lawien-Nostalgie («Jugoslavismus») neigen,
– Die Einwanderung der Staatsangehörigen um sich gegen nationalistische Assismilie-
aus BiH erfolgte in drei Wellen. Die beiden rungsbestrebungen abzugrenzen.
ersten Wellen (in den 1960er- und den
1980er-Jahren) betrafen mehrheitlich un-
qualifizierte Saisonarbeiter, die mit der Aus-
wanderung auf die Arbeitskräftenachfrage
aus der Schweiz und die fehlenden sozialen
Aufstiegsperspektiven im ehemaligen Jugo-
slawien reagierten. Der Grossteil der zuge-
wanderten Personen waren Männer und
gehörten der serbischen oder der kroati-
schen Gemeinschaft an. Gemäss der jugos-
lawischen Volkszählung von 1971 arbeite-
ten lediglich 1,5 % der insgesamt aus
2 Bosnien und Herzegowina BiH emigrierten Personen in der Schweiz;
wesentlich grössere Kontingente entfielen
auf den Arbeitsmarkt in Deutschland (71 %)

13
2.1  Geschichte von Bosnien nicht, ein hochsensibles Thema. Das eminent
und Herzegowina politische Verhältnis zur eigenen Geschichte Kasten 1: Das osmanische Millet-System
behindert noch heute die langfristige Stabili- Als Millet werden rechtlich geschützte Reli- mische Untertanen erhielten Zugang zu lei-
Um die bosnisch-herzegowinische Diaspora sierung dieses Landes und damit die Rück­- gionsgemeinschaften bezeichnet. Während tenden Funktionen in einigen Bereichen (die
besser zu verstehen, ist es sinnvoll, sich die kehr der Flüchtlinge in ihre Herkunftsregion, seiner Herrschaft blieb das Osmanische Reich im muslimischen Glauben als unrein galten,
historischen Hintergründe und Begleitum- gleichgültig, ob diese Personen in BiH oder im lange Zeit einem Feudalsystem verhaftet und wie das Finanzwesen) der osmanischen Ge-
stände der Einwanderung in die Schweiz vor Ausland leben. herrschte über seine verschiedenen Gebiete sellschaft. Erwähnenswert ist die Tatsache,
Augen zu führen. Ein kurzer historischer Ex- mittels Zwang und Repression. Im histori- dass christliche Untertanen manchmal als
kurs ist daher unerlässlich, sowohl was die Das osmanische Erbe schen Kontext war dieses Gebilde aber auch Regenten von Provinzen oder grossen Städten
soziopolitische Entwicklung des Herkunfts- Die frühere Republik der jugoslawischen Fö- von einer verhältnismässig grossen Toleranz des Reiches eingesetzt wurden. Ein nicht
landes betrifft als auch die aufeinanderfol- deration führt den historischen Namen «Bos- gegenüber Christen und Juden geprägt. Die unwesentlicher Teil der armen, unterjochten
genden Zuwanderungswellen dieser Volks- nien und Herzegowina», weil sie sich aus zwei im Jahr 1492 aus Spanien vertriebenen Juden christlichen Bevölkerung entschied sich daher
gruppe in die Schweiz. Regionen zusammensetzt: dem eher gebirgi- liessen sich in verschiedenen osmanischen vor allem aus sozioökonomischen Gründen,
gen Bosnien im Norden und der kleineren Provinzen nieder. Um das riesige Reich funk- zum sunnitischen Islam zu konvertieren, d. h.
Nach der Auflösung der Sozialistischen Fö- Herzegowina mit ihrem eher mediterranen tionsfähig zu erhalten, hatte die Hohe Pforte sich im Millet des sunnitischen Islam eintragen
derativen Republik Jugoslawien Anfang der Klima im Süden. Die heutigen Landesgrenzen (in der Diplomatensprache die sinnbildliche zu lassen. Nach dem Übertritt zur herrschen-
1990er-Jahre kam es in BiH zu bewaffneten von BiH und seine Qualifikation im Sinne einer Bezeichnung für das osmanische Reich in den Religion waren sie nämlich von der Kopf-
Auseinandersetzungen, in denen alle beteilig- territorialen und politischen Einheit reichen Analogie zur monumentalen Ehrenpforte steuer befreit, mit der nicht muslimische Un-
ten Seiten ihre politischen und territorialen bis in die Zeit der Gründung des sozialisti- des regierenden Sultans) eine pragmatische tertanen belastet wurden (ciziye).
Ansprüche verteidigen wollten. schen Jugoslawiens (1945) unter Präsident Lösung gefunden: Auch gewisse nicht musli-
Josip Broz Tito zurück. Indes bildete das heuti-
Diese Kriege hatten in menschlicher Hinsicht ge Territorium von BiH fünfhundert Jahre
schwerwiegende Folgen, und so ist die Ver- lang, vom 15. bis ins 19. Jahrhundert, einen «Bosnien» war zur Zeit des osmanischen stand es auch unter österreichisch-ungari-
gangenheit, ob sie nun lange zurückliegt oder Bestandteil des osmanischen Reiches. Reiches eine seiner europäischen Provinzen scher Verwaltung (1878–1918). Spuren der
Abbildung
Abbildung 1:
1: Bosnien
Bosnien als
als osmanische
osmanische Provinz
Provinz (Eyalet, später Vilayet) (Abbildung 1). Die reichen byzantinischen und osmanischen,
Eyalet
Eyalet im
im Jahr
Abbildung Jahr 1609:
1609: als osmanische Provinz
1: Bosnien Vilayet
Vilayet im
im Jahr
Jahr 1880:
1880: Grossprovinz «Bosnien» war in mehrere Ver- aber auch der römisch-katholischen Vergan-
Eyalet im Jahr 1609: Vilayet im Jahr 1880: waltungseinheiten (Sandschak) gegliedert, die genheit von BiH prägen heute noch den städ-
wiederum in Kantone oder Gerichtsdistrikte tischen und den ländlichen Raum. In zahlrei-
(kaza) unterteilt waren. Die osmanischen Pro- chen Städten des Landes finden sich Überreste
vinzen standen mehrheitlich unter der Ver- der osmanischen, aber auch der byzantini-
waltung der lokalen Bewohner, die zur domi- schen oder der habsburgischen Architektur,
nanten Religion, dem sunnitischen Islam, insbesondere Moscheen und orthodoxe oder
konvertiert waren. Die Kontrolle der lokalen katholische Kirchen. Das osmanische Erbe be-
Bevölkerungen oblag unter der osmanischen herrscht die städtischen Zentren mit seinen
Verwaltung dem Millet-System. alten orientalischen Basaren und öffentlichen
Badehäusern, den Hamams. Allgegenwärtig
BiH blieb lange unter der Herrschaft des sind die kulinarischen Spezialitäten, die Lebens-
byzantinischen Kaisertums und des osmani- art und das soziale und kulturelle Brauch-
schen Reichs. Während dreier Jahrzehnte tum, das auf die osmanische Vergangenheit

«Bosnien»
«Bosnien» war
war zur
zur Zeit
Zeit des
des osmanischen
osmanischen Reiches
Reiches eine
eine seiner
seiner europäischen
europäischen Provinzen
Provinzen
14
(Eyalet,
(Eyalet, später
später Vilayet)
Vilayet) (Abbildung
(Abbildung 1).1). Die
Die Grossprovinz
Grossprovinz «Bosnien»
«Bosnien» war
war in
in mehrere
mehrere 15
Verwaltungseinheiten
Verwaltungseinheiten (Sandschak)
(Sandschak) gegliedert,
gegliedert, die
die wiederum
wiederum in in Kantone
Kantone oder
oder
Gerichtsdistrikte
Gerichtsdistrikte (kaza)
(kaza) unterteilt
unterteilt waren.
waren. Die
Die osmanischen
osmanischen Provinzen
Provinzen standen
standen mehrheitlich
mehrheitlich
zurückgeht. Und dies nicht nur bei den dige Annexion von BiH. Damit wurde das Antifaschistischen Rates der Nationalen Be-
Volksgruppen muslimischen Glaubens, son- Gebiet dem politischen System des Westens freiung Jugoslawiens (AVNOJ) zustande.2 Die- Kasten 2:
dern auch bei orthodoxen und katholischen unterstellt und kam allmählich unter den ses historische Treffen fand im November Muslime, Bosnier, Bosniaken
Christen. dirigistischen Einfluss der habsburgischen 1943 in Jajce (Stadt in BiH) statt. Es stand Im Kontext von BiH gilt für die Verwen-
Moderne. unter dem Vorsitz des Partisanenführers Josip dung des Begriffs «Muslim» Folgendes:
Der Übergang Broz Tito und der Vorkämpfer des Widerstan- Muslim (Musliman) in Schrägschrift steht
zur Ära der Nationalstaaten BiH ist in der europäischen Geschichte auch des gegen die Besatzer. Der Status von BiH zwischen 1968 und 1993 für eine nationa-
Bis zum 19. Jahrhundert definierten sich die wegen eines folgenreichen Geschehens be- wurde nun als Teilrepublik der jugoslawischen le Volksgruppe und bezeichnet die Ge-
Bewohner dieser Region, wie die Menschen kannt geworden. Im Juni 1914 wurde der Föderation zementiert. Das neue Gebilde samtheit der serbokroatisch sprechenden
anderer europäischer Länder auch, über ihre Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog setzte sich aus seinen drei wichtigsten ethni- islamisierten Slawen, unabhängig vom
religiöse Zugehörigkeit und soziale Stellung. Franz Ferdinand, in Sarajevo ermordet. Dieses schen Gruppen zusammen, von denen es Grad ihrer Religiosität. Der Begriff Muslim
Die Konzepte «Ethnische Zugehörigkeit» oder Attentat, das von einem lokalen Nationalisten auch regiert wurde. Diese sprachen zwar eine (Musliman) bezieht sich dagegen auf die
«Nationalität» wurden als Unterscheidungs- begangen wurde, war das auslösende Mo- gemeinsame Sprache3, unterschieden sich Religion und bezeichnet die Gesamtheit
kategorien erst relevant nach dem Übergang ment des Ersten Weltkriegs. Nach Kriegsende jedoch nach der religiösen Zugehörigkeit: der Personen muslimischen Glaubens, un-
von der osmanischen Herrschaft zu einer im Jahr 1918 wurde das «Königreich der Ser- Muslime, (orthodoxe) Serben und (katholi- abhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer
zentralen, nationalstaatlich organisierten poli- ben, Kroaten und Slowenen» ausgerufen, sche) Kroaten. BiH erhielt den Status einer bestimmten Volksgruppe. Während die
tischen und territorialen Ordnung. Im 19. Jh. welches 1929 in «Königreich Jugoslawien» Teilrepublik unmittelbar nach der Gründung Muslime von BiH unter Tito in einer ersten
vollzog sich in Südosteuropa, wie auch in den umbenannt wurde. BiH gehörte fortan bis der jugoslawischen Republik kurz nach dem Phase als «national unbestimmt» galten,
neuen Staaten Europas, der Übergang in die zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum Zweiten Weltkrieg. nannte man sie ab 1968 offiziell Muslime
ethno-nationale Ära. Während diesem Über- Königreich Jugoslawien. Dazu sei vermerkt, und verlieh ihnen mithin den Status einer
gang finden als ethnisch oder national be- dass dieses Königreich die historischen Gren- BiH war als eine der treibenden Kräfte am poli- eigenständigen Nation Jugoslawiens. 1993
zeichnete Phänomene Eingang in die Politik zen bewusst nicht berücksichtigte. Der Kon- tischen Zusammenschluss Jugoslawiens be- wird die früher national verstandene Be-
der Balkanregion. Unter Ethnie oder Nation1 flikt zwischen den Serben und den Kroaten teiligt, weil es eine multiethnische politische nennung «Muslim» durch die Bezeichnung
sind historisch konstruierte, soziokulturelle über die Struktur des jugoslawischen Staates Einheit darstellte. Konkret bestand die Sozia- «Bosniake» (Bošnjak) abgelöst. Letztere
oder politische Kategorien zu verstehen, mit liess den bosnischen Muslimen wenig Raum, listische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) darf nicht mit dem Begriff «Bosnier»
«natürlichen», objektiven Gegebenheiten hat um eine eigene Identität zu entwickeln. aus acht föderativen Entitäten, mithin den (Bosanac) verwechselt werden, der sich
die Bezeichnung nichts zu tun. Der Balkan er- sechs Republiken Slowenien, Kroatien, BiH, auf die Gesamtheit der Einwohner/-innen
lebte im 19. Jahrhundert grosse soziale Um- Die Gründung Jugoslawiens Serbien, Montenegro und Mazedonien sowie von BiH bezieht (s. Terminologie).
wälzungen, die zu ethnischen Differenzen durch Tito den zwei (später als autonome Provinzen be-
führten, die heute noch spürbar sind. Im Zuge 1941 wurde Jugoslawien vom nationalsozia- zeichneten) Regionen Kosovo und Vojvodina.
der Krise im Osten und des politischen und listischen Deutschland besetzt. Das heutige Als staatsbildende Bevölkerungsgruppen wur- pierungen, die in den verschiedenen Teilrepu-
territorialen Verfalls des Osmanischen Reichs Gebiet von BiH wurde aufgrund seiner geo- den fortan die Slowenen, die Kroaten, die bliken oder Provinzen der SFRJ lebten und
kamen die Grossmächte im Berliner Kongress grafischen Gegebenheiten zur Speerspitze des Muslime4, die Montenegriner, die Serben und deren «Mutternation» sich ausserhalb Jugos-
von 1878 überein, die Verwaltung von BiH Widerstandes der Partisanen gegen die natio- die Mazedonier anerkannt. Was die (minoritä- lawiens befand, unter anderen um Albaner,
Österreich-Ungarn zu unterstellen (als otto- nalsozialistische Okkupation. Der moderne ren) Nationalitäten betraf, ging es um Grup- Ungarn, Türken, Italiener und Rumänen.
manisches Protektorat). Dennoch verfügte Staat BiH in seinen aktuellen administrativen
Österreich-Ungarn im Jahr 1908 die vollstän- Grenzen kam aufgrund der Beschlüsse des
2 Die Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina wurde anlässlich der Tagung des ZAVNOBiH (Zemaljsko Antifašističko Vijeće
Narodnog Oslobo Ďenja Bosne i Hercegovine, Antifaschistischer Rat der Nationalen Befreiung von Bosnien und Herzegowina) gegründet.
3 Das Serbokroatische ist eine plurizentrische Sprache mit vier oder fünf untereinander verständlichen Varietäten: dem Serbischen, dem
Kroatischen, dem Bosniakischen, dem Montenegrinischen (im Entstehen) und dem Kroatischen des Burgenlandes.
1 Im Sinne einer kulturellen Gemeinschaft. 4 Vor 1971 mussten sich die Muslime in Volkszählungen entweder als Kroaten, als Serben oder als «national unbestimmt» erklären.

16 17
Jugoslawien war ein Land unter kommunisti- die verschiedene politische Ansichten hatten, BiH als Staat nach 1995 Republik (Republika Srpska). Die Verträge von
schem (danach sozialistischem) Einfluss, das brach aus. Er forderte unzählige zivile Opfer Der im Dezember 1995 in Paris unterzeichne- Dayton sind ein Kompromiss zwischen der
international als souveräner Staat anerkannt namentlich als Folge von ethnischen Säube- te Dayton-Plan sieht die Schaffung von zwei bosniakischen, der kroatischen und der serbi-
wurde. Es stieg sogar zur Regionalmacht auf rungen. Konfrontiert mit dem Ausmass dieses politisch-territorialen Entitäten unter dem schen Führung und schaffen eine neue staatli-
und gefiel sich im internationalen Prestige sei- menschlichen Dramas, u. a. mit der Entde- Dach von BiH vor: die kroatisch-bosniakische che Ordnung. In diesen Verträgen werden die
ner Position als Leader der Bewegung der ckung von Gefangenenlagern, in denen Teile Föderation (später als Föderation Bosnien und neuen ethnisch-territorialen Verhältnisse nach
Blockfreien Staaten. Ab 1974 begann der der Zivilbevölkerung von BiH festgehalten Herzegowina bezeichnet), die 51 % der Flä- dem Krieg weitgehend anerkannt. Zugleich
Trend zur Dezentralisierung und Selbstverwal- wurden, und dem Massaker in Srebrenica5, che des Landes umfasst, und die serbische wird versucht, eine gemeinsame institutionelle
tung. 1981, nur ein Jahr nach dem Tod der stellte der Internationale Strafgerichtshof für
charismatischen Führungsfigur Titos, sah sich das ehemalige Jugoslawien (ICTY) eine Liste
die SFRJ einer schweren strukturellen, wirt- der Anschuldigungen gegen die Verantwort- Abbildung 2: Verwaltungseinheiten von BiH: die Serbische Republik und die Föderation Bosnien
Abbildung 2: Verwaltungseinheiten von BiH: Serbische Republik und Föderation Bosnien
schaftlichen und finanziellen Krise gegenüber lichen der Kriegsverbrechen, Verbrechen ge- und Herzegowina
und Herzegowina
und war den tief greifenden politischen Ver- gen die Menschlichkeit und Genozid zusam-
änderungen und institutionellen Blockaden men. Alle von der internationalen Justiz für
bald hilflos ausgeliefert. Die Spannung zwi- Kriegsverbrechen Angelschuldigten wurden
schen der Föderation und ihren Bestandteilen verhaftet und nach Den Haag überführt und
war spürbar. Sie schwächte den interethni- die meisten von ihnen wurden vom interna-
schen Frieden, auf dem die politische Union tionalen Kriegsverbrechertribunal verurteilt.
beruhte. Die Folgen sind bekannt: Zerfall der
jugoslawischen Föderation und Ausbruch der Neben dem Verlust an Menschenleben und
bewaffneten Konflikte in Slowenien und Kro- den Verwüstungen führte der Krieg in BiH auch
atien, die sich rasch auf BiH ausweiteten. Der zur Vertreibung eines Grossteils der Bevölke-
Krieg brach 1992 auch in BiH aus und dauerte rung innerhalb und ausserhalb des Landes.
bis 1995. Der Krieg endet erst nach der militärischen
Intervention des Westens und mit dem Frie-
Der Krieg in BiH 1992–1995 densabkommen von Dayton. Der Nordatlantik-
Im März 1992, ein Jahr nach der Unabhängig- pakt (Nato) stationierte eine internationale
keitserklärung Sloweniens und Kroatiens, Eingreiftruppe von sechzigtausend Mann
führte BiH ein Referendum über die Unabhän- (IFOR), die den Auftrag erhielt, Sicherheit und
gigkeit durch. Obwohl die grosse Mehrheit Frieden in der Region zu gewährleisten. Nach
der Serben das Referendum boykottiert hatte, und nach wurde das Mandat der IFOR redu-
wurde die Unabhängigkeit ausgerufen. Die ziert, zunächst erfolgte die Friedenssicherung
bosnischen Serben erhielten politische und durch die Schutztruppe SFOR und zuletzt über
später auch bewaffnete Unterstützung von Massnahmen zur Unterstützung der multi-
Serbien. Ein blutiger interethnischer Konflikt nationalen Friedensförderungstruppe der Eu-
zwischen Muslimen, Serben und Kroaten, ropäischen Union (EUFOR).

5 Im Juli 1995 tötete die Armee der bosnischen Serben (VRS) über 7000 bosniakische Männer und Jungen. Das Massaker wurde 2001
vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) als Genozid klassifiziert. Dieser Entscheid wurde 2007 vom Quelle: Modifiziert
Quelle: Modifiziert aufgrund
aufgrund von htttp://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cb/Bosnia_and_Herzegovina_
von http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cb/Bosnia_and_Herzegovina_location_map.svg
Internationalen Gerichtshof (IGH) bestätigt. location_map.svg
(Stand am 30. Oktober (Stand
2013) am 30. Oktober 2013)

KASTEN 3: Steckbrief Bosnien und Herzegowina


18 Offizieller Name: Bosnien und Herzegowina (BiH) 19
Hauptstadt: Sarajevo
Bezeichnung der Bewohner: Staatsbürger/in von BiH oder abgekürzt «Bosnier/in»
internationalen Präsenz begleitet worden. Die drei Volksgruppen zugehörig fühlen, werden
Kasten 3: Steckbrief Bosnien und Herzegowina aus den Abkommen von Dayton entstandene als «Andere» (Ostali) bezeichnet und sind den
staatlich-institutionelle Architektur von BiH ist Personen aus den drei staatsbildenden Volks-
Offizieller Name: Bosnien und Herzegowina (BiH) durch verschiedene politische Ebenen gekenn- gruppen von BiH rechtlich nicht gleichgestellt.
Hauptstadt: Sarajevo zeichnet. Die politisch-institutionelle Ausge- Somit sind Bürger, die sich als «Bosnier» be-
Bezeichnung der Bewohner: Staatsbürger/-in von BiH oder abgekürzt «Bosnier/-in» staltung erweist sich indes als kostspielig und zeichnen oder zu anderen Minderheiten zählen,
Amtssprachen: Bosnisch, Kroatisch und Serbisch behindert die Funktionalisierung von BiH als nicht zur Wahl in das dreiköpfige Gremium
Fläche: 51 100 km² einem effizienten und modernen Staat. der Vorsitzenden des Staatspräsidiums oder
Einwohnerzahl: 3 829 000 (Schätzung für 2013) andere staatliche Institutionen berechtigt.
Bevölkerungsdichte: 74 Einwohner/km² Seit die Schweiz nach Kriegsende mit einem
Städtische Bevölkerung: 48,3 % humanitären Hilfsprogramm begann, befasst Der Europäische Gerichtshof für Menschen-
Politisches System: Föderative Republik mit halbpräsidialem System sie sich mit dem Wiederaufbau der politischen rechte in Strassburg hat dieses System in einem
Legislative: Kammern der Abgeordneten und der Volksvertreter und der demokratischen Strukturen dieses Urteil als diskriminierend bezeichnet.8 Ge-
Währung: Konvertible Mark von BiH (BAM) Landes. Wie bei anderen europäischen Län- stützt auf dieses Urteil fordert Brüssel von BiH
Human Development Index (HDI-Rang weltweit 2012): 81/186 dern zielt die Aussenpolitik vornehmlich auf eine entsprechende Verpflichtungserklärung,
BIP (Schätzung 2012): 18 Mrd. USD Stabilität, die zur Friedenssicherung unerläss- um den Status eines Beitrittskandidaten der
Arbeitslosenquote (Schätzung 2012): 28 % lich ist. Zugleich ist die wirtschaftliche Ent- europäischen Union zu erhalten. Diese For-
Inflationsrate (2012): 2,2 % wicklung ein zentrales Ziel der sozialen und derung bedingt eine Revision der bosnisch-
Waren- und Dienstleistungsimporte (Schätzung 2012): 10,2 Mrd. USD der politischen Integration in Europa, die zum herzegowinischen Verfassung und damit auch
Waren- und Dienstleistungsexporte (Schätzung 2012): 5,4 Mrd. USD Beitritt von BiH zur Europäischen Union füh- der Dayton-Abkommen. Der auf das Land
Anzahl Abonnenten mit Breitband-Internetverbindung (2011): 430 247 ren soll. Namentlich aufgrund der Zahl der aus ausgeübte Druck zeigt allmählich Wirkung.
Wichtigste Wirtschaftszweige: Metallindustrie, Holzindustrie, Nahrungsmittelindustrie, BiH in die Schweiz eingewanderten Personen Am 30. Januar 2013 anerkannte die parla-
Bauindustrie haben die beiden Länder privilegierte Bezie- mentarische Versammlung des Kantons Sara-
hungen entwickelt.6 jevo die Gleich­berechtigung der Mitglieder
anderer Bevöl­kerungsgruppen mit den Ver-
Die Verfassung von 1995 erwähnt drei staats- tretern der «konstitutiven Volksgruppen» des
Basis auf mehrfacher Ebene zu errichten, um eine Regierung und ein Parlament. Wo sich die bildende (konstitutive) Volksgruppen von BiH: Landes.9
den Frieden zu sichern und die Einheit des beiden Entitäten überschneiden, liegt eine Bosniaken, Serben und Kroaten.7 Bürgerinnen
Landes zu wahren. kleine Ortschaft mit strategischer Bedeutung und Bürger von BiH, die sich zu keiner dieser
für das räumliche Gleichgewicht zwischen den
Die Föderation Bosnien und Herzegowina so- Ethnien: der Distrikt Brćko. Im Norden des
wie die Serbische Republik bilden den Staat Landes gelegen, bildet Brćko eine eigene
BiH mit der Hauptstadt Sarajevo (Abbildung 2). administrative Entität, so wie die Föderation
Die Föderation Bosnien und Herzegowina be- Bosnien und Herzegowina oder die Serbische
steht aus zehn Kantonen, die wiederum in ver- Republik.
schiedene Gemeinden unterteilt sind. Die Ser-
6 http://www.swiss-cooperation.admin.ch/bosniaandherzegovina/en/Home/Swiss_Cooperation_with_Bosnia_and_Herzegovina
bische Republik hat eine Zentralregierung in Die zunehmende Staatlichkeit von BiH und (Stand am 18. März 2013).
7 Im BiH der Post-Dayton-Ära sind drei Amtssprachen definiert: Bosnisch, Serbisch und Kroatisch.
Banja Luka und ist direkt in Gemeinden unter- das daraus erwachsene fragile interethnische 8 Zwei Staatsbürger, der eine mit Roma-Abstammung und der andere jüdischer Herkunft (Sejdić/Finci), die somit zu den «Anderen»
teilt. Jede Entität verfügt über eine Verfassung, Gleichgewicht sind viele Jahre lang von der zählten, erhoben Klage gegen BiH beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. In seinem Urteil vom Dezember
2009 stellte das Gericht eine Verletzung von Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) der Europäischen Menschenrechtskonvention fest.
9 André Loersch, «Les Bosniens, étrangers sur leurs propres terres», La Cité, 22. Februar – 8. März 2013, S. 10.

20 21
2.2  Ethnische Vielfalt Die Neigung zu Toleranz und interethnischer Abbildung 3: Ethnische
Abbildung 3: EthnischeZusammensetzung
Zusammensetzung1991
1991und
und1998
1998
Vermischung in BiH war auch eng mit der Ge-
Ethnische Zusammensetzung vor dem Krieg in BiH (1991) Ethnische Zusammensetzung nach dem Krieg in BiH (1998)
BiH zeichnet sich durch eine grosse ethnische schichte von Jugoslawien verknüpft. BiH
Vielfalt aus. Das Zusammenleben der verschie- stand als Gebiet im Zentrum der Expansions-
denen Ethnien steht bei der Konsolidierung bestrebungen seiner Nachbarn Serbien und
der Nachkriegsgesellschaft im Vordergrund. Kroatien. Insbesondere der muslimische Teil
Der Widerstand gegen die ethnische Vielfalt der Bevölkerung von BiH war wiederholt Ziel-
war in der Tat eine der wichtigsten Folgen der scheibe einer Tendenz der identitätsbildenden
nationalistischen Kräfte während des Krieges Kooptation seitens ebendieser Staaten (sie
von 1992 bis 1995. Zunächst ist daran zu erin- wurden bald als «Serben islamischen Glau-
nern, dass diese Vielfalt eng mit der geschicht- bens», bald als «Kroaten islamischen Glau-
lichen Identität von BiH als kulturell und reli- bens» bezeichnet). Dagegen bezeichneten 1998
1991 vorwiegend Kroaten
giös pluralistischer Gesellschaft verbunden ist. sich die orthodoxen Einwohner von BiH selbst vorwiegend Bosniaken
Kroaten > 66%
als Serben und die Katholiken als Kroaten – Kroaten 50–65% vorwiegend Serben
Historisch gesehen, fungierte BiH lange als die Einwohner gleicher Sprache, aber musli- Kroaten ≤ 50% gemischt bosniakisch-kroatisch
IEBL (Trennlinie zwischen Entitäten)
«Pufferzone» zwischen dem Islam, der ortho- mischen Glaubens, befanden sich sozusagen Bosniaken > 66% Serben > 66%
doxen Kirche und dem Katholizismus. Das Ge- dazwischen. Dies erklärt zweifellos, weshalb Bosniaken 50–65% Serben 50–65%
biet war daher auch Begegnungsort und die muslimische Elite von BiH dazu neigt, die Bosniaken ≤ 50% Serben ≤ 50%

Schmelztiegel verschiedenster Kulturen und jugoslawische Idee im Sinne der Förderung Hinweise: Die Karte von 1991 beruht auf der jugoslawischen Volkszählung von 1991. Diejenige von 1998 stützt sich
einerseits auf Schätzungen aus einer Volkszählung des UNHCR aus dem Jahr 1996, die durch den Staat BiH nicht
Religionen. Das Nebeneinander verschiedener einer überethnischen Identität strategisch zu Hinweise: Die
anerkannt Karteund
wird, von zum
1991 anderen
beruht aufauf
derZahlen
jugoslawischen Volkszählung von
der Statistikbüros der 1991. Diejenige von
verschiedenen 1998 stützt
Entitäten vonsich einerseits
BiH. Darüberauf hinaus ist
Schätzungen aus einer Volkszählung des UNHCR aus dem Jahr 1996, die durch den Staat BiH nicht anerkannt wird, und zum anderen auf
Religionen, aber auch die Vergangenheit an unterstützen. So fand der «Jugoslawismus» zu beachten, dass die Farben nicht direkt vergleichbar sind (siehe Erläuterung im Text).
Zahlen der Statistikbüros der verschiedenen Entitäten von BiH. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Farben nicht direkt vergleichbar
Quelle: Office
sind (siehe of theimHigh
Erläuterung Text).Representative (Büro des Hohen Repräsentanten) für Bosnien und Herzegowina
der Schnittstelle diverser ausländischer Einflüs- in BiH einigen Zuspruch, weil er als Schutz Quelle: Office of the High Representative (Büro des Hohen Repräsentanten) für Bosnien und Herzegowina
se erklären die noch heute bestehende Viel- gegen das nationalistische Streben nach Assi-
falt, die für die Bewohnerinnen und Bewohner milierung verschiedenster Provenienz galt. Das Bild, das noch heute von einem Teil der Diaspora von BiH gezeichnet wird, ist eines
dieses Landes, die wohl die Sprache, aber Die Anerkennung einer Nationalität der der Verflechtung, der Toleranz und der Vermischung zwischen Bevölkerungsgruppen
unterschiedlichen Glaubens, die eine Region mit einem reichen soziokulturellen Erbe
nicht die Religion teilen, letztlich vielleicht das «Muslime» im Jahr 1968 war ein Mittel, die
bewohnen. «Bosnien bekommt nur in der gelebten Wirklichkeit der ethnischen
einzige Bindeglied war. Eine Besonderheit von ethno-nationalistischen Bestrebungen in Ju- auf die Muslime / Bosniaken,
Durchmischung einen Sinn,31,4 %
ohne auf
kanndiees nen.
sich «Bosnien bekommt
nicht Bosnien nur in der
nennen», gelebten
betont eine
BiH ist auch seine bis 1992 über entsprechen- goslawien einzudämmen. Serben und 17,3 % auf die Kroaten. Von den Wirklichkeit der ethnischen Durchmischung
Staatsangehörige, die sich für die Anliegen der Migrationsbevölkerung in der Schweiz
de Eheschliessungen vorherrschende eth- engagiert.
damals als «Andere» betrachteten Personen einen Sinn, ohne diese kann es sich nicht Bos-
nisch-religiöse Durchmischung. 1991 waren Aus der Volkszählung von 1991 ergab sich bezeichneten
Diese sichgeprägte
traditionell 5,5 % Diversität
als Jugoslawen;
ist aus dernien nennen», betont der
Zusammensetzung eineBevölkerung
Staatsangehörige,
in der
beispielsweise 17 % der in BiH geschlossenen bezüglich der Bevölkerung von BiH folgende Nachkriegszeit
2,5 % zählten zuimmer noch ersichtlich. Allerdings
Minderheitsgruppierungen, präsentiert
die sich sich diese
für die Anliegen der Diversität eher in
Migrationsbevöl-
Ehen Mischehen, wobei der Trend in den Städ- demografische Struktur:10 Von der Gesamt- der Formhauptsächlich
die sich von ethnisch ausbesetzten territorialen
Roma, Juden und kerungGebieten,
in derselbst
Schweizwenn es in deren Mitte
engagiert.
ten deutlich stärker ausgeprägt war. zahl von 4 365 000 Personen entfielen 43,7 % weiterhin Minderheiten
anderen Minderheiten gibt.
zusammensetzen.
Diese traditionell geprägte Diversität ist aus
Das Bild, das noch heute von einem Teil der der Zusammensetzung der Bevölkerung in der
Diaspora von BiH gezeichnet wird, ist ein Bild Nachkriegszeit immer noch ersichtlich. Aller-
10 Aus politischen Gründen werden für die vorliegende Darstellung statt der neuesten Zahlen nur diejenigen der jugoslawischen der Verflechtung, der Toleranz und der Vermi- dings präsentiert sich diese Diversität eher in
Volkszählung von 1991 berücksichtigt. Die betreffenden Daten stammen aus: Roux Michel, «La population de la Yougoslavie en 1991.
Inventaire avant le chaos». In: Méditerranée, Band 81, 1.2.1995. Dynamiques actuelles de la population dans les pays méditerranéens. schung zwischen Bevölkerungsgruppen un- der Form von ethnisch besetzten territorialen
S. 35–46. Im Oktober 2013 wurde eine Volkszählung durchgeführt, deren erste Ergebnisse auf einen starken Bevölkerungsschwung terschiedlichen Glaubens, die eine Region mit Gebieten, selbst wenn es in deren Mitte wei-
hindeuten: Danach hat BiH seit 1991 als Folge des Krieges und des massiven Exodus seiner Bevölkerung von 1992 bis 1995 rund
600 000 Einwohner eingebüsst. (http://bhinfo.fr/premiers-resultats-la-bosnie,3687/, Stand am 13. November 2013). einem reichen soziokulturellen Erbe bewoh- terhin Minderheiten gibt.
19

22 23
Kasten 4: Schlüsselereignisse der bosnisch-herzegowinischen Geschichte
1377 Das Königreich Bosnien wird 1945 Begründung der Republik Bosnien
unabhängig und Herzegowina im Rahmen der
1463 Anfänge der osmanischen Herrschaft Sozialistischen Föderativen Republik
1878 Berliner Kongress und Unterstellung Jugoslawien
von BiH unter die österreichisch-unga- 1968 Offizielle Anerkennung einer
rische Verwaltung «muslimischen» Nation durch die
1908 Annexion von BiH durch Österreich- Regierung Tito
Ungarn (Oktober) 1980 Tod von Josip Broz Tito
1914 Attentat auf Erzherzog Franz 1990 Politischer Pluralismus und Wahlen in
Ferdinand in Sarajevo (28. Juni) BiH und in ganz Jugoslawien
1918 Eingliederung von BiH in das 1991 Kriegsausbruch in Slowenien und
Königreich der Serben, Kroaten Kroatien
und Slowenen (Königreich SHS) 1992 Referendum über die Unabhängigkeit
1929 Überführung des Königreichs SHS von Bosnien-Herzegowina und
in das Königreich Jugoslawien Ausbruch des Konflikts
1941 BiH wird dem faschistischen unab- 1992 BiH wird Mitgliedstaat der Vereinten
hängigen Staat Kroatien unter Ante Nationen
Pavelić einverleibt 1994 Schaffung der kroatisch-bosnischen
1943 Errichtung des Antifaschistischen Föderation CALIC, Marie-Janine (2012). Der Krieg in 2.3  Drei Migrationswellen
Rates der Nationalen Befreiung 1995 Abkommen von Dayton zum Frieden Bosnien-Herzegowina, Ursachen – Konflikt- in die Schweiz
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in Yugoslavia: Origins, History, Politics. Zuge der Wirtschaftsmigration in die Schweiz
Ithaca & London: Cornell University Press. kamen.

24 25
Abbildung 4: Entwicklung der jugoslawischen Wohnbevölkerung in der Schweiz Die Bevölkerung sah sich nicht nur aufgrund Wesentlich grössere Kontingente entfielen auf
der Arbeitslosigkeit gezwungen, ihr Land zu den Arbeitsmarkt in Deutschland (71 %) und
200 000 verlassen. Noch häufiger wurden die höheren Österreich (17 %). Diese Angaben stimmen
Löhne geltend gemacht, die durch die Ar- mit den verschiedenen Aussagen überein, die
beitsmigration in den Westen, insbesondere wir im Rahmen unserer Studie gesammelt ha-
150 000 nach Deutschland, erzielt werden konnten. In ben. Danach stellten die in der Schweiz anwe-
der Schweiz waren die ersten jugoslawischen senden Staatsangehörigen aus BiH in den
Arbeitnehmenden aus BiH, wie auch diejeni- 1960er-Jahren im Vergleich zu den Einwande-
gen aus dem Kosovo, schlecht qualifiziert. Ge- rern aus den anderen Republiken und autono-
100 000
mäss der Volkszählung von 1971 hatten 64 % men Provinzen Jugoslawiens (Kosovo, Slowe-
zuvor in der Landwirtschaft, der Fischerei und nien, Kroatien, Serbien) eine Minderheit dar.
der Forstwirtschaft gearbeitet. Es handelte
50 000
sich mehrheitlich um junge Männer (74 % wa- Die für diese Studie befragten Fachleute aus
ren weniger als 35 Jahre alt). Der Anteil der BiH haben uns mehrfach daran erinnert, dass
ausgewanderten Frauen war mit 19 % deut- parallel zu dieser unqualifizierten Arbeitsmig-
0
1950 1960 1970 1980 1990 2000 lich niedriger als derjenige der Männer.11 ration eine Zuwanderung von Kaderleuten aus
Schenkt man jedoch den damaligen offiziellen Jugoslawien statt fand. Ärzte und Ingenieure
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) Zahlen Glauben, blieb die Zahl der aus BiH in aus Jugoslawien kamen in die Schweiz, da auf
die Schweiz eingewanderten Personen wei- dem Schweizer Arbeitsmarkt eine entspre-
Die Einwanderung aus BiH in die Schweiz er- Jahrzehnts waren diese Personen erst ab dem terhin gering. Gemäss der Volkszählung des chende Nachfrage für diese Berufe bestand.
folgte wie diejenige aus anderen Länder des fünften Arbeitsjahr in Folge zu einem ständi- Bundes von 1970 befanden sich 24 971 jugo- Die substanzielle und plötzliche Zunahme von
ehemaligen Jugoslawiens in verschiedenen gen Aufenthalt in der Schweiz berechtigt. slawische Staatsangehörige in der Schweiz qualifizierten Emigranten aus Jugoslawien,
Wellen. Obwohl die Fachleute und die befrag- Sie hatten dann auch die Möglichkeit, einen (gemäss der jugoslawischen Volkszählung die in die westlichen Länder auswanderten,
ten Migranten meistens von zwei Wellen, vor Anspruch auf Familiennachzug geltend zu von 1971 waren es 21 201). Während dessel- erhärtet diese Information. So sollen in den
und nach dem Krieg, sprechen, müssen unse- machen (siehe Kasten 6). ben Zeitraums waren in Deutschland 478 000 ersten acht Monaten von 1966 15 400 Arbeit-
rer Ansicht nach drei Wellen unterschieden jugoslawische Arbeitnehmende registriert nehmende das Land verlassen haben, wäh-
werden. Diese erste Einwanderungswelle war somit (411 503 gemäss der jugoslawischen Statistik rend dies für das gesamte Jahr 1965 nur auf
vor allem wirtschaftlicher Natur. Auf der einen von 1971); die Gesamtzahl der nach Europa 2700 Personen zutraf.13
Erste Welle der Arbeitsmigration Seite brauchte die Schweizer Wirtschaft aus- eingewanderten jugoslawischen Arbeitneh-
Die erste Einwanderungswelle erfolgte in den ländische Arbeitskräfte. Auf der anderen Seite menden betrug 671 908.12 Zweite Welle der Arbeitsmigration
1960er-Jahren. Sie steht in direktem Zusam- verzeichnete Jugoslawien eine hohe Arbeits- Die zweite Einwanderungswelle aus BiH (d. h.
menhang mit der Unterzeichnung des Ab- losigkeit. Das Land sah sich in diesem Zeit- Gemäss der jugoslawischen Volkszählung von aus Jugoslawien) in die Schweiz fand in den
kommens von 1965 zwischen der Schweiz raum mit strukturellen Problemen in der 1971 arbeiteten lediglich 1,5 % der insgesamt 1980er-Jahren statt. Es handelte sich erneut
und Jugoslawien über Einwanderungskontin- Wirtschaft konfrontiert. Da sich keine Verbes- aus BiH emigrierten Personen in der Schweiz. um eine Einwanderung von grösstenteils
gente für Arbeitskräfte. Es handelte sich um serung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen
ein Sozialversicherungsabkommen für Saison- abzeichnete, akzeptierte bzw. begünstigte die
arbeiter, die während mehrerer Monate pro jugoslawische Regierung die Abwanderung 11 Emigrierte Arbeitskräfte. Verteilung nach Wirtschaftszweig vor der Auswanderung. Zahlen aus: Gokalp Catherine, «L’émigration
Jahr in der Schweiz arbeiteten (4 oder 9 Mo- ins Ausland – was nicht ohne Folgen auf die yougoslave», Volkszählung von 1971, in: Population, 29. Jhrg. N. 1, 1974, S. 34 (http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/
article/pop_0032-4663_1974_hos_29_1_16154; Stand am 10. Mai 2013).
nate) und dann für das restliche Jahr nach Ideologie der Vollbeschäftigung im Kommu- 12 Zugewanderte jugoslawische Arbeitskräfte nach Aufnahmeland, a.a.O., S. 42.
13 «L’émigration yougoslave», Population, 22. Jhrg., N. 1, 1967 S. 131 (aus «Percée – Revues scientifiques»: http://www.persee.fr/web/
Jugoslawien zurückkehrten. Während dieses nismus der damaligen Zeit blieb. revues/home/prescript/article/pop_0032-4663_1967_num_22_1_10878, Stand am 12. Mai 2013).

26 27
unqualifizierten Saisonarbeitern, die ihr Land der gesamten aus Jugoslawien eingewander- Kasten 5: Bericht einer Überlebenden des Krieges in BiH
wegen der Wirtschaftskrise und der Arbeits- ten Bevölkerung. Diese belief sich 1980 nach
losigkeit verliessen. In der Schweiz war dieser diesen Quellen auf 60 916 Personen. Als der Krieg in BiH ausbrach, war ich 20 Jahre dann aber laufen und rettete damit ihr Leben.
Zeitraum von einem Wirtschaftsaufschwung alt. Unser Dorf Kosterjevo wurde am 31. Mai Zum Zeichen unserer Dankbarkeit gehen wir
gekennzeichnet. In verschiedenen Wirtschafts- Die schweizerische Statistik belegt anhand 1992 Zielscheibe der militärischen und parami- ihn oft besuchen. Mein Bruder ist auf eine
zweigen wie im Baugewerbe, in der Hotellerie von demografischen Daten die rasche und litärischen Verbände der bosnischen Serben. Mine getreten und hat noch heute Metallstü-
und in der Landwirtschaft bestand somit ein bedeutende Zunahme der aus Jugoslawien An diesem Tag wurden 117 Dorfbewohner cke in seinem Körper, die nicht alle entfernt
Bedarf an saisonalen Arbeitskräften aus dem stammenden Bevölkerung: Nachdem sich kaltblütig ermordet, und es wurden Frauen werden konnten. Im Januar 1993 kam ich
Ausland. diese zwischen 1970 und 1980 mehr als ver- vergewaltigt. Wir haben wie durch ein Wunder schliesslich nach Srebrenica, dann nach Tuzla.
doppelt hatte, verdreifachte sie sich praktisch überlebt. Meine Familie wurde während des Ich war während 18 Monaten vollständig von
Es gab damals in der schweizerischen Statistik in den folgenden zehn Jahren, und 1990 Krieges in verschiedene Regionen zerstreut: meiner Familie abgeschnitten, ohne jede
aber (noch) keine Angaben über eingewan- wurden 172 777 Einzelpersonen gezählt. Mein Vater wurde gefangen genommen und Nachricht. Wir sind im Juli 1994 in die Schweiz
derte Personen aus BiH, da alle als «Jugosla- während 27 Monaten in einem Lager festge- zu unserem Vater gekommen, der hierher
wen» erfasst wurden. Aus der jugoslawischen Demografisches Bild für die Staatsangehöri- halten, meine Mutter und meine Schwester geflüchtet war. Er hatte für uns über das Rote
Volkszählung von 1981 ergeben sich jedoch gen aus BiH gemäss den jugoslawischen Sta- kamen ebenfalls ins Gefängnis. Sie blieben Kreuz einen Antrag auf Familiennachzug
die folgenden statistischen Daten zur Anwe- tistiken für 1991 siehe Tabelle 1. dank der humanitären Gesinnung eines bosni- gestellt. Heute bin ich in der Schweiz zu Hause
senheit von eingewanderten Personen aus schen Serben aus einem Nachbardorf am Le- und arbeite als Assistentin in der Gemeinde-
BiH in der Schweiz: 899 Kleinkinder (Alter 0–7 Gemäss diesen jugoslawischen Quellen lebten ben: Gegenüber seinen Vorgesetzten tat er so, krankenpflege. Der Krieg, den wir erlebt
Jahre), 217 Kinder im Schulalter (7–14 Jahre), im Jahr 1991 234 213 Staatsangehörige aus als ob er die beiden erschiessen wolle, liess sie haben, hat uns für immer gezeichnet.
7216 Männer (Alter 15–64) und 3691 Frauen BiH (davon 61 % Männer) im Ausland. Aus
(Alter 15–64; davon sind 3625 zwischen 15 diesen Zahlen geht hervor, dass die Staats-
und 49 Jahre alt).14 Insgesamt betrug die Zahl angehörigen aus BiH eine Vorliebe für die Der Auswanderungstrend in den 1980er-Jah- demografisch betrachtet die grösste Bevölke-
der Zugewanderten aus BiH in der Schweiz Schweiz als Zielland hatten. ren ist auf die zusehends schlechter werdende rungsgruppe darstellen, folgen an dritter Stel-
mehr als 12 000 Personen, das waren 20 % Wirtschaftslage zurückzuführen (hohe struk- le (sie stammen hauptsächlich aus den Gross-
turelle Arbeitslosigkeit und galoppierende In- gemeinden Sanski Most, Prijedor, Bihać,
Tabelle 1: Aus BiH stammende Staatsangehörige in der Schweiz gemäss der jugoslawischen flation). Die Wahl der Schweiz steht gemäss Lopare, Travnik, Ključ). Bemerkenswert an
Volkszählung von 1991 Fachleuten in Zusammenhang mit den Be- diesen offiziellen Daten ist die Feststellung,
dürfnissen der Schweizer Wirtschaft, die sich dass die aus Sarajevo zugewanderten Perso-
Personen Anteil Davon Männer Davon Frauen in vollem Aufschwung befand und der sich nen nicht sehr zahlreich sind. Aus der jugosla-
Muslime 7328 19 % 65 % 35 % verlangsamenden Arbeitsmigration aus Italien wischen Volkszählung von 1991 geht eben-
und Spanien. falls hervor, dass es sich bei rund 40 % der aus
Serben 12 038 32 % 62 % 38 %
BiH zugewanderten Bevölkerung um Frauen
Kroaten 14 794 39 % 56 % 44 % Was die ethnische Struktur anbelangt, setzte handelt.
Andere 3434 9 % 51 % 49 % sich diese Zuwanderung zum grossen Teil aus
Total 37 594 100 % kroatischen (den Grossgemeinden von Odžak, Kriegsbedingte Auswanderung
Travnik, Modriča, Tomislavgrad, Gradačac, Die dritte Einwanderungswelle aus BiH in die
Quelle: Jugoslawische Volkszählung 1991; vorübergehend im Ausland tätige Staatsangehörige aus BiH (nach Herkunftsgemeinde, Zielland
und Geschlecht), Statistisches Bulletin 235 (Statisticki Bilten 235), Sarajevo, Juni 1994 Bosanski Šamac) und serbischen (den Gross- Schweiz steht in Zusammenhang mit dem ver-
gemeinden von Lopare, Banja Luka, Bijeljina, heerenden Konflikt, den dieses Land erlebt
14 Popis stanova i domaćinstava u SFRJ, 1981. godina – Tabela br. 069, osnovne skupine stanovništva u inostranstvu prema zemljama Odžak, Zvornik, Prnjavor) Bevölkerungsgrup- hat. Der Krieg bricht am Tag nach der Unab-
boravka [Zählung der Behausungen und Familien in der RSFY im Jahr 1981, Tabelle Nr. 069, Basisdaten betreffend Staatsangehörige
im Ausland, nach Aufenthaltsland], SFRJ, SRBiH, Beograd, 1984. Godina, str. 3 – podaci za emigrante iz BiH u Švicarskoj. pen zusammen. Die Bosniaken, die in BiH hängigkeitserklärung im März 1992 aus. Die

28 29
Zivilbevölkerung ist sehr stark betroffen (siehe
Kasten 6: Chronologie der schweizerischen Migrationspolitik 2.1). Rund 1,2 Millionen Männer, Frauen und
gegenüber BiH und dem ehemaligen Jugoslawien Kinder aus BiH flüchten zwischen 1992 und
1998: Das Drei-Kreise-Modell (für die 1995 in andere Staaten. Ausserdem werden
Krieg in BiH Rekrutierung von Arbeitskräften) wird rund 1,3 Millionen Menschen intern vertrie-
1992–1995
Friedensabkommen zugunsten des dualen Zulassungs­ ben. Tabelle 2 illustriert das Ausmass dieses
von Dayton, Dez. 1995
systems aufgegeben. Dieses sieht Exodus.
Drei-Kreise-Politik 1991–1998 die Freizügigkeit der Arbeitnehmerin-
Sozial- (und schrittweise Abschaffung Aufhebung der nen und Arbeitnehmer aus der EU Der Krieg in BiH zeigt rasch Auswirkungen auf
versicherungs- des Saisonnierstatuts) Schengen-Visumspflicht
Dezember 2010 und Kontingente für den zweiten die Schweiz, da ein Teil der Betroffenen in die
Migrations-

abkommen mit
Jugoslawien Aufhebung der Sonder- Kreis (Länder ausserhalb der EU) vor. Schweiz flüchtet. Die Asylgesuche aus BiH er-
politik

regelungen im Asyl- und Migrationspartnerschaft 1999: Nach dem 1996 gestarteten reichen 1993 mit fast 7000 Personen einen
Rückkehrhilfebereich 1996–1998 BiH-CH, unterzeichnet 2009
Sonderprogramm verstärkt die Schweiz Höhepunkt (Abbildung 5). Auch 1994 und
ihre Unterstützung mit einem langfristi- 1995 reissen die Gesuche nicht ab; allerdings
Zusammen-

Humanitäre Hilfe und Kooperationsprogramm gestützt auf verschiedene


arbeit der

gen Programm für humanitäre Hilfe nimmt ihre Zahl ab.


Schweiz

Wiederaufbau Kooperationsstrategien (aktuell 2013–2016)


in BiH

und Entwicklungszusammenarbeit. Es
geht dabei vor allem um die Stärkung Die erste Flüchtlingswelle setzte sich vor allem
1965 1990 2000 2010 der marktwirtschaftlichen und der aus Frauen und Kindern zusammen. Diese
demokratischen Strukturen. kamen auf der Grundlage eines Flüchtlings-
1965: Die Schweiz und Jugoslawien unter- und Inspektoren nach BiH, um die 2009: Die Schweiz und BiH unterzeichnen kontingents in die Schweiz, das auf ver-
zeichnen ein Sozialversicherungs- Umsetzung der Friedensabkommen ein Protokoll zu Vereinbarungen schiedene westliche Länder aufgeteilt worden
abkommen zu Beginn der Einwande- vor Ort sicherzustellen. für eine Migrationspartnerschaft. war. Mehrere dieser Flüchtlinge gaben an,
rung jugoslawischer Arbeitskräfte. 1996: Der Bundesrat beschliesst die schritt- 2009 Kooperationsprogramm der Schweiz nach einem ersten Stopp in Kroatien «zufällig»
1991: Der Bundesrat führt das sogenannte weise Aufhebung der Sonderregelung –12: in BiH zur Stärkung demokratischer in die Schweiz gekommen zu sein. Die meis-
Drei-Kreise-Modell ein, das der Wirt- über den Aufenthalt von Staatsange- Strukturen, der Wirtschaft, des Ge- ten von ihnen stammten aus Prijedor (Nord-
schaftsmigration aus den Nachfolge­ hörigen aus BiH in der Schweiz. sundheitswesens und der Instandset- westen) und Bratunac (Osten). Die in den
staaten Jugoslawien, ein abruptes Alleinstehende Personen und Ehe­ zung von Basisinfrastruktur. Jahren 1993 und 1994 eingereichten Gesu-
Ende setzt. paare ohne Kinder aus BiH werden 2010: Im Rahmen der Schengen-Verträge che standen in Zusammenhang mit beste-
Aufgrund des Krieges in BiH beschliesst demnach aufgefordert, das Land hebt der Bundesrat die Visumpflicht henden Familienkontakten in der Schweiz,
der Bundesrat die kollektive vorläufige bis zum 30. April 1997 zu verlassen. für Staatsangehörige aus BiH auf. aber auch mit Familienzusammenführungen.
Aufnahme der vom Krieg vertriebenen Ein Rückkehrhilfeprojekt wird lanciert. 2013 Fortsetzung des Kooperations­ In der Folge wurden auch eine bestimmte
Personen. Diese Massnahme gewähr- 1996 Während der Nachkriegszeit leistet die   –16: programms zwischen der Schweiz Anzahl Überlebender aus Srebrenica (im Osten
leistet Personen, deren Leben infolge   –98: Schweiz BiH Unterstützung mit einem (DEZA und SECO) und BiH. von BiH) in der Schweiz platziert.
des Krieges akut und konkret gefähr- Sonderprogramm für humanitäre Hilfe
det ist, den erforderlichen Schutz. und Wiederaufbau. Gleichzeitig lan- Die menschliche Tragödie, von der dieses Land
1995: Nach der Unterzeichnung der Dayton- cieren Bund und Kantone ein Pro- im Südosten Europas betroffen war, hat die
Verträge, die dem Krieg ein Ende gramm für die individuelle Rückkehr- schweizerische Öffentlichkeit, aber auch die
setzen, schickt die Schweiz Experten hilfe (1997–1999). politischen Behörden auf Bundes-, Kantons-
und Gemeindeebene tief bewegt. Das emo-
tionale Klima war ein Trost für die vom Krieg

30 31
Tabelle 2: Flüchtlinge aus BiH in der Schweiz und in verschiedenen europäischen Ländern im Abbildung 5: Zahl der Asylgesuche aus der Bevölkerung von BiH zwischen 1986 und Juni 2012
Zeitraum 1992–1995

Aufnahme- Registrierte Änderung Nach BiH Zahl der 8000


land Flüchtlinge des Aufnahme- zurück- Flüchtlinge in
1992–1995 zwischen landes gekehrte den Aufnahme-
1992 und 1995 Flüchtlinge ländern 2005 6000

Schweiz 24 500 2600 11 000 10 900


Österreich 86 500 5 500 10 100 14 200 4000
Deutschland 320 000 52 000 246 000 22 000
Kroatien 170 000 52 000 56 000 62 000
2000
Niederlande 22 000 2 000 4 000 16 000
Serbien und
297 000 50 000 110 000 137 000
Montenegro
0
Schweden 58 700 – 1 900 56 000

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6

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Quelle: Marko Valenta & Sabrina P. Ramet, The Bosnian Diaspora. Integration in Transnational Communities, Burlington: Ashgate, 2011, S. 4.

Hinweise: Beginn des Krieges in BiH 1992; Friedensverträge von Dayton 1995
Quelle: Bundesamt für Migration (BFM) – Asylstatistik 1986 bis Juni 2012
mitgenommenen bosnischen Familien. Bei geprägt war. Für Flüchtlinge stellt das Haupt-
Gesprächen mit Migrantinnen und Migranten problem nach wie vor die schwierige oder
aus BiH wird deutlich, dass sie der Schweiz ge- sogar unmögliche Reintegration in ihr Her- Wichtige bibliografische Angaben
genüber dankbar sind für den freundlichen kunftsdorf oder -stadt dar. Nach dem Kriegs- BOSKOVSKA, Nada (2000) «Jugoslawen»
Empfang, den sie ihnen während der heftigen ende war die kurz- und mittelfristige Rückkehr in der Schweiz. Soziale, kulturelle und
Kriegswirren in BiH bereitet hatte. nach BiH aufgrund der neuen «ethnopoliti- ethnische Herkunft, Integrationsprobleme,
schen» Konstellation in BiH äusserst schwierig Schweizerische Ärztezeitung 81/2000, 47,
Nach der Einstellug der Kampfhandlungen geworden. Die neuen Asylgesuche der Staats- S. 2647–2651. http://www.saez.ch/docs/
durch den Abschluss des Dayton Abkommens angehörigen aus BiH schwankten zwischen saez/archiv/de/2000/2000-47/2000-47-669.
1995 nahmen die Asylgesuche ab. Doch leb- 1996 und 2002 jedenfalls noch um die Marke PDF, 7. Januar 2013.
ten die Menschen in BiH trotz der im Land von 1800 pro Jahr, ehe sie sich auf wesentlich KASER, Eric und Saskia SCHENKER (2008).
stationierten Truppen des Nordatlantikpakts tieferem Niveau einpendelten (zwischen 150 Rückkehrhilfe der Schweiz: Bilanz und
(Nato) auch noch zehn Jahre nach dem Ab- und 500 im 2012). Perspektiven. Schweizerisches Jahrbuch
schluss dieser Abkommen in einem Klima, das für Entwicklungspolitik, 27(2), 207–220.
von einem schwierigen Versöhnungsprozess

32 33
In Kürze den Kantonen Aargau (4267), Zürich (4039),
Waadt (3342), Luzern (2279), Bern (2065)
– Es ist schwierig, die Zahl der aus BiH stam- und Tessin (1938).
menden Personen in der Schweiz genau zu – Die Anzahl der aus BiH stammenden, stän-
beziffern. Für das Jahr 2010 werden in den dig in der Schweiz lebenden Männer und
offiziellen Statistiken rund 35 000 Personen Frauen unterscheidet sich 2011 nicht we-
aus BiH vermerkt, wobei nicht nach Aufent- sentlich, da sich das Geschlechterverhältnis
haltsstatus differenziert wird. Diverse Quel- zwischen Arbeits- (mehr Männer) und Asyl-
len nennen aber fast die doppelte Anzahl, migration (mehr Frauen) umkehrte. Auch
mithin beinahe 60 000 Personen, Eingebür- das Medianalter der Frauen und Männer
gerte mit eingerechnet. Staatsbürgerinnen bosnischer Nationalität ist im Wesentlichen
und Staatsbürger aus BiH machen somit identisch und schwankt um 35 Jahre.
ungefähr 2 % der ausländischen Bevölke- – Genau wie in der schweizerischen Bevölke-
rung in der Schweiz aus. rung ist auch in der Bevölkerung von BiH
– Bezüglich der natürlichen Bevölkerungsbe- eine Überalterung festzustellen. Man beo-
wegungen war bei der Bevölkerung aus BiH bachtet eine sinkende Geburtenhäufigkeit,
in der Schweiz von 1993 bis 2000 eine star- was weniger junge Leute zur Folge hat.
ke Zunahme der Geburten festzustellen, Diese lassen sich auch häufig einbürgern
doch kam es innerhalb einer Generation zu und erscheinen daher nicht mehr in den
einer Annäherung an die in der Schweiz Statistiken über die Bevölkerung aus BiH.
beobachteten niedrigen Geburtenraten. – Während gemischte (interethnische) Ehen
– Bezüglich der Wanderungsbewegungen in BiH früher an der Tagesordnung waren,
schwankt die Zahl der in die Schweiz einge- hat sich die Konstellation nach dem Krieg
wanderten Bürgerinnen und Bürger aus verändert. Es werden nunmehr endogame
BiH entsprechend den jeweiligen Migra- Paarbeziehungen bevorzugt. Auch in der
tionswellen. Mit Kriegsbeginn in Bosnien Schweiz bestätigt sich dieser Trend, obwohl
steigt ihre Zahl jedoch stark und erreicht Mischehen mit Personen, die keiner der
1994 einen Höhepunkt. Nach dem Kriegs- anderen ethnischen Gruppen aus BiH an-
ende im Jahr 1995 beschliesst der Bundes- gehören, eher besser akzeptiert werden.
rat die Aufhebung der kollektiven vorläufi- Insofern sind die Bosnierinnen und Bosnier
gen Aufnahme für Flüchtlinge aus BiH; nach wie vor offen gegenüber der Misch-
seither sind Familienzusammenführungen ehe. Seit dem Jahr 2000 nehmen die Ehen
und Härtefälle die wichtigsten Gründe für zwischen bosnischen und schweizerischen
die Einwanderung in die Schweiz. Staatsangehörigen ständig zu.
– Die geografische Verteilung der Bevölke- – Bezüglich der Aufenthaltsbewilligungen
rung aus BiH konzentriert sich zu mehr als (siehe Kasten 7) verfügt die Mehrheit der
3 Soziodemografische Merkmale 65 % auf 7 Kantone. Der Kanton St. Gallen Bürgerinnen und Bürger aus BiH derzeit
weist mit 4802 Bosniern und Herzegowi- über einen Ausweis B oder die Niederlas-
der in der Schweiz lebenden nern die grösste Anzahl auf, gefolgt von sungsbewilligung C. Inhaberinnen und In-

Staatsangehörigen aus BiH


35
haber der Ausweise N, F oder L mit einer 3.1  Offizielle Zahlen Abbildung 6: Entwicklung der ständigen bosnischen Wohnbevölkerung
unterjährigen Aufenthaltsdauer sind selten. und inoffizielle Schätzungen in der Schweiz, 1993–2011
Die Bewilligungen aus dem Asylbereich
waren in den 1990er-Jahren während des Eine genaue Schätzung, wie viele Personen
50 000
Bosnienkrieges deutlich zahlreicher. In der aus BiH in der Schweiz leben, fällt aus mehre-
Tat ist die Frage der Aufenthaltsbewilligun- ren Gründen nicht leicht. Erstens weist die offi- 40 000
gen für Staatsangehörige aus BIH, aber zielle Statistik in der Regel eingebürgerte
auch für andere Personen aus dem ehema- Personen nicht aus, die aus der BiH-Diaspora 30 000
ligen Jugoslawien aus zwei Gründen ein stammen. Zweitens erschweren der Zerfall
heikles Dauerthema. Zum einen blieb die Jugoslawiens und das Entstehen seiner Nach- 20 000
Umwandlung der Saisonnierbewilligung in folgestaaten die Beurteilung der Grösse der in
eine ständige Aufenthaltsbewilligung nach der Schweiz lebenden Bevölkerung aus BiH. 10 000
der Einführung des Drei-Kreise-Modells im Nicht selten kommt vor, dass Staatsangehörige
0
Jahr 1991 einem Teil der Staatsangehörigen aus BiH amtliche Dokumente von zwei Staa-

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des ehemaligen Jugoslawiens, einschliess- ten besitzen, beispielsweise aus BiH und aus

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lich BiH, verwehrt. Zum anderen kamen die Kroatien. Viele von ihnen werden daher auch
Kriegsvertriebenen in den Genuss der kol- als kroatische Staatsangehörige gezählt. Drit- Anmerkungen: 1995 Kriegsende in Bosnien-Herzegowina, 1999 Änderung der Eintragung.
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) – STAT-TAB: ESPOP 1993–2009 / STATPOP 2010–2011.
lektiven vorläufigen Aufnahme, die nach tens kam es in der jüngsten Zeit auch zu
dem Kriegsende für einige von ihnen in eine Neuerungen in der Art und Weise, wie die reicht jedoch nicht aus, um eine komplexe aus BiH aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu
humanitäre Aufenthaltsbewilligung infolge Zahl der Ausländer in den offiziellen Schwei- Realität vollkommen klarzustellen. Wie bereits einer ethnischen Gruppe ohne Weiteres einen
eines Härtefalls umgewandelt wurde, wäh- zer Statistiken erfasst wird: Damit soll eine dargelegt, unterscheiden sich die bosnischen serbischen oder kroatischen Pass erhalten
rend andere zum Verlassen der Schweiz bessere Kompatibilität mit den Statistiken auf Staatsangehörigen nach ihrer ethnischen Zu- konnten.
aufgefordert wurden. europäischer Ebene erreicht werden. Insge- gehörigkeit: Es sind unter anderem Bosnia-
– In den Jahren 1998 bis 2006 steigt die Ein- samt können diese Faktoren den Genauig- ken, Serben oder Kroaten. Den Angaben von Um die Anzahl der in der Schweiz lebenden
bürgerungsrate der Bürgerinnen und Bür- keitsgrad der offiziellen Schätzungen über Vertretern bosnischer Verbände zufolge wird Staatsangehörigen aus BiH beurteilen zu kön-
ger aus BiH nach und nach im Gleichschritt die Gesamtzahl der in der Schweiz lebenden ihre Anzahl in der Schweiz unterschätzt. Eine nen, muss man den Schätzungen die neuen
mit der Erfüllung der Anforderungen für Staatsangehörigen aus BiH beeinflussen. nicht zu unterschätzende Anzahl von Perso- Definitionen des Bundesamtes für Statistik zu-
den Erhalt eines Schweizer Passes. Doch ab nen mit bosnischer Herkunft sei in den offi- grunde legen. Die in diesem Kapitel enthalte-
2006 vermindert sich die Einbürgerungs- Daten zu Bosnien und Herzegowina stehen ziellen Statistiken nämlich als Kroaten oder als nen Analysen basieren auf der Definition der
rate zusehends, ohne dass für dieses erst ab 1993 zur Verfügung, nachdem das Serben vermerkt. Diese hätten einen Wechsel ständigen Wohnbevölkerung und stützen sich
Phänomen eine abschliessende Erklärung Land ein Jahr zuvor seine Unabhängigkeit er- von der jugoslawischen zur kroatischen oder in erster Linie auf die Statistik des jährlichen
gefunden wird. klärt hatte.15 Bis zu diesem Zeitpunkt wurden serbischen Staatsangehörigkeit, nicht aber Bevölkerungsstandes (ESPOP) für den Zeitraum
Migrantinnen und Migranten aus BiH in der zur bosnischen, geltend gemacht. Einige von 1993 bis 2010 und ab dem 31. Dezember
Statistik als ausländische Staatsangehörige Fachleute führen dafür praktische Gründe an, 2010 auf die Statistik der Bevölkerung und der
jugoslawischer Nationalität geführt. Danach weil kroatische und serbische Staatsbürger Haushalte (STATPOP).
konnten sie die bosnische Staatsangehörig- beispielsweise leichter innerhalb der Europäi-
keit offiziell geltend machen. Dieser Wechsel schen Union und in die Schweiz reisen konn- Der ESPOP zufolge hatten im Jahr 2010 insge-
ten. Andere geben als Grund auch eine samt 34 688 Personen aus BiH ihren ständi-
15 Am 22. Mai 1992 (am selben Tag wie Kroatien und Slowenien) wurde die Republik Bosnien und Herzegowina als ungeteiltes Land in die «Modeerscheinung» an. Es muss aber darauf gen Wohnsitz in der Schweiz. Diese Zahl
Vereinten Nationen aufgenommen. Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UNO), http://www.un.org/fr/members/ (Stand am
20.08.2012). hingewiesen werden, dass Staatsangehörige berücksichtigt lediglich Personen mit einer

36 37
Abbildung 7: Anteil der Bevölkerungsgruppen aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen
Kasten 7: Bewilligungen für den Aufenthalt in der Schweiz Jugoslawiens im Verhältnis zur ausländischen Gesamtbevölkerung im Jahr 2011

Die Aufenthaltsbewilligungen werden durch Ausweis F: vorläufige Aufnahme


6 %
die kantonalen Migrationsbehörden und/oder Dabei handelt es sich um «Personen, die aus
das Bundesamt für Migration erteilt. der Schweiz weggewiesen wurden, wobei
sich aber der Vollzug der Wegweisung als un-
Ausweis B: Aufenthaltsbewilligung zulässig (Verstoss gegen Völkerrecht), unzu-
4 %
«Aufenthalter sind Ausländerinnen und Aus- mutbar (konkrete Gefährdung des Auslän-
länder, die sich für einen bestimmten Zweck ders) oder unmöglich (vollzugstechnische
längerfristig mit oder ohne Erwerbstätigkeit in Gründe) erwiesen hat». Dieser Ausweis be-
der Schweiz aufhalten» (unbefristeter Arbeits- rechtigt zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit,
vertrag von mindestens einem Jahr, Ehepart- sobald eine Bewilligung des Aufenthaltskan- 2 %
ner von Schweizer Bürgerinnen oder Bürgern tons vorliegt.
bzw. Personen mit Niederlassung, Studieren-
de, Rentnerinnen und Rentner usw.). Der Aus- Ausweis L: Kurzaufenthaltsbewilligung
weis muss für ausländische Drittstaatsange- (bis zu 364 Tage) 0 %
Bosnien und Kroatien Kosovo Mazedonien Montenegro Serbien Slowenien
hörige jedes Jahr und für Staatsangehörige Dieser Ausweis begründet den Anspruch auf Herzegowina
aus den EU/EFTA-Ländern alle fünf Jahre ver- eine vorübergehende Erwerbstätigkeit, in der
längert werden. Regel mit einer Dauer von weniger als einem Anmerkung: Die ausländische Gesamtbevölkerung (mit ständigem oder vorübergehendem Wohnsitz)
belief sich im Jahr 2010 auf 1 837 112 Personen.
Jahr, oder einen Aufenthalt ohne Erwerbs- Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) – STAT-TAB: STATPOP 2011
Ausweis C: Niederlassungsbewilligung zweck.
Die Niederlassungsbewilligung kann nach ei- sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu den Statistiken über die ständige Wohnbevöl-
nem Aufenthalt von fünf oder zehn Jahren in Ausweis N: Ausweis für Asylsuchende belegen. Für das Jahr 2010 schätzte die Welt- kerung deutlich ansteigen liess. Allerdings
der Schweiz beantragt werden. Die Dauer des Asylsuchende sind Personen, die im Asylver- bank die Zahl der in der Schweiz wohnenden war der Grossteil von ihnen bereits im Besitz
Aufenthaltsanspruchs ist unbeschränkt; er un- fahren stehen. Gemäss Artikel 43 AsylG sind Personen aus BiH16 auf 52 078. Diese Schät- einer B- oder C-Bewilligung. Anders gesagt,
terliegt keinerlei Bedingungen, der Aufent- Asylsuchende ab dem vierten Monat nach zung entspricht in etwa den Daten der Schwei- veränderte sich ihre tatsächliche Anzahl da-
haltstitel muss aber trotzdem alle fünf Jahre Einreichung des Asylgesuchs unter bestimm- zerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE): In durch nicht. Es handelt sich dabei um ein
erneuert werden. ten Umständen berechtigt, eine Erwerbstätig- dieser Berechnung werden junge, pensio- statistisches Artefakt, weil bis zum Ende der
keit auszuüben. nierte und eingebürgerte Personen aus BiH 1990er-Jahre die verschiedenen Nationalitä-
berücksichtigt. ten des jugoslawischen Vielvölkerstaats unter
B- oder C-Bewilligung (vgl. Kasten 7). Wenn Wohnbevölkerung aus BiH nach der Definition der Kategorie «Jugoslawien» zusammenge-
man sich auf die Definition der STATPOP der STATPOP grösser ist als nach jener der ES- Die Entwicklung der ständigen bosnischen fasst wurden.
stützt, zählt die ständige bosnische Wohnbe- POP. Wohnbevölkerung in der Schweiz verzeichne-
völkerung 35 513 Personen. Diese letzte Zahl te im Jahr 1999 einen sprunghaften Anstieg. Einbürgerungen und die Rückkehr in das
berücksichtigt auch Einwanderer mit einem Die befragten Fachleute und die graue Litera- Viele Bosnierinnen und Bosnier nahmen näm- Herkunftsland führten ab 2002 zu einem
N- oder F-Ausweis sowie die Inhaber eines tur beziffern die Zahl der in der Schweiz leben- lich in diesem Jahr die bosnische Staatsbür- Rückgang der ständigen Wohnbevölkerung
L-Ausweises, die schon seit mehr als zwölf den Personen aus BiH (erste und zweite Gene- gerschaft an, was ihren tatsächlichen Anteil in aus BiH. Während im Jahr 2000 fast 3,5 %
Monaten im Land anwesend sind. Es ist also ration sowie eingebürgerte Personen) mit
16 Die Zahlen der Weltbank basieren auf verschiedenen Quellen und den zuletzt verfügbaren Statistiken aus den Zielländern
leicht nachzuvollziehen, warum die ständige ungefähr 60 000. Diese Zahl ist statistisch der Migranten. http://go.worldbank.org/JITC7NYTT0 (Stand am 21. März 2013)

38 39
aller Ausländerinnen und Ausländer in der 3.2  Demografische Abbildung 8: Geburtenüberschuss bei der bosnischen Bevölkerung in der Schweiz, 1993–2010
Schweiz auf diese Population entfielen, macht Entwicklung
deren Anteil heute gerade noch 2 % aus (Ab-
900
bildung 7). Dieser Prozentsatz ist allerdings Für ein besseres Verständnis der demografi-
auch durch die verstärkte Einwanderung aus schen Entwicklung der Personen aus BiH in
anderen Ländern bedingt. der Schweiz ist es zweckmässig, die natür-
700
lichen und räumlichen (d. h. Wanderungs-)
Es ist sinnvoll, die Zahl der bosnischen Ein- Änderungen der Bevölkerungszahl genauer
wanderer im Vergleich zur gesamten Zuwan- zu betrachten. Die natürlichen Bewegungen
500
derung aus dem ehemaligen Jugoslawien beziehen sich auf Geburten und Sterbefälle
zu betrachten. Die Gesamtzahl der Zuwan- innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe, wäh-
derer aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens rend die räumlichen Bewegungen durch die 300
beläuft sich auf 4 % der schweizerischen Einwanderungs- und Auswanderungsströme
Gesamtbevölkerung, was 320 000 Personen bestimmt werden, deren Differenz dem
bzw. 17 % der ausländischen Gesamtbevölke- Wanderungssaldo der Bevölkerung aus BiH 100
rung entspricht: Davon sind 6 % Serben, 4 % in der Schweiz entspricht.
Kosovaren, 3 % Mazedonier, 2 % Bosnier
und 2 % Kroaten, während Slowenen und Natürliche –100
Montenegriner zusammen weniger als 1 % Bevölkerungsbewegung

19
19
19

20
20
20
20
20
20
20
20
20
20
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20

10
93
94
95
96
97
98
99

08
09
04
05
06
07
00
01
02
03
ausmachen (Abbildung 7). Die Zahlen müssen Die Geburtenziffer der bosnischen Bevölke-
jedoch mit einer gewissen Vorsicht betrachtet rung in der Schweiz nahm im Zeitraum zwi- Geburten Sterbefälle Geburtenüberschuss
werden, weil sie die Nationalität der Personen schen 1993 und 2000 stark zu. Danach näherte
nicht immer objektiv wiedergeben. So sollte sie sich aber den niedrigen Geburtenraten, Quelle: ESPOP 1981–2010, Datenbank: BFS – STAT-TAB Bundesamt für Statistik

beispielsweise die Zahl der Kosovaren grösser die in der Schweiz und in BiH beobachtet
sein als jene der Serben. Allerdings werden werden.17 Konkret lag die zusammengefasste Zunahme des Bevölkerungsanteils in dieser 1960er-Jahre und dem Ende der 1980er-Jahre
wegen des bis vor Kurzem ungeklärten völker- Geburtenziffer (ZGZ) der Bosnierinnen im Jahr Altersgruppe lässt sich eine Halbierung der kamen Männer und Frauen aus BiH zur Arbeit,
rechtlichen Status des Kosovo und zahlreicher 2011 bei 2,0 Kindern pro Frau und damit über Geburtenzahlen beobachten (Abbildung 8): aber auch im Familiennachzug in die Schweiz.
Probleme in Verbindung mit den amtlichen der insgesamt in der Schweiz beobachteten Die Geburtenziffer der bosnischen Bevölke- Die dritte Einwanderungswelle zwischen 1992
Reisedokumenten nicht wenige Kosovaren in ZGZ (1,5), aber im näheren Bereich der ZGZ rung hat in der Schweiz im Laufe von nur einer und 1994 setzte sich schliesslich überwiegend
den Statistiken heute immer noch als serbi- der gesamten ausländischen Bevölkerung Generation bedeutend abgenommen. aus Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden
sche Staatsbürger geführt. Sie entschieden (1,8) in der Schweiz (Abbildung 8). zusammen. Ab 1995 erfolgte die Einwande-
sich aus praktischen Gründen, sich gegenüber Wanderungsbewegungen rung in erster Linie im Familiennachzug, der
ihren Wohnsitzgemeinden in der Schweiz als Von 2000 bis 2011 ging die Zahl der in der Die Wanderungsbewegungen der bosnischen im Zusammenhang mit früheren Wanderungs-
Serben auszuweisen, insbesondere, um sich Schweiz lebenden Bosnierinnen und Bosnier Bevölkerung in Richtung Schweiz haben in bewegungen stand.
von der Visapflicht zu befreien. Diese Proble- von ca. 45 000 auf etwas über 35 000 Perso- den letzten Jahrzehnten mehrere Phasen
matik entspricht jener der Staatsbürger aus nen zurück. Heute ist die Zahl der Frauen im durchlaufen. Wie bereits zuvor ausgeführt Ein bedeutender Anteil kam während des
BiH, die sich aus dem gleichen Grund als gebärfähigen Alter (15–49 Jahre) allerdings wurde, gab es hauptsächlich drei aufeinan- Krieges (1992–95) in die Schweiz, wobei 1994
Kroaten oder Serben eintragen liessen. höher als noch vor zehn Jahren. Trotz der derfolgende Einwanderungswellen in die ein Höhepunkt erreicht wurde. Zwischen 1994
Schweiz. Im Rahmen der ersten beiden Ein- und 1998 verliessen viele von ihnen (und
17 In Bezug auf die Tendenz in BiH soll die Geburtenziffer im Jahr 2009 1,2 betragen haben. Quelle: http://www.ined.fr/fr/pop_chiffres/
pays_developpes/indicateurs_fecondite/ (Stand am 14. Mai 2013). wanderungswellen zwischen dem Beginn der zwar überwiegend Asylsuchende) die Schweiz

40 41
Abbildung 9: Wanderungsbewegungen der bosnischen Bevölkerung in der Schweiz, 1993–2010 Abbildung 10: Einwanderungsgründe der bosnischen Bevölkerung, 2002–2011

4000
100 % 1500

Prozentualer Anteil der Einwanderer

Anzahl Einwanderer aus Bosnien


nach Einwanderungsgrund
75 %
1000
2000

50 %

500
0
25 %

0 % 0
–2000 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
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19
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08
09
06
07
04
05
02
03
00
01

Familiennachzug Arbeit Ausbildung Anerkannte Flüchtlinge


6

Einwanderung Auswanderung Wanderungssaldo Härtefälle Andere Bestand

Anmerkung: Statistik über Bevölkerungsstand und -struktur der ständigen Wohnbevölkerung per 31. Dezember (zwischen 1993 und 2010) und Quelle: Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP). Datenbank: BFS – STAT-TAB. Bundesamt für Statistik
die registrierten Bewegungen der ständigen Wohnbevölkerung während des Kalenderjahres.
Quelle: ESPOP 1993–2010, Datenbank: BFS – STAT-TAB Bundesamt für Statistik

wieder, vermutlich in Richtung Bosnien. Dies sem Thema erklärte der Bundesrat, dass von rück (vgl. die schwarze Kurve in Abbildung 3.3  Geografische Verteilung
war eine Folge des Bundesratsbeschlusses, ab 18 000 Bosnierinnen und Bosniern, die von 10). Seit damals bestimmen zwei Hauptein- der Bevölkerung aus BiH
Juni 1996 die kollektive vorläufige Aufnahme der Schweiz während des Krieges aufgenom- wanderungsgründe den Zuzug neuer Immig-
für Flüchtlinge aus BiH aufzuheben und Fris- men worden waren, bis Ende 1997 insgesamt ranten in die Schweiz: Familienzusammen- Insbesondere bei sukzessiven Einwanderungs-
ten für ihre schrittweise Rückkehr zu setzen. 5242 Personen im Rahmen dieses Hilfspro- führungen und Härtefälle. Die Härtefälle wellen neigen Zuwandernde dazu, sich im
gramms freiwillig in ihr Herkunftsland zurück- umfassen Personen, denen zuvor im Rahmen Aufnahmeland an bestimmten Orten anzu-
Die Personen, die aufgrund des Beschlusses gekehrt waren. Darüber hinaus hatten sich der asylrechtlichen vorläufigen Aufnahme eine siedeln, um sich gegenseitig zu unterstützen
des Bundesrats zurückkehrten, konnten für 6816 Personen im Jahresverlauf 1998 zur Anwesenheitsbewilligung für die Schweiz und Kontakte zum Herkunftsland zu pflegen.
die Rückkehr ein Hilfsprogramm in Anspruch Teilnahme an einem Rückkehrprogramm an- ausgestellt worden war. Der Familiennachzug Ausserdem neigen Zugewanderte dazu, sich
nehmen. Nach einem Übergangszeitraum gemeldet.18 ist seit dem Jahr 2000 das Hauptmotiv für die in urbanen Zentren anzusiedeln, weil diese aus
waren Zwangsmassnahmen vorgesehen. In Seit 2002 (oder sogar früher, wenn man Ab- bosnische Zuwanderung in die Schweiz. ökonomischer Sicht attraktiver und für eine
seiner Antwort vom 1. Juli 1998 auf eine bildung 9 betrachtet) geht die Zahl der aus sozioökonomische Integration geeigneter sind
dringliche parlamentarische Anfrage zu die- BiH zugewanderten Personen tendenziell zu- und einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt
bieten. Was die ersten beiden Einwanderungs-
18 http://www.parlament.ch/d/suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=19981091 (Stand am 10. Mai 2013). wellen aus BiH betrifft, wurde deren räumliche

42 43
Abbildung 11: Bestand der bosnischen Bevölkerung in den einzelnen Kantonen im Jahr 2011 weil sich hier nur sehr wenige Bosnierinnen 3.4  Demografisches Profil
und Bosnier niedergelassen haben und diese
Maximum: 4802 (SG)
zudem auf verschiedene Gemeinden verteilt Um die Dynamik der Bevölkerungsgruppen
sind. aus BiH zu verstehen, ist es notwendig, ihre
demografische Zusammensetzung genauer
Minimum: 78 (JU)
Schliesslich ergibt sich nach Angaben eines zu betrachten. In der Tat geben das Alter der
Fachperson die Konzentration von Personen Personen und die jeweiligen Abhängigkeits-
aus denselben bosnischen Ortschaften in be- verhältnisse Aufschluss darüber, ob die Bevöl-
stimmten Städten der Schweiz teilweise aus kerung jung ist oder altert und welcher Anteil
den während des Krieges aufgenommenen der Bevölkerung von den Erwerbspersonen
Flüchtlingskontingenten. In diesem Sinne abhängig ist. Die Geschlechterbeziehungen
wurden beispielsweise Flüchtlinge aus Rand- und der Zivilstand weisen auf Verhältnisse
gebieten von BiH wie Konjević Polje und Sre- zwischen Männern und Frauen sowie das
brenica (Ostbosnien) in Yverdon-les-Bains und Fruchtbarkeitspotenzial innerhalb der Bevöl-
solche aus Prijedor und Kozarac (im Norden kerungsgruppe hin.
von BiH) vor allem in Lausanne angesiedelt.
km
0 25 50

Abbildung 12: Anteil der bosnischen Staatsangehörigen an der ständigen


Anmerkung: Erstellt mit Philcarto: http://philcarto.free.fr ausländischen Wohnbevölkerung im Jahr 2011
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), STATPOP 2011

1 16,0%

Verteilung in der Schweiz durch die klassi- Luzern (2279), Bern (2065) und Tessin (1938). 2 4,5%–4,6%
7 3,1%–4,0%
schen Einwanderungsfaktoren bestimmt. Eine In diesen Kantonen befinden sich auch grosse 6 2,0%–2,8%

Rolle spielte aber auch die durch bosnische Städte wie beispielsweise Zürich oder Lau- 7 1,2%–1,7%
3 0,6%–0,9%
Arbeitnehmende vermittelte Rekrutierung von sanne. Man kann ebenso vorbringen, dass bei
Anzahl
Familienangehörigen aus derselben Region. der Wohnsitzwahl der Einwanderer die fami- Kantone

Die Verteilung der Flüchtlinge und der vorläu- liären und freundschaftlichen Kontakte eine
fig aufgenommenen Personen war dagegen bedeutende Rolle spielen. Dies trifft beispiels-
eher asylpolitisch geprägt, wobei die jeweili- weise auf St. Gallen zu, wo sich traditionell
gen Asylsuchenden seit 1990 im Rahmen von viele Einwanderer der serbischen Volksgruppe
Aufnahmequoten auf die einzelnen Kantone aus BiH niedergelassen haben und wo ausser-
verteilt wurden. dem starke Vereinsstrukturen existieren (siehe
Abbildung 12).
Wie aus Abbildung 11 hervorgeht, leben im km
Jahr 2011 mehr als 65 % der bosnischen und Die Konzentration in den urbanen Zentren ist 0 25 50

herzegowinischen Bevölkerung in der Schweiz darüber hinaus bedeutend für das Gemein-
in sieben Kantonen (nach Höhe der jeweiligen schaftsleben der Einwanderer. So gibt es bei-
Bestände geordnet): St. Gallen (4802), Aar- spielsweise in den Kantonen Wallis und Frei-
Anmerkung: Erstellt mit Philcarto: http://philcarto.free.fr
gau (4267), Zürich (4039), Waadt (3342), burg so gut wie kein bosnisches Vereinsleben, Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), STATPOP 2011

44 45
Abbildung 13: Alterspyramide der ständigen bosnischen Wohnbevölkerung die Einwanderung vor dem Krieg in erster jung ist oder zusehends altert. Was die Perso-
in der Schweiz im Jahr 2011 Linie aus wirtschaftlichen Gründen und war nen aus BiH betrifft, lassen sich im Vergleich
vorwiegend männlich, was eine leichte Über- zur Schweizer Wohnbevölkerung gewisse
100+ repräsentation der Männer bei der Alters- Unterschiede, aber auch einige Gemeinsam-
95–99 klasse der 50- bis 64-Jährigen erklärt. In der keiten feststellen.21
90–94
85–89 obersten Altersklasse überwiegt der Frauen-
80–84 anteil, was wiederum der höheren Lebens- Der erste festgestellte Unterschied zwischen
75–79
70–74 erwartung der Frauen entspricht. Ab 60 Jahren Staatsangehörigen aus BiH und Schweizer-
65–69 zeigt sich deutlich eine Normalisierung der sex innen und Schweizern betrifft die Entwicklung
60–64
55–59 ratio. des Abhängigkeitsquotienten. Im Jahr 2011
50–54 waren 68 % der Schweizer Nichterwerbstäti-
45–49
40–44 Das Medianalter der Frauen und der Männer gen von den verbleibenden 32 % Erwerbstäti-
35–39 bosnischer Nationalität ist ziemlich ausgegli- gen abhängig (im Vergleich zu 63 % im Jahr
30–34
25–29 chen. Dennoch liegt jenes der Frauen (35,5) 1995). Dagegen liegt der Abhängigkeitsquo-
20–24 ungefähr ein halbes Jahr über jenem der Män- tient bei der bosnischen Bevölkerung in der
15–19
10–14 ner (34,9 Jahre). Dies hat ohne Zweifel damit Schweiz lediglich bei 39 % (im Vergleich zu
5–9 zu tun, dass Frauen generell eine höhere 68 % im Jahr 1995), wobei die Tendenz seit
0–4
Lebenserwartung haben. Insgesamt veran- 16 Jahren sinkend ist (Tabelle 3). Der zweite
2000 1500 1000 500 0 500 1000 1500 2000
schaulicht die Alterspyramide eine starke Unterschied betrifft die unter 20-Jährigen.
Männer Frauen
Präsenz der Personen bosnischer Herkunft Konkret gibt es bei der Zahl der jungen Bos-
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) – STAT-TAB: STATPOP 2011 zwischen 25 und 60 Jahren, d. h. im Erwerbs- nier in der Schweiz seit 1995 eine klar rück-
alter. Diese Konzentration wird deutlich, wenn läufige Tendenz. Der Jugendquotient (Perso-
Altersstruktur und Geschlecht im Vergleich zu 108 bei der ausländischen man sie mit der Form der Alterspyramide nen unter 20 Jahren) fiel nämlich von zuvor
Die Alterspyramide der Bevölkerung von BiH Gesamtbevölkerung. Der Männerüberschuss der Schweizer Bevölkerung vergleicht, wo die 64 % auf 33 % im Jahr 2011. Dies bedeutet,
kann aufgrund ihrer Form, ihres Profils und kann wahrscheinlich durch die Übervertre- Anzahl Personen in der Altersklasse der über dass die wirtschaftlich aktiven Erwachsenen
allfälliger Unregelmässigkeiten sowie des Ge- tung junger Männer unter den als Härtefälle 30-Jährigen immer mehr abnimmt. Diese Ab- tendenziell weniger Kinder haben. Dieser ab-
schlechterverhältnisses (sex ratio) analysiert aufgenommenen Personen erklärt werden. nahme ist bei den Bosnierinnen und Bosniern rupte Rückgang des Jugendquotienten kann
werden.19 Abbildung 13 zeigt, dass es im Jahr Im Gegensatz dazu weist die Altersklasse erst ab dem Pensionsalter feststellbar. Auf der mit zwei Faktoren erklärt werden. Einerseits
2011 zwischen der Anzahl der Männer und zwischen 35 und 49 Jahren eine sex ratio von anderen Seite lässt sich an der Form der bos- trat ein Teil der unter 20-Jährigen mit dem
der Frauen aus BiH mit ständigem Wohnsitz in 90 auf, was auf einen geringeren männlichen nischen Alterspyramide ablesen, dass die Ge- Erreichen des 20. Lebensjahres in das wirt-
der Schweiz kaum grössere Unterschiede gab. Anteil hindeutet. Dies steht wahrscheinlich in burtenziffer rückläufig ist, was durch die stän-
Trotzdem können einige Abweichungen fest- direktem Zusammenhang mit dem Krieg in dige Abnahme der Zahl der unter 15-Jährigen 20 Der gesamte Abhängigkeitsquotient bezeichnet das Verhältnis
gestellt werden. den 1990er-Jahren. Damals nahm die Schweiz zum Ausdruck kommt. der 0- bis 19-Jährigen und 65-Jährigen und Älteren zu den
20- bis 64-jährigen Personen, d.h. Verhältnis der Anzahl der
zahlreiche Flüchtlinge aus dem Osten Bosniens Personen in einem Alter, in dem man im Allgemeinen wirt-
schaftlich inaktiv ist, zur Anzahl der Personen im erwerbsfähigen
Was die Altersklasse zwischen 15 und 34 Jah- (insbesondere aus der Region von Srebrenica) Auf dem Weg zu einer Alter. Er berechnet sich aus der Division zwischen der Anzahl
ren betrifft, wird ein Männerüberschuss von auf, wo viele Frauen ihre Männer und Söhne alternden Bevölkerung? von unter 20-jährigen und 65-jährigen oder älteren Personen
je 100 Personen im Alter von 20 bis 64 Jahren.
10 % festgestellt, mit einer sex ratio von 120 verloren hatten. Im Gegensatz dazu erfolgte Um eine Bevölkerung wirklich verstehen zu 21 In Tabelle 3 werden der Jugendquotient und der separat
berechnete Altersquotient dargestellt. Ein Abhängigkeitsquoti-
können, ist es notwendig, die Abhängigkeits- ent über 50 bedeutet, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung
19 Die sex ratio (auch Geschlechterverhältnis oder Geschlechterverteilung) ist eine demografische Kennzahl, welche die Anzahl Männer auf verhältnisse zwischen ihren einzelnen Teilen20 von der restlichen Bevölkerung abhängt, während dies bei
100 Frauen in einer Population misst. In der Regel liegt die sex ratio bei der Geburt bei ungefähr 105 Männern auf 100 Frauen und bleibt einem Quotienten unter 50 für weniger als die Hälfte der
danach ziemlich ausgeglichen, bis sie im hohen Alter wegen der längeren Lebenserwartung der Frauen unter die Marke von 100 sinkt. zu untersuchen, um herauszufinden, ob diese Bevölkerung zutrifft.

46 47
Tabelle 3: Entwicklung der Abhängigkeitsquotienten innerhalb der schweizerischen 3.5  Zivilstand Schweizern (8 %). Dennoch ist die Scheidungs-
und der bosnischen Gesamtbevölkerung in der Schweiz, 1995–2011 rate der beiden Bevölkerungen ähnlich: Im
Wie aus Abbildung 14 hervorgeht, besteht die Jahr 2010 liessen sich 11 von 1000 Bosnierin-
1995 2000 2005 2011 Tendenz ständige bosnische Wohnbevölkerung zu fast nen und Bosniern scheiden, gegenüber 12 von
Abhängigkeits- 60 % aus verheirateten Personen und zu un- 1000 Schweizerinnen und Schweizern. Auch
Schweiz 63 64 63 68
quotient insgesamt gefähr 33 % aus Alleinstehenden. Die starke wenn die bosnischen Frauen weniger zu einer
BiH 68 64 52 39 Übervertretung der Verheirateten in der bos- Scheidung neigen (10/1000), ist bei bosni-
nischen Bevölkerung kontrastiert mit der Situa- schen Männern die gleiche Scheidungshäu-
Jugendquotient
Schweiz 37 37 35 35 tion in der Schweiz, wo die Anteile der Allein- figkeit festzustellen wie bei Schweizer Män-
(–20 Jahre)
stehenden und der Verheirateten gleich gross nern und Frauen (12/1000).
BiH 64 61 48 33
sind (je 43 %). Der hohe Prozentsatz der Ver-
Altersquotient heirateten in der bosnischen Bevölkerung In Anbetracht des hohen Anteils der Verheira-
Schweiz 26 28 28 34
(+65 Jahre) kann mit der Altersstruktur erklärt werden – teten unter der bosnischen Bevölkerung ist
BiH 4 2 3 6 und vermutlich auch damit, dass die Ehe für es angebracht, die Eheschliessungen genauer
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) – STAT-TAB: ESPOP 1981–2009 / STATPOP 2010–2011 viele Migrantinnen und Migranten ein Mittel zu untersuchen. Wie im vorhergehenden
ist, ihre Situation in der Schweiz zu stabilisie- Kapitel (vgl. 2.2) erwähnt, war BiH früher
schaftliche Erwerbsleben ein. Andererseits hat. Dieses Phänomen kann ebenfalls bei ren. Demgegenüber können Schweizerinnen ein Schmelztiegel der Kulturen und Ethnien,
nahm die Zahl der Einbürgerungen in den der bosnischen Bevölkerungsgruppe in der und Schweizer das Konkubinat wählen und namentlich in den Städten, aber auch in eini-
Jahren 2000 bis 2006 sprunghaft zu. Auf- Schweiz festgestellt werden, wo sich der An- zählen dann in der Statistik weiterhin zu den gen Randregionen. Im früheren Jugoslawien
grund des erhaltenen Schweizer Bürgerrechts teil der älteren Menschen seit dem Jahr 2000 Alleinstehenden. Bei den Ehescheidungen ist waren Mischehen zwischen Menschen ver-
werden daher in der Folge viele junge Ein- mehr als verdoppelt hat. Wenn man die ge- der Anteil in der bosnischen Bevölkerung schiedener ethnischer Herkunft und unter-
wanderer in den Statistiken nicht mehr als samte ausländische Bevölkerung betrachtet, (6 %) geringer als bei den Schweizerinnen und schiedlicher Konfession, auch exogame Ehen
Bosnier geführt. Somit gibt es heute weniger fällt auf, dass hier der Anteil der älteren Perso-
junge bosnische Staatsangehörige und mehr nen von nur 7 % im Jahr 2000 auf heute 10 % Abbildung 14: Zivilstand der ständigen Wohnbevölkerung nach Nationalität im Jahr 2012
Erwerbstätige, die für sie sorgen können. In angestiegen ist.
der Schweiz nimmt der Jugendquotient der
unter 20-Jährigen ebenfalls tendenziell ab, Zurzeit drücken sich diese Entwicklungen BiH Schweizer
wenn auch auf weniger drastische Weise durch eine Abnahme des demografischen 3 %
(35 % im Jahr 2011). Gesamtquotienten (Summe von Jugend- und 6 %
Unverheiratet 6 %
Altersquotient) für die Staatsangehörigen von
Verheiratet 8 %
Beiden Bevölkerungsgruppen ist jedoch ge- BiH aus, und zwar aus zwei Gründen. Auf der
Geschieden
meinsam, dass sie immer älter werden. Dies einen Seite nahmen viele Junge das Schweizer 32 % 43 %
Verwitwet
zeigt sich in der Tatsache, dass der Jugend- Bürgerrecht an oder rückten in die Kategorie
quotient abnimmt, während der Altersquo- der 20- bis 65-Jährigen auf. Auf der anderen
tient zunimmt (für Staatsangehörige aus BiH Seite lässt sich für die Schweiz eine Zunahme 59 % 43 %
trifft dies seit dem Jahr 2000 zu). Die Schweiz des demografischen Gesamtquotienten fest-
ist für ihre alternde Bevölkerung bekannt, weil stellen, weil die Abhängigkeit der älteren
zum einen die Lebenserwartung stark zuge- Bevölkerung schneller zunimmt als jene der
nommen und zum anderen die Geburtenrate unter 20-Jährigen zurückgeht.
im Laufe der letzten Jahrzehnte abgenommen Quelle: STATPOP

48 49
genannt, an der Tagesordnung. Diesbezüglich tuelle Trend der Eheschliessungen in BiH im- Abbildung 15: Entwicklung der Eheschliessungen der bosnischen Staatsangehörigen
ist mit dem Krieg jedoch eine wesentliche mer weniger in Richtung Mischehe, und der in der Schweiz nach Nationalität des Partners oder der Partnerin
Veränderung eingetreten. In der Tat sind Ehepartner wird immer öfter in derselben
Mischehen vor dem Hintergrund der intereth- ethnischen Gemeinschaft gesucht. Derselbe
nischen Zerrissenheit in BiH seit dem Kriegs- Trend lässt sich auch in der bosnischen Bevöl- 80 %
ausbruch zu einem heiklen Thema geworden. kerung der Schweiz feststellen – dies trotz der
Die in gemischten Ehen lebenden Paare in geringeren Zwänge in Bezug auf die Partner-
60 %
BiH wurden durch die ethnischen Spaltungen, wahl (Einflussnahme seitens der familiären
namentlich in den kleineren Ortschaften, unter Umgebung). Gemäss den befragten Fachleu-
Druck gesetzt. Sie sehen sich in einem Ge- ten überwiegt die Tendenz zur Endogamie 40 %
wissenskonflikt, weil sie entscheiden müssen, namentlich bei Personen mit Flüchtlingshin-
ob sie der kriegsbedingten ethnischen Aus- tergrund und Angehörigen aus bestimmten
grenzung folgen oder Widerstand leisten und Kriegsgebieten, namentlich Srebrenica. Eine 20 %
das Land verlassen sollen, um der Stigmatisie- Beobachterin stellt aber auch fest, dass die
rung durch die Gemeinschaft und/oder Fami- Endogamie bei den neu zugezogenen Perso-
0 %
lie zu entgehen. In einem Bericht der Schwei- nen (2009–2011), die jung und tendenziell 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
zerischen Flüchtlingshilfe (SFH) von 2006 frommer sind, häufiger vorkommt. Laut einer
heisst es dazu: «Gemischt-ethnische Ehepaare Fachperson bieten die Folkloregruppen oft- BiH-BiH BiH-Schweiz BiH-(SE,KR,MA)
und ihre Kinder können auch heute noch in mals «eine Bühne, wo sich die jungen Bosnie-
Bosnien-Herzegowina in einer schwierigen rinnen und Bosnier kennenlernen können, um Anmerkung: Anteil der bosnischen Ehen nach Nationalität des Ehegatten, in Prozent: BiH, Schweiz; Serbien, Kroatien, Mazedonien (kombiniert)
Quelle: BEVNAT, BFS
Lage sein (...). Dort, wo Kämpfe und ‹ethni- die ursprüngliche ethnische Identität sicher-
sche Säuberungen› stattgefunden haben zustellen». Die transnationalen Begegnungen
(zum Beispiel in Pale), ist die Benachteiligung via Internet unter jungen Menschen in BiH Italiener oder einem Schweizer». Ein Vergleich sich ausserhalb der albanischen Gemeinschaft
gemischt-ethnischer Familien am ehesten zu und in der Schweiz, namentlich über soziale zeigt, dass die Ehesituation der Bosnierinnen Jugoslawiens verheiratet haben. Im Übrigen
erwarten» (Walser 2006: 15). Einige Ehepaare Netzwerke wie «MSN» oder «Facebook», spie- und Bosnier kaum anders ist als diejenige der werden im nationalistischen Diskurs nicht sel-
haben sich entschieden, das Land zu verlas- len laut diesen Fachleuten diesbezüglich eine kosovarischen Bevölkerung. Auch sie hat, aus ten ebendiese Eliten für die Gefährdung der
sen, und die Mehrheit der westlichen Länder, nicht zu unterschätzende Rolle. Dazu kom- spezifischen soziohistorischen Gründen, wenig nationalen Rechte der Albaner im Kosovo und
namentlich Kanada, hat für ihre Situation Ver- men die jährlichen Urlaubsreisen in das Her- Neigung zu interethnischen Ehen gezeigt. in Mazedonien verantwortlich gemacht. Heute
ständnis gezeigt. kunftsland. Schliesslich entwickelt auch die Diese Haltung lässt sich vor allem mit ihrer ist diese Rhetorik auch in Teilen der bosni-
junge bosnische Bevölkerung von BiH Ehe- Situation als politische Minderheit, ihrer alba- schen Bevölkerung zu hören, welche die An-
Nach übereinstimmender Ansicht der von uns strategien mit dem Ziel, durch das Heiraten nisch (mithin nicht slawisch) geprägten Kultur sicht vertreten, dass die exogame Ehe (mit
befragten Personen steht der Entscheid für einer Person aus der Diaspora das eigene Land und ihrer schwachen soziokulturellen Inte- Bosniaken, Serben oder Kroaten) der ethno-
eine exogame oder endogame Ehe (innerhalb für immer verlassen und sozial aufsteigen zu gration im ehemaligen Jugoslawien erklären. religiösen Stellung der eigenen Volksgruppe
derselben Gemeinschaft) in BiH im Zusam- können. Diese Faktoren haben Ehen zwischen Albane- geschadet hat. Aus den oben näher erläuter-
menhang mit dem soziokulturellen Profil der rinnen und Albanern im Kosovo sicherlich ten soziohistorischen Gründen bleibt die bos-
Eltern der jungen Eheleute. Eine deutliche Eine Fachperson bestätigt, dass die bosni- begünstigt, zumal die Letzteren in offiziösen nische Bevölkerung in dieser Hinsicht jedoch
Neigung zur Exogamie ist in der Tat bei Kin- schen Familien in der Schweiz nicht generell Kreisen als Mittel des Widerstandes gegen relativ tolerant. So erzählt eine Bosnierin der
dern von Eltern mit gemischtem ethnischem gegen exogame Ehen sind, obwohl «eine Ehe das politische Regime in Belgrad galten. Es zweiten Generation, die aus einer gemischten
Hintergrund oder Herkunft aus städtischen mit einem Muslim, Serben oder Kroaten weni- sind ausschliesslich die kommunistisch ge- Ehe stammt, dass ihr Vater, der dem muslimi-
Regionen anzutreffen. Dennoch geht der ak- ger gut akzeptiert wird als eine Ehe mit einem prägten albanisch-kosovarischen Eliten, die schen Glauben anhing, sie jeden Sonntag zur

50 51
katholischen Kirche begleitete, weil sie sich 3.6  Aufenthaltstitel Abbildung 16: Entwicklung der bosnischen Wohnbevölkerung in der Schweiz
entschieden hatte, den Glauben ihrer Mutter nach Aufenthalt, 1995–2011
anzunehmen. In den Jahren 1995 und 1996 sind fast ein
Viertel der Bosnierinnen und Bosnier Perso- 60 000 Vorläufig aufgenommene
Bezüglich der Ehen zwischen Bosnierinnen nen aus dem Asylbereich, d. h., sie besitzen Personen (Ausweis F)
und Bosniern und schweizerischen Staatange- einen N- oder F-Ausweis. In den folgenden
hörigen zeigt die Statistik in den letzten Jah- Jahren erhöht sich der Anteil der Personen 50 000 Asylsuchende
ren einen ständig steigenden Trend (Abbil- mit einer Niederlassungsbewilligung (C), (Ausweis N)
dung 15). Die Daten können auf zweierlei während die Anzahl der Aufenthaltsbewilli- 40 000 Inhaber/-innen
Weise interpretiert werden: Entweder handelt gungen stabil bleibt (Abbildung 16). Der einer Kurzaufenthalts-
es sich um exogame Ehen mit Personen plötzliche Anstieg der Personen mit einer C- bewilligung (≤12 Mte.)
schweizerischer Herkunft oder um endogame Bewilligung im Jahr 1999 ist vermutlich darauf 30 000
(Ausweis L)
Ehen mit eingebürgerten Personen bosnischer zurückzuführen, dass viele Bürgerinnen und
Inhaber/-innen einer
Herkunft. Der zweite Fall scheint jedenfalls Bürger des früheren Jugoslawiens, die aus BiH 20 000
Aufenthaltsbewilligung
häufiger zu sein. Parallel mit der zunehmen- stammen, die bosnische Staatsbürgerschaft
(Ausweis B)
den Häufigkeit von bosnisch-schweizerischen erhalten haben (und vorher nicht als Bosnier
Eheschliessungen ist ein deutlicher Trend der und Bosnierinnen registriert waren). Tatsäch- 10 000
Inhaber/-innen einer
jungen Bosnier zur Einbürgerung festzustellen lich besassen bereits die in den 1980er-Jahren Niederlassungsbewilli-
(siehe 3.7). Diese Vermutung wird durch die eingewanderten Arbeitskräfte eine Niederlas- 0 gung (Ausweis C)
Tatsache erhärtet, dass der lineare Anstieg der sungsbewilligung. Daher handelt es sich hier 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011
Ehen mit Schweizer Bürgerinnen und Bürgern nicht um eine Zunahme der Zuwanderer aus
annähernd dem Anstieg der Einbürgerungen BiH, sondern einzig um den Wechsel von Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) – STAT-TAB: ESPOP 1981–2009 / STATPOP 2010–2011

in diesem Zeitraum, also von 2002 bis 2006 einem jugoslawischen zu einem bosnisch-
bzw. 2007, entspricht. Dies bedeutet, dass die herzegowinischen Pass. Die Zahl der in der
Tendenz zu einer kulturell endogamen Ehe Schweiz wohnenden Personen dieser Auslän- 2011 sehr niedrig. Schliesslich besitzt die suchte die Schweiz, die Einwanderung aus
in dieser Ausländergruppe in der Schweiz dergruppe hat sich demnach objektiv kaum Mehrheit der Bosnierinnen und Bosnier eine BiH mit politischen Mitteln einzudämmen.
weiterhin fest verankert ist. verändert. Aufenthaltsbewilligung B oder C. Laut einem früheren leitenden Mitglied aus
der Diaspora, das von uns befragt wurde,
Die Bosnierinnen und Bosnier in der Schweiz Die Frage der Aufenthaltsbewilligungen für behinderte der prekäre ausländerrechtliche
stellen heute eine Bevölkerungsgruppe mit bosnische Staatsangehörige, aber auch für die Status mit langen Wartezeiten bis zur Regula-
gefestigtem Aufenthalt dar (Abbildung 17): übrigen Personen aus dem ehemaligen Jugos- risierung den Integrationsprozess der Zuge-
Die Zahl der Neueinwanderer ist beschränkt, lawien, ist aus zwei Gründen ein heikles Dauer- wanderten, die während vieler Jahre auf
während der Anteil der in der Schweiz gebo- thema. Zum einen blieb die Umwandlung eine langfristige Aufenthaltsbewilligung war-
renen Personen mit 23 % (gegenüber 20 % der Saisonnierbewilligung in eine ständige ten mussten. Zweitens haben die Personen
für die gesamte ausländische Bevölkerung) Aufenthaltsbewilligung nach der Einführung aus BiH vom Schutzstatus der kollektiven vor-
im Jahr 2011 eher hoch ist. Zugleich ist die des Drei-Kreise-Modells im Jahr 1991 einem läufigen Aufnahme (Ausweis F gemäss der
Zahl der Staatsangehörigen aus BiH mit Teil der Staatsangehörigen des ehemaligen früheren Gesetzgebung) profitiert. Nach dem
einem Ausweis der Kategorie N, F oder L mit Jugoslawiens, einschliesslich der Bosnierinnen Krieg kehrte ein Teil dieser Personen in ihr
unterjähriger Aufenthaltsbewilligung im Jahr und Bosnier, verwehrt. Nach dem Krieg ver- Herkunftsland zurück, während andere eine

52 53
Abbildung 17: Aufenthaltsdauer der bosnischen Gesamtbevölkerung in der Schweiz im Jahr 2011 wicklung zu erklären, ist nicht leicht, zumal Aus unseren Interviews geht hervor, dass
zu erwarten wäre, dass die Einbürgerungen die bosnischen Einbürgerungsgesuche in der
weiter zunehmen. Tatsächlich erfüllt die Mehr- Schweiz auf drei Hauptpfeilern beruhen. Ers-
heit der Bosnierinnen und Bosnier die Voraus- tens ergibt sich der Erwerb der Staatsbürger-
20 000 setzung der Aufenthaltsdauer, da sie hier schaft mit dem Fortschreiten der soziokultu-
geboren sind oder genügend lange in der rellen Integration der zweiten Generation.
Schweiz gelebt haben (Abbildung 18). Eine Zweitens verschafft der Schweizer Pass den
Studie von Wanner und Steiner (2012) kommt Personen, die viele Jahre lang einem prekären
in Bezug auf die Gesamtheit der Kandidaten Status unterstellt waren, Sicherheit. Zudem
10 000 für die Einbürgerung zum gleichen Schluss: erleichtert er die Reisen in Europa und anders-
Sie erfüllen die Voraussetzungen, machen von wo, da die Staatsangehörigen von BiH bis
ihrem Recht aber keinen Gebrauch. Mitte 2010 in der EU einer Visumspflicht unter-
stellt waren. Drittens bietet die schweizerische

0
Seit der 0–1 Jahr 2–5 Jahre 6–10 Jahre 10 und
Geburt mehr Jahre
Abbildung 18: Entwicklung der Einbürgerungszahlen der bosnischen Bevölkerung
Quelle: Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP). Datenbank: BFS – STAT-TAB. Bundesamt für Statistik nach Geschlecht, 1993–2010

Aufenthaltsbewilligung «B» erhielten (Härte- 3.7  Einbürgerungen


1800
fälle). Dennoch blieb eine Gruppe von Perso-
nen viele Jahre lang mit einem F-Ausweis (vor- Die bosnische Bevölkerungsgruppe in der
läufige Aufnahme) in der Schweiz und war Schweiz verringerte sich nach 1998 zahlen-
somit bis 2007/2008 (neue gesetzliche Grund- mässig in einem bedeutsamen Ausmass. Der
lagen für die Integration von vorläufig auf- Grund war eine starke Tendenz (die auch für 1200
genommenen Personen) bei der Integration Angehörige aus anderen Ländern des ehema-
benachteiligt. Beispielsweise hatten die davon ligen Jugoslawiens galt), das Schweizer Bür-
betroffenen Personen bis zu diesem Zeitpunkt gerrecht zu erwerben. Die Einbürgerungsrate
nur einen beschränkten Zugang zum Arbeits- der bosnischen Migrantinnen und Migranten
markt, und es fehlte an spezifischen Integra- stieg zwischen 1998 und 2006 nach und nach 600
tionsmassnahmen. im Gleichschritt mit der Erfüllung der Anforde-
rungen für den Erhalt des Schweizer Passes
Schliesslich sei vermerkt, dass die Niederlas- (Abbildung 18).
sung von Staatsangehörigen aus BiH in der
0
Schweiz heute am häufigsten via Familien- Seit 2006 wird jedoch ein Rückgang der Ein-

19
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nachzug und Heirat erfolgt. bürgerungen von Staatsangehörigen aus BiH

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09
beobachtet, eine Tendenz, die auch auf Ein-
bürgerungen insgesamt zutrifft.22 Diese Ent- Männer Frauen

Quelle: ESPOP 1981–2009, Datenbank: BFS – STAT-TAB, Bundesamt für Statistik, 2010, Neuenburg / Schweiz, sowie Statistik
22 BFS, STATPOP 2011, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/03.html (Stand am 29.10.2012). der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) 2010, Datenbank: BFS – STAT-TAB, Bundesamt für Statistik

54 55
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Yougonostalgie en Bosnie et Herzégovine.
Une étude de la Yougoslavie communiste de
Nationalität laut einem Experten auch einen stärker mit der Schweiz identifizieren und den 1945 à 1990. Quel héritage pour la Bosnie
gewissen Ausgleich für die fehlende emotio- Wunsch, nach BiH zurückzukehren, weniger et Herzégovine? Seminararbeit am Institut
nale Bindung, der sich die bosnische Bevölke- oft äussern als die Männer. Die Frauen erwer- für Politische Studien in Grenoble (unveröf-
rung nach der Auflösung Jugoslawiens ge- ben das Schweizer Bürgerrecht denn auch fentlicht, auf Internet online abrufbar unter:
genübersah. Das Schweizer Bürgerrecht stellt häufiger als die Männer, eine Tendenz, die bei http://www.dzana.net/content/down-
für die vom Krieg in ihrem Herkunftsland anderen Migrantengruppen ebenfalls beob- load/759/3587/file/cinq-piliers-yougonostal-
gezeichneten Volksgruppen einen Neuanfang achtet wird. gie-Asmir-Kadic.pdf; Stand am 3. September
dar. Dies gilt vermehrt für die Frauen, die sich 2012)

56 57
In Kürze schätzen. Im Jahr 2010 waren 7,1 % von
ihnen arbeitslos, gegenüber 8,3 % bei den
– Die bosnische Bevölkerung in der Schweiz Ausländern insgesamt und 3,4 % bei den
ist sprachlich geteilt: Die eine Hälfte kom- Schweizerinnen und Schweizern.
muniziert hauptsächlich in einer der schwei- – Gesundheitsprobleme aller Art sind unter
zerischen Landessprachen, die andere be- den Staatsangehörigen aus BiH weit ver-
dient sich im Alltag einer Sprache der breitet. Nach einer traumatischen Kriegser-
Balkanregion. Die erste Generation drückt fahrung und einem schwierigen Migrati-
sich eher in der Sprache des Herkunftslan- onsverlauf leiden viele Flüchtlinge unter
des aus, während die zweite, gut integrier- psychischen Problemen. Die Migrantinnen
te Generation die Sprachen des Aufnahme- und Migranten der ersten Generation lei-
landes besser beherrscht. Zudem lehrt jede den öfter an chronischen und somatischen
ethnische Gruppierung aus BiH ihre Kinder Krankheiten in Zusammenhang mit phy-
die eigene Herkunftssprache und -kultur sisch anstrengenden Berufen. Zudem un-
(Bosnisch, Serbisch oder Kroatisch) mittels terziehen sich die bosnischen Frauen eher
separater Unterrichtsstrukturen. selten einer Vorsorgeuntersuchung.
– Der Bildungsstand der Bosnierinnen und – Angesichts der vielen Unterschiede zwi-
Bosnier ist unterschiedlich. Rund die Hälfte schen den drei ethnischen Volksgruppen
hat nach der obligatorischen Schulpflicht aus BiH ist es angebracht, statt von «der»
keine weitere Ausbildung absolviert. Oft bosnischen Diaspora in der Schweiz von
liegt dies am Exil oder daran, dass sie als mehreren bosnischen Diasporas zu spre-
junge Saisonniers in die Schweiz gekommen chen. Die grosse Mehrheit der Vereine ist
sind. Etwas mehr als ein Drittel der bos- nach einer intraethnischen Logik organi-
nisch-herzegowinischen Bevölkerung hat siert. Einige nationale bosnische Organisati-
nach der obligatorischen Schule eine Berufs- onen, die nicht auf ethnische oder religiöse
lehre absolviert. Das letzte Dezil verfügt Zugehörigkeit basieren, versuchen diese
über einen Maturitätsabschluss oder hat ein Spaltung zu überwinden. Die Religion be-
höheres Fachdiplom erworben. Seit 2002 ansprucht jedenfalls einen immer grösseren
steigt die Zahl der bosnischen Staatsbürge- Raum im Leben der bosnischen Staats-
rinnen und -bürger mit einem Bachelor- a­ngehörigen. Die religiösen Vereine sind
abschluss stetig. zusehends zum wichtigsten formellen und
– Weil sie teilweise nur schlecht ausgebildet informellen Verbindungselement der bosni-
sind bzw. unter einer beruflichen Dequalifi- schen Diasporas mit ihrem Herkunftsland
kation nach der Auswanderung zu leiden geworden.
hatten, sind bosnische Staatsangehörige – Die erste Migrantengeneration pflegt eine
namentlich der ersten Generation mehr- ausschliessliche Beziehung zum Herkunfts-
4 Soziokulturelle Integration heitlich im Gastgewerbe, in der Industrie land, während sich die zweite Generation
und im Baugewerbe angestellt. Der Bei- stärker mit der Schweiz verbunden fühlt.
und Teilnahme am Wirtschaftsleben trag der bosnischen Arbeitskräfte zu die- Eine Mehrheit der ausgewanderten Perso-
sen Wirtschaftszweigen ist nicht zu unter- nen unterstützt die in der Heimat zurück-

59
gebliebene Familie in wirtschaftlicher Hin- Einzelnen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer
sicht. Wegen der politischen und wirt- Gesellschaft und ihren Werten zu erzeugen,
schaftlichen Instabilität in BiH planen nur das den sozialen Zusammenhalt sicherstellt».23
wenige Zugewanderte im Erwerbsalter Im Ausländerrecht wird Integration heute als
kurz- oder mittelfristig eine Rückkehr in die sozialer und individueller Aufnahme- und
Heimat, selbst wenn sie eine solche nach Eingliederungsprozess auf gegenseitiger Basis
ihrer Pensionierung nicht ausschliessen. definiert; er bedingt die Mitwirkung der Zu-
wanderer ebenso wie der Gesellschaft des
Aufnahmelandes und ihrer Mitglieder (Art. 4).
4.1  Integrationsbegriffe
Dazu ist festzuhalten, dass die Zugehörigkeit
Um die Integration der Einwanderer aus BiH in zu einem nationalen Kollektiv Ergebnis einer
der Schweiz und ihre Rolle in der Entwicklung komplexen geschichtlichen Entwicklung ist
des Herkunftslandes zu verstehen, müssen wir und nicht mechanisch durch die kulturellen,
zunächst einige für unsere Analyse dieser Be- ethnischen oder religiösen Ursprünge der Ein-
völkerungsgruppe verwendete Konzepte er- zelpersonen bedingt wird, welche die Ge-
klären. Danach können wir den soziokulturel- meinschaft bilden. Der stetige Prozess der
len Integrationsprozess analysieren und dessen Verinnerlichung von Normen und Wertvor-
migrationsrelevante Merkmale ermitteln. stellungen erlaubt im nationalen Rahmen die
Sozialisierung von Bürgerinnen und Bürgern
Je nach Kontext und Zeitraum kommen dem aus verschiedenen geografischen Räumen,
Begriff Integration unterschiedliche Bedeutun- sozialen Schichten, Kulturen oder Religionen.
gen und Verwendungen zu. Er wurde als Syno- Die Integration ergibt sich ferner aus der
nym zu Akkulturation, Eingliederung, Adap- Beziehung zum Staat. Dieser weist dem Indivi-
tation, Akkommodation, Assimilation oder duum Rechte (Aufenthalt, Nationalität, bürger- In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit 4.2  Sprachkenntnisse
aber als Antonym zu Marginalisierung, Aus- liche oder politische Rechte) und Pflichten den verschiedenen Aspekten der soziokultu-
grenzung, nationaler Abschottung und Get- zu. Der Integrationsprozess impliziert jedoch rellen Integration der bosnischen Bevölkerung Die Hauptsprache von mehr als der Hälfte
toisierung verwendet. Es ist daher wichtig, die in erster Linie einen gegenseitigen Austausch in der Schweiz. Dazu zählen die Kenntnisse der Bürgerinnen und Bürger aus BiH in der
verschiedenen Konnotationen dieses Begriffs, zwischen der Migrationsbevölkerung und der lokalen und der Herkunftssprache, die Be- Schweiz ist die Herkunftssprache, d. h. das
aber auch die mit ihm verbundenen Risiken zu der Gesellschaft des Aufnahmelandes. In der reiche Ausbildung, Arbeit und Gesundheit, Bosnische, das Serbische oder das Kroatische.
beleuchten. Bis in die 1960er- oder 1970er- Regel verläuft er in mehreren Phasen (Akkom- das religiöse Leben und die Vereine sowie die Unter Hauptsprache verstehen wir die im
Jahre wurde überwiegend der Begriff «Assimi- modation, Adaptation, aber auch Konflikte), Beziehungen mit dem Herkunftsland bzw. Alltag am häufigsten verwendete Sprache.25
lation» verwendet, um den vielfältigen Prozess ohne immer eine festgesetzte Reihenfolge dem Aufnahmeland. Diese Analyse beruht auf Diese Situation ist ähnlich wie diejenige
der Immersion und der sozialen und kulturel- einzuhalten.24 Informationen aus unseren Interviews, auf anderer Migrantengruppen, die aus der Bal-
len Interaktion der Zuwanderer im Aufnahme- den Gesprächen mit den Fokusgruppen, auf kanregion in die Schweiz eingewandert sind.
land zu beschreiben – dies mit dem Ziel, «beim der wissenschaftlichen Literatur und den ver- Dabei sind zwei Gruppen ähnlicher Grösse
fügbaren statistischen Daten. erkennbar: Die einen beherrschen eine der
23 Fred Constant, Le Multiculturalisme, Paris, Flammarion («Dominos»), 2000, S. 104, zitiert durch: Patrick Weil, La République et sa
diversité. Immigration, intégration, discriminations, Seuil, 2005, S. 47–48.
24 «Intégration», in: Guido Bolafi, Raffaele Bracalenti, Peter Braham und Sandro Gindro, Dictionary of Race, Ethnicity & Culture, London, 25 Die erste Frage der Volkszählung von 2010 lautete: «Welches ist Ihre Hauptsprache, das heisst die Sprache, in der Sie denken und die Sie
Sage Publications, 2003, S. 151–153, Zitat entnommen aus: Patrick Weil, a.a.O. S. 48. am besten beherrschen?» Die Formulierung dieser Frage erlaubte es, auch noch andere Sprachen anzugeben.

60 61
Abbildung 19: Hauptsprache der ausländischen Staatsangehörigen
aus mehreren Balkanländern im Jahr 2010

50 %

25 %

0 %
BiH Serbien Mazedonien Kosovo Kroatien

Schweizerische Landessprache
Herkunftssprache oder andere

schweizerischen Landessprachen besser, wäh- leuten kann sich die erste Generation eher in Anmerkungen: Als Herkunfts- oder andere Sprachen werden vor allem Sprachen aus dem Balkanraum bezeichnet; im Fall Mazedoniens
erklären 7 % der Befragten, eine andere als ihre Herkunftssprache besser zu beherrschen. Die unterbrochene Linie zeigt die Situation
rend die anderen sich im Alltag einer Sprache ihrer Herkunftssprache ausdrücken, während (schweizerische Landessprache) für die Staatsangehörigen aus BiH zum Vergleich.
aus der Balkanregion bedienen (Abbildung die zweite Generation sich im Umgang mit Quelle: Strukturerhebung 2010, BFS

19). Bei dieser Abgrenzung ergeben sich je- den Sprachen des Einwanderungslandes woh-
doch je nach Herkunftsland geringfügige Ab- ler fühlt. Aus diesem Grund sind die aus BiH Schweiz zu bleiben. Darüber hinaus erforderte Die soziolinguistische Integration war für die
weichungen (die Unterschiede im Sprachge- eingewanderten Personen der ersten Gene- die von ihnen ausgeübte Tätigkeit keine ver- Migrantinnen und Migranten der ersten Ge-
brauch liegen bei 2 bis 10 Prozentpunkten). ration für die Verständigung mit der Auf- tieften Kenntnisse der lokalen Sprache. Ande- neration offenbar mit Schwierigkeiten ver-
Diese Differenz ist indessen nicht hinreichend, nahmegesellschaft stärker auf ihre Kinder rerseits konnten grosse Teile der Flüchtlinge bunden. Die zweite Generation, die in der
um eine generelle Aussage über die Verwen- oder Ansprechpersonen aus ihrer Gemein- aufgrund ihres Migrationsverlaufs und ihres Schweiz geboren ist oder hier sozialisiert
dung einer (in der Schweiz oder im Balkan- schaft angewiesen. Dies betrifft insbesondere ausländerrechtlichen Status in der Schweiz wurde, verwendet die jeweilige Lokalsprache
raum gesprochenen) Sprache durch eine Mig- Personen mit einem prekären ausländerrecht- nicht frühzeitig von einem Sprachkurs profitie- im Berufsalltag und privat. Diese Situation ist
rantengruppe zu erlauben. Erwähnt sei ferner, lichen Status. ren. Dies, obwohl viele von ihnen über einen auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Der
dass diese nicht nach Ethnie, sondern nach Universitätsabschluss oder andere Qualifika- Hauptgrund hängt mit der frühzeitigen Be-
Nationalität erhobenen Daten die Sprach- Für viele dieser Personen der ersten Genera- tionen verfügen. Infolgedessen konnten sie treuung der Kinder aus BiH zusammen. Eine
kenntnisse der in der Schweiz eingebürgerten tion war der Erwerb der Sprache des Einwan- sich auch nicht früh genug vertieft mit der Psychiaterin aus BiH erklärt dazu: «Kinder
Personen nicht berücksichtigen (siehe 3.7). derungslands aus verschiedenen Gründen nie Sprache des Einwanderungslandes befassen. aus BiH sind in der Schule wirksam betreut
eine Priorität, namentlich aufgrund ihres Mig- Ein Experte sieht das Problem der ungenügen- worden. Sie wurden rasch in das System inte-
Über das Niveau der Sprachkenntnisse der rationsmotifs. Einerseits bemühten sich die den Kenntnisse der lokalen Sprache auch griert und profitierten somit von Intensiv-Fran-
aus BiH zugewanderten Personen sind leider Migranten nicht um das Erlernen einer Lan- bei den Kindern aus BiH, die während der zösischkursen.» Die Beherrschung mindestens
keine statistischen Daten verfügbar. Laut Fach- dessprache, weil es nicht ihr Ziel war, in der Adoleszenz in die Schweiz kommen. einer der Sprachen des Einwanderungslandes

62 63
4.3  Vermittlung der Sprachen Was die bosniakische Bevölkerungsgruppe auf die Integration im Aufnahmeland aus-
Kasten 8: Sprachkenntnisse: des Herkunftslandes betrifft, werden Kurse für die bosnische Spra- gerichtet und nicht ausschliesslich auf das Ziel
Bericht einer Fachfrau che und Kultur in der Schweiz von der Mehr- der Sicherstellung der Bindungen an das Her-
Eine Psychologin, die selbst aus BiH stammt Die zweite Generation der Bosnierinnen und heit der Džemats aus BiH angeboten. Die Kur- kunftsland. Von diesen Schulen existiert heute
und täglich mit eingewanderten Personen Bosnier in der Schweiz beherrscht die Her- se werden unabhängig finanziert, namentlich nur noch diejenige im Kanton Waadt. Sie be-
aus BiH, namentlich Flüchtlingen, zu tun kunftssprache nur noch ungenügend. Ihre durch Beiträge, die von den Eltern der Schüler treut ungefähr 70 Schülerinnen und Schüler
hat, weist auf die Verständigungsschwie- Kenntnisse beschränken sich oft auf einige erhoben werden. Gegenwärtig sind 27 Dže- unterschiedlichen Alters in verschiedenen Ort-
rigkeiten der ersten Migrationsgeneration mündliche Grundkenntnisse. Das Code-Switch- mats in der Schweiz aktiv, die Mehrheit davon schaften. Ungefähr die Hälfte der Schülerin-
hin. «Für die Verständigung in der Sprache ing, der Wechsel zu einem Wort oder Satzteil in der Deutschschweiz. Die meisten haben nen und Schüler stammen aus BiH.
des Aufnahmelandes (vor allem bei der einer anderen Sprache mitten im Gespräch, wöchentliche Kurse in der bosnischen Spra-
schriftlichen Kommunikation) werde ich oft kommt bei jungen Menschen häufig vor, da che im Angebot. Daneben sind sie in anderen Was die Kinder der bosnisch-kroatischen Be-
von unseren Patienten aus der Migrations- sie die bosnischen Sprachen nicht gut genug Bereichen aktiv, etwa im Islamunterricht, in völkerung betrifft, ist es nahezu unmöglich,
bevölkerung um Rat gebeten. Sie kommen sprechen und daher Worte aus einer in der der sozialen Unterstützung oder in folkloristi- diese Gruppe in der Schweiz exakt zu bezif-
zu mir in die Sprechstunde und bitten mich, Schweiz gesprochenen Sprache entlehnen. schen Aktivitäten. fern.27 Die grosse Mehrheit der aus BiH stam-
ihnen Briefe vorzulesen und ihnen deren Das Fehlen angemessener Strukturen zur menden Kroaten besucht Ergänzungskurse
Inhalt zu erklären, auch wenn dieser nichts Vermittlung der bosnischen Sprachen in der Die Kinder der serbischen Volksgruppe der in der kroatischen Sprache. Bis 1990 wurden
mit meiner Tätigkeit zu tun hat, einschliess- Schweiz erklärt diese Situation zum Teil. Ent- Bosnier besuchen Kurse für die serbische diese Kurse in kroatischer Sprache und Kultur
lich Mahnungen für unbezahlte Rechnun- sprechende Kursangebote, die über keine Sprache (die zum grössten Teil vom Erzie- von kroatischen Kulturvereinen und kirchli-
gen. Bei jeder Konsultation haben sie ein Unterstützung des Staates BiH verfügen, sind hungsministerium der Republik Serbien finan- chen Kreisen organisiert. Seit 1993 ist dafür
Problem mit irgendetwas …» auf die Initiative der Migrationsbevölkerung ziert werden) in St. Gallen, Zürich, Winterthur, allerdings das Ministerium für Erziehung, Wis-
angewiesen. Laut einem leitenden Vereins- Solothurn, Bern, Lausanne und Genf. Die Zahl senschaft und Sport der Republik Kroatien
mitglied eines Džemat (religiöser Verein der der Kinder, die diese Schulen besuchen, be- zuständig. Zwanzig Lehrpersonen geben
erklärt sich auch damit, dass sich diese Kinder islamischen Gemeinden der Bosniaken) kommt trägt wahrscheinlich weniger als 10 % aller in 1750 Schülerinnen und Schülern in 94 Ort-
bereits früh mit der Kultur des Einwanderungs- hinzu, dass die Vermittlung der bosnischen der Schweiz lebenden Kinder aus Familien mit schaften der Schweiz Unterricht in der kroati-
lands identifizierten. Dieses Gefühl der Ver- Sprachen Opfer der ethnischen Logik in BiH einem serbischen Kulturhintergrund. Es geht schen Sprache.28 Die Kantone mit den gröss-
bundenheit mit der Schweiz wird auch durch geworden ist: «Die Organisation von Sprach- um ungefähr 2000 Kinder und Jugendliche.26 ten kroatischen Bevölkerungsgruppen sind
eine gewisse Tendenz bestätigt, die Zugehö- kursen für die bosnischen Sprachen durch die Parallel dazu sind Anfang der 2000er-Jahre in Zürich und Aargau, gefolgt von St. Gallen,
rigkeit zu BiH «auszublenden». Damit dürfte Regierung wird von gewissen Politikern in BiH den Kantonen Luzern, Waadt und Zug drei Bern, Tessin, Luzern, Solothurn, Basel, Schaff-
das Herkunftsland einen Teil seiner Bedeutung mit Argwohn betrachtet, da ihnen ein ge- «autonome Schulen» für den Unterricht in der hausen und Wallis. Nach Aussagen eines lei-
für die zweite Generation verloren haben. meinsamer Schulbetrieb der verschiedenen serbischen Sprache gegründet worden. Einer tenden kroatischen Vereinsmitglieds ist die
Diese Feststellung wird vom Kulturverein Bevölkerungsgruppen aus BiH ein Dorn im Fachperson zufolge besteht deren Besonder- Zahl der Schüler kroatischer Herkunft, welche
«Matica» (siehe Kasten 11) bestätigt, dessen Auge ist. Das könnte die Auswanderer in der heit in der Unabhängigkeit vom serbischen Kurse in der kroatischen Sprache und Kultur
Website übersetzt werden musste, weil die Schweiz zu einer nationalen bosnischen Ge- Erziehungsministerium und der Selbstfinan- besuchen, wegen der engen Bindung zum
jungen Leute die in Bosnien gesprochenen meinschaft zusammenschweissen». Daher sind zierung durch die Eltern. Im Gegensatz zu den Einwanderungsland stark im Sinken begriffen.
Sprachen immer weniger verstehen. Sprachkurse für die Kinder der in der Schweiz anderen Schulen ist der Unterricht vor allem Laut einem Verantwortlichen der serbischen
lebenden Einwanderer aus BiH durch eine
ethnische Abgrenzung geprägt, die den Be- 26 Zahlen für 2007: http://www.srpskadijaspora.info/vest.asp?id=4833 (Stand am 18. Mai 2013); auch die befragten Fachleute aus
der Gemeinschaft bezifferten die Schüler und Schülerinnen, die Kurse in serbischer Sprache besuchen, auf etwa 2000.
ziehungen der drei Volksgruppen in BiH ent- 27 Gemäss Aussagen von Frau Marija Ćulap Imhof, Mitarbeiterin von «Drustvene obavijesti», einem Presseorgan des kroatischen
sprechen (siehe 2.1). Kulturvereins der Schweiz, stammen rund zwei Drittel der Kroaten in der Schweiz aus Bosnien und Herzegowina, Bilten Udruge
«fra Grga Vilić», 3. Jhrg. (Frühjahr 2013), N. 8, S. 2.
28 http://www.mvep.hr/hr/hmiu/iseljenistvo/svicarska/ (Stand am 22. Mai 2013).

64 65
Kasten 9: Schule für bosnische Sprachen in Emmenbrücke
Einige der von den Bosniaken geführten Ver- schen als auch der kyrillischen Schrift erlernt
eine bezeichnen sich selbst als bosnisch, so werden. Die Schule und die Kurse in Emmen-
etwa «Heimatliche Sprache und Kultur (HSK) brücke bestehen noch, aber andere Angebote,
Bosnien und Herzegowina» in Emmenbrücke wie diejenigen in Basel oder Solothurn, sind
(Luzern). Die Kurse der Schule dieses Vereins eingestellt worden. Die Vermittlung der bos-
verfolgen das Ziel, «die Kenntnisse der bosni- nischen Sprachen im Rahmen dieser Struktu-
schen Sprachen, der Kultur, der Literatur und ren ist durch das sinkende Interesse seitens
der Kunst aus BiH zu fördern und via Unter- der Schüler und ihrer Eltern zusehends gefähr-
richt und Spiel letztlich die Beziehungen zwi- det. Zum grossen Teil liegt dies an den Kosten
schen den Kindern aus BiH zu stärken».29 für den Unterricht, welche die Eltern selbst
Anders als in den Džemat-Schulen werden aufbringen müssen. Nach Angaben von Ver-
Kinder mit unterschiedlichem ethnischem antwortlichen der Schule in Emmenbrücke
(konfessionellem) Hintergrund zusammen ergibt sich ein zusehends grösserer Bedarf
unterrichtet, und die bosnischen Sprachen für materielle oder logistische Unterstützung
dürfen sowohl unter Verwendung der lateini- ihrer Kurse durch die lokalen Behörden.

Religionsgemeinschaft betrifft das sinkende Staatsangehörigen aus BiH haben sich nach Regel einen weniger hohen Bildungsstand auf ersten Migrationsgeneration, die vor dem
Interesse für das Erlernen der eigenen Her- der obligatorischen Schulzeit nicht mehr wei- als die seit dem Krieg Zugewanderten. Der Krieg in BiH floh, unterschiedlich ist – reicht es
kunftssprache konsequenterweise auch die tergebildet. Ein Drittel hat eine Berufsausbil- Unterbruch der schulischen Laufbahn war oft doch von isoliert östlich der Drina lebenden,
serbische Bevölkerung in der Schweiz. dung absolviert, und weniger als 10 % ver- eine Folge ihrer Anstellung als junge Saison- meist ungebildeten Dorfbewohnern bis zu
fügen über eine Maturität oder einen höheren arbeiter. Eine Fachperson betont, dass die Universitätsabsolventen, die in den grossen
Bildungsabschluss. Flüchtlingskinder über eine «gute Ausgangs- städtischen Zentren gewohnt hatten. Schliess-
4.4  Ausbildung: beträchtliche basis für die weitere Ausbildung» und häufig lich erfuhr die grosse Mehrheit der qualifi-
Generationenunterschiede Diese Zahlen bilden das Bildungsniveau der über fortgeschrittene Mathematikkenntnisse zierten Flüchtlinge aus BiH nach der Migra-
bosnischen Migrantinnen und Migranten in verfügen.31 Verglichen mit Kindern von Staats- tion eine berufliche Dequalifikation, da ihre
In Bezug auf die Ausbildung30 ist aus Abbil- der Schweiz aus zweierlei Gründen jedoch nur angehörigen aus Kosovo haben bosnische Diplome in der Schweiz nicht immer aner-
dung 20 ersichtlich, dass sich Bosnierinnen teilweise ab. Einerseits unterscheiden die Da- Kinder seiner Ansicht nach einen besseren kannt wurden (siehe 4.5).
und Bosnier in erster Linie praktischen Beru- ten nicht zwischen den einzelnen Migrations- schulischen Bildungsstand.32 In diesem Pro-
fen zuwenden. Dies gilt für sie vergleichs- wellen. Nach übereinstimmenden Aussagen zess spielen das sozioprofessionelle Profil der Zweitens erlauben diese Zahlen keine Unter-
weise sogar stärker als für die Gesamtheit der unserer Gewährsleute weisen die aus wirt- Eltern und das familiäre Umfeld der Kinder scheidung des Bildungsniveaus in Bezug auf
Staatsangehörigen aus den Ländern ausser- schaftlichen Gründen eingewanderten Perso- eine Schlüsselrolle. Diese Feststellungen sind die Generationen. Dennoch absolvieren viele
halb Europas. Etwas mehr als die Hälfte der nen der beiden ersten Migrationswellen in der insofern zu relativieren, als auch das Profil der Kinder bosnischer Zuwanderer derzeit eine

29 Gespräch mit einem Mitglied der Schulleitung von HSK BiH in Emmenbrücke, Schweiz, 4. Oktober 2012.
30 Lexikon der Berufsbildung: Die «obligatorische Schule» umfasst die Grundschule (Primarschule) und die Sekundarstufe I; die 31 A.a.O. Bernard Courvoisier, S. 110.
«Berufsbildung» auf Sekundarstufe II (nachobligatorisch) umfasst die Vorlehre, die 2- bis 4-jährige Lehre, die Vollzeit-Berufsfachschule, 32 Zum Bildungsstand der kosovarischen Bevölkerung in der Schweiz siehe Burri-Sharani, B., et al., 2010; dabei ist hervorzuheben, dass die
das Handelsdiplom, Lehrwerkstätten und ähnliche Ausbildungen; «Tertiärbildung» beinhaltet Studien an einer Universität oder albanischsprachige Mehrheitsbevölkerung im Kosovo in den 1990er-Jahren im Zuge der Militär- und Polizeiherrschaft des Regimes von
Hochschule, die höhere Fachausbildung mit eidgenössischem Fachausweis, das Studium an einer technischen Lehranstalt oder höheren Slobodan Milošević mit einem Bildungsstopp konfrontiert war. Zur Schulsituation im Kosovo während der 1990er-Jahre siehe Ibrahim
Fachschule usw. Die in diesem Abschnitt zitierten Zahlen stammen aus der Strukturerhebung. Rugova, La question du Kosovo, entretiens avec Marie-Françoise Allain et Xavier Galmiche, Paris, Fayard, 1994.

66 67
Abbildung 20: Vergleich des Bildungsniveaus nach Nationalität im Jahr 2010 Abbildung 21: Anteil der Frauen an der Gesamtheit der Studierenden zwischen 1995 und 2010

80 %
50 %
60 %
40 %
BiH
40 % Schweiz
30 % Schweiz
Aussereurop.
20 %
20 % Länder
BiH
0 %

1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
10 %

0 %
Anmerkungen: Anteil der Frauen an der Gesamtheit der Studierenden in Prozent. «Schweiz» verweist auf alle Studentinnen in der Schweiz,
Oblig. Schule Berufsbildung Maturität Höhere unabhängig von ihrer Nationalität. Quelle: SHIS
oder weniger Ausbildung

Anmerkungen: Stand im Jahr 2010; Alter 18 bis 64 Jahre. Weniger als 7 Jahre Grundschule; obligatorische Schule (mit Zusatzjahr); berufliche nen mit einem höheren Bildungsabschluss zial- und wirtschaftswissenschaftlichen Stu-
Grundbildung; gymnasiale Matura oder Berufsmatur; höhere Bildungsabschlüsse (Meisterprüfung oder Fachausweis), Universität oder ETH.
Quelle: SE
deutlich höher (über 60 % für 2010) liegt als diengänge kann mit der schwierigen Situation
die globale Quote für Studentinnen in der seit 1992 erklärt werden, sie ist in erster Linie
nachobligatorische, also höhere Ausbildung. Beim Vergleich zwischen schweizerischen und Schweiz, unabhängig von ihrer Nationalität aber auch Ausdruck der schmerzlichen Folgen
In Bezug auf höhere Bildungsabschlüsse wei- bosnischen Personen auf gleichem Bildungs- (ca. 50 %). Dieser hohe und wachsende Anteil des Krieges für die Menschen in BiH. Konkret
sen die Statistiken auf eine geringe Beteili- niveau fällt auf, dass das Gefälle zwischen den der bosnischen Frauen an den Universitäten könnten die affektiven Traumata, welche die
gung bosnischer Studierender hin. Sie ka- Geschlechtern bei den Schweizern deutlich und Fachhochschulen (FHS) kann als positives elterliche Generation erlebt oder an die Nach-
schieren jedoch die Tatsache, dass zahlreiche ausgeprägter ist. Bei den Bosniern findet sich Zeichen einer aus dem jugoslawischen Sozia- kommen weitergegeben hat, ein Motiv für
Personen aus Bosnien, die an den Hochschu- eine relative Gleichverteilung (mit weniger als lismus übernommenen Emanzipation inter- diese Fächerwahl sein. Im Jahr 2010 studierten
len studieren, eingebürgert sind. Doch wird 10 Prozentpunkten Unterschied; siehe auch pretiert werden, für Frauen aus tieferen Ge- je ungefähr 10 % der bosnischen Studentin-
seit 2002 ein bedeutender, progressiver An- 4.5). Zum Zeitpunkt der Volkszählung hing sellschaftsschichten auch als Hinweis auf eine nen und Studenten Rechts- und Naturwissen-
stieg der Studentenzahlen beobachtet; im die Geschlechterdifferenz bei den Schweizern gute Integration. schaften. Die exakten Wissenschaften verlo-
Jahr 2010 waren 60 bosnische Studierende im wesentlich von ihrem zuletzt erreichten Bil- ren gegenüber dem Jahr 1995, in dem bis zu
Bachelorstudium eingeschrieben. In den Mas- dungsstand ab. Die Übervertretung der Frauen Bei der Wahl der Studienfächer (Abbildung 30 % der Studierenden aus BiH diese Studien-
terstudiengängen sind bosnische Studierende in der Gruppe mit ausschliesslich obligatori- 22) bevorzugen die bosnischen Studierenden richtung wählten, an Attraktivität. Medizin
seltener vertreten; seit 2008 sind es jeweils 20 schem Schulabschluss (68 %) verringert sich in erster Linie die Human- und Sozialwissen- und Pharmazie sowie Ingenieurwissenschaf-
Personen. Mit 5 bis 10 Personen pro Jahr seit auf den mittleren Stufen (Sekundärstufen I schaften (ca. 40 % im Jahr 2010), danach die ten belegten bei der Studienfachwahl im Jahr
2002 ist auch die Zahl der Doktorandinnen und II). Auf der Tertiärstufe resultiert schliess- Wirtschaftswissenschaften (ca. 25 %). Bemer- 2010 den letzten Platz.
und Doktoranden nicht eben hoch. Der allge- lich eine männliche Mehrheit (59 %). Dieser kenswert ist die Trendwende seit 1992 (unge-
meine Trend einer wachsenden Studenten- Kontrast ist auch bei Staatsangehörigen aus fähr 10 % bzw. 35 %). Diese zwei Studien- Zwei weitere Bildungsaspekte in Bezug auf
zahl – mit Ausnahme des Doktorats – entwi- Nicht-EU-Staaten ersichtlich (ca. 20 Prozent- gänge erfreuen sich bei den bosnischen die Staatsangehörigen aus BiH, die im Ge-
ckelt sich ähnlich wie bei den Schweizer punkte). Überdies geht aus Abbildung 21 her- Studierenden seither einer wachsenden Be- spräch mit Fachleuten und Vertretern der
Studierenden. vor, dass der Anteil der bosnischen Studentin- liebtheit. Diese Umstellung zugunsten der so- Migrationsbevölkerung immer wieder genannt

68 69
Abbildung 22: Universitäre Studienfachwahl der bosnischen Studierenden zwischen 1992 über derjenigen der Schweizerinnen und 6,6 % der bosnischen Erwerbsbevölkerung
und 2010 Schweizer (61,5 %) (siehe Abbildung 23). Tat- sind arbeitslos, gegenüber 2,2 % der Schwei-
sächlich ist über ein Drittel der Schweizerin- zerinnen und Schweizer und 11 % der Staats-
100 % nen und Schweizer (36 %) ohne Erwerbstätig- angehörigen aus nichteuropäischen Ländern.
Interdisziplinäre und andere
keit, zweifellos aufgrund einer höheren Anzahl So liegt die Erwerbslosenquote bei der in der
Technische Wissenschaften von Pensionierten und Studierenden in der Schweiz lebenden bosnischen Bevölkerung
75 %
Medizin und Pharmazie Schweizer Bevölkerung. Die Quote der nicht- 2010 mit 8,1 % deutlich höher als bei den
Exakte Wissenschaften erwerbstätigen bosnischen Bevölkerung liegt Schweizerinnen und Schweizern (3,4 %). Ob-
50 %
und Naturwissenschaften bei 27,8 %; ein Teil davon bezieht eine Rente wohl die erste Zahl aus methodischen Grün-
der Invalidenversicherung (IV). Wie im nach- den mit Vorsicht zu interpretieren ist, sind die
25 % Recht
folgenden Unterkapitel 4.6 über die Gesund- Unterschiede zwischen den verschiedenen
Wirtschaftswissenschaften heit dargelegt wird, leidet ein relativ grosser Nationalitäten in Bezug auf die Integration in
0 %
Geistes- und Sozialwis- Teil der Wirtschaftsmigranten der ersten und den Arbeitsmarkt signifikant. Diese Unter-
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
senschaften zweiten Einwanderungswelle unter chroni- schiede sind auch bei der Verteilung der So-
schen Krankheiten, was vor allem auf die zialhilfeempfänger erkennbar. Im Jahr 2011
Quelle: SHIS anstrengende körperliche Arbeit im Rahmen bezogen 2968 Staatsangehörige aus BiH So-
ihrer beruflichen Tätigkeit und in manchen zialhilfe. Das sind 2,8 % der gesamten auslän-
wurden, verdienen Erwähnung. Erstens hat jugoslawischen (sprich bosnischen) System Fällen auch auf traumatische Kriegserlebnisse dischen Sozialhilfeempfänger und zwischen
das kulturell geprägte Verhältnis der Eltern zur die spätere Laufbahn der Schüler in der zurückführen ist. Studien belegen, dass die 6 und 10 % der in der Schweiz lebenden bos-
Ausbildung einen Einfluss auf die Entschei- Schweiz sehr früh festgelegt wird, d. h. bereits Bürgerinnen und Bürger aus dem ehemaligen nischen Bevölkerung. Im Vergleich dazu be-
dungen ihrer Kinder. Offenbar betrachten die mit der 5. oder 6. Klasse der obligatorischen Jugoslawien unter den Bezügerinnen und läuft sich der Anteil der Schweizerinnen und
Eltern das Universitätsstudium als Vorausset- Schulzeit (im Alter von 11–12 Jahren). Dies Bezügern von IV-Leistungen deutlich über- Schweizer, die Sozialhilfe beziehen, auf 2,1 %,
zung für einen Aufstieg auf der sozioprofessio- hat für die jungen Einwanderer in einem kriti- vertreten sind (Guggisberg 2010). was auf verschiedene Gründe zurückgeführt
nellen Erfolgsleiter. Dies reflektiert ihr fehlen- schen Alter für die Ausbildung Konsequenzen werden kann: Erstens erhöht ein niedriger
des Wissen betreffend die Chancen, die auch gehabt. Die Aussagen unserer Gesprächspart-
andere nicht universitäre berufliche Laufbah- ner zeigen im Übrigen, dass die jungen Leute Abbildung 23: Berufliche Stellung nach Nationalität im Jahr 2011
nen und die Fachhochschulen in der Schweiz eher durch ihre Eltern gefördert werden,
bieten. Zweitens haben es die bosnischen wenn diese eine Hochschulbildung haben,
100 %
Eltern in der Regel versäumt, das schweizeri- weil sie dann selbst eher Erfahrung mit elter-
sche Schulsystem rechtzeitig verstehen zu licher Unterstützung in Schulfragen haben.
75 %
lernen. Dies liegt insbesondere an den Proble-
men beim Zugang zu Informationen und an Nichterwerbstätige
sprachlichen Hürden. Einer Expertin zufolge 4.5  Arbeit: Ausübung 50 % Erwerbslose
wurde eine erste Welle bosnischer Kinder aus wenig qualifizierter Berufe Arbeitnehmende
zwei Gründen «geopfert»: Zum einen dauerte 25 %
es Jahre, bis die Eltern ihre wichtige Rolle bei Im Jahr 2010 gehörten 65 % der in der Schweiz
der Einschulung ihrer Kinder verstanden. Das lebenden Bosnierinnen und Bosnier zur er- 0 %
schweizerische Schulsystem erfordert nämlich werbstätigen Bevölkerung. Diese Quote ist BiH Schweiz Aussereurop.
eine aktive Mitwirkung der Eltern. Zudem be- mit derjenigen der Staatsangehörigen ausser- Länder
griffen sie erst spät, dass im Gegensatz zum europäischer Staaten vergleichbar, liegt aber Quelle: Strukturerhebung

70 71
Schweizern (12 Prozentpunkte Differenz) noch die Hälfte der bosnischen Frauen (18–65
bei den Migrantinnen und Migranten aus Jahre) ein Erwerbseinkommen von unter
den aussereuropäischen Ländern (21 Prozent- 52 300 CHF, während dies nur für ein Viertel
punkte) festzustellen. der Schweizerinnen, deren Medianeinkommen
bei 68 900 CHF liegt, zutrifft. Ganz allgemein
Um die Lohnverhältnisse der schweizerischen kann beobachtet werden, dass das Jahres-
und der bosnischen Bevölkerung miteinander einkommen der Frauen aller Nationalitäten
zu vergleichen, verwenden wir das Median- unter dem Niveau des Jahreseinkommens der
einkommen pro Jahr, das auf der Lohnskala Männer liegt, da sie für die gleiche geleistete
genau in der Mitte liegt; die Hälfte der erfass- Arbeitszeit rund 80 % des Einkommens der
ten Personen verdient demnach mehr, die Männer erhalten. Die Lohnungleichheit zwi-
andere weniger, als dieser Wert beträgt. Wir schen den Nationalitäten und – in geringerem
stellen fest, dass das Erwerbseinkommen der Ausmass – zwischen den Geschlechtern ist
Hälfte der vollzeitlich beschäftigten bosnischen zum Teil auf die Art des ausgeübten Berufs
Männer (18–65 Jahre) unter 66 600 CHF pro zurückzuführen (siehe Abbildung 25).
Jahr liegt, während dies nur auf ein Viertel der
Schweizer zutrifft. Das Medianeinkommen Wie Abbildung 25 zeigt, sind die Personen bos-
der Schweizer Männer liegt bei 87 100 CHF. nischer Herkunft vor allem im Gastgewerbe,
Analog zur Situation bei den Männern erreicht in der Industrie und im Baugewerbe tätig. Sie

Bildungsstand das Risiko, Sozialhilfe in An- Bei der beruflichen Stellung sind nicht nur Abbildung 24: Berufliche Stellung nach Nationalität und Geschlecht im Jahr 2011
spruch nehmen zu müssen, und ein Grossteil Unterschiede zwischen den Nationalitäten,
der in der Schweiz lebenden Bosnierinnen sondern auch zwischen den Geschlechtern
und Bosnier ist in der Tat wenig qualifiziert festzustellen. Abbildung 24 zeigt, dass der 100 %
(siehe 4.4). Im Weiteren implizieren das tiefe Anteil der Nichterwerbstätigen bei den Frauen
Bildungsniveau und die berufliche Dequalifi- unabhängig von der Nationalität im Allgemei- 80 %
kation (Abstieg) nach der Migration, dass ein nen höher liegt. Diese Übervertretung bei den
nicht unerheblicher Anteil der ausländischen Frauen ist vor allem darauf zurückzuführen, 60 %
Personen in der Schweiz einer Erwerbstätig- dass sie häufiger als «Hausfrauen» und Pen-
keit nachgeht, die schlecht bezahlt ist, oder sionierte vermerkt werden und eine höhere 40 %
dass sie sich in einer prekären Beschäftigungs- Lebenserwartung haben (siehe 3.4). In der
situation befinden (siehe unten). Da Paare mit erwerbstätigen bosnischen Bevölkerung sind 20 %
Kindern in dieser Bevölkerung übervertreten die Unterschiede zwischen Männern und
sind, sehen sich zahlreiche Personen dazu Frauen dagegen bedeutend geringer; es be- 0 %
gezwungen, ein kleines Einkommen mit So- steht eine Differenz von nur 4 % zwischen den M F M F M F
zialleistungen aufzubessern, um für den Le- Geschlechtern. Diese geringen Unterschiede Schweiz BiH Aussereuropäische
bensunterhalt ihrer Familie aufkommen zu bei der beruflichen Stellung zwischen den Länder
können (siehe 3.5). Seit 2006 ist die Rate Geschlechtern – die im Übrigen an die Situa- Nichterwerbstätige Arbeitslose Arbeitnehmende
der Sozialhilfeempfänger bei den eingewan- tion beim Bildungsniveau erinnern (siehe 4.4)
derten Personen aus BiH jedoch rückläufig. – sind weder bei den Schweizerinnen und Anmerkung: Extrapolation auf Grundlage von weniger als 90 Beobachtungen (BiH). Quelle: SAKE

72 73
listischen Produktionsmodell Jugoslawiens Aufnahmelands bemüht. Manchen Personen
Kasten 10: Kader in BiH, Reinigungskraft in der Schweiz identifizierten, das damals Stabilität und Voll- der ersten Generation, die in ihrem Herkunfts-
Eine in der Schweiz lebende Person der zwei- vom Status der vorläufigen Aufnahme wegzu- beschäftigung garantierte. land hochqualifizierte Berufe ausgeübt haben
ten Migrationsgeneration erzählt: «Bevor mei- kommen und eine Aufenthaltsbewilligung B (Juristen, Ingenieure, Ärzte), ist es nicht gelun-
ne Eltern infolge des Krieges in die Schweiz als Erwerbstätige zu erhalten. [...] In der Folge Die in der Schweiz lebenden Bosnierinnen gen, sich in der Schweiz beruflich zu integrie-
kamen, hatten sie eine Kaderstellung: Mein ist es meinen Eltern nicht gelungen, sich zu und Bosnier üben somit zum Grossteil wenig ren. Die berufliche Dequalifikation ist auf die
Vater war Ingenieur und meine Mutter Che- integrieren, obwohl sie sich bemühten, Fran- qualifizierte Tätigkeiten aus. Gemäss den be- Bedingungen der Auswanderung zurückzu-
mikerin. In der Schweiz haben sie zunächst als zösisch zu lernen. In der Schweiz sahen sie fragten Fachleuten wechseln sie ihre Tätigkeit führen, die insbesondere in Zusammenhang
einfache Angestellte in der Reinigungsbran- sich mit allzu vielen persönlichen, familiären auch nicht oft, wenn sie sich einmal für einen mit den Kriegsfolgen stehen, aber auch auf
che gearbeitet, weil sie eine Arbeit brauchten, und professionellen Herausforderungen kon- Beruf entschieden haben. Ferner scheint die die Hindernisse im Aufnahmeland (mangelnde
um finanziell unabhängig zu werden und frontiert. Für mich war es einfacher.» bosnische Bevölkerung die in der Schweiz be- Sprachkenntnisse, kein berufliches Netzwerk,
ihren Aufenthaltsstatus zu regeln, das heisst, stehenden Möglichkeiten für den Erwerb fehlende Informationen, um die Anerkennung
neuer Berufskompetenzen (Weiterbildung) der Diplome zu erwirken). Wie das Verhältnis
wenig genutzt zu haben. Im Weiteren hat sie beim Bildungsniveau der bosnischen Migran-
machen dort nahezu ein Drittel der erwerbs- nehmen gegründet. Die Frauen arbeiten häu- sich aufgrund ihres kriegsbedingt schwierigen tinnen und Migranten zeigt (siehe 4.4), gibt
tätigen Bevölkerung aus. Diese Zahlen bele- fig im Detailhandel, im Coiffeurgewerbe oder Migrationsverlaufs auch kaum um den Erwerb es unter den in die westlichen Länder aus-
gen somit die Tendenz der Staatsangehörigen als Büroangestellte, das heisst in Wirtschafts- solider Sprachkenntnisse in den Sprachen des gewanderten Männern und Frauen aus BiH
aus den westlichen Balkanländern, in den ge- zweigen, die den Migrantinnen aus BiH nach
nannten Branchen zu arbeiten. Dies ist eben- eigenen Aussagen besser zugänglich sind. Abbildung 25: Berufssektor nach Nationalität im Jahr 2010
falls auch bei den Kosovaren, den Serben und Ihre Mütter aus der ersten Migrantinnengene-
den Mazedoniern zu beobachten. Die starke ration sind häufig im Reinigungs- oder Haus-
20 %
Präsenz der Arbeitskräfte aus BiH bzw. aus den wartsdienst tätig, ein Berufsfeld, in dem Teil-
Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugosla- zeitarbeit möglich ist und gemeinschaftliche
wiens im Allgemeinen ist für die wirtschaft- Unternehmensnetzwerke entwickelt worden 15 %
liche Entwicklung der betreffenden Branchen sind.
in der Schweiz zweifellos von beträchtlicher
Bedeutung. In den Sektoren Gesundheit, Wis- Auch wenn sich einige Bosnierinnen und Bos- 10 %
senschaft, Verwaltung oder in den juristi- nier in der Reinigungsbranche und im Bau-
schen Berufen sind die Bosnierinnen und gewerbe erfolgreich selbstständig gemacht
5 %
Bosnier im Vergleich zur Schweizer Bevöl- und Landsleute angestellt haben, scheinen die
kerung jedoch untervertreten. Obwohl die Einwanderer aus BiH gemäss Aussage eines
statistischen Daten keine Unterscheidung Spezialisten im Allgemeinen kaum geneigt, 0 %
zwischen der ersten und der zweiten Migran- eigene Unternehmen zu gründen und sich

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tengeneration erlauben, bestätigen die ge- selbstständig zu machen, wie dies die Kosova-

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sammelten Aussagen, dass die bosnischen ren tun. Dieser Unterschied ist zum Teil damit

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Männer der zweiten Generation häufig in zu erklären, dass die Kosovaren in der Regel

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handwerklichen Berufen tätig sind, das heisst selbstständig tätig und kaum in die jugoslawi-

Te
auf dem Bau oder als Elektriker. In diesen schen Staatsbetriebe eingebunden waren, BiH Schweiz Aussereuropäische Länder
Branchen haben sie auch ihre eigenen Unter- während sich die Bosnier eher mit dem sozia-
Quelle: Strukturerhebung

74 75
Diese Gesundheitsprobleme betreffen ins- denen Auswanderer aus BiH vor und nach dem
besondere Erwachsene, die mit der Flücht- Krieg verglichen werden, lassen die folgenden
lingswelle während des Bosnienkrieges in die Schlüsse zu. Die bosnische Flüchtlingspopula-
Schweiz kamen. Es geht um Personen, die di- tion ist besonders stark von Gesundheits-
rekt oder indirekt vom Konflikt in BiH betroffen problemen betroffen. Konkret nannten 78 %
waren. Nicht selten trifft man auf Bosnierin- der 36 in einer Studie befragten Personen als
nen und Bosnier, die im Krieg in einem Gefan- Grund für ihre Erkrankung ein traumatisches
genenlager inhaftiert waren oder Situationen Erlebnis, zu dem sich eine Reihe psychologi-
extremer Gewalttätigkeit erlebt hatten. Viele scher und biomedizinischer Faktoren gesellt
Bosnierinnen und Bosnier in der Schweiz haben.34
haben während des Krieges nahe Angehörige
oder ein Mitglied der erweiterten Familie ver- Nach Ansicht eines ehemaligen Vereinsmit-
loren. Diese traumatischen Erfahrungen wur- glieds aus der bosnischen Bevölkerung in der
den während vieler Jahre durch Phasen der Schweiz betrifft die PTBS-Problematik vor
kollektiven Trauer und Depression genährt, allem Einzelpersonen aus «seiner» Bevölke-
was sich auf den individuellen Integrations- rungsgruppe. Dabei seien die Symptome zu-
prozess in der Schweiz negativ ausgewirkt hat. erst ignoriert worden, um einige Jahre später
wieder aufzutauchen. Einem Spezialisten zu-
Gemäss einer Studie wurzeln die gesundheit- folge konnte ein Grossteil der Personen, die
lichen Beschwerden der bosnischen Staatsan- mit Kriegsgräueln konfrontiert waren, nicht
gehörigen nicht nur in den traumatischen von einer angemessenen Behandlung in Be-
aber auch gut qualifizierte Personen. Gemäss 4.6  Gesundheit: Kriegserfahrungen. So werden migrations- zug auf die erfahrenen Traumata profitieren.
Angaben der Weltbank beträgt der «Brain- Prävalenz posttraumatischer relevante Erfahrungen und damit verbundene Die Nachwirkungen können aber schwer
drain» aus BiH 24,5 %, und gemäss der Inter- Belastungsstörungen strukturelle Probleme genannt wie der unsi- wiegen, namentlich bei Frauen, die während
nationalen Organisation für Migration belief chere Aufenthaltsstatus, Arbeits- und Lebens- des Krieges Opfer von Vergewaltigungen ge-
sich der Anteil der aus BiH ausgewanderten Nach den Aussagen von mehreren Fachleuten bedingungen, finanzielle Engpässe, fehlende worden sind.35 Eine negative Konnotation der
Ärzte 2007 auf 12,7 %. Die Flucht der diplo- aus der Schweiz und aus Bosnien leidet ein Netzwerke im Alltag oder auch emotionale psychologischen und psychiatrischen Bera-
mierten Personen und Kader ist zum Grossteil bedeutender Anteil der aus BiH zugewan- Stresssituationen, beispielsweise Angst vor tung könnte die Skepsis gegenüber einer ent-
auf den Krieg und seine Folgen zurückzu- derten Bevölkerung an schwerwiegenden der Rückschaffung, eine ungewisse Zukunft, sprechenden Betreuung erklären. In der Tat
führen. Gesundheitsproblemen. Die psychischen Er- gesellschaftliche Ausgrenzung, Fremdenfeind- überwiegt innerhalb der Gemeinschaft die
krankungen betreffen spezifisch depressive lichkeit, Ohnmachtsgefühle und Einsamkeit. Vorstellung, dass sich diese spezialisierten
Störungen oder posttraumatische Belastungs- Darüber hinaus verliessen die Flüchtlinge Dienstleistungen an Personen mit mentalen
störungen (PTBS),33 während es sich bei unter anderen Umständen (in Zusammen- Defiziten richten. Doch ist diese Haltung nicht
den soma­tischen Krankheiten namentlich um hang mit Stress und häufigem Ortswechsel) nur bei Bosniern anzutreffen, da sich Wider-
chronische Schmerzen handelt. ihr Land als Personen, die aus wirtschaftlichen stand gegenüber der Konsultation in einer
und sozialen Gründen oder zu Ausbildungs- psychologischen Praxis auch bei anderen
33 Auch unter den Begriffen «posttraumatisches Stresssyndrom» (PTSS) oder «posttraumatische Stressreaktion» (PTSR) bekannt, bezeichnet zwecken emigrierten. Klinische Studien, in Migrantengruppen und Schweizern aus sozial
die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eine schwere Angststörung, die als Folge eines als traumatisierend erfahrenen Erlebnisses
eintritt. In diesem Bereich engagieren sich DEZA und die Kantone Bern, Freiburg, Genf und Jura gemeinsam für die Förderung der
psychischen Gesundheit in Bosnien und Herzegowina. 34 Gilgen D, et al., «Impact of migration on illness experience and help-seeking strategies of patients from Turkey and Bosnia in primary
http://www.deza.admin.ch/de/Home/Projekte/Ausgewaehlte_Projekte/Moderne_psychiatrische_Behandlung_fuer_Bosnien_und_Herze- health care in Basel», Health & Place 11, 2005, S. 261–273.
gowina (Stand am 17. Juni 2013). 35 Siehe zu diesem Thema die Website des Vereins Trial mit Sitz in der Schweiz: http://www.trial-ch.org/BiH/Pocetna.html.

76 77
benachteiligten Verhältnissen zeigt. Im zwei- Studie über die Bevölkerung des ehemaligen schen Zentren ihres Herkunftslandes sieht die metschdiensten die Beziehungen zwischen
ten Bericht über das Gesundheitsmonitoring Jugoslawiens die in den Interviews vorherr- Situation jedenfalls anders aus. Diese Ansicht den vom Krieg in BiH gezeichneten Migranten
wird betont, dass sich Migrantinnen und Mig- schende Meinung in Bezug auf Gesundheits- wird durch die Ergebnisse des jüngsten Ge- und den sozialmedizinischen Institutionen in
ranten häufiger wegen Depression oder Mig- prävention und Wohnhygiene (insbesondere sundheitsmonitorings über die Migrationsbe- der Schweiz ebenfalls vereinfacht.
räne behandeln lassen als die einheimische Ernährung, Tabakkonsum und sportliche Akti- völkerung in der Schweiz gestützt. Aus ihnen
Be­völ-kerung.36 Diese Feststellung gilt nach- vitäten). Aufgrund dieser Studie leiden die geht deutlich hervor, dass Personen des Asyl- Einem Arzt zufolge sind die chronischen
gewie-senermassen für Personen aus der Tür- Bevölkerungsgruppen aus den Balkanländern bereichs in Fragen der Gesundheit schlecht Schmerzen, unter denen einzelne Personen
kei, Portugal und Somalia sowie für tamilisch sehr viel häufiger an Übergewicht (64 % ge- Bescheid wissen. Diese Bevölkerungsteile ha- aus der bosnischen Bevölkerung leiden, auch
sprechende Personen. genüber 36 % bei den Schweizerinnen und ben nicht nur grosse Schwierigkeiten, sich bei die Folge einer depressiven Verstimmung, die
Schweizern). In der Tat sind 30 % der Perso- den Ärzten verständlich zu machen, sondern einem Teil dieser Bevölkerung zu schaffen
Gemäss einem Experten hat das psychische nen aus dem ehemaligen Jugoslawien mit auch, diese zu verstehen. Zusammenfassend macht. Tatsächlich leiden Zugewanderte der
Leiden, das die Flüchtlinge aus BiH in der Wohnsitz im Kanton Waadt körperlich inaktiv. zeigt diese Studie, dass der Gesundheitszu- ersten Generation aus BiH öfters unter chro-
Schweiz betrifft, in einem gewissen Ausmass Das jüngste Gesundheitsmonitoring betref- stand umso besser ist, je höher der Bildungs- nischen Krankheiten somatischen Ursprungs.
ebenfalls Auswirkungen auf ihre Kinder. Diese fend die Migrationsbevölkerung belegt dieses stand und die Sprachkompetenzen sind. Ein ähnlicher Gesundheitszustand ist bei
haben viele Jahre in einer «depressiv ver- Ergebnis. In Bezug auf das Ernährungs- und anderen Migrantengruppen anzutreffen, na-
stimmten familiären Umgebung» zugebracht, Bewegungsverhalten neigen Migrantinnen und Eine Fachperson stellt indes fest, dass die Bos- mentlich als Folge von körperlich anstren-
was Spuren in ihrem Selbstwertgefühl hinter- Migranten zu weniger gesunden Gewohn­ nierinnen und Bosnier, namentlich die bosnia- genden Berufen, die während vieler Jahre
lassen kann. Auf der Suche nach Vorbildern heiten als die Schweizerinnen und Schweizer. kischen Flüchtlinge, von einer «alternativen ausgeübt werden. Wie in der Studie über die
sehen sich diese Kinder mit Eltern im Exil kon- Nach Ansicht der befragten Personen konsu- medizinischen Hilfe, die für die Situation der kosovarische Bevölkerung in der Schweiz37
frontiert, die von ihren traumatischen Erfah- mieren die Staatsangehörigen aus BiH viel- kriegsversehrten Flüchtlinge aus BiH sensibili- geschildert, treten die Symptome von Rücken-
rungen eingeholt wurden und deren beruf- fach traditionelle, fetthaltige Lebensmittel, siert» sei, profitieren konnten. Dabei handelt beschwerden, Gelenk- und Weichteilerkran-
liche Wiedereingliederung in der Schweiz nicht sind sportlich weniger aktiv und rauchen es sich um Strukturen, wie sie etwa in den kungen bei Männern mit zunehmendem Alter
gelungen ist. Indes sind sich die jungen Bos- mehr als die Einheimischen. in Lausanne und Genf tätigen Vereinen «Mo- auf, häufig jedoch schon in den Jahren vor
nier der zweiten Generation dieser Probleme saïque» oder «Appartenances» aufgebaut wur- der Pensionierung. Darüber hinaus ist das
einem anderen Spezialisten zufolge eher Unterschiede zwischen den Nationalitäten den. Ähnliche Angebote für diese Zielgruppe Unfallrisiko in vielen körperlich anstrengen-
bewusst als die Eltern und akzeptieren es gibt es nach wie vor auch im Bereich des sind in Bern und Zürich eingerichtet worden den Berufen, die von Staatsangehörigen aus
eher, eine psychologische Beratung in An- Gesundheitsverhaltens der Frauen, vor allem und werden von den betroffenen bosnischen BiH ausgeübt werden, besonders erhöht. Ein
spruch zu nehmen. Ausserdem beobachtet betreffend die Früherkennung von Gebär- Staatsangehörigen seit vielen Jahren in An- Problem ist schliesslich die schlechte Mund-
man in der Gemeinschaft nach und nach ein mutterhalskrebs oder auch die Vorsorge- spruch genommen. Diese Einrichtungen stel- und Zahngesundheit dieser Bevölkerungs-
allgemeines Umdenken, was die Psychiatrie unter­suchung gegen Brustkrebs. Eine medi- len einen sozialen Rahmen dar, innerhalb gruppe. Laut einer Expertin beeinflusste der
betrifft, deren Rolle in der Gesellschaft immer zinische Fachperson bemerkt dazu, bezüglich dessen die Migrantinnen und Migranten ihre mit dem (prekären) Aufenthaltsstatus (für
häufiger akzeptiert wird. der Vorsorgeuntersuchungen bei den bosni- leidvollen Erfahrungen und Erlebnisse ausdrü- Asylsuchende) verbundene beschränkte Infor-
schen Frauen in der Schweiz sei Nachlässig- cken und sich mit anderen ins Exil gezwunge- mationszugang die Entscheidung für summa-
Nennenswerte statistische Daten über die keit festzustellen. Die weibliche Flüchtlingsbe- nen Migranten austauschen können. Laut rische und damit kostengünstigere Zahnpfle-
Gesundheit der Bevölkerung aus BiH in der völkerung habe offenbar keinen hinreichenden einem Gesundheitsfachmann hat die starke geleistungen.
Schweiz sind nicht verfügbar. Doch belegt Zugang zu Informationen bezüglich Gesund- Mobilisierung von Ressourcen bei den Dol-
eine 2011 im Kanton Waadt durchgeführte heit und Vorsorge. Bei Frauen aus den städti-

36 Gesundheit der Migrantinnen und Migranten in der Schweiz. Wichtigste Ergebnisse des zweiten Gesundheitsmonitorings
der Migrationsbevölkerung in der Schweiz, Bundesamt für Gesundheit, 2010. 37 Burri-Sharani, B., et al. (2010). Die kosovarische Bevölkerung in der Schweiz. Bern-Wabern: Bundesamt für Migration (BFM).

78 79
a) Nationale bosnische
Organisationen Kasten 11: Matica BiH
Generell gesprochen, sind die bosnisch-herze- Während des Kriegs im Jahr 1993 in Zürich
gowinischen Diasporas in der Schweiz auf na- gegründet, profilierte sich Matica BiH ge-
tionaler Ebene kaum strukturiert, obwohl es gen Ende des Konflikts. Dieser Freiwilligen-
unzählige bosnisch-herzegowinische Vereine verein setzt auf Neutralität, was konfessio-
und Organisationen gibt; die Mehrheit von nelle und politische Standpunkte betrifft.
ihnen bleibt einer ethnischen Gruppe verhaf- Unter dem Motto «Der Ursprung von BiH»
tet. Dennoch versuchen einige nicht ethnisch sammelt der Verein Informationen, führt
ausgerichtete Vereine zu bestehen, und zwar aber auch Umfragen durch, um das Erbe
mit dem Anspruch, eine BiH-übergreifende von BiH aufzuwerten. Matica beteiligte sich
nationale Organisation zu sein («das 4. BiH», bei der Organisation der humanitären Hilfe,
gemäss einer Gewährsperson). Ansonsten aber auch bei der Hilfe für Flüchtlinge aus
herrscht eine ausschliesslich auf der ethnisch- BiH. Der Verein engagierte sich ebenfalls
religiösen Zugehörigkeit zur bosniakischen, zugunsten der Stipendiengewährung an
kroatischen oder serbischen Volksgruppe Studierende in BiH. Die Aktivität von Matica
beruhende Organisationslogik vor. Personen erstreckte sich über mehrere Jahre, von der
4.7  Das Vereinsleben die kroatische und die serbische Diaspora. ohne Mitgliedschaft bei einer dieser verschie- Krise in Bosnien bis zur Phase des Wieder-
und die Religionsausübung Zudem ist es schwierig, übereinstimmende denen ethnischen Vereinigungen sind in der aufbaus von BiH. Professor Rustem Simitović
in der Diaspora Expertenmeinungen über die Bevölkerung Tendenz beruflich besser qualifiziert oder von der ETHZ war während mehrerer Jahre
von BiH in der Schweiz zu erhalten. Das liegt weisen einen ethnisch gemischten familiären Koordinator der Vereinstätigkeit. Er stellte
Im politisch geläufigen Vokabular bezeichnet an den Unterschieden zwischen den in der Hintergrund auf. Sie entwickeln ihre Aktivitä- seine privaten, beruflichen und politischen
das Wort «Diaspora» heute die Gesamtheit Zeit des ehemaligen Jugoslawiens Zugewan- ten auf individueller Basis oder in einem Beziehungen in den Dienst der vom Verein
der Individuen, die einer ins Ausland emigrier- derten (Wirtschaftsmigranten) und den wäh- Freundeskreis, der die Vorstellung einer ge- geförderten Projekte. In den letzten Jahren
ten ethnischen oder nationalen Gruppe ange- rend des Krieges emigrierten Personen (Flücht- meinschaftlichen bosnischen Identität mit hat sich Matica BiH über diverse Veranstal-
hören. Mit seiner Verwendung wird auf den linge), aber auch zwischen den Generationen. ihnen teilt. Es ist aber darauf hinzuweisen, tungen darum bemüht, verschiedene Ak-
Migrationshintergrund einer Gruppe hinge- Migrantinnen und Migranten aus BiH unter- dass es ihnen bisher nicht gelungen ist, ihren teurinnen und Akteure aus BiH und der
wiesen, welche die gleiche Herkunft oder scheiden sich auch stark nach ihrer Herkunft Vorstellungen und Werten zugunsten einer bosnischen Bevölkerung in der Schweiz für
Nationalität aufweist. Im engeren Sinn geht aus einem ländlichen oder aber städtischen alle Ethnien übergreifenden nationalen Identi- die gemeinsame Förderung von Investitio-
dieser Begriff von einer Gruppe mit gemein- Raum, nach ihrer regionalen Identität, ihrem tät eine Struktur zu geben. Diese identitäts- nen in der Heimat zu gewinnen.
samen Bräuchen und Werten aus, die häufig sozioökonomischen Status oder nach dem stiftende Vision eines «Vierten Bosnien» in der
auch den Wunsch hegt, eines Tages in das familialen Lebensweg. Aus allen diesen Grün- Schweiz (und in BiH) kommt bei kulturellen
Herkunftsland zurückzukehren.38 Wenn der den ist es zweckmässiger, von den bosnischen Veranstaltungen (namentlich bei Konzerten) gen Vereinsleben stellt für die Menschen aus
Begriff in diesem engen Sinn gebraucht wird, Diasporas in der Mehrzahl zu sprechen. Diese deutlich zum Ausdruck. Es handelt sich um BiH in der Schweiz und in BiH eine Herausfor-
drängt sich bezüglich der bosnischen Bevöl- Überlegung gilt für das Vereinsleben, das viel- eine Vision, deren reales Potenzial nicht zu derung dar. Die Schwierigkeit, sich gefühls-
kerung eine Feststellung auf: Die «eine bos- fach auf einer ethnisch-religiösen Grundlage unterschätzen ist. Diese Bemühungen blieben mässig zum gleichen Herkunftsland zu beken-
nische Diaspora» in der Schweiz gibt es nicht, beruht. bisher aber informell und auf Aktionen von nen, erklärt sich hauptsächlich mit den direkten
sondern mindestens drei – die bosniakische, Einzelpersonen begrenzt. Die institutionelle Kriegsfolgen und den divergierenden politi-
Verankerung dieser Vision in einem nachhalti- schen Interessen in BiH, die zu einer ethnischen
38 Brubaker, R. (2005). The ‘diaspora’ diaspora. Ethnic and racial studies, 28(1), 1–19.

80 81
Zersplitterung führen. Zusammenfassend kann schen Identität zu bewahren. Gemäss einem Abbildung 26: Džemats und bosniakische Vereine in der Schweiz
gesagt werden, dass die Organisation der Akteur aus der Diaspora haben Per­sonen,
bosnisch-herzegowinischen Diasporas nach die diese interethnischen Vereine besuchen,
dem Dayton Abkommen der ethnischen Tei- parallel dazu auch einen Fuss in der eigenen Basel
Bischofszell
Wettingen St. Gallen
lung im Land folgt (siehe 2.1). ethnisch-religiösen Gemeinschaft. Diese Ve- Oberentfelden
Wallisellen Wolfhalden
Wetzikon
reine, die keine ethnische Ausgrenzung be- Schlieren Rüti
Appenzell
Zug
Schmerikon
Somit sind die nationalen bosnischen Organi- treiben, sind Orte der Begegnung für alle Biel/Bienne Zofingen
Buchs
Küssnacht
sationen derzeit nicht sehr zahlreich, auch linguistischen und religiösen Gruppen ohne Emmenbrücke
Cernier Goldau
wenn einige von ihnen erfolgreiche Zeiten Rücksicht auf ihre Herkunft. In diesen Organi- Bern

hinter sich haben. Es ist bemerkenswert, wie sationen werden die vor dem Krieg geltenden Chur
Yverdon
rasch sich die bosnisch-herzegowinische Werte von BiH hochgehalten und weiter-
Vereinslandschaft in der Schweiz verringert, gegeben, das heisst die Vision von Staats-
vor allem, was die auf nationaler Ebene täti- bürgerschaft, Nachbarschaft, Toleranz und
gen Vereinigungen betrifft. Diese wurden von innergemeinschaftlicher Durchmischung.
Châtelaine
Staatsangehörigen aus BiH in der Schweiz ge- km
0 25 50
schaffen, welche die Vision einer geeinten b) Organisationen
bosnischen Gesellschaft teilen und auf die mit religiöser Ausrichtung
Entwicklung hin zu einem vereinigten, funktio- Die oben beschriebene Tendenz hin zur Endo-
Legende: Religiöse Vereine Kulturvereine
nierenden Staat hoffen. Diese Organisationen gamie (siehe 3.5) ist begleitet von einem
mobilisieren Einzelpersonen der ersten Gene- Wiederaufleben der Religion im Alltagsleben
ration und deren Kinder, um das gemischte von BiH. Die wachsende Bedeutung der Reli- keit der verschiedenen Teile der bosnischen wirkungen auf die Beziehungen zwischen
Erbe der bosnischen und der ex-jugoslawi- gion verstärkt die ethnokulturelle Zugehörig- Gesellschaft. Gleichzeitig wird dadurch die den Individuen der verschiedenen ethnischen
herkömmliche Durchmischung in der Kultur Gruppen.
und in der Ehe eingedämmt. Ein Experte ruft
Kasten 12: Kultur Shock in Erinnerung, dass die Religion in BiH wäh- Die Religion spielt auch eine immer grössere
Der Verein Kultur Shock wurde 2006 in Bern politisch neutral bezeichnet, zählt ungefähr rend der Epoche des früheren Jugoslawiens Rolle in den Diasporas aus BiH in der Schweiz.
gegründet. Gründer war der bosnische Ein- dreihundert Mitglieder aus BiH, der übrigen im Prinzip sehr viel Freiheit gewährt habe. Die Ihr zunehmender Einfluss während der letzten
wanderer Mario Perić, der sich nach seiner Balkanregionen, aber auch aus der Schweiz. Religion sei «eher kulturell als kultisch» gelebt Dekade ist nicht nur Spiegel der Identitäts-
Ankunft in der Schweiz im Jahr 1984 viele Mit Unterstützung von schweizerischen Stif- worden. Später näherten sich die religiöse suche, sondern auch das Ergebnis der stärke-
Jahre lang für jugoslawische Kulturveranstal- tungen zur Förderung der Kultur von BiH und und die politische Sphäre einander an, zu- ren Präsenz von religiösen Kreisen im politi-
tungen einsetzte. Kultur Shock ist ein kultu- der Balkanvölker in der Schweiz organisiert nächst während und dann nach dem Ende schen und öffentlichen Leben der Herkunfts-
relles Begegnungszentrum, wo Sängerinnen der Verein regelmässig Konzerte. Es wird des Krieges. Dies galt für die Bosniaken und gesellschaft. Dies beeinflusst unweigerlich
und Sänger aus BiH, aber auch aus der übri- dabei vermieden, dass die Musikbands eine die Serben genauso wie für die Kroaten.39 auch die Diasporas aus BiH in der Schweiz.
gen Balkanregion und den Diasporas auftre- ethnisch-religiöse Ideologie vermitteln. Dem Auch wenn die Mehrheit unabhängig von
ten. Für Mario Perić, Kind aus einer ethnisch Gründer zufolge ist das stetige Wachstum des der jeweiligen Religionsgruppe weiterhin Die religiösen Vereine sind zusehends zum
gemischten Ehe, entstand die Kulturinitiative Vereins ein positives Zeichen seines Engage- keine grosse Frömmigkeit an den Tag legt, wichtigsten informellen Verbindungselement
aus dem Bedürfnis, die ethnischen Grenzen, ments, noch heute Staatsangehörige aus BiH hat diese Annäherung unvermeidliche Aus- der bosnischen Diasporas mit ihrem Herkunfts-
welche die Volksgruppen in der Schweiz tren- zusammenzubringen, die früher nur auf ihre
nen, zu überwinden. Der Verein, der sich als eigene ethnische Gruppe fokussiert waren. 39 Siehe zu diesem Thema beispielsweise «Bosnia’s Dangerous Tango: Islam and Nationalism», Policy Briefing, Europe Briefing N° 70,
International Crisis Group: Sarajevo/Brüssel, 26. Februar 2013 (http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/europe/balkans/bosnia-her-
zegovina/b070-bosnias-dangerous-tango-islam-and-nationalism, Stand am 15. Juli 2013).

82 83
Abbildung 27: Orthodoxe Kirchen und serbische Vereine in der Schweiz täten erstrecken sich auf vielfältige Bereiche, und Folkloregruppen) und in der Sprachförde-
denn ihre Einflüsse sind auch im linguistischen rung. Sie engagiert sich für die Organisation
(Sprachkurse, siehe 4.3), sportlichen (Fuss- kultureller Veranstaltungen und von Sprach-
Basel
ballclub), kulturellen (Folkloregruppen) und kursen. Der Katholizismus ist ein charakteris-
Münchwilen St. Gallen
Zürich
humanitären (Aktionen zugunsten von BiH) tisches Merkmal des kroatischen National-
Wil Altstätten
Bereich spürbar. gefühls, was seine Rolle als Brücke zwischen
der Diaspora und dem Herkunftsland erklärt.
Obwohl ihre Tätigkeit auf die eigene ethni- Während des Krieges (1990–1995) und der
Bern
sche Gruppe ausgerichtet bleibt, spielen diese humanitären Krise in Kroatien hat sich die kro-
Altdorf Institutionen sowohl bei der Lebensgestal- atische Ortskirche in der Schweiz unentwegt
tung der bosnischen Diaspora in der Schweiz für die Betroffenen eingesetzt. Die Kroaten
Lausanne Vevey als auch bei der humanitären, kulturellen und aus BiH suchen diese Kirche häufiger auf als
entwicklungsrelevanten Dynamik zwischen die aus Kroatien stammenden Personen. Wie
Bellinzona
der Schweiz und BiH eine dominante Rolle. wir oben gesehen haben, ist es dennoch sehr
Cantone km schwierig, die bosnischen Kroaten und die
Lugano 0 25 50
Auch bei den bosnischen Serben, die zumeist Kroaten voneinander abzugrenzen, da sich
der orthodoxen Kirche angehören, nehmen die beiden Bevölkerungsgruppen zur selben
die religiösen Institutionen einen wichtigen Gemeinschaft zählen. Laut einem Verant-
Legende: Religiöse Vereine Kulturvereine Platz ein. Ein religiös engagierter Serbe be- wortlichen hat die kroatische Bevölkerungs-
stätigt ihre Präsenz im religiösen Leben gruppe in den letzten Jahren zu ihrer Kirche
land geworden. In der Tat gelingt es den Dže- Diese haben sich während des Krieges und der serbisch-orthodoxen Gemeinschaft in der ein eher vorübergehendes Verhältnis entwi-
mats40 ebenso wie der katholischen und der danach vermehrt strukturiert. Seither hat sich Schweiz. Die serbisch-orthodoxe Kirche fun- ckelt, etwa wenn gefährdete Migranten auf
orthodoxen Kirche, die bosnischen Staatsan- das Gewicht dieser Einrichtungen im Vereins- giert in der Tat als Brücke zur heimatlichen der Suche nach Orientierung in die Schweiz
gehörigen in der Schweiz zu mobilisieren. leben der Bosniaken nach und nach verstärkt. Kultur und zum Herkunftsland. Wie wichtig kommen oder aus Anlass von Kommunionen
Dies liegt daran, dass sie «Werte und (religiö- Dies widerspiegelt eine Rückkehr zu einer diese Institutionen für die Diaspora sind, be- und Firmungen. Später wenden sich die Fami-
se) Identifikationsmodelle definieren, welche vermehrt religiös und ethnisch geprägten legt ihre Anzahl in der Schweiz. Um diese lien nach und nach von der Kirche ab. Die
die anderen Vereine oder der Staat BiH nicht Idee der Herkunftsgemeinschaft, was sich auf Brückenfunktion zum Herkunftsland und zur Berufung zum Priester für die kroatische Orts-
liefern können». Gewisse Fachleute relativie- die Lebensgestaltung im Aufnahmeland aus- Kultur wahrzunehmen, hat sich die serbisch- kirche in der Schweiz erfolgt von Mostar
ren jedoch dieses religiöse Interesse. In ihren wirkt. Somit ist im heutigen Kontext auf die orthodoxe Kirche zunehmend von der rus- (Stadt in BiH) aus. Die kroatische Ortskirche
Augen zeugt der Besuch dieser Bezugsorte zentrale Stellung der Džemats für die bosnia- sisch-orthodoxen Kirche in der Schweiz dis- in der Schweiz ist dieser Diözese unterstellt
nicht unbedingt von einer zunehmenden kische Diaspora in der Schweiz hinzuweisen. tanziert. Zu Beginn wurden die Gottesdienste (die kroatischen Ortskirchen Deutschlands
Frömmigkeit, sondern eher vom Wunsch der Diese verfügen über die Vorteile einer ausge- im russisch-orthodoxen Rahmen abgehalten. derjenigen von Split in Kroatien). Schliesslich
Mitglieder, soziale Kontakte zu ihrer ethni- bauten Infrastruktur und werden durch die ist zu erwähnen, dass die römisch-katholische
schen Gruppe zu pflegen. eigene Gemeinschaft finanziert. Ihr Einfluss Auch in der kroatischen Diaspora in der Kirche Kroatiens mittellose Familien in Kroa-
beschränkt sich zweifellos nicht auf die strikt Schweiz haben die religiösen Akteurinnen tien und BiH unterstützt.
Einem Experten zufolge waren die Kirchen der religiöse Dimension, also auf Gebete oder und Akteure eine dominante Stellung inne.
serbischen und der kroatischen Diaspora vor religiöse Zeremonien (Fastenbrechen, Opfer- Die römisch-katholische Ortskirche der Kroa- Zusammenfassend kann gesagt werden, dass
dem Krieg besser organisiert als die Džemats. fest, Verlobung, Beschneidungen). Ihre Aktivi- ten ist nicht nur in religiöser Hinsicht (Kate- sich die Strukturen dieser religiösen Einrich-
chismus, Kommunion) sehr aktiv, sondern tungen, ob islamisch, orthodox oder katho-
40 Zur Erinnerung: Džemats sind religiöse Vereine der islamischen Gemeinden der Bosniaken (siehe auch 4.3). auch im kulturellen Bereich (traditionelle Feste lisch, nicht an den Herkunftsländern des

84 85
Abbildung 28: Katholische Kirchen und kroatische Vereine in der Schweiz

Basel Frauenfeld

Spreitenbach St. Gallen

Aarau
Zürich

Solothurn
Baar

Luzern

Bern
Trimmis

Lausanne

Camorino

km
0 25 50

Legende: Religiöse Vereine Kulturvereine

13 % des BIP.41 Der Geldtransfer erfolgt über tor beitragen. Die Bevölkerungsgruppen von
Balkans ausrichten, sondern die Gläubigen 4.8  Transnationale spezialisierte Agenturen, über eine Bank oder BiH unterhalten auch kommerzielle Kontakte
derselben Ethnie zusammenführen. Beispiels- Beziehungen der Personen über nahestehende Personen oder Bekannte, zwischen BiH und den verschiedenen Aufnah-
weise gibt es in der Schweiz keine orthodoxe aus BiH die sich von Zeit zu Zeit in die Heimat bege- meländern. Beispielsweise ermöglichen Unter-
Kirche, die sich spezifisch an die aus Serbien ben. Was die Bevölkerung aus BiH in der nehmer mit Migrationshintergrund den Export
stammende Bevölkerung richtet. Ganz im Ge- BiH verzeichnet eine ausgesprochen hohe Schweiz betrifft, so wickelt sie hier weiterhin von Baumaterialien aus BiH in die Schweiz.
genteil: In den Kirchen treffen sich Mitglieder Auswanderungsquote im Vergleich mit der Geldtransfers ab. Im Jahr 2012 wurden 73,4 Dessen ungeachtet, können Überweisungen
der serbischen Gemeinschaft, aus Serbien, Bevölkerungszahl des Landes. Nach den Daten Mio. USD aus der Schweiz nach Hause auch Ungleichheiten und andere uner-
BiH oder einem anderen Land. Dies trifft auch der letzten Volkszählung von 1991 (siehe 2.2) geschickt.42 Insbesondere war auch der Wie- wünschte Nebeneffekte für die nachhaltige
auf die römisch-katholische Kirche für die erreichte diese Quote nahezu 38,9 % der deraufbau des Landes nach dem Krieg nur Entwicklung des Landes bewirken. So haben
kroatische Gemeinschaft und die Džemats für Gesamtbevölkerung: Das sind 1,5 Millionen dank den Geldsendungen der Migrantinnen besser ausgebildete Personen oder solche,
die bosniakischen Bevölkerungsgruppen aus Menschen. Gemäss der bosnischen Zentral- und Migranten möglich. Diese Rücküberwei- denen Gelder zur Verfügung stehen, eher die
BiH und dem Sandschak zu. Beim Sandschak bank betragen die Einnahmen aus dieser Quelle sungen haben einen wirtschaftlich positiven Tendenz, auszuwandern. Das Geld der Mig-
handelt es sich um einen territorialen und 1 bis 1,5 Mrd. EUR pro Jahr oder 1,8 Mrd. EUR, Effekt, weil sie zur Aufrechterhaltung der Bin- rantinnen und Migranten wird also auch ver-
kulturellen Raum, der vorwiegend von Bos- wenn man die Rentenzahlungen aus dem nennachfrage namentlich im Immobiliensek- wendet, um das Land zu verlassen.43
niaken (Muslimen) besiedelt ist und teilweise Ausland an Pensionierte berücksichtigt. Diese
41 Diese Schätzungen der Weltbank beruhen auf verschiedenen Quellen einschliesslich nationaler Volkszählungen, Arbeitsmarktstatistiken
in Serbien und Montenegro liegt (und räum- Zahlen stimmen in etwa mit den Schätzungen und nationaler Bevölkerungsregister. Siehe zu diesem Thema: Migration and Remittances Factbook 2011 (second edition). Word Bank
(Publikation in verschiedenen Sprachen auf der Website der Weltbank www.worldbank.org erhältlich).
lich an BiH angrenzt). der Weltbank überein: Für das Jahr 2010 be- 42 Bilateral Remittance Estimates for 2012 using Migrant Stocks, Host Country Incomes, and Origin Country Incomes (millions of US$),
laufen sich die Geldüberweisungen seitens der World Bank – May 2013 Version.
43 Dimova, Ralitza et François-Charles Wolff (2009), Remittances and Chain Migration: Longitudinal Evidence from Bosnia and Herzegovina,
Auswanderer auf 2,2 Mrd. USD oder ungefähr IZA, Discussion Paper N. 4083, März 2009, S. 24.

86 87
dessen vermehrt in ihren Aufnahmeländern.45 Flüchtlinge behandelt oder sogar abgelehnt
Kasten 13: Die Jahrestreffen des Klubs «Behar»
Die transnationalen Aktivitäten der Staats- zu werden, dürfte einem Missverständnis in
und der aus Kljuć stammenden Personen
an­ge­hörigen von BiH wirken sich eher auf Verbindung mit divergierenden Erwartungen
individueller Ebene als auf Vereinsbasis aus. und Verhaltensweisen entspringen. Die ver-
Wie jedes Jahr veranstaltete der Klub «Behar» und überbringt den Dank der Gemeinde.
Auf individueller Ebene bleibt ein Grossteil der schiedenen Akteure und Personen, die wir
im Februar 2013 in der Mehrzweckhalle von Dabei übergibt er ihnen auch ein Zertifikat,
Migrantinnen und Migranten über ihre Fami- im Herkunftsland befragt haben, sind nach
Lausen (BL) eine grosse Soiree mit einem Thea- welches die Geste der Geldgeber zugunsten
lie stark verbunden mit ihrer Herkunftsregion, eigener Aussage offen und dankbar gegen-
terspektakel und folkloristischer Musik aus des kommunalen Sozialfonds belegt.
ihrer Stadt oder ihrem Dorf bzw. der jeweili- über den Mitgliedern der Diaspora. Das heisst
BiH. Ungefähr 1000 Personen verschiedener
gen ethnischen Gemeinschaft in BiH (siehe nicht, dass sie jede Anregung vonseiten der
ethnischer Gruppierungen aus allen Kantonen Die transnationale Gesinnung der Bosnierin-
4.7 b). Ihr schwaches Engagement im Rah- Migranten akzeptieren. Diese verkennen gele-
der Schweiz, aber auch aus Baden-Württem- nen und Bosnier in der Schweiz zeigt sich
men der transnationalen Vereinstätigkeiten ist gentlich die Situation vor Ort und neigen
berg (Deutschland) waren angemeldet. Dank auch im Rahmen der jährlichen Begegnungen
vor allem auf die weiterhin schwierige sozio- dazu, den Landsleuten ihre im Ausland erwor-
des Firmensponsorings durch bosnische Ge- der Einwanderer aus BiH. Beispielsweise tref-
ökonomische und politische Lage in BiH zu- bene Sicht der Dinge in Bezug auf das gebo-
schäftsleute erhielten diese an der Veranstal- fen sich die aus der Region von Kljuć stam-
rückzuführen. Die Bindung der Bevölkerung tene Verhalten aufzudrängen. Daher ist es
tung die Möglichkeit, für die wirtschaftlichen menden Staatsangehörigen von BiH jedes
an ihre Herkunft ist deswegen nicht weniger wichtig, sich der unterschiedlichen Erwartun-
Aktivitäten ihrer Firma Werbung zu betreiben. Jahr mit den lokalen Behörden. Diese Veran-
wichtig, sei es durch Urlaubsreisen nach BiH gen bewusst zu sein, um den Dialog zu för-
Der jährlich stattfindende Festanlass wird von staltungen finden praktisch jedes Jahr im Her-
oder durch die Mitwirkung bei kulturellen dern, nach Lösungen zu suchen und letztlich
Freiwilligen mit dem Ziel der Hilfe für die bos- kunftsland, aber auch in der Schweiz statt,
(musikalischen oder folkloristischen) Veran- den Graben zwischen den verschiedenen
nische Ortschaft Cazin organisiert. So wurde namentlich zur Feier des Unabhängigkeitsta-
staltungen. Diese gefühlsmässigen Beziehun- Perspektiven zu überwinden. Die Reichweite
für 2013 eine Summe von mehr als 20 000 ges des bosnischen Staates. In Emmenbrücke
gen zur Herkunftsregion müssen bei der Poli- der transnationalen Initiativen der Bosnier in
Franken netto erwirtschaftet, mit der ein Sozi- trafen sich im Jahr 2012 mehrere hundert
tikgestaltung berücksichtigt werden. Auch der Schweiz hängt von den bestehenden
alfonds für die Empfängergemeinde errichtet Bosnierinnen und Bosnier zur Feier der Unab-
heute engagieren sich bosnische Staatsange- Netzwerken zwischen der Diaspora und dem
werden konnte. Der Tradition entsprechend, hängigkeit Bosniens am gleichen Ort und im
hörige noch punktuell zugunsten von ge- Herkunftsland und deren Weiterentwicklung
begrüsst der Bürgermeister von Cazin Veran- Geist der Geselligkeit.
meinnützigen Aktionen, nach dem Vorbild ab. Es zeigt sich, dass die interpersonelle
stalter und Teilnehmende jeweils persönlich
der «Behar»-Vereine und der aus der Region (d. h. direkte) Vernetzung zwischen lokalen
Ključ (im Nordwesten von BiH) stammenden Behördenvertretern und den Mitgliedern der
Personen. Diaspora in transnationalen Beziehungen eine
Gemäss einem in der Gemeinschaft tätigen aufbaus nach dem Krieg orientieren sich die herausragende Rolle spielt. Ihre Gestaltung ist
Akteur, der den bosnischen Diasporas in der Staatsangehörigen aus Bosnien und Herzego- In der kollektiven Vorstellung der Bevölkerung zudem stark von der jeweiligen Migrations-
Schweiz nahesteht, geht es nicht so sehr um wina nämlich vermehrt am Alltag und an des- und der Institutionen von BiH werden die aus generation abhängig.
die Mitwirkung der Staatsangehörigen aus sen Erfordernissen im Aufnahmeland (siehe der Heimat ausgewanderten Personen nach
BiH bei transnationalen Aktivitäten,44 sondern 3.7). Diese Situation ist mit derjenigen von wie vor als Teil der nationalen bosnischen Ge- Die Migrantinnen und Migranten der ersten
eher um ihren effektiv fehlenden Einsatz bei anderen Zugewanderten vergleichbar, insbe- meinschaft betrachtet. Die Auswanderer wer- Generation bleiben mit ihrer Heimat stark
der Leitung und Umsetzung von Projekten sondere der albanischsprachigen Diaspora: den somit nicht als Ausländer wahrgenom- verbunden (siehe 2.3). Übereinstimmenden
zugunsten der Entwicklung in BiH. Parallel mit Nachdem diese in der ersten Zeit enge, ja fast men – zumindest weisen unsere Recherchen Zeugenaussagen zufolge haben sich diese
der ständigen Niederlassung in der Schweiz ausschliessliche Beziehungen zum Herkunfts- in BiH auf dieses Ergebnis hin. Der Eindruck Menschen aktiv am Wiederaufbau des kriegs-
und im Gegensatz zur Phase des Wieder- land gepflegt hatte, engagiert sie sich unter- einiger Gesprächspartner, in der Heimat als versehrten Landes beteiligt. Diese Zugewan-

44 Unter Transnationalismus sind Räume zu verstehen, in denen Migrantinnen und Migranten reale oder imaginäre Beziehungen zwischen 45 Bashkim Iseni, Albanian-speaking transnational populations in Switzerland: continuities and shifts. Southeast European and Black Sea
ihrem Herkunftsland und dem Aufnahmeland aufbauen. Studies, Bd. 13, N. 2, 2013, 227–243.

88 89
neue Häuser bauen lassen, ohne sich zwin- haften Kenntnisse der jungen Leute in ihrer
gend auf einen längeren Verbleib einzustel- Herkunftssprache und ihr begrenztes Engage-
len. Auch wenn sich einige von ihnen zum ment für sozioprofessionelle Entwicklungs-
Bleiben entscheiden oder planen, dort ihren projekte oder Investitionen im Herkunftsland.
Ruhestand zu verbringen, ist dieses Verhalten
immer auch von der Logik des latenten inter- Abgesehen von diesen Schwierigkeiten bleibt
ethnischen Konflikts geprägt. Die veränderte aber auch bei der zweiten Generation das
Bevölkerungsverteilung nach dem Krieg hat Interesse für ihr Land oder wenigstens für die
den symbolischen Kämpfen zwischen den Herkunftsregion intakt, selbst wenn es sich
verschiedenen Bevölkerungsgruppen in die- nicht unbedingt konkret äussert. Die «gelun-
sem Land kein Ende gesetzt. So kommt es gene» Integration in der Schweiz und die ge-
häufig vor, dass jemand ein Haus mit dem Ziel fühlsmässige Bindung der zweiten Generation
baut, die Anwesenheit der eigenen Ethnie an die Kultur ihres Herkunftslandes sind eine
an einem bestimmten Ort, zu dem ein Zuge- zentrale Ressource, die für Entwicklungspro-
hörigkeitsgefühl besteht, zu markieren. Dies jekte in BiH erschlossen werden könnten. Die-
zeigt, wie wichtig es ist, den Dialog zwischen se jungen Menschen können dank Wissens-
den Völkern aufrechtzuerhalten – zumal die transfer oder im Rahmen von transnationalen
Wunden des Krieges noch immer tief in der sozioprofessionellen Netzwerken einen Beitrag
Erinnerung eingegraben sind. leisten. Ausser in Familienbeziehungen enga-
giert sich die zweite Generation derzeit nur
Die sozioprofessionelle und kulturelle Integra- selten im Vereinsleben und unterhält kaum
tion der zweiten Generation der Migrations- soziokulturelle oder berufliche Kontakte zum
derten der ersten Generation sind für die in tensität der Beziehungen zwischen dem Her- bevölkerung ist weit fortgeschritten und Herkunftsland. Selbst wenn sie emotional
BiH zurückgebliebenen Familien weiterhin kunftsland und dem Aufnahmeland. Das kol- weist vielfältige Aspekte auf. Was ihr Selbst- noch mit der Herkunftsregion der Eltern ver-
eine wertvolle, sprich unerlässliche finanzielle lektive humanitäre Engagement während des bild betrifft, neigen diese jungen Menschen bunden ist, verfügt sie nicht mehr über per-
Ressource. Die Vertreterinnen und Vertreter Bosnienkonflikts hat sich wegen der politi- teilweise dazu, ihre Herkunft aus BiH gegen- sönliche Kontakte, oder sie hatte nie die Mög-
der zweiten Generation schicken ebenfalls schen und wirtschaftlichen Stagnation in der über Aussenstehenden zu kaschieren. Sie be- lichkeit, persönliche Netzwerke aufzubauen,
Geld an ihre Familien, zuweilen indirekt, wie Heimat zusehends abgeschwächt. Vor diesem tonen, dass sie mit diesem Land als solchem die für das Engagement zugunsten von BiH
ein junger Mann bosnisch-schweizerischer Hintergrund erscheint es kurz- und mittelfris- weniger verbindet als mit ihrer ethnischen unerlässlich sind. Daher ist es wichtig, dass
Herkunft erzählt: «Ich helfe meiner Mutter in tig eher unwahrscheinlich, dass aus BiH aus- Gruppe oder ihrem Heimatdorf. Im Verlauf sich diese Generation mit den lokalen Akteu-
der Schweiz finanziell aus, aber ich weiss, dass gewanderte Staatsangehörige im erwerbs- des Gesprächs erklärte eine junge Frau, deren rinnen und Akteuren der Heimat oder der
sie mit diesem Geld ihren Bruder und ihre fähigen Alter in ihr Land zurückkehren, auch bosnische Eltern aus verschiedenen Ethnien Herkunftsregion vernetzt.
Schwester in BiH unterstützt.» wenn dies langfristig nicht ausgeschlossen (bosniakisch und kroatisch) stammen: «Ich
werden kann. Eine Rückkehr bleibt aus meh- bin neidisch auf meinen Freund. Er ist Spanier Um diese jungen Menschen als Vermittelnde
Die erste Generation bleibt häufig unter sich, reren Gründen problematisch: Der tief grei- und stolz auf seine Nationalflagge, die überall im Rahmen sozioökonomischer Entwicklung
im Kreis der Familie und der eigenen Gemein- fende Wandel der soziokulturellen Verhält- zu sehen ist, sogar auf einem Sandwich. Ich zu fördern, gilt es einerseits, Versammlungen
schaft, ohne sich allzu sehr um die Gesell- nisse nach dem Krieg, der gewisse ethnische selber verstecke die Flagge von BiH lieber oder andere Anlässe zu unterstützen, in denen
schaft des Aufnahmelandes zu kümmern, Gruppen minorisierte, gehört dazu. Infolge- und zeige stattdessen die von Kroatien.» Eine Kontakte geknüpft werden können. Anderer-
ausser wenn das Berufsleben betroffen ist. dessen geschieht es nicht selten, dass Migran- direkte Folge dieser Geringschätzung der seits muss die Wertschätzung für die Beiträge
Der Migrationshintergrund beeinflusst die In- ten im Heimatdorf oder in der Heimatstadt eigenen bosnischen Identität sind die lücken- steigen, die beim Wissenstransfer oder beim

90 91
Aufbau innovativer Tätigkeiten von den Jun- Wichtige bibliografische Angaben (Hg.), Measuring and monitoring immigrant ORUC, Nermin (2012), «Reversing the Bosnian
gen erbracht werden könnten. Mehrere Stu- AKKAYA, Gülcan und Bernhard SOLAND integration in Europe. The Hague: The Brain Drain: Opportunities and Challenges»,
dien zeigen, dass sich die Migrantinnen und (2009). The impact of the emigration of Netherlands institute for social research: LSEE-FREN Workshop «Skills and the Labour
Migranten nicht immer der Ressourcen und Albanian migrants on their home region of 326– 341. Market in the Western Balkans», Belgrad,
Kompetenzen bewusst sind, über die sie ver- Tetovo. A Qualitative Exploratory Research DIMOVA, Ralitza und François-Charles 2012 (unveröffentlicht).
fügen, weil sie in den eigenen Augen keine Study in the Region of Tetovo, Macedonia. WOLFF (2009), Remittances and Chain PIGUET, Etienne (2005). L’immigration
hoch spezialisierten, anerkannten Fachleute Luzern: Hochschule Luzern. Migration: Longitudinal Evidence from en Suisse depuis 1948. Une analyse des flux
sind. Dies trifft auf einen grossen Teil der BAG (2010). Gesundheit der Migrantinnen Bosnia and Herzegovina, IZA, Discussion migratoires. Zürich: Seismo.
bosnischen Bevölkerung in der Schweiz zu. und Migranten in der Schweiz. Wichtigste Paper N. 4083, März 2009, S. 24. PIGUET, Etienne (2013, 3. Aufl.).
Angesichts des Mangels an qualifiziertem Ergebnisse des zweiten Gesundheitsmonito- EMIRHAFIZOVIĆ, Mirza ĆOSIĆ, Emina L’immigration en Suisse. Soixante ans
Personal im bosnischen Tourismus könnten rings der Migrationsbevölkerung in der OSMIĆ, Amer und Valida REPOVAC-PAŠIĆ d’entrouverture. Lausanne: PPUR – Le savoir
beispielsweise Migranten mit einer soliden Schweiz. Bern: Bundesamt für Gesundheit. (Hg.) (2013). Migrations from Bosnia and Suisse.
Ausbildung im Gastgewerbe eine Ausbil- BODENMANN, Patrick et al. (2010). Herzegovina. Sarajevo: University of Sarajevo SDC (2013) Swiss Cooperation Strategy:
dungsfunktion übernehmen und Stagiaires A Health Behaviour Cross-Sectional Study of & MHHR. (Publikation auch online abrufbar: Bosnia and Herzegovina 2013-2016 (2013).
vor Ort anheuern oder als Vermittelnde zwi- Immigrants and Non-immigrants in a Swiss http://www.mhrr.gov.ba/iseljenistvo/Istra- Bern: DEZA-SECO, Bern (November).
schen den Bildungsinstituten in der Schweiz Urban General-Practice Setting, Journal of zivanja/default.aspx?id=3695&langTag=bs- SWISS RED CROSS (Hg.) (2005). In the
und in BiH auftreten. In diesem Kontext kann Immigrant and Minority Health, 12: 24–32. BA, Stand am 15. Juli 2013). Aftermath of War and Torture. Coping with
die öffentliche Entwicklungs- und Migrations- BOUGAREL, Xavier und Bashkim ISENI FIBBI, Rosita und Marinette MATTHEY long-term traumatization, suffering and loss,
politik für Rahmenbedingungen sorgen, um (2007). «Islam et Politique dans les Balkans (2010). «Relations familiales et pratiques Zürich: Seismo.
den Aufbau von Kontakten in einem Klima occidentaux: Kosovo, Macédoine, Bosnie langagières des petits-enfants de migrants TF1 (2010). La diaspora bosniaque à la res-
des (relativen) Vertrauens zu begünstigen und et Herzégovine, Serbie et Monténégro.» italiens et espagnols en Suisse.» Hommes & cousse. Video-Reportage: http://videos.tf1.fr/
mithilfe gezielter Massnahmen die Mitwirkung Politorbis, Spezialdossier, Nr. 2. Bern: migrations, N. 1288, November–Dezember, infos/2010/la-diaspora-bosniaque-a-la-res-
der Migrationsbevölkerung zu fördern. An- Eidgenössisches Departement für auswärtige Langues et migration: 58–70. cousse-5-7-5907590.html; Stand am 1. Okto-
gesichts der Aussagen in der Schweiz und Angelegenheiten. GILGEN, Denise et al. (2005). «Impact of ber 2012.
der Ergebnisse der Befragung in BiH ist die BRUBAKER, R., (2005). The ‘diaspora’ dias- migration on illness experience and help-see- VALENTA, Marko und Sabrina Petra RAMET
Berücksichtigung der lokalen Dimension be- pora. Ethnic and racial studies, 28(1), 1–19. king strategies of patients from Turkey and (Hg.) (2011). The Bosnian Diaspora: Integrati-
sonders wichtig, wobei auch die nationale BURRI-SHARANI, Barbara et al. (2010). Die Bosnia in primary health care in Basel.» on in Transnational Communities. Ashgate
Ebene nicht vernachlässigt werden darf. Bei kosovarische Bevölkerung in der Schweiz, Health & Place, 11: 261–273. Publishing, Ltd.
diesen Massnahmen geht es darum, das Bern-Wabern: Bundesamt für Migration Guggisberg, Jürg (2010) «MigrantInnen aus WALSER, Katja (2006). Bosnien-Herzego­
Selbstbild der zweiten Migrantengeneration (BFM). der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien wina. Aktuelle Situation, insbesondere die
zu verbessern und den Erwerb von Kenntnis- COURVOISIER, Bernard (2012). «Guerres in der Invalidenversicherung» CHSS, 1/2010. Situation verletzlicher Gruppen. Bern: SFH.
sen der Herkunftssprache zu fördern. en ex-Yougoslavie et classes d’accueil», in MAISENBACHER, Julia und Rachel STUCKY
DURUSSEL, Chris, CORBAZ, Etienne, RAI- (2011). Die Migrationspartnerschaften
MONDI, Emilie, und Marisa SCHALLER (Hg.), zwischen der Schweiz und Serbien/Bosnien-
Pages d’accueil. Vingt ans de classes Herzegowina. Entstehungskontext und
d’accueil postobligatoires dans le canton Entwicklungsperspektiven. Bericht an die
de Vaud, Lausanne: Edition Antipodes. Verwaltung. Universität Luzern.
D’AMATO, Gianni und Christian SUTER MÉTRAUX, Jean-Claude (2005). «Psycho-
(2012). «Monitoring immigrant integration in therapists for Refugees or Refugee from
Switzerland». In Rob BIJL und Arjen VERWEIJ Psychotherapy?» Swiss Red Cross: 112–145.

92 93
Eine Studie über die in der Schweiz lebende gewerbe oder in der Dienstleistungsindustrie.
Bevölkerung aus BiH, die heute ca. 60 000 Die in die Schweiz eingewanderten Arbeits-
Personen zählt, heisst, sich mit vielfältigen kräfte haben auch wirtschaftliche Einwirkung
Lebenswelten auseinanderzusetzen: auf der in den weniger entwickelten Gebieten von
einen Seite mit jener der vor und nach dem BiH. Wegen des Saisonnierstatus durften die
Krieg Zugewanderten, auf der anderen Seite Einwanderer (unqualifizierte Arbeitskräfte) nur
mit jener der verschiedenen ethnischen einige Monate in der Schweiz weilen und
Gemeinschaften, die BiH zählt. Jede dieser mussten danach wieder in ihr Herkunftsland
Gruppierungen unterscheidet sich durch ihre zurück. Erst nach dem fünften Jahr der Arbeits-
Migrationsmotive und durch den Integra- migration in Folge erhielten sie die Möglich-
tionsprozess im Aufnahmeland. Dies erschwert keit, sich längerfristig in der Schweiz nieder-
allgemeine Aussagen über diese Migranten- zulassen, und konnten den Familiennachzug
gruppen, selbst wenn sie aus demselben Land und eine allmähliche soziokulturelle Integra-
stammen. In diesem Schlusskapitel wagen tion in der Aufnahmegesellschaft ins Auge
wir dennoch den Versuch, die spezifischen fassen.
Merkmale, welche die Zuwanderung aus BiH
charakterisieren, zusammenzufassen. Die Saisonarbeiter aus BiH und aus anderen
Teilen des früheren Jugoslawiens waren direkt
Eine Gemeinschaft betroffen, als im Jahr 1991 das Drei-Kreise-
mit vielen Gesichtern … Modell eingeführt wurde, das sie von der
Die Wirtschaftsmigranten der ersten und der Möglichkeit, weiterhin Arbeit in der Schweiz
zweiten Einwanderungswelle (in den Jahren zu suchen, ausschloss. Diese Massnahme
1960 bis 1980) kamen zu Arbeitszwecken in wurde überdies in einem politisch instabilen
die Schweiz. Zuvor hatte diese als Gastland Umfeld getroffen: In Slowenien, Kroatien und
mit einem Arbeitskräftemangel eine Verein- schliesslich auch in BiH brach der Krieg aus,
barung mit dem ehemaligen Jugoslawien ge- und es kam zu massiven Vertreibungen der
troffen, das in einer strukturellen Wirtschafts- zivilen Bevölkerungen. Viele Kriegsflüchtlinge,
krise steckte und seinen Staatsangehörigen die zwischen 1992 und 1995 Schutz suchten,
keine beruflichen Perspektiven anzubieten waren mit schwierigen Verhältnissen konfron-
vermochte. Viele kaum qualifizierte Arbeits- tiert. Der Krieg hatte insofern direkte Auswir-
kräfte kamen in die Schweiz und auch einige kungen, als die Zahl der Asylgesuche aus Bos-
Führungskräfte wurden rekrutiert, um die nien und Herzegowina exponentiell anstieg.
Nachfrage auf dem schweizerischen Arbeits- Im Jahr 1991 wurden insgesamt 41 000 Asyl-
markt zu decken. gesuche eingereicht, was eine bedeutende
politische Debatte in der Schweiz auslöste.
Die Arbeitnehmenden aus BiH und allgemein Aufgrund der Tragödie, die sich in BiH ab-
5 Synthese und Perspektiven aus den Ländern des ehemaligen Jugosla- spielte, und weil die Schweizer Öffentlichkeit
wiens haben einen wesentlichen Beitrag durch die schrecklichen Kriegsbilder sensibili-
zur wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz siert worden war, beschloss der Bundesrat die
geleistet, sei dies in der Baubranche, im Gast- vorläufige kollektive Aufnahme (Ausweis F)

95
der Kriegsvertriebenen. Einige von ihnen gekehrt. Andere sind dank einem Flüchtlings- anders. In der Tat konkretisiert sich der soziale Allerdings blicken die jungen Generationen
kamen im Rahmen eines Flüchtlingskontin- status oder einer vorläufigen Aufnahme hier Aufstieg (oder die Rückkehr zur Situation vor manchmal mit Bitterkeit auf ihr Herkunfts-
gents in die Schweiz, das auf verschiedene geblieben. Für einige bedeutete die prekäre der Auswanderung) rasch und real in der land zurück. Viele von ihnen beherrschen die
westliche Länder aufgeteilt worden war. Rechtsstellung eine Begrenzung ihres Zugangs zweiten Generation: Stichwörter sind der Sprache ihrer Eltern nur mangelhaft. Während
Andere reisten aufgrund familiärer Verbin- zum Arbeitsmarkt, oft während vieler Jahre. Erwerb von Sprachkompetenzen, die sozio- die zweite Generation die Einbürgerung oft
dungen ein oder weil sich ihre Landsleute Dies brachte einige Migranten aus BiH in eine professionelle Integration, die Fortbildung, als Anerkennung ihrer soziokulturellen Integ-
bereits in der Schweiz aufhielten. schwierige Lage. die bei einigen bis zum Universitätsstudium ration in der Schweiz begreift, sehen ihre Eltern
reicht, und der Erwerb des schweizerischen den Erhalt des Bürgerrechts als Zusicherung
Zahlreiche Kriegsflüchtlinge aus BiH waren in … und einem vielfältigen Bürgerrechts. Anders als ihre Eltern, die sich eines dauerhaften Anspruchs auf den Verbleib
ihrer psychischen und oft auch ihrer physi- Hintergrund Integrationshürden gegenübersahen, fühlen im Aufnahmeland und finden erneut ein Ge-
schen Gesundheit beeinträchtigt. Viele von Wie bei anderen Migrantengruppen auch, sich die Kinder der Einwandererfamilien aus fühl der nationalen Zugehörigkeit, das ihnen
ihnen wurden Experten zufolge noch Jahre haben die Einwanderungsgründe und Einreise- BiH in ihrem Einwanderungsland zu Hause. nach dem Zerfall Jugoslawiens verloren ging.
nach ihrer Ankunft in der Schweiz von bedingungen einen erheblichen Einfluss auf Unseren Fachleuten zufolge erklärt sich dies Egal, ob sie aus der ersten oder der zweiten
Depressionen oder posttraumatischen Belas- die Eingliederung in das Aufnahmeland. Die zum Teil mit den Schulen in der Schweiz, wo Generation stammen: Die Personen aus BiH
tungsstörungen heimgesucht. Die meisten Situation ist in diesem Fall aber noch kom- Kinder von zugewanderten Personen oder bleiben ihrem Land oder ihrer Herkunftsregion
ignorierten die Symptome, und nicht allen plexer und kann nicht nur auf diese Faktoren aus Flüchtlingsfamilien aus BiH rasch und verbunden. Indes ist festzuhalten, dass sie
Betroffenen wurde Betreuung zuteil. Die zurückgeführt werden. Für einen wesentlichen wirksam betreut wurden. wegen des Krieges ein gespaltenes Verhältnis
Menschen, die vor dem Krieg in die Schweiz Teil der ersten Migrationsgeneration hatte das
flohen, waren direkt oder indirekt mit den Fol- Erlernen der Sprachen des Aufnahmelandes
gen des Krieges konfrontiert: Sie selbst oder keine Priorität. Die Personen, die während
Mitglieder ihrer Familien erlebten Situationen der ersten Migrationswelle in die Schweiz
extremer Gewalt; sie wurden entwurzelt, in kamen und im Primärsektor beschäftigt wur-
Lagern gefangen gehalten, ihre nächsten den, haben sich oft wenig um den Erwerb
Angehörigen verschwanden von einem Tag mündlicher oder gar schriftlicher Kenntnisse
auf den anderen oder wurden ermordet. Die der schweizerischen Landessprachen bemüht.
Auswirkungen der Kriegstraumata widerspie- Ihre berufliche Tätigkeit erforderte keine ver-
geln sich auch in den chronisch gewordenen tieften Sprachkenntnisse, und sie waren auf
somatischen Beschwerden, an denen viele eine Rückkehr in die Heimat eingestellt. Sie
Staatsangehörige aus BiH leiden. So ist es konzentrierten sich daher auf ihre Herkunfts-
nicht verwunderlich, dass sich diese Erfah- region und blieben innerhalb der eigenen
rungen auch auf den Integrationsprozess der Einwanderungsgemeinschaft unter sich. Die
ersten und der zweiten Generation auswirken. Kriegsflüchtlinge waren vielfach mehr damit
beschäftigt, sich auf das neue Leben einzu-
Die aus BiH stammende Bevölkerung ist stellen, eine Arbeit zu finden und eine Aufent-
der Schweiz dankbar für die Aufnahme der haltsbewilligung zu erlangen, als die Landes-
Flüchtlinge und das Engagement zugunsten sprachen zu lernen.
des Wiederaufbaus. Ein Grossteil der Flücht- Die Hoffnung von Migranten auf ein besseres
linge ist nach Kriegsende im Rahmen der Pro- Leben wird oft von ihren Kindern erfüllt, wie
gramme des Bundes für die Rückkehrhilfe sich dies bei vielen Migrantengruppen zeigt.
und die Wiederansiedlung nach BiH zurück- Das ist auch bei der Bevölkerung aus BiH nicht

96 97
Jahren sogar ständig gewachsen ist («das Partizipation in der Schweiz, sondern auch
Vierte Bosnien»). Dieses «Vierte Bosnien» ver- in der Entwicklungszusammenarbeit mit BiH
sucht sozusagen gegen den Strom, sich einen einzubeziehen. Ein analoger Politikansatz wird
Platz zwischen den drei ethnisch-religiösen in der internationalen Zusammenarbeit (etwa
Blöcken und deren Strukturen zu sichern. Hier im Globalen Forum für Migration und Ent-
liegt denn auch das Problem: dynamische wicklung) verfolgt. Somit ergab sich die Not-
Vereinsstrukturen zu errichten, die den Geist wendigkeit, das Potenzial der Diasporas von
der Einheit nachhaltig prägen. Dennoch BiH und deren Interesse an der sozioökono-
schlagen sich diese die Ethnien übergreifen- mischen Entwicklung des Herkunftslandes zu
den Bürgerideen von Zeit zu Zeit in beispiel- ermitteln.
haften Initiativen nieder, namentlich im kultu-
rellen und humanitären Bereich. Das Ziel der vorliegenden Publikation, die zu-
sammen mit einer in BiH veranlassten Studie
Wo steckt das Entwicklungs- erstellt wurde, war es, sich einen Überblick
potenzial? über die Migrationsbevölkerung aus BiH in
Im Rahmen der Anwerbung von Arbeitskräf- der Schweiz unter der Berücksichtigung ihrer
ten waren zwischen der Schweiz und BiH be- Beziehungen zum Herkunftsland zu verschaf-
reits vielfältige Kontakte geknüpft worden. fen. Dabei zeigt sich, dass die Bereitschaft
Somit wurden die Westbalkan-Staaten nach zur Entwicklung des Landes beizutragen, an
zu ihrer eigenen Identität haben. Einige träu- Trend zur Endogamie verstärkt. Während dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens zu Attraktivität eingebüsst hat, auch wenn die
men von einem wiedervereinigten Land, an- Mischehen in BiH vor dem Krieg an der Tages- Schwerpunktländern der Schweizer Aussen- Kultur des Herkunftslandes und vor allem die
dere tun sich schwer mit der neuen natio- ordnung waren, haben der innere Konflikt politik. Ab 1996 wurde ein Pilotprogramm zur Musik immer mehr Menschen aller Alters-
nalen Identität und klammern sich an das und der Rückzug auf den eigenen ethnischen Rückkehrhilfe für die vor dem Krieg geflohe- kategorien und Gesellschaftsschichten zusam-
identitätsstiftende Konstrukt der ethnischen Kulturkreis über den Geist der Offenheit von nen Bürgerinnen und Bürger aus BiH ange- menführt. Die Wahrnehmung bürokratischer
Zugehörigkeit. Wie ein von uns befragter Ex- damals triumphiert: Die Exogamie wird gesell- stossen. So kam es zu einer koordinierten Schwerfälligkeit, Korruption und nationalisti-
perte formuliert, haben die Personen aus BiH schaftlich eher toleriert, wenn der erwählte Strategie von Migrationspolitik, humanitärer scher Parteipolitik in BiH nährt eine fatalistisch
«das Selbstbild von Überlebenden». Die für Partner nicht zu einer der beiden anderen Hilfe und später Entwicklungszusammen- skeptische Haltung dem Herkunftsland ge-
diese Studie gesammelten Aussagen lassen Ethnien von BiH gehört. arbeit. Die Migrationspartnerschaft zwischen genüber. Ernüchtert über die anhaltende poli-
die Brüche in dieser Bevölkerungsgruppe er- der Schweiz und BiH (Unterzeichnung 2009) tische Instabilität, die institutionellen Blocka-
kennen: Die «eine bosnische Diaspora» in der Immerhin versuchen gewisse Kreise, die Bar- ist in diesem selben Rahmen der Suche nach den und die wirtschaftlich unsicheren Ver-
Schweiz gibt es nicht, sehr wohl aber mehrere rieren niederzureissen und ihre Landsleute im einer verstärkten Kohärenz zwischen Politik- hältnisse vor Ort sehen somit immer mehr die-
Diasporas: die bosniakische, die kroatische Interesse einer gemeinsamen Sache zu mobi- feldern und zuständigen Akteuren (aus Integ- ser Einwanderer ihre Zukunft in der Schweiz.
und die serbische (siehe 4.7). In der Tat grenzt lisieren. Dies kann der Wiederaufbau von ration, Migration, Entwicklungszusammen- Genährt wird es von der ethnisch-politisch
sich jede ethnische Gruppe von den zwei an- BiH sein, die Pflege der heimatlichen Kultur arbeit, Aussenpolitik) zu sehen, wobei der heiklen Situation in BiH, der institutionellen
deren ab, sei dies konfessionell (muslimisch, (Vereine Matica BiH; Behar) oder die Musik politikübergreifende und partnerschaftliche Lähmung als Folge der zahllosen staatlichen
katholisch oder orthodox), sprachlich (Bosnia- aus dem Balkan (Kultur Shock). Diese Struktu- Ansatz zunächst auf der bilateralen und zu- Ebenen, der sozioökonomischen Unsicherheit,
kisch, Kroatisch oder Serbisch) oder in Bezug ren verstehen sich als bosnisch, sie propagie- nehmend auch auf der multilateralen Ebene der verbreiteten Korruption und der Domi-
auf den Ort, wo man sich trifft (Džemats, ren nicht ohne Widerstände die Idee einer verfolgt wurde. Im selben Kontext entstand nanz der nationalistischen Parteipolitik. Auch
kroatische oder serbische Kirche). Schliesslich bosnischen Bürgergesellschaft in der Schweiz, der Anspruch, die Migrationsbevölkerung und bekundet BiH als junger Staat nach dem
wird die intraethnische Struktur durch den die hier tatsächlich besteht und in den letzten die Zivilgesellschaft nicht nur hinsichtlich der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens etliche

98 99
Mühe, die Staatsangehörigen vom eigenen oder beteiligt sich an Projekten im Hinblick auf dem Schweizer Pass auf und fallen daher aus Schliesslich ist zu erwähnen, dass die aus BiH
Potenzial zu überzeugen. Schliesslich hat die den Wiederaufbau des eigenen Hauses oder der Statistik über die Bürgerinnen und Bürger eingewanderte Migrationsbevölkerung auch
historische und identitätsbedingte Komplexi- Heimatdorfs. Doch die Solidarität beschränkt von BiH. Doch das neue Bürgerrecht ist nicht im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgrup-
tät von BiH einen grossen Einfluss auf die Hal- sich oft auf das familiäre Umfeld und das unvereinbar mit einem dezidierten Interesse pen aus dem Balkan, wie Kosovaren, Serben
tung der Zugewanderten gegenüber ihrem Herkunftsgebiet und bezieht den nationalen für die eigenen Wurzeln. Nach den nostalgi- oder Mazedonier, ihre Besonderheiten hat. Zu
Herkunftsland, vor allem hinsichtlich der In- Kontext selten mit ein. Damit trägt die finan- schen Erinnerungen an die glückliche Vor- diesen Besonderheiten zählen der heterogene
vestitionen, aber auch der Rückkehrmöglich- zielle Hilfe der Migranten aus BiH indirekt zur kriegszeit in BiH und dem Aufbau einer assoziative Charakter, problematische Migra-
keiten. Im heutigen Kontext, der vorab eine Entwicklung des Landes bei, wenn man davon schweizerischen Identität durch die erste tionserfahrungen, die fragile nationale Identi-
Folge der Dayton-Verträge ist, haben einige ausgeht, dass Hilfeleistungen auf lokaler Ebene Auswanderergeneration könnten die nach- tät und die Probleme der Staatsangehörigen
Bürgerinnen und Bürger Mühe, ein kollektives dem gesamten Land zugutekommen. folgenden Generationen den Transnationalis- aus BiH, zusammen Initiativen zu ergreifen
nationales Selbsverständnis zu entwickeln, aus mus reaktivieren, wenn sie ihre in der Schweiz oder sich auf gemeinsame Ziele zu einigen.
dem sich ein soziales und wirtschaftliches Die Beteiligung der ersten Migrationsgenera- erworbenen Fähigkeiten zugunsten der Ent- Jedoch haben diese Personen mit den ande-
Engagement für das Wohlergehen eines sta- tion aus BiH an der Hilfe für ihr Herkunftsland wicklung in BiH einsetzen. Mit anderen Wor- ren Migrantengruppen aus dem Balkan auch
bilen, multikulturellen Staates ergibt. Zwar ist somit unbestritten. Dennoch steht eine ten braucht der Beitrag der Kinder und Enkel einiges gemeinsam und weisen auch beson-
überweist die erste Generation der Zugewan- Frage im Raum: Wie steht es mit ihren Kindern der Zugewanderten nicht finanzieller Natur dere Potentiale auf. Zu erwähnen sind sowohl
derten nach wie vor einen Teil ihrer Einkünfte und Enkeln, also der zweiten und der dritten zu sein. Er kann auch in der Weitergabe von die soziokulturelle und die berufliche Integra-
an die in der Heimat zurückgebliebene Familie Generation? Viele von ihnen wachsen mit Kenntnissen und Erfahrungen bestehen, die tion im Aufnahmeland (Ausbildung, Arbeit,
in der Schweiz erworben wurden, oder im Sprache, Gesundheit, Religion, Aufenthalts-
Einsatz des eigenen beruflichen Netzwerks status) als auch die Beziehungen zur Heimat
zum Nutzen von BiH. Diese Dynamik bedingt und zur Herkunftskultur (Geldtransfer, Wieder-
indes ein Engagement der Institutionen der aufbau, Perspektiven für die Rückkehr usw.).
Herkunfts- und Aufnahmeländer mit dem Ziel, Trotz den erlittenen Kriegstraumata und einem
Strukturen und günstige Rahmenbedingungen problematischen Migrationskontext hat es
für derartige Initiativen bereitzustellen. Die die Migrationsbevölkerung aus BiH verstan-
Schweiz ist seit Jahren in BiH präsent und den, ihre Offenheit und Toleranz zu bewahren.
verfügt über Erfahrungen in der Anwerbung
von Arbeitskräften, was es ihr erleichtern
dürfte, in ihrer Politikgestaltung Anliegen von
Migration und Entwicklungszusammenarbeit
sinnvoll zu verbinden. Mittel- oder langfristig
können diese Vorhaben auch Investitionen
und eigentliche wirtschaftliche Kooperationen
zwischen den beiden Ländern anstossen.

100 101
Spezifische Informationen zur Bevölkerung Bosansko-hercegovacki kulturni centar
von BiH in der Schweiz können bei folgen- Lausanne
den Adressen gefunden werden. Da sich die http://bhkc-lausanne.ch
Vereinslandschaft ständig wandelt, kann die
Club Behar Sissach
Aktualität der Informationen nicht gewähr-
4450 Sissach
leistet werden. Ferner stützt sich die Liste auf
die bei Redaktionsschluss verfügbaren Anga- Club Kultur Shock
ben nach Durchsicht der Vereinsverantwort- c/o Mario Perić
lichen und erhebt keinen Anspruch auf Lerchenweg 33
Vollständigkeit. Die Liste unterscheidet zwei 3012 Bern
Kategorien von Vereinigungen: nationale Ver- http://www.kulturshock.ch/
eine oder Organisationen sowie ethnisch, reli-
Kjlućka Diaspora
giös oder sprachlich organisierte Vereine und
Postfach 103
Klubs.
4852 Rothrist
http://kljuckadijaspora.ch/

Nationale Vereinigungen KUD Bosanski Ljiljani


Nationale Vereinigungen
Emmenweidstrasse 4
6020 Emmenbrücke
Basel

St. Margrethen

Sissach Matica Bosne i Hercegovine


Zürich
Rothrist

Baar Pfäffikon
Bleicherweg 64a
Bern
Emmenbrücke
8002 Zürich
http://matica-bih.org/
Lausanne
Mak Dizdar
Basel
km
Mezzovico 0 25 50
http://www.bosanskaskola.ch

Meša Selimović
Primarschule Felsenburgmatte
Associazione culturale bosniaca Bosona
8808 Pfäffikon SZ
Via Cantonale
6805 Mezzovico

Bosanski klub Jedinstvo


Walzenhausenstrasse
Bosnische Vereinigungen 9
Kroatische Vereinigungen
9430 St. Margrethen

Anhang I: Basel

Wettingen
Bischofszell
St. Gallen
Basel Frauenfeld

St. Gallen

Vereinigungen und Klubs


Wallisellen Wolfhalden Spreitenbach
Oberentfelden
Wetzikon
Appenzell Aarau
Schlieren Rüti
Zug Zürich
Biel/Bienne Zofingen Schmerikon
Buchs Solothurn
Küssnacht Baar

in der Schweiz
Emmenbrücke
Cernier Goldau Luzern

Bern Bern
Chur Trimmis
Yverdon

103
Lausanne

Camorino
Châtelaine
km
0 25 50
Nationale Vereinigungen

Basel

Religiöse, sprachliche und ethnische St. Margrethen Bošnjačka islamska zajednica St. Gallen GAM – Džemat SG Kulturni Centar Bošnjaka
Sissach

Vereinigungen Rothrist
Zürich Geisenwaldstrasse 16 Werkstrasse 5a Crêt Débely 13
Wir haben die folgenden religiösen (schwar- Emmenbrücke
Baar Pfäffikon
9015 St. Gallen 9000 St. Gallen 2053 Cernier
Nationale Vereinigungen
zer Kreis) und ethnischen Vereinigungen
Bern
http://www.dzematne.ch/
Nationale Vereinigungen
Bosniaken Verein, Sandzak Bosnien Islamska Zajednica u Kantonu Zugu
(weisser Kreis) identifiziert. An einigen Orten
Gewerbezone Aeschi Basel Sumpfstrasse 1 Kulturno udruženje Bošnjaka Ženeva
existieren mehrere Vereine. Wo sowohl reli­
Lausanne
St. Margrethen
Basel

6410 Goldau 6300 Zug Rue Jean Simonet 14-16 St. Margrethen

giöse als auch ethnische Vereine aktiv sind,


Sissach
Sissach
Zürich
km
http://dzematzug.ch/
Rothrist
1219 Châtelaine Zürich

wird dies mit einer diagonalen Abtrennung Bosniakisches Kultur Zentrum Sandzak
Rothrist
Mezzovico 0 25 50
Baar Pfäffikon
Baar Pfäffikon
Emmenbrücke
Emmenbrücke

(schwarz und weiss) dargestellt. Aufgeführt Hofstrasse 98 Bern Islamske zajednice Bošnjaka Osmanovic Izet Bern

sind nur Vereinigungen mit einer bekannten 8620 Wetzikon kantona Aargau (IZBA) Trümmlenweg 1
Verbindung zu BiH. Daneben gibt es viele Lausanne
Aarauerstrasse 57 8630 Rüti
Lausanne

Bosnischer Kultur Verein


weitere kroatische und serbische Vereine, die 5036 Oberentfelden
Seegartenstrasse 4 km Sljivar Sabahudin
Personen aus BiH offenstehen. Mezzovico 0 25 50
Mezzovico 0
km
25 50
8716 Schmerikon Islamische Gemeinschaft Bischofszell Sternstrasse 5
Oberdorf 13 9470 Buchs
Bosnische Vereinigungen
Bosnischer Verein
9220 Bischofszell
Bosniakische Vereinigungen Klublokal Bukvar Ahmet
Kroatische Vereinigungen SVK BiH Kula
Unterer Gansbach 2 Islamska zajednica Bošnjaka u Švajcarsko Fannringstrasse 4
Basel
Bischofszell
9050 Appenzell Basel Frauenfeld Postfach 924 6403 Küssnacht am Rigi
Wettingen St. Gallen

4800 Zofingen
Wallisellen Spreitenbach St. Gallen
Oberentfelden Wolfhalden

Bosnischer Frauenverein
Wetzikon
Appenzell Aarau
Schlieren Rüti
Zug Zürich
Biel/Bienne Zofingen Schmerikon

Küssnacht
Buchs
WaySearch Solothurn
Baar Bosnische Vereinigungen Islamska zajednica Heiden Bosnische Vereinigungen
Cernier
Emmenbrücke
Goldau Luzern Kroatische Vereinigungen
Kroatische Vereinigungen
Bern
Chur
J.-J.-Ryffel-Strasse 6 Bern
Trimmis
Hinterergeten 110
5430 Wettingen 9427 Wolfhalden
Yverdon

Basel Basel Frauenfeld


Lausanne Bischofszell Basel
Bischofszell

Džemat islamske zajednice Bošnjaka Islamska asocijacija Yverdon


Wettingen St. Gallen
Wallisellen Wettingen
Spreitenbach St. Gallen
Wolfhalden St. Gallen
Oberentfelden Wallisellen Wolfhalden
Camorino Wetzikon Oberentfelden
Appenzell Wetzikon

Schlieren Rue Uttines 36


Schlieren Rüti Aarau Appenzell
Châtelaine Zug Zürich
Schlieren Rüti
km Biel/Bienne Zofingen Schmerikon Zug
Biel/Bienne Zofingen Schmerikon
0 25 50 Buchs Solothurn
Küssnacht Baar

Grabenstrasse 7 1400 Yverdon-les-Bains


Buchs
Emmenbrücke Küssnacht
Cernier Goldau Emmenbrücke
Luzern
Cernier Goldau

8952 Schlieren
Bern Bern
Bern Trimmis
Chur

Islamska zajednica Zug


Chur
Yverdon
Yverdon

Džemat islamske zajednice Lucern Sumpfstrasse 1 Lausanne

Association des survivants Emmenweidstrasse 4 Châtelaine


6300 Zug Camorino

Châtelaine

de la Drina-Srebrenica ASDS 6020 Emmenbrücke


km
km
0 25 50

Islamsko bosanski kulturni 0 25 50

p.a. Permanence Srebrenica http://www.dzematluzern.ch/


centar džemat Chur
Rue des Savoises 15
Džemat «SABUR» Islamische Glaubensgemeinschaft
1205 Genf
Steigerhubelstr. 94 und Bosnischer Kulturverein Hinweis: In der Schweiz werden an 94 Orten
Bosnisce Verein Bosnjak Biel 3008 Bern Kasernenstrasse 77 Kroatischkurse angeboten, die von der kroati-
Florastrasse 30 a Postfach 284 schen Regierung finanziert werden. Diese sind
Džemat Kosovskih Bosnjaka Wallisellen
2502 Biel 7007 Chur hier nicht aufgeführt, obwohl auch Staatsan-
Industriestrasse
Serbische Vereinigungen 28
gehörige aus Bosnien und Herzegowina die
Postfach Islamska zajednica Bazel
Kurse besuchen. Siehe http://www.mvep.hr/
Basel
8304 Wallisellen Kleinhüningerstrasse 55
Münchwilen St. Gallen
hr/hmiu/iseljenistvo/svicarska/
Zürich
Wil Altstätten 4057 Basel

104 Bern
Altdorf
Serbische Vereinigungen 105
Serbische Vereinigungen

Vevey Basel
Lausanne Basel
Münchwilen St. Gallen
Chur Trimmis
Yverdon

Lausanne

Camorino
Châtelaine

Hrvatska katolička misija Hrvatska katolička misija Solothurn


0
km
25 50
Humanitarno udruženje Sveti Sava Serbisch-Orthodoxe Kirchgemeide
Zähringerstasse 40 Unterer Winkel 7 Via del Moro 9 in St. Gallen
3012 Bern 4500 Solothurn 6500 Bellinzona Langgasse 161
9008 St. Gallen
Hrvatska katolička misija Zurich Hrvatski klub Plehan Regionalna zajednica srpskih klubova
Schlossgasse 32 Postfach 731 Gallusstrasse 44 Serbisch-Orthodoxe Kirchgemeinde in Luzern
Postfach 9057 8957 Spreitenbach 9500 Wil Hauptstrasse
8036 Zürich 6033 Buchrein
Udruzenje Hercegovaca Orthodox Church Lugano
spc.portal.ch
Hrvatska katolička misija Basel Altstetterstrasse 130 Chiesa San Roco
Kleinriehenstrasse 53 8040 Zürich Piazza San Roco Srpski kulturni centar Sveti Sava
4058 Basel 6900 Lugano Tiefenackerstrasse 49
9450 Altstätten
Hrvatska katolička misija St. Gallen Orthodox Church Bellinzona
Serbische Vereinigungen
Paradiesstrasse 38 Serbische Vereinigungen Chiesa Madona della neve Srpska Pravoslavna Crkvena Opstina U
9000 St. Gallen Via Sasso Corbaro Lugano
6500 Bellinzona Via Ciossaccio
Basel

Hrvatska katolička misija Luzern


Münchwilen St. Gallen
Zürich
Wil Altstätten
6594 Contone
Matthofring 2/4 Srpski kulturni savez u Švajcarskoj
6005 Luzern Postfach 1960 Club de Football «Slavija»
Bern
Altdorf
8021 Zürich http://www.fcslavia.ch/
Hrvatska katolička misija Grubunder/Gonzen
Gartaweg 15 Lausanne Vevey
Srpski Demokratski Klub Srpski Klub «Trebava»,
Postfach 95 Bellinzona
Postfach 181 Case postale 1616
Cantone km
7203 Trimmis Lugano 0 25 50 9542 Münchwilen Avenue du Général-Guisan 58
1800 Vevey
Hrvatska katolička misija Frauenfeld Serbisch-Orthodoxe Kirchgemeinde in Zürich
Zürcherstrasse 179 Pfarramt Maria Himmelfahrt Udruzenje prnjavorcana
Diocèse orthodoxe for central Europe central
8500 Frauenfeld Glattstegweg 91 Alfred-Escher-Strasse 26
Av. Charies-Secretan 2
8051 Zürich 8002 Zürich
Hrvatska katolička misija Aarau 1005 Lausanne
http://www.pravoslavnacrkva.ch
Laurenzenvorstadt 71 Udruzenje majevicana
Ecole serbe en Suisse romande www.pravoslavlje.ch
5000 Aarau Landstrasse 36
Association des parents d’élèves Ecole serbe
Serbisch-Orthodoxe Kirchgemeinde in Basel 5430 Wettingen
Hrvatska katolička misija Lausanne-Wallis en Suisse romande
Gellertstrasse 45
Rue de la Borde 25 www.skss.ch / www.svetionik.ch
4052 Basel
1018 Lausanne
Folklore Musikverein Quelle Izvor
Serbisch-Orthodoxe Kirchgemeinde Bern
Hrvatska misija Zug Postfach 11
Postfach 7846
Mühlegasse 35b Haggenstrasse 44
Seidenweg 19
6340 Baar 9014 St. Gallen
3001 Bern
Hrvatska katolička misija Ticino Hram Sv.Trojice U Zürich http://www.spcobern.ch
Al Mai 18 Zollikerstrasse 76
6528 Camorino 8008 Zurich

106 107
Adams, Richard H. Jr., und John Page Arni, Fabienne und Véronique Corthay
(2003). International Migration, Remittances (1994). La Suisse terre d’accueil? Les réfugiés
and Poverty in Developing Countries. bosniaques. Genève: Institut d’études sociales.
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118 119
Taner Alicehić, Gründer Re Investment Omer Micijevic, Vizepräsident «Matica»,
solutions, Zug & Sarajevo Zürich

Osman Besić, Leiter Abteilung Gesundheit, Mirsad Mujadzić, Präsident der Džemats
Schweizerisches Rotes Kreuz, Bern Schweiz, Luzern

Mirsada B., Flüchtling aus BiH (Srebrenica); Slavisa Obrenović, Vereinigung «Majevićani»,
Freiburg Yverdon-les-Bains

Violeta Brakuš, Vereinigung serbischer Eltern, Jasmina Opardija, Projektkoordinatorin


Lausanne RRPPWB, Universität Freiburg

Bernard Courvoisier, Vereinigung Envol, Vlata Pavlinović, Kroatische katholische


Kanton Waadt Kirche, Lausanne

Edin Dacic, Daccomet SA, Zürich Mario Perić, Leiter «Kultur Shock», Bern

Emina Erdić, Psychiater, Lausanne Ivica Petrušić, Second@s-Plus, Aarau

Elma Hadzikadunić, Projektleiterin, «Alter Sabina Rondić, Rektorat, Universität Lausanne


und Migration», HEKS, Lausanne
Bogoljub Popović, Orthodoxe Priester,
Elvis Jakupović, bosnische Sprachschule, Lausanne
Luzern
Pavle S., bosno-serbischer Migrant, Vevey
Tarik Kapić, NGO Terra Nostra, Solothurn
Rustem Simitović, Honorarkonsul von BiH,
Hamdija Kocić, Vereinigung «Matica BiH», Zürich
Zürich
Nenad Stojanović, Universitäten Zürich
Haris Lokvanćić, ehemals Flüchtling in und Lausanne
der Schweiz, Kobü DEZA, Sarajevo

Dajana Mahinić, Psychiater, Lausanne

Jean-Claude Métraux, Psychiater und


Gründer von «Nous autres», Lausanne

Anhang III:
Gesprächspartnerinnen
und -partner
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