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5.

K A P I T E L

DIE EINWIRKUNG DES GRIECHISCHEN


AUF DIE ENTSTEHUNG
DER KOPTISCHEN LITERATURSPRACHE

Über die Stellung des Koptischen in der Geschichte der ägyptischen


Sprache und über die Herausbildung des Koptischen als Literatursprache
sind wir durch die Forschungen von Kurt Sethe, Hermann Grapow und
Fritz Hintze einerseits1, von Carl Schmidt, Siegfried Morenz und Georg
Steindorff andererseits2 gut unterrichtet. Daß der Einwirkung des Grie-
chischen bei der Entstehung des Koptischen eine wesentliche Rolle zu-
kommt, wird allseits hervorgehoben; doch will es scheinen, daß die grie-
chische Schrift und der griechische Anteil am Wortbestand des Koptischen
zu einseitig in den Vordergrund gerückt werden3. Die folgenden Überle-
gungen versuchen, dem Einfluß des Griechischen auch in der koptischen
Morphologie, Wortbildung und -bedeutung sowie in der Syntax nachzu-
gehen.

Das Koptische als die letzte, in christlicher Zeit gesprochene und ge-
schriebene Sprachstufe des Ägyptischen hat sich in Fortsetzung des Wechsel-
1 K . Sethe, Das Verhältnis zwischen Demotisch und Koptisch und seine Lehren

für die Geschichte der ägyptischen Sprache, ZDMG 79 (1925), S. 290—316. — H. Gra-
pow, Vom Hieroglyphisch-Demotischen zum Koptischen. Ein Beitrag zur ägyptischen
Sprachgeschichte, Sitzungsberichte d. Preuß. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Klasse, 1938,
S. 322—349. Ders., Ägyptisch. Vom Lebenslauf einer altafrikanischen Sprache, in:
Der Orient in deutscher Forschung, Leipzig 1944, S. 205—216. -—• Fr. Hintze, Die
Haupttendenzen der ägyptischen Sprachentwicklung, ZPh 1 (1947), S. 85-—107.
2 C. Schmidt, Die Urschrift der Pistis Sophia, Z N W 24 (1925), S. 218—240. —
S. Morenz, Das Koptische, in: Handbuch der Orientalistik I 1, Leiden 1959, S. 90
bis 114. — G. Steindorff, Bemerkungen über die Anfänge der koptischen Sprache und
Literatur, in: Studies Crum S. 189—214. Im folgenden übernehme ich einige Formu-
lierungen meines Referates „Der Ursprung des Koptischen", Das Altertum 13 (1967),
S. 78—84, das sich seinerseits auf die in Anm. 1 und 2 genannten Arbeiten stützt.
3 Die einleitenden Bemerkungen von H. J. Polotsky, Modes grecs en copte ? In:

Studies Crum S. 73—90, treffen heute ebenso zu wie vor zwanzig Jahren.

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328 ÄGYPTEN

spieles zwischen Schrift- und Volkssprache, das den gesamten Lebenslauf


der ägyptischen Sprache durchzieht und je eine neue Entwicklungsstufe
durch den Sieg der Volks- über die Literatursprache markiert, als Volks-
sprache aus dem Neuägyptischen herausgelöst. Als paralleler schriftsprach-
licher Ausläufer des Neuägyptischen steht dem Koptischen das Demo-
tische, welches diesen Namen als „literarisch-juristische Kunstsprache"
(S. Morenz) zu Unrecht führt, gegenüber4. Das eigentliche „Demotische",
wenn wir es im Wortsinne verstehen, ist vielmehr das Koptische, das
seinerseits durch Christentum und Gnosis in die Rechte der Literatur-
sprache erhoben wurde und den Lebenslauf der ägyptischen Sprache be-
schloß.
In dem Ablauf: Altägyptisch-Mittelägyptisch-Neuägyptisch samt seinen
parallelen, wenn auch ungleich langen5 Ausläufern Demotisch und Koptisch
bezeichnet nur das Neuägyptische einen tieferen Einschnitt in der ägyp-
tischen Sprachgeschichte. Die jüngeren Sprachstufen des Ägyptischen, vom
Neuägyptischen an bis einschließlich des Koptischen, faßt Kurt Sethe unter
dem einheitlichen Begriff „Neuägyptisch" zusammen6.
Jenes „Neuägyptisch" hat Fritz Hintze7 als das Ergebnis eines System-
umbaues der ägyptischen Sprache erkannt, dessen Tendenzen im älteren
System selbst angelegt sind. Das Wesen der ägyptischen Sprachentwicklung,
die schließlich einen typologischen Umbau herbeiführte, läßt sich nach
Hintze auf zwei Prinzipien zurückführen: „Konversion" und die Tendenz
zur analytischen Sprachform. Vereinfacht ausgedrückt, stehen im Alt-
ägyptischen die grammatischen Signifikanten hinter dem Bedeutungs-
träger, im Neuägyptischen davor (z. B. Abfall von Genus- und Numerus-
endung, Vorantritt des Artikels). Die analytische Tendenz drückt sich
z. B. darin aus, daß die alte sdm./-Konjugation zugunsten von Umschrei-
bungen mit Hilfsverben des „Tuns" und „Seins" abgebaut wird, wobei im

4
S. Morenz, Das Koptische S. 90. Es ist jedoch zu beachten, daß Herodot II 36
mit den Bezeichnungen „Hieratisch" und „Demotisch" auf den Unterschied zwischen
sakralem und profanem Gebrauch zielt (Siacpaaioiai 8£ yp&nnaai yptavTai, Kai tcc h£v
IpA, t¿t 8i SriiiooTiKÄ KaXirrai).
6
Formuliert im Anschluß an H. Grapow, Vom Hieroglyphisch-Demotischen zum
Koptischen S. 323; s. dazu auch die graphische Darstellung bei K. Sethe, ZDMG 79
(1925), S. 316.
6
K. Sethe, a. a. O. S. 304—311.
7
Fr. Hintze, ZPh 1 (1947), S. 85—107, bes. 88—90.

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V. E I N W I R K U N G D E S G R I E C H . A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 329

Einklang mit der „Konversion" Konjugationsthema und Subjekt vor dem


Verbum stehen.
Ist das Koptische also typologisch durchaus dem Neuägyptischen ver-
bunden, so erscheint es seiner äußeren Gestaltung nach, in Schreibweise
und Schrift, als Fremdling in der ägyptischen Sprachgeschichte. Das
vorkoptische Ägyptisch wurde in solchen Zeichen und Zeichengruppen
fixiert, die nur den Konsonanten oder Konsonantengruppen darstellen
und folglich allein das Skelett des Lautkörpers wiedergeben. Die hie-
roglyphische Schrift samt ihren hieratischen und demotischen Deri-
vationen ist der Darstellung nach den Grenzen einer Bilderschrift verhaftet
geblieben8. Bis an die Schwelle des Koptischen gelangte die ägyptische
Sprache nicht zu einer Kongruenz zwischen dem gesprochenen und ge-
schriebenen Wort, auch nicht in dem günstigen Falle, wenn soeben der
aktuelle Stand der Volkssprache normiert wurde. Erst das Koptische
bricht mit der Tradition und erlangt seiner Darstellungsweise nach einen
Sonderstatus; denn das Koptische wird mit solchen Schriftzeichen fixiert,
die dem Kontinuum des Sprechaktes entsprechen. Mit diesem Kontinuum
meine ich die im Sprachsystem geregelte Abfolge von konsonantischen und
vokalischen Phonemen. Die Einbeziehung vokalischer Zeichen war schrift-
geschichtlich ein revolutionärer Akt und stellte die ägyptische Sprache
vor eine neue Ausgangsposition. Sie führte erstmals zur Kongruenz zwi-
schen dem Sprechverlauf und seiner zeichenhaften Darstellung. Diese
Schreibung war freilich keine „Lautschrift" in dem Sinne, daß das Schrift-
bild die tatsächliche Aussprache wiederzugeben imstande wäre (so Grapow,
Steindorff). Die koptische Schrift hat wie die griechische phonologischen
Charakter, da ein Schriftzeichen nicht das gesamte Spektrum der lautlichen
Realisierungsmöglichkeiten erfaßt.
Man weiß durch Grapows anschauliche Schilderung9, in welchem Auf-
lösungsprozeß sich das komplizierte und auch konträre (traditionelle und
traditionslose Schreibung) demotische Schriftsystem befand und wie seit
dem 2. Jahrhundert v. Chr. behutsam tastende Versuche zur Translittera-
8
S. besonders Grapow, a. a. O. S. 324!. Grapows Urteil über den Charakter der
ägyptischen Schreibung trifft trotz der beachtlichen und erfolgreichen Versuche zur
Rekonstruktion des ägyptischen Vokalismus (Sethe 1923, Edel 1954, Fecht i960)
immer noch zu — bezeichnend ist eben, daß der ägyptische Vokalismus nicht aus der
„Schrift" als solcher hervorgeht, sondern auf dem Wege der Rekonstruktion ermittelt
werden muß.
9
Grapow, a. a. O. S. 339—348.

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330 ÄGYPTEN

tion mit griechischen Buchstaben einsetzten, bis die koptische Schrift mit
ihren 24 griechischen und 7 einheimischen10 Zeichen etabliert worden ist.
Die Übernahme des griechischen Schriftsystems, die erste und nach-
haltigste Einwirkung des Griechischen auf die Entstehung der koptischen
Schriftsprache, war seit der mit dem 7. Jahrhundert v. Chr. einsetzenden,
seit der Ptolemäerzeit im großen erfolgenden griechisch-ägyptischen Sym-
biose naheliegend, aber nicht selbstverständlich11.
Eine Vereinfachung hätte sich den demotischen Schreibern dadurch an-
bieten können, daß sie nach Art der aramäischen Sprache ein Alphabet
schufen, das nur aus Einkonsonantenzeichen bestand. Das Demotische
hatte ja für alle konsonantischen Phoneme einkonsonantische Zeichen zur
Verfügung — oder man hätte das in Ägypten bekannte aramäische Alpha-
bet in extenso übernehmen können: Sämtliche konsonantischen Phoneme
des Ägyptischen waren durch das aramäische Alphabet gedeckt. Das Ara-
mäische hatte in dieser Hinsicht einen bedeutsamen Vorsprung vor dem
griechischen Alphabet, das für die Anwendung auf das Ägyptische noch
der Ergänzung durch einheimische Zeichen bedurfte. Das aramäische
Alphabet wäre wohl fremd, aber homogen, das gräko-ägyptische ( = kop-
tische) Alphabet ist gleichfalls überwiegend fremd und zudem heterogen!
Der Vorzug des griechischen Alphabets bestand einzig in dem Vorhanden-
sein vokalischer Zeichen, aber dieser Vorzug war durchschlagend.
Gewiß ist das griechische Schriftsystem zuerst in einheimischen Zauber-
texten adaptiert worden, kommt es doch im Zauber streng auf den Wort-
laut an, damit sich bei falscher Aussprache die magische Formel nicht gegen
den Beschwörenden selbst kehre. Indessen sind solche Versuche nicht über
die Anfänge hinausgediehen und sollten daher nicht überschätzt werden.
Die einheimisch-heidnischen Kreise, bei denen derartige Texte im Umlauf
waren, haben von einer generellen und — worauf es ankommt — aus-
schließlichen Aneignung des griechischen Schriftsystems abgesehen und
schon gar nicht den aktuellen Laut- und Formenstand mittels der grie-
10
Nicht eingerechnet die durch diakritische Zeichen weiterentwickelten Formen
der Grundbuchstaben 2 ( > „gestrichenes" 2 des achmlmischen Dialektes) und (j)
•1•
( > 6) in der Ascensio Isaiae, vgl. P. E. Kahle, Bala'izah I, London 1954, S. 205).
Ein eigenes Problem bieten die in Papyrus Bodmer VI (Livre des Proverbes, ed. par
R. Kasser, Louvain i960 = CSCO 194) verwendeten demotischen Zeichen, die nach
unserer Kenntnis auf diesen Text beschränkt sind und sich in der koptischen Schrift-
geschichte jedenfalls nicht durchgesetzt haben.
11
Vgl. zum folgenden P. Nagel, Das Altertum 13 (1967), S. 8 2 I

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V. E I N W I R K U N G D E S G R I E C H . A U F D I E K O P T . LITERATURSPR. 331

chischen Schriftzeichen orthographisch normiert. Der Anstoß zur schrift-


geschichtlichen Neubildung kam wohl doch von außen. Wie Carl Schmidt 12
und S. Morenz13 im einzelnen nachgewiesen haben, war es der Missions-
drang einer Buchreligion, des Christentums, die der mit griechischen und
einigen einheimischen Buchstaben geschriebenen Volkssprache im Zuge der
Übersetzungstätigkeit zum Durchbruch verholfen und die Volkssprache
in den Rang einer Literatursprache versetzt hat. Hätte sich die Kommuni-
kation auf den mündlichen Austausch und mündliche Unterweisung be-
schränkt, so wäre die sprachliche Verständigung durch Dolmetscher14,
deren es im zweisprachigen Niltale genügend gab, hinreichend gesichert. Ist
die Aussage jedoch an ein Buch normativen Inhalts, und das sind eben
heilige Schriften, gebunden, so bedarf es einer normativen Übersetzung. Für
dieses Unterfangen bot sich das griechische Alphabet geradezu an, für das
sowohl der Sprache als auch der Schrift nach der Boden in Ägypten bereitet
war und das die Einfachheit der Schreibung mit Eindeutigkeit des Ausdrucks
verband. Dies vermochte die demotische Schrift nicht mehr zu leisten. Mit
dem „heidnischen" Charakter 15 der demotischen Schrift hat das überhaupt
nichts zu tun. Sofern autochthone Schriften vorhanden und für Über-
setzungszwecke geeignet waren, hat sich die christliche Mission der ein-
heimischen Sprache und Schrift bedient16, vgl. die in vieler Hinsicht ver-
wandte Situation im Zweistromlande 1 '. Nach der Aneignung des griechi-

12 C. Schmidt, Z N W 24 (1925), S. 22of. 226f.


13 S. Morenz, Das Koptische S. 92.
14 Zum Grundsätzlichen und für viele Einzelheiten s. Jürgen Dummer, Angaben

der Kirchenväter über das Koptische, in: Probleme der koptischen Literatur (Wiss.
Beiträge d. Univ. Halle 1968/1), S. 1 7 — 5 5 , bes. 21. 23. 3 7 — 4 1 . 44—46.
15 So z. B. Carl Schmidt, a. a. O. S. 226 („götzendienerisch").
16 Ein völlig verzerrtes Bild des tatsächlichen Sachverhaltes bietet Karl Holl,
Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1928, S. 245 („Die offizielle christliche Kirche hat
sich in der alten Zeit überall nur auf die Kultursprachen gestützt und die Volks-
sprachen beiseitegeschoben oder verkümmern lassen" usw.). Man könnte über diesen
Irrtum des großen Gelehrten schweigend hinweggehen, wenn nicht der unveränderte
Nachdruck Darmstadt 1964 jenes Fehlurteil emeut hätte aufleben lassen.
17 Klaus Beyer, Der reichsaramäische Einschlag in der ältesten syrischen Lite-

ratur, Z D M G 116 (1966), S. 242—254 glaubt aus Spuren des Reichsaramäischen in


den sog. altsyrischen Evangelienübersetzungen schließen zu können, daß sich die
älteste christliche Mission in Syrien und im Zweistromland des Reichsaramäischen
bediente. Doch ist die chronologische Abfolge „Altsyrer" (sy°/sysin) — Peäittö durch-
aus nicht gesichert. Daher ist ungewiß, ob eine „in Palästina angefertigte reichs-
aramäische Evangelienübersetzung noch in altsyrischer Zeit im syrischen Sprachgebiet
in Gebrauch genommen" wurde (S. 251).

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332 ÄGYPTEN

sehen Schriftsystems war auch die Möglichkeit eröffnet, sowohl die mit den
christlichen und gnostischen Glaubensrichtungen verbundene Terminologie
als auch die in der Umgangssprache bereits beheimateten griechischen
Wörter ohne die Hemmungen, die die demotische Schrift zwangsläufig
auferlegt hätte, in die neue Schriftsprache aufzunehmen18.

Neben der griechischen Schrift legt der überaus häufige Gebrauch


griechischer Wörter, die den einheimischen Wortschatz weitgehend durch-
setzt haben, äußerlich am auffälligsten Zeugnis von der griechischen Ein-
wirkung auf das Koptische. Der einheimische Wortschatz ist seit der
Ptolemäerzeit stark zurückgegangen. Im koptischen Lexikon — als Wort-
speicher gesehen — ist höchstens ein Fünftel des hieroglyphisch-ägypti-
schen Wortschatzes enthalten; damit ist etwa die Hälfte des genuin kop-
tischen Wortbestandes durch einheimische Vorläufer gedeckt. Für die
andere Hälfte lassen sich keine ägyptischen Etymologien beibringen. Diese
Schwundrate (2 : 5) ist sprachökonomisch durch das den Erfordernissen des
Ausdrucks entsprechende inkorporierte griechische Wortgut überbrückt,
zahlenmäßig indessen nicht ausgeglichen. A. Böhlig beziffert den grie-
chischen Wortbestand im Koptischen auf etwa 2000 Wörter, und zwar aus
allen Wortgattungen19.
Vormals war die Frage umstritten, ob die griechischen Wörter im Kop-
tischen als Fremdwörter oder Lehnwörter zu gelten haben. Insbesondere
durch die Arbeiten von L. Th. Lefort20 und A. Böhlig 21 hat sich gegenwärtig

18 Auf den Zusammenhang zwischen der Adaption des griechischen Schriftsystems

und der Gestalt der griechischen Wörter im Koptischen verweist G. Garitte, T h L Z 80


(1955). Sp. 342.
1 8 A. Böhlig, Lexikon der griechischen Wörter im Koptischen, Forschungsinforma-

tionen Halle 1 (1962) Abt. D Bl. 24.


2 0 L . Th. Lefort, L e Muséon 52 (1939), S. 4 1 2 — 4 1 5 (Besprechung der Schluß-
lieferung von Crum's Coptic Dictionary); Ders., Gréco-copte, in: Studies Crum S. 65
bis 71.
2 1 A. Böhlig, Ein Lexikon der griechischen Wörter im Koptischen, München 1953

(3. Aufl. 1958), bes. S. 10—14; Ders., Die griechischen Lehnwörter im sahidischen und
bohairischen Neuen Testament, München 1953/54 (2. Aufl. 1958); Ders., Wiss. Z.
Univ. Halle, Ges.-Sprachw. V (1956), S. 6 5 5 I S. auch Anm. 22.

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die Auffassung als Lehnwörter durchgesetzt22. Zugunsten der „Fremd-


wörter" hatte sich der frühvollendete Paul Eric Kahle (f 1955) eingesetzt23.
Die Argumentation nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Alternative, ob
die griechischen Wörter bereits in der vorkoptischen Periode eingeströmt
waren oder erst im Zuge der Übersetzung griechischer Schriften ins Kop-
tische importiert worden sind. Da bei vorliterarischer Übernahme die grie-
chischen Wörter bereits in der Umgangssprache enthalten sind und unab-
hängig von literarischen Anleihen zu einem festen Bestandteil des einhei-
mischen Wortschatzes geworden sind, haben sie den Charakter von Lehnwör-
tern ; Fremdwörter dagegen seien allein durch literarische Übernahme bedingt.
Für die vorliterarische Aufnahme spricht, sofern man sich diese Alter-
native als Unterscheidungsmerkmal zu eigen macht, die jahrhundertelange
Zweisprachigkeit im Niltal, vor allem im Delta. Das von Gräzismen fast
völlig freie Demotisch ist kein Gegenbeweis, da es als strikt literarische
Sprache dem Verdacht des Purismus unterhegt24. Die biblischen Bücher
dagegen sind aus missionarischen Zwecken ins Koptische übersetzt worden,
und zwar gerade für solche Kreise, die des Griechischen nicht mächtig
waren. Es sei zu bezweifeln, ob gerade Nicht-Übersetzung die Verständlich-
keit gefördert hat, sofern diese Wörter nicht bereits aus der Umgangssprache
bekannt waren. Auch wurden nicht nur theologische Begriffe, sondern
Wörter aus allen Lebensbereichen in der griechischen Sprachgestalt bei-
behalten25. Koptische Originalschriften weisen den gleichen oder höheren
Prozentsatz an griechischen Wörtern — sofern der Textbezug den Vergleich
gestattet! — auf wie Übersetzungstexte. Ein gewichtiges Argument hegt
in der Tatsache, daß die Schreibung der griechischen Wörter oft der gleich-
zeitigen griechischen Umgangssprache nahekommt28.

22
Ausweislich des zusammenfassenden Berichtes von Hans-Friedrich Weiß, Zum
Problem der griechischen Fremd- und Lehnwörter in den Sprachen des christlichen
Orients, Helikon 6 (1966), S. 183—209, der bezüglich des Koptischen die Lehnwort-
theorie aufgreift und vertieft. In diese Richtung weist auch bereits der Titel der Arbeit
von V. Girgis, Greek Loan Words in Coptic, B S A C 17 (1963/64), S. 63—73; ebd. 18
(1965/66), S. 71—96.
23
P. E. Kahle, ThLZ 79 (1954), S. 484—486 (anläßlich der Besprechung von
24
A. Böhlig, Lexikon). S. Morenz, Das Koptische S. 97.
25
Vgl. das umfassende Kapitel „Entlehnungsgebiete der griechischen Wörter im
Koptischen" bei A. Böhlig, Lehnwörter S. 152—426.
M
Insofern können „Griechische Elemente im Koptischen als Zeugnis für die
Geschichte der griechischen Sprache" (A. Böhlig in: A B K 1958, S. 62—67) dienen.
S. im übrigen H.-Fr. Weiß, Helikon 6 (1966), S. 185. 199—207.

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334 ÄGYPTEN

Die Vertreter der Lehn worttheorie schließen gelegentliche literarische


Übernahme nicht aus27 und gestehen die Möglichkeit syntaktischer Ein-
wirkung auf das Koptische zu, welche durch den Vorgang der Übersetzung
bedingt sei28. Daraus wird eine Unterscheidung zwischen ursprünglicher
oder primärer Hellenisierung, die sich aus der Zweisprachigkeit ergibt und
sich vornehmlich im Wortbestand ausgewirkt hat, und einer sekundären
Hellenisierung mit syntaktischen Folgeerscheinungen getroffen 29 . Die sog.
sekundäre Hellenisierung spielt indes keine Rolle bei eigentlichen der Alter-
native zwischen Fremd- und Lehnwörtern.
Was die primäre Gräzisierung (des Wortschatzes) anlangt, so tut man
den Vertretern der Lehnworttheorie kein Unrecht mit der Feststellung, daß
sich die Argumentation einseitig auf der Ebene kultur- und literatur-
geschichtlicher Erörterungen bewegt und einer strikt linguistischen Frage-
stellung ausgewichen ist bzw. diese noch nicht erfaßt hat. Es erscheint mir
kein Zufall der Wortwahl, wenn man in diesem Zusammenhang den Begriff
„Gräzisierung" nicht oder nur zögernd verwendet und sich des in der Kultur-
geschichte beheimateten Begriffes der „Hellenisierung" bedient. Gerade
bei nicht stammverwandten Sprachen wie dem Griechischen und dem Kop-
tischen sollten die im jeweiligen Sprachbau objektiven Merkmale — auf
den Wortbau bezogen: die phonologische Struktur — nicht ausgeklammert
werden. Sofern die in der phonologischen Struktur objektivierten Unter-
scheidungsmerkmale als belanglos angesehen werden, ist die Unterschei-
dung von „Fremd"- und „Lehn"wörtern überhaupt fragwürdig, wenn nicht
irreführend. In welche Widersprüche eine Betrachtungsweise führt, die von
den phonologischen Merkmalen absehen zu können glaubt, zeigt die „Be-
weisführung" von A. Böhlig 30 , der die griechischen Wörter deshalb als
Lehnwörter ansieht, weil sie „nachweislich als fester Bestand in die übliche
Sprache eingegangen sind" und daselbst zu einem „äußerst häufigen hy-
briden Gebrauch mit griechischen Wortbildungsformen" führen. „Hybride"

*» A. Böhlig, A B K 1 9 5 8 , S. 6 3 ; H.-Fr. Weiß, a. a. O. S. 2 0 8 .


28
S. insbesondere L. Th. Lefort, A propos de syntaxe copte: T A P 6 MAP€
M T T P T P 6 , Le Musion 6 0 ( 1 9 4 7 ) , S. 7—28 [mir nicht zugänglich], dag. H. J. Polotsky,
Studies Crum S. 7 3 — 9 0 .
29
H.-Fr. Weiß, a. a. O. S. 186 im Anschluß an S. Morenz, Das Koptische S. g8f.
Allerdings schränkt Weiß die syntaktische Einwirkung auf „genaue und getreuliche
Übersetzung" ein und schwächt daher die prinzipielle Frage nach der Möglichkeit
struktureller Beeinflussung ab. Zurückhaltend A. Böhlig, A B K 1958, S. 67.
80
Böhlig, Lehnwörter S. 7 .

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V. E I N W I R K U N G D E S G R I E C H . A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 335

Bildungsformen (wie M N T - A T A 0 O C ) sind eben als solche kenntlich, weil


der eine Bestandteil seine griechische Phonemstraktur beibehalten hat.
Die „hybriden" Bildungen beweisen gerade das Gegenteil, da von Lehn-
wörtern nur dann zu sprechen ist, wenn sie der Phonemstruktur der „Wirts-
sprache" angeglichen sind31.
Während die phonologische Theorie geeignet ist, aus der Aporie ,Fremd-
oder Lehnwörter' herauszuführen32, versagt sie gegenüber der Frage, ob die
griechischen Wörter dem mündlichen Gebrauch entstammen oder auf
literarischem Wege eingedrungen sind. In vielen Fällen wird man über ein
non liquet nicht hinauskommen. Die Anzahl der vollständig ägyptisierten
Wörter ist sehr gering. Da sie dem Bereich von Wirtschaft, Handwerk und
Landwirtschaft zugehören, sind sie gewiß aus dem Alltagsleben und nicht
der Literatur entnommen, vgl.

BAAOT < |IR)ACOTT) Schafpelz


BINAX < Triva£ Schüssel
K6A6BIN < TTÉASKUS Axt
MA(N)KAAB1 < HccyKMßiov Peitsche
M6AA < PÉAAV Tinte
MAN6AA6 < pÓKEÁÁa Hacke
MPP6 < HÉpos Teil33
CATeepe < OTOCTT)P Denar
CTTAt < oirúOi'i Blütenstiel des Palmbaumes
6)NT6) < cnvScov Leinwand
2AY6AA < cryKupa Anker
6APAT6 < KepÓTia pl. Schoten
6GPH < KEipía Binde, Gurt

Es treten auch Fälle partieller Assimilation an die Phonemstruktur des


Koptischen auf.
31 Fr. Hintze, Z P h 2 (1948), S. 364f.
52 Dies i m Hinblick auf den v o n H.-Fr. Weiß, a. a. O. S. 193 apostrophierten
Mangel an „ o b j e k t i v e n Unterscheidungsmerkmalen", der sich in der T a t mit kultur-
geschichtlichen Argumenten nicht aus der W e l t schaffen läßt. So k o m m t H.-Fr. W e i ß
zu dem seltsamen Schluß, daß die griechischen Wörter im Syrischen trotz formaler
Angleichung an das Syrische deshalb Fremdwörter seien, weil „die griechischen Wörter
im Koptischen — obwohl sie hier in weitaus größerer Anzahl als im Koptischen begeg-
nen — in den weitaus meisten Fällen in formaler Hinsicht nur sehr wenig verändert
erscheinen" (S. 198).
33 D a z u S. Morenz, D a s Koptische S. 98 A n m . 1.

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336 ÄGYPTEN

Während das Griechische monophonematische Aspiraten hat (<p 0 x).


repräsentieren im Phoneminventar der oberägyptisch-koptischen Dialekte
die Zeichen CD, 0 , X die Phonemverbindungen f[\Zf, ¡12/, /KZ/. In der be-
kannten Form 2AAACCA für ödAacrcrcx ,Meer' wird das anlautende 0 in
die Phoneme T und 2 zerlegt und T als femininer Artikel verstanden. In
das griechische Monophonem wird infolge der anderen Phonemstruktur
des Koptischen die Morphemfuge T-2(AAACCA) projiziert. — In der Silben-
einheit /6 + Sonor/ kann die silbische Funktion allein auf den Sonorlaut
übergehen. In Angleichung an diese Silbenbildung tritt ¿A/iris gelegentlich
in der Form 2Ä/FIIC auf 34 . Ein Lexikon der griechischen Wörter im
Koptischen würde gewiß weiteres Material bieten, doch kann man jetzt
schon sagen, daß derartige Fälle sehr selten sind. Die phonologische An-
gleichung ist von solchen Erscheinungen zu unterscheiden, wo der Laut-
wandel sich innerhalb des Griechischen vollzogen hat und von da aus
ins Koptische übergegangen ist (Isochrome, Monopthongisierung, Itazis-
mus).
Sehr alte literarische koptische Texte, die eine noch ungefestigte Ortho-
graphie der einheimischen Wörter aufweisen, behandeln die griechischen
Wörter in bemerkenswerter orthographischer Reinheit. Ein Musterbeispiel
ist der frühkoptische Proverbientext Bodmer VI (ed. R. Kasser i960),
dessen bizarre koptische Orthographie in auffälligem Gegensatz zur Schrei-
bung der griechischen Wörter steht. Auch Codex II von Nag Hammadi,
dessen autochthone Orthographie noch sehr unausgeglichen ist, gibt die
griechischen Wörter in kaum getrübter Gestalt wieder. Solche Beobach-
tungen sprechen doch dafür, daß die griechischen Wörter im Koptischen
nicht allein aus dem bilinguen Zustand hervorgegangen sind, sondern auch
auf literarischem Wege eingedrungen sind. Der Übersetzer hat sich dann
bewußt an das Schriftbild der Vorlage gehalten. Damit soll keineswegs
geleugnet werden, daß die griechischen Wörter einen „festen Bestandteil"
im koptischen Wortschatz ausmachen. Als Beweisgrund für den Lehnwort-
charakter ist ein solches Argument jedoch nicht tragfähig. Auch in den
modernen Sprachen, und zwar nicht allein im Wortarsenal der Wissen-
schaft (Technik, Medizin usw.), sind Fremdwörter ein unentbehrlicher Be-
standteil, ohne daß sie dadurch den Status von Lehnwörtern wie .Fenster'
oder .Ziegel' erhielten. Wenn koptische Übersetzer ein bestimmtes Wort

34
ManiH 6, 1 (sie); 53, 33; 81, 27; 84, 24 (sonst 26ATTIC wie auch ManiKP).

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V. E I N W I R K U N G DES GRIECH. A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 337

ihrer Vorlage durch ein anderes griechisches Wort wiedergeben35, so besagt


das nichts weiter als einen unterschiedlichen Grad der Geläufigkeit.
In der bohairischen Bibelübersetzung ist ein umfangreicher Teil der
griechischen Wörter, die in der sahidischen Version gebraucht werden,
wieder ausgeschieden und durch einheimische Wörter ersetzt worden. Mag
hier ein bestimmter Purismus am Werke sein, so ist doch schon in den unter-
schiedlichen Versionen des Apokryphon des Johannes ein schrittweiser
Abbau der griechischen Wörter zu konstatieren. Eine Analyse von R.
Kasser36 zeigt, daß die Version des Berolinensis Gnosticus viel weniger
griechische Worte gebraucht als die Parallelversion NH III (der BG ist
durch andere Merkmale sowieso als jünger erwiesen), und dieser Bestandteil
ist in der letzten Bearbeitung, repräsentiert durch die Langversion NH II,
wiederum reduziert37. Herkunft und Gebrauch der griechischen Wörter im
Koptischen sind also von Fall zu Fall verschieden gelagert. Die generelle
Etikettierung als .Lehnwörter' hält einer Überprüfung nach phonologischen
und nach literaturgeschichtlichen Kriterien nicht stand.

3
Während Schrift und Wortschatz des Griechischen gleichsam an der
„Außenseite" (im Sinne der Wahrnehmbarkeit) des Koptischen liegen, hat
das Griechische auch das sprachliche Verhältnis des Koptischen zu seinem
ägyptischen Erbe beeinflußt37» und hier einige Wandlungen hervorgerufen,
die nicht durch innerägyptische Sprachentwicklung bedingt sind.

GENUS DES NOMENS

Wie S. Morenz beobachtet hat38, sind einige Substantiva des Koptischen


im Vergleich zum Ägyptischen einem Genuswechsel unterworfen, wobei

A. Böhlig, Lehnwörter S. 7 und die Beispielreihe S. 74—79.


35

R. Kasser, Le „Livre secret de Jean" dans ses différentes formes textuelles,


36

Le Muséon 77 (1964), S. 5—16, bes. 6 und 14f. (Gebrauch von Fremdwörtern als
Merkmal der relativen Chronologie).
37 Die Ersetzung griechischer Wörter durch einheimische wird durch Lehnbedeu-

tungen (s. u. S. 346) gefördert.


37a Als Hauptproblem der griechischen Einwirkung bezeichnet H. J. Polotsky

vom syntaktischen Standpunkt aus „le départ entre ce que le copte a hérité de l'égyp-
tien et ce qu'il doit au grec" (Studies Crum S. 73); diese Feststellung gilt auch für
Morphologie und Semantik. 38 Das Koptische S. 98.

22 Altheim-Stiehl, Christentum I

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338 ÄGYPTEN

diese Substantiva mit dem Genus ihres griechischen Synonyms überein-


stimmen und offenbar von da aus beeinflußt worden sind. Der Verdacht
auf griechische Einwirkung wird dadurch erhöht, daß dieser Genuswechsel
noch nicht auf der Sprachstufe des Neuägyptischen erfolgt ist, in einem
Falle sich sogar gegen einen neuägyptischen Genuswechsel kehrt. Eine
systematische Aufarbeitung dieser Materialien muß einer Zeit vorbehalten
bleiben, in der ein etymologisches koptisches Lexikon vorliegt. Die nach-
stehende Aufzählung, die die Beobachtung von S. Morenz m. E. zur Evidenz
erhebt, gründet sich auf die Etymologien in den koptischen Handwörter-
büchern von Spiegelberg (1921) und Westendorf (Lieferung 1 und 2,1965
bis 1967).

A. Genuswechsel männlich > weiblich


(Sofern nicht anders vermerkt, sind die koptischen Wörter in ihrer sahidi-
schen Form aufgeführt.)

Äg. masc. Kopt. fem. Griech. fem.

Iswj, D lswj(t) A C O Y .Preis' Tipni


N Ä 'grt, D 'klt A 6 O A T 6 .Wagen, cxna^a
Karren'
brbr .Spitze' B B6PBIP .Wurfspeer' ßoAis
brk ( < hebr. bäräq) (€)BPH66 ,Blitz' OKJTpccnri
IIb, D jb 6 I A ( A ) B 6 .Krankheit' áaQéveia, paAaKÍa,
vócros
krr, D kVl K A O O A 6 .Wolke' ve<péAri
D kp KHTT6 .Gewölbe' 39 KÚTRR|

énén ,sich gesellen'


(Wb I V 172) > W CHN€ .Versammlung, KAICTÍCC L k 9 , 1 4

Gruppe'
sntj CNTG .Grundlage' ßaais (Morenz)
dkr f 6 6 .Obst' ÓTTCÓpa
wnmj (Wb I 322) O Y N A M .Rechte, f) 8e£iá (se. x e 'p)
rechte Hand'
wh] O Y Q H ,Nacht' vú^
39 Sofern KHITC mit 6HTTG (s. u.) identisch (Westendorf S. 66), ist der Genus-

wechsel gleichwohl durch KÜTTT| bedingt.


40 Die Etymologie Spiegelberg S. 118 wird vom äg. W b nicht bestätigt. Die Ablei-

tung von einem nicht-reduplizierten Infinitiv ist nicht mehr als ein Deutungsversuch.

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V. E I N W I R K U N G D E S GRIECH. AUF D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 339

hb (Wb III 5 7 ) « 2B60 ,Zelt(tuch)' Beppis, CTKTivii,


CTK6TTT142
NÄ imhj (Wb IV 140) 2BOYP .Linke, T) dpicrrepä
D gbir linke Hand' (sc. xeip)
D mh-n-tp 2AMNTWT7 pa9is
,Nadel'(?) 43
hrw-bj] 2POY(B)BAl ßpovrri
.Donner'44
krh.t > NÄ krh masc! 6 A A A 2 T .Krag' KÜTpa, ^uTpcc
(Wb V 62)
gm 6 0 M .Kraft' 50uams
gp
6 H ü e .Wolke' 45 vstpeAri

NÄ gwn (Wb V 140) 600YN6 Sippis


.Sack(tuch)'
6 I X .Hand' X£ip
gi
B. Genuswechsel weiblich > männlich
Äg. fem. Kopt. masc. Griech. masc./
neutr. 46
imnt.t AMNT€ .Unterwelt* <?STIS
iwd.t .Trennung' AYHT .Abteilung, Hovacrrripiov,
Haus' CTUHTTÖCTIOV
irj.t B 6PI .Brot' apTO?
Irt.t 6P60T6 ,Milch* TÖ yaAa
(auch fem.)
'\w.t, D '\jw (fem!) 6IAAY .Leinen, Flachs' Aivov
Gegen Spiegelberg S. 226.
41

O. von Lemm, Kleine koptische Studien, St.-Petersburg 1907, Nr. X — X X ,


42

S. 161 ( = S. 193 der durchgehenden Paginierung).


43 Nach Spiegelberg S. 235 nur fem., nach Crum 422 b masc. und einmal fem.,

was Crum als Fehler ansieht. Einsicht der außer-neutestamentlichen Belegstellen war
nicht möglich. Mt 19, 24 par. Mk ro, 25 entfallen, da hier mit unbestimmtem Artikel
gebraucht.
44 Besonders augenfällig wird die Einwirkung von ßpoirrr) dadurch, daß das

Grundwort 2 POOY .Stimme' masc. ist wie auch2POYMTT6. Die männliche Form von
2P0YBBAI in Mk 3, 17 ist „genealogisch" motiviert („Söhne des Donners"), da die
Benennung nach der männlichen Linie erfolgt.
45 wie Anm. 39.
46 Das griechische Neutrum wird im Koptischen als Masc. behandelt: TÖ <TCÖ|ia =

nCCOMA (Till, KG § 76 Abs. 1).


22»

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340 ÄGYPTEN

m$uv,t B M O Y 6 , M630YI .Glanz' TÖ <psyyos


m'h'.t, D mhw M 2 A A Y .Grab' Toc<pos (Morenz)
md\.t M A X 6 , A x t , Meißel' Aa^EUTTIPIOV
nw.t N A A Y .Schnur, Faden' Aivov
(Crum 88»)
phr.t T7A2P6 .Heilmittel' cpappiccKov
srm.t C A P M .Hefe' Tpuyias
N Ä sk.t C H 6 .Eselsfüllen' TTCÖAOS
dnj.t > dnj (seit Gr.: T H N 6 .Damm, TÖ X ^ U A
W b V 465) Grenzstein'
D smu].t COM O Y Pfahl, Pflock' TrotCTCTaXos
ssr.t B GQHPI ,Brot' äpTOs
D hbete.t 2BHT6, CBHHT6 a<ppÖ5
.Schaum'
hm\.t, D hm\ 2 M O Y ,Salz' TÖ 6Aas
d'b.t B X6BC ,Rost' iös

A u c h Bedeutungstrennung durch das Genus scheint fallweise durch


griechische Synonyma bedingt: ATT6 fem. , K o p f ' < tp.t, D 'p.t entsprechend
griech. KetpaAt], dag. AFT6 masc. .Oberhaupt' entsprechend griech. TrpcoTO-
KCo^TiTTis, A n e N 2 0 Y P I T ccpxi<puAai; (Crum 13»).
Andererseits ist bemerkenswert, daß bestimmte Begriffe, die spezifisch
der ägyptischen Mythologie oder Landeskunde verhaftet sind, gegen grie-
chische Einwirkung gleichsam immun bleiben: p.t > FT6 .Himmel' bleibt
fem. gegenüber griech. ö oöpavös; k'h > KA2 .Erde' bleibt masc.
gegenüber griech. fi y f j ; firj.t .Sproßzeit' > T7PC0 .Winter' (!) ebenfalls
weiblich gegenüber 6 Vh > 0 0 2 ,Mond' männlich gegenüber
r) CTeAr|vr|. m['.t > M H 6 .Wahrheit' fem. fällt im Genus zusammen mit
F) aAf)6eia und smw > 6}WM .Sommer' masc. mit neutr. TÖ 6epos (s. o.
A n m . 46), daher indifferent gegenüber unserer Fragestellung.
Keinesfalls dürfen auch d i e Grenzen übersehen werden, die der grie-
chischen Genuseinwirkung auf das koptische Nomen dadurch gesetzt sind,
daß der als Substantiv gebrauchte Infinitiv im Koptischen stets männlich
ist 47 . Beispiele für die Wiedergabe griechischer Substantiva fem. durch den
Infinitiv aus dem sahidischen Neuen Testament:

47 Steindorff, L B § 220 letzter Absatz. Die Unterscheidung zwischen „männlichen"

und „weiblichen" Infinitiven ist im Koptischen gegenstandslos.

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V. E I N W I R K U N G D E S G R I E C H . A U F D I E K O P T . L I T E R A T U R S P R . 341

AMA2T6 Gewalt, Stärke — ICTX^S, K0CTCKT)(£O,l5

ACAÍ Leichtfertigkeit — lAoccppia


BO)A GBOA Auflösung — ávóAuais
eme Aussehen; Ähnlichkeit — siSéa, ¿liOiÓTris, ónoícoais,
opotais
K(0 6B0A Erlaß — ci:<pECTis
KCOK A 2 H Y Nacktheit — yviivÓTTis
K6ÚNC Schlachtung — crqjccyr]
K03T Bau; Erbauung — oíkoSojiti
KTO Bekehrung — éinoTpo<pií
AüdKZ Beklemmung, Enge — CTTEVOXCOpía, CTUVOXTÍ

MTON Erquickung, Ruhe — avá-rrauais


TAAO Auflegung — éitíOectis
T A A O €2 P A Í Darbringung — -rrpoacpopá
0BBIO Demut, Demütigung — Tcar8ivoq>poCTÚvr|,

Torrreívcoais

Da jeder koptische Infinitiv außerhalb der Konjugation als Nomen ge-


braucht werden und zur Wiedergabe beliebiger griechischer Substantiva
dienen kann, besteht bei griech. weiblichen Entsprechungen ein konstanter
Dissensus im Genus. Hatte das Koptische eigensprachliche Mittel, diesen
Dissensus auszugleichen ? Daß die Tendenz zum Ausgleich bestand, lehren
die Wörter, die nach Maßgabe ihres griechischen Synonyms das Genus
gewechselt haben. Jener Wechsel konnte ohne Eingriff in die Wortstruktur
vollzogen werden, da das Genus des koptischen Nomens prinzipiell nicht
an der Wortgestalt haftet, sondern am Artikel. Dieser Modus der Genus-
änderung entfällt beim substantivisch gebrauchten Infinitiv. Betrachten
wir unter diesem Gesichtspunkt die sog. „jungen Bildungen"48 mit den
Personalsuffixen -H und -C, bei denen das Suffix keine possessive49 oder
determinierende Funktion hat, sondern ausschließlich das Genus des
Nomens bezeichnet. Bei dieser Bildungsweise tritt das Suffix an das Quali-
tativ des Verbums60, seltener an den Status pronominalis. Dem Ägyptischen

Steindorff, L B § 121.
48

Grundlegend zu unterscheiden von den Wörtern, wo das Suffixpronomen noch


48

den Besitzer anzeigt: Till, K G § 188.


50 Das Bildungsprinzip ist von C. R. C. Allberry, ManiP S. io Anm. erkannt wor-

den, hat in den koptischen Grammatiken jedoch keine Beachtung gefunden. D a ß


tatsächlich das Qualitativ und nicht der Status pron. zugrunde liegt, zeigen Formen

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342 ÄGYPTEN

sind solche Bildungen völlig fremd, und für das Demotische vermag W.
Spiegelberg „nur ein sicheres Beispiel" anzuführen 51 . Im Koptischen da-
gegen ist diese Bildungsweise ziemlich produktiv 52 . Der Funktionswandel
des alten Personalsuffixes zum Genusindikator kann als Reaktion auf den
Verlust der alten Genusendungen verstanden werden; im Demotischen war
eine solche Ersatzbildung nicht erforderlich, da die Genusendung — obwohl
nicht mehr gesprochen — in der Schrift beibehalten wurde. Die traditions-
lose koptische Schrift bedurfte zumindest fallweise eines Ausgleiches, der
durch das Genus griechischer Synonyma veranlaßt sein mochte. Die An-
wendung des Personalsuffixes bot sich um so mehr an, als im System der
Konversion (s.o.S. 328) das Possessivsuffix in seiner eigentlichen Funktion
gleichsam eingespart und durch den vorangestellten Possessivartikel er-
setzt worden war 53 . Mit dieser Deutung trifft sich der Befund, daß die
Genusbezeichnung mittels des Suffixes ganz überwiegend bei weiblichen
Nomina dequalitativa angewandt wird: für das Masculinum war eine
Genusanzeige weniger erforderlich, da der koptische Infinitiv ein Nomen
masculinum ist.

Infinitiv Qual./Pron. abgel. Nomen entspr. griech.

MKA2 fMOK2 f. MOK2C Schmerz f. Tincopioc, oSuvr)


(Crum 164 b)
MTON fMOTN f. MOTN(€)C Ruhe f. ävoaraucns
(Crum 195 a/b)
NOY2B fNA2B m. NA2BM Joch m. £uyös
(Crum 243 a)
TTÜ)P6) fTTOPiO f. TTOPCgC Tafel f . Tpcrrre^a
(Crum 271 a)
54
1763 PZ trropx f. A 2 T7APXC Trennung

wie PAYTH (Inf. OYPAT, Qual. PAYT A a ) und KAPAITH .Schweigen' A 2 (von KA-PO
„den Mund halten", zu dem nach Analogie der T-Kausativa das Qualitativ KA PA IT
gebildet worden ist).
61
W. Spiegelberg, Demotische Grammatik, Heidelberg 1925, § 35 Anm.
52
Die Beispielreihe unten gründet sich nicht auf eine systematische Durchsicht
des koptischen Wortschatzes.
53
Unsere Herleitung versteht sich auch als Alternative zu Steindorffs (LB § 121)
Erklärung als Ausdruck der „Verwilderung der Sprache".
64
Griech. Äquivalent nicht belegt, vgl. aber S TTOOPX (masc.) — fem. SialpE<Ji$,
6iaoroAr|, Si/oo-raala (Wilmet II = CSCO 183, S. 636).

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V. E I N W I R K U N G DES GRIECH. A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 343

Infinitiv Qual./Pron. abgel. Nomen entspr. griech.

n«2 UAZ- f. TTA2C Beute f. 6r|pa, aqjayi)


(Crum 281 a)
TiOOiBG f. TOOB6C Siegel f. aq>pccyis
fTOOBe f. „
m. TOOB6H „
(Crum 281a)
C(OOY2 f. COOY2C f. £KKAr]aia,
fCOOY2 Versammlung CTuvcxycoyr),
ovveSpia
(Crum 373")
a p y a .Fang' (von
Fischen) Lk 9, 5
ran TOTT* f. TOÜC Gewohnheit m. eöicruos
(Crum 423 a)
fPAYT A 2 m. PAYTM Freude 55
OY POT
(ManiH 9,16)
B PiüOYTW (N2HT)
JOBÜ) f. OB(i)C Vergessenheit f. a y v o i a
COBÜ)
(Crum 519b)
wn fHÜ f. HT7C Zahl, Anzahl m. dpiönos
kW* f. AITC idem m. „
(Crum 14 b)
£02C ozc* m. 02CH Sichel n. Speiravov
(Crum 539 a)
ü)6)A (j)OA" f. 0)0AC Beute, Raub f. Trpovopt)
(Crum 558 a)
2£ü)K6 XOOK= m. XOOKM Stachel n. KevTpov
(Crum 763 a)
660 P6 f60P6 f. 6 O P 6 C Falle, Netz f. Oipcc, irayis
(Crum 830 b)

Durchgehend different gegenüber dem griechischen Äquivalent ver-


halten sich nur HT7C/ATTC .Zahl': dpiöpos, wohl durch das nicht erweiterte
weibliche Nomen HT76 < ip.t (auch D) ,Zahl' bedingt, und TOFTC: eöiayos;
partiell different TOOB6C/TOOB6M .Siegel': cnppayis. DieStammerweite-

Griech. Äquivalent nicht belegt, vgl. Crum 490®.

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344 ÄGYPTEN

rung durch genusanzeigendes Suffix darf daher dem Ursprung und Prinzip
nach der auch sonst nachweisbaren Tendenz des Koptischen zugerechnet
werden, das Genus des Nomens dem seines griechischen Äquivalents anzu-
gleichen.

LEHNBILDUNGEN

Gegenüber dem ägyptischen Sprachgebrauch sind im Koptischen einige


Wortfügungen (Komposita und bildliche Wendungen) außer Gebrauch ge-
kommen und durch Nachbildung der lexikalischen und phraseologischen
Entsprechungen des Griechischen ersetzt worden. Bei derartigen L e h n -
b i l d u n g e n 6 6 wird nicht der griechische Ausdruck nach Maßgabe der Lehn-
und Fremdwörter ins koptische Vokabular übernommen, sondern der
griechische Ausdruck wird mit eigensprachlichen lexikalischen und mor-
phologischen Mitteln in der Weise wiedergegeben, daß deren Verbindung
den gleichen semantischen Effekt erzielt wie die betreffende griechische
Wendung. Durch das Zusammenspiel der lexikalisch-morphologischen Ein-
heiten werden Bezeichnungen gewonnen, die vor der Gräzisierung des Ägyp-
tischen mit anderen lexikalischen Mitteln gebildet wurden. Dieser Sach-
verhalt wird hier als ,Lehnbildung' charakterisiert (S. Morenz: Lehnüber-
setzung, vgl. Anm. 56), um die strukturelle Nachbildung hervorzuheben.
Leider gibt es trotz der Anregung von S. Morenz kaum Vorarbeiten für
dieses Problem im Koptischen, so daß die folgende Aufstellung das Material
nicht erschöpfen kann, sondern allenfalls Beispielcharakter hat.

1. Cnro-uevEiv .ertragen, erdulden': MI 2 A gegenüber äg. whd W b I


356.
2 Ti 2 , 1 0 6 T B 6 TTAÏ +MI 2 A TTTHPM 6 T B 6 NC6JTTT
6ià TOÜTO T r á v T a Cnropiévco 6ià t o ù ç èkàektoùç

Jac 1 , 1 2 N A ï ATM M í l P t ó M e 6TNAMI 2 A O Y T T e i P A C M O C


licnrápios ccvT|p, ôç Crrroueveï i r e i p a a n ó v

2. ETT-aípetv toùç ô(p6aX|aoùç ,die Augen emporheben, emporblicken':


MI N N B A A 6 2 P A Ï gegenüber äg. flj hr ,das Gesicht erheben' W b I 572.
Vgl. Mt 1 7 , 1 8 ; L k 18, 13; J 0 6 , 5; 11, 41; 17, 1.

56 Das Problem ist von S. Morenz, Das Koptische S. 98 unter dem Stichwort

.Lehnübersetzungen' angeschnitten worden.

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V. E I N W I R K U N G D E S GRIECH. A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 345

3. TrpoacoTroXriijnTTeiv, TrpÖCTcoTTOu Aapßävsiv .parteiisch sein': X l - 2 0


„das Gesicht ( = die Person) annehmen" gegenüber äg. rdj hr gs „auf die
Seite geben" Wb V 192.
Rö 2 , 1 1 M NX 1 - 2 0 TAP 2ATM TTN0YT6
oü yöcp eoTiv irpoacoTroXrmyia n a p a tw 6ew
J a c 2, 9 eI 8e TrpoacoTToArnjnrreTTe, äpiapTiav epyä^aOE
e a ) x e TGTNXi-zo Ae OYNOBG n e T e T N e i p e MMOC
Gal 2, 6 TrpoacoTrov 0eös ävöpcbTTOU oü AapßavEi
T7NOYT6 M6HXI-20 NP03M6
1 Petr 1 , 1 7 ä-TTpOCTCOTTO-AriHTTTCOS: AXN-XI-20 (s. auch Crum647 b )
ManiK 288,18 MTTMHT A B A A MTTKPITHC NT€ TMH6 n6T€MAHXI-
2 0 NAA0Y6
,vor dem Richter der Wahrheit, der nicht parteiisch ist'.
4. dva-ToAri .Osten': MA NQ)A ,Ort des Aufganges' gegenüber äg.
%b.t Wb I 30 (Morenz); auch: MA/CA MT7PI6 ,Ort' bzw. .Seite des Auf-
leuchtens'.
5. Entsprechend 4. Sucris, 8uctht| .Westen': MA/CA N260TTI ,Ort' bzw.
.Seite des Unterganges' gegenüber äg. Imn.t Wb I 86.
ManiK 7 , 1 9 T7KA2 MnCAN20)TTT .das Land des Westens' (wörtl. ,der
Untergangs-Seite').
6. -irAEo-vs^ia .Habgier': M N T M A l - T O - N 2 0 Y 0 „Liebe nach Mehr-
anteil" Mk 7, 22 u. ö. gegenüber äg. 'wn.t-ib Wb I 172.
7. TroAu-Aoyia .Geschwätzigkeit': MNT2A2-N6QAX6 „Viel-Wertig-
keit" gegenüber äg. '¿j-r] „zahlreich an Mund" W b l 288; 'Q-hrw „zahl-
reich an Stimme" ebd.; Sm-r](.f) „Gehen des Mundes" Wb IV 465; mdw.tj
„Vielredner' Wb I I 182 (das Abstraktum ist im Ägyptischen lt. Wb nicht
belegt).
Der entlehnte Charakter derartiger Bildungen wird um so deutlicher,
wenn der koptische Wortschatz das ägyptische lexikalische Material ent-
hält und die ägyptische Bildungsweise zu reproduzieren imstande wäre,
z. B. 2. f]j hr > »MI 2 0 , 7. > *A(i)A1 NPO o. ä.
Nachdem bestimmte griechische Bildungsprinzipien in den koptischen
Lehnbildungen bzw. -Übersetzungen gleichsam Modellcharakter erlangt
hatten, konnten beliebige griechische Komposita dergestalt nachgestaltet
werden, daß einer der Bestandteile der Zusammensetzung in seiner grie-
chischen Sprachgestalt beibehalten wurde57, z. B.
67
Die Komposita sind ausführlich behandelt bei Böhlig, Lehnwörter S. 63. 69—73.

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346 ÄGYPTEN

CTUv-xAripovönos OQBP-KAHPONOMOC ,Mit-Erbe*


cpiX-iiSovos MAI-2HAONH .freude-liebend'
a-KapTros AT(< Iwtj .nicht habend')-KAPFTOC ,frucht-los'
Kap-TTO-cpopsiv f-KAPTTOC ,Frucht-bringen'.

Die Voraussetzung für „hybride" Bildungen, d. h. die morphematische


Integration zusammengesetzter griechischer Fremdwörter, ist in den Lehn-
bildungen geschaffen worden.

LEHNBEDEUTUNGEN

Es kommt vor, daß koptische Wörter einheimischer Herkunft neben


der durch die ägyptische Sprachgeschichte vermittelten Bedeutung eine
spezifische Bedeutung in Übereinstimmung mit ihrem griechischen Äqui-
valent aufweisen. Solche Sonderbedeutungen, die nicht der ägyptischen
Wortgeschichte entstammen, sondern durch das griechische Äquivalent
bestimmt sind, sind als Lehnbedeutungen zu bezeichnen. So führt S.
Morenz den Bedeutungsgehalt von 6 0 M ,Kraft' als „Krafttat, Wunder"
auf den entsprechenden Wert von Süvccuis zurück58. Die von W. Bauer59
angeführten neutestamentlichen Stellen für 8üvot|jus — .Krafterweis,
Wunder' werden in der sahidischen Version sämtlich mit 6 0 M wieder-
gegeben. Die spezifische Bedeutung von 606 ,Holz' als „Kreuz" ist durch
oraupos bewirkt. Daher kann 0)6 direkt zur Wiedergabe von aravpös
dienen (Crum 546"), wobei £uAov als Synonym für araupös60 eine Mittler-
rolle gespielt hat. Analog ist 61606 .hängen' im Sinne von „kreuzigen"
(CTTCXupoOv) behandelt worden (Rö 6, 6 ctu-; Hebr 6,6 dva-). Für 2 0
,Gesicht' < hr läßt sich einige Male die Bedeutung „Person" gemäß der
Ambivalenz von TrpÖCTOOTTOv erweisen; upÖCTooTrov wird im sah. NT durch-
wegs mit 2 0 wiedergegeben, während umgekehrt TrpoacoTtov als Fremd-
wort fehlt. So dürfen für 2 0 = „Person" die oben unter 3. angeführten
Lehnbildungen des Ausdrucks .parteiisch sein' („die Person annehmen")
in Anspruch genommen werden, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
auch 2 Kor 1, Ii 61 . Die achmimische Version des 1. Klemensbriefes (ed. Carl

68
S. Morenz, Das Koptische S. 98.
59
W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testa-
ments und der übrigen urchristlichen Literatur, 5. Aufl. Berlin 1958, Sp. 412 Nr. 4.
80
W. Bauer, ebd. Sp. 1086/7.
81
So W. Bauer, ebd. Sp. 1431.

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V. E I N W I R K U N G D E S GRIECH. A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 347

Schmidt) dagegen gibt TrpöcrcoTrov ,Person' (i, i ; 47,6) mit PWM6


.Mensch, Mann' wieder (deest Rösch)62.
Die Präposition 0 Y B 6 .gegen, hin' dient im sah. NT durchgehend
zur Wiedergabe von Kcrra Gen., wie ja diese Präposition mit Gen. nicht
ins Koptische übernommen ist. Auch außerhalb des NT ist O Y B 6 Rich-
tungspräposition (Crum47Öa). Sehr geläufig im Koptischen ist die Prä-
position Korrct mit Akk. .entsprechend, gemäß, je'. Der Gebrauch von
O Y B 6 „entsprechend" ist eine Lehnübertragung von kcctcc m. Akk. auf
diese koptische Präposition. Ein solcher Gebrauch liegt vor in der stehenden
Wendung O Y B € T 7 M Y C T H P I O N „entsprechend dem Mysterium" (die der
Prägung K c c r a t ö [iucrrripiov entspricht) in ManiK 39, 16. 2 1 ; 40, 2 , 1 6 ;
4 8 , 3 1 ; ebd. 1 3 4 , 1 1 O Y B 6 T 2 I K 0 3 N M T T n e T X A C e „entsprechend dem
Bilde des Erhabenen"; ebd. 169,28 6 T B 6 F I C W M A NTAYCMNTH
O Y B 6 n i N 6 M i T K O C M O C „über den Körper, daß er entsprechend dem
Bilde des Kosmos etabliert ist". Die Lehnbedeutung von O Y B 6 in den
manichäischen Kephalaia hat besonderes Gewicht, da dem subachmi-
mischen Text ein aramäisches Original zugrunde liegt63, O Y B 6 „entspre-
chend" also nicht von einer griechischen Wortvorlage abhängig ist. Hier
ist an die treffende Formulierung von A. Böhlig64 zu erinnern, „daß (manch-
mal) erst im Laufe der Zeit das synonyme koptische Wort den Terminus-
wert des griechischen annimmt; darum hat auch das Bohairische oftmals
einen Ausdruck, der im Sahidischen ganz oder großenteils noch griechisch
wiedergegeben wurde, mit einem einheimischen Wort erfaßt".
Daß Bedeutungsübertragungen auf einheimische Wörter nicht in jedem
Falle ausreichen, einem bestimmten Bedeutungsgehalt zu entsprechen, lehrt
das Wort Etpr|vr|, das durchgängig in alle Dialekte des Koptischen auf-
62
I M g 6, 1 (dazu W . Bauer, a. a. O. Sp. 1 4 3 1 ) ist in koptischer Übersetzung nicht
überliefert.
83
E i n aramäisches Original zu den manichäischen Kephalaia scheint mir nach
den älteren Studien von A . Baumstark, Oriens Christianus 3. Serie 1 0 (1935), S. 265t.
und ebd. 3. Serie 1 2 (1938), S. 1 6 9 f f . , bes. 1 7 8 nunmehr erwiesen durch F r a n z Altheim,
Die vier Weltreiche in den manichäischen Kephalaia, in: Probleme der koptischen
Literatur (Wiss. Beiträge d. Univ. Halle 1968/1), S. 1 1 5 — 1 1 9 ; danach dürfte auch
ein griechisches Zwischenglied zur koptischen Version auszuschließen sein. — Dem-
gegenüber setzt A . Böhlig jetzt ein griechisches Original an, indem er M a n i K 249, 3 4
(Lieferung 1 1 / 1 2 , 1966) bei TTAXAIC das Poss.-pron. nicht übersetzt, da T7AXAIC
Wiedergabe von xüpie sei (Anm. z. St.). E s gehört schon eine vorgefaßte Meinung
dazu, an der lexikalisch und morphologisch vollkommenen Entsprechung von aram.
mär(i) vorbeizusehen.
84
Böhlig, Lehnwörter S. 2 3 .

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348 ÄGYPTEN

genommen worden ist: das Koptische hat kein eigenes Wort für „Frieden" 45 .
— Hat die über Jahrhunderte sich erstreckende Knechtschaft unter Dia-
dochen, Römern und Byzantinern den mit htp beschriebenen Zustand aus
dem Bewußtsein des Volkes verdrängt? Es ist gleichsam Ironie, daß die
koptische Form 260TTT nur in der Bedeutung „Untergang" fortlebt.

SYNTAKTISCHE EINWIRKUNGEN

Wenn an der Wiege und auch auf dem Lebenslaufe der koptischen
Literatur Ubersetzungen aus dem Griechischen stehen, ist eine syntaktische
Einwirkung des Griechischen auf den koptischen Satzbau a priori anzu-
nehmen. Doch will es scheinen, daß solcher Einfluß zu hoch oder zu selbst-
verständlich angesetzt wird66. Wenn man sich klarmacht, daß die koptische
Schriftsprache direkt oder indirekt dem Griechischen verpflichtet ist, so
ist der Einfluß der griechischen Syntax um so schwerer wägbar, als eine
nichtgräzisierte, also „rein" koptische Schriftsprache, nicht existiert. Der
Kopte Hierakas, den ich mit Carl Schmidt 87 als Begründer der koptischen
Schriftsprache ansehen möchte, beherrschte das Griechische in gleichem
Maße wie seine Muttersprache67». Der erste koptische Originalschrift-
steller, von dem wir nähere Kunde und eigene Schriften haben, Pachom,
kannte sein Neues Testament, den Psalter und die Weisheitsliteratur; d. h.
was er an Literatur kannte, war Übersetzungsliteratur. Im aramäischen
Sprachgebiet liegt die Sache wesentlich anders. Es ist bekannt, daß der
aramäische Charakter der (buch)syrischen Syntax durch das Griechische
stark zersetzt worden ist. Die syntaktischen Gräzismen des Buchsyrischen
lassen sich dadurch abheben, daß original-aramäisches Vergleichsmaterial,
will sagen, eine durchgebildete aramäische Schrift- und Verkehrssprache in

65
Bereits von S. Morenz, Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann, Leipzig/
Berlin 1951, S. 89/90 festgestellt.
" S. dazu die grundlegenden Ausführungen von H. J . Polotsky, Modes grecs en
copte ? In: Studies Crum S. 73—90.
87
Darbietung und Erörterung des Materials bei C. Schmidt, Z N W 24 (1925),
S. 221—223 (Epiphanius, pan. haer. 67, 1, 1—4; 3, 7—9). Für die Historizität des
Epiphaniusberichtes über Hierakas spricht sich auch Karl Heussi, Der Ursprung des
Mönchtums, Tübingen 1936, S. 59 bes. Anm. 4 aus. Zur Chronologie des Hierakas s.
Heussi, ebd. S. 58 Anm. 2 (Hauptwirksamkeit zwischen 285 und 340).
•'» Epiph., pan. haer. 67, 1, 3 ( = Holl III S. 133, 7f.): TTAVU 81 T^V Atyimrioov
iTTiorÄUEvos yA&xjcrav (AlyÜTmos yap ö dvfip fjv), dAXä Kai Trj TCÜV 'EAArjvcov T S T p c o -
|iivo$ oO niKpcö?. Epiphanius, pan. haer. 67, 3, 7 ( = Holl III S. 136, 9): ovveypdvyaro
SK "EXXT|VIKC5S TE Kai AtyvrrnaKcös-

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V. E I N W I R K U N G D E S G R I E C H . A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 349

Gestalt des Reichsaramäischen vorhanden ist. Im Koptischen haben die


voraufgehenden Sprachstufen geringeren Vergleichswert infolge des zeit-
lichen Abstandes und des sich sukzessiv vollziehenden typologischen Um-
baues der ägyptischen Sprache. Der typologische Umbau hat die Adap-
tierung des Griechischen erleichtert, ist jedoch nicht durch das Griechische
bewirkt worden. Das kunstvolle, in strenger Ordnung aufgebaute koptische
Konjugationssystem 68 wurde der griechischen Tempora und Modi weitaus
differenzierter Herr als etwa das Aramäische. Daß das koptische Konjuga-
tionssystem nicht nach griechischem Muster aufgebaut ist, bedarf keiner
Beweisführung. Es sei nur vermerkt, daß das koptische Konjugationssystem
kein Genus verbi kennt, mithin das Passiv als eigene grammatische Kate-
gorie nicht vorhanden ist. Obwohl sich die koptischen Übersetzer allent-
halben mit dem Genus passivum konfrontiert sahen, haben sie diese Kate-
gorie nicht ausgebildet. Zahlreiche hypotaktische Konjunktionen des
Griechischen, die ins Koptische übernommen worden sind, haben dort
semantisch präzisierende Funktion, während die koptische Satzstruktur
davon unabhängig ist (z. B. 2 0 T A N 6MCQAN- zur Einleitung von Be-
dingungssätzen ; Färbung des Circumstantialis). In solchen Fällen wird das
koptische Konjugationsthema, das seine Etymologie verloren hat, durch
griechische (oder koptische!) Konjunktionen semantisch gestützt.
Griechische Einwirkung liegt dagegen dann vor, wenn eine Konjunk-
tion einen der griechischen Syntax entsprechenden Modus hervorruft, der
unabhängig von der gegebenen Konjunktion nicht in dieser Funktion ver-
wendet wird.
Bestimmte Konjunktionen, von denen hier Iva näher betrachtet sei,
ziehen auch im Koptischen den Konjunktiv nach sich89.
21 NA dient im B(F) und in einigen gnostischen Texten zur Einleitung
des Finalsatzes. Für B(F) vgl. Till, DG § 296. 298. (Im B allerdings nicht
ausschließlich, da bohairische Tochterversionen aus dem Sahidischen den
Finalsatz auch mit X6 + Futur II/III einleiten70.) E V 18, 5 0)1 NA

68
Erschlossen durch H. J . Polotsky, The Coptic Conjugation System, Orientalia
NS 29 (i960), S. 392—422.
69
Aufzählung der in S gebrauchten Konjunktionen dieser Art bei Till, K G § 366;
mit Differenzierung nach S: B s. Böhlig, Lehnwörter S. 55—60.
,0
Vgl. etwa die „Homilie über die Hochzeit zu Kana und andere Schriften des
Patriarchen Bejamin I. von Alexandrien" ed. C. D. G. Müller, Heidelberg 1968, S. 68,
12—14 21NA m. Fut. II; S. 70, 4. 8. 16 m. Fut. I I I ; m. Fut. III in der bohai-

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350 ÄGYPTEN

NCB60A ABAA N6I +BCi)6 .damit die Vergessenheit aufgelöst werde', vgl.
auch ebd. 17, 33; 23, 6; 24,14—16; 37, 28f; 38, 36; mit Futur II 23,16 bis
18; 25, 22f. — EvPhil 110, 3 C0INAA6 NAM6 NTN+ .damit wir aber
wahrhaftig geben'. In NH II wird iva (6)INA) sonst durchwegs mit dem
Futur II verbunden. — Apk NH V 49,17 21 NA NT6TNNAY 6 P 0 6 I .da-
mit ihr mich seht'; ebd. 18,12f. aber 2INA 2£6 m. Fut. II, 76,11; 82,
18 m. Fut. III.
Da der koptische Konjunktiv seiner eigentlichen Funktion nach ein
Adjunktiv ist (Till, KG 231 ff.), erscheint der final-hypotaktische Gebrauch
durch das griechische Vorbild bedingt; d. h. durch syntaktische Gräzi-
sierung wird der koptische „Konjunktiv" (die gängige Bezeichnung ist
sowieso fragwürdig) zum „Subjunktiv". Gleichzeitig muß betont werden,
daß dieser Sprachgebrauch nicht systematisiert worden ist, Beispiele s. o.
(In der klassischen sahidischen Literatursprache kommt er überhaupt
nicht vor.)
Aufnahme bzw. Beibehaltung griechischen Sprachgebrauchs, aber nicht
eigentliche Gräzisierung — wenn wir diese als Eingriff in das Verhältnis
des Koptischen zu seinem ägyptischen Erbe verstehen —, zeigt sich im
Gebrauch griechischer Negationen. So werden pir| und prjTi, entsprechend
der griechischen Syntax, im Fragesatz verwendet, während ouSe (häufig
in der Form OYT6) Aussagesätzen vorbehalten ist 71 .
Was die W o r t f o l g e anlangt, so sind hier einige Differenzierungen er-
forderlich. Der Umstand, daß die griechische Wortstellung bei Partikeln
(ccAAcc an erster Stelle, Se und y ä p an zweiter Stelle bzw. nach der ersten
abgeschlossenen Akzenteinheit) beibehalten wird, besagt noch nichts für
eine syntaktische Gräzisierung. Von syntaktischer Gräzisierung könnte nur
dann die Rede sein, wenn die entsprechenden k o p t i s c h e n Partikeln die
gleiche Stellung wie die griechischen einnehmen würden. Adversatives
NTOM .dagegen, aber' tritt jedoch nicht in Spitzenstellung auf, 6BOA
X£ .denn, nämlich' wiederum nimmt die erste Stellung ein; allein 8s und
6 6 fallen in der Wortstellung zusammen, da beide dem gleichen Akzent-
gesetz unterliegen.
Mit Sicherheit ist die Nachstellung eines nominalen Subjekts hinter das
Prädikat im zwei- und dreiteiligen Konjugationsschema als Ergebnis der
rischen Version des Testamentes Isaaks bei P. Nagel, Zur sahidischen Version des
Testamentes Isaaks, in: Wiss. Z. Univ. Halle, Ges.-Sprachw. X I I (1963) S. 260.
71
S. Morenz, Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann S. 93.

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V. E I N W I R K U N G D E S GRIECH. A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 351

Einwirkung griechischer Syntax faßbar72. Diese Wortfolge ist infolge Kon-


version der alten siw./-Konjugation im koptischen Konjugationssystem
nicht mehr zu erzielen73: Das nominale oder pronominale Subjekt geht dem
verbalen oder adverbialen Prädikatsausdruck voran. Bei Nachstellung des
nominalen Subjekts ist die sog. N61-Konstruktion erforderlich: SpronP
N6l-Snom. Die Partikel N6I ist kein Bedeutungsträger, sondern hat
einzig die grammatische Funktion (und wird außerhalb dessen nicht ver-
wendet!), die Nachstellung des nominalen Subjekts (nur dieses!) zu ermög-
lichen. Die Wortfolge Prädikat / nominales Subjekt ist in der griechischen
Koiné, also in den primär zur Übersetzung anstehenden neutestamentlichen
Schriften und auch in der griechischen Umgangssprache derart geläufig, daß
sich die Ubersetzer ständig mit ihr konfrontiert sahen und dieselbe schon
von der Rede her im Ohr hatten. Deren Nachbildung erweiterte die kop-
tische Morphemfolge, setzte sie aber nicht eigentlich außer Kraft; denn i.
ist die Nachstellung auf ein nominales Subjekt (Substantiv) beschränkt,
d.h. ein selbständiges Pronomen (OCÙTÓS-NTOH) entzieht sich im Kopti-
schen solcher Wortfolge, und 2. muß das solchermaßen nachgestellte Sub-
jekt an der durch das Konjugationsmodell bedingten Stelle (I oder II)
durch das entsprechende pronominale Subjekt vorerwähnt sein.
Dieser an sich bekannte Sachverhalt ist hier im Hinblick auf die beider-
seitigen Sprachstrukturen ausgeführt worden, da die N61-Konstruktion
einen Modellfall für die Voraussetzungen, Möglichkeiten und auch die
Grenzen griechischer Einwirkung auf die koptische Syntax bietet. Das
griechische Vorbild vermag wohl Varianten der syntaktischen Kombination
hervorzurufen, nicht aber die Grundstruktur des koptischen Konjugations-
schemas aufzulösen.
Auf einem anderen Blatt stehen Übersetzungsgräzismen, also
Fälle, wo der koptische Übersetzer in sklavischer Anlehnung an die gege-
bene Vorlage bestimmte morphologische und syntaktische Eigenheiten
des griechischen Ausdrucks ad hoc übernimmt. Im weiteren Sinne gehört
dazu auch die Aufnahme von Fremdwörtern, besonders bei abstrusen Wort-
gebilden gnostischer Spekulanten, die sich der Lehnbildung oder Überset-
zung sperren74.
72
Grundlegend: S. Morenz, ebd. S. 94; Das Koptische S. 99 m. Anm. 2 (Lit.).
73
Abgesehen von den Resten der Suffixkonjugation: Till, K G §281—286. OYN
und MN gehören nicht dazu, da ihnen das wesentliche Merkmal der Suffixkonjugation
fehlt, nämlich ein suffigiertes pronominales Subjekt.
74
Einige Kostproben bei C. Schmidt, ZNW 24 (1925), S. 233.

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352 ÄGYPTEN

Ein typischer Fall ist die Beibehaltung griechischer Genus- oder Kasus-
endungen, die sonst nach den gängigen Regeln des Koptischen behandelt
werden.
NH II 136,13t. (HA) und 156,24 (SoT) bieten TTKA2 N A A A M A N T I N H
,die stählerne Erde': ein griechisches Adjektiv mit griechischer Feminin-
endung wird zu einem im Koptischen maskulinen Substantiv gestellt. Da-
hinter steht f) yfi f) àSctuavrivri, wobei nicht beachtet ist, daß die kop-
tische Entsprechung zu yfi männlich ist78. Sonst ist das Genus des kopti-
schen Leitwortes — auch in der Übersetzungsliteratur ! — für das Genus
des Adjektivs maßgebend76. — NH II 150,34 (SoT) bietet ACNOXH
6TTITN e n T A P T A P O N ,sie warf ihn hinab in den Tartaros': T A P T A P O N
ist ein nicht aufgelöster griechischer Akkusativ (KorreßaXEV aÙTÒv EIS TÒV
TapTapóv).
Bern. : Während derartige sporadische Übersetzungsgräzismen einen ziemlich
bündigen Beweis für die Originalsprache eines koptischen Textes liefern", schei-
den für die Frage nach der Ursprache solche Formen des casus obliquus (z. B.
M A P T Y P O C statt oder neben M A P T Y C ) aus, die nicht in der gleichen syntak-
tischen Funktion wie im Griechischen stehen. Jene Formen spiegeln den in der
Koiné vorbereiteten oder durchgeführten Übergang in eine andere Deklinations-
klasse wider und sind im Koptischen systematisiert worden 78 .

EvPhil NH II 127, 5 — I i hat in einer längeren Passage vor nachge-


stelltem Subjekt N61 ausgelassen: (wenn du Pferd oder Esel wirst . . .)
HNA6Ü) MGPITK A N 0 Y T 6 TTPCùMe OYT6 nTINÄ OYT6 TTAOrOC
OYT6 Ff OY 0 6 IN ,wird dich nicht lieben können: weder (OUTE) der Mensch
noch (OUTE) der Geist noch (OUTE) der Logos noch (OUTE) das Licht.'
In Anlehnung an die griechische Vorlage hat der Übersetzer die postponierte
Subjektkette durch 0 Y T 6 eingeleitet und daher N61 nicht einbauen
können, es sei denn, er hätte auf das einleitende 0 Y T 6 verzichtet. Der-
artige Fälle sind einem Mißgriff des Übersetzers zuzurechnen, als Exempla
für die Gräzisierung der koptischen Syntax kommen sie nicht in Betracht.
75S. dazu P. Nagel in: Altheim-Stiehl, Araber V 2 (1969), S. 419.
76A. Böhlig, Lehnwörter S. 126 im Hinblick auf das sahidische Neue Testament.
Die N H - T e x t e bieten ein differenziertes Bild, einige Beispiele bei P. Nagel in: Araber
V 2, S. 4i8f. Die populäre Darstellung bei W. Till, K G § 76 Abs. 2 bedarf einer gründ-
lichen Revision.
77 Selbstverständlich ist e i n Übersetzungsgräzismus kein hinreichendes Indiz ; in

praxi verhält es sich aber so, daß noch andere Hinweise auftreten, die sich gegenseitig
stützen, vgl. etwa für E v P h i l die Beobachtungen von W. Till in der Ausgabe S. 6.
78 Zusammenstellung und Interpretation bei A. Böhlig, A B K 1958, S. 62—67,
bes. 64 f.

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V. E I N W I R K U N G D E S GRIECH. A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 353

An der Schwelle zwischen Übersetzungsgräzismus und struktureller


Beeinflussung durch das Griechische steht der attributive Gebrauch des
Qualitativs, das als eminent verbale Form an das Konjugationssystem
gebunden ist. Das betrifft den Ausdruck eT(P)0}(0)Pn Nü^OOfT .zuvor exi-
stierend, prä-existent' in gnostischen Texten: E V 39, 31t.; E R 49, 36; A p k
N H V 5mal 79 . Hier ist das Qualitativ gebraucht, da nach der treffenden
Formulierung von A. Böhlig 80 „der Begriff des Präexistenten die Vor-
stellung des Zuständlichen (ein)schließt". Ein attributiver Infinitiv
(*neTPCQOPn N6Q 60176), der im Einklang mit der koptischen Gram-
matik steht, würde ein fieri ausdrücken.
In den Bereich der S t i l i s t i k greift die Frage über, ob eine bestimmte
Diktion innerhalb der Variationsmöglichkeiten, die die koptische Syntax
anbietet, durch die gegebene griechische Vorlage bedingt ist. Wenn in
Temporalsätzen 81 die periphrastische Konstruktion ACü}WT76 NTGP6-
angewandt wird, so ist das zunächst in der Übersetzungsliteratur stehende
Wiedergabe von eyEVETO Ö T E (vgl. Mt 7, 18; 11, 1; 13, 1 usw.). Diese Diktion
hat sich in der koptischen Literatur jedoch verselbständigt und steht durch-
aus nicht allein in wörtlicher Abhängigkeit von der genannten griechischen
Figur. Damit ist eine aus der Übersetzungstechnik gewonnene Ausdrucks-
möglichkeit in den Besitzstand der koptischen Stilistik übergegangen. Solche
Spuren der Ein- und Nachwirkung des Griechischen auf die koptische Syn-
tax bedürfen noch der Aufhellung. Sie wären geeignet, die prägende K r a f t
des Griechischen auch für solche Bezirke zu erschließen, die dem Zwang
des Übersetzens entrückt sind und eine mit ihrem Besitzstand selbständig
waltende koptische Schriftsprache am Werke zeigen.

79 S t e l l e n n a c h w e i s e i n der E d i t i o n A p k N H V v o n A . B ö h l i g S. 14.
80 E d i t i o n A p k N H V S. 14. A . B ö h l i g s e t z t griechisch 6 irpocov an, d o c h k o m m e n
a u c h andere A u s d r ü c k e i n B e t r a c h t : H . Q u e c k e , E i n e m i ß b r ä u c h l i c h e V e r w e n d u n g
des Q u a l i t a t i v s i m K o p t i s c h e n , L e Museon 75 (1962), S. 2 9 1 — 3 0 0 , bes. 298. F ü r die
F r a g e n a c h der U r s p r a c h e des E V ist die Stelle E V 39, 31 f. unergiebig, denn w i e
H . Q u e c k e a . a. O. S. 300 v e r m e r k t , ist der „ e n t s c h e i d e n d e F a k t o r " f ü r das Z u s t a n d e -
k o m m e n derartiger B i l d u n g e n „ n i c h t die schriftliche V o r l a g e als solche, sondern die
griechische S p r a c h e ü b e r h a u p t , deren E i n f l u ß a u c h in a n d e r e n F ä l l e n w i r k s a m w e r d e n
kann".
8 1 B i l d u n g s m ö g l i c h k e i t e n des T e m p o r a i i s bei W . Till, K G § 319. 324 l e t z t e s B e i -

spiel. 328. 339. I n d e m einschlägigen § 332 ist der periphrastische T e m p o r a i i s n i c h t


erwähnt.

23 Altheim-Stiehl, Christentum

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354 ÄGYPTEN

ABKÜRZUNGEN
ABK Akten des XI. Internationalen Byzantinisten-Kongresses München
1958, hrsg. von Franz Dölger und Hans-Georg Beck, München i960
ApkNH V Koptisch-gnostische Apokalypsen aus Codex V von Nag Hammadi
im Koptischen Museum zu Alt-Kairo, hrsg., übersetzt und bearbeitet
von Alexander Böhlig und Pahor Labib, Wiss. Z. Univ. Halle 1963
(Sonderband)
Böhlig, A. Böhlig, Die griechischen Lehnwörter im sahidischen und bohairi-
Lehnwörter sehen Neuen Testament, 2. Aufl. München 1958
BSAC Bulletin de la Société d'Archéologie copte, Le Caire
Crum W. E. Crum, A Coptic Dictionary, Oxford 1939
CSCO Corpus scriptorum christianorum orientalium, Louvain
ER Epistula ad Rheginum (De resurrectione), edd. M. Malinine, H.-Ch.
Puech, W. C. Till, Zürich 1963
EV Evangelium Veritatis, edd. M. Malinine, H.-Ch. Puech, G. Quispel,
Zürich 1956
EvPhil Das Evangelium nach Philippos, hrsg. u. übersetzt von W. C. Till,
Berlin 1963 [NH II]
HA Hypostase der Archonten [NH II], zitiert nach: Pahor Labib, Cop-
tic Gnostic Papyri in the Coptic Museum at Old Cairo, Cairo 1956,
pl. 134, 20—145, 23
ManiH Manichäische Homilien, hrsg. von H. J. Polotsky, Stuttgart 1934
ManiK Kephalaia I, bearbeitet von H. J. Polotsky S. 3—102 und A. Böhlig
S. 103—244, Stuttgart 1940
Lieferung n/12 (= S. 244—291), bearbeitet von A. Böhlig, Stutt-
gart 1966
ManiP A Manichaean Psalm-Book, Part II, ed. by C. R. C. AUberry, Stutt-
gart 1938
NH Codices von Nag Hammadi im Koptischen Museum zu Alt-Kairo.
Römische Ziffer: Nummer des Codex nach der Kairiner Zählung
SoT Die koptisch-gnostische Schrift ohne Titel aus Codex II von Nag
Hammadi im Koptischen Museum zu Alt-Kairo, hrsg., übersetzt
und bearbeitet von A. Böhlig und P. Labib, Berlin 1962
Spiegelberg W. Spiegelberg, Koptisches Handwörterbuch, Heidelberg 1921
Steindorff, LB G. Steindorff, Lehrbuch der Koptischen Grammatik, Chicago 1951
Studies Crum Coptic Studies in Honor of W. E. Crum, Boston 1950
ThLZ Theologische Literaturzeitung, Leipzig
Till Walter C. Till
DG Koptische Dialektgrammatik, 2., neugestaltete Aufl. München 1961
KG Koptische Grammatik (Saïdischer Dialekt), 2., verbesserte Aufl.
Leipzig 1961
Wb A. Erman und H. Grapow, Wörterbuch der ägyptischen Sprache,
Bd. I—VI, Berlin 1926—1957
Westendorf W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, bearbeitet auf Grund
des Koptischen Handwörterbuchs von Wilhelm Spiegelberg, 1. und
2. Lieferung, Heidelberg 1965—1967
Wilmet M. Wilmet, Concordance du Nouveau Testament sahidique. II. Les
mots autochtones. Vol. I—III, Louvain 1957—1959 (= CSCO vol.
173. 183. 185)

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V. E I N W I R K U N G D E S G R I E C H . A U F D I E KOPT. L I T E R A T U R S P R . 355

Wiss. Z. Univ. Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-


Halle Wittenberg
Ges.-Sprachw. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe
ZDMG Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, (Leipzig)
Wiesbaden
ZNW Zeitschrift f ü r die neutestamentliche Wissenschaft, Gießen
ZPh Zeitschrift f ü r Phonetik und Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin
t Qualitativ

Nomenklatur und Sigel der koptischen Dialekte nach Till, DG

K O R R E K T U R Z U S A T Z ZU S. 332 O B E N

Die Einwirkung des Griechischen auf die koptische Schreibweise zeigt sich auch in
der Behandlung der Nomina sacra, bei denen die griechischen Formen teils übernom-
men ( C R P oder C(0P f ü r aco-ri'ip), teils dem Koptischen adaptiert (Kl/pios RC -»• X C
f ü r X06IC), aber auch neue Abbreviaturen entwickelt werden (Mavixcdos TTMNXC).
— Ludwig Traube h a t in seiner Monographie „Nomina sacra", München 1907, S. 269
bis 2 7 1 das Gebiet des Koptischen berührt. Die seitdem entdeckten und veröffent-
lichten koptischen Handschriften bieten eine Fülle von Material f ü r eine monogra-
phische Untersuchung, in der u. a. auf die Übereinstimmungen und Unterschiede
zwischen den christlichen Texten einerseits und den gnostischen und manichäischen
Handschriften andererseits einzugehen wäre. Vielleicht lassen sich dabei bestimmte
Schreiberschulen nachweisen, die wiederum Aufschlüsse über Lokalisierung und Chro-
nologie koptischer Handschriften geben könnten.

23«

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