K A P I T E L
Das Koptische als die letzte, in christlicher Zeit gesprochene und ge-
schriebene Sprachstufe des Ägyptischen hat sich in Fortsetzung des Wechsel-
1 K . Sethe, Das Verhältnis zwischen Demotisch und Koptisch und seine Lehren
für die Geschichte der ägyptischen Sprache, ZDMG 79 (1925), S. 290—316. — H. Gra-
pow, Vom Hieroglyphisch-Demotischen zum Koptischen. Ein Beitrag zur ägyptischen
Sprachgeschichte, Sitzungsberichte d. Preuß. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Klasse, 1938,
S. 322—349. Ders., Ägyptisch. Vom Lebenslauf einer altafrikanischen Sprache, in:
Der Orient in deutscher Forschung, Leipzig 1944, S. 205—216. -—• Fr. Hintze, Die
Haupttendenzen der ägyptischen Sprachentwicklung, ZPh 1 (1947), S. 85-—107.
2 C. Schmidt, Die Urschrift der Pistis Sophia, Z N W 24 (1925), S. 218—240. —
S. Morenz, Das Koptische, in: Handbuch der Orientalistik I 1, Leiden 1959, S. 90
bis 114. — G. Steindorff, Bemerkungen über die Anfänge der koptischen Sprache und
Literatur, in: Studies Crum S. 189—214. Im folgenden übernehme ich einige Formu-
lierungen meines Referates „Der Ursprung des Koptischen", Das Altertum 13 (1967),
S. 78—84, das sich seinerseits auf die in Anm. 1 und 2 genannten Arbeiten stützt.
3 Die einleitenden Bemerkungen von H. J. Polotsky, Modes grecs en copte ? In:
Studies Crum S. 73—90, treffen heute ebenso zu wie vor zwanzig Jahren.
4
S. Morenz, Das Koptische S. 90. Es ist jedoch zu beachten, daß Herodot II 36
mit den Bezeichnungen „Hieratisch" und „Demotisch" auf den Unterschied zwischen
sakralem und profanem Gebrauch zielt (Siacpaaioiai 8£ yp&nnaai yptavTai, Kai tcc h£v
IpA, t¿t 8i SriiiooTiKÄ KaXirrai).
6
Formuliert im Anschluß an H. Grapow, Vom Hieroglyphisch-Demotischen zum
Koptischen S. 323; s. dazu auch die graphische Darstellung bei K. Sethe, ZDMG 79
(1925), S. 316.
6
K. Sethe, a. a. O. S. 304—311.
7
Fr. Hintze, ZPh 1 (1947), S. 85—107, bes. 88—90.
tion mit griechischen Buchstaben einsetzten, bis die koptische Schrift mit
ihren 24 griechischen und 7 einheimischen10 Zeichen etabliert worden ist.
Die Übernahme des griechischen Schriftsystems, die erste und nach-
haltigste Einwirkung des Griechischen auf die Entstehung der koptischen
Schriftsprache, war seit der mit dem 7. Jahrhundert v. Chr. einsetzenden,
seit der Ptolemäerzeit im großen erfolgenden griechisch-ägyptischen Sym-
biose naheliegend, aber nicht selbstverständlich11.
Eine Vereinfachung hätte sich den demotischen Schreibern dadurch an-
bieten können, daß sie nach Art der aramäischen Sprache ein Alphabet
schufen, das nur aus Einkonsonantenzeichen bestand. Das Demotische
hatte ja für alle konsonantischen Phoneme einkonsonantische Zeichen zur
Verfügung — oder man hätte das in Ägypten bekannte aramäische Alpha-
bet in extenso übernehmen können: Sämtliche konsonantischen Phoneme
des Ägyptischen waren durch das aramäische Alphabet gedeckt. Das Ara-
mäische hatte in dieser Hinsicht einen bedeutsamen Vorsprung vor dem
griechischen Alphabet, das für die Anwendung auf das Ägyptische noch
der Ergänzung durch einheimische Zeichen bedurfte. Das aramäische
Alphabet wäre wohl fremd, aber homogen, das gräko-ägyptische ( = kop-
tische) Alphabet ist gleichfalls überwiegend fremd und zudem heterogen!
Der Vorzug des griechischen Alphabets bestand einzig in dem Vorhanden-
sein vokalischer Zeichen, aber dieser Vorzug war durchschlagend.
Gewiß ist das griechische Schriftsystem zuerst in einheimischen Zauber-
texten adaptiert worden, kommt es doch im Zauber streng auf den Wort-
laut an, damit sich bei falscher Aussprache die magische Formel nicht gegen
den Beschwörenden selbst kehre. Indessen sind solche Versuche nicht über
die Anfänge hinausgediehen und sollten daher nicht überschätzt werden.
Die einheimisch-heidnischen Kreise, bei denen derartige Texte im Umlauf
waren, haben von einer generellen und — worauf es ankommt — aus-
schließlichen Aneignung des griechischen Schriftsystems abgesehen und
schon gar nicht den aktuellen Laut- und Formenstand mittels der grie-
10
Nicht eingerechnet die durch diakritische Zeichen weiterentwickelten Formen
der Grundbuchstaben 2 ( > „gestrichenes" 2 des achmlmischen Dialektes) und (j)
•1•
( > 6) in der Ascensio Isaiae, vgl. P. E. Kahle, Bala'izah I, London 1954, S. 205).
Ein eigenes Problem bieten die in Papyrus Bodmer VI (Livre des Proverbes, ed. par
R. Kasser, Louvain i960 = CSCO 194) verwendeten demotischen Zeichen, die nach
unserer Kenntnis auf diesen Text beschränkt sind und sich in der koptischen Schrift-
geschichte jedenfalls nicht durchgesetzt haben.
11
Vgl. zum folgenden P. Nagel, Das Altertum 13 (1967), S. 8 2 I
der Kirchenväter über das Koptische, in: Probleme der koptischen Literatur (Wiss.
Beiträge d. Univ. Halle 1968/1), S. 1 7 — 5 5 , bes. 21. 23. 3 7 — 4 1 . 44—46.
15 So z. B. Carl Schmidt, a. a. O. S. 226 („götzendienerisch").
16 Ein völlig verzerrtes Bild des tatsächlichen Sachverhaltes bietet Karl Holl,
Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1928, S. 245 („Die offizielle christliche Kirche hat
sich in der alten Zeit überall nur auf die Kultursprachen gestützt und die Volks-
sprachen beiseitegeschoben oder verkümmern lassen" usw.). Man könnte über diesen
Irrtum des großen Gelehrten schweigend hinweggehen, wenn nicht der unveränderte
Nachdruck Darmstadt 1964 jenes Fehlurteil emeut hätte aufleben lassen.
17 Klaus Beyer, Der reichsaramäische Einschlag in der ältesten syrischen Lite-
sehen Schriftsystems war auch die Möglichkeit eröffnet, sowohl die mit den
christlichen und gnostischen Glaubensrichtungen verbundene Terminologie
als auch die in der Umgangssprache bereits beheimateten griechischen
Wörter ohne die Hemmungen, die die demotische Schrift zwangsläufig
auferlegt hätte, in die neue Schriftsprache aufzunehmen18.
(3. Aufl. 1958), bes. S. 10—14; Ders., Die griechischen Lehnwörter im sahidischen und
bohairischen Neuen Testament, München 1953/54 (2. Aufl. 1958); Ders., Wiss. Z.
Univ. Halle, Ges.-Sprachw. V (1956), S. 6 5 5 I S. auch Anm. 22.
22
Ausweislich des zusammenfassenden Berichtes von Hans-Friedrich Weiß, Zum
Problem der griechischen Fremd- und Lehnwörter in den Sprachen des christlichen
Orients, Helikon 6 (1966), S. 183—209, der bezüglich des Koptischen die Lehnwort-
theorie aufgreift und vertieft. In diese Richtung weist auch bereits der Titel der Arbeit
von V. Girgis, Greek Loan Words in Coptic, B S A C 17 (1963/64), S. 63—73; ebd. 18
(1965/66), S. 71—96.
23
P. E. Kahle, ThLZ 79 (1954), S. 484—486 (anläßlich der Besprechung von
24
A. Böhlig, Lexikon). S. Morenz, Das Koptische S. 97.
25
Vgl. das umfassende Kapitel „Entlehnungsgebiete der griechischen Wörter im
Koptischen" bei A. Böhlig, Lehnwörter S. 152—426.
M
Insofern können „Griechische Elemente im Koptischen als Zeugnis für die
Geschichte der griechischen Sprache" (A. Böhlig in: A B K 1958, S. 62—67) dienen.
S. im übrigen H.-Fr. Weiß, Helikon 6 (1966), S. 185. 199—207.
34
ManiH 6, 1 (sie); 53, 33; 81, 27; 84, 24 (sonst 26ATTIC wie auch ManiKP).
3
Während Schrift und Wortschatz des Griechischen gleichsam an der
„Außenseite" (im Sinne der Wahrnehmbarkeit) des Koptischen liegen, hat
das Griechische auch das sprachliche Verhältnis des Koptischen zu seinem
ägyptischen Erbe beeinflußt37» und hier einige Wandlungen hervorgerufen,
die nicht durch innerägyptische Sprachentwicklung bedingt sind.
Le Muséon 77 (1964), S. 5—16, bes. 6 und 14f. (Gebrauch von Fremdwörtern als
Merkmal der relativen Chronologie).
37 Die Ersetzung griechischer Wörter durch einheimische wird durch Lehnbedeu-
vom syntaktischen Standpunkt aus „le départ entre ce que le copte a hérité de l'égyp-
tien et ce qu'il doit au grec" (Studies Crum S. 73); diese Feststellung gilt auch für
Morphologie und Semantik. 38 Das Koptische S. 98.
22 Altheim-Stiehl, Christentum I
Gruppe'
sntj CNTG .Grundlage' ßaais (Morenz)
dkr f 6 6 .Obst' ÓTTCÓpa
wnmj (Wb I 322) O Y N A M .Rechte, f) 8e£iá (se. x e 'p)
rechte Hand'
wh] O Y Q H ,Nacht' vú^
39 Sofern KHITC mit 6HTTG (s. u.) identisch (Westendorf S. 66), ist der Genus-
tung von einem nicht-reduplizierten Infinitiv ist nicht mehr als ein Deutungsversuch.
was Crum als Fehler ansieht. Einsicht der außer-neutestamentlichen Belegstellen war
nicht möglich. Mt 19, 24 par. Mk ro, 25 entfallen, da hier mit unbestimmtem Artikel
gebraucht.
44 Besonders augenfällig wird die Einwirkung von ßpoirrr) dadurch, daß das
Grundwort 2 POOY .Stimme' masc. ist wie auch2POYMTT6. Die männliche Form von
2P0YBBAI in Mk 3, 17 ist „genealogisch" motiviert („Söhne des Donners"), da die
Benennung nach der männlichen Linie erfolgt.
45 wie Anm. 39.
46 Das griechische Neutrum wird im Koptischen als Masc. behandelt: TÖ <TCÖ|ia =
Torrreívcoais
Steindorff, L B § 121.
48
sind solche Bildungen völlig fremd, und für das Demotische vermag W.
Spiegelberg „nur ein sicheres Beispiel" anzuführen 51 . Im Koptischen da-
gegen ist diese Bildungsweise ziemlich produktiv 52 . Der Funktionswandel
des alten Personalsuffixes zum Genusindikator kann als Reaktion auf den
Verlust der alten Genusendungen verstanden werden; im Demotischen war
eine solche Ersatzbildung nicht erforderlich, da die Genusendung — obwohl
nicht mehr gesprochen — in der Schrift beibehalten wurde. Die traditions-
lose koptische Schrift bedurfte zumindest fallweise eines Ausgleiches, der
durch das Genus griechischer Synonyma veranlaßt sein mochte. Die An-
wendung des Personalsuffixes bot sich um so mehr an, als im System der
Konversion (s.o.S. 328) das Possessivsuffix in seiner eigentlichen Funktion
gleichsam eingespart und durch den vorangestellten Possessivartikel er-
setzt worden war 53 . Mit dieser Deutung trifft sich der Befund, daß die
Genusbezeichnung mittels des Suffixes ganz überwiegend bei weiblichen
Nomina dequalitativa angewandt wird: für das Masculinum war eine
Genusanzeige weniger erforderlich, da der koptische Infinitiv ein Nomen
masculinum ist.
wie PAYTH (Inf. OYPAT, Qual. PAYT A a ) und KAPAITH .Schweigen' A 2 (von KA-PO
„den Mund halten", zu dem nach Analogie der T-Kausativa das Qualitativ KA PA IT
gebildet worden ist).
61
W. Spiegelberg, Demotische Grammatik, Heidelberg 1925, § 35 Anm.
52
Die Beispielreihe unten gründet sich nicht auf eine systematische Durchsicht
des koptischen Wortschatzes.
53
Unsere Herleitung versteht sich auch als Alternative zu Steindorffs (LB § 121)
Erklärung als Ausdruck der „Verwilderung der Sprache".
64
Griech. Äquivalent nicht belegt, vgl. aber S TTOOPX (masc.) — fem. SialpE<Ji$,
6iaoroAr|, Si/oo-raala (Wilmet II = CSCO 183, S. 636).
rung durch genusanzeigendes Suffix darf daher dem Ursprung und Prinzip
nach der auch sonst nachweisbaren Tendenz des Koptischen zugerechnet
werden, das Genus des Nomens dem seines griechischen Äquivalents anzu-
gleichen.
LEHNBILDUNGEN
56 Das Problem ist von S. Morenz, Das Koptische S. 98 unter dem Stichwort
LEHNBEDEUTUNGEN
68
S. Morenz, Das Koptische S. 98.
59
W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testa-
ments und der übrigen urchristlichen Literatur, 5. Aufl. Berlin 1958, Sp. 412 Nr. 4.
80
W. Bauer, ebd. Sp. 1086/7.
81
So W. Bauer, ebd. Sp. 1431.
genommen worden ist: das Koptische hat kein eigenes Wort für „Frieden" 45 .
— Hat die über Jahrhunderte sich erstreckende Knechtschaft unter Dia-
dochen, Römern und Byzantinern den mit htp beschriebenen Zustand aus
dem Bewußtsein des Volkes verdrängt? Es ist gleichsam Ironie, daß die
koptische Form 260TTT nur in der Bedeutung „Untergang" fortlebt.
SYNTAKTISCHE EINWIRKUNGEN
Wenn an der Wiege und auch auf dem Lebenslaufe der koptischen
Literatur Ubersetzungen aus dem Griechischen stehen, ist eine syntaktische
Einwirkung des Griechischen auf den koptischen Satzbau a priori anzu-
nehmen. Doch will es scheinen, daß solcher Einfluß zu hoch oder zu selbst-
verständlich angesetzt wird66. Wenn man sich klarmacht, daß die koptische
Schriftsprache direkt oder indirekt dem Griechischen verpflichtet ist, so
ist der Einfluß der griechischen Syntax um so schwerer wägbar, als eine
nichtgräzisierte, also „rein" koptische Schriftsprache, nicht existiert. Der
Kopte Hierakas, den ich mit Carl Schmidt 87 als Begründer der koptischen
Schriftsprache ansehen möchte, beherrschte das Griechische in gleichem
Maße wie seine Muttersprache67». Der erste koptische Originalschrift-
steller, von dem wir nähere Kunde und eigene Schriften haben, Pachom,
kannte sein Neues Testament, den Psalter und die Weisheitsliteratur; d. h.
was er an Literatur kannte, war Übersetzungsliteratur. Im aramäischen
Sprachgebiet liegt die Sache wesentlich anders. Es ist bekannt, daß der
aramäische Charakter der (buch)syrischen Syntax durch das Griechische
stark zersetzt worden ist. Die syntaktischen Gräzismen des Buchsyrischen
lassen sich dadurch abheben, daß original-aramäisches Vergleichsmaterial,
will sagen, eine durchgebildete aramäische Schrift- und Verkehrssprache in
65
Bereits von S. Morenz, Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann, Leipzig/
Berlin 1951, S. 89/90 festgestellt.
" S. dazu die grundlegenden Ausführungen von H. J . Polotsky, Modes grecs en
copte ? In: Studies Crum S. 73—90.
87
Darbietung und Erörterung des Materials bei C. Schmidt, Z N W 24 (1925),
S. 221—223 (Epiphanius, pan. haer. 67, 1, 1—4; 3, 7—9). Für die Historizität des
Epiphaniusberichtes über Hierakas spricht sich auch Karl Heussi, Der Ursprung des
Mönchtums, Tübingen 1936, S. 59 bes. Anm. 4 aus. Zur Chronologie des Hierakas s.
Heussi, ebd. S. 58 Anm. 2 (Hauptwirksamkeit zwischen 285 und 340).
•'» Epiph., pan. haer. 67, 1, 3 ( = Holl III S. 133, 7f.): TTAVU 81 T^V Atyimrioov
iTTiorÄUEvos yA&xjcrav (AlyÜTmos yap ö dvfip fjv), dAXä Kai Trj TCÜV 'EAArjvcov T S T p c o -
|iivo$ oO niKpcö?. Epiphanius, pan. haer. 67, 3, 7 ( = Holl III S. 136, 9): ovveypdvyaro
SK "EXXT|VIKC5S TE Kai AtyvrrnaKcös-
68
Erschlossen durch H. J . Polotsky, The Coptic Conjugation System, Orientalia
NS 29 (i960), S. 392—422.
69
Aufzählung der in S gebrauchten Konjunktionen dieser Art bei Till, K G § 366;
mit Differenzierung nach S: B s. Böhlig, Lehnwörter S. 55—60.
,0
Vgl. etwa die „Homilie über die Hochzeit zu Kana und andere Schriften des
Patriarchen Bejamin I. von Alexandrien" ed. C. D. G. Müller, Heidelberg 1968, S. 68,
12—14 21NA m. Fut. II; S. 70, 4. 8. 16 m. Fut. I I I ; m. Fut. III in der bohai-
NCB60A ABAA N6I +BCi)6 .damit die Vergessenheit aufgelöst werde', vgl.
auch ebd. 17, 33; 23, 6; 24,14—16; 37, 28f; 38, 36; mit Futur II 23,16 bis
18; 25, 22f. — EvPhil 110, 3 C0INAA6 NAM6 NTN+ .damit wir aber
wahrhaftig geben'. In NH II wird iva (6)INA) sonst durchwegs mit dem
Futur II verbunden. — Apk NH V 49,17 21 NA NT6TNNAY 6 P 0 6 I .da-
mit ihr mich seht'; ebd. 18,12f. aber 2INA 2£6 m. Fut. II, 76,11; 82,
18 m. Fut. III.
Da der koptische Konjunktiv seiner eigentlichen Funktion nach ein
Adjunktiv ist (Till, KG 231 ff.), erscheint der final-hypotaktische Gebrauch
durch das griechische Vorbild bedingt; d. h. durch syntaktische Gräzi-
sierung wird der koptische „Konjunktiv" (die gängige Bezeichnung ist
sowieso fragwürdig) zum „Subjunktiv". Gleichzeitig muß betont werden,
daß dieser Sprachgebrauch nicht systematisiert worden ist, Beispiele s. o.
(In der klassischen sahidischen Literatursprache kommt er überhaupt
nicht vor.)
Aufnahme bzw. Beibehaltung griechischen Sprachgebrauchs, aber nicht
eigentliche Gräzisierung — wenn wir diese als Eingriff in das Verhältnis
des Koptischen zu seinem ägyptischen Erbe verstehen —, zeigt sich im
Gebrauch griechischer Negationen. So werden pir| und prjTi, entsprechend
der griechischen Syntax, im Fragesatz verwendet, während ouSe (häufig
in der Form OYT6) Aussagesätzen vorbehalten ist 71 .
Was die W o r t f o l g e anlangt, so sind hier einige Differenzierungen er-
forderlich. Der Umstand, daß die griechische Wortstellung bei Partikeln
(ccAAcc an erster Stelle, Se und y ä p an zweiter Stelle bzw. nach der ersten
abgeschlossenen Akzenteinheit) beibehalten wird, besagt noch nichts für
eine syntaktische Gräzisierung. Von syntaktischer Gräzisierung könnte nur
dann die Rede sein, wenn die entsprechenden k o p t i s c h e n Partikeln die
gleiche Stellung wie die griechischen einnehmen würden. Adversatives
NTOM .dagegen, aber' tritt jedoch nicht in Spitzenstellung auf, 6BOA
X£ .denn, nämlich' wiederum nimmt die erste Stellung ein; allein 8s und
6 6 fallen in der Wortstellung zusammen, da beide dem gleichen Akzent-
gesetz unterliegen.
Mit Sicherheit ist die Nachstellung eines nominalen Subjekts hinter das
Prädikat im zwei- und dreiteiligen Konjugationsschema als Ergebnis der
rischen Version des Testamentes Isaaks bei P. Nagel, Zur sahidischen Version des
Testamentes Isaaks, in: Wiss. Z. Univ. Halle, Ges.-Sprachw. X I I (1963) S. 260.
71
S. Morenz, Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann S. 93.
Ein typischer Fall ist die Beibehaltung griechischer Genus- oder Kasus-
endungen, die sonst nach den gängigen Regeln des Koptischen behandelt
werden.
NH II 136,13t. (HA) und 156,24 (SoT) bieten TTKA2 N A A A M A N T I N H
,die stählerne Erde': ein griechisches Adjektiv mit griechischer Feminin-
endung wird zu einem im Koptischen maskulinen Substantiv gestellt. Da-
hinter steht f) yfi f) àSctuavrivri, wobei nicht beachtet ist, daß die kop-
tische Entsprechung zu yfi männlich ist78. Sonst ist das Genus des kopti-
schen Leitwortes — auch in der Übersetzungsliteratur ! — für das Genus
des Adjektivs maßgebend76. — NH II 150,34 (SoT) bietet ACNOXH
6TTITN e n T A P T A P O N ,sie warf ihn hinab in den Tartaros': T A P T A P O N
ist ein nicht aufgelöster griechischer Akkusativ (KorreßaXEV aÙTÒv EIS TÒV
TapTapóv).
Bern. : Während derartige sporadische Übersetzungsgräzismen einen ziemlich
bündigen Beweis für die Originalsprache eines koptischen Textes liefern", schei-
den für die Frage nach der Ursprache solche Formen des casus obliquus (z. B.
M A P T Y P O C statt oder neben M A P T Y C ) aus, die nicht in der gleichen syntak-
tischen Funktion wie im Griechischen stehen. Jene Formen spiegeln den in der
Koiné vorbereiteten oder durchgeführten Übergang in eine andere Deklinations-
klasse wider und sind im Koptischen systematisiert worden 78 .
praxi verhält es sich aber so, daß noch andere Hinweise auftreten, die sich gegenseitig
stützen, vgl. etwa für E v P h i l die Beobachtungen von W. Till in der Ausgabe S. 6.
78 Zusammenstellung und Interpretation bei A. Böhlig, A B K 1958, S. 62—67,
bes. 64 f.
79 S t e l l e n n a c h w e i s e i n der E d i t i o n A p k N H V v o n A . B ö h l i g S. 14.
80 E d i t i o n A p k N H V S. 14. A . B ö h l i g s e t z t griechisch 6 irpocov an, d o c h k o m m e n
a u c h andere A u s d r ü c k e i n B e t r a c h t : H . Q u e c k e , E i n e m i ß b r ä u c h l i c h e V e r w e n d u n g
des Q u a l i t a t i v s i m K o p t i s c h e n , L e Museon 75 (1962), S. 2 9 1 — 3 0 0 , bes. 298. F ü r die
F r a g e n a c h der U r s p r a c h e des E V ist die Stelle E V 39, 31 f. unergiebig, denn w i e
H . Q u e c k e a . a. O. S. 300 v e r m e r k t , ist der „ e n t s c h e i d e n d e F a k t o r " f ü r das Z u s t a n d e -
k o m m e n derartiger B i l d u n g e n „ n i c h t die schriftliche V o r l a g e als solche, sondern die
griechische S p r a c h e ü b e r h a u p t , deren E i n f l u ß a u c h in a n d e r e n F ä l l e n w i r k s a m w e r d e n
kann".
8 1 B i l d u n g s m ö g l i c h k e i t e n des T e m p o r a i i s bei W . Till, K G § 319. 324 l e t z t e s B e i -
23 Altheim-Stiehl, Christentum
ABKÜRZUNGEN
ABK Akten des XI. Internationalen Byzantinisten-Kongresses München
1958, hrsg. von Franz Dölger und Hans-Georg Beck, München i960
ApkNH V Koptisch-gnostische Apokalypsen aus Codex V von Nag Hammadi
im Koptischen Museum zu Alt-Kairo, hrsg., übersetzt und bearbeitet
von Alexander Böhlig und Pahor Labib, Wiss. Z. Univ. Halle 1963
(Sonderband)
Böhlig, A. Böhlig, Die griechischen Lehnwörter im sahidischen und bohairi-
Lehnwörter sehen Neuen Testament, 2. Aufl. München 1958
BSAC Bulletin de la Société d'Archéologie copte, Le Caire
Crum W. E. Crum, A Coptic Dictionary, Oxford 1939
CSCO Corpus scriptorum christianorum orientalium, Louvain
ER Epistula ad Rheginum (De resurrectione), edd. M. Malinine, H.-Ch.
Puech, W. C. Till, Zürich 1963
EV Evangelium Veritatis, edd. M. Malinine, H.-Ch. Puech, G. Quispel,
Zürich 1956
EvPhil Das Evangelium nach Philippos, hrsg. u. übersetzt von W. C. Till,
Berlin 1963 [NH II]
HA Hypostase der Archonten [NH II], zitiert nach: Pahor Labib, Cop-
tic Gnostic Papyri in the Coptic Museum at Old Cairo, Cairo 1956,
pl. 134, 20—145, 23
ManiH Manichäische Homilien, hrsg. von H. J. Polotsky, Stuttgart 1934
ManiK Kephalaia I, bearbeitet von H. J. Polotsky S. 3—102 und A. Böhlig
S. 103—244, Stuttgart 1940
Lieferung n/12 (= S. 244—291), bearbeitet von A. Böhlig, Stutt-
gart 1966
ManiP A Manichaean Psalm-Book, Part II, ed. by C. R. C. AUberry, Stutt-
gart 1938
NH Codices von Nag Hammadi im Koptischen Museum zu Alt-Kairo.
Römische Ziffer: Nummer des Codex nach der Kairiner Zählung
SoT Die koptisch-gnostische Schrift ohne Titel aus Codex II von Nag
Hammadi im Koptischen Museum zu Alt-Kairo, hrsg., übersetzt
und bearbeitet von A. Böhlig und P. Labib, Berlin 1962
Spiegelberg W. Spiegelberg, Koptisches Handwörterbuch, Heidelberg 1921
Steindorff, LB G. Steindorff, Lehrbuch der Koptischen Grammatik, Chicago 1951
Studies Crum Coptic Studies in Honor of W. E. Crum, Boston 1950
ThLZ Theologische Literaturzeitung, Leipzig
Till Walter C. Till
DG Koptische Dialektgrammatik, 2., neugestaltete Aufl. München 1961
KG Koptische Grammatik (Saïdischer Dialekt), 2., verbesserte Aufl.
Leipzig 1961
Wb A. Erman und H. Grapow, Wörterbuch der ägyptischen Sprache,
Bd. I—VI, Berlin 1926—1957
Westendorf W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, bearbeitet auf Grund
des Koptischen Handwörterbuchs von Wilhelm Spiegelberg, 1. und
2. Lieferung, Heidelberg 1965—1967
Wilmet M. Wilmet, Concordance du Nouveau Testament sahidique. II. Les
mots autochtones. Vol. I—III, Louvain 1957—1959 (= CSCO vol.
173. 183. 185)
K O R R E K T U R Z U S A T Z ZU S. 332 O B E N
Die Einwirkung des Griechischen auf die koptische Schreibweise zeigt sich auch in
der Behandlung der Nomina sacra, bei denen die griechischen Formen teils übernom-
men ( C R P oder C(0P f ü r aco-ri'ip), teils dem Koptischen adaptiert (Kl/pios RC -»• X C
f ü r X06IC), aber auch neue Abbreviaturen entwickelt werden (Mavixcdos TTMNXC).
— Ludwig Traube h a t in seiner Monographie „Nomina sacra", München 1907, S. 269
bis 2 7 1 das Gebiet des Koptischen berührt. Die seitdem entdeckten und veröffent-
lichten koptischen Handschriften bieten eine Fülle von Material f ü r eine monogra-
phische Untersuchung, in der u. a. auf die Übereinstimmungen und Unterschiede
zwischen den christlichen Texten einerseits und den gnostischen und manichäischen
Handschriften andererseits einzugehen wäre. Vielleicht lassen sich dabei bestimmte
Schreiberschulen nachweisen, die wiederum Aufschlüsse über Lokalisierung und Chro-
nologie koptischer Handschriften geben könnten.
23«