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Claudia Bullerjahn

Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung


populärer Kinohits

I. Einleitung
Seit jeher sind Filmmusik und Ökonomie eine Verbindung eingegangen
– und dies gleich in zweierlei Hinsicht:
Zum einen war man stets darauf bedacht, mit vergleichsweise gerin-
gem Aufwand zu einem schnellen Ergebnis zu kommen, was sich be-
sonders ausgeprägt an Hollywoods Studiopraxis, aber auch schon an-
hand der Kinotheken der Stummfilmzeit aufzeigen lässt. Andererseits
wurden schon seit der Stummfilmzeit Titelsongs zur Ankündigung und
Vermarktung eingesetzt, und seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhun-
derts erfolgen eine Bewerbung des Films und eine Vermarktung der
Filmmusik über Soundtrackplatten. Auf beide Aspekte von Filmmusik
und Ökonomie wird im vorliegenden Beitrag eingegangen.

II. Zur Ökonomie des filmmusikalischen Kompilierens


und Komponierens

Kompilation für den Stummfilm und das Fernsehen: Haushalten


mit musikalischen Versatzstücken
Schon zu Stummfilmzeiten entwickelte sich der Zwang, in vergleichs-
weise kurzer Zeit eine möglichst passende Musikbegleitung zu kreieren.
Da Filmmusik während der Filmproduktion in der Regel nicht von
Nöten war – Ausnahmen bildeten illustrierte Lieder –, verlagerte sich
die Erstellung der Begleitmusik in die Postproduktionsphase, was mit
wenigen Ausnahmen bis in die heutige Tonfilmzeit beibehalten wurde.
Leidtragender bei zeitlichen Verzögerungen der Filmproduktion bei
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zugleich feststehenden Uraufführungsterminen war und ist immer der


Komponist beziehungsweise Kompilateur, der häufig zugleich für die
Produktion der Musik verantwortlich zeichnete. Auch an letzterem hat
sich heutzutage kaum etwas geändert. Ein möglicherweise überzeichne-
ter Bericht des Filmkomponisten Roland Manuel aus dem Jahre 1947
möge die Situation der Tonfilmkomponisten veranschaulichen und sei
deshalb ausführlicher zitiert:
»Der Filmproduzent hält uns meistenteils für unentbehrliche und unbequeme
Lieferanten. Er kommt auf uns zu wie auf einen Maler, den man bestellt, um
Ausbesserungsarbeiten in einer Wohnung durchzuführen, die bereits fertigge-
stellt ist und in die man am nächsten Tag einziehen möchte. Alle anderen
Handwerker haben ihre Arbeit schon längst getan. Um jeden Preis soll es nun
schnell gehen, großartig soll es aussehen und natürlich wenig kosten ...
... Eines schönen Morgens sieht sich der unglückliche Musiker, versehen mit
einer Stoppuhr, begleitet von einer mitleidvollen Cutterin, einem heillosen
Durcheinander gegenüber, d. h. dem Rohschnitt des Films. Meistens unsichtbar,
gibt ihm der Regisseur zu verstehen, daß der Sonnenaufgang am Anfang der
dritten Filmspule eine ausdrucksvolle Symphonie von 20 Sekunden Länge be-
nötige, weil der Ton dazu fehle; daß die Dorfkapelle, weil ebenfalls stumm auf-
genommen, eine synchrone Musik brauche. Der Produzent taucht plötzlich auf.
Besorgt zieht er den Komponisten in eine Ecke und anvertraut ihm unter dem
Siegel der Verschwiegenheit, daß der Tod der alten Dame, mit dem man die Zu-
schauer habe erschüttern wollen, derart mißraten sei, daß alle nur lachen wür-
den. Unmöglich, diese Szene herauszuschneiden. Aber ein schönes Cello-Solo
werde die Misere wohl ausbügeln ...
Der Komponist erfährt dann, daß die Musikaufnahmen auf die kommende
Woche festgelegt seien und daß man ihm telefonisch die endgültige Länge der
Sequenzen mitteilen werde, die es zu vertonen gälte. 40 Minuten Musik, und al-
les innerhalb von 8 Tagen ...
Acht Tage und acht Nächte sitzt unser Mann an der Arbeit, häufig unter-
brochen von Telefonanrufen der Cutterin, die ihm mitteilt, daß der Vorspann
nun doch länger werde als die geschätzten 15 Meter und daß die eine und andere
Sequenz auf Rolle 7 (für welche die Musik bereits fertig ist) schlicht und einfach
unter den Tisch fiele.
Und dann kommt die Musikaufnahme mit Musikern aus allen Symphonie-
orchestern von Paris. Der Dirigent ist zwar ein gewiefter Könner, hat sich aber
die Partitur noch nicht anschauen können aus dem einfachen Grund, weil man
die Stücke Kopie für Kopie zugestellt hat. Keine Zeit mehr, die Fehler zu korri-
gieren. So kommt also vom Fagottisten die Frage, ob das c im vierten Takt nach
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Ziffer 48 nicht cis heißen müsse, während der Regisseur wiederum diese Musik
traurig findet und meint, sie würde mehr Wirkung haben, wenn man sie an den
Anfang der schon aufgenommenen Szene mit dem Hohlweg stellen würde.
Nach beendeter Aufnahmearbeit schwört man bei einem Glas Wein, sich zum
Zeitpunkt der Endabmischung, der schwersten Prüfung, wiederzusehen.
Doch es vergehen Tage und Wochen. Der Komponist wundert sich, von der
versprochenen Endabmischung nichts mehr zu hören. Da erhält er plötzlich
eine Einladung zur Filmpremiere. Dort ist die Überraschung hart, aber durchaus
nicht ungewöhnlich: das Geräusch des Krans deckt die Musik, welche den Lärm
der Stadt nachzeichnen sollte, vollkommen zu. Die ursprünglich für das Shake-
spearesche Theater geschriebene elisabethanische Musik wurde dem Streit im
Postamt unterlegt: charmanter Einfall des Regie-Assistenten. Noch vor dem
Ende der Vorführung ergreift unser Komponist die Flucht. Ihm dreht sich der
Kopf, seine Prüfung ist ausgestanden. Er wagt nicht mehr, an sein Glück zu
glauben.« (zit. nach Schmidt 1982, S. 53 f.)

Die logische Folge eines solchen häufig enormen Zeitdruckes ist, dass
dem für die Musik Verantwortlichen oft keine Zeit mehr für die Neuer-
findung von Musik bleibt. Abhilfen brachten schon in der Stummfilm-
zeit kinospezifische Zusammenstellungen von Musikstücken, die für be-
stimmte Filmgenres, typische Filmsituationen oder -stimmungen als ge-
eignet angesehen wurden und die somit nicht nur für einen konkreten
Film, sondern für die Vertonung einer Vielzahl von Filmen verwendbar
waren. Schon 1910 hatte Clarence E. Sinn in der Filmmusikkolumne der
Moving Picture World erste generelle Hinweise für eine adäquate musi-
kalische Begleitung verschiedenster Filmgenres veröffentlicht (vgl. den
Abdruck in Berg 1976, S. 115). So empfahl er beispielsweise für Shakes-
peare-Tragödien Märsche im Viervierteltakt, gewichtige Bewegungsmu-
siken für Zweikämpfe und Schlachtszenen sowie Gavotten und Menu-
ette für höfische Tänze. Ähnlich wie bei historischen oder biblischen
Filmsujets riet er dagegen von der Verwendung von Modetänzen wie
Walzer oder Foxtrott ab.
Als wesentlich innovativer im Vergleich zu Sinns eher pauschalen
Hinweisen erwiesen sich jedoch katalogisierte Musiknotensammlungen,
die für eine überschaubare Anzahl an filmtypischen Situationen und
Stimmungen eine Auswahl an Stücken bereitstellten. Die von John Ste-
pan Zamecnik ab 1913 herausgegebenen drei Bände der Sam Fox Moving
Picture Music können als Pioniere ihrer Gattung gelten. Sie enthalten
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vornehmlich eigens komponierte, filmgerechte musikalische Versatzstü-


cke, die vom Kino-Pianisten, -Organisten oder -Kapellmeister nach vor-
heriger Sichtung des Filmmaterials nur noch ausgewählt sowie hinsicht-
lich Länge und Übergängen an den speziellen Film adaptiert werden
mussten. Musiksammlungen waren auf die Dauer wirtschaftlicher als
filmwerkspezifische Musikempfehlungen (›cue sheets‹, ›Musikszena-
rien‹ bzw. ›Musikaufstellungen‹), die für jede Filmszene eines konkre-
ten Films spezifische Musikstücke vorschlugen, welche oft teuer und
schwer zu beschaffen waren. Ferner erwiesen sich Musiksammlungen
im Alltag des Kinomusikers als bequemer und praktikabler, denn mit
den immer gleichen Versatzstücken wurde der Kinomusiker von Mal zu
Mal vertrauter. Außerdem waren keine von Zensur und Filmriss ver-
schonten Filmkopien erforderlich, da die Versatzstücke flexibel kürz-
und verlängerbar waren.
1919 beginnt Giuseppe Becce entsprechend dem Erfolgsrezept mit
der Veröffentlichung seiner umfangreichen Kinothek in zwölf Bänden,
die neben eigens komponierten, musikalischen Versatzstücken aller-
dings auch einige wenige, für diverse Besetzungen neu arrangierte Mu-
sikstücke von Frédéric Chopin enthalten. Die ab 1912 fortschreitende
Verengung und Vereinheitlichung des Repertoires auf Kunstmusik vor-
nehmlich des 19. Jahrhunderts unter Zurückdrängung von Modetänzen,
Schlagern und Volksliedern wird allerdings erst in späteren amerikani-
schen Anthologien deutlich. 1924 erscheint Ernö Rapées nach 52 film-
inhaltlichen Stichwörtern alphabetisch geordnete, 674 Druckseiten star-
ke und circa dreihundertsiebzig Musikstücke umfassende Anthologie
Motion Picture Moods For Pianists And Organists, eine weitere ›Kino-
thek‹ speziell für Tasteninstrumentspieler. Sie enthält neben romanti-
schen Charakterstücken auch Opernfragmente, Teile aus Sinfonien so-
wie Tänze und Märsche. Ein Beispiel für den häufig mit missionari-
schem Eifer empfohlenen Gebrauch von ›klassischer Musik‹, deren Ver-
wendung nebenbei bemerkt zusätzlich auch kostenlos war, ist folgende
an den Kinomusiker gerichtete Ermahnung in einem zeitgenössischen
Handbuch:
»Never lose sight of the fact that you are placed in the position of extraordinary
advantage to raise and to improve the musical taste of your audience. Use wis-
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dom in combining ›lighter stuff‹ and artistic material, work gradually towards a
happy union of the two, with music of real worth predominating.« (Lang/West
1920/21970, S. 62)

Das 1927 von Hans Erdmann zusammen mit dem Komponisten Becce
und unter Mitarbeit von Ludwig Brav veröffentlichte Allgemeine Hand-
buch der Film-Musik, ein Werk, das sich im ersten Band mit der Theorie
und Praxis von Musik für den Stummfilm beschäftigt und im zweiten
Band den bisher umfangreichsten Index in Form eines »thematischen
Skalenregisters« zu dreitausendfünfzig Ausschnitten aus Werken von
circa zweihundertzehn Komponisten zur Verfügung stellt, war durch
sein spätes Erscheinen zum Ende der Stummfilmzeit vermutlich von na-
hezu keiner praktischer Relevanz mehr. Die Autoren unterscheiden da-
rin grundsätzlich zwischen »Incidenz-« und »Expressionsmusik«. Wäh-
rend Stücke der ersten Kategorie zum Beispiel dazu verwendet werden,
ein Milieu zu charakterisieren, werden Stücke der zweiten Kategorie zur
Darstellung des Gefühlsausdrucks verwendet und noch weiter differen-
ziert in »dramatische« und »lyrische« Expression: »lyrisch« bedeutet
schwächere, »dramatisch« stärkere Gespanntheit der Situation oder des
Protagonisten. Außerdem erfolgt noch eine feinere Aufschlüsselung
nach Stimmungskategorien, Helligkeits- und Bewegtheitsgraden und
eine Ergänzung durch die Mischformen »lyrische Incidenz« und »dra-
matische Szenen«.
Auch die Vorform der werkspezifischen Originalkomposition, die
so genannte Autorenillustration, enthielt noch in größerem Umfange
Rückgriffe auf schon bestehende Musikwerke oder Songs, wofür eben-
falls zumeist ein Mangel an Zeit und Geld verantwortlich zu machen
war. Ein bekanntes Beispiel ist die Partitur zu Birth Of A Nation (USA
1915), die zu etwas weniger als der Hälfte neben Originalkompositio-
nen von Joseph Carl Breil aus einer Zusammenstellung von Bearbeitun-
gen populärer und klassischer Musik besteht. Weitere Beispiele sind die
meisten Stummfilmpartituren von Becce (vgl. Bullerjahn 2000, S. 66–70
bzw. 73–75).
Selbst heutzutage greifen Filmregisseure, Fernsehredakteure, Film-
cutter oder Musikeditoren nicht selten auf die Kompilation schon be-
stehender Musik zurück, um bewegte Bilder zu begleiten: Mit dem
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Terminus ›Archivmusik‹ (synonym teilweise auch ›Librarymusik‹ und


›Konservenmusik‹, vgl. Wehmeier 1995, S. 71–90, Schneider 1989,
S. 168–188 sowie Kungel 2004, S. 216–226) bezeichnet man heutzutage
auf Tonträgern, der Festplatte des eigenen PCs oder im Internet vorlie-
gende Musik, wobei mehr oder weniger sprechende Titel und assoziati-
ve Schlagworte auf den Tonträgern sowie Systematisierungen in Daten-
banken beziehungsweise Katalogen und Suchmaschinen die Auswahl er-
leichtern. Der Einsatz von Archivmusik erfolgt häufig in Features, Do-
kumentationen und anderen informativen Beiträgen. Einer der Gründe
hierfür ist der Termindruck, da gerade für das Fernsehen solche Beiträge
oft in wenigen Tagen oder sogar nur Stunden vor der Sendung entste-
hen müssen und für eine ausgefeilte Komposition, die auch noch einge-
spielt werden müsste, keine Zeit bleibt. Wegen der sofortigen Verfüg-
barkeit gibt es außerdem keine Unsicherheiten bezüglich des klangli-
chen Ergebnisses wie bei einer Originalkomposition. Weitere Gründe
sind das gerade für diese Sendeformate oft knapp bemessene Budget
und die häufige Nebenrolle der Musik gegenüber dem oft prominenten
Off-Kommentar. Sie übernimmt beispielsweise Lückenbüßerfunktion,
wenn keine interessanten oder brauchbaren O-Töne vorliegen, oder Ta-
petenfunktion, wenn nur durch das Bild transportierte Sachinformatio-
nen eingespielt werden. Am häufigsten soll sie jedoch der latenten Stim-
mungserzeugung dienen. Vielfach helfen dem Redakteur oder Regisseur
bei Fernsehsendern Mitarbeiter des Schallarchivs durch Vorauswahl und
Beratung, teilweise spezielle Fachgruppen für Musikberatung, die per-
sönliche Schlagwortkataloge verwenden.
Weltweit operierende ›Archivmusikverlage‹ beziehungsweise ›Libra-
ryfirmen‹1 offerieren neben kostenpflichtiger Beratung heutzutage eine
umfassende Vielfalt von Musik, die entsprechend musikalischen Trends
ständig aktualisiert wird und zumeist auf CDs zum sofortigen Gebrauch
zur Verfügung steht. Professionelle Nutzer, wie Fernseh- und Rund-
funksender, Tonstudios, Filmproduktionsgesellschaften, Videostudios
und Werbeagenturen, werden fortlaufend und kostenlos bemustert. Lib-

1
Überblicke zu Libraryfirmen finden sich in Kungel (2004, S. 222–225) und Schneider
(1989, S. 171 f.).
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raryfirmen sind als Verleger in nicht geringem Umfang an den Rück-


flüssen der Urheberrechtstantiemen beteiligt, wodurch sich die teilweise
recht hohen Produktionskosten amortisieren. Librarymusik, bei der es
sich zu 99 Prozent um Instrumentalmusik handelt, ist gegenüber der
Masse aktueller Popmusik generell recht langlebig und wird teilweise
über zehn bis zwanzig Jahre lang eingesetzt. Die Urheber solcher Musik
bleiben weitgehend anonym; nur Vielschreiber erreichen bei Insidern
Bekanntheit. Durch Rahmenverträge der GEMA beziehungsweise GVL
mit den Fernsehsendern ist keine gesonderte Abrechnung der Einzelti-
tel erforderlich, was die Verwendung solcher Musik zusätzlich attraktiv
macht. Konzeptionen solcher Sammlungen orientieren sich am häufigs-
ten an zentralen Stimmungen, aber auch an konkreten Themen und Ob-
jekten der physischen Wirklichkeit, einer bestimmten Klangfarbe oder
einem Soloinstrument, Tanzrhythmen und Musikstilen sowie Anforde-
rungen des filmischen Einsatzes (z. B. Intros, Fanfaren, Abschlüsse
etc.).
Für eine Hintergrundfunktion beziehungsweise Illustration geeigne-
te Musik zeichnet sich zumeist durch Flächigkeit (lange Töne bzw. Ak-
korde mit geringen dynamischen, klanglichen und harmonischen Unter-
schieden) und Punktualität (wiederkehrende rhythmische Patterns bzw.
Akzente mit wenigen Veränderungen) aus. Sie lässt sich nahezu beliebig
schneiden, verlängern und verkürzen sowie an gewünschter Stelle ein-
und ausblenden. Melodien werden weitgehend vermieden, da sie die
Aufmerksamkeit von Bild und Kommentar abziehen können. Häufig
lehnt sich solche Musik an stilistische oder ethnische Vorbilder an, teil-
weise handelt es sich auch um Arrangements historischer Originale oder
eingebrachte Samples ethnischer Originalaufnahmen.
Die ästhetischen Schwierigkeiten bei der Zuordnung sind die glei-
chen geblieben. Nachteile des Einsatzes von Archivmusik sind vor allem
die nur bedingt mögliche Anpassung an das visuelle Geschehen bezie-
hungsweise an Synchronpunkte und somit ihre eingeschränkten dra-
maturgischen Möglichkeiten sowie die fehlende Homogenität der Film-
musik bei Verwendung mehrerer Musikstücke, die zudem selten direkt
aufeinander folgen können, da harmonische Übergänge wie Modulatio-
nen fehlen und klangliche Unterschiede stören könnten. Problematisch
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kann auch die Verwendung ein und desselben Musikstückes in verschie-


denen Kontexten sein, insbesondere bei in zeitlicher Nähe ausgestrahl-
ten Filmen, da in der ersten Rezeption aufgebaute Assoziationsfelder
möglicherweise nicht mehr ausgeblendet werden können.

Komponieren im Hollywoodstudiosystem: Industrialisierung der


Filmmusikproduktion
Mit der Durchsetzung des Tonfilmes in Hollywood begegnete man im
Rahmen des so genannten Studiosystems dem außerordentlich hohen
Zeitdruck nach dem arbeitsteiligen Prinzip der industriellen Produk-
tion: Es wurde eine personelle Trennung zwischen den Arbeitsvorgän-
gen Komponieren, Orchestrieren/Arrangieren und Dirigieren vorge-
nommen. Bei den größten Produktionsgesellschaften Hollywoods orga-
nisierten die in den dreißiger Jahren gegründeten ›music departments‹
in der Art von Fabriken unter der koordinierenden Leitung von Gene-
ralmusikdirektoren die Versorgung der Filme mit symphonischer Be-
gleitmusik (vgl. Abb. 19).
Beispielsweise waren Max Steiner (RKO u. Warner Brothers) und Al-
fred Newman (United Artists u. 20th Century Fox) jahrzehntelang die
Direktoren solcher Abteilungen, die neben mehreren Komponisten
über eigene Orchestratoren, fest angestellte Orchester mit etwa 45 Mu-
sikern, Dirigenten, Tonmeistern, Technikern und Archivaren verfügten
(vgl. Kloppenburg 2000, S. 94). Bei weniger bedeutenden Filmen und
bei besonders großem Zeitdruck waren häufig mehrere Komponisten
gleichzeitig mit der Musik-Erfindung beschäftigt, was das Aufteilen von
zu vertonenden Filmrollen beziehungsweise das gemeinsame Konzipie-
ren der Leitmotive umfassen konnte. Als Komponist firmierte im Vor-
spann gleichwohl häufig nur der Generalmusikdirektor. Eine recht an-
schauliche Darstellung solchen gemeinschaftlichen Komponierens lie-
fert beispielsweise der Filmkomponist David Raksin (1989, S. 171–174),
die gebührend ausführlich wiedergegeben sei:
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Abb. 19: Organigramm eines music department in einem typischen Hollywood-


studio der dreißiger und vierziger Jahre (neu gezeichnet nach Prender-
gast 1977, S. 37)
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»One of the procedures employed to deal with the implausible time schedules
was ›team composition‹. On the day when a new film was turned over to the
music department for scoring, the staff gathered in the projection room of our
headquarters [...]. We usually ran the picture one reel at a time, stopping at the
end of each 1000-ft. reel to determine where music was indicated and to give the
necessary instruction to our music cutters: where the scoring sequences would
begin, where they would end, and which specific actions, dialogue, sound effects
(›FX‹), particular shots or moves of the camera should be noted in the ›break-
downs‹ – the timing-sheets that would display all this information, accounted
for in seconds and fractions thereof, by which we would coordinate our music
with the precise footage of the film. [...] When the scoring layout for each reel
was complete, one of the cutters would leave for the music editing rooms to be-
gin work on the timing-sheets for that reel.
By lunch time we had almost always ›broken down‹ the film into sequences
adjudged to need music and decided what kind of thematic material would be
required. After lunch, while the music cutters prepared the timing-sheets which
we would use to synchronize our music with the film footage, Buttolph, Mock-
ridge and I retired to our own studios to compose whatever specific material we
had assigned ourselves. We would presently reconvene, usually with several ver-
sions of each proposed theme, to decide which ones would best serve our pur-
poses [...]. The themes chosen would then be photostated, and a set was given
to each of the composers. By then the timing-sheets were ready, so Buttolph,
Mockridge and I divided up the reels to be scored more or less evenly among
ourselves, and each man headed home to compose his third [...].
Occasionally there was time to orchestrate my own sequences [...]. But the
rush was usually so great that by the next morning we were already feeding our
sketches [...] to the orchestrators, and by noon they would have many pages full
score ready for the copyists.
On the morning of the fourth day the recording sessions would begin [...].
The studio had a good orchestra of about forty-five musicians under contract,
with more available when necessary. The film scores of these second-string pic-
tures were from twenty-five to forty minutes in length, often including ›chases‹
at very fast tempi – which means lots of notes to cover long, open spaces, and
slows down the pace of composing considerably. Even with the skill and speed
of all involved, it was quite likely that while we were recording a sequence the
orchestra parts of the next were being copied.
Recording completed, on the fifth day the re-recording would commence, in
which the various tracks – dialogue, music, and sound effects – were ›mixed‹
together for the preview, or sometimes for the final print. After that, there
might be a brief respite; then the process would go into high gear again. [...]
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It is sometimes said that this policy of using team composers on the three-
day marathons of scoring differed from that of other studios at that time. Not
so. While the better films were usually handed to a single composer, very often
scores were done by teams – even when there was no particular hurry. I myself
worked in this way at nearly every studio in town. The common misconception
seems to arise from the unreliability of reference books and from the fact that
often the screen credit was given to the musical director at the studio where the
film was made.«2
Zusammengefasst sah der typische Ablauf einer Filmmusikproduktion
also folgendermaßen aus:
• 1. Tag: Zusammenkunft von Musikdirektor, Komponisten, Or-
chestratoren und Cuttern zum gemeinsamen Anschauen eines
neu eingetroffenen Filmes Rolle für Rolle mit jeweiliger Diskus-
sion im Anschluss über Beginn, Ende und Stil der Musikunterle-
gung; Cutter erstellt Zeittabelle (›spotting notes‹ bzw. ›timing
sheets‹) für jede Rolle; jeder Komponist komponiert in seinem
eigenen Büro verschiedene Themenvorschläge in mehreren Versi-
onen, von denen die besten nach einem weiteren Zusammentref-
fen gemeinsam ausgewählt werden und der Film danach Rolle für
Rolle zum weiteren Auskomponieren auf alle Komponisten auf-
geteilt wird;
• 2. und 3. Tag: fertig gestellte Kompositionen werden sofort an die
Orchestratoren weitergeleitet, welche die von ihnen erledigte Ar-
beit dann an die Stimmkopisten weiterreichen;
• 4. Tag: Start der Aufnahmen mit dem Studioorchester, zumeist
unter Leitung des Musikdirektors;
• 5. Tag: ›Re-Recording‹: Abmischung von Dialog, Musik und
Sound-Effekten.
Unter den oben geschilderten rigiden Bedingungen des Hollywoodstu-
diosystems lehnte man sich aus Gründen zeitlicher Knappheit nicht sel-

2
Inhaltlich ähnliche Darstellungen findet man ebenfalls von anderen Komponisten auch
konkurrierender Hollywoodstudios, wie zum Beispiel von Henry Mancini über seine
erste Tätigkeit als untergeordneter Komponist bei Universal (vgl. MacDonald 1998,
S. 182).
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ten mehr oder weniger offensichtlich an musikgeschichtliche Vorbilder


an, womit Originalität und Experimentierfreude auf der Strecke blieben.
Zusätzlich verwendete man häufig einfachste leitmotivische Techniken,
die nicht nur der besseren Übersicht durch ihren Wiedererkennungs-
wert dienen, sondern auch dem ökonomischen Prinzip einer Musik, die
mit wenigen und sparsam eingesetzten Mitteln viel bewirkt und nicht
wie in einem Musikdrama Zeit zur Entfaltung erhält. Beispielsweise für
das berühmte Bürgerkriegsepos Gone With The Wind (USA 1939) nach
dem populären Roman von Margaret Mitchell schuf Steiner eine üppige,
opulente Filmmusik, die gewöhnlich als Musterbeispiel der klassischen
Hollywoodscore und insbesondere für den Einsatz von Leitmotiven an-
gesehen wird. Wie viele Komponisten des klassischen Hollywoodfilmes
hatte auch Steiner gute Kenntnisse der Ideen und des Stils Richard Wag-
ners und glaubte, dessen Techniken im neuen Medium Film anwenden
zu können. Geschrieben für ein voll besetztes Symphonieorchester im
postromantischen Stil unterstützt die Musik alle Nuancen des dramati-
schen Geschehens und vereinheitlicht die Partitur durch die Leitmoti-
vik.
Steiner komponierte drei Stunden Musik, wovon zwei Stunden und
36 Minuten in der Filmendfassung Verwendung fanden (vgl. MacDo-
nald 1998, S. 53), somit eine der umfangreichsten Filmpartituren, die
jemals erstellt wurden. Sie beinhaltet elf Hauptmotive und 41 adaptierte
Melodien (davon 11 Stephen Foster-Songs), Folklorezitate oder ›origi-
nal tunes‹ (z. B. die Südstaaten-Hymne Dixie)3 (vgl. die aus dem music
summary sheet in Thomas 1991, S. 60–65 zusammengestellten Tab. 18 u.
Tab. 19) und besteht aus 99 musikalischen Einzelnummern (vgl.
MacDonald 1998, S. 53). Steiner hatte zwölf Wochen Zeit für die
Komposition, und zur Seite standen ihm fünf Orchestratoren sowie ein

3
Interessanterweise weist auch die Partitur zu dem oben schon erwähnten Stummfilm
Birth Of A Nation bereits eine erhebliche Anzahl von adaptierten Melodien auf, die
zum Teil mit denen aus Gone With The Wind übereinstimmen (Old Folks At Home, My
Old Kentucky Home und Camptown Races von S. Foster sowie Bonnie Blue Flag,
Maryland My Maryland, Dixie, H. C. Work: Marching Through Georgia und G. F. Root:
Tramp Tramp Tramp, vgl. Marks 1997, S. 207 f.).
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Arzt mit Aufputschmitteln (vgl. Schmidt 1982, S. 49)4. Letzteres war


wohl notwendig, denn im gleichen Jahr komponierte er noch die
Filmmusiken zu elf weiteren Filmen. Anders als für King Kong (USA
1933) und The Informer (USA 1935), in denen eher kurze Motive
erklingen, verwendet Steiner für Gone With The Wind vollständige
Melodien als Leitmotive, um Individuen und Beziehungen zu
repräsentieren. Variationen zeigen positive oder negative Entwicklungen
und Veränderungen an.
Das Tara-Thema (vgl. NB 1 a) als das wichtigste Leitmotiv und zu-
gleich Titelmelodie repräsentiert die Plantage Tara, der die unerschüt-
terliche Liebe der weiblichen Hauptperson Scarlett O’Hara gilt. Es be-
steht aus zwei achttaktigen Perioden, wobei die erste offen auf der Do-
minante, die zweite abgeschlossen auf der Tonika, also der Haupttonart,
endet. Außerdem ist es zusammengesetzt aus zweitaktigen, sehr ähnlich
geformten Motiven. Zu Beginn ist ein Oktavaufschwung mit anschlie-
ßender Punktierung exponiert, der aufgrund seiner Prägnanz als formel-
haft kurzer Themenkopf abgespalten werden kann und auch für Rei-
hungen und Sequenzierungen geeignet ist. Durch den motivischen Auf-
bau erhält das Thema einerseits ›Ohrwurmqualitäten‹, andererseits kön-
nen Motive und Themenkopf isoliert, unauffällig neu aneinandermon-
tiert und unabhängig weiter entwickelt werden. Ohne seine Ausdrucks-
fähigkeit einzubüßen ist das Thema somit beliebig verlänger- und ver-
kürzbar, also filmspezifisch komponiert und damit hervorragend an-
passbar an filmische Gegebenheiten (vgl. la Motte-Haber 1988, S. 66–69
sowie Kloppenburg 2000, S. 33–35).

4
Zum Vergleich: Für die Vertonung von The Empire Strikes Back (USA 1980) hatte John
Williams weniger als acht Wochen Zeit bis zur Aufnahme zur Verfügung sowie min-
destens fünf Orchestratoren (vgl. Kloppenburg 2000, S. 105).
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Tab. 18: Leitmotive und szenenspezifische Musik in Gone With The Wind

Lfd Nr. Leitmotive EinsätzeSzenenspezifische Musik Einsätze


1 Melanie 11Drum Improvise 2
2 Belle 4Driving Home 1
3 Rhett 10Grazioso 1
4 Mammy 9Prayer in Despair 1
5 Love Theme 10Dressing Scene 2
6 Tara 12Expectancy 1
7 The Twins 2Anxiety 1
8 Ashley 12Proposal 1
9 O’Hara 8Unrequited Love 1
10 Scarlett 13Charleston Heel and Toe Polka 1
11 Bonnie 6Bugle Call 1
12 Southern Belle Waltz 1
13 Examiner Office 1
14 Warriors Return 1
15 Fall of the South 1
16 Molto Allegro 1
17 Going Home 1
18 The Escape 2
19 McDonough Road 1
20 Silhouettes 1
21 Maestoso Tragico 1
22 The Yankee 1
23 True Love 1
24 The New Store 1
25 The Gossips 1
26 The Attack 1
27 Vigilantes 1
28 Can Can 1
29 Dress Shop 1
30 Nightmare 1
31 The Hands 1
32 The Accident 1
Summe 97 Summe 35
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Tab. 19: Stephen Foster Songs und sonstige Zitate in Gone With The Wind

Lfd Stephen Forster Ein- Sonstige Zitate und Fremdkompositionen Ein-


Nr. Songs sätze sätze
1 Katie Bell 3 D. Emmet: Dixie 9
2 Under The Willow 1 A. Newman: Selznick Trademark 1
3 Louisiana Belle 2 J. Barnby: Sweet And Low 1
4 Dolly Day 1 Cavaliers of Dixie 3
5 Ring De Banjo 1 Taps 2
6 Massa’s in De Cold 2 Maryland My Maryland 2
Cold Ground
7 My Old Kentucky 2 J. P. Webster: Lorena 1
Home
8 Old Folks At Home 3 Irish Washerwoman 1
9 Camptown Races 1 Gary Owens 1
10 Beautiful Dreamer 1 L. Lambert: When Johnny Comes 3
Marching Home
11 Jeannie With The 1 H. Tucker: When This Cruel War Is Over 1
Light Brown Hair
12 F. Gruber: Stille Nacht 1
13 Bonnie Blue Flag 2
14 Chicken Reel 1
15 F. Mendelssohn: Hark The Herald Angels 1
16 G. F. Root: Tramp Tramp Tramp 1
17 Go Down Moses 1
18 H. C. Work: Marching Through Georgia 4
19 Battle Hymn of The Republic 2
20 F. Waxman: The Prayer 1
21 F. Waxman: Charley’s Death 1
22 A. H. Malotte: Opening Improvise 1
23 Yankee Doodle 1
24 I. B. Woodbury: Stars Of The Summer 1
Night
25 R. Wagner: Brautchor (aus Lohengrin) 1
26 Deep River 1
27 Fore He’s a Jolly Good Fellow 1
28 N. Kneass: Ben Bolt 1
29 London Bridge Is Falling Down 1
30 W. Axt: The Locked Door 1
Summe 18 49
314 Claudia Bullerjahn

(a)

(b)

(c)

(d)

(e)

(f)

NB 1: Beispiele für Leitmotive: (a) Tara, (b) Scarlett, (c) Gerald O’Hara, (d)
Mammy, (e) Melanie und (f) Rhett (vgl. Hickman 2003, S. 150 f. bzw.
Otter 2002, S. 265–267)

Zwei der zentralen Leitmotive deuten einen ethnischen Hintergrund der


Personen an, die sie symbolisieren: Eine Gigue, ein lebhafter irischer
Volkstanz, steht für Gerald O’Haras irisches Erbe und unterstreicht zu-
dem seine Reitleidenschaft (vgl. NB 1 c). Ein Cakewalk, also durch Syn-
kopen gekennzeichnete afro-amerikanische Musik, begleitet dagegen
das Auftreten der energischen schwarzen Amme Mammy (vgl. NB 1 d).
Teilweise deuten die Leitmotive auch Persönlichkeitsmerkmale an: Eine
ruhige, sanfte Melodie steht für Melanie (vgl. NB 1 e), der charakterliche
Gegenpart Scarletts und ihre Konkurrentin in der Gunst um Ashley.
Ein straff und militärisch wirkendes Thema repräsentiert dagegen
Captain Rhett Butler (vgl. NB 1 f).
Die Filmfabel wird aus der Perspektive der Protagonistin Scarlett
O’Hara erzählt. Interessanterweise charakterisiert sie zunächst der
durch Synkopen eigensinnig wirkende Foster-Song Katie Bell, der
später jedoch vollständig von ihrem eigenen wenig einprägsamen und
ihre schwachen Momente kennzeichnenden Leitmotiv abgelöst wird
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 315

(vgl. NB 1 b). Steiners Musik reflektiert nicht nur eine Vielzahl von
wechselnden emotionalen Zuständen Scarletts und ihre ständigen Ent-
täuschungen, sondern auch ihre Entwicklung von einem jungen, impul-
siven, selbstzentrierten Jungmädchen zu einer unabhängigen, manipula-
tiven und willensstarken Frau. Ihre Liebe zu Tara ist die Quelle ihrer
Kraft, was nach jeder Zurücksetzung deutlich wird, da stets der Gedan-
ke an Tara, symbolisiert durch das Erklingen des Tara-Themas, ihr neue
Energie liefert, was selbst für den Filmschluss gilt (vgl. Otter 2002).
Neben der Leitmotivtechnik exponiert Steiner wie in vielen anderen
Filmen auch ein mehr oder weniger extremes Mickeymousing, was
durch die von ihm eingeführte Verwendung des Click Tracks ermög-
licht wurde. An einer Vielzahl von ausgedehnten Stellen erklingt diege-
tische Musik (z. B. Tanz-, Gottesdienst- und Marschmusik, singende
Plantagenarbeiter), wobei zumeist dem amerikanischen Publikum ver-
traute Melodien zitiert werden. Teilweise verarbeitet Steiner solche Me-
lodie auch als Zitatanleihen in der nicht-diegetischen Musik (z. B. ver-
zerrte Versionen von Dixie und anderen patriotischen Südstaatenmelo-
dien bei Szenen, in denen sich die Niederlage der Südstaaten abzeich-
net).

Bernard Herrmann: Haushalten mit kompositorischen Mitteln


Als abweichend von den Traditionen und Prinzipien der klassischen
Hollywoodfilmpartitur, jedoch als keineswegs ›unökonomisch‹ kann die
Arbeitsweise des Filmkomponisten Bernard Herrmann bezeichnet wer-
den. So basieren seine stilistisch leicht identifizierbaren, neoromanti-
schen Filmpartituren weniger auf einfach nachsingbaren, ausgedehnten
melodiösen Leitmotiven als vielmehr auf der variierten Wiederholung
und Entwicklung struktureller Einheiten, die er aus flexibel nutzbaren,
kurzen, oft rhythmisch oder auch dynamisch unverwechselbaren, musi-
kalischen Keimzellen – bestehend häufig nur aus zwei Takten oder sogar
nur zwei bis drei Noten – konstruierte (vgl. Bruce 1982, S. 86–154). Im
Gegensatz zu seinen Hollywoodkollegen lehnte er das arbeitsteilige
Prinzip ab und legte großen Wert darauf, selbst sowohl die Orchestrie-
rung als auch das Dirigat bei den Aufnahmesitzungen zu übernehmen.
316 Claudia Bullerjahn

Dies hatte damit zu tun, dass für ihn Orchesterfarben von großer Be-
deutung waren und er in vielen seiner Partituren durch unorthodoxe
Gruppierungen von Blech-, Holzbläsern und Schlagwerk sowie das Zu-
sammenspiel extremer Register ungewöhnliche Klangeffekte erreichte,
um im Sinne einer sensorischen ›Moodtechnik‹ auf intensive physiolo-
gische Wirkungen beim Publikum abzuzielen (vgl. Bullerjahn 2001,
S. 87)5. Gleichwohl scheute er im Sinne des sparsamen Haushaltens mit
kompositorischen Mitteln nie das Selbstzitat oder das Recyceln von
schon einmal verwendetem Material (vgl. Wrobel 2003), und so lassen
sich die gleichen oder in ähnlicher Weise typischen harmonischen Wen-
dungen oder Rhythmuszellen in einer Vielzahl seiner Filme nachweisen:
»Certain chord structures were used in basic combinations throughout much of
his music, and his singular ›sound‹ was, at times and to the uninitiated ear, tir-
ingly repetitive. Yet, with attention, Herrmann’s apparent flaws fade beside the
very real, very exciting, very imaginative complexity his film compositions
brought to the mass audience. And, as Alfred Hitchcock has said, self-plagia-
rism can also be defined as ›style‹.« (Paul M. Sammon 1977, zit. nach Larson
1985, S. 112)

Bei dem tiefgründigen und künstlerisch anspruchsvollen Science-Ficti-


on-Film The Day The Earth Stood Still (USA 1951) des ehemaligen Cut-
ters Robert Wise, der Herrmann freie Hand ließ, etwas Besonderes zu
komponieren, ist insgesamt ein recht sparsamer Filmmusikeinsatz zu
verzeichnen, jedoch insbesondere die Instrumentierung historisch und
künstlerisch bedeutsam und innovativ (vgl. Bruce 1982, S. 207–210): Es
handelt sich um die erste Filmmusik, in der elektronische Instrumente
nicht als exotische Ergänzung verwendet werden wie das Theremin von
Miklós Rósza für die Filme The Lost Weekend (USA 1945) und Spell-
bound (USA 1945), sondern in den Orchesterapparat integriert werden.
Herrmann setzt eine ausgewogene Gruppe elektronischer Instrumente

5
Interessanterweise begründet Herrmann seine an kurzen Phrasen orientierte Arbeits-
weise mit den begrenzten kognitiven Kapazitäten des durchschnittlichen, untrainierten
Filmbetrachters, der eine komplexe Wahrnehmungsaufgabe unter geteilter Aufmerk-
samkeit und Teilautomatisierung leistet: »The short phrase is easier to follow for audi-
ences, who listen with only half an ear. Don’t forget that the best they do is half an
ear.« (zit. n. Brown 1994, S. 154; vgl. auch Bullerjahn 2001, S. 169)
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 317

ein: je ein hohes und tiefes Theremin sowie E-Violine, -Bass und -Gitar-
re. Hinzu treten eine Pfeifenorgel und zwei Hammondorgeln, zwei Kla-
viere, zwei Harfen, Schlagwerk (u. a. Pauken, Vibraphon) und eine drei-
ßigköpfige Blechbläsersektion (u. a. 4 Tuben, aber keine Hörner), je-
doch weder Streicher noch Holzbläser. Weltraumassoziationen rufen
vor allem die Eröffnungs- und Schlussmusik hervor: Über einem von
Klavieren und Harfen gespielten und von Triangel und Celesta beglei-
teten, auf einem d-Moll-Akkord basierenden Ostinato ertönt in den
Blechbläser- und Elektroniksektionen eine ausgehaltene Vier-Noten-
Figur, die mit einem Crescendo um einen Halbton ansteigt, danach mit
einem weiteren Crescendo bis hin zur verminderten Quinte absinkt.
Nach einer Wiederholung ertönt eine aufsteigende, fanfarenartige
Blechbläserfigur, wieder auf dem d-Moll-Akkord basierend und Weite
suggerierend. Zusammen mit einem Crescendo auf der letzten Note
wechseln die begleitenden Harmonien von Moll nach Dur. Der klin-
gelnde Hintergrund erweckt Assoziationen an blinkende Sterne und der
unheimliche Klang der Gruppe elektronischer Instrumente, speziell das
weite Thereminvibrato, sowie die Moll-Akkorde verweisen auf die Ge-
heimnisse des äußeren Weltraumes. Der nächste Musikeinsatz nach der
Eröffnungsmusik steht in starkem Kontrast, denn er wirkt sehr erdge-
bunden und illustriert die Aufregung in der Radarstation bei Sichtung
des Raumschiffes durch zwei in schneller Geschwindigkeit dialogisie-
rende Klaviere. Der Weltraumbesucher Klaatu wird durch sanfte, ausge-
haltene Akkorde von Blechbläsern und elektronischen Instrumenten
begleitet, die durch die Pistolenschüsse auf ihn abgelöst werden. Im Ge-
gensatz dazu steht die Musikalisierung des Roboters Gort, als er das
Raumschiff verlässt, um den verwundeten Klaatu zu beschützen. Der
schwerfällige Gang des Roboters wird vermittelt durch einen langsamen
Vierviertel-Rhythmus im tiefen Blech und verstärkt durch elektronische
Gruppe, Klaviere und Pauken. Dieses Motiv wird später mehrfach vari-
iert aufgegriffen. Teilweise verwendet Herrmann rückwärts abgespielte
Aufnahmen und nimmt damit die Studioexperimente von The Beatles 15
Jahre später vorweg.
Insbesondere in der elfjährigen Zusammenarbeit mit Alfred Hitch-
cock weist Herrmanns Filmmusik typische Kennzeichen auf (vgl. ebd.,
318 Claudia Bullerjahn

S. 233–394): Häufig finden Septimenakkorde Verwendung, da sie als


dissonante Akkorde Spannungscharakter besitzen und einer Auflösung
zustreben. Eine besondere Ausprägung eines Septimenakkordes ist der
häufig als ›Hitchcock chord‹ bezeichnete Moll-Akkord mit großer Sep-
time, der großes Unbehagen auszulösen vermag. Nicht selten enden
oder kulminieren Szenen in einem unaufgelösten dissonanten Akkord
(Septimenakkord, übermäßiger oder verminderter Dreiklang, Hitch-
cock chord, Nonenakkord etc.), was der Steigerung der Spannung, der
darauf aufgebauten Erwartungshaltung und dem Auslösen von Unruhe
dient. Verwendung finden auch Bitonalität und Polytonalität sowie dis-
sonante Intervalle wie der Tritonus, die sukzessiv oder simultan erklin-
gen. Mit Chromatik und nicht tonal parallelgeführten Terzen, die nicht
nach Auflösung streben, wird die Tonalität zusätzlich aufgeweicht.
Weitere spannungserzeugende und zugleich kompositorisch äußerst
sparsame Mittel sind Ostinati und knappe Crescendo-decrescendo-
Figuren, die häufig nur aus zwei Tönen oder Akkorden bestehen, wobei
auf dem ersten crescendiert und auf dem zweiten decrescendiert wird.
Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit arbeitet Herrmann in Hitch-
cocks Vertigo (USA 1958) mit vergleichsweise prägnanten Leitmotiven,
die vornehmlich den zentralen Frauengestalten zugedacht sind: Made-
leine, der zu beschattenden Ehefrau eines Bekannten, ist das Liebesthe-
ma zugeordnet (vgl. NB 2 a), das mit seiner Legato-Melodie in den Sor-
dino-Streichern und den Seufzermotiven eine traditionelle musikalische
Beschreibung des Weiblichen liefert, jedoch durch die zusätzliche Ver-
wendung des Tritonus ihr tragisches Schicksal vorwegnimmt. Es kenn-
zeichnet die Wahrnehmung Madeleines durch ihren Beschatter Scottie
und liefert damit nicht nur eine Illustration seines Zustandes der Obses-
sion, sondern auch die Basis für eine Einfühlung des Zuschauers. Der
Film stellt eine Auseinandersetzung mit der Unerfüllbarkeit erotischer
Sehnsüchte dar. Eine tragische Liebesgeschichte wird verknüpft mit
dem Hinterfragen des Phänomens ›romantische Liebe‹. Der vorzeitig
pensionierte Polizist Scottie leidet unter Höhenangst, die »symbolisch
für die Angst [steht], sich einem anderen Menschen bedingungslos hin-
zugeben und dabei die Orientierung zu verlieren« (Rieger 1996, S. 176).
In Scotties Sehnsucht, eine Tote lebendig machen bzw. eine Lebende an
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 319

das Vorbild einer Toten anpassen zu wollen, verschränken sich Or-


pheus- und Pygmalion-Mythos. Darüber hinaus thematisiert der Film
männlichen Voyeurismus – schließlich ist die Beschattung einer Frau
zentral für die Handlung – und Fetischismus.

(a)

(b)

(c)

NB 2: Leitmotive aus Vertigo: (a) Liebesthema, das Madeleine und der verwan-
delten Judy zugeordnet ist, (b) Carlottas Thema, (c) ›Vertigo‹-Thema aus
dem Präludium (verändert nach Bruce 1982, S. 273, 312 u. 236)

Die südamerikanische Herkunft von Carlotta, deren Gemälde im Muse-


um die vorgeblich suizidgefährdete Madeleine als das ihrer Urgroßmut-
ter stundenlang besucht, da sie vorgibt, von deren Geist besessen zu
sein, wird durch einen Habañera-Rhythmus, das sie umgebende Ge-
heimnis dagegen durch die für Herrmann typischen nicht tonal parallel-
geführten Terzen angedeutet (vgl. NB 2 b). Für die Verkäuferin Judy,
die im Auftrag von Madeleines Ehemann Madeleine mimte und dafür
320 Claudia Bullerjahn

sorgte, dass Scottie den Eindruck gewann, dass Madeleine sich während
einer Beschattungsaktion vor seinen Augen das Leben nahm, gibt es nur
an einer Filmstelle eigene volkstümliche Klänge im 6/8-Takt, bevor sie
durch Änderung von Haarfarbe und Kleidung auf Wunsch von Scottie
in Madeleine (zurück)verwandelt wird und eine Variation des hier be-
zeichnenderweise an Wagners Liebestod aus Tristan und Isolde gemah-
nenden Liebesthemas zugeordnet bekommt.
Für Judy, die Scotties Liebe erwidert, gibt es keinen Ausweg aus der
Falle. Da sie den Betrug an Scottie mit zu verantworten hat und in das
Mordkomplott verwickelt ist, ist sie schuldbeladen und kommt bei
einem Streit mit Scottie durch unglückselige Umstände durch einen
Sturz vom Kirchturm auf gleiche Weise um, wie das von ihr zuvor ge-
mimte Opfer. Die im Vorspann prägnant abstrakt visualisierte Spirale,
die an verschiedenen Stellen des Filmes wiederauftaucht (z. B. Haarkno-
ten Madeleines, Turmtreppe), steht einerseits für Scotties aus der Hö-
henangst resultierenden Schwindel (engl. ›vertigo‹), andererseits für die
Endlosigkeit und Unerfüllbarkeit romantischer Sehnsucht. Im Ein-
gangsmotiv des Präludiums, das beim Auftreten von Scotties Höhen-
angst immer wieder ertönt – aber auch bei Judys ›schwindelerregender‹
Verwandlung in Madeleine – sorgen fehlende Abkadenzierung, fehlende
tonale Ausrichtung und zwei unaufgelöste, auf- und abwärts gebroche-
ne übermäßige Dreiklänge ohne Bassstütze für ein Äquivalent auf mu-
sikalischer Ebene (vgl. NB 2 c). Es ist die aus Höhenangst und Obses-
sion resultierende Schwäche Scotties, die eine echte Liebesbeziehung
unmöglich macht.

III. Film und Musik als Zweckgemeinschaft zu


gemeinsamen ökonomischen Nutzen

Themensongs
Schon früh zeigten sich Ansätze zu Medienverbünden zwischen Filmin-
dustrie sowie Musikverlagen, Plattenindustrie und Rundfunkanstalten.
Bereits zu Zeiten der Nickelodeons wurden Stummfilmvorführungen
häufig durch illustrierte Songs ergänzt, deren Noten und Texte man als
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 321

so genannte sheet music in Einzelausgaben auf Faltblättern gleich vor


Ort erwerben konnte (vgl. Berg 1976, S. 254). In den letzten Stumm-
filmjahren wurden die wichtigsten Filme mit ›theme songs‹ ausgestattet,
die in voller Länge erstmals im Vorspiel oder zu den Eingangstiteln er-
klangen und deren zentrale Motive danach den orchestralen Begleitsatz
durchzogen6. Sie konnten zur Propagierung der jeweiligen Filme einge-
setzt werden, wobei die Filmvorführungen zugleich wieder den Songs
zugute kamen. Sheet music sowie bald auch Schallplattenaufzeichnun-
gen waren vor allem in Warenhäusern wie Woolworth, an Kiosken und in
Bahnhofsläden erhältlich, und Rundfunksender spielten die entspre-
chenden Titel in ihren Programmen, was nicht unerhebliche Nebenein-
nahmen erbrachte (vgl. Smith 1998, S. 24–44). Hansjörg Pauli (1981,
S. 176), der die Themensongs insgesamt als Trivialisierung für die Mas-
sen wertet, hegt den Verdacht, dass »die ›theme-song‹-Mode [...] außer-
halb dieser Medienkonstellation entweder gar nicht kreiert worden [wä-
re] oder sie hätte sich nicht zur Mode verdichten können, sie wäre be-
deutungslos geblieben.«
Auch der zumeist als erster Tonfilm bezeichnete The Jazz Singer
(USA 1927) basierte in seiner Wirkung im Wesentlichen auf seinen
sechs Songs, deren Vermarktung im Kino einschließlich Tonträgerver-
kauf daselbst ein profitables Nebengeschäft der Filmindustrie bildete.
Kurt London (1936/21970, S. 118–122) spricht bezogen auf den frühen
Tonfilm sogar von einer »›theme-song‹ craze«: »The dullest and most
stale devices of operetta were transplanted into the cinema, and the
plague of the ›song hit‹ infected the world’s film industries.« (ebd.,
S. 119) Er kritisiert vermutlich zu Recht den zumeist dramaturgisch un-
motivierten Einsatz von textlich geschmack- und musikalisch niveau-
losen und austauschbaren Themensongs, die häufig durch einen Hand-
lungsstillstand den Spannungsbogen unterbrachen.
Durch das in den USA 1949 in Kraft getretene Verbot des ›block
booking-Systems‹ und die neue Konkurrenz des Fernsehens wuchs auf-

6
Ein besonders erfolgreiches Beispiel ist der Themensong Charmaine von Ernö Rapée aus
dem Film What Price Glory? (USA 1926) (vgl. NB 10 des Beitrags von Löffler im vorlie-
genden Band).
322 Claudia Bullerjahn

grund der daraus resultierenden Schwächung des Einflusses der großen


Hollywoodstudios die Bedeutung von unabhängigen Produktionsgesell-
schaften, was einerseits neue sozialkritische Filminhalte ermöglichte,
andererseits eine Abkehr von der spätromantischen Musik hin zu zeit-
genössischem Jazz. Dies wurde zusätzlich durch die damalige Populari-
tät und den großen kommerziellen Erfolg des ›progressiven Jazz‹, einer
Synthese von europäischer Sinfonik und nordamerikanischem Jazz, be-
günstigt. Die Mehrzahl der jazzorientierten Partituren erstellten Nicht-
Jazzmusiker, also klassisch ausgebildete Komponisten. Allerdings er-
folgte ihre Einspielung häufig durch erfahrene Jazzmusiker, von denen
traditionell eine Vielzahl in Los Angelos als Studiomusiker arbeitete,
was sicherlich wesentlich den jazzigen Gesamteindruck verstärkte.
Schon die Filme Panic In The Streets (USA 1950) und A Streetcar
Named Desire (USA 1951) verwendeten in ihren Vertonungen durch
Newman beziehungsweise Alex North Jazzanklänge zur Charakterisie-
rung des sozialen Milieus der Hauptpersonen. In dieser Tradition steht
auch Elmer Bernsteins Filmmusik zu The Man With The Golden Arm
(USA 1955). Das Jazzmilieu ist zentral für den Filmplot, denn der von
Frank Sinatra gespielte Ex-Junkie Frankie Machine versucht nach länge-
rem Gefängnisaufenthalt und erfolgreichem Drogenentzug sein Geld als
Jazz-Schlagzeuger zu verdienen. Sämtliche Jazzpassagen wie auch die
Musik zum Main Title wurden von der Shorty Rogers Band mit Shelly
Manne am Schlagzeug eingespielt, der auch Sinatra in Schlagzeugtechnik
unterwies. Überraschenderweise erwies sich die jazzige Begleitmusik zu
diesem Film als kommerziell ungewöhnlich erfolgreich, was die vorran-
gige Orientierung an den Möglichkeiten einer Vermarktung von Film-
musik und weniger an ihrer filmischen Funktionalität weiter vorantrieb
(vgl. Bullerjahn 1998).
Casablanca (USA 1942) lieferte das Muster für viele Filme mit
einem zentralen Song, um den sich die gesamte Geschichte rankt. Die
große Ära der monothematischen Song-Scores Anfang der fünfziger
Jahre wurde vorbereitet durch Filme wie Laura (USA 1944)7 und zu

7
Es handelt sich im Wesentlichen um eine monothematische Filmscore mit jazzbeein-
flusster Instrumentierung und Harmonisierung von nur etwa 17 Minuten Länge, verteilt
auf acht Einsätze und die Vorspann-Ouvertüre, deren Thema erst nach Erscheinen des
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 323

einem ersten Höhepunkt geführt durch den Film High Noon (USA
1952). Alle die genannten Filme verdanken ihren Erfolg und den ihrer
Songs auch der Tatsache, dass die Songs dramaturgisch und musikalisch
gut eingebunden sind. Dimitri Tiomkin brachte bei High Noon das
Kunststück fertig, mit dem von Tex Ritter gesungenen ›Titelsong‹ Do
Not Forsake Me, Oh My Darlin’ einen einfachen und einprägsamen Song
zu komponieren, der sowohl an die Stelle eines ouvertürenartigen musi-
kalischen Vorspannes tritt, als auch die motivische Grundsubstanz sei-
ner dramatic score liefert. Dies gelingt ihm dadurch, dass er aus den An-
fangstakten des Refrains das Motiv a (vgl. NB 3 a) gewinnt, das Sheriff
Kane leitmotivisch zugeordnet ist, und aus den Anfangstakten der Stro-
phe das Motiv b (vgl. NB 3 b), das für die am Bahnhof lauernden Rächer
steht. In der krisenhaften Zuspitzung der Testamentszene dient die
bildsynchrone Verarbeitung des Motivs b der Spannungserzeugung, und
beim Showdown zwischen Sheriff und Rächern werden beide Motive
umschichtig miteinander sinfonisch verwoben (vgl. Schmidt 1982,
S. 77 f. sowie Bullerjahn 2001, S. 179–181).

(a)

(b)

NB 3: Motiv (a) und (b) des Titelsongs Do Not Forsake Me, Oh My Darlin’ aus
High Noon (verändert nach Schmidt 1982, S. 78)

Mustergültig verlief auch die Vermarktung der Filmmusik zu High


Noon: Im Rahmen der größten bis dahin gestarteten Werbekampagne
der United Artists gab es schon vor dem Filmverleih Anmerkungen von
Publizisten zum Titelsong und Verlautbarungen für die Presse. Zusätz-

Filmes nachträglich von Johnny Mercer mit Text versehen und als Song veröffentlicht
wurde. Der Song wurde bis heute mit mehr als 400 Interpreten aufgenommen, dreimal
sogar von Sinatra.
324 Claudia Bullerjahn

lich wurden sechs Singles des Titelsongs mit unterschiedlichen Inter-


preten herausgegeben und deren Verbreitung im Handel und über
Rundfunk sowie der Vertrieb der Notenblätter durch die United Artists
forciert. Ein weiteres Beispiel für das ›Schrotflintenprinzip der Promo-
tion‹ ist auch die Tatsache, dass 32 italienische Kinotheater in den drei
Wochen vor Filmstart in ihrer Lobby das Titelthema in allen Pausen
spielten (vgl. Smith 1998, S. 59 f.). Oft wurde nun schon vor Drehbe-
ginn an die Musik gedacht, teilweise wurden sogar Testvorführungen
durchgeführt, um unter anderem auch das Verkaufspotenzial der Film-
musik zu erkunden. Zusätzlich arrangierte man spezielle Radioprogram-
me, die ausschließlich Filmmusik gewidmet waren und speziell auf dem-
nächst erscheinende Filme durch Spielen des Soundtracks aufmerksam
machten, und verknüpfte dies zum Teil mit Gewinnspielen und Werbe-
geschenken (vgl. ebd., S. 62–65).
»The minute you put a song over the titles or in any part of the picture, you’re
unconsciously trying to play on the viewer’s pocketbook – you’re trying to get
him to listen, to go out and buy.« (Henry Mancini 1979, zit. nach ebd., S. 68)

Ein weiteres prägnantes Beispiel ist Breakfast At Tiffany’s (USA 1961)


mit seinem zentralen Song Moon River. Die sehr eingängige Songmelo-
die erscheint im Vorspann rein instrumental und nicht-diegetisch, zu-
nächst gespielt von einer Mundharmonika als einprägsamer und auffälli-
ger ›Songhook‹, was einen spannungsvollen Kontrast bildet zu der vor
den Schaufenstern von Tiffany einem Taxi entsteigenden, mondän ge-
kleideten Hauptperson Holly Golightly, zu der das ländlich konnotierte
Instrument nicht so recht passen will. Jedoch verrät die Musik schon zu
diesem frühen Zeitpunkt die erst im späteren Filmverlauf von ihrem Ex-
Ehemann Doc Golightly gelieferte Enthüllung, dass die sich kultiviert
und großstädtisch gebende Holly eigentlich vom Lande stammt. Die
Songmelodie wird nachfolgend von den Streichern und danach von
einer Chorvokalise aufgegriffen. Erst gegen Ende der ersten Filmhälfte
macht der Filmbetrachter Bekanntschaft mit dem textierten Song als
Bestandteil der Filmhandlung, wenn Audrey Hepburn ihn in der Rolle
der Holly auf dem Fenstersims zur eigenen Gitarrenbegleitung singt.
Mancini schrieb diesen melodisch recht simplen Song im Umfang von
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 325

etwas mehr als einer Oktave speziell für die unausgebildete Stimme
Hepburns. Zusammen mit der schlichten Gitarrenbegleitung und der
intim wirkenden Situation – ihr Nachbar Paul Varjak in der Etage über
ihr lauscht dieser ungewöhnlichen ›Serenade‹ –, zu welcher der vielfach
ausdeutbare Songtext passt, erweckt Hepburns Stimme den Eindruck
von höchst authentischem und aufrichtigem Gefühlsausdruck. Diesen
Eindruck macht auch nicht die Tatsache zunichte, dass bald zusätzlich
das gesamte nicht-diegetische Orchester einsetzt und ihren Gesang un-
terstützt.
Prominente Auftritte hat die rein instrumentale Songmelodie, wenn
Holly Paul von ihrem Bruder Fred bzw. dem Verlassen ihres Zuhauses
mit 14 Jahren erzählt, und dann wieder beim überraschenden Wiederse-
hen mit dem Ex-Ehemann und dem endgültigen Abschied von diesem
sowie am Filmende, wenn Holly ihre Katze wieder findet und sich letzt-
lich doch für Paul entscheidet. An den genannten Stellen fügt die Song-
melodie eine spezielle Gefühlsqualität schmerzlicher Sehnsucht hinzu,
wobei sie und der durchgängige Pop-Jazz-Sound der Filmmusik gut
miteinander verschmelzen. Insgesamt unterstützt die dominante Ver-
wendung dieser Melodie den Eindruck von musikalischer Geschlossen-
heit und etabliert von Anfang an die Stimmung der Filmgesamtheit.
Die Melodie wird ergänzt durch weitere diegetische und nicht-diege-
tische Musik: Innerhalb der zwanzigminütigen Party-Szene in Hollys
Wohnung ertönen in Ausschnitten vier Latin Jazz-Tanznummern und
davon als erste der Moon River Chacha – eine Variante des Songs – als
diegetische Musik und unterstreichen damit zugleich die zeitlichen El-
lipsen der Filmsequenz. Durch immer dichtere Instrumentation von
einer Nummer zur nächsten wird die zunehmende Entgleisung der Par-
ty verdeutlicht: Die letzte Tanznummer Loose Caboose bietet das ge-
samte Jazzensemble auf und weist außerdem eine verdichtete Textur
durch Dopplung der Melodie in Terzen auf. Ein melodisch eingängiges
›Wandermotiv‹ für Chorvokalise, Streicher und Xylophon begleitet als
nicht-diegetische Musik den gemeinsamen Streifzug von Holly und Paul
durch Manhattan, der seinen Höhepunkt in dem unbemerkten Entwen-
den zweier Halloween-Masken hat. Typisch für Mancinis Filmpartitur
ist außerdem die Verwendung eines speziellen Akkordes, der durch den
326 Claudia Bullerjahn

Vibrato-Klang des Vibraphons gekennzeichnet ist und an zahlreichen


Stellen als so genannter Stinger chord die Aufmerksamkeitszuwendung
des Zuschauers erreichen soll (vgl. ebd., S. 69–99).
Mancini gewann zwar für seine Filmmusik neben anderen Auszeich-
nungen und Chartplatzierungen sowohl den Oscar® für die ›Beste Film-
musik‹ als auch für den ›Besten Song‹, diente jedoch zugleich der zeitge-
nössischen Kritik – möglicherweise aufgrund der begleitenden aggressi-
ven Werbekampagne – häufig als Symbol für den Niedergang der klassi-
schen Hollywoodscore und die Hinwendung zu krasser Kommerzialität
und musikalischer Banalität. Von Moon River existieren zahlreiche Co-
verversionen8, und der Song wurde auch in einigen Filmen wieder aufge-
griffen (z. B. Born On The Fourth Of July (USA 1989) u. Minority
Report (USA 2002)).
Jeff Smith (1998, S. 17–20) verdeutlicht am Beispiel des Titelsongs
von Goldfinger (GB 1964), in welcher Weise für Popsongs charakteristi-
sche ›riffs‹ und ›hooks‹, energiegeladene Ostinati und Aufmerksamkeit
schaffende kurze Motive, anstelle länger ausgearbeiteter und systema-
tisch variierter Leitmotive Verwendung finden, um den Hörer zu fesseln
und sein Kaufinteresse zu wecken. Der Song beginnt im instrumentalen
Vorspiel bereits mit einem auffallenden Akkordwechsel von der Tonika
zur Großterz-Untermediante. Diesem harmonischen Motiv folgt direkt
ein klangfarbliches, nämlich eine schmetternde Jazztrompete, die zwi-
schen den Tönen e2 und gis2 hin und her gleitet und den Querstand der
beiden einleitenden Akkorde bestätigt (vgl. NB 4 a). Nach direkter Wie-
derholung treten beide Motive zwei weitere Male in dynamisch und
klangfarblich gemilderter Form auf, dabei das zweite eine Oktave tiefer
und klanglich weicher als Überleitung zu der zunächst weniger aggressi-
ven Gesangsbegleitung. Mit dem Einsatz der Gesangstimme folgt als
drittes ein melodisches Motiv, das mit dem Songtitel textiert ist und von
dem querständigen harmonischen Motiv begleitet und einem einprägsa-
men, von fünf Tönen gebildeten Streichermotiv ergänzt wird (vgl. NB

8
Laut einer Auflistung zur Anzahl von Coverversionen ausgewählter Filmsongs existieren
immerhin 27 Versionen; von Never On Sunday (USA 1960) aus dem gleichnamigen
Film entstanden binnen eines Jahres sogar über vierhundert Versionen weltweit, die in
mehr als 14 Millionen Kopien verkauft wurden (vgl. Smith 1998, S. 61 f.).
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 327

4 b)9. Die Songbridge enthält ein ebenfalls melodisches, jedoch zusätz-


lich intertextuelles Motiv, nämlich die chromatisch auf- und abwandern-
de Gegenmelodie des James-Bond-Themas (vgl. NB 4 c). In der Coda
findet sich schließlich das kraftvolle, viertönige Bond-Motiv als weiteres
intertextuelles Motiv (vgl. NB 4 d). Ein lang ausgehaltenes es2 bildet den
letzten und zugleich höchsten Melodieton der Gesangstimme und damit
ein von seiner Tonhöhe her wirksames Motiv. All diese Motive passen
zu den durch das Kurzzeitgedächtnis vorgegebenen Beschränkungen
und garantieren damit bestmögliche Einprägsamkeit.

(a)

(b)

(c)

(d)

NB 4: Strukturelle Komponenten des Titelsongs Goldfinger: (a) Songbeginn mit


harmonisch und klangfarblich dominierten Motiven, (b) Einsatz der Ge-
sangstimme mit melodisch orientiertem Motiv, (c) Gegenmelodie des
James-Bond-Themas als melodisch-intertextuelles Motiv, (d) Bond-Motiv
als weiteres intertextuelles Motiv (verändert nach ebd., S. 17–19)

9
Wolfgang Löffler, der sich in seinem Aufsatz Vom Tritonus und anderen teuflischen Klän-
gen mit dem Tritonus ausführlich befasst hat (vgl. Löffler 1998), merkt an, dass an der
Textstelle »the man with the Midas touch« ein Tritonus den teuflischen Charakter der
Titelfigur für diejenigen symbolisiert, die mit dem Begriff ›diabolus in musica‹ etwas an-
fangen können.
328 Claudia Bullerjahn

Musik gehört zum konsistenten Serienrezept der Bond-Film-Serie, das


neben einem erotischen Vorspann mit einprägsamen Titelsong exoti-
sche Schauplätze, schöne Frauen, übermenschliche Schurken, grob-
schlächtige Spießgesellen, kunstvolle Stunts, ausgeklügelte technische
Spielereien, Maurice Binders ikonische Pistolenlauf-Eröffnung und eine
spektakuläre Sequenz vor dem Vorspann umfasst. Seit From Russia With
Love (GB 1963) hat die musikalische Rezeptur vier, nicht immer ver-
pflichtende Zutaten (vgl. ebd., S. 101 f.):
(1) Das James-Bond-Thema als Signatur beziehungsweise akusti-
sches Warenzeichen, das seit Einführung der James-Bond-Figur
in Dr. No (GB 1962) eine unauslöschliche Verbindung mit die-
ser eingegangen ist (vgl. NB 5). Es begleitet in vollständiger Ar-
tikulation sowohl die Pistolenlauf-Eröffnung als auch seine ver-
bale Warenzeichen-Vorstellung »Bond. James Bond«. Ansons-
ten erfolgen nur Anspielungen und Fragmentierungen in die
motivischen Komponenten.
(2) Das 007-Thema, komponiert als treibender, synkopierter
Marsch, das nicht immer und beispielsweise auch nicht in Gold-
finger auftaucht.
(3) Den Titelsong, der sowohl Action- als auch Liebesszenen beglei-
ten kann.
(4) Ein Leitmotiv für den Schurken.

NB 5: James-Bond-Thema in der gezupften, verhallten E-Gitarre als akustisches


Warenzeichen der Bond-Filmserie (vgl. ebd., S. 118)10

10
Die Urheberschaft für das James-Bond-Thema ist unklar: Sowohl der britische Songwri-
ter Monty Norman, der offizieller Rechteinhaber ist, als auch der britische Filmkompo-
nist John Barry erheben Ansprüche (vgl. ebd., S. 107 f.)
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 329

Die beispielsweise von William Darby und Jack Du Bois (1990,


S. 391 f.) fälschlich angemahnte teilweise scheinbar beliebige und wenig
integrierte Themenzuordnung John Barrys und die sich hieraus erge-
benden musikdramaturgischen Inkongruenzen stehen in Analogie zur
typischen Bondfilm-Narration, die durch Selbstparodie, fantastische
›Gadgets‹ und übertrieben klischeehaft dargestellte Themen wie Hel-
dentum, Niederträchtigkeit und Sexualität gekennzeichnet ist und dazu
tendiert, gegen die klassischen Prinzipien von dramaturgischer Einheit
und Linearität anzuarbeiten. Bedeutungsvoller ist jedoch die Tatsache,
dass jeder Bondfilm als Teil eines größeren intertextuellen Kontextes
anzusehen ist: Die Partituren bilden keine einheitliche und originäre Er-
findung, sondern eher einen ›Mischmasch‹ scheinbar austauschbarer,
teilweise sogar immer gleicher Teile, die höchstens aktuellen Popmusik-
moden angepasst werden. Jedoch sind diese Stilisierungen und das Spiel
mit Konventionen notwendig, um die Bondfigur trotz wechselnder Re-
gisseure, Komponisten und Hauptdarsteller als beständig und unver-
ändert zu präsentieren. Alle Elemente der musikalischen Rezeptur bau-
en einen bemerkenswert stabilen Bestand an musikalischen Erwartun-
gen für die Fans der Filmserie auf. Die breite Anwendung des Titel-
songs dient außerdem sowohl kommerziellen als auch textuellen Funk-
tionen: Bei Goldfinger beispielsweise verdeutlichen Titelsong und des-
sen Text zusätzlich Bonds moralische Ambiguität und parallelisieren
seine sexuelle Gier mit der materialistischen des Schurken Goldfinger
(vgl. Smith 1998, S. 127–129). Zugleich prägt sich der Song durch die
Vielzahl der Wiederholungen in unterschiedlichen Kontexten beim Pub-
likum ein:
»If a song is played at the very beginning of a film, late patrons will likely be too
concerned with finding a seat to care much about the music issuing from the
screen. Played over the closing credits, the song is likely to be ignored as people
start to make their way into the aisles and out of the theater. In contrast to this,
the Bond films’ opening action sequences easily garner the rapt attention of
filmgoers and thus provide a valuable framework for the catchy hooks and me-
morable melodies of the Bond title songs. Moreover, the matching of visual and
musical rhythms in the credit sequences enhances the song’s memorability by
giving prominence to the music’s place within the film’s hierarchization of
image and sound. The nude silhouettes in the Bond credit sequences ›decorate‹
330 Claudia Bullerjahn

these titles songs by highlighting the double entendres that are featured in the
songs’ lyrics. In the manner of a modern music video, the song itself becomes
the most important channel of signification during the credits, and the tongue-
in-cheek sexual imagery serves largely to extend and refine the theme song’s
meanings.« (ebd., S. 121)

Vor allem in den sechziger und siebziger Jahren war es üblich, zunächst
die Musik eines Filmsongs zu komponieren und diese erst später zu tex-
tieren. Es erwies sich bei dieser Vorgehensweise als nachteilig, dass die
resultierenden Songmelodien häufig besser als instrumentale Filmmu-
sikthemen denn zum Singen geeignet waren. Seit den achtziger Jahren
überträgt man die Aufgabe des Songschreibens deshalb häufig einem se-
paraten Songwriter, der einen zumeist bereits vorliegenden Text vertont
und schon auf eine mögliche Vermarktung in den Musikcharts hin kon-
zipiert. Heutzutage wird oft eine umfassende Vermarktung von Pop-
Ikonen oder deren musikalischen Produkten angestrebt. Wehmeier
(1995, S. 135 f.) erwähnt in diesem Zusammenhang den so genannten
US-Deal: In kommerziell erfolgversprechenden Spielfilmen (z. B. Robin
Hood: Prince Of Thieves (USA 1991)) oder Einzelfolgen lang laufender
Fernsehserien (z. B. Miami Vice) werden längere Filmsequenzen für das
Abspielen je eines kompletten Songs freigehalten. Man bietet diesen
›Werbeplatz‹ rechtzeitig vor Drehbeginn diversen Schallplattenfirmen
an, die einen Song (evtl. sogar inklusive eines Gastauftritts des Interpre-
ten, wenn z. B. eine Nachtclubszene abgedreht wird) kostenlos zur Ver-
fügung stellen und zusätzlich für die Genehmigung ihres ›Product-
Placements‹ entsprechend hohe Sponsorsummen zahlen. Ausgekoppelte
Single und zugehöriger Videoclip, der möglicherweise mit Szenen aus
dem Spielfilm bebildert ist, werben gemeinsam für den demnächst er-
scheinenden Film, in den der Song mit mehr oder weniger passenden
Bildern integriert wird. Die filmisch genutzten Songs werden gewöhn-
lich später zu so genannten Samplern zusammengestellt und auf den
Markt geworfen, nachdem sie innerhalb der filmischen Produkte für
sich selbst geworben haben (vgl. hierzu auch Karlin 1994, S. 221–233).
Der Soundtrack zum Film Robin Hood: Prince Of Thieves (1991) ver-
kaufte sich mindestens drei Millionen Mal, vermutlich auch, weil hier
geschickt der von Bryan Adams gesungene Song (Everything I Do) I Do
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 331

It For You an dramaturgisch entscheidender Stelle – Marian macht Ro-


bin deutlich, dass sie für ihn alles tun würde – das erste Mal vollständig
im vollen Orchestersatz anklingt.
Der Film Titanic (USA 1997) ist in vielerlei Hinsicht ein kolossales
Phänomen: Als populärster Film und größter Kassenschlager aller Zei-
ten errang er elf Oscars®, davon je einen für ›Beste Filmmusik‹ und
›Bester Song‹. Bei James Horners Musik zu Titanic, die zu etwa einem
Viertel der Zeit sinfonisch gesetzt und leitmotivisch angelegt ist, han-
delt es sich zugleich um die erfolgreichste Auskoppelung von nicht
kompilierter Filmmusik überhaupt (9 Mio. verkaufte Platten in den
USA in den ersten 15 Wochen). Typisch sind neben dem groß besetz-
ten Orchester der häufige Einsatz von Synthesizer und Vokalisen der
norwegischen Sängerin Sissel Kyrkjebo, häufig als gespenstische An-
spielung auf die vielen auf hoher See verlorenen Seelen. Die durchweg
melodisch eingängigen Leitmotive werden teilweise nur lose mit der
dramatischen Handlung verknüpft und zumeist unverändert und intakt
belassen.

(a)

(b)

(c)

(d)

(e)

NB 6: Hauptleitmotive des Films Titanic (a) Titanic, (b) Southampton, (c) Rose
und Liebe ((d) Strophe und (e) Refrain) (vgl. Hickman 2003, S. 430 f.)

Die vier Hauptleitmotive lassen sich in zwei Paaren zusammenfassen:


Die Leitmotive Titanic (vgl. NB 6 a) und Southampton (vgl. NB 6 b)
sind beide dem Schiff und seiner Glorie zugeordnet. Anfänglich ertönt
das Titanic-Thema einzeln im Horn gespielt als Untermalung zu den
332 Claudia Bullerjahn

Szenen mit dem Bergungsboot. Bei der ersten Rückblende nach South-
ampton, dem englischen Hafen, von welchem die Titanic auslief, sind je-
doch beide Themen gleichermaßen präsent. Die längste Vorstellung des
Southampton-Themas mit Chorvokalisen und Glockenklängen er-
scheint in dem Moment, als das Schiff Fahrt aufnimmt im Wettstreit
mit Delfinen, was sehr gut die Aufregung des Ereignisses wiedergibt.
Jacks erregter Ausruf »I’m the king of the world!« wird gefolgt von
einem weiteren Einsatz des Titanic-Themas im vollen Orchester, was
mit dem atemberaubenden Blick auf das gesamte Schiff korrespondiert.
Bis auf eine kurze Anspielung auf das Titanic-Thema am Ende des Films
erklingen beide Leitmotive nicht wieder.
Das Leitmotiv für die weibliche Hauptperson Rose (vgl. NB 6 c) und
das für ihre Liebe zu Jack (vgl. NB 6 d u. e) erscheinen ebenfalls häufig
gepaart. Das Rose-Thema ertönt zu Filmbeginn eindringlich als Sopran-
vokalise und hat eine gewisse Nähe zu irischer Folklore. Dies verwun-
dert etwas, da Rose weder Irin ist, noch dem gemeinen Volk angehört
und das Thema sie somit nur recht vage repräsentiert und eher auf die
irische Herkunft des Schiffes anspielt. Jedoch passt es sehr gut zum Lie-
besthema, das erstmalig in voller Länge und eingeleitet vom Rose-The-
ma auf der irischen Zinnpfeife (tin whistle) beim ersten Kuss der Lie-
benden bei Sonnenuntergang auf dem Schiffsbug erklingt. Eine Klavier-
fassung begleitet Jacks Versuch einer Aktskizze von Rose und die Melo-
die in Oboe und Synthesizer den Geschlechtsakt auf einer Wagenrück-
bank. Kombinationen beider Themen finden sich unter anderem als Be-
gleitung zu Roses Sprung vom Rettungsboot zurück auf die sinkende
Titanic, auf der sich noch Jack befindet, und als Rose den bereits erfro-
renen Jack ins Meer entlässt und vom Rettungsteam gefunden wird,
nachdem sie mit einer Pfeife auf sich aufmerksam gemacht hat. Erst im
Abspann gibt sich das Liebesthema als der von Céline Dion gesungene
Titelsong My Heart Will Go On zu erkennen und das Rose-Thema als
Intro des Songs.
Diegetische Musik hilft häufig mit, das Klassensystem an Bord des
Schiffes zu betonen: Auf den oberen Decks ertönt oft elegante Kam-
mermusik, auf den unteren Decks wird dagegen irische Tanzmusik ge-
spielt. Auch für die zentrale Liebesgeschichte ist dies bedeutsam, da
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 333

Rose der Oberschicht, Jack jedoch der Arbeiterschicht angehört. Das


als solches historisch verbürgte Streichquartett, das angeblich während
des Sinkvorganges weitermusizierte, stimmt die Hymne Nearer My God
To Thee an, eine Montage von Szenen mit Menschen, die sich unter-
schiedlich auf den Tod vorbereiten, auf emotional ergreifende Weise un-
termalend.

Song-Kompilationen
Anahid Kassabian (2001, S. 2 f.) behauptet in ihrer Monografie, dass das
zeitgenössische Hollywoodkino von zwei filmmusikalischen Hauptan-
sätzen bestimmt werde, die tendenziell auf unterschiedliche Weise Iden-
tifikationsprozesse in Gang setzten: zum einen speziell für den jeweili-
gen Film komponierte Filmmusik in klassischer Hollywoodtradition,
die für integrierende Identifikationen (›assimilating identifications‹) sor-
ge, und zum anderen aus zumeist schon vorher existierenden Songs
kompilierte Filmmusik, die angliedernde Identifikationen (›affiliating
identifications‹) nach sich ziehe. Speziell komponierte Filmmusik sorge
in standardisierter, häufig auch klischeehafter Weise und damit recht ri-
gide kontrolliert in ihrer Bedeutungsproduktion dafür, dass Filmrezi-
pienten in sozial und historisch unvertraute Positionen hineingezogen
werden und sich trotz fehlenden Bezuges zur eigenen Lebensgeschichte
dennoch mit einer spezifischen Person identifizieren könnten. Bei kom-
pilierter Filmmusik dagegen brächten Filmrezipienten durch die ver-
wendeten Songs aus der Erinnerung aufgerufene, wenig kontrollierbare,
vielfältige externe Assoziationen in die Filmnarration mit ein, was die
Möglichkeit zur Identifikation mit verschiedenen Filmfiguren offen hal-
te. Selbstverständlich existierten auch Vermischungen beider filmmusi-
kalischer Ansätze. Die neue filmmusikalische Vielfalt wurde nach Kassa-
bian mit verursacht durch die Aufnahme neuer Filmthemen wie der
Gender- und Rassenproblematik.
Nach Kassabian (2001, S. 61) nahm während der achtziger Jahre des
20. Jahrhunderts die Anzahl der Filme mit Popmusik-Soundtracks dra-
matisch zu, davon die meisten kompiliert aus Rock- und Popsongs. Ein
Grund hierfür ist sicherlich der potentielle Gewinn aus dem Verkauf des
334 Claudia Bullerjahn

Soundtrackalbums, wobei man durch eine mehr oder weniger dem


›Mainstream‹ zuzuordnende Auswahl den Musikgeschmack einer mög-
lichst breiten Zuschauerschaft zu treffen und dadurch den kommerziel-
len Erfolg des Filmes zu forcieren versucht11. Die Musik erscheint häu-
fig als recht dominanter, teilweise ironischer Kommentar zu Gefühlen
der Protagonisten, impliziert gegebenenfalls nostalgische Gefühle beim
Zuschauer und gelangt insbesondere als einziges akustisches Element
einer Szene immer in den Fokus der Aufmerksamkeit (vgl. ebd., S. 52).
Jedoch handelt es sich keineswegs um eine neue Erscheinung, wie Filme
belegen etwa wie The Graduate (USA 1967) mit Songs von Simon &
Garfunkel, Easy Rider (USA 1969) mit elf Rocksongs, die zumeist wäh-
rend der Motorradfahrten erklingen, Harold And Maude (USA 1971)
mit Songs von Cat Stevens, die häufig den Ortswechseln mit dem Lei-
chenwagen unterlegt sind und Filmsequenzen verklammern und wie bei
Easy Rider ein spezifisches Lebensgefühl zu vermitteln imstande sind,
beziehungsweise American Graffiti (USA 1973) mit diversen Rock ‘n’
Roll-Oldies, welche die andauernde Präsenz des Autoradioprogramms
und seines Moderators Wolfman Jacks gewissermaßen als Soundtrack
des Alltags verkörpern.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die sehr erfolgreiche US-
Fernsehserie Cold Case, die seit 2003 in bisher sechs Staffeln und 123
Episoden läuft. Im Zentrum dieser Krimiserie stehen Polizisten einer
Abteilung, die bereits zu den Akten gelegte, aber noch ungeklärte Kri-
minalfälle (engl. ›cold cases‹) lösen. Das Strickmuster der Serie ist im-
mer gleich: Jede Episode beginnt mit einer Rückblende, die den Zu-
schauer in das Jahr der Tat einführt und mit Informationen zu den
wichtigsten Protagonisten und Indizien im jeweiligen Fall versorgt, die
plötzlich unerwartete Aktualität erlangen. Spannend ist hierbei, dass ne-
ben historisch passender Ausstattung, Kleidung, Frisuren und gesell-
schaftlichen Kontexten es vor allem die damals zeitgenössische populäre

11
Beispielsweise im Falle von Philadelphia (1993) liegt die heutzutage häufige Kombinati-
on von kommerziell eher auswertbaren Popsongs und funktionell-dramaturgischer Ver-
tonung im traditionellen Sinne vor, was folgerichtig auch zur Vermarktung von zwei
Soundtrackalben zu einem Film führt: zum einen die so genannte Original Score und
zum anderen die Song-Kompilation.
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 335

Musik ist, die sentimentale Erinnerungen und den Zeitgeist vergangener


Dekaden wachzurufen vermag. Am Ende jeder Episode wird zudem ein
kompletter Musiktitel aus dem Bereich der populären Musik eingesetzt,
der als einziger akustischer Bestandteil die Verhaftung des Täters und
das offizielle Schließen der Akte begleitet. Aufschlussreich ist die Tatsa-
che, dass Cold Case nicht auf DVD erhältlich ist, was mit den zu erwar-
tenden zu hohen Kosten für den Kauf der Rechte an den Popsongs zu
erklären ist, wobei es sich fast immer um ehemals recht erfolgreiche Ti-
tel handelt. Für das Ausstrahlen der Fernsehserie sind die Rechte dage-
gen über günstige Pauschalverträge abgegolten. Bemerkenswert ist in
diesem Zusammenhang die Kundendiskussion beim Onlineanbieter
Amazon12, die verdeutlicht, dass den Rezipienten die emotionsauslösen-
de Wirkung der Popsongs und ihre Bedeutung für die Dramaturgie der
Serie sehr wohl bewusst sind.
Handelt es sich auch bei den meisten Spielfilmen und Fernsehserien
mit Popsong-Kompilationen um eher konventionelle und wenig an-
spruchsvolle Produkte, so findet sich bei einigen Filmen insbesondere
des Regisseurs Quentin Tarantino ein gebrochener und reflektierter
postmoderner Zugriff auf Filmnarration, Rollenklischees und Musikzi-
tate. Mehr oder weniger abrupte Sprünge im zeitlichen Ablauf schaffen
in Filmen wie Reservoir Dogs (USA 1992), Pulp Fiction (USA 1994)
und später deutlich in seinen Filmen Kill Bill: Vol. 1 (USA 2003) und
Kill Bill: Vol. 2 (USA 2004) einen ›Puzzleplot‹, bei welchem der Film-
betrachter die verschiedenen Teile erst am Ende des Films in die richtige
chronologische Abfolge bringen kann. Ständig werden Bilder und Klän-
ge populärer Kultur drastischen Gewaltszenen gegenübergestellt. Dem
Zuschauer beispielsweise von Pulp Fiction sind Storymuster und Cha-
raktere aus Krimi-Groschenromanen (engl. ›Pulps‹) vertraut, worauf
auch das Filmwerbeplakat anspielt. Drei separate Handlungsstränge sind
miteinander verwoben und verbunden über das Auftragskiller-Duo
Vincent und Jules.
Die aus 21 zuvor eher unbekannten Rockstücken kompilierte Film-
musik, mehrheitlich Surf Music der sechziger Jahre des 20. Jahrhun-

12
vgl. http://www.amazon.de/Cold-Case-TV-Serie-Kathryn-Morris/dp/B000KZRN3C
336 Claudia Bullerjahn

derts, schafft einen vereinheitlichenden Sound, der durch seinen extre-


men Nachhall, spartanische Instrumentierung und epische Melodien ein
musikalisches Äquivalent zur visuell erzählten Handlung liefert, die bei
körperlichem Missbrauch und Exzess verweilt. Die Oberflächentextur
von Surf Music, ihre elektroakustische Verzerrung, ihr Tempo und ihre
schiere Lautstärke wirken intensiv erregend, jedoch erlaubt ihre melodi-
sche Wiederholungsstruktur keine narrative Entwicklung oder kom-
mentierende Funktion. Die Auswahl der kompilierten populären Mu-
sikstücke geschieht somit weder aus Gründen der Ansprache einer spe-
zifischen Zielgruppe, noch vorrangig zur zeitlichen, kulturellen oder
psychologischen Verortung der Filmcharaktere, wie dies häufig bei
Martin Scorcese, Stanley Kubrick oder Woody Allen passiert. Vielmehr
verwendet Tarantino definierbare musikalische Stile, um dem Filmbe-
trachter die Möglichkeit zu bieten, sich schmunzelnd an Tarantinos
Kennerschaft und den unerwarteten, neuen visuellen Kontexten zu er-
freuen. Dieses lustvolle Wiedererinnern kann über den Kauf des Sound-
tracks in der Privatheit der eigenen Räume wiederholt zelebriert wer-
den, sicherlich mit ein Grund dafür, dass der schon vor dem Film veröf-
fentlichte Soundtrack dreifach Platin errang (vgl. Dettmar/Richey 1999,
S. 320–325, sowie Metzger 2000, S. 210–218, und Garner 2001).
Die gesamte Musik des Filmes kann als diegetische Musik gehört
werden. Schon im Vorspann etabliert Tarantino diesen Effekt, der mit
dem von Dick Dale auf der E-Gitarre vorgetragenen Instrumentalstück
Misirlou beginnt. Die Melodie endet abrupt mit dem Geräusch eines
Autoradios, das den Sendekanal wechselt hin zu Jungle Boogie von Kool
& The Gang. Der divergente Charakter dieser beiden Stücke spiegelt
den unterschiedlichen Musikgeschmack und die verschiedenen Rassen
der beiden Auftragskiller wider, die in der Eingangsszene in einem Auto
fahrend gezeigt werden. Überhaupt kommt dem Umgang mit Medien
der Unterhaltungsindustrie, wie Plattenspieler, Fernsehgerät und Kas-
settenrekorder eine herausragende Bedeutung zu, wodurch dem Zu-
schauer die diegetische Tonquelle und der Prozess von situativ beding-
ter Musikselektion immer wieder ins Bewusstsein gerückt werden. Über
die kontrollierte Musikauswahl üben die Filmfiguren zugleich Kontrolle
über andere Personen aus, wie das von der Frau des Gangsterbosses Mia
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 337

inszenierte erste Zusammentreffen mit Vincent zeigt, bei dem sie Dusty
Springfields Son Of A Preacher Man auflegt und damit ihren Tabustatus
als ›verbotene Frucht‹ für Vincent dokumentiert.
In dem Jack Rabbit Slim’s Twist-Wettbewerb, den Vincent gemein-
sam mit Mia bestreitet, korrespondieren Zitate aus der Geschichte der
Rockmusik (Rock’n’Roll-Titel der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts
von Ricky Nelson, Link Wray und Chuck Berry) mit filmischen Zitaten
der Popkultur. Hierzu gehören zum Beispiel als Filmstars verkleidete
Kellner und der den Vincent verkörpernde John Travolta als ironische
Anspielung auf dessen berühmte Rolle in Saturday Night Fever (USA
1977). Mias Kollaps als Folge einer Drogenüberdosis wird nach zuvor
zwanzigminütiger, fast durchgehender Musikunterlegung (zentral eine
ironisch-kontrapunktisch eingesetzte Coverversion von Neil Diamonds
Song Girl, You’ll Be A Woman Soon von Urge Overkill) mit dreißigmi-
nütigen vollständigem Fehlen von Musik markiert und erscheint somit
wie ein Einbruch der Realität als Konsequenz von eben nicht vollständig
kontrollierbaren Handlungen.

Ausnahmeerscheinung Ennio Morricone


Nach Meinung Sergio Micelis (2000, S. 307) ist Ennio Morricone »zwei-
fellos als einer der hauptsächlichen Verursacher des Abgleitens der ›Gat-
tung‹ Filmmusik zum Konsumprodukt anzusehen«. 1928 in Rom gebo-
ren, studierter Trompeter und klassischer Komponist, wurde Morricone
vor allem durch seine Filmmusiken für die so genannten Spaghetti-Wes-
tern bekannt, obwohl er zu nahezu jedem Filmgenre Kompositionen
beigesteuert hat. Oft verwendet er einprägsame ›Main Titles‹ oder Titel-
songs am Filmanfang oder -ende (z. B. der von Joan Baez gesungene
Schlusssong Here’s To You in Sacco e Vanzetti (I 1970)) und ausgedehn-
te Musikstücke bei Filmhöhepunkten, Schlüsselszenen (z. B. in C’era
una volta il West (I 1969) mit der für ihn typischen Vermeidung von
Worten durch die Verwendung von Vokalisen) und ›Showdowns‹ (z. B.
Duelle in Western wie Il Buono, il Brutto e il Cattivo (I 1966)). Schon
mit dem Soundtrackalbum zu Il Buono, il Brutto e il Cattivo aus dem
Jahre 1966 hatte Morricone seinen ersten Top-Ten-Hit in den USA,
338 Claudia Bullerjahn

wobei die dem Schlussduell zwischen Joe, Tuci und Sentenza unterlegte
Musik dem Song Eye For An Eye, gesungen von Maurizio Graf, ent-
spricht. Auch Chi Mai, das im Film Le Professionnel von 1981 wieder
verwendet wurde, war ein beachtlicher Verkaufserfolg. Gerade die Film-
musik zu Le Professionnel kann als Paradigma für ein Zusammenfallen
beider ökonomischen Prinzipien angesehen werden, nämlich kommerzi-
eller Erfolg und sparsamer, an das barocke Kompositionsprinzip der
Passacaglia angelehnter und auf Johann Sebastian Bach mit dem BACH-
Motiv konkret Bezug nehmender Musikeinsatz bei größtmöglicher Ef-
fektivität.
Unerreicht im Vergleich zu vorherigen Morricone-Soundtracks blie-
ben bisher jedoch die Verkaufszahlen für das Soundtrackalbum zu The
Mission: Seit seiner Veröffentlichung 1986 wurden über 500.000 Kopien
verkauft. Dies ist insofern recht erstaunlich, da der Film keine populäre
Musik im engeren Sinne enthält. Im Gegenteil werden sogar historisch
entfernt liegende Stile und Musik anderer Ethnien integriert. Der kom-
merzielle Erfolg kann am ehesten mit der zunehmenden Popularität von
so genannter Weltmusik erklärt werden:
»The Mission ist […] das höchste, wahrscheinlich unübertroffene Beispiel für
jenen pragmatischen Idealismus, der bereits mehrmals erwähnt wurde und der
zu dem überdurchschnittlichen Ergebnis und großen Erfolg beigetragen hat.«
(Miceli 2000, S. 319)

Gerade bei Filmmusiken von Morricone ist es schwierig, die ästhetische


Orientierung klar einzugrenzen: Seine Filmmusiken stehen als funktio-
nale Musik eindeutig im Dienste filmischer Dramaturgie und Narration,
gelangen allerdings durch ihre eingängige Melodik und prägnante sowie
ungewöhnliche Instrumentierung trotzdem häufig wie autonome Musik
in den Fokus der Aufmerksamkeit des Zuschauers. Es verwundert in
diesem Zusammenhang sicherlich nicht, dass Morricone Titelmelodien
seiner Filme oft im Nachhinein in Songs umarbeitete oder umgekehrt
Songs als Vorlagen für filmmusikalische Themen nahm.
Der Musik kommt in The Mission eine besondere Rolle zu, denn sie
tritt in der Diegese sichtbar in Erscheinung und ihre Wirkungen werden
sowohl für die Filmfiguren als auch den Filmbetrachter erfahrbar (vgl.
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 339

Miceli 2000, S. 38). Der gesamte Film ist von musikalischen Handlun-
gen und thematischen Anspielungen auf Musik durchsetzt: Beispiels-
weise informiert zu Filmbeginn die Off-Stimme Altamiranos über die
Geigenfabrikation durch bekehrte Indios, und parallel dazu sieht man
den Missionar Pater Gabriel, einen der wesentlichen Protagonisten des
Filmes, wie er kleinen Indios Geigenstunden erteilt. Der Mord an einem
Amtskollegen zwingt ihn, dessen Missionsgebiet im Urwald oberhalb
der Wasserfälle zu übernehmen. Seine erste Kontaktaufnahme mit noch
nicht bekehrten Indios findet wiederum über Musik statt: Pater Gabriel
macht mit dem Spiel auf seiner Oboe auf sich aufmerksam und stellt
sich gewissermaßen auf musikalische Weise vor. Hierbei handelt es sich
um eine Anspielung auf den Orpheus-Mythos, denn die irrationalen be-
sänftigenden Wirkungen der Musik bei der Begegnung mit dem Wilden
werden demonstriert. Zwar wird diese erste Begegnung in ihrem Erfolg
dahingehend getrübt, dass die Oboe durch einen wütenden Indio zer-
brochen wird, jedoch nimmt die Mehrheit des Indiostammes ihn an, was
musikalisch dadurch deutlich wird, dass die zuvor diegetisch erklingen-
de Melodie nun nicht diegetisch mit vollem Orchester ertönt. Zusätz-
lich weist die schon oben angesprochene Off-Stimme auf die Bedeutung
der Musik bei der Bekehrung der Indios durch die Jesuiten hin. Über
den Film verteilt ertönt an vielen weiteren Stellen Musik im Bild und
zwar vor allem durch die von Indios vorgetragene geistliche Musik.
Morricones Filmmusik zu The Mission basiert hauptsächlich auf der
Leitmotivtechnik, dem Verfahren, das er auch in vielen anderen Filmen
erfolgreich anwandte. Es lassen sich im Wesentlichen vier Hauptmotive
aufzeigen13:
(1) Falls (Track 2, vgl. NB 7) ist das Leitmotiv der Mission, dem ge-
meinsamen Lebensraum des Indiostammes und der Jesuiten. Es
ertönt zum ersten Mal im Film, wenn Pater Gabriel die Iguaçu-
Wasserfälle hinaufsteigt, um sein neues Missionsgebiet zu errei-
chen. Es verwendet nur vier Töne und besteht aus einer eintak-
tigen Motivzelle, die dreimal unverändert wiederholt wird. In-

13
Die Bezeichnung der Motive und Tracks habe ich von der Soundtrack-CD zu The Missi-
on (Virgin CDV 2402) übernommen.
340 Claudia Bullerjahn

teressanterweise handelt es sich um ein von Morricone ›recycel-


tes‹ Motiv, denn es ist identisch mit dem Refrain des Songs Se
Telefonando (1966).
(2) Gabriel’s Oboe (Track 3) ist Leitmotiv für Pater Gabriel und
seine christlichen Ideale: Liebe, Glaube und Hoffnung. Zum
ersten Mal ertönt es diegetisch in sehr freier Form, vorgetragen
von Pater Gabriel auf seiner Oboe (s. o.), danach hauptsächlich
nicht diegetisch. Die Melodie spielt mit ihren Verzierungen und
ihrer Instrumentation auf die Epoche an, in der der Film spielt,
nämlich das 18. Jahrhundert.
(3) River (Track 12), das Leitmotiv der Indios, ist ein schlichtes,
dreistimmig homophon gesetztes Chorstück mit lateinischem
Text (Vita nostra), das entfernte Ähnlichkeit mit Carl Orffs
Anfangsstück der Carmina Burana aufweist. Es basiert auf den
gleichen vier Tönen wie Falls.
(4) Penance (Track 10) hat sein erstes Auftreten in der Läuterungs-
sequenz und ist somit Leitmotiv des Sklavenhändlers Rodrigo
Mendoza. Als Buße für den Mord an seinem Bruder muss er ein
Bündel aus alten Rüstungen und Schwertern den Wasserfall hin-
aufschleppen, was sich als Sisyphosarbeit entpuppt und sich in
der Melodik des Themas deskriptiv widerspiegelt.

NB 7: Falls als Leitmotiv der Mission (vgl. Darby/Du Bois 1990, S. 393)

Alle Motive erklingen in verschiedenen Varianten mit alternativen In-


strumentierungen (Einsatz präkolumbianischer Flöten besonders bei
Motiv 1 und 3), melodischen Umkehrungen, rhythmischen Straffungen
und veränderten Harmonisierungen. Hinzu treten noch nur einmalig
und kurz erklingende Motive für Mendozas Bruder und dessen Frau so-
wie Motive aus den an Palestrina orientierten und mehrheitlich von
Amateuren vorgetragenen Chorstücken Ave Maria Guarani, Conspectus
Tuus (vierstimmige Motette) und Te Deum Guarani, die jedoch harmo-
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 341

nisch zu Gabriel’s Oboe passen – ein Beleg für Morricones ökonomi-


schen Umgang mit Material. Die Motive werden häufig miteinander
kombiniert, wobei der Höhepunkt diesbezüglich ein Quodlibet von Ga-
briel’s Oboe, River und Conspectus Tuus ist (vgl. NB 8), was die Verqui-
ckung der Welten der Jesuiten und Indios symbolisiert. Es ergibt sich
hier eine Polyrhythmik, die unterstützt wird durch brasilianische Per-
kussion.
Morricones Filmmusik zu The Mission erfüllt eine Vielzahl von
Funktionen, von denen nur eine kleine Auswahl exemplarisch geschil-
dert werden kann. So belegen die Verkaufszahlen des Soundtracks
(s. o.) das Einlösen von ökonomischen Metafunktionen. Mit Hilfe von
Leitmotiven gelingt es Morricone überzeugend, die Handlungsträger
nach ihrem dramaturgischen Gewicht zu dimensionieren und ihr Ver-
hältnis zueinander darzulegen, womit Morricone dramaturgische Aufga-
ben erfüllt. Im Dienste der Erledigung epischer Funktionen stehen zum
Beispiel Gabriel’s Oboe, das durch barocke Anklänge den historischen
Kontext präzisiert, sowie sämtliche Einsätze ethnisch klingender Flöten
und Perkussion, die geografische Fixpunkte liefern.
Das Motiv Penance bildet eine formale Klammer für die Läuterungs-
sequenz, illustriert jedoch auch Mendozas Erfolg versprechende An-
strengungen und sein Scheitern mit auf- oder abwärts ausgerichteten
Melodiefloskeln. Ebenfalls eine strukturelle Funktion wird erfüllt, wenn
die in dieser Sequenz eingeschobene nächtliche Szene mit Mendoza bei
der Bibellektüre durch das Erklingen des Anfanges vom Dies Irae, einer
gregorianischen Sequenz, abgegrenzt wird. Die ungeschulten Stimmen
der geistlichen Indiochöre sind in ähnlicher Weise emotional ergreifend
wie das Motiv Gabriel’s Oboe und verstärken auf persuasive Weise die
emotionale Parteinahme des Zuschauers.
Abschließend sei Wolfgang Thiel das Wort überlassen, der Morrico-
ne einen »bravouröse[n] Mixtum-compositum-Stil« (Thiel 2000, S. 179)
bescheinigt, bei dem Anregungen aus der E-Musik und populären Mu-
sikformen amalgamiert werden, einer »oftmals perfekten Verschmel-
zung von Bildaussage und musikalischer Stimmung zu einer suggestiven
Gesamtwirkung« (ebd., S. 181):
342 Claudia Bullerjahn

NB 8: Quodlibet von Gabriel’s Oboe, River und Conspectus Tuus (vgl. Miceli
1994, S. 318)
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 343

»Der Morricone-Sound präsentiert [...] paradigmatisch das brancheninterne


Modell einer publikumswirksamen Teilhabe an bestimmten semantisch effekt-
vollen Ergebnissen der musikalischen Moderne. [...] Wenn auch Morricone bei
dramatischen Szenen gerne Ausflüge in atonale und klangpointillistische Berei-
che unternimmt, so bleibt das Ziel seiner kompositorischen Bemühungen letzt-
lich doch die faßliche, in ein wohltönendes Arrangement eingebettete Melodie.
Als Meister mondän instrumentierter Themen, deren klangliche Gestalt glei-
cherweise am technifizierten Sound der Pop-Musik wie am schmelzenden Bel-
canto der italienischen Oper oder an der exotischen Folklore Anteil hat, ver-
wendet Morricone viel Sorgfalt auf die Komposition der Titelmelodie oder dra-
maturgisch wichtige Erkennungsmotive, von deren Einprägsamkeit auch der
kommerzielle Erfolg der jeweiligen Filmmusik abhängt.« (ebd., S. 180)

IV. Resümee
Es ist sicherlich nicht übertrieben formuliert, wenn man das »Kino als
Hauptumschlagsplatz von Musik« (Keller 1996, S. 12) bezeichnet. Bis-
her herrschte jedoch in der Filmmusiktheorie die starke Betonung von
ästhetischen Belangen (›Kunstwerkgedanke‹) und eine Vernachlässi-
gung technologischer, ökonomischer und kultureller Mechanismen vor.
Der Popsoundtrack als Alternative zur klassischen Hollywoodscore
wurde oft als musikalisch ungeeignet und unambitioniert verdammt und
als Konzession an die kommerzorientierten Filmproduzenten angese-
hen. Exemplarisch sei die ›Nörgelei‹ Irwin Bazelons (1975, S. 30) zitiert:
»Through the mass-media loudspeaker system, the pop-music culture has
rammed its product down the audience’s throat and instilled people, especially
film personnel, a way of associating success and hit songs. By using instantane-
ously acceptable music, already packaged and presold in the pop culture, the
filmmakers display an adroit awareness of their audience’s fashionable taste
buds, and this audience, in turn, is sitting duck for the industry’s sales psychol-
ogy.«

Es hat eine lange Tradition, die schon auf Theodor W. Adorno zurück-
geht, junge Kinozuschauer als hirnlose Konsumenten und Filmprodu-
zenten als manipulierende Kaufleute zu beschreiben. Jedoch zeigte der
vorliegende Überblick, dass Ökonomie beim Komponieren für den
Film seit jeher eine Rolle spielte und diese sogar noch zunehmen muss,
344 Claudia Bullerjahn

da Komponisten – und dies nicht nur in Europa! – nun fast immer auch
Produzenten ihrer Musik sind. Das von der Tendenz her eigentlich im-
mer zu knappe Gesamthonorar, das auch die Produktionskosten für die
Musik beinhaltet, macht das Einsparen von musikalischen, technischen
und personellen Mitteln zugleich attraktiv und zwingend, bedingt das
Schrumpfen des schöpferischen Eigenanteiles und befördert das Auf-
springen auf aktuelle popmusikalische Trends, die Zusatzeinnahmen
durch den Soundtrackverkauf versprechen.
Für viele Filmkomponisten ist es heutzutage selbstverständlich, dass
ihre Musik dazu dient, Hollywoodfilme zu verkaufen, weshalb beispiels-
weise Bruce Broughton seine Filmmusiken auch direkterweise als »com-
mercials« bezeichnet (zit. nach Keller 1996, S. 46). Andere, häufig Kom-
ponisten der älteren Generation wie beispielsweise Jerry Goldsmith, ste-
hen dagegen dem ökonomischen Gebrauch von Filmmusik eher ableh-
nend gegenüber:
»Was ich ablehne, ist der forcierte Gebrauch von Popmusik in Filmscores aus
ganz offensichtlichen kommerziellen Gründen. Er ignoriert vor allem die tat-
sächliche Funktion von Filmmusik, die darin besteht, die Wirkung eines Films
in gedanklicher und emotionaler Weise zu unterstützen.« (zit. nach ebd. S. 79)
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 345

V. Quellenverzeichnis

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auch http://www.mont-alto.com/SamFoxMovingPictureVol1/SamFoxV1.html]

Internet
http://www.amazon.de/Cold-Case-TV-Serie-Kathryn-Morris/dp/B000KZRN3C
(Verifikationsdatum: 8. 1. 2009)

Filme und Fernsehserien


American Graffity (USA 1973, Regie: George Lucas, Musik: div. Rock ‘n’ Roll-Songs
der frühen 60er Jahre)
Birth Of A Nation (USA 1915, Regie: David Wark Griffith, Musik: Joseph Carl Breil
und David Wark Griffith)
Born On The Fourth Of July (USA 1989, Regie: Oliver Stone, Musik: John Williams)
Breakfast At Tiffany’s (USA 1961, Regie: Blake Edwards, Musik: Henry Mancini)
Il Buono, il Brutto e il Cattivo (I 1966, Regie: Sergio Leone, Musik: Ennio Morricone)
Casablanca (USA 1942, Regie: Michael Curtiz, Musik: Max Steiner)
Cold Case (US-Fernsehserie seit 2003, Produzenten: Jerry Bruckheimer und Shaun
Cassidy, Musik: div. Pop-Oldies)
The Day The Earth Stood Still (USA 1951, Regie: Robert Wise, Musik: Bernard
Herrmann)
Dr. No (GB 1962, Regie: Terence Young, Musik: Monty Norman)
Easy Rider (USA 1969, Regie: Dennis Hopper, Musik: div. Rocksongs)
The Empire Strikes Back (USA 1980, Regie: Irvin Kershner, Musik: John Williams)
From Russia With Love (GB 1963, Regie: Terence Young, Musik: John Barry und
Lionel Bart)
Goldfinger (GB 1964, Regie: Guy Hamilton, Musik: John Barry)
Gone With The Wind (USA 1939, Regie: Victor Fleming, Musik: Max Steiner)
Von Hollywoods Studiosystem zur Vermarktung populärer Kinohits 349

The Graduate (USA 1967, Regie: Mike Nichols, Musik: David Grusin und Paul
Simon)
Harold And Maude (USA 1971, Regie: Hal Ashby, Musik: Cat Stevens)
High Noon (USA 1952, Regie: Fred Zinnemann, Musik: Dimitri Tiomkin)
The Informer (USA 1935, Regie: John Ford, Musik: Max Steiner)
The Jazz Singer (USA 1927, Regie: Alan Croslan, Musik: Irving Berlin, Gus Kahn,
Sam Lewis u. a.)
Kill Bill: Vol. I (USA 2003, Regie: Quentin Tarantino, Musik: div. Interpreten)
Kill Bill: Vol. 2 (USA 2004, Regie: Quentin Tarantino, Musik: div. Interpreten)
King Kong (USA 1933, Regie: Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack, Musik:
Max Steiner)
Laura (USA 1944, Regie: Otto Preminger, Musik: David Raksin)
The Lost Weekend (USA 1945, Regie: Billy Wilder, Musik: Miklós Rósza)
The Man With The Golden Arm (USA 1955, Regie: Otto Preminger, Musik: Elmer
Bernstein)
Miami Vice (US-Fernsehserie 1984–87, div. Regisseure, Musik: Jan Hammer)
Minority Report (USA 2002, Regie: Steven Spielberg, Musik: John Williams)
The Mission (USA 1986, Regie: Roland Joffé, Musik: Ennio Morricone)
Never On Sunday (USA 1960, Regie: Jules Dassin, Musik: Manos Hadjidakis)
Once Upon A Time in The West (I 1969, Regie: Sergio Leone, Musik: Ennio Morri-
cone)
Panic In The Streets (USA 1950, Regie: Elia Kazan, Musik: Alfred Newman)
Philadelphia (USA 1993, Regie: Jonathan Demme, Musik: Howard Shore, Bruce
Springsteen, Neil Young)
Le Professionnel (F 1981, Regie: Georges Lautner, Musik: Ennio Morricone)
Pulp Fiction (USA 1994, Regie: Quentin Tarantino, Musik: div. Rocksongs der 50er
und 60er Jahre (mus. Leit.: Karyn Rachtman))
Reservoir Dogs (USA 1992, Regie: Quentin Tarantino, Musik: div. Rocksongs der
70er Jahre (mus. Leit.: Karyn Rachtman))
350 Claudia Bullerjahn

Robin Hood: Prince Of Thieves (USA 1991, Regie: Kevin Reynolds, Musik: Michael
Kamen)
Sacco e Vanzetti (I 1970, Regie: Giuliano Montaldo, Musik: Ennio Morricone)
Saturday Night Fever (USA 1977, Regie: John Badham, Musik: Bee Gees, David
Shire)
Spellbound (USA 1945, Regie: Alfred Hitchcock, Musik: Miklós Rósza)
A Streetcar Named Desire (USA 1951, Regie: Elia Kazan, Musik: Alex North)
Titanic (USA 1997, Regie: James Cameron, Musik: James Horner)
Vertigo (USA 1958, Regie: Alfred Hitchcock, Musik: Bernard Herrmann)
What Price Glory? (USA 1926, Regie: Raoul Walsh, Musik: Ernö Rapée)

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