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Zeitschrift für
Archäologie und
Kulturgeschichte
Spektakulär
bebildert mit
prachtvollen
Fotos
und Karten
wbg-wissenverbindet.de
EDITORIAL
FASZINATION GLADIATOR
n der aktuellen Ausgabe der AW widmen wir uns einem der populärsten Themen der Antike: den
I Gladiatoren. Neufunde der letzten Jahre, naturwissenschaftliche Methoden und veränderte
Fragestellungen haben auch das Interesse der Wissenschaft wieder vermehrt auf das Phänomen
der Spiele in den römischen Amphitheatern gelenkt. Daher können wir Ihnen in Zusammen
arbeit mit der großen Sonderausstellung «Gladiator – Die wahre Geschichte» im Antikenmuseum
Basel und Sammlung Ludwig neueste Forschungsergebnisse und spannende Befunde präsen
tieren.
Unser Jubiläumsrückblick
schaut in das erste Jahrzehnt
des 21. Jhs. zurück, das das
40. Jubiläum der AW mit sich
brachte (vgl. Abb.) und den Re
launch, der zur aktuellen Ge
stalt der Zeitschrift geführt hat.
In unserer Jubiläumsbeilage
wollen wir aber wie immer
nicht nur zurück, sondern auch
in die Gegenwart und die
Zukunft der Altertumswissen
schaften blicken. Ob 40 oder 2000 Jahre –
jede Zeit hinterlässt ihre Spuren
Lassen Sie sich überraschen.
Ihre AW-Redaktion
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ANTIKE WELT 5/19
TITELTHEMA GLADIATOREN
8 GLADIATOREN IN POMPEJI – ZEUGNISSE DER FRÜHEN AUS
von Valeria Sampaolo GRABUNGEN
Bereits bei den ersten Forschungen in Pompeji Mitte des 18. Jhs. machten die bourbo
nischen Ausgräber Funde, die mit den Gladiatorenkämpfen in der Stadt in direkter
Verbindung standen. Mit diesen Entdeckungen und den ersten Deutungen macht uns
die Autorin vertraut.
MOSAIK
Themen unserer Jubiläumsbeilage sind dieses Mal u. a. ein ins Bild gesetzter Blick in die
Zukunft der Archäologie, aber auch eine Analyse der aktuellen Situation: Welche
Rolle spielt die Wissenschaftskommunikation in den Altertumswissenschaften und
welche Bedeutung sollte ihr zukommen?
Titelbild der vorliegenden Ausgabe Fotos: oben: Zwei Szenen mit Gladiatoren. Römisches Mosaik aus dem 2. Jh. n. Chr. Verona, Museo
Terrakottastatuetten von Gladiatoren, 1./2. Jh. n. Chr. Inv. Nr.
Arch 65/6, Stuttgart, Landesmuseum Württemberg (akg-images / Archeologico (akg-images / Cameraphoto); rechts: Ausgrabung des Soknopaiostempels von Dimê in Ägyp-
über http://www.united-ki
Landesmuseum Württemberg / Hendrik Zwietasch). ten (Foto: M. Stadler).osk.de
THEMENPANORAMA
HEISSE QUELLEN, SALZ UND DAT TELPALMEN – DAS TOTE MEER AUF 71
DER MOSAIKKARTE VON MADABA von Martin Peilstöcker und
Die berühmte Mosaikkarte von Madaba aus dem 6. Jh. gilt als die älteste Landkarte des Sabine Wolfram
Heiligen Landes. Einen gewichtigen Raum darauf nimmt das Tote Meer ein, zu dem auch
verschiedene kulturgeschichtlich spannende Aspekte künstlerisch in Szene gesetzt wurden.
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Internationale Nachrichten
GROSSBRITANNIEN der römischen Villa von Chedworth das gleiche Verzierungsmuster wie
in Gloucestershire ein seltenes Glasfrag- das gefundene Fragment besitzt. Das
ment gefunden. Erst jetzt gelang mit- gefundene Fragment dürfte aus dem
FRAGMENT EINER hilfe einer Flasche in einem New Yorker Bereich der Schwanzflosse stammen.
SELTENEN GLASFLASCHE Museum die endgültige Zuordnung Das geöffnete Maul des Fisches
IN GLOUCESTERSHIRE des Stücks zu einem Flaschentypus. Der war wahrscheinlich die Öffnung der
Fund veranschaulicht den Reichtum Flasche.
GEFUNDEN der Villa. Es ist nur ein weiteres antikes Exem-
Vor zwei Jahren hatte ein britischer Ar- Laut der Grabungsleiterin Nancy plar einer solchen fischförmigen
chäologiestudent der University Grace handelt es sich bei dem Frag- Flasche bekannt; dies wurde in einem
of York bei Grabungen im Nordflügel ment um einen Teil einer etwa 20 cm Grab des 2. Jhs. n. Chr. auf der
langen fischförmigen Flasche aus Krim gefunden. Die Archäologen der
blaugrünem Glas, das mit weißen University of York schließen daraus,
Fragment und Rekonstruktion der fischförmigen Flasche
und gelben Schleifen verziert wurde. dass auch die englische Flasche aus
desselben Typs (Foto National Trust / Rod Kirkpatrick). Die kunstvoll gestaltete Flasche diente dem Schwarzmeergebiet stammt. Dass
möglicherweise der Aufbewahrung die Flasche also vom anderen Ende
von Parfum. Mehrere Experten unter- des Römischen Reichs nach Britannien
suchten zwei Jahre lang das Fragment gekommen sei, verdeutliche zusam-
aus Chedworth, um es einem men mit dem vermuteten Inhalt der
bestimmten Flaschentyp zuzuordnen. Flasche den Reichtum der Besitzer der
Schließlich wurden sie im Corning Villa von Chedworth – ein Eindruck,
Museum of Glass in New York fündig, den auch weitere Funde aus der Villa
wo sich eine restaurierte Glasflasche bestätigen.
in Form eines Fisches befindet, die Nach einer Pressemitteilung der University of York
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ANTIKE WELT 5/19
AKTUELL
AUTONOME REGION
KURDISTAN IM IRAK
GRIECHENLAND
SCHIFFSWRACKS IN DER
Fotos: Εφορεία Εναλίων Αρχαιοτήτων.
SÜDLICHEN ÄGÄIS
Vor der kleinen griechischen Insel Levitha
(in der Antike Lebinthos), Teil einer
kleinen Inselgruppe zwischen den Kykla-
den und der Dodekanes, wurden von
Forscherinnen und Forschern der Epho- Abb. 1
rie für Unterwasserarchäologie in Bergung des gewalti-
gen Steinankers
der diesjährigen ersten Kampagne eines aus archaischer Zeit.
dreijährigen Projekts mehrere Schiffs-
wracks und Teile der Ladung weiterer
Schiffe gefunden. ter aus dem 3. Jh. v. Chr. hatte Ampho-
Die Schiffe datieren in einen Zeitraum ren aus der Ägäis an Bord (Knidos,
vom 3. Jh. v. Chr. bis in die Spätantike. Kos und Rhodos), drei Schiffe aus der
Es wurde aber auch ein seltener, 400 kg Zeit vom 2./1. Jh. v. Chr. und aus
schwerer Steinanker (Granit) aus ar- dem 2. Jh. n. Chr. führten koische und
chaischer Zeit (6. Jh. v. Chr.) geborgen pseudo-koische Amphoren, ein Schiff
(Abb. 1), der auf ein für diese Zeit- aus dem 1. Jh. v. Chr. Amphoren aus der
stellung außergewöhnlich großes Schiff Nord-Ägäis und ein Frachter aus dem
schließen lässt. 1. Jh. n. Chr. rhodische Amphoren (Abb. 2).
Die Schiffe transportierten Ampho- Nach Pressemitteilung des Kultusministeriums Abb. 2 Dokumentation der Amphoren eines Wracks
ren verschiedener Herkunft: Ein Frach- Griechenlands vor Levitha.
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ANTIKE WELT 5/19
DAS ALTPERSISCHE
ltpersisch ist eine altiranische Spra- Sprache und kann somit als früheste Der persische König Kyros (altp.
A che, die als offizielle Hof- und Fami-
liensprache der Achaimenidenherrscher
Bezeugung einer noch heute gespro-
chenen iranischen Sprache gelten. Dar-
Kuruš) II. hatte 539 v. Chr. Babylon
erobert und so eine neue Macht im
in Inschriften seit Dareios I. bezeugt über hinaus ist Altpersisch die früheste Vorderen Orient etabliert. Nach dem
ist. Sie verkörpert ein frühes Stadium durch zeitgenössische Originalzeugnisse Tode seines Sohnes Kambysus, der
der späteren mittel- und neupersischen belegte indoiranische Sprache (Abb. 1). Ägypten eroberte, ging aus den Wir-
Abb. 1 Relief mit altpersischer Inschrift an der Südwand des sog. Kleinen Wohnpalastes von
Dareios I. (altpers. «Tatschara») in Persepolis. Übersicht der altpersischen Schriftzeichen
Nr. Zeichen Transliteration Lautwert
1 a a
2 i i
3 u u
4 k k(a/i)
5 ku ku
6 x ch(a/i/u)
7 g g(a/i)
8 gu gu
9 c tsch(a/i/u)
10 j dsch(a/u)
11 ji dschi
12 t t(a/i)
13 tu tu
14 θ th(a/i/u)
15 ç ts(a/i/u)?
16 d d(a)
17 di di
18 du du
19 n n(a/i)
20 nu nu
21 p p(a/i/u)
22 f f(a/i/u)
23 b b(a/i/u)
24 m m(a)
25 mi mi
26 mu mu
27 y j(a/u)
28 r r(a/i)
29 ru ru
30 l l(a/i/u)
31 v w(a)
32 vi wi
33 s s(a/i/u)
34 š sch(a/i/u)
35 z z(a/i/u)
36 h h(a)
37–42 Wortzeichen
43 : Worttrenner
44 I 1
45 II 2
46 V 5
47 X 10
48 XX 20
49 C 100
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ANTIKE WELT 5/19
SPRACHEN & SCHRIFTEN
Abb. 2 Die Bisutun-Inschrift aus dem 6. Jh. v. Chr.
ren Dareios (altp. Dārayavauš) als Kö- licher Methoden konnten die Wis- gänzt wird, insgesamt verfügt sie über
nig hervor, der die Grenzen bis nach senschaftlerinnen und Wissenschaftler 49 Zeichen. Allen Silbenzeichen inhä-
Thrakien und zum Indus ausdehnte. Wortformen nach bekannten Wörtern riert ist potentiell ein Vokal, am häu-
Auf diese Weise entstand ein erstes verwandter Sprachen erschließen. Das figsten «a» (dieses Prinzip findet man
Weltreich, das alle bisherigen Terri- ebenfalls altiranische Avestische und auch im indischen Schriftenkreis, viel-
torien an Ausdehnung übertraf. Erst vor allem das etwas entfernter ver- leicht angeregt durch die altpersische
Alexander der Große machte dem wandte Altindische (Sanskrit) waren Keilschrift). Bei «i», «u» wird er in der
persischen Großreich ein Ende und durch eine ununterbrochene Überlie- Regel durch das auf ihn folgende Vo-
übernahm dessen Erbe. Dareios I. ließ ferung und Schrifttradition bereits zu- kalzeichen verdeutlicht. Bei Langvoka-
seine Taten in der monumentalen In- gänglich. Spätestens ab 1816 hatte die len gilt das grundsätzlich.
schrift von Bisutun aufzeichnen, wohl historisch-vergleichende Sprachwissen-
zunächst in der lokalen Schriftsprache schaft (Indogermanistik) ihre Methodik
Elamisch und im weiter verbreiteten entwickelt, mit der sie bisher kaum be-
Babylonisch; dann aber ließ er offen- kannte Sprachen und ihre Systematik
bar speziell für seine eigene Sprache, erschließen kann.
das Altpersische, eine einfache eigene Die Entzifferung der altpersischen
Form der Keilschrift entwickeln. Da- Keilschrift war der Schlüssel zur ge- Adresse des Autors
reios fügte diese Version der großen samten Kultur des alten Vorderen Ori- Prof. Dr. Martin Joachim Kümmel
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Inschrift hinzu. Bis zum Ende des Achai- ents, weil sie die Entzifferung der Pa- Philosophische Fakultät
Institut für Orientalistik, Indogermanistik,
menidenreichs wurde diese Schrift für rallelversionen der Inschriften – und Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie
Königsinschriften verwendet (Abb. 2). damit der weit wichtigeren und kom- Seminar für Indogermanistik
Zwätzengasse 12a
Die altpersische Keilschrift ist die plexeren sumerisch-akkadischen Keil- D-07743 Jena
historisch jüngste, aber zugleich die frü- schrift – ermöglichte, die die Grund-
heste sog. Keilschrift, die von der euro- lage der Schriftkultur Mesopotamiens Bildnachweis
Abb.1: akg-images / Jürgen Sorges; 2: Heritage Images /
päischen Forschung entziffert wurde – von den Anfängen im 3. Jt. v. Chr. bis in Fine Art Images / akg-images.
ein Prozess, der bis 1847 andauerte. die Zeit der Achaimeniden bildete. Ihr
Die Entzifferung basierte auf zwei wich- Verständnis eröffnete den Zugang zu Literatur
R. SCHMITT, Altpersisch, in: R. Schmitt (Hrsg.), Compen-
tigen Voraussetzungen: Einerseits nutzte drei Jahrtausenden Schriftkultur, mit dium Linguarum Iranicarum (1989) 56–85.
man die bekannten altpersischen Kö- der sich die Disziplin der Altorientalis- DERS., Die altpersischen Inschriften der Achaimeniden.
nigsnamen, die bei antiken Autoren wie tik beschäftigt. Editio minor mit deutscher Übersetzung (2009).
Herodot überliefert waren, als Datie- Die altpersische Keilschrift ist eine DERS., Wörterbuch der altpersischen Königsinschriften
(2014).
rungshilfen, andererseits konnte man rechtsläufige gemischte Laut- und Silben- J. WIESEHÖFER, Das antike Persien von 550 v. Chr. bis
schon auf den Sprachvergleich zurück- schrift (Abugida), die durch acht Wort- 650 n. Chr. (1993).
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ANTIKE WELT 5/19
GLADIATOREN IN POMPEJI
Zeugnisse der frühen Ausgrabungen
Der unbekannte Zuschauer, der in roter Farbe auf die verputze Mauer die Liste der Kämpfer-
Paare des thraex und des murmillo, des hoplomachus und des essedarius geritzt hat,
fügte vor dem Namen eines jeden die Abkürzungen v(icit), m(issus) oder p(eriit) hinzu. So
wissen wir auch, wer Sieger war, wer begnadigt und wer getötet wurde.
Die erste Gladiatorenveranstaltung des Marcus Mesonius hat an den Tagen ... und am 2. Mai stattgefunden.
Eine zweite Gladiatorenveranstaltung fand vom 11.–15. Mai statt …
(CIL 4, 2508)
von Valeria Sampaolo ren, deren Namen von ihren Aktivi- die letzten der von der gens Iulia An-
täten abgeleitet waren: Pugnax, Spe- geworbenen mit den neuen von Nero
Der Fundort
Jede Stadt der römischen Welt hatte
ein Amphitheater oder einen be-
stimmten Ort für Gladiatorenkämpfe,
und in vielen sind auch die Räumlich-
keiten zum Wohnen und zum Trai-
nieren für diese besondere Sportart
entdeckt worden, organisiert wie Ka-
sernen, in denen harte und strenge
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ANTIKE WELT 5/19
TITELTHEMA
Die Helme
Auch die Helme der murmillones oder
der hoplomachi haben das Schutzgit-
ter für die Augen, aber der Helmkamm
über der Kalotte ist glatt, wie man auf
Abb. 3 dem ersten in Pompeji gefundenen
Fresko aus einem Raum Helm (Abb. 6) sieht, die Kalotte ist ge-
der Gladiatorenkaserne
von Pompeji mit verschie- schmückt mit einer Triumphszene, in
denen Waffen und Rüs- der die Personifikation der Stadt Rom
tungsteilen (Museo
Archeologico Nazionale di ihren rechten Fuß auf einen Schiffsbug
Napoli, Inv. 9702). stellt. An den Seiten befinden sich Bar-
baren, die als Zeichen der Unterwer-
fung knien, Gefangene, deren Hände
auf den Rücken zusammengebunden
sind und unter anderem auch eine
Victoria, die ein Tropaion schmückt.
Nicht nur auf den Helmen, sondern
auch auf den cnemides, den kürzeren
ocreae oder auf dem Armschutz, wer-
den manchmal Bilder von Gotthei-
ten (Iupiter, Neptun, Mars, Mercur,
Minerva, Venus) verwendet, die als
Schutzgottheiten angerufen werden.
Bei einem anderen Helm gibt es ei-
Abb. 4 nen expliziten Verweis auf die Welt
Schulterpanzer eines Re-
tiarius aus der Gladiato- der Wettkämpfer mit dem Bild eines
renkaserne von Pompeji Gladiators, der sich mit der rechten
(Museo Archeologico
Nazionale di Napoli, Hand bekränzt und in der linken eine
Inv. 5639). Siegespalme hält. Darüber auf der
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ANTIKE WELT 5/19
TITELTHEMA
Abb. 5 Helm eines Thraex aus der Gladiatorenkaserne von Pom- Abb. 6 Helm eines Murmillo aus der Gladiatorenkaserne von Pompeji mit einer
peji (Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Inv. 5649). Triumphszene (Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Inv. 5674).
Abb. 7
Helm eines Murmillo aus der Gladiatorenkaserne von Pompeji
mit der Darstellung eines Gladiators, der sich mit der rechten
Hand bekränzt und in der linken eine Siegespalme hält (Museo
Archeologico Nazionale di Napoli, Inv. 5672).
11
ü
ANTIKE WELT 5/19
Gladiatoren in PomPeji – Zeugnisse der frühen Ausgrabungen
tur entstanden. Und er zeigt nicht nur, kett; auf der Kalotte Aias und Kassan-
wie gut die Reparatur ausgeführt wor- dra vor der Statue der Athena sowie
den war, sondern auch wie Waffen Neoptolemos, der Priamos tötet, im
und Metall höchst achtsam verwendet Zentrum Helena und Menelaos, Aeneas
wurden. mit Anchises auf den Schultern sowie
Bemerkenswerte Arbeiten der To- Kreusa und Ascanius.
reuten sind außerdem die Helme mit Die in Treibarbeit verzierten Helme
komplexen Szenen in Hochrelief, wie wurden wahrscheinlich nur während
derjenige mit der Darstellung von fünf des rituellen Zuges zur Eröffnung des
Musen (Inv. 5671): im Zentrum mit ei- spectaculum benutzt, die unheimlich
ner Buchrolle in der Hand die Muse der wirkenden Helme des secutor brachte
Geschichte Klio; links an ihre Schulter man direkt in die Arena.
gelehnt Terpsichore, die Muse der Po- Der Helm der Gegner des retiarius
esie, des Gesanges und des Tanzes, er- (secutor, provocator, contraretiarius)
kennbar an der Lyra; und anschlie- ist auch bei einem Kopf aus Tuff aus
Abb. 9 Helm eines Secutor aus der Gladiato-
renkaserne von Pompeji (Museo Archeologico ßend auf eine kleine Säule gestützt in dem Theater von Verona (Inv. 29514)
Nazionale di Napoli, Inv. 5642). der üblichen nachdenklichen Haltung und auf einem Messergriff aus Avenches
Polyhymnia, die Muse des Theaters. dargestellt. Er war oval und schützte
Rechts von Klio sitzt mit einem Glo- das Gesicht völlig dank der zwei Schar-
Vorderseite des Helmkammes befin- bus in den Händen Urania, die Muse nierbleche auf beiden Seiten unterhalb
det sich eine Herme des Hercules mit der Astronomie; und schließlich die der Kalotte, die vorn mit einem von
Löwenfell, der ihm seinen Schutz ge- Muse der Lyrik und der Auletik Eu- der Stirn bis zum Kinn durchgehenden
währt (Abb. 7). terpe mit einem Blasinstrument in Band festgehalten wurden (Abb. 9).
Ein weiterer Verweis auf den Sieg den Händen. Der lange Nackenschutz fiel bis auf
ist der Adler mit ausgebreiteten Flü- Schlussendlich sind auf den Wangen- die Schultern und beim Tragen des
geln und Siegeskranz im Schnabel auf klappen ein delphischer Dreifuß und Helmes wurde die einzige Luftzufuhr
dem Stirngiebel des Helmes eines con- eine große Lyra, die von Eroten getragen durch zwei kleine Löcher für die Au-
traretiarius, der wie der Helm des pro- werden, ein klarer Hinweis auf Apollon. gen ermöglicht. So kam zur reduzier-
vocator ohne Schmuck war, um dem Auf die dionysische Welt verweisen die ten Sicht mit einiger Wahrscheinlich-
Netz des Gegners keine Gelegenheit Theatermasken, die Musikinstrumente keit auch noch die Schwierigkeit des
zu bieten. und der Satyr mit Hirtenstab und Sy- Atmens dazu. Dies führte vielleicht
Dieser Helm hat eine nach unten rinx, die auf dem Helmkamm darge- dazu, so schnell wie möglich den di-
gebogene Krempe, um den Nacken zu stellt sind. rekten Kampf mit dem Gegner zu be-
schützen. Seine Reliefverzierung zeigt Ein anderer Helm (Inv. 5673) wurde enden.
die in der Arena verwendeten Waffen: als erster von C. Paderni beschrie-
einen Dolch, einen Schutzärmel, eine ben, der darauf hinwies, dass sich die
Beinschiene, einen Helm, einen Ham- Szenen auf den Troianischen Krieg
Adresse der Autorin
mer und einen Schild. beziehen würden und nach den Ver-
Dr. Valeria Sampaolo
Ein anderer ähnlicher Helm eines sen des Vergil entstanden seien. Er Museo Archeologico Nazionale
Piazza Museo 19
contraretiarius ist noch näher an der stellte fest, dass die in Pompeji gefun- I-80135 Napoli
Realität der Kämpfer: er ist mit der Fi- denen Waffen römisch und nicht sam-
gur eines Gladiators geschmückt, der nitisch waren, wie andere vermutet Übersetzung
mit Dolch und kleinem runden Schild hatten. Die Erzählung fasst die wich- Dr. Anemone Zschätzsch, Oestrich-Winkel
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ANTIKE WELT 5/19
DER PRINCEPS DER SPIELE
Eine neue Grabinschrift aus Pompeji
In Pompeji sind Entdeckungen eine alltägliche Sache, vor allem jetzt durch den Grande
Progetto Pompei, ein umfassendes Vorhaben zur Umsetzung der Schutzmaßnahmen,
der Konservierung und der Erforschung des gesamten Stadtgebietes. Aber niemand konnte
sich vorstellen, dass ein neues monumentales Grab in der Nekropole von Porta Stabia
bei der Restaurierung eines Gebäudes des 19. Jhs., dem Verwaltungssitz des Archäologi-
schen Parkes, entdeckt werden würde.
von Massimo Osanna rüber liegt ein quadratischer Aufbau, Die Inschrift
der oben mit einem Sockelgesims ab- Die Grabinschrift ist 4 m lang, ver-
schließt und auf der Westseite eine teilt auf sieben Zeilen mit abnehmen-
D as Monument (Abb. 1. 2) besteht
aus einem Unterbau, auf dem
sich ein zweistufiger Sockel mit ab-
lange Inschrift trägt. Von dem oberen
Teil des Grabmals, der schwer durch
der Buchstabenhöhe (A. 4,58 cm;
B. 4,17 cm; C. 3,46 cm; D. 3,44 cm;
wechselnd vier langen konkaven Sei- den Ausbruch des Vesuvs und die Ein- E. 3,1 cm; F.–G. 3,0 cm), nennt aber
ten von ca. 6 m Seitenlänge und vier griffe des 19. Jhs. beschädigt wurde, nicht den Namen und die Ämterlauf-
kurzen geraden Seiten erhebt. Er ist blieb nur ein Teil der Betonwölbung bahn des Verstorbenen (Abb. 3. 4). Sie
verkleidet mit weißem Kalkstein. Da- der runden Grabkammer erhalten. hat jedoch die Form der res gestae und
Abb. 1 Neues Grab in der Nekropole von Porta Stabia in Pompeji, Ansicht der Westseite.
13
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ANTIKE WELT 5/19
Der PrIncePs Der sPIele – eine neue Grabinschrift aus Pompeji
erinnert an große Wohltaten anläss- tungen ab, aber auch von der Dauer glaube, man nahm Bezug auf den ein-
lich bedeutender Momente seines Le- von mehreren Tagen. Die Vorführun- zigen für Pompeji bekannten Senats-
bens, vom Empfang der toga virilis bis gen wurden durch auf Wände ge- beschluss, der nach dem Aufruhr
zur der Hochzeit, Ereignisse, die mit malte Inschriften in Pompeji ange- im Amphitheater 59 n. Chr. erlassen
öffentlichem Banketten, Gladiatoren- kündigt und konnten normalerweise wurde und zum Verbot der Gladiato-
spielen und Tierhetzen auf alle mög- ein bis vier Tage dauern – mit weni- renspiele im Amphitheater führte. Bei
lichen wilden Tiere gefeiert werden; gen Ausnahmen: in einem Fall fünf diesem munus führte man nur Tier-
außerdem die Verteilungen von preis- Tage, in einem andern sogar 15 Tage, hetzen auf. Die Spiele im Amphithea-
günstigem Getreide und kostenlosem aber wahrscheinlich mit Unterbre- ter waren bekanntlich in zwei Sparten
Brot, Geldspenden für die Dekurionen chungen. Die Anzahl der Paare, die geteilt, in die Kämpfe der Gladiato-
und die Magistrate verschiedener Ver- meist in den edicta genannt wird, be- ren und die venationes. Die Tierhet-
bände etc. Dies war eine übliche Praxis trägt 20, es erscheinen aber auch be- zen und die Tierkämpfe gehörten zum
der reichen Bürger der Städte und Ko- achtlichere Kontingente zwischen 25 Vormittagsprogramm, die Gefechte
lonien, um die eigene politische Karri- und 40. In unserem Fall möchten wir der Gladiatoren hingegen fanden am
ere voranzutreiben wie auch Ansehen hypothetisch 30 Paare vermuten. Die Nachmittag statt. Das Programm der
zu gewinnen und zu bewahren. Dauer von mindestens sechs Tagen Kämpfe mit Tieren enthielt drei Teile:
Besondere Bedeutung haben im Text könnte die Gesamtzahl von 180 Paa- Tierkämpfe, Akrobatennummern und
die großzügigen Zuwendungen für die ren (360 Einzelkämpfern) ergeben, Tierhetzen, mit abwechselndem Ein-
Gladiatorenkämpfe (munus gladiato- hinzugefügt werden könnten 56 Er- satz von exotischen und wilden sowie
rum), die sowohl beim Eintritt in die satzkämpfer (suppositicii), die in die domestizierten Tieren. Der eindrucks-
Welt der Erwachsenen gefeiert wur- wichtigeren munera als Reserve ein- vollste Teil muss der letzte gewesen
den, als auch immer wieder im Ver- gegriffen haben, um in der Arena den sein, d. h. eine wahrhaftige venatio,
lauf des ganzen Lebens. Das erste Platz der getöteten Kollegen einzu- ein Kampf zwischen Menschen und
munus fällt durch die sehr hohe An- nehmen. Tieren, bei dem die venatores, nur mit
zahl der Gladiatoren in der Arena auf, Ein weiteres munus wird bei einer einer Tunika bekleidet und mit einer
gut 416 Kämpfer (d. h. 208 Paare). Der zweiten Gelegenheit dargeboten, mit Lanze ausgestattet, Tigern, Löwen, Le-
Erfolg einer Vorstellung hing von der dem Zusatz «vor dem Senatsbeschluss», oparden, Bären und schließlich Ele-
Großartigkeit der inszenierten Darbie- aber ohne spezielle Erklärung. Ich fanten gegenüberstanden. Aber auch
ungefährlichen Tieren wie Gazellen,
Straußen, Hirschen und Antilopen
stellten sich die Kämpfer.
Obwohl bei dem spectaculum in
Pompeji nur Tierhetzen erwähnt wer-
den, müsste der aufregendste Teil in
der gemeinsamen Erinnerung an die-
ses munus – vorausgesetzt, dass es
sich um ein munus iustum atque legi-
timum (vollständig und rechtmäßig:
Sueton, Claudius 21, 4) handelt – ein
vollständiges Programm sein, auch
mit Gladiatorenkämpfen. Ansonsten
wäre der Hinweis auf den Senatsbe-
schluss nicht verständlich. «An allen
Tagen der Spiele und für jedes Pro-
gramm des Kampfes gibt es Tiere aller
Art ohne Unterschied für die Tierhet-
zen»: um den Prunk der Veranstaltung
zu unterstreichen, war es notwendig,
Abb. 2 lediglich anzugeben, dass Tiere jeder
Neues Grab in der Nekropole
von Porta Stabia, Ansicht von
Art an jedem Tag des spectaculum ein-
oben. gesetzt wurden. Dies genügte um an-
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ü
ANTIKE WELT 5/19
TITELTHEMA
Abb. 3 Neues Grab in der Nekropole von Porta Stabia, Ansicht von Südwesten.
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ANTIKE WELT 5/19
Der PrIncePs Der sPIele – eine neue Grabinschrift aus Pompeji
zuzeigen, dass die Spiele wegen der Der Grabherr quennalis ist sicher auf 55/56 n. Chr.
Kosten für die Tiere, für die Organisa- Dank der Inschrift und vor allem ih- datiert (CIL 4, 1179).
tion und für die Löhne der Tierkämp- rer Deutlichkeit bezüglich der Gladi- Als eine der bekanntesten politi-
fer (bestiarii) außergewöhnlich teuer atorenspiele ist es möglich, über die schen Persönlichkeiten war seine bril-
gewesen waren. Identität des Verstorbenen zu spe- lante Karriere von den häufigen Ver-
Es folgt eine weitere Erwähnung kulieren und ein bedeutendes Relief anstaltungen der munera begleitet.
von zwei ludi ohne Hinweis auf die einzubeziehen, das 1843 ohne Fund- Große Reputation und Ruhm in der
Art der Gestaltung: «er hat zwei große zusammenhang vor der Porta Stabia Stadt wurden tatsächlich genau durch
Spiele ohne irgendeine Belastung für gefunden wurde und sich heute im solche Freigebigkeit erlangt: Tatsäch-
die Gemeinschaft ausgerichtet»: diese Museo Archeologico di Napoli befin- lich wurde er viele Male als großzü-
Erwähnung zeigt, dass es sich um Er- det. Das Relief besteht aus drei unter- giger Spender der Spiele umjubelt, so
eignisse handelt, um die Etappen der schiedlich hohen Registern und zeigt dass er in die Literatur vor allem als
öffentlichen Karriere zu feiern. Nur drei Phasen eines munus: erstens die der bekannteste Impresario der Gla-
auf diese Weise würde dieser Hinweis Prozession, die sich bis zum Amphi- diatorenspiele eingegangen ist. Dafür
sine onore rei publicae einen Sinn er- theater bewegte und die vom editor wird er auf den Mauern von Pompeji
geben. Es könnte sich um Veranstal- (Veranstalter) abgehaltene probatio gefeiert als princeps coloniae (CIL 4,
tungen während seiner Zeit als duo- armorum (Vorführung der Waffen); 1177, 7989b) und princeps mune-
vir und duovir quinquennalis handeln, zweitens das munus gladiatorium; rariorum (CIL 4, 7990), als Fürst der
für die zwar öffentliche Mittel zur Ver- und zuletzt die venatio. Spieleveranstalter!
fügung gestanden hätten, aber auf In Anbetracht der Übereinstimmung
eigene Kosten durchgeführt worden der Maße des Reliefs mit denen des
waren: doppelte Meriten! Grabes ist es möglich, dass dieses den
oberen Teil des Grabmals vervollstän- Adresse des Autors
Prof. Dr. Massimo Osanna
digt haben könnte, wahrscheinlich die Professor of Classical Archaeology at the University
of Napoli Federico II.
Anzeige
Südseite. Direttore Generale soprintendenza Pompei.
Wer ist nun der Verstorbene? Die Soprintendenza Pompei
via Villa dei Misteri, 2
G Anhaltspunkte, die auf eine Person I-80045 Pompei
SONDERAUSSTELLUN von hohem Einfluss hinweisen, sind
23.05.2019 – 20.10.2019 beachtlich – besonders im Hinblick Übersetzung
Dr. Anemone Zschätzsch, Oestrich-Winkel
auf das pompejanische Szenarium
RÖMER. in den letzten Jahren vor dem Vesuv- Bildnachweis
ausbruch: Cn. Alleius Nigidius Maius
MACHT. UMWELT Alle Abb. Soprintendenza Pompei.
war ein Vertreter der neuen führen-
Landschaftsveränderung den Klasse, der für die extreme soziale Literatur
rund um eine Limessiedlung Veränderung der iulisch-claudischen
A. W. VAN BUREN, Cnaeus Alleius Nigidius Maius
Pompeianus, in: American Journal of Philology 68 (1947)
Epoche hilfreich war. Er wurde von 382–393.
der bedeutenden Familie der Alleii W. O. MOELLER, Gnaeus Alleius Nigidius Maius, Princeps
Coloniae, in: Latomus 32, 3 (1973) 515–520.
adoptiert und durchlief während der P. s. TUMOlesI, Gladiatorum paria. Annunci di spettacoli
Zeit des Claudius und des Nero eine gladiatorii a Pompei (1980).
fulminante Karriere. Zahlreiche pom- s. A. MUsceTTOlA, I nigidi Mai di Pompei. Far politica
tra l’età neroniana e l’età flavia, in: rivista dell’Istituto
pejanische tituli – ebenso wie ein Hin- nazionale d’archeologia e storia dell’arte 14/15 (1991/1992)
193–218.
weis in den tabulae ceratae (Wachs-
J. L. FRANKLIN JR., Cn. Alleius Nigidius Maius and the
tafeln) des Caecilius Iucundus (CIL 4, amphitheatre. Munera and a distinguished career at an-
cient Pompeii, in: Historia 46 (1997) 434–447.
3340, 148) – lassen viele Elemente
P. G. GUZZO (Hrsg.), Pompei oltre la vita. nuove testimo-
des öffentlichen Werdegangs dieser nianze dalle necropoli. Boscoreale 2 aprile–31 maggio
Persönlichkeit erkennen und weisen 1998. Soprintendenza archeologica di Pompei (1998).
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GLADIATOREN IN AUGUSTA RAURICA
Helden der Arena und im Alltag – auch fern von Rom
Selbst in den entfernten Provinzstädten, weitab vom caput mundi Rom, hatten die Menschen
Kenntnis von den spektakulären und atemberaubenden Spielen, welche die Kaiser und
andere Spielgeber während Wochen und Monaten in den Arenen der Amphitheater der
Hauptstadt veranstalteten. Diese Spektakel dienten nicht nur zur Unterhaltung des
Volkes, sondern demonstrierten den Machtanspruch und die Überlegenheit des Römischen
Reiches. Dies strahlte auch in die Provinzen aus und fand bei den lokalen Eliten
Nachahmer, welche die römische Tugendhaftigkeit auch im typisch römischen Bautyp
Amphitheater hochleben lassen wollten.
von Barbara Pfäffli und Sven Straumann Kaiseraugst (Kanton Aargau). Gemäß che Stadtanlage kam anscheinend nie
einer in Gaëta (Italien) gefundenen über den Gründungsakt hinaus, und
Abb. 1 Modell von Augusta Raurica. Am Stadtrand das Amphitheater «Augst, Sichelengraben»; im Stadtzentrum das jüngere szenische Theater, der
Nachfolgebau des Amphitheaters «Neun Türme».
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GlADiAToREN iN AUGUSTA RAURicA – Helden der Arena und im Alltag – auch fern von Rom
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TITELTHEMA
Wandverputzes ergab (Abb. 3). Die So- einem etwa 20 cm dicken Schichtpa- neuen, größeren Amphitheaters in
ckelzone war mit aufgemalten Stein- ket, das aus mehreren aufplanierten Angriff genommen (Abb. 4). Das
platten dekoriert, die wertvolle Mar- Sandschichten über einer Unterkon- Amphitheater «Augst, Sichelengraben»
more aus verschiedenen entlegenen struktion aus grobem Sand und Kies wurde am westlichen Stadtrand ge-
Gebieten des Reiches imitierten. Ein- zusammengesetzt war. Der in den baut und löste das ältere Amphithea-
deutig erkennbar sind z. B. der in Tune- Proben gemessene hohe Phosphatge- ter im Stadtzentrum ab. Das jüngere
sien abgebaute giallo antico, der grie- halt und darin enthaltene, angedaute Amphitheater wurde geschickt in die
chische verde antico und der lapis onyx, Knochensplitter lassen sich durch ein- natürliche Topografie eingepasst, in-
der aus dem Nildelta stammte. Die gesickerte Fäkalien von Tieren in der dem ein vorhandenes Tälchen beidsei-
mittlere und obere Mauerzone war mit Arena, nicht zuletzt auch von Carni- tig mit 15 bis 17 m hohen, von Pfeilern
einem Muster aus aufgemalten Kasset- voren, erklären und zeugen vom Ge- abgestützten Fassaden und Gewölbe-
ten und stilisierten Blüten dekoriert, schehen auf dem Kampfplatz. Umla- konstruktionen versehen wurde. So
das tapetenartig die Wand überzog. gerungs- und Verwirbelungsspuren entstand ein zwar ins Gelände einge-
Für diese ornamentale Malerei finden dieser Schichten werden auf das in der tieftes, aber dennoch repräsentatives
sich kaum Parallelen; sie unterscheidet antiken Literatur erwähnte regelmä- Gebäude. Der Zuschauerraum lag mit
sich deutlich von aufwändig mit figürli- ßige Harken des Kampfplatzes zurück- seinen Sitzstufen aus Sandstein direkt
chen Motiven bemalten Podiumsmau- geführt («… denn zwei zarte Jünglinge, auf den Talflanken auf und bot Platz
ern, wie es z. B. in Pompeji der Fall war. die den blutigen Boden mit Hilfe von für etwa 13 000 Personen. Der Groß-
Dort zieren Gladiatoren, Tierkämpfe Hacken erneuerten [wurden von ei- teil des Publikums erreichte die Sitz-
und Siegessymbole die Mauer. Sie un- nem Löwen zerfleischt]», Martial, Epi- plätze vom Geländeplateau aus durch
terscheidet sich jedoch auch komplett gram. 2,75). eine der zahlreichen Pforten in der
von der einfarbig dunkelroten Podi- Zur Arena hin öffneten sich drei car- Umfassungsmauer. Nur die Obrigkeit,
umsmauer, die im Amphitheater von ceres, multifunktionale Kammern, in die vornehmen Magistraten und hö-
Carnuntum (Bad Deutsch-Altenburg, denen sich Gladiatoren und Tiere, aber heren Priester gelangten von der Tal-
Österreich) nachgewiesen ist und die auch Arenapersonal kurz vor dem Auf- sohle her durch überwölbte Zugänge,
der Bemalung von Arenabegrenzun- tritt in der Arena aufhalten konnte. Vomitorien, zu den ihnen vorbehalte-
gen in modernen Stierkampfarenen Über den beiden Kammern an den nen Sitzplätzen nahe bei der Arena.
ähnelt. Längsseiten der Arena waren Ehrentri- Die Arena (50,6 x 33,4 m) war von
Sedimentologische Untersuchungen bünen installiert, die Logen für die Ob- einer ca. 4 m hohen Podiumsmauer
von Proben aus der Arena erbrachten rigkeit und die hohen Magistraten der eingefasst.
Hinweise über den Aufbau und die Stadt. Die Befundauswertung und Archi-
Nutzung des Kampfplatzes: Bereits in tekturstudien führten zu überzeugen-
der Antike, allgemein mit dem latei- … an den Stadtrand den Hypothesen über die Nutzung
nischen Wort arena (Sand) bezeich- Im 2. Jh. n. Chr. nahm die Bevölke- und die Möglichkeiten der Bespielung
net, bestand dieser Teil des Amphi- rungszahl der Stadt laufend zu, und dieses Gebäudes. So konnte durch die
theaters auch in Augusta Raurica aus um 170 n. Chr. wurde der Bau eines Untersuchung der in situ verbliebenen
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GlADiAToREN iN AUGUSTA RAURicA – Helden der Arena und im Alltag – auch fern von Rom
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TITELTHEMA
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GlADiAToREN iN AUGUSTA RAURicA – Helden der Arena und im Alltag – auch fern von Rom
am 15. Oktober 1961 entdeckt. Der eignisse zerstört oder beschädigt. An stellungen zeigen; sowie ein Annex
spätere erste Kantonsarchäologe von mehreren Stellen lassen sich Spuren mit Plattenmuster.
Basel-Stadt leitete die Arbeiten vor einer starken Brandeinwirkung fest- Von den Gladiatorenbildern sind
Ort und zeichnete sich verantwortlich stellen, die in der Folge repariert wor- fünf erhalten. Darin sind jeweils zwei
für eine minutiöse Untersuchung die- den sind. sich bekämpfende Gladiatoren darge-
ses außergewöhnlichen Fundes. Das Mosaik lässt sich in drei Zo- stellt. Mit Ausnahme der beiden Tu-
Der Mosaikboden zog sich über die nen unterteilen: ein rechteckiges, po- nika tragenden Gladiatoren im ersten
gesamte Fläche eines 6,55 m x 9,80 m lychromes Mittelbild; eine ebenfalls Bildfeld in der Nordostecke des Rau-
großen Raumes (64 m2) ohne Boden- mehrfarbige, ornamentale Rahmen- mes handelt es sich bei den Paarun-
heizung. Rund ein Viertel des Mosaiks zone mit sechs, nach außen gerichte- gen um zwei ungleiche Gattungen.
war durch jüngere Eingriffe und Er- ten Bildfeldern, die Gladiatorendar- Die Bilder scheinen dem Betrachter
den entscheidenden Moment der Nie-
derlage, respektive des Sieges zeigen
zu wollen. Wie das Beispiel der zwei-
Abb. 9 Gladiatorenmosaik Insula 30. fach dargestellten Paarung zwischen
Secutor und Retiarius verdeutlicht,
war man offenbar bedacht in aus-
gleichender Weise zwei verschiedene
Ausgänge (Sieg und Niederlage) der
Kämpfe zu zeigen.
Entgegen früherer Meinungen ist
zu bezweifeln, ob ein direkter Bezug
besteht zwischen der Motivwahl von
Gladiatorenkämpfen und dem Auf-
traggeber. Vielmehr ist anzunehmen,
dass es sich um die Darstellung von
beliebten Szenen handelt, welche die
Betrachter auch in der Wiedergabe als
Mosaik unterhalten sollte. Das Abbil-
den von Gladiatorenszenen war in den
germanischen Provinzen beliebt. Von
den insgesamt nahezu 70 aus Augusta
Raurica bekannten Mosaikböden ist
das Gladiatorenmosaik dennoch das
einzige mit einem figürlichen Dekor.
Bemerkenswert ist auch die vielfältige
Farbpalette, die mit den eingesetz-
ten Materialien von Stein, Glas, Mar-
mor und Keramik rund 45 Farbwerte
aufweist. Es war wohl ein lokales Ate-
lier, das diesen Mosaikboden im letz-
ten Viertel des 2. Jhs. n. Chr. verlegt
hatte. Diese Zeitstellung belegen nicht
nur Stil und Formensprache, sondern
auch die Datierung des Fundmateri-
als in den Schichten unmittelbar unter
dem Bodenbelag.
Trotz fehlender spektakulärer Ob-
jekte wie Rüstungsbestandteile oder
Gladiatorenwaffen wird bei genauerer
Betrachtung durch die Vielzahl an ande-
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Anzeige
TITELTHEMA
Bildnachweis
Abb. 1: Augusta Raurica, Modell otto Hänzi, Foto Susanne
Schenker; 2. 5–7: Augusta Raurica, Foto Susanne Schen-
ker; 3: Augusta Raurica, Rekonstruktionszeichnung
Thomas Hufschmid; 4: Augusta Raurica, Rekonstrukti-
onszeichnung Eva ch. Weber und Thomas Hufschmid;
8: Augusta Raurica, Foto Ursi Schild; 9: Augusta Raurica,
Foto Heinz Grauwiler.
Literatur
l. BERGER, Führer durch Augusta Raurica (20127)
190–195.
l. BERGER / M. JooS, Das Augster Gladiatorenmosaik,
in: Römerhaus u. Mus. Augst. Jahresber. 1969/70 (1971)
3–106. Ein Erlebnisort für alle!
Y. DUBoiS, Jeux d’arène à Augusta Raurica; in: J. Boislève,
A. Dardenay / F. Monier, Peintures murales et stucs
d’époque romaine. Une archéologie du décor, Actes du
27e colloque de l’AFPMA, Toulouse, 21 et 22 novembre • Spektakel im Theater
2014, Ausonius Pictor, collection de l’AFPMA 5, Bordeaux
(2015).
• Dreissig beeindruckende Monumente
Y. DUBoiS / c. VAUcHER, Die Wandmalereien in der insula
8: Eine Neuuntersuchung der Funde von 1919 (in Vorb.).
• Der grösste Silberschatz der Spätantike
N. FRÉSARD / M. FUcHS, l’enduit peint des amphithéâtres
d’Augusta Raurica. le revêtement des murs de podium.
in: Amphitheatrum in Provincia et italia: Architektur und
• Das authentisch nachgebaute Römerhaus
Nutzung römischer Amphitheater von Augusta Raurica bis
Puteoli, Forsch. Augst 43 (2009), 539–568. • Spannende Workshops für alle
TH. HUFScHMiD (mit Beitr. v. Ph. Rentze l / N. Frésard /
M. Fuchs), Amphitheatrum in Provincia et italia.
Architektur und Nutzung römischer Amphitheater von
• Das grösste Römerfest der Schweiz
Augusta Raurica bis Puteoli. Forsch. Augst 43 (2009).
DERS., Theaterbauten als Teil monumentaler Heiligtümer
in den nordwestlichen Provinzen des imperium Roma- Augusta Raurica: Die Römerstadt bei Basel
num: Architektur – organisation – Nutzung. internatio-
nales Kolloquium in Augusta Raurica, 18.–21. September
2013, Auditorium Römerstiftung Dr. René clavel, Augst-
Kastelen. Forsch. Augst 50 (2016).
M. MRÁZ, Bärenhatzen und Hundeplagen – Tierknochen
aus dem Sodbrunnen MR 12 in der Region 17c der
Unterstadt von Augusta Raurica, in: Jahresber. Augst u.
Kaiseraugst 39 (2018) 143–182.
PH. RENTZEl, Der Arenaboden des Amphitheaters von
Augst-Neun Türme: geoarchäologische Untersuchungen,
in: Amphitheatrum in Provincia et italia: Architektur und
Nutzung römischer Amphitheater von Augusta Raurica
bis Puteoli, 43. (2009) 569–578.
l. RoDUiT, les graffiti figuratifs sur peinture murale en
Suisse, in: M. Fuchs / R. Sylvestre / c. Schmidt-Heiden-
reich, inscriptions mineurs: Nouveautés et réflexions.
Actes du colloque Ductus (2008).
D. ScHMiD, Die römischen Mosaiken aus Augst und
Kaiseraugst, in: Forsch. Augst 17 (1993) 90–103.
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CH–4302 Augst
ANTIKE WELT 5/19 +41 (0)61 552 22 22 www.augusta-raurica.ch
RÄTSEL AUS DER RÖMERZEIT
Die Untersuchungsergebnisse eines ungewöhnlichen Friedhofs in York
Entlang der antiken Straße, die sich der römischen Stadt Eboracum (dem heutigen York)
von Süden her näherte, legten Archäologen ein Gräberfeld frei – die dort beigesetzten
Individuen wiesen allerdings ganz ungewöhnliche Bestattungpraktiken auf: abgehackte Köpfe,
seltsame Körperpositionen, beigegebene Pferdeknochen. Hinzu kommt, dass viele der
Skelette Anzeichen von Gewalteinwirkung und starker körperlicher Belastung aufweisen.
Wer waren diese Personen aus den unterschiedlichsten Teilen der römischen Welt?
Ein spannendes Rätsel, das die Forscher des York Archaeological Trust zu lösen versuchen.
von Christine McDonnell, Die Stadt war von entscheidender den sowohl die Festung als auch die am
Rebecca Sampson und Giulia Gallio Bedeutung für die Verwaltung dieses gegenüberliegenden Ufer des Flusses
nordwestlichen Ausläufers des Rei gelegene zivile Stadt in beträchtlichem
Abb. 1 a.b Der Mutangular Tower ist der am besten erhaltene überirdische Teil der antiken römischen Stadtmauern von York.
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TITELTHEMA
Abb. 2 Ausgrabungen in der Nähe der antiken römischen Straße südlich der Stadt deckten einen Friedhof auf.
Abb. 3 Die Schädel der beiden Personen aus dieser Doppelbestattung (Bild unten) waren vertauscht worden.
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RäTSEl AuS DER RöMERzEIT – Die untersuchungsergebnisse eines ungewöhnlichen Friedhofs in York
die Überreste von mindestens 83 Bei tion, und manche Gräber enthielten
Der York Archaeological Trust ist eine ge- setzungen, davon 82 Männer und eine Pferdeknochen. Eine Analyse der Isoto
meinnützige Bildungsorganisation, deren Frau (Abb. 1 a.b). Die Bestatteten waren pen und der antiken DNA zeigt, dass ei
Motto lautet: Build better lives through
heritage. Sie dankt allen Archäologen, kräftig gebaut und überdurchschnittlich nige der hier bestatteten Individuen aus
Osteologen, Wissenschaftlern, ärzten und groß, auch wenn viele erkennen ließen, ganz verschiedenen Teilen der römi
anderen Experten, die mithelfen, das le- dass sie in der Kindheit unter Mangel schen Welt stammten. Ein Mann hatte
ben und den Tod dieser äußerst rätselhaften
Gruppe von Individuen aufzuklären. ernährung oder Infektionskrankheiten Bissspuren am Becken, wahrschein
gelitten hatten. Die meisten waren lich von einer großen Raubkatze. Ein
relativ jung, keiner älter als 45 Jahre. anderer Mann wurde in Fußeisen be
Viele Skelette zeigten Anzeichen von graben. Fünf Doppelbestattungen hat
Man vermutet, dass Eboracum bis zu Gewalteinwirkung, wie verheilte Kno man gefunden.
15 000 Einwohner zählte. Die Bedeu chenbrüche und Spuren von Schlägen In einem dieser Doppelgräber vom
tung der Stadt spiegelte sich in ihrer Ar ins Gesicht und auf den Schädel. An Ende des 3. oder Anfang des 4. Jhs.
chitektur wider – einer beeindrucken zeichen für körperliche Belastung und n. Chr. lagen zwei Männer, von denen
den steinernen Festung, prächtigen Stürze sowie Sprunggelenkverletzun einer zum Zeitpunkt des Todes 18 bis
Häusern, Palästen, Verwaltungsgebäu gen waren ebenfalls weit verbreitet. 25, der andere 36 bis 45 Jahre alt war
den, Thermenkomplexen, Tempeln und Bemerkenswerterweise wiesen 41 der (Abb. 2). Die Isotopenanalyse ihrer
(noch unentdeckten) Arenen für Spiele. Toten Schnittwunden an der Wirbel Zähne zeigt, dass sie aus unterschied
Es gibt Hinweise auf eine ganze Reihe säule auf, und mindestens 39 wurden lichen Regionen des Römischen Rei
religiöser Kulte, u. a. den des persischen von hinten geköpft, wie bei einer Hin ches stammten. Der ältere Mann kam
Gottes Mithras, den des Serapis (der richtung. ursprünglich aus Nordwesteuropa,
mit dem ägyptischen Isiskult in Verbin Es gab aber auch eine Reihe leerer der jüngere war in Südeuropa aufge
dung steht), den Herkuleskult und den Gräber, deren Sinn sich nicht sofort wachsen, möglicherweise in Südita
Kaiserkult. Wie in Rom und anderen rö erschließt. Vielleicht waren die Toten lien, auf Sardinien, Korsika oder am
mischen Großstädten auf dem europä umgebettet worden, vielleicht han Roten Meer. Beide lagen auf dem Rü
ischen Kontinent waren die wichtigs delte es sich aber auch um Kenotaphe, cken. Der ältere Mann wurde zuerst
ten Straßen, die zur Stadt führten, von die nur den Geist eines Toten, nicht begraben, dann der jüngere in entge
Friedhöfen, Mausoleen und Grabmä aber seinen Körper enthielten. gengesetzter Richtung auf ihn gelegt.
lern gesäumt. Die Bestattungen waren anschei Beide waren enthauptet worden und
nend mit großer Sorgfalt durchgeführt während der Analyse stellte sich her
Bizarre Bestattungspraktiken worden, aber die Art und Weise der aus, dass man ihre Schädel vertauscht
2004/2005 entdeckten Archäologen Beisetzung wies einige seltsame Merk hatte – der Schädel des jüngeren Man
des York Archaeological Trust auf ei male auf. Einige Personen wurden zu nes lag dort, wo der Kopf des älte
ner Anhöhe in der Nähe der Straße, die sammen in ein Grab gelegt, mit den ren Mannes hätte liegen müssen, der
sich von Süden aus der Stadt näherte, Köpfen in ganz ungewöhnlicher Posi Schädel des älteren Mannes befand
sich zu Füßen des jüngeren Mannes.
Absichtlich im Grab platzierte Pfer
deknochen sind bei Bestattungen im
römischen Britannien nur selten zu fin
den. Ein Grab gehörte einem Mann, der
im Alter von 18 bis 25 Jahren starb. Die
Ursache seines Todes ist unbekannt, er
hatte keine nachweisbaren Verletzun
gen und ist nicht enthauptet worden.
Eine SauerstoffIsotopenanalyse seiner
Zähne hat ergeben, dass er seine Kind
heit außerhalb Britanniens verbrachte,
in kühlem Klima oder in großer Höhe.
Abb. 4 Die «isotopische Signatur» des Mannes
Es wurde ein Mann gefunden, der
Eisenringe mit einem Gewicht
ist so ungewöhnlich, dass es bis jetzt
von jeweils 2 kg am Bein trug. nicht gelang, seine Heimat genauer zu
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ANTIKE WELT 5/19
TITELTHEMA
identifizieren. Infrage kommen einige Ein Mann scheint aus dem Nahen
Gebiete in Mittel oder Osteuropa, aber Osten zu stammen. Kombinierte Er
auch Gebirgsregionen anderswo auf kenntnisse der isotopischen und der
dem europäischen Festland. Bisher hat DNAAnalyse weisen darauf hin, dass
man nur eine einzige Person mit einer er seine Kindheit in einer trockenen
ähnlichen Signatur identifiziert: eine Umgebung verbrachte und unter geo
Frau, die im 9. Jh. in einer Kirche im logischen Bedingungen, wie man sie
nordschweizerischen Elsau beigesetzt in weiten Teilen Nordafrikas und des
wurde, aber nicht aus Elsau stammte, östlichen Mittelmeerraums vorfindet.
Abb. 5 Bissspuren am Becken zeigen keine An
sondern vermutlich aus einer höher In genetischer Hinsicht ähnelt er stark zeichen von Heilung.
gelegenen (ca. 1500 m ü. M.), von Kalk den heutigen Palästinensern und Jor
steinfelsen geprägten Region, z. B. aus daniern. Eine Analyse seiner Zähne
dem nahegelegenen Schweizer Alpen ergab, dass sich seine Ernährung von
vorland. Eventuell kommt das in York der Kindheit zum Erwachsenenalter Frau unter den Toten? Hierzu gibt es
gefundene römische Individuum aus auf eine Weise veränderte, die dar eine ganze Reihe an Theorien.
derselben Region. auf schließen lässt, dass er als Heran Eine Vermutung lautet, dass es sich
wachsender seine Heimat verließ und um die Opfer einer Massenhinrich
Weitere Rätsel nach York kam (oder an einen Ort mit tung handelt, die entweder nach ei
Eine der ungewöhnlichsten Bestattun einem ähnlichen Nahrungsprofil). nem Aufstand oder auf Anordnung
gen ist die eines Mannes, der an bei Der Mann mit Bissspuren einer von Kaiser Caracalla nach dem Tod
den Knöcheln einen schweren Eisen Großkatze an beiden Hüftseiten wurde des Septimius Severus in York im Jahr
ring mit einem Gewicht von je 2 kg trug zusammen mit zwei weiteren Perso 211 n. Chr. getötet wurden. Doch das
(Abb. 3). Er war enthauptet und sein nen begraben (Abb. 4). Die Bisse wei Alter und der ungewöhnlich kräftige
Kopf zu seinen Füßen platziert worden. sen keine Anzeichen von Heilung auf, Körperbau der Männer legen nahe,
Die Ringe scheinen aber keine Fußfes was darauf hindeutet, dass er starb, dass dies unwahrscheinlich ist. Schon
seln gewesen zu sein, da sie nicht ge kurz nachdem er gebissen wurde. Der die Tatsache, dass der Friedhof offen
öffnet werden konnten und nicht mit Fund ist noch nicht komplett ausge bar über drei Jahrhunderte hinweg in
einander verbunden waren, z. B. durch wertet, aber die Form der Zahnspu Gebrauch war, schließt einen Aufstand
eine Kette. Bisher wurden nur zwei wei ren lässt vermuten, dass er von einem aus.
tere Exemplare solcher Ringe ausgegra Tiger oder Löwen angegriffen wurde. Könnte es sich um Soldaten han
ben; eines stammt aus dem römischen Der Mann war 26 bis 35 Jahre alt, als deln, die im Kampf getötet oder für
London, das andere aus einem etruski er starb; er war in einem wärmeren Verbrechen hingerichtet wurden? Das
sches Dorf in der Toskana. Verletzungen Klima aufgewachsen und später nach demographische Profil und die Her
des Weichgewebes deuten darauf hin, Britannien ausgewandert. Auch er ist kunft der Toten, die ursprünglich aus
dass der Mann die Ringe lange Zeit trug, enthauptet worden. ganz unterschiedlichen Regionen des
möglicherweise als Bestrafung oder als Die einzige Frau auf dem Friedhof Imperiums stammten, würden zu die
Symbol seiner Versklavung. Wie man wurde mit dem Gesicht nach unten be ser Annahme passen, zumal Legionäre
dem Mann diese Ringe angebracht hat, graben, der Arm angewinkelt, die Hand mit dem Schwert exekutiert wurden.
ohne ihn dabei zu töten oder seine Füße ruhte auf dem Hinterkopf. Auf die Tote Doch passt die Lage auf der anderen
zu amputieren, wird von Archäologen, hatte man Pferdeknochen gelegt. Sie Seite des Flusses und in recht weiter
Ärzten und Schmieden immer noch dis war zwischen 26 und 35 Jahren alt, als Entfernung von der Festung zu einem
kutiert. Eine Möglichkeit wäre, dass sie sie starb. Abgesehen von ein paar ver Soldatenfriedhof?
ihm über die Füße gestreift worden heilten Frakturen, die wohl noch aus Waren die Toten Verbrecher? Das
waren, als der Mann noch ein Kind ihrer Kindheit stammten, waren am ist eher unwahrscheinlich – gewöhn
war, und dann abgepolstert wurden, Skelett der Frau keine Verletzungen zu liche Kriminelle hätte man kaum an
während der Junge heranwuchs. Ein finden. so prominenter Stelle beigesetzt. Al
anderer Vorschlag ist, dass die Ringe lerdings gewährte Kaiser Caracalla al
dem Toten um die Knöchel geschmie Wer waren die Bestatteten? len freien Bewohnern des Reiches die
det wurden, um Fußfesseln zu er Wer waren diese Leute? Was haben römische Staatsbürgerschaft und da
setzen, die er zu Lebzeiten getragen diese bizarren Bestattungspraktiken mit das Recht, mit dem Schwert hin
hatte. zu bedeuten? Warum war nur eine gerichtet zu werden.
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RäTSEl AuS DER RöMERzEIT – Die untersuchungsergebnisse eines ungewöhnlichen Friedhofs in York
Übersetzung
Dr. Cornelius Hartz, Hamburg
Waren diese Leute vielleicht alle perteile schließen lassen, und letzt
samt Angehörige einer der vielen Ri endlich der Tod durch Enthauptung. Bildnachweis
Abb. 1 a: akg-images / De Agostini / S. Vannini; 1 b: Heri-
tualsekten, die in Eboracum präsent Skelette, die in der Nähe von Ephesos tage-Images / CM Dixon / akg-images; 2–5: York
waren? Einer Sekte, bei der eine Ent (der Hauptstadt der römischen Pro Archaeological Trust; 6: lanmas / Alamy Stock Photo.
hauptung unmittelbar nach dem Tod vinz Asia) ausgegraben wurden und
Literatur
Teil des Bestattungsritus war? Oder höchstwahrscheinlich ebenfalls von
P. ADDYMAN / P. OTTAWAY, York: British Historic
Mitglieder eines soldatischen Bestat Gladiatoren stammen, weisen ein ganz The Historic Towns Atlas and York Archaeological Trust
for Excavation and Research (2015).
tungsvereins, bei dem dieser Brauch ähnliches Profil auf. Die großen Bisse
A. CAFFEll / M. HOlST, Osteological Analysis, 3 and
gepflegt wurde? Zumindest weisen die eines Raubtiers an den Hüften von ei 6 Driffield Terrace, York, North Yorkshire, York Osteo-
archaeology (2012).
Häufigkeit und die Art und Weise der nem der Toten deutet darauf hin, dass
C. HARWARD / N. POWERS / S. WATSON, The upper
Enthauptung deutliche Unterschiede dieser in der Arena gegen wilde Tiere Walbrook Valley Cemetery of Roman london: Excava-
zu enthaupteten Skeletten in anderen gekämpft hatte. Gladiatorenspiele zu tions at Finsbury Circus, City of london, 1987−2007,
MOlA Monograph 69 (2015).
Teilen des römischen Britanniens auf. veranstalten war teuer, und sie fan K. HuNTER-MANN, Driffield Terrace: An Insight Report.
Eine Reihe von Faktoren stützt aber den wahrscheinlich nicht allzu regel York Archaeological Trust for Excavation and Research
(2015), online verfügbar unter: https://www.yorkarcha-
eine ganz andere Theorie: Demnach mäßig statt. Vielleicht erklärt dies die eology.co.uk/new-blog/gladiators.
handelte es sich bei den Bestatteten Nutzungsdauer des Friedhofs und die A. JAY u. a., Isotope Analysis Report: Driffield Terrace,
Coppergate, St Benet’s, St Stephen’s/Dixon lane (York)
um professionelle Gladiatoren, die Tatsache, dass hier nur relativ wenige (2018). unveröffentlichter Isotopen-Bericht.
nach dem Kampf in der Arena getö Menschen bestattet wurden, und das R. MARTIANO u. a. (Hrsg.), Genomic signals of migra-
tion and continuity in Britain before the Anglo-Saxons,
tet worden waren. Alle Indizien pas immer mit einem gewissen zeitlichen in: Nature Communications 7 (2016), DOI: https://doi.
sen – von der Auswahl der Kandidaten Abstand. org/10.1038/ncomms10326.
im jugendlichen Alter über Intensi Und was ist mit der Frau? Ein Mar J. MONTGOMERY u. a., «Gleaming, white and deadly»:
using lead to track human exposure and geographic
tät und Art der körperlichen Aktivi morrelief aus der Türkei, das sich heute origins in the Roman period in Britain. in: Journal of Ro-
man Archaeology, Suppl. 78 (2010) 199−226.
täten, die dem Training der Gladiato im British Museum befindet, zeigt zwei
G. MÜlDNER / C. CHENERY / H. ECKARDT, The «Headless
ren entsprechen, bis hin zu Größe und Gladiatorinnen. Die Tote könnte also Romans»: Multi-isotope investigations of an unusual
burial ground from Roman Britain, in: Journal of Archae-
Körperbau der Toten, den vorsätzlich durchaus eine weibliche Vertreterin ih ological Science 38 (2011) 280−290.
beigebrachten Verletzungen an Kopf, res Berufsstands gewesen sein. Aller T. TÜTKEN / E. lANGENEGGER / W. WIlD, Einheimisch
Gesicht und Körper, den Verletzungen dings weist ihr Skelett anders als die oder fremd? Isotopenanalyse eines Frauenskelettes des
9. Jahrhunderts n. Chr. aus Elsau, Kanton zürich, Schweiz,
an Armen, Handgelenken und Knö der Männer keine Anzeichen von Ver in: Anthropologischer Anzeiger 66/1 (2008) 19−50.
cheln, die auf ein Verdrehen jener Kör letzungen oder einer ungewöhnlichen
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WO BÄREN AUFZUG FAHREN
Der Transport wilder Tiere in den römischen Amphitheatern
Bis heute sind die Überreste von beinahe 300 römischen Amphitheatern bekannt: Bau-
werke, die sich in ihrer architektonischen Grundform zwar sehr ähnlich sehen, in
ihren funktionalen Einrichtungen für die Gladiatoren- und Tierkämpfe zum Teil aber
erheblich unterscheiden. Die Nutzungsdispositive dieser Bauten zeigen, dass es viele
verschiedene Möglichkeiten und technische Einrichtungen gab, wilde Tiere für die Ver-
anstaltungen von außerhalb in die Arena zu bringen.
von Thomas Hufschmid lassene Boxen wurden vor dem Be- naseitige Pforte die Käfigbox verlas-
ginn der Spiele Raubtiere wie Löwen sen. Auf der Steinplatte der Box war
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Wo BärEN AufzuG fAHrEN – Der Transport wilder Tiere in den römischen Amphitheatern
Direkter Transport aus dem das Kolosseum in Rom und die bei-
untergrund den großen kaiserzeitlichen Arenen
Die bekannteste und technisch auf- von Capua und Pozzuoli in Kampa-
wändigste Art, in großen Amphithea- nien. Diese drei Bauten sind sowohl
tern beachtliche Mengen von wilden ihre Größe als auch ihre Ausstattung
Tieren rasch in die Arena zu transpor- betreffend Arenen der Superlative,
tieren, bestand allerdings aus veritab- die mit zahlreichen Installationen für
len Liftsystemen, mit denen die in Kä- das Erscheinen und Verschwindenlas-
figen platzierten Raubtiere über enge sen von Bühnendekorationen, raffi-
Öffnungen im Boden aus dem Unter- nierten unterirdischen Gangsystemen
geschoss der Bauwerke direkt ins und einer fast unglaublichen Anzahl
Zentrum des Geschehens gehievt wur- von Liftschächten ausgestattet waren.
den. Solche Einrichtungen waren aber Beim großen Amphitheater von Ca-
sehr kostspielig und daher entspre- pua, das vermutlich den Endpunkt der
chend selten. Heute sind ca. 30 Bauten technischen Entwicklung dieser Lift-
bekannt, die mit solchen Aufzugsyste- und Bühnensysteme markiert, be-
men ausgestattet waren. Von diesen standen rund 30 % der Arenaober-
Abb. 2 Die Arenapforte («porta postica») be-
gleitende Käfigbox für Raubkatzen. Auf der wiederum waren nur gerade mal vier fläche aus Schachtöffnungen (Abb. 3).
Steinabdeckung des Käfigs saß ein Sklave, der vollständig unterkellert und mit Dut- Nebst drei riesigen, bis zu 50 m lan-
die vertikal gleitende Schiebetür bediente;
Amphitheater von Maktar (Tunesien).
zenden von Aufzügen versehen, wäh- gen Bühnengräben zur Inszenierung
rend alle übrigen mit deutlich weni- von künstlichen Landschaften im Zen-
ger, maximal 10–15 Liften bestückt trum der Arena besaß dieses Amphi-
gewesen sind. theater 102 mit Aufzügen ausgestat-
Vergleichbare Käfigboxen sind auch Es sind vor allem drei monumen- tete Schachtöffnungen. Nur geringfügig
im Amphitheater von Lepcis Magna in tale, vollständig unterkellerte Bauten weniger waren es beim Kolosseum, das
Libyen nachgewiesen und in größerer in Italien, die das Bild vom technisch in seiner letzten Ausbauphase stattli-
Ausführung, vermutlich zum Herein- versierten mit zahlreichen Liftsyste- che 88 Schächte zählte, während das
bringen von Stieren, im Amphitheater men und anderen Raffinessen ausge- flavische Amphitheater von Pozzuoli
von London zu vermuten. rüsteten Amphitheater geprägt haben: in seiner jüngeren Bauphase «ledig-
Abb. 3
Die monumentale, kai-
serzeitliche Arena
von Capua (Italien) ist
das zweitgrößte Amphi-
theater der römischen
Welt. Das vollständig
unterkellerte Unterge-
schoss beherbergte
102 Aufzüge und tech-
nische Installationen,
um ganze Landschaften
aus den drei Bühnen-
gräben aufsteigen zu
lassen.
30
ü
ANTIKE WELT 5/19
TITELTHEMA
Verschwundene technische
Installationen Abb. 4
Überlegungen zur Konstruktion und Das gut erhaltene Unterge-
Funktion dieser Aufzugsysteme wur- schoss des flavischen Am-
phitheaters von Pozzuoli
den bisher nur wenige vorgenommen. (Italien) zeichnet sich durch
Für das Kolosseum galten lange Zeit seine noch vollständig intakte
Gewölbeeindeckung aus. Die
die Untersuchungen von G. Cozzo Umfassungsmauer des Un-
aus den späten 1920er Jahren als tergeschosses weist auf zwei
wegweisend, bevor ab den 1990er Stockwerken tiefe Gewölbeni-
schen auf, die u. a. für die Un-
Jahren die vom DAI Rom im Unter- terbringung der Seilwinden
geschoss durchgeführten Bauaufnah- für die Aufzüge dienten; jeder
Nische ist in der Decke ein
men gezeigt haben, dass die Verhält- rechteckiger Aufzugschacht
nisse deutlich komplexer sind, als zugeordnet.
von Cozzo vermutet. Durch akkurate
Baudokumentation gewonnene Er-
kenntnisse ermöglichten es dem In-
genieur H.-J. Beste erstmals einen Puteoli – ein perfekt erhaltenes geschosses bestehende Umgang erheb-
fundierten und technisch durchdach- untergeschoss lich verbreitert (Abb. 4). Vermutlich
ten Rekonstruktionsvorschlag für die Deutlich besser ist die Befundlage beim bestand auch in Pozzuoli der Arenabo-
ursprünglichen, noch aus flavischer großen, vermutlich in flavischer Zeit er- den ursprünglich aus Holz und wurde
Zeit stammenden Aufzüge zu erar- richteten Amphitheater von Pozzuoli erst sekundär, möglicherweise aus
beiten. Angesichts der diversen Um- (Abb. 4). Dank der auf ausgedehnten statischen Gründen, durch die heute
bauphasen im Untergeschoss des Ko- Gewölbesubstruktionen ruhenden De- sichtbare zweistöckige Gewölbekonst-
losseums, bei denen jeweils auch die cke des Untergeschosses haben sich ruktion ersetzt.
Liftsysteme angepasst und verändert hier die aus Ziegeln und Mörtel beste-
wurden, erwies sich das Bauwerk als hende Unterkonstruktion des Arenabo- Die Lifte im Amphitheater
nicht ganz unproblematisch für die dens und die steingerahmten Austritt- von Puteoli
Erforschung der antiken Tieraufzüge. schächte für die Lifte erhalten. Zudem Mithilfe der Hinweise am Baubefund
Die Überlagerung der vielfältigen, im weist der zentrale Teil der Unterkelle- ließ sich für das Amphitheater von
Verlauf von mehreren Jahrzehnten, rung eine einheitliche Bauphase ohne Pozzuoli ein Rekonstruktionsvorschlag
ja sogar Jahrhunderten entstandenen nennenswerte Umbauten auf. Einzig für die Funktion der Tierlifte in der
und von unterschiedlichen techni- bei den doppelstöckigen Nischen an jüngeren Bauphase erarbeiten. Ein
schen Systemen stammenden Spuren der Peripherie des Untergeschosses wichtiges Element bilden hierbei die
an den Wänden behindert eine klare sind die baulichen Verhältnisse ein we- erwähnten und noch intakten Schacht-
Lesung und damit eine eindeutige In- nig komplexer, da hier eindeutig zwei rahmungen aus Stein. Deren Bearbei-
terpretation zuweilen erheblich. Er- sich chronologisch unterscheidende tung zeigt, dass die Holzabdeckung, die
schwerend kommt zudem hinzu, dass Bauphasen feststellbar sind. Im Kon- die Luken verschloss, von oben her in
sich der aus Holz gefügte Arenaboden text der jüngeren, vermutlich ins 2. Jh. die Rahmung eingesetzt war (Abb. 5).
des Kolosseums nicht erhalten hat n. Chr. datierenden Phase wurden die Zum Öffnen des Schachts musste der
und daher keinerlei gesicherte Infor- erwähnten Nischen an der Peripherie Deckel somit von unten beim Hoch-
mationen zu Aussehen und Funktion auf ihre doppelte Tiefe erweitert und fahren des Käfigs hochgeschoben wer-
der Schachtöffnungen vorliegen. so der in der zweiten Etage des Unter- den – eine Beobachtung, die mit der
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ü
ANTIKE WELT 5/19
Wo BärEN AufzuG fAHrEN – Der Transport wilder Tiere in den römischen Amphitheatern
den Fall bedeutet dies, dass am Fuß käfigs erfolgte hingegen über eine von
Bildnachweis
der in einem Holzrahmen geführ- vier Mann bediente Horizontalwinde,
Abb. 1. 2. 4–6: Thomas Hufschmid, Augusta rau-
ten Aufzugkabine Seile befestigt wa- die sich im hinteren Teil der Gewölbe- rica; 3: Emma Tarrico, https://visitworldheritage.com/
en/eu/amphitheater-campano-santa-maria-capua-
ren, die über Umlenkrollen mit einer kammer, die jeweils einem Liftschacht vetere/4a0267f3-9c34-4f25-a1a6-528df2787921.
Winde und vermutlich noch zusätzli- zugeordnet war, befanden. Für die
chen Gegengewichten verbunden wa- Verankerung dieser Winde wurden in Literatur
H.-J. BESTE, Neue forschungsergebnisse zu einem
ren (Abb. 6). Als Seilführung und zum den Gewölben eingelassene Balkenlö- Aufzugssystem im untergeschoss des Kolosseums, in:
Befestigen der Umlenkrollen dienten cher wiederverwendet, die ursprüng- römische Mitteilungen 106 (1999) 249–276.
in die Gewölbe eingelassene 26 x 26 cm lich für die Führung der Seilzüge der DErS., I sotterranei del Colosseo: impianto, trasforma-
zioni e funzionamento, in: A. La regina (Hrsg.), Sangue e
messende Schächte, die heute noch älteren Aufzugkonstruktion gedient arena (2001) 277–299.
C. BourGEoIS, L’entrée des bêtes dans l’arène à Mactar
(Tunisie), in : Bull. Arch. Com. Trav. Hist. 15–16 B (1984)
17–27.
G. Cozzo, Ingegneria romana: maestranze romane,
strutture preromane, strutture romane, le costruzioni
dell’Anfiteatro flavio, del Pantheon, dell’emissario
del fucino (1927).
Abb. 6 CH. DuBoIS, Pouzzoles antique. Histoire et topographie
Rekonstruktionsvorschlag für die (1907).
Aufzüge der jüngeren Bauphase TH. HufSCHMID (Hrsg.), Amphitheatrum in Provincia
im Amphitheater von Pozzuoli. Die et Italia. Architektur und Nutzung römischer Amphithea-
partiell geschnittene Grafik zeigt ter von Augusta raurica bis Puteoli (2009).
die in vertikalen Holzschienen lau- DErS., funktionale Gesichtspunkte des Theaters und
fende Förderkabine, in welche der des Amphitheaters im architektonischen, sozialen und
Käfig mit dem Raubtier eingescho- politischen Kontext, in: M. E. fuchs, B. Dubosson (Hrsg.),
ben werden konnte. Gegengewichte Theatra et spectacula. Les grands monuments des
jeux dans l’Antiquité, in: Études de Lettres 1–2 (2011)
gleichen das Gewicht der Förder- 263−292.
kabine aus und helfen, die auf die
Seilwinde wirkende Last zu redu- A. MAIurI, Studi e ricerche sull’Anfiteatro flavio Puteo-
lano (1955).
zieren. Beim Hochfahren des Lifts
klinkt der Tierkäfig in den ca. 70 kg V. MArIoTTI (Hrsg.), Il teatro e l’anfiteatro di Cividate
schweren Holzdeckel der Abde- Camuno. Scavo, restauro e allestimento di un parco ar-
cheologico (2004).
ckung ein und hebt diesen automa-
tisch in die Höhe.
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ANTIKE WELT 5/19
MUSEUMSINSEL BERLIN
Sehr bald gerieth ich in den Fehler der rein radicalen Abstraction, wo ich die
ganze Conception für ein bestimmtes Werk der Baukunst aus dem trivialen
Zweck allein und aus der Konstruction entwickelte, in diesem Falle entstand
etwas Trockenes, Starres, das der Freiheit ermangelte und zwei wesentliche
Elemente: das Historische und das Poetische ganz ausschloß.
Karl Friedrich Schinkel, Architektonisches Lehrbuch
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ANTIKE WELT 5/19
Neues aus der Antikensammlung und dem Vorderasiatischen Museum
macht das Museum nicht weniger im Spazieren. Spazierend erfährt man über modern zu sein. Schamvoll zu-
ideal. Als es erdacht wurde, wusste die Museumsinsel räumlich als Ort, als nächst und dann voller Lust erwuchs
es noch nichts von seiner janusköpfi- Freiraum und als Weite. Als komplexes aus dieser Erkenntnis eine neue Frei-
gen Natur. Es wähnte den Hafen, den Gebilde erscheint sie, als Bauwerk, To- heit des Entwurfs, der sich nun alles zu
Packhof, hinter sich und vor sich das pografie und Landschaft zugleich. Wie eigen machen konnte, auch das histo-
freie Spiel der solitären Baukörper, die entwirft man hier? risch Hervorgebrachte, auch das, was
nach der mittelalterlichen und der Zwanzig Jahre Entwerfen auf der schon da ist. Frühe Entwurfsentschei-
königlichen eine moderne Stadt auf- Museumsinsel ist auch eine Suche dungen wie der Südkuppelsaal zeigen
spannen, eine landschaftliche Stadt nach einer anderen Moderne, ist er- bereits die Poesie dieser Freiheit, aber
nach der französischen Revolution, kennen, wie klassische Strategien des vor allem späte Entwurfsentschei-
bürgerlich und gebildet, aufgeklärt modernen Entwerfens im historischen dungen zeigen die Lust, diese zu nut-
und romantisch. Kontext an Grenzen kommen und zen, etwa der Saal hinter der Treppe
nicht mehr genügen, um zu entwer- mit seiner Stapeldecke auf den mäch-
Das Problem der Zugänglichkeit fen, was die Komplexität des Vorge- tigen Pfeilern und der neuen Treppe
Hinter dem Museum blieb aber kein fundenen aufwirft. Das wurde zuerst mit Ausgängen zur James-Simon-Ga-
Hinten, sondern es wuchs dort die klar beim Wiederaufbau des Neuen lerie. Entscheidend scheint mir dabei
neue ideelle Mitte dieser modernen Museums, schien doch zunächst die das Zu-eigen-Machen. Das bedeutet,
Stadt. Nach königlichem Traum ver- Ruine des Baus aus dem 19. Jh. ge- der Entwurf ist für sich verständlich
dichten sich die solitären Baukörper radezu prädestiniert für jene virtu- und nicht nur im Hinblick auf etwas,
der bürgerlichen Stadt zu einem Mu- ose Alt-Neu-Rhetorik, die uns die an das er erinnert, das er aber selbst
seumsgebirge, zur Freistätte der Mu- Charta von Venedig nahelegt: Narra- nicht ist. Als das, was er ist, steht er
seumsinsel, einer Akropolis der gebil- tion und Sinnlichkeit entfalten sich neben dem, was schon ist. Er weiß um
deten Stadt. Die fünf Museen scheinen gerade dann, wenn das Neue alles das, was schon ist, und findet den-
trotz ihrer Unterschiedlichkeit vieles ausschließt, was das Historische her- noch zu sich selbst.
zu teilen. Alle sind sie mehr oder we- vorbringt, wenn die Modernität des Als ich nach der Fertigstellung des
niger ideale Museen ihrer Zeit, alle bil- Neuen in seiner radikalen Abstraktion, Neuen Museums in unserem Büro die
den sie ein neues Gegenüber der Stadt reduziert auf Konstruktion und Zweck, Entwurfsleitung für die James-Simon-
und vergessen dabei einander, verges- dem fragmentierten, als Ruine zweck- Galerie übernahm, konstatierte David
sen trotz ihres solitären Charakters im- los gewordenen historischen Souvenir Chipperfield einen Paradigmenwech-
mer mehr, je später sie hinzukommen, einer heute fremden Vergangenheit sel bezüglich der Identität des Neuen
dass hinter ihnen kein Hinten ist, son- klar und distanziert entgegentritt. Noli Eingangsgebäudes. Bis dahin war es
dern die Freistätte der Museumsinsel. me tangere. Ist das auf der Museums- als sechster Solitär auf der Museums-
Und sie teilen auch eine gewisse un- insel noch richtig? insel aufgefasst worden, der dem tri-
zweckmäßige Zugänglichkeit, insbe- vialen Zweck Raum gab, die funktio-
sondere untereinander. Eine Akropo- Ein langwieriger Entstehungs- nalen Defizite der historischen Häuser
lis ohne Mitte und ohne Zugang, ohne prozess auszugleichen. In radikaler Reduktion
Parthenon und ohne Propyläen. Aber Ich erinnere mich, wie beim Nachden- trat die Konstruktion der transluzen-
dennoch erscheint das komplexe Zu- ken, Skizzieren und Sprechen über die ten Glaskuben dem historischen Be-
sammenspiel der Baukörper im Stadt- endlosen kleineren und größeren Ent- stand als Gebilde ihrer Zeit entgegen
raum hochgradig attraktiv. Obwohl die wurfsentscheidungen, die der Wieder- und war dabei, anders als der Be-
Hauptfassaden der Häuser alle symme- aufbau aufwarf, in unserem Büro lang- stand, modern. Doch schien sich in
trisch aufgebaut sind, sucht ihr Klassi- sam die Empfindung aufstieg, dass diesem Gegenüber keine Poesie ein-
zismus nicht die Zentralperspektive, das Haus nicht zu einer stimmigen zustellen; der Entwurf wurde nicht ge-
sondern die scena per angolo, die dia- Gegenwart, nicht zu sich findet, so- liebt und in der Presse kritisiert.
gonale Ansicht in die Tiefe des Raumes lange man seine historische Substanz Zweierlei Art war der Paradigmen-
und eigentlich die Bewegung. Ein ro- als fremd, als kurios, als nicht modern, wechsel für den neuen Entwurf. Zum
mantischer Klassizismus, oder aber ein als nicht gegenwärtig betrachtet. Die einen sollte das neue Eingangsge-
moderner. Als räumliches Gebilde ge- eindringliche Beschäftigung mit dem bäude nun eine direkte und im Stadt-
neriert die Museumsinsel keine Haupt- Bestand legte offen, wie wesentlich raum sichtbare Einbindung in den
ansicht, sondern will körperlich in der er ist, und dass er viel mehr bietet Hauptrundgang des Pergamonmuse-
Bewegung wahrgenommen werden, als nur die Möglichkeit, ihm gegen- ums und den Zincirli-Saal schaffen. Es
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ANTIKE WELT 5/19
MUSEUMSINSEL BERLIN
a)
Abb. 2 a.b Skizzen von a) David Chipperfield und b) Alexander Schwarz zum zweiten Entwurf der James-Simon-Galerie, 2007.
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ANTIKE WELT 5/19
Neues aus der Antikensammlung und dem Vorderasiatischen Museum
Abb. 3
Kolonnaden
setzen die am
Neuen Mu-
seum endende
Stüler’sche Ko-
lonnade fort
und formen zwi-
schen Neuem
Museum und
James-Simon-
Galerie den Ko-
lonnadenhof.
Rendering 2008.
Abb. 4
Oberirdisch
schafft die
James-Simon-
Galerie eine
direkte Anbin-
dung an den
Hauptrundgang
im Pergamon-
museum.
Rendering 2008.
Abb. 5
Die Archäolo-
gische Prome-
nade verbindet
die vier Museen
entlang des
Kupfer grabens.
Rendering 2008.
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ANTIKE WELT 5/19
MUSEUMSINSEL BERLIN
Abb. 6 James-Simon-Galerie, Terrasse entlang der Kupfergrabenfront, Blick nach Norden. Abb. 7 James-Simon-Galerie, Kupfergraben-
front. Unmittelbar dahinter schließt sich der
Südflügel des Pergamonmuseums an.
gang, den öffentlichen Raum, und er- bar, umschließen und öffnen die Ko- ragen (Abb. 7), die Freitreppen, die
weitert den Freiraum. Ein Tempel, der lonnaden den erweiterten und erhobe- Verschränkungen von Außen und In-
kein Solitär, keine Mitte ist, sondern im nen öffentlichen Raum, während sich nen, die Kolonnaden. Und dennoch
Gegenteil ein Tempelgeflecht zum Spa- die eigentlichen Nutzungen – Sonder- ist die neue Architektur frei, sich al-
zieren, zur Körperlichen Raumerfah- ausstellung, Auditorium, Garderobe, les anzueignen. Sie ist bei sich, ist
rung, zum Wandeln zwischen den Häu- Verkaufsflächen – in die gebaute Topo- selbst Freitreppe, Sockel und Kolon-
sern und Freiräumen, zwischen Außen grafie einnisten. Wie Atlanten tragen nade, nicht als Zitat einer Vergan-
und Innen. Sein Element ist die Kolon- sie Freitreppe und Hochkolonnade. Als genheit, der sie nicht angehört, son-
nade, die Reihung der Vertikalen, der Freiraumarchitektur lösen sich die uner- dern als Bauwerk der Moderne, einer
Richtung der Gravitation der Körper, ob füllten Gesten der Häuser auf der Insel Moderne, der das Historische nicht
Säule, Baum oder Mensch. und verdichten sich zu einem Eingang, fremd, sondern gegenwärtig ist. Im
der wie eine Sphinx am Wasser liegt besten Fall ist die neue Architektur
Ideelle und reale Verbindungen und neu in die Tiefe der Stadtlandschaft wie die historische: auf Dauer von
Auf drei Ebenen werden die Räume der blickt, vorbei am Alten Museum über heute und so modern.
Insel neu verbunden. Das Bauwerk er- den Kupfergraben zur Schlossbrücke und
weitert die unerfüllt endende Stüler’sche weiter zur Bauakademie.
Kolonnade von der Spreeseite auf die Ganz aus hellgrauem Beton gegos- [i]
Wir danken dem Verlag der Buchhandlung Walther
Kanalseite zu einem neuen Kolonnaden- sen, gestapelt und gestellt ist diese König, Köln, für die freundliche Genehmigung zum
Wiederabdruck in leicht veränderter Form. Der Original-
hof (Abb. 3), während die Hochkolon- Architektur (vgl. Abb. 1). Am Eingang beitrag findet sich in David Chipperfield Architects
(Hrsg.), James-Simon-Galerie Berlin (Köln 2019), 13–21.
nade emporgehoben über dem Was- und nochmal am Ende der Halle, die
ser auf hohem Sockel und zugänglich sich zwischen die Kolonnaden legt, ist
Adresse des Autors
über eine Freitreppe ohne Achsver- sie geschmückt mit Thassos-Marmor,
Alexander Schwarz
schwenkung (worüber man sich wun- durch den Tageslicht sickert, und nur David Chipperfield Architects
Joachimstr. 11
dern mag) in das Pergamonmuseum dort mit Nussbaum bekleidet, wo sich D-10119 Berlin
mündet (Abb. 4; vgl. Abb. 7). Unten, im die Nutzungen einnisten. Ansonsten
Innern des Hauses, erschließt sich die sind Rohbau und Ausbau eins, Außen Bildnachweis
Abb. 1. 7: © Ute Zscharnt for David Chipperfield Archi-
Archäologische Promenade, welche die und Innen kaum verschieden (Abb. 6). tects; 2 a: © David Chipperfield; 2 b: © Alexander
Sockelgeschosse der vier Museen ent- Die Insel kennt diese Architektur Schwarz / David Chipperfield Architects; 3–5: © Stiftung
Preußischer Kulturbesitz / Art+Com; 6: © Luna Zscharnt
lang des Kupfergrabens verbinden wird bereits, sie kennt die Sockel, die als for David Chipperfield Architects.
(Abb. 5). Weithin im Stadtraum sicht- gebaute Topografie aus dem Wasser
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ANTIKE WELT 5/19
PREISRÄTSEL
Wie gut kennen Sie die Welt der
Antike? Hier können Sie es unter
GLADIATOREN Beweis stellen … und gewinnen!
13 12
Es sind die folgenden Be-
griffe zu erraten und so in
7 6
die Rätselfigur einzutragen,
dass der Endbuchstabe
3
eines Wortes zugleich der
14 8 5
Anfangsbuchstabe des
1
nächsten Begriffs ist. U C A N U C
2
1–2 Antikes Volk Mittel
BEI RICHTIGER italiens, dem die
4
EINSENDUNG WINKEN Ursprünge der Gladia
9
WERTVOLLE PREISE: torenkämpfe zuge
10 11
schrieben werden;
1. Preis:
2–3 Schutzwaffe man
Öllampe aus Ton in Form eines römi
schen Gladiatorenhelms, inklusive cher Gladia toren; 10–11 Blind kämpfender Gladiator;
zweier Dochte. Länge ca. 13 cm, Breite 3–4 Mit zwei Klingen bewaffneter 11–12 Berühmte Sklavenerhebung,
ca. 10 cm, Höhe ca. 9,5 cm. Gewicht
etwa 480 g. Gladiator; die in Capua begann;
4–5 Als gepanzerter und behelmter 12–13 Waffe mancher Gladiatoren;
2.–5. Preis: Bogenschütze dargestellter 13–14 Größtes (im antiken Rom
Vier Bücherpakete aus dem Verlags Gladiator; erbautes) Amphitheater
programm der wbg im Wert von
je € 50,– (D). 5–6 Gladiator, der linkshändig 14 Schwerbewaffneter römi
kämpfte; scher Gladiatorentypus.
6.–10. Preis:
6–7 Kampfplatz in der Mitte des Bei korrekter Lösung benennen die
Fünf Bücherpakete aus dem Verlags
programm der wbg im Wert von römischen Amphitheaters; Buchstaben in den getönten Fel-
je € 25,– (D). 7–8 Erster römischer Kaiser; dern – fortlaufend von innen nach
8–9 Historische Waffe; außen gelesen – einen Gladiatoren-
9–10 Bekleidung mancher Gladiatoren; typus mit spezieller Bewaffnung:
In unserem Jubiläumsjahr
gibt es darüber hinaus
eine zusätzliche Gewinn-
möglichkeit:
* Der Reisegutschein ist nur gültig für die Leserreisen der ANTIKE WELT in Für das Heft 5/2019 notieren Sie bitte den
Kooperation mit Karawane Reisen GmbH & Co. KG für Abreisen 2020 und 2021. ü vorletzten Buchstaben des Lösungswortes!
GOLDENES INDONESIEN
Neues zu Schmuckfunden aus dem frühen Java
Im mittelalterlichen Java, der hindu-buddhistischen Periode vom 8. bis zum frühen 16. Jh.,
war Gold allgegenwärtig. Die hochfeinen Goldobjekte aus Sammlungen und archäo-
logischen Kontexten eröffnen einen Einblick in die Kunstgeschichte und weit gespannten
Handelswelten dieser Region Südostasiens, aber ihre verschiedenen Deutungshorizonte
unterstreichen auch, welche Probleme sich bei der genauen Datierung dieser Goldschätze
für die Archäologie auftun.
Archäologische Kontexte
Zahlreiche Goldfunde wurden seit der
Kolonialzeit im 19. Jh. auf Java doku-
mentiert, als das Land mehr und mehr
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ANTIKE WELT 5/19
GoLDEnES InDonESIEn – neues zu Schmuckfunden aus dem frühen Java
urbar gemacht wurde und Bauern ein- kolonialen Zeit etablierte Bestand in tersuchungen der Legierung, Gold-
zelne Goldartefakte, aber auch Hort- weltweit 14 Museen liefert die wich- schmiedetechnik oder Oberflächen
funde in Keramiktöpfen oder metalle- tigste Quelle für die Goldforschung. haben erst jetzt neue Wege zur Da-
nen Behältern in der Erde ausgruben. Manche dieser Sammlungen haben tierung beschritten. Die Entzifferung
Meistens handelte es sich um Zufalls- bereits im frühen 20. Jh. Publikatio- der Schriften auf den Goldobjekten,
funde. Der spektakulärste Hortfund nen vorgelegt. Das Weltkulturen Mu- archäologische Eckdaten und kunst-
von rund 7000 Goldobjekten stammt seum in Frankfurt am Main besitzt geschichtliche Stilanalysen verhelfen
aus Wonoboyo, Zentraljava, und war mit 224 Objekten aus Gold und Silber ebenso, bestimmte Motivgruppen in-
2,75 m unter einer Lavaschicht begra- die größte Sammlung Deutschlands mit nerhalb der langen fast 900 Jahre
ben. Der Schmuck, Gefäße und zahl- klassischem Java-Schmuck. Heute ver- währenden sog. klassischen Periode
lose Münzen aus Edelmetall stammten wahren weltweit 22 Museen in Europa, genauer zu datieren. Diese Zeit, die
wohl aus einer königlichen Einsiedelei Nordamerika und Südostasien javani- von hinduistischen und buddhisti-
des späten 9. oder aus der Mitte des sches Gold. Viele Bestände stammen schen Glaubensvorstellungen geprägt
10. Jhs. Archäologen haben Gold aber aber aus rezenten Ankäufen des spä- wurde, wird in drei Perioden mit je-
auch als Gründungsopfer in Tempeln, ten 20. Jhs. mit unsicherer Provenienz weils anderen regionalen Schwer-
als Grabbeigaben, in Siedlungskontex- und sind daher nur bedingt als Refe- punkten untergliedert: eine frühe
ten oder gesunkenen Schiffswracks renzsammlungen tauglich. klassische Phase von ca. 700 bis 929
entdeckt, die einen gesicherten Fund- mit einem regionalen Zentrum in Zen-
zusammenhang und eine genaue Da- Der Kunstmarkt und das Problem traljava, eine mittlere von 929 bis
tierung zur Einordung liefern. der Datierung von Gold ca. 1200 mit dem Regierungssitz in
Mit der Etablierung des archäologi- Die Datierung und regionale Zuwei- Kediri in Ostjava und eine späte Phase
schen Dienstes auf Java im 19. Jh. wuchs sung von Goldobjekten ist ein Problem von ca. 1200 bis 1527 mit dem König-
der Sammlungsbereich von Goldarte- in der javanischen Kunstgeschichte. reich von Majapahit in Ostjava. Da-
fakten an. Dieser alte, noch in der Chemische und archäometrische Un- nach beginnt die islamische Periode.
Abb. 2 Raubgräber am Kalikawi-Fluss, Ostjava auf der Suche nach Gold.
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
Abb. 3 Der Vogel überbringt Rama, dem Helden des Ramayana-Epos, den Ring seiner entführten Frau Sita. Es ist ein Lotusring.
Die Hofgesellschaft trägt reichen Goldschmuck, Prambanan, Tempelrelief, Zentraljava, 9. Jh.
Abb. 4 Ähnlich geformte Goldohrringe, die in langen Ohrläppchen der Hofdamen baumelten, haben sich in Museumssamm-
lungen erhalten, Borobudur, Tempelrelief, Zentraljava, 10. Jh.
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ANTIKE WELT 5/19
GoLDEnES InDonESIEn – neues zu Schmuckfunden aus dem frühen Java
Nichtsdestotrotz können bestimmte gräber, sei die Ausbeute aber deutlich namen aufgrund von vermehrten Mu-
Fundorte nicht zweifelsfrei gemäß ih- zurückgegangen und zeigt eine Hand- seumsdiebstählen auf der Insel zu
res Fundplatzes datiert werden, da voll kleiner Goldartefakte aus seinem erklären – zwischen 2010 und 2013
der Datierungshorizont der Fundstät- Fundus. Er fand Goldobjekte ausge- wurden 675 Goldobjekten und weitere
ten in Ostjava nicht überall bekannt schwemmt in Flussbetten, in vor-isla- Artefakte, Ethnographica und Archäo-
und durchaus auch älter oder epo- mischen Gräbern, Siedlungen oder an logica in mehreren Museen auf Java
chenübergreifend sein kann. religiösen Stätten (Abb. 2). Scherben- gestohlen. Aber es wäre doch wün-
Seit den 1980er Jahren wird Gold- funde datieren die ehemaligen Sied- schenswert und wichtig, dass der rei-
schmuck mit ungesicherter Herkunft lungsflächen ins 10. bis 17. Jh. Von den che Goldschatz für die Fachwelt und
auf dem internationalen Antikmarkt religiösen Stätten haben sich nur ei- das interessierte Publikum gesichtet,
angeboten. Die spektakulärsten Stü- nige Ziegelsteine erhalten. Nur die Zu- vollständig dokumentiert und für Ver-
cke stammen aus dem Kunsthandel sammenarbeit mit den Raubgräbern, gleichsstudien einsehbar ist.
oder aus Privatsammlungen, die meist die weit mehr Fundstätten kennen, als
keine dokumentierte Provenienz vor von den Denkmalämtern erfasst sind, Eigenbezeichnungen
1970 vorweisen können. Klassischer ermöglicht weitere, bislang noch un- Die javanische Literatur aus der hindu-
Schmuck wird auf Bestellung nach al- bekannte Goldfundplätze zu lokalisie- buddhistischen Periode, die u. a. in
tem Vorbild originalgetreu reprodu- ren. Abschriften aus späterer Zeit erhalten
ziert. Noch heute sind Plünderer und Authentizitätsfragen erschweren ist, verhilft den sozio-kulturellen Kon-
illegale Ausgräber am Werk, die nach ebenso wie eine fehlende Fundkartie- text von Gold im frühen Java zu be-
Artefakten suchen und sie über Zwi- rung und der eingeschränkte Zugang schreiben. Anders als in der indischen
schenhändler gewinnbringend auf dem zu dem im Nationalmuseum in Jakarta Literatur, auf die die altjavanischen
Kunstmarkt verkaufen. Plünderer be- aufbewahrten Goldbestand die regio- Epen zurückgreifen, finden sich doch
richten von mehreren Kilo antiker nale und zeitliche Zuordnung von Gold- zumindest einige wenige Hinweise zur
Funde, die noch vor einigen Jahrzehn- artefakten. Diese Restriktionen, die so- Goldherstellung, der Trageweise oder
ten in der Provinz Lamongan in Ost- gar Wissenschaftlern das Studium des dem Bedeutungsgehalt von Goldacces-
java gesammelt wurden. Heute nach Golddepots im Nationalmuseum ver- soires. Die Texte beschreiben verschie-
40 Jahren, sagt ein 60-jähriger Raub- wehren, sind zwar als Vorsichtsmaß- dene Schmuckobjekte am Kopf wie
Ohrhänger, -scheiben, blumenartigen
Schmuck an den Ohren, Kopfbänder,
manchmal Diademe und andere Orna-
mente, die ins Haar gesteckt wurden.
Dabei trägt manches Schmuckteil auf-
grund von farbig eingelegten Steinen
oder seiner Ähnlich keit zu bestimmten
Pflanzenarten spezifische Bezeichnun-
gen. Anderes textlich erwähntes Zier-
werk, das den Oberkörper, die Arme
oder Beine schmückte, war auch aus
Gold hergestellt, wie Oberarmspangen,
Armbänder, -reifen, Brustschmuck, Kor-
deln.
Die javanischen Schriftquellen un-
terscheiden drei verschiedene Gold-
ringe. Darunter sind Ringe, die be-
deutungsvolle Motive nach indischem
Stil tragen und als Zahlungsmittel in
Abb. 5 Steuer- und Eigentumstransaktionen
Fächerförmiger
Goldohrring, Java, im späten 9. und 10. Jh. dienten. Auf-
7. bis 16. Jh., grund ihrer Legierung und Motive
Weltkulturen Mu-
seum Frankfurt/
konnte die Autorin nun diesen Ringty-
Main Inv. Nr. 19670. pus mit entsprechend erhaltenen Gold-
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ANTIKE WELT 5/19 ü
THEMENPANORAMA
Abb. 6 a Der Prinz trägt reiche Kopfzier, Halsketten, einen
Ohrhänger und eine -scheibe, Borobudur, Tempelrelief, Zent-
raljava, 10. Jh.
Abb. 6 c Die Göttin trägt reichen Schmuck am ganzen Körper, Tempel Jago, Ostjava,
13. Jh., Nationalmuseum Jakarta.
Abb. 6 b Der Tempelwächter trägt große Ohrscheiben, Kedu, Abb. 6 d Detail der Göttin, Tempel Jago, Ostjava, 13. Jh., Nationalmuseum
Zentraljava, 8. bis 9. Jh., Nationalmuseum Jakarta. Jakarta.
43
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ANTIKE WELT 5/19
GoLDEnES InDonESIEn – neues zu Schmuckfunden aus dem frühen Java
Abb. 7 Ohrscheibe mit zentraler Steinfassung und unheilabwehrenden Figuren, Ostjava 11. bis 13. Jh., Victoria and Albert Museum
Inv. Nr. 1375-1400.
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
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ANTIKE WELT 5/19
GoLDEnES InDonESIEn – neues zu Schmuckfunden aus dem frühen Java
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
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diesen importierten Vorbildern aus gestaltung erhalten, indem die Ring- Die Guanchen von Gran Canaria
Archäologisch-geografische Reise
Stein hat der javanische Goldschmie- schiene plastisch modelliert und die
Reiseleitung: Götz Dietrich Knosp
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bis 10. Jh. ist im Museum in Semarang, Es ist zu hoffen, dass die Zusammen- Reiseleitung: Hery A. Lauer, M.A.
Zentraljava, ausgestellt (Abb. 9). arbeit mit anderen Wissenschafts- Reisetermine:
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Reiseleitung: Hery A. Lauer, M.A.
Museum zeigt auf seinem Ringkopf ei- chend würdigen zu können. Termin: 04.04. – 11.04.20
nen altjavanischen Schriftzug spiegel- Insel Archäologie auf Rügen
verkehrt eingraviert (Abb. 10). Das Reiseleitung: Petra Härtl
Wort sagina bezeichnet entweder einen Termin: 26.04. – 02.05.20
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ANTIKE WELT 5/19
PILGERFAHRT NACH DODONA
Das Orakel von Zeus Naios und Dione
«Zeus, pelasgischer, weitab Diese Iliasstelle, in der Achill den Göttervater Zeus anruft,
wohnender, Herr von Dodona, ist die älteste literarische Erwähnung Dodonas. Das
Wo der Winter so rau.
Dort lagern am Boden die Selloi, Heiligtum war praktisch die gesamte griechische Antike
Deine Seher, um Dich hindurch bis zum Ende des Römischen Reiches, also
mit nie gewaschenen Füßen.» mindestens anderthalb Jahrtausende lang von großer Be-
Homer, Ilias 16, 233–235 deutung. Der Ort entwickelte und veränderte sich stetig
(dt. von Roland Hampe 1979)
und seine Geschichte ist eng mit den historischen Abläufen
in der Region Epirus verbunden. Was sehen Touristen,
wenn sie heute die Ruinenstätte betreten und wie war es für die Menschen der Antike, das
Heiligtum aufzusuchen? Um das zu verstehen, müssen wir versuchen, uns in die Lage
eines antiken Pilgers zu versetzen, der sich in der Vergangenheit dorthin aufgemacht hat.
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
von Diego Chapinal-Heras kann es wissen, wenn nicht sie? Eu- steht im Zentrum eines eigenen Teme-
kles lebt in Ambrakia, dem heutigen nos mit Umfriedungsmauer (Peribo-
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ANTIKE WELT 5/19
PILGERfAHRT nACH DODOnA – Das Orakel von Zeus naios und Dione
Abb. 2
Das Heiligtum von Dodona
Ende des 3. Jhs. v. Chr.
Abb. 3
Der Zeustempel von Dodona
wurde vermutlich im späten
5. bzw. frühen 4. Jh. v. Chr. errich-
tet. In den 1980er Jahren
wurde innerhalb der Mauerreste
eine Eiche gepflanzt.
Abb. 4
Der Heraklestempel lässt sich auf
das 3. Jh. v. Chr. datieren.
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
geblieben, von denen Eukles jene des dete jedoch, als Königin Deidameia als schen Bürgerrechts an Ktesos und seine
Zeus Keraunios, die den Gott als Blit- letzte ihrer Familie ohne Nachkom- Nachkommen vermerkt. Viele der In-
zeschleuderer zeigen, stets die liebs- men starb. In dieser Zeit wuchs die schriften sind sehr alt, was Eukles den
ten waren (Abb. 6). Es gibt auch Sta- Bedeutung dss Koinons der Epiroten, Namen früherer Molosserkönige ent-
tuetten von Kriegern oder Tieren wie das sich seit dem 4. Jh. v. Chr. gebildet nimmt, die zu Datierungszwecken da-
Ziegen, Stiere und Löwen (Abb. 7). hatte. rin angegeben sind. In den jüngsten In-
Außerdem gibt es zahlreiche Waffen schriften sind an die Stelle der Könige
und Schilde zu bestaunen. Hinzu kom- Inschriften zeugen von persön- jedoch bereits die Namen der höchs-
men schlichtere Weihegaben aus Ton. lichen Geschichten ten Koinon-Beamten getreten.
Besonders häufig sind Frauenfiguren Während Eukles seinen Weg fortsetzt,
und weibliche Köpfe. fällt sein Blick auf Inschriftentafeln, Anstehen für Orakelsprüche
Seit er ausgeraubt wurde, stehen Eu- die an den Wänden mehrerer Gebäude Doch nun wird es Zeit für Eukles, sich
kles nicht mehr viele Mittel zur Ver- befestigt sind und er bleibt stehen, um an das Orakel zu wenden, dessen Pries-
fügung. Aber er weiß, dass die Götter einige von ihnen zu lesen. So war ein terschaft sich aus zwei Gruppen zusam-
sich erkenntlich zeigen werden, wenn Sklave namens Gripon im Heiligtum mensetzt. Zum einen sind da die Sel-
er ihnen etwas weiht. Also begibt er freigelassen worden, und um seinen loi, jene berühmten männlichen Priester,
sich zu einem reisenden Händler und neuen Status als freier Mann festzu- die bereits in den homerischen Epen
erwirbt den tönernen Kopf einer Frau. halten, war das Dokument dort an- erwähnt werden, zum anderen die
Nach hartem Feilschen holt er einige gebracht worden. Auf einer anderen Peleades, Priesterinnen, deren Name
Münzen hervor und zahlt dem Mann Tafel ist die Verleihung des molossi- «Tauben» bedeutet. Eukles hat Hero-
den vereinbarten Preis. Manche der
Münzen zeigen Dodona-Motive, wie
das Bild von Zeus und Dione oder ei-
nen Dreifuß, der von einem Lorbeer-
kranz umgeben ist.
Denn Dodona ist nicht nur ein Hei-
ligtum, sondern zugleich das wichtigste
religiöse Zentrum der Region Epirus,
die von einem aus mehreren Stämmen
(Ethne) bestehenden Koinon regiert
wird (232–167 v. Chr.). Für die Epiro-
ten ist das eine noch relativ neue Re-
gierungsform, denn in Eukles´ Jugend
war Epirus noch in mehrere Herr-
schaftsgebiete aufgeteilt. Das mäch-
tigste unter ihnen war das Königreich
der Molosser, das einen Großteil des
Landesinneren umfasste und auch
Dodona kontrollierte. Die Molosser-
Könige standen zudem an der Spitze
der epirotischen Symmachie, einer
Kampfgemeinschaft mehrerer Stämme
(ca. 330–232 v. Chr.), deren Heer sie
anführten, wenn es gemeinsame äu-
ßere Feinde zu bekämpfen galt. Eukles
erinnert sich noch gut an die Geschich- Gebäude A: Herakles-Tempel
ten seines Großvaters über Pyrrhos, Gebäude B: Basilika
Abb. 5 Gebäude Γ: Alter Dione-Tempel
den größten aller Molosserkönige. Er Der Plan zeigt Gebäude E1: Zeus-Tempel
den gesamten Gebäude Z: Themis-Tempel
war der Sohn von König Aiakides und
Tempel- Gebäude Ɵ: neuer Dione-Tempel
hatte mit seinem Heer sogar in Italien bezirk von
Gebäude A: Aphrodite Tempel
gekämpft. Die Molosser-Dynastie en- Dodona.
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ANTIKE WELT 5/19
PILGERfAHRT nACH DODOnA – Das Orakel von Zeus naios und Dione
Zufällige Begegnung
Es ist noch früh und Eukles beschließt,
sich vor seinem Aufbruch ein wenig
auszuruhen und zu stärken. Er kommt
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
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ANTIKE WELT 5/19
PILGERfAHRT nACH DODOnA – Das Orakel von Zeus naios und Dione
Debatte trägt dazu bei, das Interesse mit das Symbol des Ortes bereits Ende n.G.L. HAMMOnD, Epirus: the Geography, the Ancient
Remains, the History and the Topography of Epirus and
an diesem von der Wissenschaft ein des 4. Jhs. n. Chr. gefällt. Dodona ver- Adjacent Areas (1967).
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ANTIKE WELT 5/19
GOETHE UND DIE ANTIKE «TÄNZERIN»
Sein Kaufverzicht im April 1788
Für Johann Wolfgang von Goethe wurde die quasi als Flucht angetretene Reise nach Itali-
en mit dem Ziel Rom zu einem Wendepunkt in seinem Fühlen und Denken. Vor allem
die Begegnung mit der Antike wurde prägend für sein ganzes künftiges Leben und Werk.
Wir wissen auch, dass Goethe ein passionierter und kenntnisreicher Sammler war,
der zeitlebens umfangreiche Sammlungen des eigenen Wissens wegen angelegt hatte. Sie
sind in großen Teilen in seinem Haus am Frauenplan in Weimar erhalten. Dazu gehören
auch Gipsabgüsse von antiken Plastiken, die dort das Treppenhaus und mehrere Zimmer
zieren. So ist verständlich, dass Goethe geradezu begeistert war, als kurz vor seiner
Abreise aus Rom die Möglichkeit bestand, eine originale antike weibliche Marmorstatue
zu erwerben.
von Klaus Koschel erweiterte er in Italien seine Samm- lers, eine antike weibliche Statue aus
lungen, beispielsweise mit originalen Marmor zu kaufen. Lassen wir Goethe
ohann Wolfgang von Goethe ver- antiken Gemmen und Gemmenabdrü- erzählen:
J ließ im Alter von 37 Jahren unter
einem Pseudonym reisend heimlich
cken sowie mit Mineralien und Gestei-
nen.
«In diesen Tagen jedoch ward ich
durch eine ganz eigene Versuchung
sein Kurdomizil Karlsbad in Rich- Dann, kurz vor der Abreise Goethes geprüft, die meine Reise zu verhin-
tung Italien (Abb. 1). Vor allem war aus Rom, im April 1788, kam eine un- dern und mich in Rom aufs Neue zu
Rom sein Ziel, um sich als Künstler erwartete Gelegenheit auf ihn zu, die fesseln drohte. Es kam nämlich von
unter Künstlern neu zu finden. Er er- ihn sehr begeisterte und beschäftigte. Neapel Herr Antonio Rega, Künst-
reichte Rom Ende Oktober 1786 und Es war das Angebot eines Kunsthänd- ler und ebenfalls Kunsthändler, zu
jubelte: «Ja, ich bin endlich in dieser
Hauptstadt der Welt angelangt.» Un-
terbrochen durch den Besuch von Ne-
apel und Sizilien (22. 2. ‒ 6. 6. 1787)
blieb er bis April 1788 in Rom. Seine
Erlebniswelt war plötzlich vor allem
die antike Kunst und Architektur, die
Renaissancebaukunst und die italie-
nische Malerei. Aber Goethe bemühte
sich in Rom unter Anleitung der Ma-
ler Philipp Hackert (1737–1807) und
Johann Heinrich Friedrich Tischbein
(1751–1829) auch selbst ernsthaft
als Maler und Zeichner. Er verkehrte
in Rom insbesondere mit Künstlern
und arbeitete zudem fleißig an seinem
dichterischen Werk. Sein Zuhause in
Tischbeins Wohnung an der Via del
Abb. 1
Corso 18 verschönerte er mit Gips- Goethe 1791, von Johann
abgüssen antiker Plastik. Mit Freude Heinrich Lips.
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ANTIKE WELT 5/19
GOETHE UND DIE ANTIKE «TÄNZERIN» – Sein Kaufverzicht im April 1788
Freund Meyer [Johann Heinrich Meyer, könnte. Er biete das edle Kunstwerk digsten Gewande, übrigens wenig ver-
Schweizer Kunsthistoriker und Ma- zu einem auf alle Fälle höchst mäßi- sehrt und die eine Hand vollkommen
ler, 1760‒1832], ihm vertraulich an- gen Preise von dreihundert Zechinen gut erhalten. Sogleich erinnerten wir
kündigend, er sei mit einem Schiffe [ca. 25 000–28 000 €], welche Forde- uns recht gut, sie an Ort und Stelle ge-
hier angekommen, welches draußen rung sich ohne Frage erhöhen möchte, sehen zu haben, ohne zu ahnen, dass
an Ripa grande liege, wohin er ihn wenn man nicht in Betracht der Ver- sie uns je so nah kommen könnte.
mitzugehen hierdurch einlade, denn käufer und des Käufers mit Vorsicht Hier nun fiel uns ein, und wem hätte es
er habe auf demselben eine bedeu- zu verfahren Ursache hätte. nicht einfallen sollen: ‹Gewiss› sagten
tende antike Statue, jene Tänzerin oder Mir ward die Sache sogleich mitge- wir, ‹wenn man ein ganzes Jahr mit be-
Muse, welche in Neapel im Hofe des teilt, und wir eilten selbdritte zu dem deutenden Kosten gegraben hätte und
Palastes Caraffa Colombrano nebst von unsrer Wohnung ziemlich ent- zuletzt auf einen solchen Schatz gesto-
andern in einer Nische seit undenkli- fernten Landungsplatz. Rega hub so- ßen wäre, man hätte sich höchst glück-
chen Jahren gestanden und durchaus gleich ein Brett von der Kiste, die auf lich gefunden.› Wir konnten uns kaum
für ein gutes Werk gehalten worden dem Verdeck stand, und wir sahen ein von der Betrachtung losreißen, denn
sei. Er wünsche diese zu verkaufen, allerliebstes Köpfchen, das noch nie ein so reines, wohlerhaltenes Altertum
aber in der Stille, und frage deshalb vom Rumpfe getrennt gewesen, un- in einem leicht zu restaurierenden Zu-
an, ob nicht etwa Herr Meyer selbst ter freien Haarlocken hervorblickend, stande kam uns wohl niemals zu Ge-
oder einer seiner vertrauten Freunde und nach und nach aufgedeckt eine sicht. Doch schieden wir zuletzt mit
sich zu diesem Handel entschließen lieblich bewegte Gestalt, im anstän- Vorsatz und Zusage, baldigste Antwort
vernehmen zu lassen. Wir waren bei-
derseits in einem wahrhaften Kampf
begriffen, es schien uns in mancher
Betrachtung unrätlich, diesen Ankauf
zu machen; wir entschlossen uns da-
her, den Fall der guten Frau Angelika
zu melden, als wohl vermögend zum
Ankauf und durch ihre Verbindung
zu Restauration und sonstigen Vor-
kommenheiten hinlänglich geeignet.
Meyer übernahm die Meldung, wie
früher die wegen des Bildes von Daniel
von Volterra, und wir hofften deshalb
das beste Gelingen. Allein die umsich-
tige Frau, mehr aber noch der ökono-
mische Gemahl lehnten das Geschäft
ab, indem sie wohl auf Malereien be-
deutende Summen verwendeten, sich
aber auf Statuen einzulassen keines-
wegs den Entschluss fassen könn-
ten. Nach dieser ablehnenden Ant-
wort wurden wir nun wieder zu neuer
Überlegung aufgeregt; die Gunst des
Glückes schien ganz eigen; Meyer be-
trachtete den Schatz noch einmal und
überzeugte sich, dass das Bildwerk
nach seinen Gesamtzeichen wohl als
griechische Arbeit anzuerkennen sei,
und zwar geraume Zeit vor Augustus
Abb. 2 hinauf, vielleicht bis an Hiero II. [Hi-
Tafelabbildung
nach E. Q. Vis-
eron II.; König von Syrakus, 269–215
conti. v. Chr.] geordnet werden könnte.»
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ANTIKE WELT 5/19 ü
THEMENPANORAMA
Abb. 3 a–c Die Statue im Museo Pio-Clementino, Vatikan nach de Clarac. a) Vorderansicht; b) Seitenansicht, links; c) Rückansicht.
«Den Kredit hatte ich wohl, dieses kenntnis gelten, dass ich dieses Ereig- regten die Eifersucht der zu solchem
bedeutende Kunstwerk anzuschaffen, nis als einen Wink höherer Dämonen Geschäft herkömmlich Berechtigten.
Rega schien sogar auf Stückzahlung ansah, die mich in Rom festzuhalten Die Schwierigkeiten der Restauration
eingehen zu wollen, und es war ein und alle Gründe, die mich zum Ent- seien mannigfaltig, und es frage sich,
Augenblick, wo wir uns schon im Be- schluss der Abreise vermocht, auf das inwiefern man dabei werde billig und
sitz des Bildnisses und solches in un- tätigste niederzuschlagen gedächten. redlich bedient werden. Wenn fer-
serm großen Saal wohlbeleuchtet auf- Glücklicherweise waren wir schon in ner bei der Absendung auch alles in
gestellt zu sehen glaubten. Wie aber den Jahren, wo die Vernunft dem Ver- möglichster Ordnung gehe, so könn-
denn doch zwischen einer leiden- stand in solchen Fällen zu Hülfe zu ten doch wegen der Erlaubnis der
schaftlichen Liebesneigung und ei- kommen pflegt, und so musste denn Ausfuhr eines solchen Kunstwerkes
nem abzuschließenden Heiratskontrakt Kunstneigung, Besitzeslust und was am Schluss noch Hindernisse entste-
noch manche Gedanken sich einzu- ihnen sonst beistand, Dialektik und hen, und was alsdann noch wegen der
dringen pflegen, so war es auch hier, Aberglaube, vor den guten Gesinnun- Überfahrt und des Anlandens und An-
und wir durften ohne Rat und Zustim- gen weichen, welche die edle Freundin kommens zu Hause alles noch für Wi-
mung unsrer edlen Kunstverwandten, Angelika mit Sinn und Wohlwollen an derwärtigkeiten zu befürchten seien.
des Herrn Zucchi und seiner wohl- uns zu wenden die Geneigtheit hatte. Über solche Betrachtungen, hieß es,
meinenden Gattin, eine solche Verbin- Bei ihren Vorstellungen traten daher gehe der Handelsmann hinaus, sowohl
dung nicht unternehmen, denn eine aufs klarste die sämtlichen Schwierig- Mühe als Gefahr setze sich in einem
Verbindung war es im ideell-pygmali- keiten und Bedenklichkeiten an den großen Ganzen ins Gleichgewicht, da-
onischen Sinne, und ich leugne nicht, Tag, die sich einem solchen Unterneh- gegen sei ein einzelnes Unternehmen
dass der Gedanke, dieses Wesen zu men entgegenstellten. Ruhige, bisher dieser Art auf jede Weise bedenklich.
besitzen, bei mir tiefe Wurzel gefasst den Kunst- und Altertumstudien sich Durch solche Vorstellungen wurde
hatte. Ja, als ein Beweis, wie sehr ich widmende Männer griffen auf ein- denn nach und nach Begierde, Wunsch
mir hierin schmeichelte, mag das Be- mal in den Kunsthandel ein und er- und Vorsatz gemildert, geschwächt,
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ANTIKE WELT 5/19
GOETHE UND DIE ANTIKE «TÄNZERIN» – Sein Kaufverzicht im April 1788
doch niemals ganz ausgelöscht, be- Weise erklärt und auf der dreißigs- mitteilt, kann man nachgehen: Die
sonders da sie endlich zu großen Eh- ten Tafel abbilden lassen; da denn je- Statue steht noch heute dort, wie es
ren gelangte; denn sie steht gegenwär- der Kunstfreund mit uns bedauern Goethe beschreibt, im «Kabinett der
tig im Museo Pio-Clementino in einem kann, dass es uns nicht gelungen, sie Masken» des Museo Pio-Clemen-
kleinen angebauten, aber mit dem nach Deutschland zu schaffen und sie tino im Vatikan, das nach dem Mas-
Museum in Verbindung stehenden irgendeiner vaterländischen großen kenmosaik aus der Villa des Hadrian
Kabinett, wo im Fußboden die wun- Sammlung hinzuzugesellen.» (Goe- in Tivoli benannt ist. Hier steht die
derschönen Mosaiken von Masken the, Italienische Reise [1786–1788], Mädchenfigur (Inv.-Nr. 816) noch in
und Laubgewinden eingesetzt sind. 605−609.) Nachbarschaft zu weiteren Kunst-
Die übrige Gesellschaft von Statuen in Interessant ist die Bemerkung, dass werken, von denen Goethe in seinem
jenem Kabinett besteht 1) aus der auf Goethe die Statue bereits in Neapel Text einige nennt.
der Ferse sitzenden Venus, an deren gesehen hatte. Goethe beschreibt auch, wo die
Base der Name des Bupalus eingegra- Das war am 2. März 1787 zusam- Mädchenstatue abgebildet ist: Ennio
ben steht [eine Namensfälschung, der men mit Tischbein. Sie stand dort Quirino Visconti (1751–1818), der
Typus stammt von Diodalses]; 2) ein nämlich in einer Torwegnische des Sohn des Giovanni Battista Visconti,
sehr schöner kleiner Ganymedes; 3) die Renaissance-Palastes Caraffa-Colom- hat die Arbeit seines Vaters, einen Ka-
schöne Statue eines Jünglings, dem, ich brano (heute Palazzo S. Angelo) an talog der Antikenbestände des Museo
weiß nicht ob mit Recht, der Name der Strada S. Biagio del Librai. Beide Pio-Clementino zu erstellen, fortge-
Adonis beigelegt wird; 4) ein Faun aus Reisenden bedauerten den unwürdi- setzt und in Band III des Werkes die
Rosso Antico; 5) der ruhig stehende gen Platz, an dem die Statue stand: Statue als Graphik abgebildet (Abb. 2).
Discobolus. «Wir kehrten uns um, eine weibli- Goethe hat diese Quelle wohl später in
Visconti hat im dritten, gedachtem che Statue zu bemerken, die über dem den damals noch ungedruckten Text
Museum gewidmeten Bande dieses Torwege in einer Nische stand. Sie eingefügt, denn der zitierte Katalog-
Denkmal beschrieben, nach seiner wird für die Nachbildung einer Tänze- band erschien erst 1790. Die Statue
rin schon von Winckelmann gehalten, wird in diesem Tafelwerk als «Sabina
wie denn solche Künstlerinnen in le- in forma di Venere» bezeichnet. Mit
Abb. 4 Die Venus von Frèjus (Typ Venus Gene- bendiger Bewegung auf das mannig- Sabina ist die Gemahlin Kaiser Had-
trix) im Louvre. faltigste dasjenige vorstellen, was die rians gemeint (86–136 n. Chr.), wohl
bildenden Meister uns als erstarrte nach dem (eigentlich nicht zugehöri-
Nymphen und Göttinnen aufbewah- gen) Kopf der Augusta. Ganz klar ist
ren. Sie ist sehr leicht und schön, der die Zuordnung aber nicht, da auch
Kopf war abgebrochen, ist aber gut Livia Drusilla, Gemahlin des Augus-
wieder aufgesetzt, übrigens nichts da- tus († 36 n. Chr.), als Venus für die Be-
ran versehrt, und verdiente wohl ei- zeichnung in Anspruch genommen
nen besseren Platz.» (Goethe, Italieni- wurde. Andere Fachleute bevorzugten
sche Reise [1786–1788], 214.) für die Figur einfach die Bezeichnung
Die Freundin Goethes, die bekannte Nymphe, Muse oder Tänzerin.
Malerin Angelika Kauffmann (1741– Worum handelte es sich bei dieser
1807), hatte also Goethe vom Kauf Statue? Folgen wir zunächst der Be-
der Statue mit den im Text genann- schreibung des Archäologen Wolfgang
ten Argumenten abgeraten und ihm Helbig (1839–1915):
auch keine finanzielle Hilfe gewährt. «Ein schönes kräftig gebautes Mäd-
Goethe musste schweren Herzens auf chen schreitet leicht vorwärts, beklei-
den Kauf verzichten. Kurz nach Goe- det mit einem dünnen gürtellosen
thes versuchtem Kauf ließ Papst Pius Chiton, welcher allenthalben die Kör-
VI. die Statue 1788 für den Vatikan er- performen durchscheinen lässt. Ihre
werben. Bewegung ist von der reizendsten An-
muth. Die erhobene R. zieht den über
Die «Tänzerin» den Rücken herabfallenden Mantel et-
Dem Hinweis auf den Aufenthalts- was über die Schulter empor, während
ort der Statue, den Goethe uns noch die abwärts reichende L. einen Zipfel
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
des gleichen Gewandes in der Gegend Goethe hielt mit Meyer die mit In Goethes Haus am Frauenplan
des Schosses gefasst hält. Der Mantel, 178 cm lebensgroße Figur für ionisch- in Weimar begegnen uns 130 antike
welcher aus stärkerem Stoffe gearbei- griechisch. Auch Helbig schließt die Plastiken in Gipsabgüssen. Ein Abguss
tet erscheint und demnach in breite- originale griechische Herkunft nicht der Statue im Museo Pio-Clementino,
ren Falten bricht als der Chiton, giebt aus, hat sich aber damit geirrt. Heute die Goethe so begeistert hat, gehört je-
für den schönen Körper einen sehr ge- betrachtet man die Figur als römi- doch nicht dazu.
eigneten Hintergrund ab. Da der Kopf sche Kopie des 1. Jhs. n. Chr. nach ei-
von einem Efeukranze und einem nem griechischen Bronzeoriginal vom
breiten Bande umgeben ist, hat man Ende des 5. Jhs. v. Chr. Denn die Sta-
Adresse des Autors
die Statue für eine Bakchantin erklärt. tue, die Goethe angeboten wurde, ist Prof. Dr. Klaus Koschel
Doch findet das kokette Lächeln, wel- kein Unikat. Es gibt mehrere Statuen Salvatorstraße 4
D-97074 Würzburg
ches wir in dem Gesichte wahrneh- dieses Typs. Beispielsweise besitzt
men, in keiner Darstellung einer Bak- auch der Louvre in Paris eine ent- Bildnachweis
chantin Analogie. Die Statue scheint sprechende Skulptur, die dort irrtüm- Abb. 1: akg-images; 2: Statue del Museo Pio-Clementino,
Rom 1790, S. 83; 3 a−c: Vatikanische Museen, Fotos: DAI
vielmehr eine Tänzerin darzustellen. lich unter dem Namen «Aphrodite von Rom D-DAI-Rom: 97Vat.222A; 97Vat.224A; 97Vat.227A;
Das schöne Mädchen tritt vor die Zu- Frèjus» geführt wird, obgleich auch 4: akg-images / Erich Lessing.
schauer, im Begriff den Tanz zu begin- sie aus Neapel stammt (Abb. 4). Die
Literatur
nen und mit dem Mantel eine jener Bedeutung des Figurentyps reicht J. W. VON GOETHE, Italienische Reise (1786‒1788), in:
graziösen Bewegungen zu machen, aber noch weiter. Er ist die «Venus Ge- Die Reisen (1978), 9‒613, 605–609.
welche in der vielseitigsten Weise netrix», die «Stammutter» des Julisch- E. Q. VISCONTI, Il Museo Pio-Clementino III: Statue del
Museo Pio-Clementino (1790) Taf. VIII.
durch bekannte Figuren und Grup- Claudischen Kaiserhauses. Sie wurde
W. HELBIG, Führer durch die öffentlichen Sammlungen
pen der campanischen Wandmalerei daher häufig kopiert und ist in vielen klassischer Altertümer in Rom I: Die Vatikanische Skulp-
turensammlung. Die kapitolinischen und das laterani-
vergegenwärtigt werden. Angesichts Museen der Welt vertreten (z. B. Ar- sche Museum Leipzig (1891) 193(177)‒194(178).
der etwas flüchtigen aber geistreichen chäologisches Museum Thessesaloniki, C. DE CLARAC, Musée de sculpture antique et moderne
ou description historique et graphique du Louvre et de
Ausführung scheint die Frage berech- Kapitolinische Museen in Rom, Here- toutes ses parties, des statues, bustes, bas-reliefs et in-
tigt, ob wir nicht in dieser Statue eine mitage in St. Petersburg, Royal Onta- scriptions du Musée royal des antiques et des Tuileries.
IV (1851) Taf. 592 Nr. 1660.
griechische Originalarbeit aus dem 3. rio Museum, Metropolitan Museum of
J. BOARDMAN, Griechische Plastik. Die klassische Zeit
oder 2. Jh. v. Chr. zu erkennen haben» Art in New York, Detroit Museum of (1987) 277 Abb. 197.
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Savaria. Übernachtung: Park Hotel Pelikán****. Ihre Studienreiseleiter:
Prof. Dr. Holger Sonnabend lehrt Alte Geschichte
8. Tag: Szombathely – Balaton – Budapest (F/A) an der Universität Stuttgart. Als Autor veröffentlichte
Savaria gehörte zu den wirtschaftlich leistungskräftigs- er zahlreiche Bücher zur griechischen und römischen
ten Römerstädten an der Donau. Es fungierte als Geschichte. Er ist Herausgeber der Reihe «Der Archäo-
Verkehrszentrum und als Verwaltungsmittelpunkt. Zu logische Führer», die im Verlag Philipp von Zabern
besichtigen ist ein Teil der Bernsteinstraße. Erhalten erscheint. Darüber hinaus leitete er bereits viele au-
sind aus diesem Fundkomplex auch einige Meilensteine. ßergewöhnliche Studienreisen in Italien, Griechenland,
Im Eingangsbereich des zum Grabungsgelände gehö- Ihre Reiseinformationen Spanien, Donaulimes, Syrien, Libyen, Israel, Äthiopien
renden Archäologischen Museums ist eine Rekonstruktion und in der Türkei.
eines Tempels aufgestellt, welcher der ägyptischen Ihre Reiseinformationen
Göttin Isis geweiht war. Die Villa Romana Balaca in Ne- Reisepreis pro Person im Doppelzimmer Dr. Frauke Sonnabend
mesvámos vermittelt einen ausgezeichneten Eindruck ab 20 Teilnehmern € 2790,00 Promotion in Alter Geschichte. Ihr Tätigkeitsfeld reicht
von gehobener Wohnkultur. Zwischen dem Balaton Einzelzimmerzuschlag € 440,00 von Führungen auf der Berliner Museumsinsel und
und Budapest liegt das «ungarische Pompeji» Gorsium. in Ausstellungen bis hin zur Erwachsenenbildung und
Gegründet als Militärstation zur Kontrolle der Straßen Flugzeiten (Änderungen vorbehalten) der Leitung von Studienreisen. Das Spektrum ihrer
und der Donau, entwickelte sich Gorsium zu einer 13. 7. 2020 Budapest – München 13.25 – 14.40 Uhr Zielgebiete reicht von England über Syrien, Donaulimes,
blühenden Stadt. Davon zeugen prächtige Stadtmau- Rumänien, Israel, Äthiopien, Italien und Griechenland
ern, Tore, von Kolonnaden flankierte breite Straßen, Eingeschlossene Leistungen bis in die Türkei.
Läden, Foren und Tempel. In der Spätantike kamen christ- ¢ Linienflug Budapest – München mit Lufthansa
liche Basiliken hinzu. Am Abend erreichen Sie Budapest. ¢ Flughafensteuern, Gebühren und aktuell gültige
3 Übernachtungen: Ibis Budapest City***. Treibstoffzuschläge (Stand August 2019) BITTE BEACHTEN:
¢ Rundreise im Reisebus ab München / bis Budapest Deutsche Staatsbürger benötigen für die Reise einen noch
9. Tag: Budapest (F) ¢ Transfers, Ausflüge, Besichtigungen lt. Reisepro- über das Reiseende hinaus gültigen Personalausweis.
Aquincum war die antike Vorgängerstadt der heutigen gramm
ungarischen Hauptstadt Budapest. Ihrer Besichtigung ¢ Eintrittsgelder lt. Reiseprogramm Teilnehmer
widmen wir den ganzen Tag. Seit Beginn des 2. Jhs. ¢ 10 Übernachtungen in den im Reiseprogramm Bis 8 Wochen vor Reisebeginn zu erreichende Teilneh-
n. Chr. war Aquincum Hauptstadt der Provinz Pannonia genannten Hotels o. ä. in Zimmern mit Bad oder merzahl: min. 20, max. 28 Personen.
Inferior und damit auch Sitz des römischen Statthalters. Dusche / WC
Neben der Zivilstadt gab es ein Legionslager mit einer ¢ Mahlzeiten lt. Reiseprogramm (F = Frühstück / Änderungen im Reiseverlauf oder bei den genannten
eigenen Vorstadt, auf der anderen Seite der Donau A = Abendessen) Unterkünften aufgrund von örtlichen Gegebenheiten
einen als Contra Aquincum bezeichneten militärischen ¢ 1 aktuelle Reiseliteratur sowie Preiserhöhungen oder -anpassungen aufgrund
Vorposten. Wirtschaftlicher Erfolg ermöglichte den ¢ Deutschsprechende Reisebegleitung ab München / von staatlichen Abgabeänderungen, Zuschlägen
meisten Bewohnern einen hohen Lebensstandard, der bis Budapest (z. B. Kerosin) müssen wir uns ausdrücklich vorbe-
sich in den erhaltenen Resten der öffentlichen und ¢ Studienreiseleitung ab / bis München: Dr. Frauke halten. Die Klassifizierung der Hotels entspricht der
privaten Bauten widerspiegelt. Amphitheater, Thermen, Sonnabend und Prof. Dr. Holger Sonnabend Landeskategorie.
Wasserleitungen und Kanalisation sind ebenfalls
Ausdruck dieses hohen Standards. Das sehenswerte
Museum liegt direkt auf dem Territorium der ehema-
ligen Zivilstadt Aquincum. Eine seiner Attraktionen
sind die Funde aus einem Heiligtum des Mithras.
Am Nachmittag Bootsfahrt auf der Donau. Der Abend
steht zur freien Verfügung. www.antikewelt.de – Stichwort: Donaulimes
10. Tag: Ausflug Visegrád (F/A)
Den Abschluss der Reise entlang der Donau bildet die
ungarische Stadt Visegrád, 40 km nördlich von Veranstalter
Budapest. Wahrzeichen der Stadt ist die hoch gelegene
Zitadelle aus dem 13. Jh., seit dem 14. Jh. Residenz
der ungarischen Könige. Besuch des Kleinkastells Karawane Reisen GmbH & Co. KG
Visegrád-Gizellamajor. Von hier aus bewachten in der Schorndorfer Str. 149 · D-71638 Ludwigsburg
Spätantike römische Soldaten die Reichsgrenze. Der stark
fortifikatorische Charakter der Anlage, die im 4. Jh. Ansprechpartner: Nicole Heldmann Tel. + (0) 7141 2848-13
unter der Regierung des Kaisers Constantius II. entstand, Tel. +49 (0)7141 2848-13 · Fax. +49 (0)7141 28 48-45
zeigt das Ausmaß der Bedrohung der Grenze im Zuge E-Mail: nicole.heldmann@karawane.de · Internet: www.karawane.de
der spätantiken Völkerwanderungen an. Am Abend
Gerne senden wir Ihnen unser ausführliches Programm zu.
nehmen Sie ein letztes gemeinsames Abendessen ein.
Es gelten die Reisebedingungen des Veranstalters Karawane Reisen GmbH & Co. KG
11. Tag: Budapest – München (F)
Im Laufe des Vormittages Transfer zum Flughafen
für Ihren Rückflug nach München. Dort Ankunft gegen
14.30 Uhr und individuelle Heimreise.
In Kooperation mit dem Verlag Philipp von Zabern und der Zeitschrift ANTIKE WELT
ENDE DER REISE
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EIN MUSEUM IM UMBRUCH
Neue Perspektiven für die Antikensammlung der Universität Würzburg
Im Herbst 2018 wurde die Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums nach einer
umfassenden Sanierung und Neueinrichtung wiedereröffnet. Auslöser für diese Maß
nahmen bildete die ein Jahr zuvor veranstaltete Sonderausstellung «Julius Echter – Patron
der Künste», die dem Würzburger Fürstbischof und Gründer der Universität zu seinem
400. Todestag gewidmet war. Eine derart groß angelegte Schau hatte das Museum in seiner
langen Geschichte noch nie erlebt. So sind auch in der Antikensammlung die Ambitionen
gewachsen, der eigenen Dauerausstellung ein neues Gesicht zu verleihen.
von Jochen Griesbach, Carolin Goll den renommierten, nur wenig älteren Ägypten bis zur Moderne» ihren ers-
und Marc Wahl Häuser jenseits des Ärmelkanals bil- ten programmatischen Niederschlag
det einen wichtigen Ansporn, seitdem gefunden hat.
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EIN MUSEUM IM UMbrUCH – Neue Perspektiven für die Antikensammlung der Universität Würzburg
Abb. 3 Martin von Wagner, Odysseus schützt den verwundeten Diomedes. Unten notiert Wagner den entsprechenden Vers der Szene aus
dem 11. Gesang der «Ilias».
Abb. 4 Martin von Wagner, Kaineus von zwei Kentauren unter Felsblöcken begraben (Reliefplatte des Bassae-Frieses), 1812. Wagner gibt
Fehl- und Bruchstellen mit Symbolen an und notiert unten: «Der Centaur soll um so viel als gezeichnet besser hinauf gerückt werden».
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THEMENPANORAMA
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EIN MUSEUM IM UMbrUCH – Neue Perspektiven für die Antikensammlung der Universität Würzburg
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«IN HÜLLE UND FÜLLE, ABER ZU
HÖCHSTPREISEN»
Licht und Schatten einer römischen Metropole
Von einst etwa 2000 Städten im Römischen Reich dürften nur einige die Bezeichnung Me
tropole verdient haben. Was macht eine Stadt zur Metropole? Es sind vervielfachte
städtische Eigenschaften wie hohe Einwohnerzahl, Monumentalbauten, florierende Wirt
schaft, politisches und religiöses Zentrum, üppiges Unterhaltungsangebot, attraktives
Reiseziel, aber auch Schmutz, Lärm, Enge … Das antike Trier besaß alle Facetten einer dama
ligen Weltstadt.
S
Trierer Stadtvilla. Die Darstellung dürfte als bewusster Hinweis auf die Bildung des Hausherrn zu
tädte bilden das Fundament der verstehen sein; L 2,09 m. – 3. Jh. n. Chr., Fundort: Trier.
römischen Reichsverwaltung. Das
«hippodamische System», rechtwink
lig angelegte Städte mit Straßenraster,
entsteht nicht nur im gesamten Mittel
meerraum, sondern wird auch in die
neuen Provinzen exportiert.
Der Autor Vitruv bringt die Grün
dung auf den Punkt: «Nachdem die
Nebenstraßen eingeteilt und die Haupt
straßen festgelegt sind, muss die
Bürgerschaft die Bauplätze für Heilig
tümer, Forum und die übrigen öffent
lichen Bauten festlegen» (Über die Ar-
chitektur 1,7,1).
Der erste römische Kaiser Augustus
gründet um 18/17 v. Chr. an der Mo
sel Augusta Treverorum, das heutige
Trier. Der erste Brückenbau ist Teil ei
ner größeren Verkehrsplanung, zu der
die Fernstraße vom Mittelmeer an den
Rhein gehört, und der Startschuss für
das neue Zentrum an der Mosel, das
schnell zur äußerst wohlhabenden
Stadt wird (Pomponius Mela, Länder-
beschreibung 3,20).
Trier entwickelt sich im 2. Jh. n. Chr.
zur Metropole und wird Verwaltungs
sitz der Provinz Gallia Belgica. Mit
dem Status Kolonie erhält sie auch das
höchste Stadtrecht inklusive Selbst
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«IN HÜLLE UND FÜLLE, ABER ZU HÖCHSTPREISEN» – Licht und Schatten einer römischen Metropole
Abb. 2 In der Hauptachse des symmetrisch angelegten Badetraktes befinden sich das Kaltbad («frigidarium»), das lauwarme Bad («tepidarium») und
das Warmbad («caldarium»). Umkleideräume und diverse Säle zum Aufenthalt gruppieren sich darum. Den Badegast erwartet eine verschwenderische
Ausstattung in der weitläufigen Anlage.
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THEMENPANORAMA
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«IN HÜLLE UND FÜLLE, ABER ZU HÖCHSTPREISEN» – Licht und Schatten einer römischen Metropole
Abb. 4
Blick in die Basilika.
In der Apsis der
Audienzhalle emp
fängt der thronende
Kaiser höchstper
sönlich Gesandtschaf
ten und Gäste. Wände
und Böden dieses von
außen recht schlichten
Prunkbaus sind mit
buntem Marmor aus
allen Teilen des
Römischen Reiches
verkleidet.
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HEISSE QUELLEN, SALZ UND DAT TELPALMEN
Das Tote Meer auf der Mosaikkarte von Madaba
Die Mosaikkarte von Madaba diente einst Pilgern zur Orientierung im Heiligen Land. Diese
Aufgabe muss sie heute nicht mehr erfüllen. Stattdessen ist sie zu einer historisch-
naturräumlichen Quelle par excellence für das Heilige Land und damit auch für die Region
des Toten Meeres geworden. Die hier aufgezeigten Merkmale waren Inspiration für
die Ausstellung «Leben am Toten Meer» und werden dort präsentiert.
von Martin Peilstöcker und Sabine Wolfram den etwa zwei Millionen Steine benö- der Bevölkerung die Stadt und sie ge-
tigt. Sie entstand in der Mitte des 6. Jhs. riet langsam in Vergessenheit.
um ersten Mal überhaupt ist die und zeigt die Region vom Libanon über
Z Kulturgeschichte des Toten Mee-
res Thema einer archäologischen Aus-
Palästina bis zum Nildelta in Ägypten
mit Jerusalem im Zentrum, gleichsam
Kein Leben im Salzmeer
Das Tote Meer ist auf der Mosaikkarte
stellung. Vom 27. September 2019 bis als Nabel der Welt. Die Mosaikkarte fast noch präsenter als Jerusalem und
zum 29. März 2020 werden unter dem folgt zum großen Teil dem Onomas- zentral platziert. Dies erklärt sich aus
Titel «Leben am Toten Meer» zahlrei- tikon des Eusebios von Caesarea, ein der realen und mythischen Verortung
che Originale von Ausgrabungen aus Ortsnamenverzeichnis mit kurzen Er- wichtiger biblischer Orte wie Sodom
den verschiedenen Orten rund um das läuterungen zur Bibel auf Griechisch, und Gomorrha oder der Taufstelle an
Tote Meer im smac in Chemnitz zu se- und zeigt neben Orten auch Landschaf- seinen Gestaden bzw. in unmittelba-
hen sein. ten, Gebirge, Flüsse, Tiere und Pflan- rer Nähe (Abb. 2). Wer sich allerdings
Viele dieser Orte sind zum ersten zen. Die Karte nutzt wiederkehrende heute mit der Archäologie und Kultur-
Mal auf der Mosaikkarte von Madaba Symbole, die für die Bedeutung der geschichte der Region befasst, erfreut
aus dem 6. Jh. zu sehen, die als äl- Orte stehen, nicht aber deren dama-
teste Landkarte des Heiligen Landes lige Bauwerke realistisch zeigen. Sie
gilt (Abb. 1). Madaba liegt etwa 30 km diente frühen Pilgern zur Orientierung,
östlich des Toten Meeres und 30 km daher werden nicht die politischen Ge-
südlich von Amman am antiken Kö- gebenheiten der Zeit gezeigt, sondern Kopie der Madaba-Karte in Göttingen –
Von Jordanien nach Göttingen
nigsweg. In dieser Region, östlich des die Orte von religiöser Bedeutung. Sie Die Mosaikkarte in der St. Georgskriche von
Toten Meeres im heutigen Jordanien ist geostet, nicht, wie moderne Karten, Madaba war Mitte der 1960er Jahre in
entstand in byzantinischer Zeit ein genordet. Sie zeigt einen Raum vom Li- einem sehr schlechten Zustand, insbeson-
dere hatten sich Teile vom Untergrund ge-
Zentrum christlichen Lebens. Davon banon im Norden bis zum Nildelta im löst. Auf Initiative von Professor Herbert
zeugen die Taufstelle am Jordan, die Süden sowie vom Mittelmeer im Wes- Donner (Göttingen) gab der Deutsche Pa-
Mose-Kirche auf dem Berg Nebo und ten bis nach Madaba selbst im Osten, lästinaverein 1965 die Restaurierung in
Auftrag, wobei die Volkswagenstiftung die
zahlreiche Kirchenbauten, z. B. in Ma- wobei letztere Darstellung sich nicht Mittel bereitstellte. Dr. Heinz Cüppers vom
daba, zu dieser Zeit auch Bischofssitz. erhalten hat. Landesmuseum Trier oblagen die Arbeiten
Beim Bau der griechisch-orthodo- Trotz islamischer Hoheit konnte die vor Ort. Im Zuge der Restaurierung wurde
eine Kopie angefertigt, die sich seit 1977 in
xen Georgskirche Ende des 19. Jhs. Kirche bis in das 10. Jh. weiter genutzt der Gipsabguss-Sammlung des Archäolo-
wurden die Überreste eines Vorgän- werden, allerdings mussten im 8. Jh. gischen Instituts der Universität Göttingen
gerbaus entdeckt. Den Boden die- die figürlichen Darstellungen aus der befindet. Die Nachbildung entspricht der er-
haltenen Mosaikfläche von 15,70 x 5,60 m,
ser Kirche zierte eine ursprünglich Karte entfernt werden und die mensch- die ursprünglich wohl 22 x 7 m maß. Sie
22 x 7 m große Mosaikkarte, von der lichen Gesichter mit weißen Mosaik- ist sie eine wichtige Arbeitsgrundlage für
ca. 15,70 x 5,60 m noch erhalten sind, steinen unkenntlich gemacht werden. alle, die sich mit der Region des Toten Mee-
res beschäftigen. Alle hier gezeigten Fotos
was etwa einem Viertel des Originals Nach einem starken Erdbeben im Jahr zeigen die Göttinger Madaba-Karte.
entspricht. Für die Darstellung wur- 749 verließ allerdings der größte Teil
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H�ISS� QU�LL�N, SALZ UND DAT T�LPALM�N – Das Tote Meer auf der Mosaikkarte von Madaba
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Abb. 1
Die Göttinger Kopie der Mosaikkarte von
Madaba (siehe Kasten). Mosaike zieren an für
sich Fußböden.
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H�ISS� QU�LL�N, SALZ UND DAT T�LPALM�N – Das Tote Meer auf der Mosaikkarte von Madaba
Tote Meer beispielsweise in die Oase nung ist eine Übersetzung des griechi- Etwas oberhalb, also nördlich, wird
En Gedi. Darüber hinaus tragen Wa- schen Namens Kallirrhöe und tatsäch- das «Heiligtum des Lot» markiert. Tat-
dis, ob nur im Winter oder ganzjährig lich ist auf der Madabakarte zu lesen sächlich wird hier der Ort tradiert, an
Wasser führend, zur Trinkwasserver- «Therma Kallirrhöe», denn in der Oase dem Lot nach der Zerstörung von So-
sorgung der Menschen bei. Die Höh- entspringen mehrere Quellen, deren dom und Gomorrah laut biblischer
len in den Wadis des judäischen Berg- heißes Wasser heilende Wirkung hat. Überlieferung Zuflucht suchte.
landes dienten beispielsweise in der Daneben ist ein rundes Becken, ein
Kupferzeit zur Aufbewahrung eines quadratisches Gebäude mit Apsis, ein Mit dem Schiff über das Meer
Hortfundes (Cave of the Treasure) und Wasserbecken und zwei Palmen zu Folgen wir dem Ufer des Toten Mee-
während des Bar Kochba Aufstandes sehen. In Kallirrhöe suchte schon der res und umfahren es südlich, um
im 2. Jh. n. Chr. als Zufluchtsorte. schwerkranke König Herodes Heilung dann wieder nach Norden zu gelan-
Heute führen bequeme, gut ausge- und bis heute werden sie von den Be- gen, so sind auf Grund von Zerstörun-
baute Straßen entlang der Ufer des wohnern der Region genutzt. Auf der gen kaum Hinweise auf der Karte zu
Toten Meeres. Startet man von der weiteren Fahrt Richtung Süden ist es finden. Die beiden Schiffe, die in der
Jordan-Mündung entlang des Ost- dann wieder die karge Landschaft, die Mitte des Toten Meeres zu sehen sind
ufers Richtung Süden, so gelangt man einen begleitet. Auf dem Mosaik lesen (Abb. 5), legen jedoch nahe, dass es
schnell in eine Gegend, in der die nur wir «Salzsee, Asphalt-See, also Totes Anlegestellen oder Häfen gegeben ha-
vereinzelt mit Gestrüpp bewachsenen Meer» (Abb. 3). ben muss, wie beispielsweise in der
Berghänge steil in den See abfallen. Angekommen am Südende des To- Gegend von En Gedi, wo bei Oberflä-
Hier und da sind die Felswände von ei- ten Meeres erreicht man Ghor as-Safi chenuntersuchungen immer wieder
nem Wadi durchschnitten. Nach dem bzw. as-Safi. Ein Blick auf die Mosaik- Anker in Ufernähe gefunden wurden.
Wadi Zerqa Main wird die Wüsten- darstellung zeigt uns hier eine Oase Bei näherer Betrachtung der bei-
landschaft für kurze Zeit von einem mit Gebäuden Dattelpalmen und dem den Schiffe zeigt sich, dass leider ei-
Bereich üppiger, grüner Vegetation Namen Zoara (Abb. 4). Die Pilgerin nige Bereiche den Zerstörungen zum
abgelöst, die ihren Ursprung in den Egeria erwähnt einen Bischof von Zo- Opfer gefallen sind, aber ein Detail
Quellen der Oase von Ein ez-Zara (die ara der sie auf ihrer Reise Ende des auffällig ist: Obwohl im Stil zeitgenös-
blühende Quelle) hat. Die Bezeich- 4. Jhs. n. Chr. in der Gegend begleitete. sischer Boote dargestellt, zeigt zumin-
Abb. 2
Fische schwimmen im
Jordan, an dessen öst-
lichen Ufer, also oberhalb,
die Ainon und unterhalb
ein Kloster des Johannes
des Täufers markiert sind.
Beide Orte werden heute
als Taufstelle verehrt.
Balsamsträucher und Nu-
bischer Steinbock sind
ebenfalls abgebildet.
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H�ISS� QU�LL�N, SALZ UND DAT T�LPALM�N – Das Tote Meer auf der Mosaikkarte von Madaba
Abb. 5 Schiffe waren in der Antike ein bedeutendes Verkehrsmittel am Toten Meer. Steile Klippen entlang der Ufer behinderten zu vielen Zeiten die
Fortbewegung zu Fuß.
Zweige zum Dachdecken, die Fasern Für die frühen Juden war die Pflanze Symbol für Rechtschaffenheit, Liebe
für Seile, die Blätter für Siebe und der heilig und stand für Frieden und Har- und gute Ernten und den Muslimen
Stamm zum Hausbau.» monie, den frühen Christen galt sie als als Lebensbaum.
Erstmals tauchen Dattelkerne in ar-
chäologischen Befunden der Kupfer-
Abb. 6 Jericho: nicht die älteste Stadt und nicht durch Posaunen zerstört, aber in der Antike be- zeit auf, ihre Domestikation begann
rühmt für seine Datteln. sicher früher. In Mamelukischer Zeit
verliert der Dattelpalmenanbau an
Bedeutung. Erst mit dem Britischen
Mandat Palästina ändert sich dies,
und so finden sich heute in den Oa-
sen im Westjordanland und am israe-
lischen Ufer des Toten Meeres wieder
ausgedehnte Plantagen.
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THEMENPANORAMA
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IM DIENSTE DES KROKODILS
Der Kultbetrieb im Tempel von Dimê
Ein internationales Team erforscht in verschiedenen Teilprojekten das Leben in Dimê, einem
antiken Ort in der ägyptischen Wüste. So gräbt dort eine Mission der Università del
Salento (Lecce) den Tempelbezirk aus. Die Entzifferung und Erschließung der Papyri aus
dieser Grabung liegen in den Händen von Würzburger Ägyptologen, die außerdem Hand-
schriften aus Altgrabungen in Dimê bearbeiten. Neuerdings beschäftigt sich ein deutsch-
französisches Forschungsprojekt an den Universitäten von Würzburg und Bordeaux
mit der Tempelbuchhaltung, die uns auch die ökonomischen Dimensionen des Kults besser
verstehen lassen.
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THEMENPANORAMA
Die «Insel des Soknopaios»: ein Wahrnehmung führen –, sondern we- eben auch ökonomischen Prägekraft
verlassener Ort in der Wüste gen der unglaublich reichen Papyrus- der Institution für den gesamten Ort.
Diese antike Siedlung liegt gut 2 km funde, die vor allem aus Raubgrabun-
nördlich des Fayumsees heute ein- gen stammen und Ende des 19. Jhs. Das Soknopaiosritual:
sam in der Wüste. Ein ehemals großer in europäische Sammlungen kamen. ein Text in der «bösesten»
Tempel dominierte diesen Ort, den Hier sind an erster Stelle das Ägyp- ägyptischen Schrift
die Griechen Soknopaiu Nesos nann- tische Museum Berlin und die Öster- Zu den Ritualen, die wie in jedem ägyp-
ten – die «Insel des Soknopaios». So- reichische Nationalbibliothek in Wien tischen Tempel täglich durchgeführt
knopaios, seinerseits die griechische zu nennen. Diese Papyri sind eine wurden, gehörten das Opferritual und
Form des ägyptischen Sobek neb Pai, Schatzkiste, weil wir aus ihnen reich- ein Ritual, bei dem das Kultbild neu
war als «Sobek, der Herr von Pai» haltige Informationen sowohl zum eingekleidet wurde. Die Texte, die
eine Lokalform des krokodilköpfigen Alltagsleben als auch – häufig eng da- Priester zu den Kulthandlungen des
Gottes. Von dem Tempel dieses Sobek mit verknüpft – zu Religion und Kult Täglichen Rituals rezitierten, sind aus
sind noch beeindruckende Ruinen er- in Dimê erhalten. Der Hauptanteil dem Soknopaios-Tempel in einer Reihe
halten, die die Reste eines vermut- der Texte datiert in die Zeit von etwa demotischer Handschriften des 1. und
lich zwischen 100 v. Chr. und ca. 50 50 v. bis 250 n. Chr. Seit über zwan- 2. Jhs. n. Chr. überliefert (Abb. 2). Ihre
n. Chr. errichteten Baus sind (Abb. 1). zig Jahren erforschen Ägyptologinnen Edition steht nun nach fast 20 Jahren
Doch nicht wegen seiner Architektur und Ägyptologen der Julius-Maximili- Arbeit daran kurz vor dem Abschluss.
ist das Heiligtum in der Ägyptologie ans-Universität Würzburg die unter- Das ab der Mitte des 7. Jhs. v. Chr. in Ge-
berühmt – auch wenn hier die Aus- schiedlichsten Aspekte, die sich aus brauch gekommene Demotische gilt
grabungen eines Teams unter Lei- dem Quellenmaterial ergeben. Dem- ohnehin als «von allen bösen ägypti-
tung von Mario Capasso und Paola nach entspricht die architektonische schen Schriftarten die böseste», wie es
Davoli von der Università del Sa- Dominanz des Soknopaios-Tempels einmal der Ägyptologe Hermann Gra-
lento (Lecce) zu einem Wandel in der in Dimê der kultisch-religiösen, aber pow ausdrückte. Erschwerend kommt
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IM DIENSTE DES KrOKODILS – Der Kultbetrieb im Tempel von Dimê
hinzu, dass der Text in einer eigen- Wänden anderer ägyptischer Tempel Aussagen zu dem Gott, für den es
artigen Weise, nämlich «unetymolo- überwunden werden. Doch die Dimê- zelebriert wurde. Die Krokodilsköp-
gisch» notiert wurde. Einerseits wollte Fassung des Täglichen Rituals ist über figkeit spielt genausowenig eine Rolle
der Schreiber dadurch zusätzliche Be- die Demotistik hinaus von allgemei- wie spezifische Eigenschaften und
deutungsebenen einschreiben, indem nem ägyptologischen Interesse, weil Zuständigkeiten des Sobek oder sei-
das Schriftbild weitere Assoziatio- hier die letzten Handschriften für diese ner Lokalform Soknopaios. Seine Ver-
nen beim Leser weckt, andererseits Zeremonien vorliegen, die Redak- bindung zu Isis, die in Dimê eine pro-
den Klang des Textes festhalten. Dem tions-, Kompositions- und Texttradie- minente Verehrung genoss, genauso
Klang wurde nämlich eine besondere rungsfragen und den Umgang mit dem wie seine physische Stärke, Aggres-
kultische Wirksamkeit zugesprochen. altägyptischen Ritualtextkorpus be- sivität und sexuelle Potenz, wie wir
Diese unetymologischen Schreibungen leuchten. Dimê lag auch in der Antike sie aus anderen Quellen kennen, wer-
stellen indes – neben dem teils schlech- an der Peripherie Ägyptens, doch er- den an keiner Stelle erwähnt. Das ist
ten Erhaltungszustand der Papyri – weisen die Ritualhandschriften diesen letztlich auch kein Wunder, denn der
enorme Herausforderungen für die Ort als einen, der durchaus gute Ver- Text ist mindestens 1400 Jahre älter
Entzifferung dar, weil der Entziffe- bindungen zu den großen religiösen als die konkreten Papyrushandschrif-
rer sich nicht sicher sein kann, ob er und damit intellektuellen Zentren des ten, wurde ebenso in Tempeln ande-
es mit einzelnen Wörtern zu tun hat Landes hatte. Und nicht zuletzt finden rer Gottheiten verwendet und musste
oder ob sich die Wörter als Silben zu sich in den Handschriften Texte, die für deshalb allgemein genug sein, um
einem ganz anderen Begriff zusam- das Tägliche Ritual sonst nirgends er- auch dort zu funktionieren. Es kommt
menfügen. Die Schwierigkeiten kön- halten geblieben sind, wodurch sich noch etwas hinzu: Sobek ist nicht «für
nen nur durch Parallelen in anderen das Spruchkorpus noch erweitert. genau dieses oder jenes zuständig»,
ägyptischen Schriften (Hieroglyphen wie das gerne für Gottheiten in poly-
und Hieratisch) und Ritualszenen, Wer war eigentlich Soknopaios? theistischen Systemen abgefragt wird,
d. h. bildliche Darstellungen des Kults Worüber sich jedoch das Tägliche sondern er hat ein ausgesprochen uni-
in Verbindung mit Inschriften, auf den Ritual aus Dimê ausschweigt, sind versales Wesen. Er ist eine Form des
Abb. 2 Irgendwann im Verlauf des 2. Jhs. n. Chr. hat ein unbekannter Schreiber auf der Rückseite des Papyrus Berlin P. 8043 Texte zum
«Täglichen Ritual» niedergeschrieben (hier ein Ausschnitt).
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IM DIENSTE DES KrOKODILS – Der Kultbetrieb im Tempel von Dimê
Abb. 4 Ausschnitt aus der Vorderseite des Papyrus Berlin P. 8043 mit listenförmigen Abrechnungen: Charakteristisch für diese Dokumente ist das
zweispaltige Layout mit dem Texteintrag wie Personennamen, Amtstitel oder Produkte sowie Abgaben in der einen und einem Geldbetrag in der zwei-
ten Spalte. Hier sind also sechs Kolumnen zu je zwei Spalten zu sehen.
Priester. Jede Phyle bestand aus ca. Bier, Brot und Öl bezahlten Fütterer, Oliven zur Verköstigung sowie Reise-
30 Männern, die abwechselnd für je die sich um die Aufzucht und Haltung proviant vom Tempel erhielt. Ob das im
einen Mondmonat Dienst im Tempel der lebenden Krokodile kümmerten. Jahr 2006 gefundene frührömerzeitli-
taten und für einen Großteil der kul- Die Krokodile galten als die sog. hei- che Schwert aus Eisen, das von der ita-
tischen und kultorganisatorischen ligen Tiere, die in enger Assoziation lienischen Grabungsmission innerhalb
Aufgaben zuständig waren. Dazu ge- zum Gott Soknopaios standen und ei- des Tempelbezirks entdeckt wurde,
hörte etwa der Opferdienst und damit nen Teil des Tempelinventars darstell- ein Utensil der in den Dokumenten er-
verbunden der Transport des Weizens ten. Die für den Kult benötigten Opfer- wähnten Schwertträger gewesen sein
für das Opferbrot für Soknopaios. Das tiere, zumeist Rinder, wurden von den könnte, müssen weitere Forschungen
Getreide wurde aus dem Magazin zur sog. Hirten des Gottes versorgt, die erweisen.
Bäckerei des Tempels und die fertigen dafür Brot und Geld erhielten. Einige der in den Listen verzeich-
Brote dann zum Heiligtum gebracht. Sehr häufig sind in den Listen neten Naturalien fanden in religiösen
Neben Geldzahlungen erhielten diese Schwertträger erwähnt, denen ver- Ritualen Verwendung, wurden für die
Priester Bier und Wein sowie Öl. An mutlich die Bewachung des Tempels Instandhaltung der Gebäude oder die
besonderen Festtagen wurde ihnen oblag, die aber auch als Leibwäch- Herstellung von Tempelinventar be-
zudem Weizen ausgeteilt. Unmittelbar ter offizieller Funktionäre wie etwa nötigt. Zu Letzterem gehörten Lam-
am Götterkult beteiligt waren auch des königlichen Schreibers (basilikos pen und Lampendochte für die Be-
die entlohnten Sänger und Tänzer, die grammateus) auftraten. Dieser war leuchtung sowie verschiedene Gefäße,
aber vermutlich keine Priesterausbil- selbstverständlich nicht in Dimê sta- Schalen und Kisten aus Metall und
dung absolvieren mussten. tioniert, sondern kam möglicherweise Holz. Die genaue Verwendung der Ge-
Der Kult konnte nur ausgeführt während Inspektionsreisen dort vor- genstände geben die Abrechnungen
werden, da das Heiligtum über tech- bei. Der Eintrag in den Abrechnungs- nicht an, aber griechische und demo-
nisches Personal mit vielfältigen Auf- listen lässt darauf schließen, dass sein tische Listen über Tempelinventar, die
gaben verfügte. Dazu gehören die mit Bodyguard Brot und in Öl eingelegte bereits publiziert sind, werden für die
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ANTIKE WELT 5/19
THEMENPANORAMA
Die Listen verraten nichts über den Inneren herausgetragen, während ein M. SCHENTULEIT, Keeping Track of Accounts: The Editing
Platform DimeData, in: C. römer (Hrsg.), Acts of the
Empfänger der Räucherungen, aber umfangreicher Mitarbeiterstab tag- 7th International Fayoum Symposion, 29 October – 3 No-
vember (in Vorbereitung).
die griechischen Finanzberichte er- täglich rege damit beschäftigt war, die
läutern, dass Kyphi und andere Aro- administrativen und wirtschaftlichen M. A. STADLEr, Théologie et culte au temple de So-
knopaios: Études sur la religion d’un village égyptien
mata der Statue des Soknopaios und Grundlagen für den Kult und den Er- pendant l’époque romaine (2017).
des Harpokrates zugutekamen und halt des Heiligtums zu schaffen. Der
den Tempel im Jahr fast 600 Drach- Begriff «Kultbetrieb» passt insofern in
men kosteten. Zum Vergleich: Der Be- doppelter Hinsicht.
darf eines sechsköpfigen Haushaltes
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Abb. 1 Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum wurde zwischen 2016 und 2019 saniert und erhielt eine neue Dauerausstellung.
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M U S E E N I N A L L E R W E LT
Abb. 3 Ein Modell erläutert die spätbronzezeitlichen Handelsbeziehungen anhand des wohl am Ende des 14. Jhs. v. Chr. vor der heutigen türkischen
Südküste gesunkenen Schiffes von Uluburun.
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SchäTZE AUS DER ERDE – Archäologie im Deutschen Bergbau-Museum in Bochum
Steinzeit mit Zukunft tung und Nutzung dieser Rohstofe 1150 Exponate beleuchten auf dem
Der Rundgang 2 ist überschrieben haben sich im Laufe der Jahrhunderte Rundgang die Geschichte des Berg-
mit «Bergbau. Steinzeit mit Zukunft» selbstredend stark verändert. Die Er- baus von der Stein- und Bronzezeit
(Abb. 2). Schon in der Frühgeschichte forschung dieser Themen ist eine wich- über die Antike bis in das Mittelalter,
machte sich der Mensch auf die Su- tige Aufgabe des Deutschen Bergbau- in die Frühe Neuzeit und über die Epo-
che nach Rohstofen, zunächst mit Museums Bochum, das im Jahr 1977 che der Industrialisierung schließlich
einfachsten Werkzeugen, dann immer zum Forschungsmuseum der Leibniz- bis in die Gegenwart. Dabei stehen
effizienter. Die Gewinnung, Verarbei- Gemeinschaft wurde. Insgesamt gut die langjährigen archäologischen und
archäometallurgischen Forschungen
des Deutschen Bergbau-Museums Bo-
chum im Mittelpunkt.
Abb. 4 a.b a) Experimentell hergestellte Ochsenhaut-Barren bringen den Besuchern die schwers-
ten Stücke aus der Ladung des Schiffes von Uluburun nahe; b) Bernstein von der Ostsee war im öst- Am Beispiel des Schifes von Uluburun
lichen Mittelmeer sehr begehrt. erläutert die Ausstellung spätbronze-
zeitliche handelsströme (Abb. 3). Das
etwa 15 m lange Schif sank wohl am
Ende des 14. Jhs. v. chr. vor der heuti-
gen türkischen Südküste. Die Gründe
dafür sind nicht bekannt, aber der Un-
tergang ist ein wahrer Glücksfall für
die Archäologie, war das Schif doch
voll beladen mit den unterschiedlichs-
ten Waren und ofenbar auf dem Weg
von einem hafen der Levante in Rich-
tung Ägäis – vielleicht zu einem my-
kenischen Palast. 2005/2006 präsen-
tierte das Deutsche Bergbau-Museum
in einer großen Sonderausstellung die
umfangreiche Ladung.
Man muss sich die damalige politi-
sche «Großwetterlage» vergegenwär-
tigen: Im westlichen Bereich des öst-
a lichen Mittelmeeres fand sich noch
die mykenische Palastkultur, in Anato-
lien führten die Hethiter das Regiment
und in ägypten expandierte das Neue
Reich – was um das Jahr 1275 v. chr. in
der Schlacht von Kadesch kulminierte
und zum ersten erhaltenen Friedens-
vertrag der Weltgeschichte zwischen
hethitern und ägyptern führte.
Der «schwerste» Brocken der gela-
denen handelsgüter waren 10 t (!)
Kupfer und 1 t Zinn, was in etwa dem
Mischungsverhältnis entspricht, um
aus Kupfer und Zinn Bronze herzustel-
len. Darüber hinaus hatte das Schif
aber nahezu alle wichtigen Rohstofe
und Luxusgüter der Bronzezeit gela-
den, so Glas, Gold, Silber und Elfen-
bein, aber auch Straußeneier, Pista-
zienharz, Ebenholz, Keramik, Wafen,
b
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ANTIKE WELT 5/19
M U S E E N I N A L L E R W E LT
diente als ritueller Farbstof. ten und Repliken aus dem römischen
Bildnachweis
Feuerstein war nicht nur gesucht, Bergbau. Zu nennen ist hier insbe- Alle Abb.: Foto Karlheinz Jardner.
um Feuer zu machen, sondern fand sondere die Reproduktion eines Ar-
auch Verwendung als Beil und Dolch, beitsvertrages, der vom 19. Mai 164 Informationen zum Museum
als Sichel, Messer oder als Speerspitze n. chr. datiert und aus Roșia Montană Deutsches Bergbau-Museum Bochum
Am Bergbaumuseum 31
(vgl. Abb. 2). (Rumänien) stammt. Zu diesem Da- D-44791 Bochum
Schließlich zeigt eine nachgestellte tum verpflichtete sich der Bergmann Tel. 0234-5877126
www.bergbaumuseum.de
Szene den Kupferbergbau am Mitter- Memmius Asclepius, gemeinsam mit
berg, einer der mächtigsten Kupfererz- seinen Kindern, bis zum 13. Novem- Öffnungszeiten
Sa, So und feiertags 10.00–17.00 Uhr
lagerstätten der Ostalpen. Schätzun- ber jenes Jahres für Aurelius Adi- letzte Grubenfahrt: 15.30 Uhr
gen gehen davon aus, dass hier in der utor zu arbeiten. Als Lohn werden letzte Turmfahrt: 16.30 Uhr
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ANTIKE WELT 5/19
Rezensionen und Empfehlungen
Zusätzliche Buchbesprechungen 92
finden Sie online auf unserem ü ANTIKE WELT 5/19
Leserportal. www.antikewelt.de
BÜCHERSPIEGEL
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ANTIKE
ü WELT 5/19
Bitte beachten Sie, dass sich die Ausstellungsdaten und Öffnungszeiten der einzelnen Museen kurzfristig ändern können.
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ANTIKE WELT 5/19
AUSSTELLUNGSKALENDER
TRIER Die Schau ermöglicht dem Besucher einen ungewöhn- rungsantritt von Kaiser Hadrianus 117 n. Chr. und
Rheinisches Landesmuseum lichen Blick auf den Weg, den archäologische sie markierten den Beginn des Europäischen
Spot an! Szenen einer römischen Stadt Fundstücke von der Ausgrabung über die Reinigung Jahres des Kulturerbes im Jahr 2018. Zahlreiche
bis 26. Januar 2020 und eventuelle Restaurierung und Datierung bis Porträts des Kaisers Hadrian stehen neben
Die Bedeutung von Augusta Treverorum wird anhand hin in die Vitrine oder in das Magazin zurücklegen. Figuren von griechischen Dichtern, Denkern und
bislang noch nicht gezeigter archäologischer Geöffnet: Mo, Mi, Do, Fr 12–18 Uhr, Politikern.
Funde verdeutlicht. Wandmalereien, Mosaike, Skulp- Sa+So 10–18 Uhr
turenfunde, Goldmünzen und andere Objekte Place du Château 2 Geöffnet: Mo 13–20 Uhr, Di–So 9–16 Uhr
veranschaulichen sowohl das Luxus- als auch das www.musees.strasbourg.eu Patission Straße 44
Alltagsleben im römischen Trier. www.namuseum.gr
Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr
Weimarer Allee 1
www.landesmuseum-trier.de GROSSBRITANNIEN IRAKLIO
Archäologisches Museum
Δαίδαλος. Στα ίχνη του μυθικού τεχνίτη
ULM OXFORD bis 1. März 2020
Museum Ulm / Studio Archäologie The Ashmolean Museum Die Ausstellung «Daidalos, auf den Spuren des mythi-
Tod im Tal des Löwenmenschen – Knochen Last supper in Pompeii schen Handwerkers» ist dem genialen Handwerker
geschichten aus 100 000 Jahren bis 12. Januar 2020 und Erfinder, dem Erbauer des Labyrinthes auf Kreta,
bis 24. November 2019 Im Mittelpunkt dieser Pompeii-Ausstellung stehen gewidmet. Gezeigt werden technische Innovatio-
Die Höhlen im Lonetal bei Ulm wurden über Tausende Essen und Trinken: Die Themen reichen von nen der minoischen Zeit wie z. B. die Verwendung
von Jahren immer wieder als Bestattungsplatz, Anbau und Ernte, über Produktion von Olivenöl, der Töpferscheibe, die Entwicklung von Handwerks-
als Kultstätte oder Opferplatz genutzt. Die Entdeckung Wein und Fisch-Sauce bis hin zu Zubereitung geräten oder Neuerungen beim Schiffsbau.
und Bergung der menschlichen Skelettreste sowie die und Verzehr von Speisen. Etwa 300 Leihgaben aus Geöffnet: Mo, Mi–So 8–20 Uhr, Di 10–20 Uhr
neuen Erkenntnisse aus naturwissenschaftlichen Neapel und Pompeii zeigen die reiche Ausstat- Xanthoudidou & Hatzidaki Straße
Untersuchungen werden zusammenfassend vorgestellt. tung der Speiseräume (Wandmalerei, Mosaike, Möbel, http://heraklionmuseum.gr
Geöffnet: Di–So 11–17 Uhr Statuen), Geschirr aus wertvollen Metallen,
Marktplatz 9 Küchengeräte und tönerne Transportamphoren für
www.museum.ulm.de Wein, Oliven und Fisch-Sauce. Auch ein Nachbau
von Räumen der «Casa del bracciale d‘oro» ist zu sehen. ITALIEN
Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr
VÖLKLINGEN Beaumont Street
Weltkulturerbe Völklinger Hütte www.ashmolean.org AQUILEIA
PharaonenGold – 3000 Jahre altägyptische Museo Archeologico Nazionale di Aquileia
Hochkultur Magnifici ritorni: tesori aquileiesi dal Kunsthisto
bis 24. November 2019 risches Museum di Vienna
Die 150 goldenen Exponate aus Pharaonengräbern bis 20. Oktober 2019
stammen aus der Zeit von ca. 2680 bis 1320 v. Chr. Aus Anlass des 2200-jährigen Gründungsjubiläums
und geben einen Einblick in die Welt der Pharaonen von Aquileia kehren in der Ausstellung «Wunder-
und ihrer besonderen Beziehung zu Gold. bare Rückkehr – Schätze Aquileias aus dem Wiener
Geöffnet: Mo–So 10–18 Uhr Kunsthistorischem Museum» etwa 100 Exponate
Rathausstraße 75–79 aus Wien an ihren Fundort zurück. Aquileia stand
www.voelklinger-huette.org bis Anfang des 19. Jhs. unter habsburgischer
Herrschaft, österreichische Archäologen führten
dort wichtige Ausgrabungen durch, und so ge-
langten die Funde nach Wien.
FRANKREICH Geöffnet: Di–So 10–19 Uhr
via Roma 1
www.museoarcheologicoaquileia.beniculturali.it
LYON
Lugdunum
LVDIQVE – Jouer dans l‘Antiquité ROM
bis 1. Dezember 2019 Ara Pacis
Die Ausstellung «Spielerisch – Spielen in der Antike» Claudio Imperatore. Messalina, Agrippina
beschäftigt sich mit der Spielkultur und Spiel- e le ombre di una dinastia
sachen der griechischen und römischen Antike. bis 27. Oktober 2019
Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr «Last supper in Pompeji»: Wandmalerei aus Pompeji, Die Ausstellung «Kaiser Claudius. Messalina, Agrippina
Rue Cléberg 17 Haus des Bäckers, 40–79 n. Chr. Nationalmuseum und die Schatten einer Dynastie» beabsichtigt,
https://lugdunum.grandlyon.com Neapel (© Museo Archeologico Nazionale di Napoli). das negative Bild dieses römischen Kaisers zu revidie-
ren und ihn auch als umsichtigen und fähigen
Herrscher zu würdigen. Mit Statuen, Reliefs, Kameen
NÎMES und Münzen, Objekten des täglichen Lebens
Musée de la Romanité GRIECHENLAND sowie Historienmalerei werden das Leben und die
Pompéi, un récit oublié Herrschaft nachgezeichnet. Die zuvor in Lyon
bis 6. Oktober 2019 gezeigte Ausstellung ist hier um die Ehefrauen
In «Pompeji, ein vergessener Bericht» – Bezug neh- ATHEN des Claudius erweitert worden.
mend auf einen durchaus nicht vergessenen Brief Archäologisches Nationalmuseum Geöffnet: Mo–So 9.30–19.30 Uhr
des älteren Plinius – geht es um den Vesuvausbruch Via di Ripetta 190
im Jahr 79 n. Chr. und die erste dokumentierte Οι αμέτρητες όψεις του Ωραίου www.arapacis.it
Rettung von Zivilisten durch das Militär. Zu sehen verlängert bis 31. Dezember 2019
sind 250 archäologische Objekte aus Pompeji, «Die unzähligen Aspekte des Schönen» ist die dritte
Herculaneum und anderen wichtigen Orten Kam- und letzte Ausstellung anlässlich des 150-jährigen ROM
paniens. Jubiläums des Museums. Die archäologischen Funde Centrale Montemartini
Geöffnet: Mi–Mo 10–18 Uhr zeigen Darstellungen antiker Mythen von Aphro- Colori degli Etruschi. Tesori di terracotta
Boulevard des Arènes 16 dite oder Adonis, die Schönheit des menschlichen bis 2. Februar 2020
https://museedelaromanite.fr Körpers und besondere Objekte zum Schönsein Die Ausstellung «Die Farben der Etrusker. Schätze aus
wie Kleidung, Frisuren, Schmuck, Parfümfläschchen. Terrakotta» ist wieder einmal den Carabinieri
Tutela Patrimonio Culturale zu verdanken, die 2016
STRASSBURG Αδριανός και Αθήνα. Συνομιλώντας με έναν in Genf eine große Anzahl aus Italien gestohlener
Archäologisches Museum ιδεατό κόσμο Kunstwerke aufspürten, darunter auch zahlreiche
Bedienungsanleitung: Das bewegte Leben verlängert bis 29. November 2019 bemalte Platten und Reliefs aus dem Gebiet von
der archäologischen Sammlung «Hadrian und Athen. Im Gespräch mit einer fiktiven Cerveteri. Diese sind nun nach sorgfältiger Untersu-
bis 31. Dezember 2019 Welt» – diese kleine Schau erinnert an den Regie- chung und Restaurierung zu sehen.
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AUSSTELLUNGEN-
EXTRA
TONGEREN
Gallo-Römisches Museum
Dacia Felix. Die ruhmreiche
Vergangenheit Rumäniens
19. Oktober 2019 bis 26. April 2020
Geöffnet: Di–Fr 9–17 Uhr,
Sa+So 10–18 Uhr
Kielenstraat 15
www.galloromeinsmuseum.be
Abb. 1
Ein Armreif aus massi-
vem Gold, ca. 1 kg, aus
einem Ensemble aus
24 Exemplaren. Die
äußeren Enden zieren
schlangenartige Fabel-
wesen. 100–50 v. Chr.
Sarmizegetusa Regia,
Orăștioara de Sus (RO;
Nationalmuseum
für die Landesgeschichte
Rumäniens, Bukarest).
DACIA FELIX
von Linda Bogaert und Stéphanie Derwael mer das Land eroberten, versuchten
bereits verschiedene Völker – die ein-
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Advertorial / Entgeltliche Einschaltung
Geöffnet: Di–So 9–19 Uhr Dokumentarische Ausstellung zur 150-jährigen
Via Ostiense 106 Geschichte des Fachs Klassische Archäologie an der
www.centralemontemartini.org Universität Wien.
Geöffnet: Mo–Fr 9–19 Uhr
Franz-Klein-Gasse 1
TARENT https://klass-archaeologie.univie.ac.at
Museo Archeologico Nazionale di Taranto
MitoMania. Storie ritrovate di uomini ed eroi
bis 10. November 2019 WIEN
Die Ausstellung «MythoMania. Wiederaufgefundene Papyrusmuseum der Österreichischen National-
Geschichten von Menschen und Heroen» zeigt bibliothek
unteritalische rotfigurige Vasen, die aus Raubgra- In vino veritas. Wein im alten Ägypten
bungen in Apulien stammen. Sie wurden von bis 12. Januar 2020
dem Comando Carabinieri Tutela Patrimonio Cultu- Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr
rale in überseeischen Museen aufgespürt, nach Neue Burg, Heldenplatz
Italien zurückgebracht und stehen nun der For- www.onb.ac.at/museen/papyrusmuseum
schung zur Verfügung. s. a. den Beitrag in AW 4/2019, S. 96.
Geöffnet: Mo–Sa 8.30–19.30 Uhr, So 9–13 Uhr
und 15.30–19.30 Uhr
via Cavour 10 Voodoo
www.museotaranto.beniculturali.it SCHWEIZ
im Roemer- und Pelizaeus-
TURIN BASEL Museum Hildesheim
Museo Egizio Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig
Archeologia invisibile Gladiator. Die wahre Geschichte
bis 6. Januar 2020 24. September 2019 bis 22. März 2020 19. Oktober 2019 bis
Der Titel «Unsichtbare Archäologie» stellt die Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr 17. Mai 2020
Ergebnisse der Archäometrie in den Fokus: Mit den St. Alban-Graben 5
neuesten Methoden verschiedener naturwissen- www.antikenmuseumbasel.ch
schaftlicher Disziplinen können bei der Rekonstruk- s. a. die Beiträge ab S. 8.
tion der archäologischen Objekte weitere wert- Voodoo ist eine 2000 Jahre alte Reli-
volle Informationen gegeben werden, so dass das gion, die ursprünglich aus Westafrika
Unsichtbare sichtbar gemacht werden kann. RIGGISBERG stammt und deren Wurzeln wahr-
Geöffnet: Mo 9–14 Uhr, Di–So 9–18.30 Uhr Abegg-Stiftung scheinlich bis in die nordostafrikani-
Via Accademia delle Scienze 6 Luxus am Nil. Spätantike Kleidung aus Ägypten
www.museoegizio.it bis 10. November 2019 sche Antike reichen. Durch den Skla-
Geöffnet: Mo–So 14–17.30 Uhr venhandel gelangte sie nach Amerika
Werner Abeggstraße 67 und in die Karibik, wo sich durch den
www.abegg-stiftung.ch Einfluss der dortigen Ursprungsreli-
NIEDERLANDE s. a. den Beitrag in AW 3/2019, S. 96. gionen und des Christentums neue
Varianten entwickelt haben.
LEIDEN
Rijksmuseum van Oudheden USA Voodoo hat heute weltweit ca.
Cyprus. Eiland in beweging 60 Mio. Anhänger. Dennoch ist die
11. Oktober 2019 bis 15. März 2020 Wahrnehmung in der westlichen
Die Ausstellung «Zypern. Eine Insel in Bewegung» ANN ARBOR Welt sehr von negativen Klischees
erzählt mit ca. 400 Kunstwerken – 300 davon Kelsey Museum of Archaeology geprägt. Tatsächlich ist Voodoo eine
aus zyprischen Museen – die besondere Geschichte Graffiti as devotion along the Nile
der Insel. Zu sehen sind Skulpturen und Porträts bis 5. Januar 2020
sehr friedfertige Religion mit Fokus
aus Marmor und Terrakotta, Vasen, Waffen, Mosaike Im Mittelpunkt der Schau stehen Hunderte von auf einen Hauptgott, der sich den
sowie Gold- und Silberschmuck. meroitischen Graffiti, die vor einigen Jahren Gläubigen mit Hilfe von «Geistwe-
Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr in einem Felsentempel bei El Kurru im Nordsudan sen» offenbart.
Rapenburg 28 von der Kelsey-Expedition entdeckt wurden.
www.rmo.nl Geöffnet: Di–Fr 9–16 Uhr, Sa+So 13–16 Uhr Die Ausstellung wird die Voodoo-
434 South State Street
www.lsa.umich.edu/kelsey
Religionen in Afrika und Amerika
zum ersten Mal in ihrer
ÖSTERREICH Gesamtheit präsen-
MALIBU tieren und dabei
The J. Paul Getty Museum / Getty Villa auch die gängigen
GRAZ Buried by Vesuvius: Treasures from the Villa Klischees hinterfra-
Archäologiemuseum, Schloss Eggenberg dei Papiri gen. Die Besucher
Erde – Wasser – Feuer. Lebensquellen und bis 28. Oktober 2019
Wissensspeicher Zahlreiche Leihgaben aus dem Nationalmuseum erwartet auf zwei
bis 31. Oktober 2019 Neapel – hauptsächlich aus der Villa dei Papiri – Etagen eine hoch-
Neue Ergebnisse zur bronzezeitlichen Besiedlung sind in der Getty Villa (einem Nachbau ebendieser gradig inszenierte
der Steiermark liefert das EU-Projekt «Palaeo- Villa) zu sehen. Besonders hervorzuheben sind Erlebniswelt
DiversiStyria», vor allem von den Untersuchungen diesmal die Restaurierung bzw. die neuen Analysen mit einzigarti-
des kürzlich gefundenen hölzernen Brunnen- der radiologischen und endoskopischen Unter- gen Expona-
kastens aus der Bronzezeit und der darin befind- suchungen des betrunkenen Satyrn, der bereits im
lichen Pflanzen- und Tierreste. 18. Jh. gefunden wurde. Außerdem einige der ten, die sie tief
Geöffnet: Mi–So 10–17 Uhr verkohlten Papyrusrollen und die verschiedenen eintauchen
Eggenberger Allee 90 Methoden ihrer Entrollung und Entzifferung lässt in diese
www.museum-joanneum.at sowie die allerneusten Funde der letzten Grabungen. faszinieren-
Geöffnet: Mi–Mo 10–17 Uhr den Religio-
17985 Pacific Coast Highway nen und ihre
WIEN www.getty.edu
Institut für Klassische Archäologie Herkunftskul-
1869–2019. 150 Jahre Klassische Archäologie Hinweise auf Sonderausstellungen turen.
an der Universität Wien können Sie gerne an diese Adresse schicken:
bis 31. Oktober 2019 ak@wbg-wissenverbindet.de
97 www.rpmuseum.de
ü
ANTIKE WELT 5/19
VERANSTALTUNGEN UNSERER ZEITSCHRIFTEN
AiD-Studientag AW-Exkursion
am 18. Oktober 2019 23. bis 26. April 2020
ZÓON POLITIKÓN
Der Mensch ein «staatenbildendes Wesen» von Klaus Bartels
in Kunstmythos, den Platon in seinem Protagoras dem Star-Sophisten in den Mund gelegt hat,
E gibt der Erzählung vom Feuerdiebstahl des Prometheus eine brandaktuelle Fortsetzung.
Nicht die Rüstungs-Künste des Schmiedegotts Hephaistos, lautet da die Botschaft, hätten den
Die Zitate
Platon, Protagoras 320 c ff.,
das Zitat 322 c – Aristoteles,
Politische Schriften 1, 2.
Homo Faber vor den wilden Tieren und vor seinesgleichen schützen können; erst die von 1252 b 27 ff., 1253 a 1 ff.,
Zeus gestiftete «politische Kunst» habe das Menschengeschlecht überleben lassen: «Da kam in a 15 ff., a 29 ff. – Ausführ-
lichere Zitate in: Jahrtau-
Zeus Furcht auf um unser Geschlecht, es könne noch ganz zugrundegehen, und er entsandte sendworte – in die Gegen-
wart gesprochen, ausge-
Hermes, Ehrfurcht – aidós – und Recht – díke – zu den Menschen zu bringen, dass es unter ihnen wählt, übersetzt und vorge-
stellt von Klaus Bartels,
Staatsordnungen gebe und einigende Freundschaftsbande.» 2. Auflage, Reihe Paradeig-
Protagoras spricht da von einer «politischen Kunst» in Gestalt des Rechts und der Scheu, es zu mata 50, Rombach
Verlag, Freiburg i. Br. 2019,
brechen; Schiller besingt in seinem Lied von der Glocke die «Heilge Ordnung, segenreiche / Seite 45 f. und 49 f.
Himmelstochter, … die herein von den Gefilden / rief den ungesellgen Wilden …»; Aristoteles nennt
den Menschen ein «von Natur staatenbildendes Wesen – physei politikón zóon». Am Anfang
eines politologischen Kollegs leitet er die Staatsgemeinschaft aus der Haus- und der Dorfgemeinschaft
her; aus dem Zusammenschluss dieser offenkundig natürlichen Gemeinschaften gehe aufs
Natürlichste die schließlich vollends autarke, «sich selbst genügende» und auf gemeinsame Werte
gegründete Staatsgemeinschaft hervor:
99
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ANTIKE WELT 5/19
VORSCHAU
IMPRESSUM
www.antikewelt.de
Gestaltung und Herstellung: Postfach 12 11
Melanie Jungels, TYPOREICH – Layout- und Satzwerkstatt, Nierstein D-53334 Meckenheim
Gesamtverantwortung: Dr. Beate Varnhorn Tel.: 0 22 25 / 88 01-0; Fax: 0 22 25 / 88 01-199
100
ü ANTIKE WELT 5/19
Die faszinierende
Geschichte einer Seuche
Was ist die Pest? Wo liegen die ältesten Nach-
weise? Mit diesen Fragen beginnt die Reise durch
die faszinierende Geschichte dieser ikonischen
Seuche. Sie führt über die frühesten archäogeneti-
schen Nachweise in der Steinzeit über die Spätan-
tike bis zum berüchtigten ‚Schwarzen Tod‘ des
Spätmittelalters. Welche Folgen hatte die Seuche
für vormoderne Gesellschaften? Das tödliche
Potenzial der Pest ist noch immer vorhanden -
doch wie würde man heute auf einen erneuten
Ausbruch reagieren?
Katalog zur
Ausstellung
in Herne.
Hrsg. vom LWL-Museum für Archäologie, Über 700 Seiten und
Westfälisches Landesmuseum, Herne; rund 300
archäologische und
Stefan Leenen, Alexander Berner, Sandra Maus kulturhistorische
Pest! Objekte!
2019. Etwa 720 S. mit etwa 700 farb. Abb.,
geb. mit SU. wbg Theiss, Darmstadt.
40,– € • ISBN 978-3-8062-3996-6
wbg-wissenverbindet.de
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Ein Opus Magnum, das
neue Maßstäbe setzt
Angelos Chaniotis erzählt die spannende Geschichte
der Griechen in einem wahrhaft kosmopolitischen
Zeitalter. Von Alexander dem Großen (334 v. Chr.)
bis zu dem römischen Kaiser Hadrian (138 n. Chr.).
Inwiefern prägte die Kultur der Griechen das
Römische Reich und darüber Europa bis heute?
Globalisierung und die Entstehung von Metropolen,
technologische Innovationen und neue Religionen,
aber auch soziale Konflikte und Kriege gehören zu
den Signaturen dieser Welt, die überraschend viele
Parallelen zu unserer Gegenwart aufweist.
Internationaler
Bestseller: Bereits
in 5 Sprachen
übersetzt
Angelos Chaniotis
Die Öffnung der Welt
Eine Globalgeschichte des Hellenismus
2019. 544 S. mit 38 s/w-Abb. und 8 Kt., Zeittafel, Bibliogr. und Reg.,
geb. mit SU. wbg Theiss, Darmstadt.
35,– € • ISBN 978-3-8062-3993-5
wbg-wissenverbindet.de
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1.17
Zeitschrift für
ANTIKE WELT · 47. Jahrgang · Heft 1/2017
Rückblick in die 2010er Jahre: Einen erneuten
Relaunch durchlief die ANTIKE WELT Archäologie und
Kulturgeschichte
zum Jahresbeginn 2017. Heft 1 erscheint nun
zum ersten Mal in unserem heute noch
aktuellen Look: Vor schwarzem Hintergrund
kommen zum Titelthema passende Fund
stücke eindrucksvoll zur Geltung, wie wir
finden. Dass die AW auch vor dem Relaunch,
etwa im Jahr 2014, schon ganz nah dran
war an aktuellen Themen, zeigt das Cover
von Heft 3/2014. Ihre Relevanz zu betonen
und zwischen Wissenschaft und Öffent
lichkeit Brücken zu schlagen, ist seit 50 Jahren
das Anliegen der AW. Unser Autor Jens
Notroff erklärt, warum die altertumswissen
schaftlichen Disziplinen sich dem noch
mehr öffnen sollten. Die Betreiberinnen
und Betreiber der Plattform «Anarchaeolo
gie» entwerfen angesichts unseres
Jubiläums eine Archäologie der Zukunft
und blicken 50 Jahre voraus.
Philipp
Philipp von
von Zabern
Zabern 1/2010
3/2014 €€ 12,80
12,80(D)
(D)//€€14,–
14,–(A)
(A)//sFr 25,– www.
sFr25,– www.zabern.de
zabern.de
Karthago € 12,80 (D)
€ 14,– (A) / sFr 25,–
www.antikewelt.de
Gern können Sie uns in einem Brief an die Redaktion oder in einer EMail
ÄGYPTEN DEUTSCHLAND FRANKREICH (redaktion@wbgwissenverbindet.de) Ihre Geschichten, die Sie mit der
Alexander der Große Das Staatliche Museum für Archäo- Dolmen und Menhire
als neuer Pharao logie Chemnitz stellt sich vor in den Cevennen AW verbinden, schildern. Wir freuen uns auf den gemeinsamen Blick in die
Geschichte.
ü
Einst machte sich eine Gruppe von Anarchaeolog*innen auf den Rund um die Erde, neben all dem Weltraumschrott, befinden sich
Weg, die Welt der Archäologie(n) in 50 Jahren zu entdecken. tausende von Satelliten und Raumstationen, die überwachen,
forschen und dem neuen Zweig, der Satellitenarchäologie, Daten
liefern.
Gegraben wird zwar noch, aber mit Hilfe von Hyperdrohnen. Die privatwirtschaftliche Unterwasserarchäologie stellt den größ-
Diese fotografieren nicht nur im 360° Winkel, sondern scannen ten Wirtschaftszweig innerhalb der Archäologie(n) da –, nachdem
gleichzeitig den Boden und können Höhenmessungen vornehmen. der Meeresspiegel um mehrere Meter angestiegen ist.
ü
2
Anarchaeologie.de ist eine von Studierenden verschiedener archäologischer Disziplin gegründete Plattform. Unsere Themen um
fassen die Zugänglichkeit von Methoden, Konzepten und Theorien der Archäologie(n) für Studienanfänger*innen und die inte
ressierte Öffentlichkeit. Wir positionieren uns klar gegen jegliche Vereinnahmung von Vergangenheit durch rechte Narrative und
setzen uns für die Gleichberechtigung aller Geschlechter und prekär situierter Personen in den Archäologien ein.
www.anarchaeologie.de
Was 2019 noch häufig als archäologisch zu «jung» oder zu un- Nach einem großen länderübergreifenden Projekt wurden 2021
bedeutend galt, ist spätestens jetzt eindeutig Vergangenheit und jegliche Literatur- und Funddatenbanken generalüberholt,
wird systematisch aufgenommen. mithilfe von Künstlicher Intelligenz neu geordnet und verbunden.
Alle Daten sind für interessierte Laien und Wissenschaftler*innen
frei zugänglich verfügbar.
Museen gibt es nach wie vor. Diese sind kostenlos, arbeiten mit Das Archäologiestudium wurde umbenannt in «Prähistorische und
allen körperlichen Sinnen und setzen auf Emotionalisierung durch Historische Kulturwissenschaften» (PhHKuWi). Spezialisierte höhere
«persönliche» Begegnungen auf Holodecks. Vollständig inklusiv Abschlüsse können in Archäoinformatik/geomatik, Archäohand-
sind sie leider noch nicht. werk und Grabungstechnik sowie einem stärker theoriebezogenen
Studium absolviert werden.
ü
3
doch dann ...
Wir wissen natürlich nicht, wie die Welt der Archäologie(n) in 50 Jahren aus
sieht. So oder so ähnlich könnte sie aber tatsächlich aussehen, da sich einige
Phänomene bereits jetzt andeuten. Wir haben einige für uns wichtige Punkte
ausgelassen, wie die Überwindung des Prekariats, die Einbindung von Ehrenamt
lichen, politische Vereinnahmung von Archäologie und Geschichtswissenschaft.
Warum? Genauso wie die hier aufgeführten Ideen liegt der Aushandlungsprozess
der weiteren genannten Bereiche in unserer Hand und hängt davon ab, wie wir
uns – als Altertumswissenschaftler*innen – positionieren und agieren.
Wir wünschen der ANTIKEN WELT alles Gute zum 50. Geburtstag und freuen
uns, dass wir einen kleinen Beitrag zum Jubiläum leisten dürfen.
4ü
Wir müssen reden
Wissenschaftskommunikation in der Archäologie
Jens Notroff
Uralte Ruinen, vergessene Kulturen, verborgene Schätze – ar
chäologische Sensationen erfreuen sich, das zeigen zahlreiche
populäre TVFormate, Magazine und Bücher, ungebrochener
Beliebtheit. Oft allerdings sind eben dies auch genau jene stark
romantisierten Pole, zwischen denen sich die öffentliche Wahr
nehmung von Archäologie bewegt: verwegenes Abenteuer und
draufgängerische Schatzsuche. Was zwar spannender klingt als jene
Herausforderungen, mit denen moderne Archäologen üblicherweise zu tun
haben – aber auch kaum weiter entfernt sein könnte von der wissenschaftlichen Jens Notroff
(Foto: Urs Kuckertz, DAI).
Auseinandersetzung mit den materiellen Überresten vergangenen menschlichen
Lebens und Wirkens und jenen Fragen, die das Fach tatsächlich beschäftigen.
Dazu gehört eben gerade nicht die Schatzjagd auf Einzelobjekte, seien sie nun aus
Gold oder nicht, sondern die oft aufwändige Dokumentation deren exakten Fund
kontextes, der mehr preisgibt, als nur einen hübschen Gegenstand für die Vitrine.
Bewahrung, Erhalt und Schutz von Denkmälern und des universellen kulturellen
Erbes sind heute ebenso wesentlicher Bestandteil archäologischer Auseinander
setzung mit der Vergangenheit wie Ausgrabung, Analyse und Auswertung.
Doch ist diese öffentliche Aufmerksamkeit für unsere Arbeit etwas, über das
wir uns glücklich schätzen und von dem wir Gebrauch machen sollten. Dessen Be
achtung und Beantwortung nämlich ist mehr als gefällige Aufmerksamkeit oder
lästige Pflicht. Sie ist Verpflichtung, unser Teil der Abmachung. Nicht nur, aber ins
besondere in den Geisteswissenschaften wird Forschung oft genug aus öffentli
chen Mitteln finanziert. Die Öffentlichkeit hat also durchaus guten Grund und ein
berechtigtes Interesse mehr über diese Arbeit zu erfahren. Wissenschaft hat also
durchaus auch die Pflicht zur Kommunikation. Als Altertumswissenschaft spiegelt
die Archäologie in all ihren Disziplinen zu einem gewissen Grad selbstverständ
lich auch aktuelle Debatten wider – die Frage nach gesellschaftlichem Einfluss von
Klimawandel und Migration z. B. ist nicht zufällig in den letzten Jahren auch wie
derholt aus archäologischer Langfristperspektive diskutiert worden. Als Gesell
schaftswissenschaftler sollten wir also in der Tat in der Lage sein, am öffentlichen
Diskurs teilzuhaben – und diesem ggf. gar vorzugreifen. Das jedenfalls ist der An
spruch, den das Fach selbst formuliert, wenn es darum geht gesellschaftliche Re
levanz (und gute Gründe für eine notwendige finanzielle Förderung) gegenüber
der Öffentlichkeit geltend zu machen.
Aber stimmt das auch? Wenn archäologische Daten und Interpretationen in öf
fentlichen Debatten und Berichten herangezogen werden, dann i.d.R. zur Illustra
tion oft monokausaler Erklärungen, die komplexe Zusammenhänge auf einzelne
Phänomene zurückführen – die Abhängigkeit und das Zusammenwirken unter
schiedlichster Elemente, die solchen Entwicklungen viel öfter zugrunde liegen, fin
den eher wenig Niederschlag. Trotz – und auch das muss betont werden – deut
5 ü
lich gesteigerter Bemühungen in Sachen Wissenschaftskommunikation ist die
Vielfalt tatsächlicher archäologischer Forschung in der öffentlichen Wahrnehmung
nicht bzw. nicht immer in relevantem Umfang präsent. Wir glauben vielleicht an
gesellschaftlichen Debatten teilzunehmen, sind aber allenfalls Stichwortgeber.
Und das liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil durchaus auch an den Kommuni
kationsstrategien in unserem Fach. An der Bereitschaft, (eigene) Forschung einzu
ordnen und zu kommunizieren – oder wenigstens so zugänglich zu machen, dass
andere, Journalisten beispielsweise, sie kommunizieren könnten. Machte man es
sich leicht, könnte man sich auf die Position zurückziehen, dass die Gestaltung öf
fentlicher Diskurse nicht vorrangig Aufgabe von Wissenschaft und Forschung sei.
Freilich würde man damit den selbst behaupteten Anspruch gesellschaftlicher Re
levanz untergaben – und einem gefährlichen Trugschluss aufsitzen: Denn selbst
verständlich sind Präsentation und Kommunikation von Forschung wesentlicher
Teil wissenschaftlichen Arbeitens. Gefährlich ist ein solcher Rückzug aber auch
deshalb, weil er Leerstellen hinterlässt. Leerstellen, die natürlich nicht leer blei
ben. Unterbleibt ein Kommunikationsangebot von wissenschaftlicher Seite, wird
das davon unabhängig bestehende Interesse eben von anderer Seite beantwor
tet. Dann füllen aktivere Quellen diese Lücke und gestalten und dominieren die
Wahrnehmung archäologischer Forschung jenseits von Fachpublikationen und Ta
gungen. So können im ungünstigsten Falle Verschwörungstheorien und verzerrte,
im schlimmsten Falle extrem verfälschende Darstellungen entstehen, wenn da
mit nämlich ganz eigene Ziele verfolgt werden. Die können, gerade auch in Bezug
auf gesellschaftspolitisch kontrovers diskutierte Ereignisse (wie z. B., eingangs
erwähnt, Klimawandel und Migration) bis zu politischextremistischen und natio
nalistischen Motiven reichen, indigenen Völkern eigene Kulturleistungen abspre
chen, kolonialistische und rassistische Weltbilder verbreiten. Dem können wir mit
einer offeneren Gestaltung von Wissenschaftskommunikation entgegenwirken,
in der Forschung und deren Resultate transparent dargestellt werden – unter Ein
beziehung der an diesen Dingen ja eben gerade interessierten Öffentlichkeit.
Und viele Kollegen, Wissenschaftler und Journalisten, tun dies bereits engagiert
und erfolgreich – u. a. beispielsweise auch an dieser Stelle, seit inzwischen
50 Jahren. Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sind allerdings
zu oft noch nebenher zu erledigende Pflichten, werden in der Planung von For
schungsprojekten erst nach und nach als eigenständige Tätigkeitsfelder wahrgenom
men und berücksichtigt und finden erst allmählich Eingang auch in die Ausbildung
von Wissenschaftlern.
Forschung meint mehr als das Erheben von Daten. Deren Diskussion und Einord
nung sind ebenso notwendig wie wichtig: Wissenschaft ist auch Wissenschafts
kommunikation. Gesellschaftswissenschaft ist auch gesellschaftliche Verantwor
tung.
ü
6
Wann ist ein Fach ein kleines Fach?
Kleine Fächer
Für die Abgrenzung kleiner Fächer von großen und mittelgroßen Fächern wird ein
quantitatives Kriterium herangezogen, welches sich auf die Zahl der Professuren
je Standort bezieht. Diesem zufolge besitzt ein kleines Fach je Universitätsstand
ort nicht mehr als drei unbefristete Professuren, wobei es deutschlandweit bis zu
zwei Ausnahmen geben darf.
Altorientalistik
Professuren Standorte
15 11
Entwicklung Professuren
Entwicklung Standorte
7 ü
Wie Archäologinnen und Archäologen zum Traumjob finden
Berichte aus der Praxis
8 ü