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David Paitschadze

Zur Geschichte des Unabhängigkeitskampfes, der


Nationalen Bewegung und zum Problem der
Wiederherstellung der Staatlichkeit in Georgien
1801-1914

Die georgische Nationale Befreiungsbewegung bis zum Entstehen


der ersten demokratischen Republik im Jahre 1918 hat im Laufe des
Jahrhundertes eigenartige Transformation erlebt: Von der Forderung der
Restauration, bis zu erlangen der Unabhängigkeit auf dem
nationalstaatlichem Grunde. Besonders wichtig scheint die Transformation
der nationalen Idee zu innenstaatlichem Problem Russlands bei den
georgischen Vertreter der russischen Sozial-Demokraten.
Die Schilderung der Prozesse und verschiedenen Theoretischen
Positionen in der Gesellschaftlichen Meinung haben wir als Grundaufgabe
des beiliegenden Beitrags vorgenommen. Zur gleichen Zeit legen wir großen
Wert darauf, dass jene Gründe erforscht werden, welche es ermöglicht haben
in Georgien die nationale Orientierung durch das allgemein Russisches
Problem – der sozialer Orientierung erfolgreich zu ersetzen. Die
Erforschung der nationalen Ansichten der Russischen Sozial-
Demokratischen Arbeiterpartei / RSDAP soll unseres Erachtens zum
kognitiven Auffassen der im postsowjetischen Raum existierenden Konflikte
wesentlich beitragen.

Die Nation, die nationalen Interessen, der Nationalismus – das sind


die Begriffe, die auch heute zu den Streitfragen der Wissenschaft gehören.
Die Versuche der Einführung konkreter Definition haben in der
Wissenschaft ihre Geschichte. Obwohl die Forschung dieser wichtigen und
immer aktuellen philosophisch-politischen Frage diesmal nicht zu unserer
Grundaufgabe gehört, erscheint uns das erwähnte Thema bei der Erörterung
eines solchen fundamentalen Problems wie nationale Bewegung von einer

1
besonders großen Bedeutung zu sein. Man könnte den Begriff – Nation -
folgenderweise definieren: Die Nation ist eine Art der Gesellschaft, die auf
einer hohen Stufe der Entwicklung steht und die im geschichtlichem
Prozesse entstanden ist. Sie ist ein sozialer Organismus, eine geistige
Individualität mit einer originalen Seele, besonderer Sprache und manchmal
auch besonderer Abstammung. Sie schafft im Prozess ihrer Entwicklung die
höheren Formen des gesellschaftlichen Lebens, eine originale Kultur, ihrem
originalen Geiste und ihren Neigungen entsprechend. In jeder Epoche ihrer
Geschichte hat sie bestimmte Ziele zu erreichen, bestimmte Ideale zu
verwirklichen, und das Erreichen dieser Ziele und die Verwirklichung dieser
Ideale ist ihr ewiges Streben. Das ist auch der Sinn ihres Lebens. – Sie ist
eine Persönlichkeit, die ihre Geburt, ihren Aufstieg und manchmal ihren
Untergang kennt. Sie ist eine Persönlichkeit, weil sie trotz aller
Veränderungen, denen sie ausgesetzt ist, bis zu ihrem Tode etwas
Konstantes und Unveränderliches in sich trägt, was ihrer ganzen Existenz
und ihrem Namen/Bezeichnung einen Sinn gibt.
Also ist die Nation eine durch das Bewusstsein und den Willen der
Menschen geknüpfte Gemeinschaft. Sie bezieht sich auf die gemeinsame
Herkunft, die Sprache, die Kultur, die historische Vergangenheit, die Sitten
und Bräuche, die Konfession, die politische Erfahrung, das gemeinsame
Leben in einem Staat, die dadurch entstandene Ethnopsychologie – den
nationalen Charakter.∗ Alle diese Merkmale dienen zu der Integration und
Einbindung einer großen Gruppe von Menschen und zurzeit sind auch
Folgen derjenigen. Alle diese Merkmale verleihen der großer Gruppe von
Menschen das Gefühl der Zusammengehörigkeit, Einheit, der Identität und
damit distanzieren sie sie, von der Restlichen Gesellschaft. In jedem
konkreten historischen Fall spielt jedes konkrete Merkmal die führende,
leitende Rolle in dem Identitätsgefühl jeder konkreten Gruppe von
Menschen. So z.B. unter bestimmten historischen Bedingungen spielt die
Konfession die führende Rolle in dem genannten Prozess, manchmal
übernimmt die Leitung die Sprache u.s.w. je nachdem, unter welchen
historischen Bedingungen die Integration und Konsolidierung der beliebigen
Nation geschieht und welche Hindernisse sie zu überwinden hat. Insofern ist
es unmöglich eine universale, konstante und feste Formel für die
Definierung des Begriffes – die Nation - zu erarbeiten.1 Jeder beliebige


Die Aufzählung der Merkmale hat keinerlei Anspruch auf die feste, konstante Definition des Begriffes
Siehe: M. von Tsereteli, Die Befreiung Polens und das Nationalitätenprinzip bei den Zentalmächten und bei
der Entente, Bern, 1917, S.S. 10-11.
1
Seton-Watson, H., Nations and States, An Enquiry into the Origins of Nations and the Politics of
Nationalism, London, 1977, p. 5.

2
Versuch würde erfolglos sein, weil - wie gesagt – jeder Einzelfall der
Nationsbildung äußerst eigenartig ist und öfters auch keine Analoge findet.
Die Grundwerte sind aber die Faktoren, die zu der Konsolidierung und
Integrierung der Nation und Herausbildung dessen Hauptproduktes - des
Staates - dienen.
Nach dem zweitem Weltkrieg hat die Wissenschaft in der Erforschung
dieses Problems große Fortschritte gemacht. Es gilt, dass die Nation mehr
als Volk und auch mehr als Staat bedeutet. Die Nation ist ein Volk im Staat
und die Staatlichkeit in dem Volk. Also, ist die Nation vor allem ein
politisch mobilisiertes Volk, dessen schöpferisches Produkt der Staat ist.
Eben dieses Schaffen, eben dieses Produkt unterscheidet die Nation von dem
Volk. Also, das Volk entwickelt sich zu einer Nation erst im Prozeß der
politischen Aktivität, derer sichtbare Frucht – wie gesagt – der Staat ist.2
Abgesehen davon sollte man den Nationalismus als einen Träger der
nationalen Idee und dessen Weiterentwicklung betrachten. Deswegen wird
Nationalismus von manchen Forschern als a priori radikale Erscheinung
beurteilt und also der Begriff Nationalismus wird von ihnen nur noch
negativ bewertet.3 Die Anderen sehen im Nationalismus das
Weiterentwickeln des nationalen Bewußtseins. Für diese Forscher ist
Nationalismus eine kulturelle, mentale und politische Erscheinung, eine
Schutzreaktion gegen Chauvinismus und Imperialismus und ein Wille zur
persönlicher und nationaler Emanzipation. Wenn wir als Arbeitshypothese
die These nehmen, dass der Nationalismus diejenige politische Kraft und
Ideologie ist, welche die Nation als Zentralwert betrachtet, die Integrierung
und Konsolidierung beliebiger Nation bestrebt und dessen Ziel die Bildung
eines Nationalstaates ist,4 so muß man auch wahrnehmen, dass der
Nationalismus ein kräftiges und universales Prinzip ist, welches
selbstverständlich auch radikale Erscheinungen haben kann. Wenn man die
politische Kraft des Nationalismus berücksichtigt, so können solche
Erscheinungen besonders gefährliche Formen bekleiden. Die Geschichte hat
reichliche Beispiele von dessen aufbewahrt… Obwohl allein das Bedürfnis

2
Politisches Lexikon, Hannover 1966, Nation; Deutsch, K. W., Nation und Welt, in ders.
Nationenbildung-Nationalstaat-Integration, Hrsg. von Ashkenasi A., und Schulze P., Düsseldorf, 1972, S.
204.
3
Großer Brockhaus, Wiesbaden, 1955, Bd. 16, Nationalismus.
4
Lemberg, E., Nationalismus, Bd. 2, Reinbeck, 1964, S. 16; Schieder, T., Burian, P., Sozialstruktur und
Organisation europäischer Nationalbewegungen, München, 1971, S.11; Alter, P., Nationalismus, Frankfurt
am Main, 1985, S. 14.

3
der Schaffung eines Nationalstaates ist, unseres Erachtens, als äußerst
gerechte und normale Erscheinung zu betrachten.5
Also ist die nationale Bewegung nichts Weiteres als das Suchen
nach den Wegen, welche die Bildung eines Nationalstaates ermöglichen.
Unter diesem Gesichtspunkt könnte man voraussetzen, dass die italienische
Renaissance und die zentral-europäische Reformation unter den kulturell-
philosophischen und religiösen Bedeutungen auch gewissen politischen
Wert enthalten und als Wiegen der Europäischen Nationalen Bewegungen
zu betrachten sind. Die Herausbildung der Völker Europas zu Nationen
beginnt doch eben zu dieser Zeit6 und geht bis zum XIX Jh., also zu den
Zeiten wenn in Europa die Nationalstaaten entstanden sind. Für den
Nationalismus sind die Nationen die Bausteine, dessen Gemeinschaft die
Menschheit bildet.7
Ebenso wie die Person, gehört die Nation zu den Rechtssubjekten.
Das Hauptrecht jeweiliger Nation ist das Recht auf einen Staat. Im XIX Jh.
hat die Menschheit diese Frage philosophisch, rechtlich und politisch
beantwortet. Dem Ganzen hat einen mächtigen Schwung die französische
Revolution gegeben. Eben zu dieser Zeit bekam der Begriff - die Nation -
neue Bedeutung und entwickelte sich zu einem Symbol der politischer
Einheit des Volkes. Die liberalen Ideale der Freiheit und die Doktrin des
Volkes als des Subjektes der Souveränität haben nicht nur eine neue
Deutung der Demokratie eingeführt, sondern das neue Verständnis der
Einheit vom Staat und Volk ermöglicht, die den Namen - Nation erhielt.
Daher sind in vielen europäischen Sprachen die Bezeichnungen des Staats
und Nationale Angehörigkeiten zu Synonymen geworden. Die Nationalen
Interessen bedeuten gleichzeitig auch die Staatlichen…

5
Noch Herbert Hoover, der ehemalige Präsident der USA, schrieb 1955: „Die Intellektuellen von heute
versuchen, den Nationalismus als eine Sünde gegen die Menschheit zu brandmarken. Sie versuchen, uns
glauben zu machen, daß dem Wort Nationalismus eine Infamie anhänge. Aber sie verkennen, daß der Geist
des Nationalismus aus der schöpferischen Tiefe der menschlichen Seele stammt, daß er aufsteigt von dort
als das gewaltige Verlangen der Menschen, frei zu sein – frei von fremder Herrschaft – und sich nach
eigener Art selber zu regieren”. (H. Sündermann, Deutsche Notitzen, Leoni, 1965, S. 166).
6
Schon im XVIII Jh. betont einer der Begründer des modernen Völkerrechts Emmerich de Vattel die
Identität der Nation und eines souveränen Staates. Emer de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la loi
Naturelle, Tübingen, 1959.
7
Meinecke, F., Weltbürgertum und Nationalstaat, München, 1969; Breuilly, J., Nationalism and the State,
Manchester, 1982; Smith, A. D., Theories of Nationalism, London, 1971; Mommsen, H., Der
Nationalismus als weltgeschichtlicher Faktor. Probleme einer Theorie des Nationalismus, in ders.
Arbeiterbewegung und Nationale Frage, Göttingen, 1979, S. 15-60.

4
Am Anfang des 19. Jh.-s wurde in Georgien die Staatlichkeit
abgeschafft. Seit demselben Tag beginnt der unermüdliche Kampf des
georgischen Volkes für die Wiederherstellung der Staatlichkeit. Das 19. Jh.
welches der Menschheit eine noch nie gesehene Entwicklung der
Wissenschaft und Technik brachte, mussten die Georgier damit verbringen
ihr Recht zu erkämpfen, um eigene Muttersprache verwenden zu dürfen. Im
19. Jh. geht in Europa der Bildungsprozess von Nationalstaaten zu Ende,
Georgier aber streben die politische Autonomie im Rahmen des russischen
Reiches an.
Die besten Vertreter der georgischen Gesellschaft haben nie
aufgegeben, die Wege zur Wiederherstellung der Staatlichkeit zu suchen.
Und sie wurden ständig von dem Volk dabei unterstützt.
Das Problem der Transformation der Georgischen Nationalen
Befreiungsbewegung könnte man in folgende Etappen, je nach der führender
Rolle, aufteilen: 1. die Adelige/Aristokratische8, 2. die Liberale, 3.
Multiparteiisch-demokratische.

Am 24. Juli 1783 wurde im Nordkaukasus, in der Festung Georgiewsk


ein Bündnis- und Schutzvertrag zwischen dem Königreich Kartl-Kacheti
(Ostgeorgien) und dem russischen Reich abgeschlossen, der in der
Geschichtswissenschaft als „Traktat von Georgiewsk“ bekannt ist.9 Dieser
8
Es ist bekannt, daß die Begriffe „nationale Bewegung“ und „Nationalstaat“ im Kontext der nationalen
Interessen betrachtet werden, also in jenem Kontext der allgemeinen staatlichen Interessen, die den
dynastischen Interessen gegenübergestellt sind und bei der Idenifikation der staatlichen Interessen die
letzteren (d.h. die dynastischen Interessen) ersetzen. Demnach konnte die aristokratische Etappe der
Befreiungsbewegung gar nicht als nationale Bewegung gelten. Im gegebenen Abschnitt der Geschichte
Georgiens erscheint aber die aristokratische Etappe des Unabhängigkeitskampfes als Kampf für die
Realisierung des heiligen Rechtes einer Nation über eine Staatlichkeit zu verfügen. Somit qualifizieren wir
sie als eine Erscheinung der nationalen Bewegung. Umso mehr, dass die georgische Aristokratie diesen
Kampf unter der Fahne der konstitutionellen Monarchie und des Parlamentarismus führte. Die Propaganda
dieser Ideen sollte ihrer Meinung nach auch andere Bevölkerungsschichten für die Befreiungsbewegung
gewinnen.
9
Der Traktat von Georgiewsk. Hrsg. von Paitschadse G., (mit seinem Vorwort und Anmerkungen),
Tbilissi, 1983, (In russischer Sprache); Butkow, P., Materialien zur neuen Geschichte des Kakasus von
1722 bis 1803, Bd. 2, Sankt-Petersburg, 1869, (In russischer Sprache). Zagareli, A., Urkunden und andere
historische Dokumente des 18.Jh-s, Georgien betreffend, Bd. 2, 2. Auflage, Sankt-Petersburg, 1902, S.
156-157 (In russischer Sprache); Die deutsche Übersetzung siehe bei: M. von Tsereteli, Die Rechte
Georgiens, Berlin., 1917, S. 3-8; Siehe auch: Dubrowin, N., Geschichte der russischen Kriege und der
russischen Herrschaft im Kukasus, Bd. 2, Sankt-Petersburg, 1886 (In russischer Sprache); Avalov, S., Der
Anschluss Georgiens an Russland, Sankt-Petersburg, 1901 (In russischer Sprache); Kheltuplischwili, M.,
Beitritt Georgiens in das Russische Reich, Kutaissi, 1901 (In russischer Sprache); Tsintsadze, J., Der
Schutztraktat von 1783, in Materialen für Geschichte der russisch-georgischen Beziehungen, Tbilissi, 1965

5
Vertrag ist, unseres Erachtens, besonders hinsichtlich des Völkerrechts
interessant und wichtig. Wie es auch an dem Titel zu merken ist, hat das
Dokument eine dualistische Bedeutung. „Bündnis“ deutet auf die
Gleichberechtigkeit der Vertragsparteien, der Begriff „Schutz“ aber meint
die gewisse Asymmetrie dieser Beziehungen. Es ist hoch interessant, dass
selbst das europäische internationale Recht des 18. Jh-s solche Normen
kennt. 1758 erschien das berühmte Werk des schweizerischen
Rechtswissenschaftlers Emmer (Emmerich) de Vattel „ Le Droit des Gens
ou principes de la loi Naturelle,“ das dem Autor die internationale
Anerkennung als eines der Gründers des modernen Völkerrechts gebracht
hat. Wenn er das Thema „Schutzersuchen und freiwillige Unterwerfung
einer Nation unter eine fremde Macht“ untersucht, so schreibt er:
„ Ist eine Nation nicht fähig, sich gegen Angriffe und Unterdrückung
zu schützen, so kann sie sich den Schutz eines mächtigeren Staates begeben.
Angenommen, sie erlangt den Schutz gegen gewisse Leistungen,
Tributzahlungen, Stellung von Truppen, auch das Versprechen, in allen
Kriegen der schützenden Macht gemeinsame Sache mit ihr zu machen, sie
behält sich aber im übrigem das Recht der Selbstregierung vor, dann ist dies
ein einfacher Schutzvertrag, der die Souveränität nicht berührt und von den
gewöhnlichen Bündnisverträgen nur dadurch abweicht, daß er die
Vertragsparteien der Würde nach unterschiedlich behandelt.“10
In demselben Werk unterscheidet der Wissenschaftler die Kategorien
der zwischen den Souveränen Staaten geschlossenen Verträge:
„Wenn sich ein schwacher Staat um seiner Sicherheit willen dem
Schutz eines mächtigeren unterstellt und als Gegenleistung einige diesem
Schutz äquivalente Pflichten übernimmt, ohne sich seiner Regierungsgewalt
und seiner Souveränität (sic) zu entäußern, büßt dadurch dieser Staat nicht
seine Zugehörigkeit zu den souveränen Staaten ein, die über sich kein
anderes Recht als Völkerrecht anerkennen.“ 11
Dementsprechend, laut der Normen des damaligen Völkerrechts, blieb
das Königreich Kartl-Kacheti ein Souveräner Staat. Wegen der
komplizierten Recht- und Pflichtformen wird der „Traktat von Georgiewsk“
in der Wissenschaft unterschiedlich eingeschätzt. Den unterschiedlichen
rechtlichen Einschätzungen wurden natürlich meistens politische

(in georgischer Sprache). Berdsenischwili, N., Probleme der Geschichte Georgiens, Bd. 2, Tbilissi, 1965,
S.S. 185-244; (in georgischer Sprache) Ders. Probleme der Geschichte Georgiens Bd. 6, Tbilissi, 1973, S.S.
446-475; (in georgischer Sprache) Paitschadse, G., Der Traktat von Georgiewsk, Tbilissi, 1983, (In
russischer Sprache).
10
Emmer de Vattel. Le Droit des Gens ou principes de la loi Naturelle, Tübingen, 1959, Buch I, Kapitel
XVI, § 192, S. 134.
11
Ebenda, Buch I, Kapitel I, § 6, S. 32.

6
Bedeutungen beigemessen. Der bedeutende georgische
Rechtswissenschaftler und Diplomat Zurab Avalischwili (Avalov) sah im
Vertrag die Vermischung von Formen der Vassalität und des Protektorats
und es fiel ihm schwer, das Dokument unter einer bestimmten Kategorie
einzuordnen.12
Die Liste der sich mit der erwähnten Frage beschäftigten europäischen
Forscher ist nicht lang. In erster Linie ist das Gutachten der
völkerrechtlichen Stellung der Republik Georgien zu erwähnen,13 das 1918
im Auftrag der Deutschen Regierung und der georgischen Delegation
ausgeführt wurde. F. Liszt galt damals als einer der angesehensten
Rechtswissenschaftler im deutschsprachigen Raum. Laut seiner
Schlußfolgerung ist das Dokument als eine originelle Form der Vassalität zu
betrachten, die ermöglicht Georgien als das Subjekt des Völkerrechts
anzuerkennen.
Nach Nippoldt ist im Vertrag ein klassisches Beispiel des Protektorats
vorhanden. Aber dabei betrachtete er Georgien als einen Vassalstaat. Es ist
überaus interessant, dass nach Nippoldt Georgien die Eigenschaften eines
Souveränen Staates behielt und als Subjekt des Internationalen Rechtes
betrachtet wurde.14 Der Grund für solche Schlußfolgerung muss die Tatsache
sein, dass laut des Vertrages der König von Kartl-Kacheti Erekle II. das
Recht behalten hat die diplomatischen Verhandlungen mit anderen Staaten
zu führen, aber mit Zustimmung Russlands. Der georgische König hatte das
Recht erhalten am Hof des russischen Zaren einen diplomatischen Vertreter
zu haben. Der offizielle Resident Russlands in Georgien aber dürfte in
keinem Fall sich in die internen Angelegenheiten des georgischen
Königshauses einmischen.
Le Fur betrachtete den „Traktat von Georgiewsk“ als ein Beispiel des
Protektorats.15
Auch Allen und Lang waren derselben Meinung.16
Wenn man aber von der Tatsache ausgeht, dass das Völkerrecht eine
höchstens dynamische und schnell entwickelnde Wissenschaft ist, so muß
man auch anerkennen, daß heute vieles ganz anders aussieht. Aber die
damaligen georgischen Politiker haben sich an die damals geltenden

12
Avalov, S., Der Anschluss Georgiens an Russland, Sankt-Petersburg, 1901, S. 142. (In russischer
Sprache).
13
Liszt, F., Die völkerrechtliche Stellung der Republik Georgien, ein Gutachten, Wien, 1918.
14
Nippoldt, O., La Georgie du vue du Droit international, Bern, 1920, p.p. 18-23; 27.
15
Le Fur, La Georgie et le Droit des Gens, “ Revue generale le Droit International Public “, Juillet-Aout,
Paris, 1932, p.p. 438; 441.
16
Allen, W. E. D., A History of the Georgian People, London, 1932, p. 210; Lang, D. M., The Last Years
of the Georgian Monarchy, 1658-1832, New York, 1957, p. 206.

7
Rechtsnormen bezogen. So könnte man auch schließen, dass der Vertrag von
Georgiewsk der Versuch der rechtlichen Fixierung der Staatlichkeit
Georgiens ist und die russische Schutzherrschaft sollte eben dem Schutz der
georgischer Staatlichkeit dienen. Die Frage ist nur, ob dies den politischen
Plänen und Bestrebungen Russlands entsprach?

Ungeachtet der pompösen Zeremonie der Vertragsunterzeichnung und


der reichlichen Gaben von der Kaiserin Katharina II., hat sich das russische
Reich nicht geeilt die tatsächlichen Schritte zu unternehmen. Der Versuch
der politischen Annäherung an Russland hat dem georgischen Königreich
teuer gekostet. 1795 der vom Schutzherrn im Stich gelassene König Erekle
II. konnte dem Gebieter Persiens Aga-Muhamed-Ckan keinen Widerstand
leisten und die Perser haben Tbilissi in Brand gesetzt. In den Russisch-
Iranischen Beziehungen spielte das Besitzen von Ostgeorgien eine besonders
wichtige Rolle. Die Iraner hielten Ost-Georgien für einen Staat in der
Interordnung des Irans entsprechend den Bedingungen des 1555 in Amasien
mit der Türkei geschlossenen Friedensvertrags. Insofern konnten sie die
russische Orientierung des ostgeorgischen Königshauses nicht billigen. Die
orientalische Politik der Kaiserin Katharina II. aber bestand darin, den
Einfluss auf den Iran zu gewinnen und dadurch den Weg nach Indien zu
bahnen.17 Unter diesem Kontext schien die Festigung der georgischen
Staatlichkeit in den Interessen Russlands zu sein. Der Angriff der russischer
Armee Richtung Süden begann im Mai 1796. In kurzer Zeit wurden Derbent
(Daruband), Kuba, Baku, Salian und Schemacha besetzt. Man bereitete sich
auf den Einmarsch in den zentralen Iran vor. Im November 1796 aber starb
die Kaiserin Katharina. Ihr Sohn und Nachfolger Paul I verfolgte aber eine
total unterschiedliche Politik, als seine Mutter. Die russischen Truppen
wurden aus dem Iran zurückgeholt. Denen folgten auch vor kurzem in
Georgien platzierten Truppen. Paul I brauchte Georgien nicht als
Verbündeten, seine Politik im Kaukasus verfolgte das Ziel, die Souveränität
der ostgeorgischen und dann auch westgeorgischen Königreiche zu
annullieren. Daher blieb König Erekle II. wieder allein den Iranern
ausgeliefert. Tbilissi hat aber diesmal nur deswegen nicht gelitten, da im
Mai 1797 Aga-Muhamed-Ckan von den Verschworenen ermordet wurde.
Erekle versuchte vom Paul I. die Erfüllung seiner dem Vertrag

17
Butkow, P., Materialien zur neuen Geschichte des Kakasus, Bd. 2, Sankt-Petersburg, 1869, S. 355. (In
russischer Sprache).

8
entsprechenden Verpflichtungen kategorisch zu verlangen. Sein Botschafter
war schon auf der Rückreise in die Heimat, als der alte König am 11. Januar
1798 starb. Sein Nachfolger Georg XII. stand vor der Innenkrise und
Außengefahr, der Schutzherr und der Verbündete war nicht zu sehen. Aus
dem Grunde schickte der König im Frühjahr 1798 Aslan Orbeliani zum
Sultan, um ihn gegen die Iraner um Schutz zu bitten. Der Botschafter des
Königs Georg XII. hatte die Grenzen Georgiens noch nicht überquert, als der
Gesandte des Königs Erekle II. - David Batonischvili (Prinz) aus Russland
zurückkehrte und die Nachricht über ein Wohlwollen und die Zuneigung des
russischen Zaren brachte. Der an den Sultan geschickte Botschafter wurde
zurückberufen. Georg XII. erneute die Beziehungen mit Paul I. Der Zar
verlangte, dass laut den Bedingungen des „Traktats von Georgiewsk“ der
georgische König sich an ihn mit einer Bitte - seine Kandidatur als König zu
bestätigen - wenden sollte. Georg XII. zögerte nicht und bat Paul I. um die
Bestätigung, um die Anerkennung seines Sohnes Davids als Nachfolger und
um 3000 Soldaten als Hilfskraft.18 Am 26. November 1799 traf das russische
Regiment unter der Führung vor Generalmajor Lasarev in Tbilissi (Tiflis)
ein. In einer feierlichen Zeremonie hat er dem Georg XII. die königlichen
Zeichen überreicht. In seiner Dankschrift hat Georg dem Zaren die
Unzufriedenheit mit der geringen militärischen Unterstützung geäußert und
erklärte die komplizierte außenpolitische Lage wegen der iranischen
Aggression. Er teilte mit, daß der Baba-Chan den älteren Sohn Georgs am
iranischen Hof als Geisel sehen wollte.19 Als das Zeichen der Treue hat der
König von Kartl-Kacheti im Juni 1800 dem Zaren Paul I. einen neuen
Vertragsentwurf vorgelegt, wo er auf die laut dem „Traktat von
Georgiewsk“ bestätigte Souveränität freiwillig verzichtete und sein
Einverständnis zu den recht beschränkten Autonomiebedingungen erklärte.20
Paul hat das Dokument im November geprüft und mit den georgischen
Gesandten zurückgeschickt. Georg XII. sollte den Vertragsentwurf
bestätigen und mit einer von Ihm und dem Volk bevollmächtigten
Delegation nach Moskau schicken, wo das alles rechtlich bekräftigt werden
sollte. Man sieht, dass der Zar die Zeit gewinnen wollte. Die Gesundheit des
Königs Georg XII. verschlechterte sich und das war kein Geheimnis. Und
schon im Oktober 1800 brach innerhalb der königlichen Familie ein neuer
18
Zagareli, A., Urkunden und andere historische Dokumente des 18.Jh-s, Georgien betreffend, Bd. 2,
2.Auflage, Sankt-Petersburg, 1902, S. 156-157. (In russischer Sprache).
19
Zagareli, A., Urkunden und andere historische Dokumente des 18.Jh-s, Georgien betreffend, Bd. 2,
2.Auflage, Sankt-Petersburg, 1902, S. 186-187. (In russischer Sprache).
20
Butkow, P., Materialien zur neuen Geschichte des Kakasus, Sankt-Petersburg, 1869, Bd. 2, S. 461-462,
(In russischer Sprache). Deutsche Fassung siehe bei M. von Tsereteli, Georgien und der Weltkrieg,
Weimar, 1916. S.S.67-68.

9
Streit aus. Die Königssöhne wandten sich an den Zaren mit der Bitte - statt
als Nachfolger anerkannten Sohn Georgs David - die Zukünftige
Königswürde dem Sohn des Königs Erekle II. – Julon zu verleihen. Paul I.
begann aber in der Zwischenzeit seine Pläne zu verwirklichen. Am 18.
Dezember 1800 hat er ein Manifest verfasst über die Auflösung des
Königreiches Kartl-Kacheti und dessen Anschluß an Russland. Das
Dokument wurde am russischen Hof geheim gehalten. Am 28. Dezember
1800 starb der König Georg XII. Generalmajor Lasarev verkündete der
Bevölkerung der Stadt Tiflis den Willen des Zaren: Vor der Erscheinung
eines außerordentlichen Erlasses dürfte niemand den Thron besteigen. In der
Zwischenzeit wurde die oberste Macht von Ioanne Batonischwili (Prinz),
Egnate Tumanischwili und Generalmajor Lasarev vertreten.21
Diese Erklärung hat die Bevölkerung beunruhigt. Wenn es gegen die
russische Schutzherrschaft keine offene Opposition gab, so nur deswegen,
dass der „Traktat von Georgiewsk“ als Garantie für das Behalten des
Königreiches betrachtet wurde. Solch unwahrscheinliche Willkür aber hat
große Aufregung und Protest hervorgerufen. Das Schlimmste aber war, dass
die Vertreter der Dynastie Bagrationi sich gegenseitig stritten. Einige waren
für Julon, den Sohn von Erekle II., die anderen für David, Sohn des Georgs
XII. Julon berief sich auf das Testament von Erekle II, David aber auf die
Zustimmung des Zaren, die er seinem Vater gegeben hat. Vom Streit
geblendete beide Seiten haben gar nicht wahrgenommen, dass Paul I. mit
einem Schlag ihren Streitpunkt überhaupt vernichtet hat und dass die
innendynastischen Auseinandersetzungen dem russischen Zaren nur auf die
Hand spielten. Paul I. zögerte den Nachfolger zu benennen aus dem Grunde,
daß die beliebige Entscheidung den Bürgerkrieg auslösen würde. Deswegen
meinte der russische Zar, es würde den Interessen des Volkes entsprechen,
wenn das Königreich überhaupt aufgelöst würde. Aber Paul hatte sein
Vorhaben nicht verwirklichen können. Er fiel zum Opfer einer
Verschwörung. Bis der neue Zar Russlands Alexander I. für Georgien Zeit
fand, hat das Land der Prinz David regiert, aber ohne Königswürde zu
besitzen.
Am 12. September 1801 wurde in Petersburg das Manifest vom Paul
I. über die Auflösung des Königreiches Kartl-Kacheti und dessen Anschluß
ans russische Reich veröffentlicht. Im April 1802 traf in Tiflis General
Knoring in der Begleitung von zahlreichen Beamten ein. Im Sioni-Dom
wurde das Manifest dem Volk vorgelesen. Knoring verlangte den Treueid
21
Zagareli, A., Urkunden und andere historische Dokumente des 18.Jh-s, Georgien betreffend, Bd. 2,
2.Auflage, Sankt-Petersburg, 1902, S. 192. (In russischer Sprache).

10
von den Anwesenden. Diejenigen, die protestierten, wurden verhaftet…
Ostgeorgien verwandelte sich in ein Gouvernement von Russland, die
russische Herrschaft begann mit Repressionen.
Die russische Verwaltungsweise war für das georgische Volk fremd
und unverständlich. Unverständlich war auch die russische Sprache, welche
die Beamten sprachen und verwendeten. All diese Tatsachen lösten im
Alltag permanente Konfliktsituationen aus. Vor allem aber hat sich der
Verwaltung der Eroberer der georgische Adel widersetzt. Das georgische
Recht der erblichen Nachfolge von administrativen Ämtern erkannte
Russland nicht an. Deswegen blieb der größte Teil des georgischen Adels
nicht beschäftigt. Zwischen den Bauern wuchs die Sehnsucht nach
traditioneller georgischer Verwaltungsordnung und sie unterstützten den
Prinzen Julon.
Im Juli 1802 begannen in Kachetien Unruhen. Die Bewegung wurde
von dem Adel angeführt. Bei der ersten Versammlung waren etwa 40 000
Menschen anwesend.22 Der Adel und die Bauern schworen dem Julon Treue
und riefen zum Aufstand auf. Um die Versammlung auseinander zu jagen
schickte die Regierung die Truppen nach Kachetien, die aber von den
Verschworenen zurückgeworfen wurden. Die Bewegung verbreitete sich
allmählich in ganz Kachetien. Die Verschworenen haben an die russische
Kriegsleiter einen Brief geschickt, in dem sie erläuterten, daß das ganze
Kachetien erst dem Zaren und dann dem Prinzen Julon den Treueid
geschworen hatte. Also das Ziel der Bewegung bestand in der
Wiederherstellung der Bedingungen des „Traktats von Georgiewsk“. In der
georgischen Geschichtsschreibung ist dieses Ereignis als die Bewegung der
Autonomisten bekannt.23 Die russische Generalität hat erst den Boten
verhaftet und dann mit den Repressionen begonnen. Dagegen haben die
Verschworenen die Propaganda verstärkt und den Kontakt mit den Söhnen
von Erekle II. aufgenommen. Es formierte sich die Idee des bewaffneten
Aufstandes. Die Rebellen haben auch versucht mit dem Iran ein Bündnis zu
schließen. Die russische Generalität konnte natürlich die Entwicklung der
Ereignisse nicht ruhig beobachten. Im August ist General Lasarev mit
bedeutender Kriegskraft nach Kachetien eingetreten. Der Aufstand wurde
unterdrückt.
Die Regierung Rußlands beginnt aktiv zu handeln. General Zizianov
wird beauftragt die Königliche Familie nach Russland zu verbannen.
Innerhalb des Landes aber versucht der Zarismus Stützpunkte zu finden.

22
Bendianischwili, A., Die Nationale Frage in Georgien 1801-1921. Tbilissi 1980., S. 32. (Auf Georgisch).
23
Ebenda, S.36.

11
Am zuverlässigsten waren die Adeligen, welche zu Zeiten von Erekle II. in
Ungnade geraten waren und von ihm entrechtet wurden. Die hat der Zar
begnadigt und ihnen ihre Rechte zurückverliehen. Ein Teil der Adeligen
wurde bestochen. Die Opposition nahm noch in souveränem Imereti
(Westgeorgien) Obhut.
1804 begann der Russisch-Iranische Krieg. Die Angehörigen der
Königlicher Dynastie versuchten diesen Umstand auszunutzen. Einige aus
Imereti, einige aus dem Iran bemühten sich nicht nur Georgien, sondern
auch die Khans von Dagestan und ganz Nordkaukasus in den Krieg mit
einzubeziehen.24 Die Bauern litten unter unerträglicher Unterdrückung,
verschiedene Staatstribute und Steuern ruinierten die wirtschaftliche Lage
der Bevölkerung. Die Frechheit der Polizisten aber hat sie moralisch
gekränkt. Dessen Folge war die Tatsache, daß die russischen Beamten, die
sich mit den hohen Wege- und Verkehrgebühren nicht mehr zufrieden
geben wollten, die Zusammensetzug eines Volksheeres verlangten. Die
Bergbewohner von Kartli und Kachetien haben sich in das Volksheer
eintragen lassen, aber statt in Richtung Jerewan zu marschieren, haben sie
ihre Waffen gegen die russischen Okkupanten gerichtet. Im Sommer 1804
wurden Stepanzminda (Kasbegi) und Larsi befreit. Die Aufständischen
sperrten die Heerstraße und ernannten als Anführer des Aufstandes die
Söhne von Erekle II. - Julon und Parnawas. Diese Tatsache deutet darauf
hin, dass die Bergbewohner für die Wiederherstellung der traditionellen
Form der georgischen Staatlichkeit – die Monarchie auftraten. Julon und
Parnawas begaben sich zu den Aufständischen. Die russische Regierung hat
die Gegenmaßnahmen unternommen. Die Truppen unter Anleitung von
General Zizianov haben die Wege zum Gebirge abgesperrt. Vom Norden
aber näherte sich der georgischen Grenze General Nesvetajew mit 3000
Soldaten und 30 Kanonen. Letztendlich wurden Julon und Parnawas
gefangen genommen, der Aufstand unterdrückt. Zizianov setzte die
Verfolgung und die Verbannung der Familie Bagrationi nach Rußland fort.
Russland hat die Positionen gestärkt, nun war das Königreich Imereti
(Westgeorgien) an der Reihe.
In den letzten Jahren des 18. Jh-s, sprengte die für die Epoche des
Feudalismus charakteristische Zersplitterung in Georgien die klassischen
Formen auf. Der König von Imereti galt de Jure als Suzerain des
Westgeorgiens, de Facto aber verbreitete sich seine Macht nur über
Imeretien. Ungeachtet der 3 Jahrhunderte langen türkischen Aggression hat
Imeretien die politische Souveränität behalten (es bezahlte sogar kein Tribut

24
Berdsenischwili, N., Die Fragen der Geschichte Georgiens. Bd.2, Tbilissi, 1965, S.320. (Auf Georgisch).

12
an die Osmanen), hat aber den Einfluss auf die Vasallen verloren. Wenn das
Fürstentum Gurien gegenüber dem Königreich Imereti in dem halbvassalem
Verhältnis blieb, so stand das Fürstentum von Abchasien unter dem
Protektorat der Türkei. In diesem Hintergrund versuchte der Fürst von
Megrelien eine unabhängige Politik zu betreiben. Seinerseits versuchte der
Fürst von Abchasien sich von der türkischen Abhängigkeit zu befreien.
Wenn auch sein älterer Sohn moslemisch aufgezogen wurde, so wurde der
jüngere christlich getauft und mit der Tochter des Fürsten Megreliens
verheiratet. In den Jahren 1781-1782 wandte sich der König von Imereti
Solomon I. mehrmals an den russischen Zaren mit der Bitte um eine
Schutzherrschaft in dergleichen Form, wie es auch Erekle II. gebilligt hat.
Auf diese Weise meinte der König die Festigung seiner Unabhängigkeit und
den verlorenen Einfluss auf seine Vasallen wiederherstellen zu können.
Äußerst besorgt war Solomon I. über die Absicht der Türken auf der
Schwarzmeerküste, in Anaklia eine Festung zu bauen.25 Die Regierung
Russlands suchte damals keinen Konflikt mit der Türkei, so dass dem König
von Imereti das Protektorat verweigert wurde. Die Auslösung des
Königreiches von Kartl-Kacheti hat bei dem damaligen König von Imereti
Solomon II. Bedenken geweckt, dass der Zar auch mit Imereti
ähnlicherweise umgehen würde. Aus diesem Grunde versuchte Solomon II.
mit der Türkei einen diplomatischen Kontakt aufzunehmen. Sein Ziel war
den Sultan in die Verhandlungen mit Russland mit einzubeziehen. Die
Türken aber wünschten sich damals auch keine Unannehmlichkeiten mit
Russland und so haben sie verneinende Antwort zurückgesandt. Dabei
unternahm Solomon auch gewisse Schritte, um die Beziehungen zu dem
Fürsten Megreliens wieder gutzumachen. Der König wollte in den
Verhandlungen mit Russland im Namen von ganz West-Georgien alleine
auftreten. Wie es schon erwähnt wurde, plante der König von Imereti mit
Hilfe Russlands Westgeorgien zu vereinen, wenigstens als einheitliches
Rechtssubjekt juristisch zu fixieren. Diese Politik hatte aber keinen Erfolg
gehabt. 1803 bewilligte Russland die Bitte von dem Fürsten Megreliens
Grigol Dadiani anlässlich der Schutzherrschaft. So wurde Megrelien
Untertan von Russland, aber mit sehr beschränktem autonomen Recht.26
Natürlich wurde diese rechtliche Beziehung zu Megrelien in Petersburg als
provisorisch betrachtet.
Im März 1804 hat die russische Regierung Solomon II. einen Entwurf
des Schutzvertrages dargeboten. Die Bedingungen beschränkten die

25
Tsintsadze, J., Der Schutztraktat von 1783, Tbilissi, 1960, S.S. 269-275. (Auf Georgisch).
26
Berdsenischwili, N., a. a. O., S. 293.

13
Souveränität des Staates zu sehr. Der König hat den Entwurf abgelehnt. Als
Antwort darauf marschierten die russischen Truppen in Imereti ein. Solomon
wurde gezwungen die Bedingungen anzunehmen. Am 25. April 1804 im
Dorf Elasnauri hat er den Vertrag unterzeichnet. Die Bedingungen waren
schwerer, als die des „Traktats von Georgiewsk“. Der König von Imereti
war nicht direkt dem russischen Zaren, sondern seinem Beamten – dem
Statthalter von Georgien unterstellt. Der König behielt gewisse Autonomie,
aber das Strafrecht sollte er in russischer Sprache durchführen. In Imereti
sollte ein russisches Regiment stationiert werden.27 Solcher Status war für
den König von Imereti nicht annehmbar. Deswegen hat er 1806 dem neuen
Statthalter Georgiens – General Gudovitsch – vorgeschlagen, einen neuen
Entwurf zu machen.28 Solomon II. verlangte erhöhten Status, damit er direkt
mit dem Zaren Beziehung aufnehmen konnte. Die Regierung Russlands hat
diesen Schritt als feindliches Auftreten gegen russischen Staat eingeschätzt.
Die Militärmaschine wurde in Gang gesetzt. Nach schweren Kämpfen, im
April 1810, geriet Solomon II. in die Gefangenschaft. Der alte Plan der
Verbannung der Dynastie von Bagrationi nach Russland war noch immer in
Kraft. Der König überzeugte sich, dass ihn auch das gleiche Schicksal
erwartete. Am 10. Januar 1810 floh er aus dem Gefängnis. Dem georgischen
König fiel gar nicht schwer die Tore des Gefängnisses in Tiflis
aufzumachen. Er flüchtete in die Festung Achalziche und setzte aktive
politische Tätigkeit fort. In Imereti brach ein allgemeiner Aufstand aus. Die
Aufständischen belagerten die in den Festungen basierenden russischen
Truppen. Solomon II. wurde von den Aufständischen aus Achalziche nach
Imereti gebracht. Der König begann die Verhandlungen mit dem Iran und
der Türkei. Er hoffte mittels der Gegenüberstellung von den Kriegsseiten
seine Souveränität zu behalten. Im Sommer 1810 haben die Aufständischen
einige militärische Erfolge erreicht, aber am 5. September hat die russische
Armee unter der Führung von General Paulutsch die Türken bei Achalkalaki
geschlagen. Solomon II. verlor die Hoffnung auf die Unterstützung von
Außen und zog wieder nach Achalziche. In Imereti wurde das Königtum de
Facto abgeschafft. Obwohl der alte König seinen Kampf fortsetzte, wurde
das Ganze sinnlos, nachdem Russland 1812 mit der Türkei und 1813 mit
dem Iran den Frieden schloss, wo Georgien als Bestandteil Russlands von
beiden Staaten anerkannt wurde. Der König Solomon II. starb 1815 in
Trapezund.

27
Akten der Kaukasischen Archeographischen Kommission (АКАК), Bd. 2, S. 374; 391. (In russischer
Sprache). M von Tsereteli. Die Rechte Georgiens, Berlin, 1917. S.S. 14-19.
28
Akten der Kaukasischen Archeographischen Kommission (АКАК), Bd. 2, S. 115; 120.121. (In russischer
Sprache).

14
1810 wurde der Beitritt von Gurien und Apchasien unter die
Schutzherrschaft von Russland erklärt. Später wurde ähnlicher Vertrag mit
Swanetien unterzeichnet.29 Der beschränkte Autonomiestatus, der für den
König von Imereti so unannehmbar war, haben die genannten Fürstentümer
absolut bewilligt. Hier hat die entscheidende Rolle der für den Feudalismus
charakteristische Separatismus gespielt. Weil durch die direkten Verträge
mit Russland haben die Vasallen ihre Unabhängigkeit von Imereti
unterstrichen. Die Regierung Russlands aber förderte sogar solche
Erscheinung.
1812 brach in Kacheti ein Aufstand aus. Der Grund dazu war die von
den Russen in den Dörfern durchgeführte Zwangsvollstreckung, vor allem
aber der Wille der Bevölkerung zur Wiederherstellung der traditioneller
Staatsordnung. Der Aufstand begann zugleich in Dagestan, Schirvan,
Scheki. Die Kachetiner versuchten die Heerstrasse zu kontrollieren, um sich
den Aufständischen im Nordkaukasus anzuschließen. Die Aufständischen
haben den Enkel von Georg XII. – Grigol Bagrationi zum König erklärt und
waren im Begriff, Tbilissi zu besetzen. Am 1.-2. März 1812 kam es zu der
Schlacht zwischen dem Grigol und russischem General Gudowitsch. Grigol
wurde besiegt und kapitulierte. Der Aufstand wurde unterdrückt, es
begannen die Repressalien. Der im Iran wohnhafte Sohn von Erekle II. -
Alexander leitete den Aufstand seit dem Anfang. Als Napoleon in Moskau
einzog, kehrte Prinz Alexander auch nach Georgien zurück. Der Aufstand
bekam einen neuen Stimulus. Alexander hoffte die Heerstrasse zu sperren
und mit militärischer Unterstützung des Irans den Thron zu besteigen. Aber
er billigte auch eine friedliche Lösung des Problems, falls Russland ihn
offiziell zum König anerkennen würde.30 Über ein Jahr dauerten die Kämpfe
und Verhandlungen. Alexander sah, dass die Russen die Bedingungen des
„Traktats von Georgiewsk“ längst vergessen und der Geschichte ausgeliefert
hatten. Die Wiederherstellung der Staatlichkeit in Georgien konnte nicht die
Folge eines Kompromisses sein. Diese Idee hielt die politische Führung
Russlands als antistaatlich. Es blieb nur noch ein Ausweg – der Kampf. 1813
wurde Alexander besiegt und floh nach Dagestan.

Die assimilatorische Politik Russlands beschränkte sich nicht auf die


Reformen der Alltagslebensweise und des Gerichtsverfahrens, an der Rheie
war auch die georgische Kirche. Am 30. Juni 1811 wurde ein Gesetz über
die Kirchenverwaltung verabschiedet, das die Autokephalie der georgischen

29
von Tsereteli, M., a.a.O., S.S. 19-23; Bendianischwili, A., a.a.O. S. 65.
30
Berdsenischwili, N., a.a.O., S. 462.

15
Kirche abschaffte und diese der Heiligen Synode Russlands unterstellte.
Kathalikos Anton II. wurde abgesetzt und nach Russland berufen. Als erster
Exarch wurde Warlam Eristavi eingesetzt. Der kirchliche Landbesitz von
Ostgeorgien verwandelte sich ins Staatseigentum. Auf diese Weise wurde
die georgische Geistlichkeit ihrer unabhängigen wirtschaftlichen
Existenzmöglichkeit beraubt und verwandelte sich in die Beamtenschaft.
Diese Reform hat in Ostgeorgien große Aufregung ausgelöst, aber sie verlief
im Allgemeinen relativ ruhig. 1815 begann Exarch Warlam die Reform
durchzuführen. Die Geistlichkeit von Imereti aber nahm sich Zeit /eilte nicht
die entsprechenden Unterlagen einzureichen. Für ungewagtes Handeln hat
die Regierung den Warlam Eristavi abgesetzt und an seine Stelle den
Theophilakt Rusanov aus Rjasan eingesetzt, welcher von der georgischer
Kirchenordnung und Traditionen keine Ahnung hatte. Deswegen begann er
die georgische Kirche nach russischem Muster umzubauen. Er verbot den
Gottesdienst in georgischer Sprache (Das Recht, welches die georgische
Kirche noch im 5. Jh. erworben hatte). Ihm gefiel das innere Putzwerk der
georgischen Kirchen nicht. Sie wurden nach russischer Art mit Kalk
überstrichen, so daß die alten georgischen Fresken, die lebendigen Zeugen
des uralten georgischen Christentums, verloren gingen. Weder die Perser,
Feueranbeter und Moslems, Araber, noch Mongolen, die Heiden und Türken
hatten sich das erlaubt, was das rechtgläubige, orthodoxe Rußland der
georgischen Kirche angetan hatte.31 Die Autokephalie einer der ältesten
Kirchen wurde mit einem Schlag abgeschafft.
Die Bemühungen von Russanov zur Reorganisierung der georgischen
Kirche haben in Imereti eine Protestwelle ausgelöst und im Jahre 1819
begann wieder ein Aufstand. Die Unzufriedenen waren nicht nur die
Geistlichen, sondern auch Adelige und Bauern, weil diese Reform die
während Jahrhunderten formierten sozialen Beziehungen in Imereti
zerstörte. Der Aufstand verbreitete sich auch in Ratscha und Gurien. Die
Anführer versuchten die Bewegung über ganz Georgien und Nordkaukasus
zu verbreiten. Auf die Tagesordnung wurde noch mal die Frage der
Wiederherstellung der Monarchie in Imereti gestellt. Es gab zwei
Pretendenten des Königstitels: Die Fürsten Zurab Tsereteli und Ivane
Abaschidse. Aber am populärsten war der nach Dagestan geflohene und im
Iran wohnende Prinz Alexander (der Sohn des Königs Erekle II.).32 So

31
Dschavachischwili, I., Geschichte der georgischen Nation, Tbilissi., 1953. Bd. V, S. 111. (Auf
Georgisch).
32
König Solomon II hatte keine Kinder. Von der Königsfamilie Bagrationi aber am meisten politisch aktiv
war der Prinz Alexander. Siehe, A. Bendianischwili. a. a. O. S. S. 83-85. Der Aufstand verbreitete sich
übers ganze Westgeorgien. Auf die Allgemeinheit des Aufstandes weist das Schreiben des Statthalters von

16
wurde die politische Vereinigung Georgiens unter der Herrschaft eines
Königs geplant, der väterlicherseits Nachfolger des Throns von Kartli-
Kacheti, also Ostgeorgien war. Aber diese typisch feudale Form der
Vereinigung würde natürlich nur unter der Bedingung des erfolgreichen
Ausgangs des Aufstandes möglich. Aus der früheren Erfahrung wussten die
Aufständischen, dass die russische Regierung die Selbstverwaltung in
keinem Fall bewilligen würde. Deswegen kämpften sie für die völlige
Unabhängigkeit. Im April 1820 hat der Fürst Kaichosro Gurieli in der
Schlacht bei Schemokmedi die russischen Truppen geschlagen. Im Kampf
fiel der Gouverneur von Imereti Pusirevsky. Aber dieser Erfolg war nur
zeitweilig. Die Regierung schickte Verstärkung unter der Anführung von
General Weljaminov. Der Aufstand wurde erstickt. Viele Dörfer in
Westgeorgien wurden zugrunde gerichtet. Ermolov erinnerte sich, daß
Westgeorgien hauptsächlich wirtschaftlich ruiniert wurde, daß die Gärten
und Weinberge ausgerottet wurden und daß die äußerste Not sollte seither
die Strafe fürs Westgeorgien sein.33
Obwohl die von dem Adel geleitete Etappe der Befreiungsbewegung
sich auf die Wiederherstellung der verletzten dynastischen Rechte von
Bagrationi bezog, war das nicht immer mit Waffen und Blutvergießen
verbunden. Im 1812 und 1817 hat der Enkel vom Erekle II. - David
Bagrationi dem Zaren Alexander I. zweimal seine Konzeption über die
politische Einordnung Georgiens und die Interessen Russlands vorgelegt.34
Er begründete daß das Erhalten der Autonomie Georgiens, also an der
Grenze mit Iran nicht nur möglich, sondern in den Interessen von Rußland
war, um so mehr, daß Rußland die Autonomie Finnlands an der Grenze mit
zivilisierter Europa duldete. Die georgischen Staatsmänner versuchten den
russischen Zaren mild zu stimmen und appellierten an seinen internationalen
Ruf. Sie erinnerten den Zaren daran, daß die österreichischen, preußischen,
französischen, spanischen und portugiesischen Dynastien mit seiner
Unterstützung wiederhergestellt wurden und wollten seine Aufmerksamkeit
dafür gewinnen, das Königshaus von Bagrationi - welches 1266 Jahrelang
den Thron beherrschte und die älteste Dynastie Europas war, - diesmal seine

Imereti Kurtanovski an den General Weljaminov hin. Der schrieb: “Der Aufsand ist allgemein, niemand ist
auf unserer Seite, die Gurier und Megrelen sind bereit mit den Imeretiner zusammen aufzutreten. Die
Apchasen werden sich auch ihnen anschließen. Die Treue der Regierung gegenüber ist zweifelhaft, ihre
Kraft gegen allgemeine Volksmeinung ist unbedeutend.“ АКАК. Bd. 6., T. 1. , S. 536-537. (In russischer
Sprache).
33
Ermolow, A., Notizen, Teil 2, Moskau, 1863, S. 212. (In russischer Sprache).
34
Zwei Notizen des Königssohnes David «Über die bessere Einrichtung Georgiens». Hrsg. von
Enikolophov, I., in: „Materialen für Geschichte Georgiens und Kaukasus“, Abt. 1, Tbilissi, 1942, S.S. 126-
165. (In russischer Sprache).

17
Hilfe brauchte. Solcher Appell wurde in Petersburg als antistaatlicher
Auftritt bewertet, der auch selbstverständlich gegen die Interessen des
georgischen Volkes gerichtet war, weil, so hieß es, Georgien hatte sich
freiwillig an Rußland angeschlossen.
In der georgischen Öffentlichkeit hat sich der Gedanke gestaltet, daß
Rußland die Normen des internationalen Völkerrechts verletzt und
eigenmächtig eins von den ältesten Staaten abgeschafft hat. Deswegen, in
dem Kampf gegen den russischen Kolonialismus, hielt sie als möglich an die
dritten Staaten zu appellieren oder gar die terroristischen Formen des
Kampfes anzugehen. In den 30-en Jahren des 19. Jh-s wird eine geheime
Gesellschaft gegründet, die Wegs einer Verschwörung die Aufräumung des
Landes von den russischen Beamten und die Wiederherstellung des
Königreiches auf der rechtlichen Basis von dem Traktat 1783 anstrebte. In
der georgischen Geschichtsschreibung wird diese Periode als die Bewegung
der Autonomisten beurteilt.35
Der Plan der Verschworenen war einfach. Der Aufstand sollte am Tag
der Munizipalwahlen beginnen. Die Wahlen sollten am 20. November 1832
durchgeführt werden. Also an diesem Tag sollte der Fürst Luarsab Orbeliani
einen Empfang zur Ehren des Staatshalters und anderer russischen Beamten
organisieren. Die Verschworenen planten die Gäste entweder festzunehmen
oder zu ermorden. Dann sollte das Arsenal und andere strategische Objekte
angegriffen werden. Der Aufstand sollte sich in ganz Georgien, Trans- und
Cis- Kaukasus verbreiten. Zum König sollte der im Iran wohnende Prinz
Alexander ausgerufen werden. Bis zur Königswahl sollte das Land der Sejm
unter dem Vorsitz der Enkelin des Königs Erekle II. Prinzessin Tamar
regieren. In den Plänen der Verschworenen wurde der künftigen
diplomatischen Tätigkeit eine besondere Bedeutung beigemessen. Die
Aufständischen erhofften eine diplomatische Unterstützung seitens der
westlichen Staaten. Deswegen erhoffte man einen erfolgreichen Ausgang
des Aufstandes in Polen. Die zukünftige Staatsordnung hat man sich als eine
reorganisierte, modernisierte Monarchie vorgestellt.36 Dennoch ließen sich
zwischen den Teilnehmern ab und zu auch die republikanischen

35
Gosalischwili, G., Die Verschwörung von 1832, Bd. 1, Tbilissi, 1935; Bd. 2, Tbilissi, 1970;
Bendianischwili. A., a.a.O., S. 104; Siehe auch: Berdsnischwili, M., Die Materialen für die Geschichte der
georgischer Öffentlichkeit der erster Hälfte des XIX J-ts. Bd. I, Tbilissi, 1980; Bd. 2, Tbilissi, 1983. (Alles
auf Georgisch).
36
Das Projekt hat zwei Kammern des Parlaments berücksichtigt. Zu der obersten Kammer gehörten der
König und seine Minister, zu der unterer – gewählte Abgeordneten. Übers die Machtverteilung gibt es in
den Unterlagen keinerlei Nachweise. Siehe: Gosalischwili, G., a.a.O., Bd. 1, S. 134; Bendianischwili, A.,
a.a.O., S. 111.

18
Stimmungen vernehmen.37 Die Verschworenen hatten Riesenarbeit geleistet,
sie gaben eine Zeitschrift heraus und propagierten die Notwendigkeit der
Wiederherstellung der Staatlichkeit und das nicht nur in Georgien. Die
Verschworenen wußten, daß die in Kaukasus stationierten russischen
Regimente mit dem Krieg gegen Schamyl beschäftigt waren. Außerdem,
aufgrund der falschen Information, laut welcher der Prinz Alexander an der
Spitze des Iranischen Heeres ins Georgien einzudringen plante, zogen die
restlichen russischen Kriegseinheiten an die Iranische Grenze. So dass
Tbilissi faktisch von ihnen unbeschützt blieb. Die Wahlen aber wurden
mehrmals verlegt und in diesem Zusammenhang auch der Aufstand.
Inzwischen wurde die Verschwörung verraten, die Teilnehmer verhaftet, alle
georgischen Auflagen verboten und begann eine neue Welle der
Repressalien …

In den 60-en Jahren des 19. Jh-s beginnt eine neue Etappe in der
georgischen nationalen Bewegung. Die an den russischen und Europäischen
Universitäten ausgebildete Generation kehrt in die Heimat zurück. Die Idee
der Wiederherstellung der Staatlichkeit erhält neue, diesmal aber
republikanische Züge. Obwohl der Anführer der „Tergdaleulebi“38 (wörtlich
übersetzt - diejenigen, die das Wasser vom Terek getrunken haben, also ihre
Ausbildung in Russland erhalten haben), Ilia Tschawtschawadse genau wie
die Mehrheit der Gruppe zur Adelsschicht gehörte, ist seine Tätigkeit ein
typischer Beispiel der klassisch-liberalen Strömung.
Die „Tergdaleulebi“ hatten viele Probleme zu bewältigen. Die
hauptsächliche aber war die Tatsache, dass das georgische Volk unter der
nationalen Unterdrückung litt. Die assimilatorische Politik Russlands war
gegen das nationale Bewusstsein, die nationale Sprache, die nationale
Kirche, den nationalen Ehrgeiz und die nationale Staatlichkeit gerichtet. Die
„Tergdaleulebi“ haben sich zum Ziel gesetzt, der georgischen Nation ihre
verlorenen Werte zurückzugeben. Europäisch ausgebildet, waren sie unter
dem Einfluß der damals in Europa ablaufenden Prozesse. Die Geschichte der
gesellschaftlichen Meinung Europas der ersten Hälfte des 19. Jh-s zeichnet
sich durch den Aufschwung der liberal-nationalen Bewegungen aus. Der
Nationalstaat war kein Selbstzweck. Man hat die Rechte der Nation aus den

37
Gosalischwili, G., a.a.O. Bd. 1. S. 92.
38
Reisner, O., Die Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen der nationalen Bewegung in Georgien bis
1921, im Nationen und Nationalitäten in Osteuropa, 2 (Kriesenherd Kaukasus), Hrsg. Uwe Halbach,
Andreas Kappeler, Baden-Baden, 1995, S.S. 63-80.

19
Menschenrechten abgeleitet, die ihrem Wesen nach individuell und
universell sind. Noch David Humme (1711-1776) hatte die „Nation als
nichts anderes als eine Ansammlung von Individuen“ bezeichnet. Der
Mensch sollte nicht mehr als Untertan eines dynastischen Herrschers
begriffen werden, vielmehr beinhaltet die Volkssouveränität, dass die Nation
eine Gruppe von Menschen ist, die unter einem gleichem, gemeinsamen
Recht lebt und von einer gesetzgebenden Versammlung vertreten wird, vor
der eine Regierung Verantwortung tragen muss. Also die Doktrin des
Volkes als des Subjektes der Souveränität bedeutete den Übergang zum
bürgerlichen Nationalstaat. An die Stelle eines bisher abstrakt gesetzten
Staatsinteresses, wie es sich meistens vom dynastischen Interesse her
stammte, trat das nationale Interesse. Wiederum vertritt das Bürgertum die
Gesamtheit; denn das nationale Interesse war das bürgerliche Interesse an
der Verwertung von Kapital. Vor allem die liberal-demokratischen
Nationalbewegungen im frühem 19. Jh. hofften, im Nationalstaat
bürgerliche Freiheit, Demokratie und Parlamentarismus verwirklichen zu
können. Für sie war der Nationalstaat ein Synonym für den demokratischen
Verfassungsstaat. Die Helden39 des Europäischen Rissorgimento waren
Dichter, Sprachwissenschaftler oder Historiker, die in Wort, Schrift und Tat
für die kulturelle Entwicklung ihres Volkes und für seine politische
Selbstbestimmung im Nationalstaat agierten. Diese waren: die Deutschen -
Johann Gottfried Herder, der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, der
„Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, und der Publizist Ernst Moritz Arndt;
Die Griechen - der Dichter Rigas Valestinilis, der Philologe und
Sprachschöpfer Adamantios Korais; die Iren- Der Volkstribun Daniel
O´Connel und der Dichter Thomas Davis; die Polen - Der Historiker
Joachim Lelewel und der Schriftsteller Adam Mickiewicz; der Tscheche -
Historiker Frantischek Palacky; der Italiener - Giuseppe Mazzini …
„Die „Erwecker“ des Volkes gingen davon aus, daß sich die Nation in
der einheitlichen Sprache manifestiert und sprachliche Uniformität eine
Vorbedingung des Nationalstaates ist. Im Nationalstaat wird eine
„Nationalsprache“ gesprochen…. Die Sprachgrenzen seien die natürlichen
Grenzen eines Staates…. „Die „Erwecker“ betätigten sich daher vielfach als
Sprachschöpfer. Sie schufen eine Literatur in der nationalen Sprache, die
ihrerseits vielfach erst als Literatur und Umgangssprache neu gestaltet
werden mußte.“40- Also war ihre Tätigkeit dadurch dem Aufschwung der

39
Hegel, G. W. F., Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, in: Sämtliche Werke, Hg.
Moldenhauer E., und Michel, K.M., Bd. 12, Frankfurt, 1970 S. 56.
40
Alter, P., Nationalismus, Frankfurt am Main, 1985, S. 65.

20
nationalen Kultur und aufgrund dessen der Festigung des nationalen
Bewußtseins gewidmet. Die „Tergdaleulebi“ standen unter dem Einfluß von
dieser Bewegung und das Wirken ihres Anführers Ilia Tschawtschawadse ist
ein klares Beispiel dafür. Die Schöpfung moderner Literatursprache,
Reformierung des Alphabets, sein Motto - „Sprache, Vaterland, Glauben“,
deuten darauf, dass Ilia Tschawtschawadse den allgemein Europäischen
Gedanken des liberal-demokratischen Nationalismus in Georgien sukzessiv
entwickelte. Deswegen koexistieren in den Gedanken von Ilia
Tschawtschawadse die liberale und Nationale Ideen neben einander. Der
Liberalismus war für Ilia Tschawtschawadse ein Weg zur nationalen Freiheit
und ihrem Ergebnis – dem Nationalstaat. Der Nationalstaat aber – eine Form
der liberalen, demokratischen Gesellschaft. Das Motto - „Durch die
Persönliche Freiheit zu der nationalen Freiheit“, - wird von Lelt Gunia, der
handelnden Person seines bekannten Schriftstücks dargelegt. Ilia
Tschawtschawadse verstand wohl, dass unter damaligen Umständen die
völlige Unabhängigkeit Georgiens nicht zu verwirklichen war, man musste
es Schritt für Schritt erzielen. Deswegen kämpfte er unermüdlich erst für das
Minimum, - für die Selbstverwaltung und Autonomie im Rahmen des
russischen Reiches.
Auf Initiative von „Tergdaleulebi“ werden georgische Zeitungen und
Zeitschriften gegründet, wo die Idee der nationalen Staatlichkeit aktiv
propagiert wurde. Die „Tergdaleulebi“ unterstützen die nationale Bewegung
in Italien, Polen, etc. Aktiv arbeiteten sie mit den russischen Liberalen
zusammen.41 Mit der Zeit reifte die politische Forderung - Umwandlung
Russlands in eine Föderation. Obwohl wegen der Zensur in den 70-er Jahren
des 19. Jh-s wagten die Persönlichkeiten des georgischen öffentlichen
Lebens nicht die Idee ganz offen zu propagieren, in ihren Blättern jedoch
begrüßten sie die Pläne des Föderativen Umbau Österreichs.42
1875 begann in Bosnien-Herzegowina ein Aufstand gegen die Türken.
Die georgische Öffentlichkeit äußerte die Solidarität den Aufständischen
gegenüber und kritisierte die Politik Englands, welches die Türken
unterstützte.43 In Adscharien (das damals zu der Türkei gehörte) brach ein
Aufstand aus. Die Georgier wollten nicht gegen die Balkaner in der
Türkischen Armee kämpfen. Es kam zu einem Zusammenstoß zwischen den
Türkischen Truppen und den Georgiern. Die georgischen Persönlichkeiten
der Öffentlicher Meinung verfolgten die Entwicklung der Ereignisse und

41
Bendianischwili, A., a.a.O. S. 119-123.
42
Nikoladse, N., Werke, Bd. 2, Tbilissi, 1960, S. 73-77 (Auf Georgisch); Zeitung “Droeba” (Die Zeit).,
1867, № 46.
43
Zeitung “Droeba”, 1875, № 95.

21
fühlten sich verpflichtet ihren Mitbrüdern zu helfen.44 Solche Einigkeit der
Georgier hat in dem Verlauf des Russisch-Türkischen Krieges eine
bedeutende Rolle gespielt. Laut dem Frieden von San-Stefano 1878 hat
Russland sich Adscharien angeschlossen, somit kehrte das Land in die
historischen Grenzen Georgiens zurück.45 Die georgische Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens bauten mit besonderer Sorgfältigkeit die
Beziehungen mit den Adscharen wieder auf. Sie halfen ihnen die
georgischen Schulen und Druckereien zu gründen. Die besonders
schmerzhafte Frage der konfessionellen Zugehörigkeit wurde von der
georgischen Gesellschaft äußerst Tolerant behandelt, wobei die Regierung
Russlands den Schwerpunkt ihrer Politik eben auf dieses Merkmal setzte
und allerlei eben diesen Punkt zum Streitgegenstand zu verwandeln
versuchte.46
In der georgischen und allgemein kaukasischen Öffentlichkeit reifte
allmählich die Idee - statt bewaffneten Kampfes die politischen Methoden
anzuwenden. Als eine solche wurde die Idee der aktiven Mitarbeit in den
Selbstverwaltungen von „Semstwo“ betrachtet. Die komplizierten
auswärtigen Angelegenheiten und die von dem Zarismus durchgeführten
liberalen Reformen schienen eine Möglichkeit dazu zu geben. Die Tätigkeit
von Speransky wurde im Kaukasus mit großer Hoffnung beobachtet. 1873
erscheint in Paris georgische Zeitschrift „Droscha“ („Die Fahne“). Um
dieses Blatt herum sammelten sich die kaukasischen Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens, die für den Föderativen Aufbau Russlands auftraten. Es
wurde die Idee der Kaukasischen Föderation und dessen Abtrennung von
Russland geboren.47
1874 wurde in Genf der Kongress der Persönlichkeiten des
kaukasischen öffentlichen Lebens veranstaltet, wo die Vertreter von fast
allen politischen Richtungen anwesend waren. Die Mehrheit hat diese Idee

44
Ebenda, 1875, № 110.
45
Obwohl laut dem Berliner Traktat, Russland auf das Bezirk Kars - also auf ein Teil des historischen
Lasistans – verzichtete, wurde die Stadt Kars Russland zugesprochen. Ebenso auch Ardagan (Artaani). Die
Rückkehr Adschariens zu Georgien war an sich eine besonders bedeutende Tatsache. Batumi wurde als
russisch erklärt, aber als “porto franco” bezeichnet. Das weist darauf hin, dass die Engländer, Preußer,
Türken und Österreicher im Kaukasus die Handelsinteressen besaßen. Siehe: Geschichte der Diplomatie,
Moskau, Bd. 2, 1963, S. 126-133. (In russischer Sprache); Der Berliner Kongress von 1878, Die Politik der
Grossmächte und die Probleme der Modernisierung in Südosteuropa in der zweiten Hälfte des 19. Jh-s.
Hrg. Melville, R., und Schröder, H-J., Wiesbaden 1982, S.S. 51-63; 205-225; 369-383; 473-485.
46
Bendianischwili, A., a.a.O. S.S. 139-140.
47
Die Idee gehört dem P. Ismailov, aber die war auch von den Georgiern begrüßs. Siehe: Chungadse, S.,
Die Geschichte des Sozialismus in Georgien, Bd. 2, Tbilissi, 1928, S.S. 315-316.

22
unterstützt, außer den „Narodniki,“ die sich gegen die Abtrennung
ausgesprochen haben. 48
Der Gedanke des Föderativen Aufbaus Russlands wurde von Ilia
Tschawtschawadse besonders konsequent entwickelt. Also, wurde die Frage
der politischen Autonomie Georgiens im Kontext der allgemeinen
politischen Situation in Russland behandelt. Besondere Bedeutung wurde
auch der Zusammenarbeit zwischen den georgischen politischen
Organisationen, auch einzelnen Personen mit der russischen revolutionären
Bewegung beigemessen. Die an den russischen Universitäten studierenden
Georgier pflegten ausgezeichnete Beziehungen zu den führenden
Persönlichkeiten des russischen öffentlichen Lebens und den revolutionären
Organisationen Russlands zu haben, aber sie verfügten über keine eigene
politische Organisation. Deswegen wurde auf Initiative der in Petersburg
und Moskau studierenden Georgier im Juli 1892 in Kutaisi der erste
Kongreß der georgischen Studenten berufen. An der Tagung haben die
Studenten aus Petersburg, Moskau, Kiew, Odessa und Warschau
teilgenommen. Es wurden viele brennenden Probleme besprochen und vor
allem die nationale Frage. Die Diskutierenden schenkten besondere
Aufmerksamkeit dem Begriff – die Nation und dessen Definition. Sie
deklarierten, dass ethnische und religiöse Merkmale längst nicht mehr die
wichtigsten waren. Letztendlich wurde der Begriff – die Nation von Ihnen
folgenderweise definiert: Die Nation ist eine geistige Einheit der Gruppen,
die miteinander durch gemeinsame Sprache, gegenseitige Liebe, Sitten
und Bräuche und das historische Zusammenleben verbunden sind. Dabei
wurde besondere Bedeutung des Territoriums betont.49 Zum Ziel der
Studentenorganisation wurde deklariert: - dem Vaterlande dienen und
Georgien von dem russischen Joch befreien. Die Tagung hat den Gedanken
der aktiven Zusammenarbeit mit den russischen Revolutionären abgelehnt.
Aber nicht darum, weil sie den gemeinsamen Kampf gegen den Zarismus für
unmöglich hielt, sondern deswegen, daß die neugeborene Organisation ihre
ohnehin geringen Kräfte nicht zersplittern wollte. Die Tagung beschloss die
politische Vereinigung der georgischen Studenten zu gründen und eine
geheime Organisation zu bilden. Die Organisation erhielt den Namen „Die
Freiheitsliga Georgiens.“ Das Programm hatte folgende Zielpunkte:
Georgien auf den Weg der sozial-wirtschaftlichen und politischen
Entwicklung zu bringen, der Bevölkerung die Gründe ihres Zurückbleibens
zu erklären. Die Liga widmete die Aufmerksamkeit auch den Problemen

48
Ebenda, S. 321.
49
Schwelidse. Z., Die revolutionäre Organisation Freiheitsliga, Tbilissi, 1969, S. 56-57. (Auf Georgisch).

23
anderer Völker des Kaukasus; der Zusammenarbeit mit ihnen; Dessen
Unterstützung auf dem Weg zur Unabhängigkeit und derer Vereinigung in
eine Föderation. Besonders sorgfältig gingen sie an die Probleme der
nichtkaukasischen ethnischen Gruppen und Sicherung ihrer Rechte. Mit
anderen Worten, die Mitglieder der Liga bestrebten solch eine Staatsordnung
im Kaukasus einzurichten, die jegliche Unterdrückung - sei das ethnische,
religiöse e.t.c ausschließt. Auf solche Weise dachten die Studenten die
nationalen Interessen mit allgemeinen Prinzipien der Weltöffentlichkeit zu
vereinbaren. Aufgewachsen unter den Bedingungen der nationalen
Diskriminierung, wußten sie bestens, was die Unterdrückung bedeutete und
protestierten gegen allerlei Formen der Gewaltausübung.50 Die Leiter der
Studentenorganisation pflegten die Beziehungen zu den russischen
Sozialdemokraten und den Europäischen politischen Organisationen. Es
muß auch erwähnt sein, dass die Liga aufgrund der unterschiedlichen
politischen Anschauungen ihrer Mitglieder nie zu einer einheitlichen
politischen Organisation wurde. Nach dem Zerfall der Liga fanden dessen
Mittglieder in den verschiedenen Parteien Zuflucht. Die Mehrheit ging zu
den Sozialisten-Föderalisten und den Nationaldemokraten. Die Minderheit
aber sprach sich für den Marxismus aus. Im Juli 1893 wurde in Tbilissi die
zweite Tagung der Freiheitsliga zusammengerufen. 1894 hat die
Gendarmerie die Dokumente der Organisation erbeutet, großer Teil der
Mitglieder wurde verhaftet. Die Organisation löste sich auf… Damit endet
die zweite Etappe der georgischen nationalen Bewegung.

Das 20. Jh. begann in Russland mit aktiver sozialer Bewegung. Vor
und während der ersten Revolution aktivierten sich die nationalen
Bewegungen in den Peripheriegebieten Russlands. Die von Ilia
Tschawtschawadse gegründete Zeitung „Iveria“ bewahrte während der
Revolution die allgemeinen demokratischen Prinzipien, aber der
Schwerpunkt blieb dabei die Wiederherstellung der Staatlichkeit zu
erreichen. Als ersten Schritt auf diesem Wege betrachteten die
„Tergdaleulebi“ das Erlangen einer Autonomie. Nach der Vorstellung von
der Redaktion „Iveria“ sollte die auf der Basis der Vereinigung der
territorialen Autonomien gegründete Transkaukasische Föderation ein

50
Georgisches Zentrales Staatliches Historisches Archiv (GZSH) Fond 12, Abt. 13, Mappe 438, S. 2-4.

24
Bestandteil des Föderativen Russlands werden. Auf solche Weise wollten
die „Tergdaleulebi“ die Präzedenz der Autonomien von Georgien,
Aserbaidschan und Armenien schaffen. Es ist erwähnenswert, dass die
Leiter des armenischen Bürgertums gegen solche Formulierung auftraten.
Sie waren für die Autonomie des Kaukasus, aber gegen ihren föderativen
Aufbau.51 Die national-territoriale Autonomie Georgiens wurde mittlerweile
auch zum Diskussionsthema des georgischen Adels geworden. Sie spürten,
dass im Laufe der Revolution der Zarismus gezwungen war nachzugeben.
Der Adel wandte sich an den russischen Monarchen mit der Bitte, Georgien
den Autonomen Status zu verleihen. Die republikanisch eingestellten
„Tergdaleulebi“ verstanden, dass der georgische Adel damit seine Rechte
sichern wollte. Arbeiteten aber trotzdem mit ihm zusammen, weil ihr
Hauptziel war - erst das Recht auf die Selbstverwaltung zu erreichen.52 Als
wahre Demokraten und Republikaner sahen die „Tergdaleulebi“ ihren
Stützpunkt in den Volksmassen, - in der Nation. Im Hintergrund von den
gespannten sozialen Auseinandersetzungen rufen sie zu der Nationseinigung
auf, dadurch, dass sie in den Vordergrund eben die Nationalen Interessen
rückten. Sie behaupteten, dass im Falle der nationalen Selbstverwaltung die
Nation die sozialen Probleme selbständig lösen könnte. Die Verteidigung
der Interessen von Werktätigen war nur in Rahmen der autonomen Einheiten
möglich. Die Redaktion von „Iveria“ sah, dass der Begriff – die Autonomie
von jeder Schicht unterschiedlich verstanden wurde. Ihrer Meinung nach,
um gemeinsames Ziel zu erreichen war es notwendig und gar möglich ein
provisorisches Einvernehmen zwischen den Parteien zu schließen. Da es ein
gemeinsames Interesse vorhanden war den bürokratischen Apparat des
Zaren zu stürzen und freie politische Gesellschaftsordnung zu schaffen.
Solch eine Gesellschaftsordnung würde, ihrer Meinung nach die
Bedingungen schaffen wo jede Klasse ihre Interessen vertreten könnte. Also
war für Ilia Tschawtschawadse und seinen Gleichgesinnten die Suche nach
dem Mechanismus fürs Einvernehmen allgemeinen nationalen Interessen die
Frage von besonderer Wichtigkeit. Die demokratisch organisierte nationale
Autonomie war von ihnen als so ein Mechanismus so ein Ausgangspunkt
behandelt. Unter diesem Sichtpunkt begrüßten die „Tergdaleuli“
selbstverständlich die Integration des Adels in den allgemeinen Prozeß.
Dieses Bild konnte aber außer Sozialdemokraten, der zahlreichsten

51
Zeitung “Iveria”, 1905, № 37; № 38; № 39; So eine Position von den armenischen Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens, war natürlich die Folge ihren politischen Ambitionen. Das weist aber darauf hin, daß
die im Kaukasus existierende Konflikte sollte man unbedingt im historischem Rakourse betrachten, also im
Hintergrund von der Dynamik der Entwicklung der national-staatlichen Konzeptionen der Kaukasusvölker.
52
Zeitung “Iveria”, 1905, № 41; № 42; № 43; Bendianischwili, A., a.a.O., S.167.

25
politischer Partei der Zeit, nicht vollständig sein.53 Diesem Zweck dienten
ihre Erklärungen wo sie die sozialdemokratische Partei als wahren Vertreter
der Interessen der Werktätigen erwähnten.54 Somit wurde den
Sozialdemokraten ein Platz in dem allgemeinen Prozeß zur Verfügung
gestellt. Die georgische Sozialdemokraten aber hielten sich an die Prinzipien
des proletarischen Internationalismus fest und stellten die klassenbedingte
Interessen höher als die nationalen. Die georgische Marxisten traten gegen
der Forderung der politischen Autonomie Georgiens. So zerstörte die Lehre
des Klassenkampfes die mit der Sorgfalt aufgebaute Einheit des georgischen
politischen Spektrums. So eine Einstellung vielleicht war von den taktischen
und strategischen Überlegungen eine richtige für die russische Partei, deren
Ziel natürlich das Reich zu behalten werde, aber keines Falls für die
georgische – die normalerweise für den eigenen Staat auftreten sollte. Leider
blieben die georgische Sozialdemokraten ein Bestandteil der RSDAP die die
Unabhängigkeit Georgiens gar nicht beabsichtigte und insofern hatten die
georgischen „Menschewiki“auch die Autonomie Georgiens nicht in dem
Programm gehabt.55 Also ist es den „Tergdaleulebi“ nicht gelungen eine der
größten politischen Organisationen für sich zu gewinnen. Der Versuch der
Konsolidierung aller gesellschaftlich-politischen Kräfte auf Grund der
allgemeiner demokratischer Basis hat ein Fiasko erlebt. Die national-
demokratische Bewegung aber begann in sich die Suche nach der Lösung
dieser Probleme. Schon 1901-1902 erschien die erste national-
demokratische Konzeption „Der Grundboden fürs gemeinsame Handeln“.
Der Autor meinte daß das bestehende historische Moment der Grund für das
gemeinsame Handeln aller Streitparteien war. Er gab auch die
Hauptzielpünkte hervor. 1. Beschützen der georgischer Sprache. 2. Das
Beschaffen des einheimischen Handels und Industrie. 3. Sorgen dafür, daß
die Nationale Wirtschaft in den Händen der Georgier bleibt.. 4. Die
kulturelle Tätigkeit und Integrieren der Georgier in die Munizipale
Verwaltung.56 Der Autor anerkannte die Existenz von den Klassen und derer
Interessen. War aber gegen Klassenanthagonismus und setzte dem den
Prinzip der Klassenzusammenarbeit entgegen. Also unter den Bedingungen
der nationalen Unterdrückung wurde von ihm die Priorität der Vereinigung
auf dem Nationalem Grund im Vergleich zu den sozialen Fragen gewidmet.
53
Noch in 90-en Jahren des XIX J-ts hat G. Laschischwili eine Teorie der Notwendigkeit und Möglichkeit
von Einigung aller politischen Parteien auf dem Nationalen Grund vorgebracht. Siehe Zeitung “Iberia”
1895, №19; Schwelidse, D., Die Föderalisten, Tbilissi, 1993, S. 25-28; (Auf Georgisch); G. Laschischwili,
Die Memuaren, Tbilissi, 1992. (Auf Georgisch)
54
Zeitung “Iveria”, 1905, No 32; No 33; No 60; No 62; No 63.
55
Siehe das Programm der RSDAP.
56
Schwelidse, D., Die Föderalisten, Tbilissi, 1993, S. 58. (Auf Georgisch).

26
Obwohl der Autor der Theorie Artschil Dschordschadse zum georgischem
Adel gehörte, trat er als ein Anhänger der demokratischer Staatsordnung aus.
Er befriedigte sich aber nicht nur mit der theoretischen Tätigkeit und wurde
bald auch praktisch aktiv. Am 1 Mai 1903 erschien in Paris die georgische
Zeitung „Sakartwelo“ (Georgien). Am 1 April 1904 wurde in Genf die erste
Konferenz der in Ausland aufhaltenden georgischer Revolutionäre eröffnet.
An der Konferenz nahmen die Anarchisten, „Narodniki“ (schon
Sozialrevolutionäre), Sozialdemokraten und die Gruppen der national-
demokratischen Richtung Teil. Insgesamt 26 Personen. Das Hauptziel der
Versammlung war die Bildung einer Partei, die unter der Hauptlosung der
nationalen Autonomie alle georgischen politischen Organisationen Vereinen
würde. Der Schwerpunkt – die nationale Autonomie war für die
Sozialdemokraten unannehmbar und sie verließen die Konferenz unter der
Führung von Noe Schordania. Darüber hinaus haben Mitglieder der
Konferenz Bedauern geäußert, daß die georgische Sozialdemokraten als Teil
der russischer sozialdemokratischer Partei blieben, für die aber die
Autonomie Georgiens selbstverständlich unannehmbar war. Auf der
Konferenz wurden Verschiedene Meinungen ausgesprochen, von der totaler
Unabhängigkeit bis zu den sozialen Problemen. Es wurde auch die Meinung
geäußert das bis dahin ein politisches Komitee sollte den Kampf weiter
führen.57 Der Leiter der Konferenz Artschil Dschordschadse hat sich für die
totale Unabhängigkeit ausgesprochen, genau so wie auch M. Tsereteli, W.
Tscherkesischwili u. a. Aber sie haben ins Anspruch auch die Realität
genommen, es wurde festgestellt, daß im Moment war die totale
Unabhängigkeit nicht möglich. Deswegen als kurzfristiges Ziel wurde die
Autonomie Georgiens in der Russischen Föderation deklariert. So hat die
neugeborene Partei den Namen „Sozialist Föderalistische“ erhalten. Das war
das Hauptereignis der Genfer Konferenz. Der Partei haben sich folgende
politische Gruppen angeschlossen: die Anarchisten, Esseren und national-
demokratisch orientierte Liberalen. Zum Kern der Partei wurde die
Redaktion von „Sakartwelo“. Dieser bunte Bestand zeigt uns, daß obwohl
die linken Einstellungen von Artschil Dschordschadse von rechts scharf
kritisiert wurden, haben die national demokratisch orientierte Gruppen die
soziale Diskussion und die Frage der Eigentumformen dem Hauptziel – der
nationalen Autonomie – geopfert. In dieser Hinsicht der Abgang der
Sozialdemokraten war ein schwerer Verlust. Die Hauptziele dieser
nichtproletarischer, Blockpartei konnte man sich folgenderweise vorstellen:

57
Schwelidse, D., a .a. O., S. 132-136.

27
Das Hauptziel, wie es schon erwähnt war die Unabhängigkeit, völlige
Freiheit war das Endziel der Partei, mit der Berücksichtigung der Realität
aber war der Separatismus zu der Zeit abgelehnt, man hat auf die
Demokratisierung Rußlands eingesetzt. Es wurde dabei betont, daß die
Föderalisten waren nicht für den demokratischen Zentralismus, der ihrer
Meinung nach, nicht in der Lage war die Interessen der Minderheiten zu
berücksichtigen, sondern für die Föderale Struktur Rußlands. Die Formel
konnte man sich so vorstellen: Die Autonomie Georgiens in der
Kaukasischen Föderation und die Mitgliedschaft Kaukasiens in der
russischer Konföderation. Im Unterschied zu den Sozialdemokraten, die sich
als Vertreter des Proletariats bezeichneten, gingen die Sozialis-Föderalisten
von der Spezifik Georgiens aus und ernannten sich zu dem
Interessenvertreter von Bauern. Sie traten gegen die marxistische Formel der
proletarisierung von Bauern aus und betrachteten den Bauer als
Kleineigentümer, als Kleinproduzenten. Um den Drang von Bauern in die
Städte und ihrerseits den Verkauf der Grundstücke zu vermeiden, haben sie
das Programm von Esseren (Narodniki) über die Sozialisierung des Bodens
angenommen. Der Boden sollte den auf dem gesellschaftlichem Basis
gegründeten territorialen Bündnissen, die auf den demokratischen
Prinzipien organisiert sein sollten übergegeben werden. Die sozialist-
föderalisten waren natürlich keine einheitliche Partei. Sie war durch die
romantisch utopische Theorie „der Grundboden fürs gemeinsame Handeln“
geeinigt, aber sie konnte das Hauptziel – die Einigung aller politischen
Kräfte nicht erreichen. Die Sozialdemokraten - von links und die
Separatisten – von rechts haben Sie heftig kritisiert. Es fiel den
Sozialdemokraten gar nicht schwer den Maßen zu beweisen, daß die
Sozialist-Föderalisten im Prinzip nationalistische und bürgerliche Partei war.
Außerdem befand sich der Kern der Partei ständig im Ausland und war der
Möglichkeit - vor Ort die Propaganda zu führen – beraubt. Insofern konnte
sie den Wettbewerb gegen starken Konkurrenten – Sozialdemokraten nicht
gewinnen.
Vergebens diskutierten die Sozialist-Föderalisten mit den
Sozialdemokraten darüber, daß die Autonomie Georgiens die Einheit und
den Internationalismus des Proletariats nicht zerstören, sondern nur stärken
würde.58 Also hatten die georgische Sozialist-Föderalisten einen großen
Meinungsunterschied mit den georgischen Sozialdemokraten, obwohl sie
viel Gemeinsames mit den Europäischen Sozialdemokraten fanden. „Beim
Streit mit den Bolschewisten über die nationalen Fragen bezogen sich die

58
Die Zeitung “Znobis Purtseli” (Informationsblatt). 1905, № 2805.

28
Föderalisten oft auf die Revisionisten und erklärten sich für Anhänger des
Europäischen Sozialismus“.59 Der Leiter der Föderalisten Artschil
Dschordschadse versuchte wissenschaftlich zu erklären die Gerechtigkeit der
Tatsache, daß jede Nation einen Staat verfüge. Für ihn sind Staat und Nation
untrennbare Begriffe. Also er neigte sich zu der, noch im XVIII J-t in
Europa geltender Position.60 Das Traktat von Georgiewsk war für die
Föderalisten ein rechtlicher Grund für die Förderung der nationalen
Autonomie als der Staatlichkeit. Als Republikaner aber waren sie gegen die
Monarchie und für den konstitutionellen Parlamentarismus.
Wie gesagt die georgischen „Menschewiki“ kritisierten die Idee der
Autonomie Georgiens. N. Schordania erwähnt die Förderung der nationalen
Autonomie als reaktionären Nationalismus. Dem Gedanken von Föderalisten
den Föderalismus als Mittel für die Verwirklichung von Sozialismus zu
verwenden hat er widerstanden, weil, seiner Meinung nach, der
Föderalismus – den Demokratismus längs nicht beinhaltet.61 In dem Werk
„Wir und Föderalisten“ tritt Schordania gegen die national-territorielle
Autonomie (also politische Selbstverwaltung) Georgiens. Er unterscheidet
kategorisch die territorielle und nationale Autonomien. Er hält die Nation
und Nationalität für Kulturelle Erscheinung und spricht sich für national-
kulturelle Autonomie aus. Also übers eine Autonomie sollte nicht Georgien,
sondern die georgische Nation verfügen unabhängig von dem Territorium.
Zu dessen Kompetenz sollten nur die kulturelle Probleme und Fragen der
Ausbildung gehören. Nationalismus ist für ihn nur noch reaktionäre,
aggressive Erscheinung. Artschil Dschordschadse und die Sozialist-
Föderalistische Zeitung „Znobis Purtseli“ (Informationsblatt) forderten eine
national-territoriale also politische Autonomie. Die sich auf Grund von
konstitutionellem Parlamentarismus und konstitutionellem Schutz den in
Georgien wohnenden Minderheiten basieren sollte. Das deutet noch mal
darauf hin, daß wenn die Sozialist Föderalisten die Werte der liberalen
Demokratien Europas anerkannten, befand sich Schordania und die
georgische Sozial-Demokraten unter dem utopischen Einfluß der russischen
Interpretatoren von Marxismus. Obwohl wir gar nicht beabsichtigen die
theoretisch-ideologische Diskussion anzuzetteln, muß wohl betont sein, daß
die nationale Staatlichkeit, sei das auch nur in der Form von Autonomie, gar
nicht in das politische Programm von N. Schordania und seinen
Parteigenossen hineinpaßte. Es muß aber erwähnt werden, daß seit 1905
zwischen den georgischen Sozial-Demokraten existiert eine Gruppe von
59
Bendianischwili, A., a .a. O., S. 179.
60
Siehe: Dschordschadse, A., Werke, Bd. I. Tbilissi, 1911, S. 88. (Auf Georgisch).
61
Ani ( N. Schordania – Pseudonym)., Wir und die Föderalisten, Kutaisi, 1917. (Auf Georgisch).

29
Autonomisten geleitet von W. Dartschiaschwili.62 Es ist zu vermuten daß die
Ansichten von W. Dartschiaschwili eben von der Genfer Konferenz
beeinflußt wurden. Er befand sich in der Delegation von Sozialdemokraten,
hat aber die Tagung mit seinen Genossen nicht verlassen.63
Die Föderalistische Partei war dem Inhalt nach, von Anfang her Nicht
homogen. Schon seit der Gründung und auch während der ersten Revolution
war ein rechts orientierter, nichtsozialistischer, national-liberal gesinnter
Flügel zu erkennen (Zu denen gehörten z.B. Sch. Amiredschibi, S. Kedia
usw.). Außerdem wirkten in den Zeitschriften „Znobis Purzeli“ und
„Sakartwelo“ die Persönlichkeiten mit, die nie die Mitglieder der sozialist-
föderalistischer Partei gewesen waren. Während der ersten Revolution hat
eine Gruppe von Adeligen und Bürgern versucht die „National-
Demokratische“ Partei zu gründen. 1906 in der Zeitschrift „Znobis Purzeli“
wurde das Programm „der Konstitutional-Demokratischer Partei der
georgischen Autonomisten“ veröffentlicht. Die georgische Historiographie
hält das Programm zu erstem Dokument der National-Demokratischen
Partei64. Die Ideologische Leitung von dieser Partei wurde von Ilia
Tschawtschawadse übernommen. Die national-Demokratisch gesinnte
Persönlichkeiten dachten ihre Partei national und über den Klassen stehend
zu haben.65 Also war das Hauptziel von den Nationaldemokraten eine
national-staatliche Organisierung zu erreichen, sei das auch in der Form von
der Autonomie. Im September 1905 hat sich eine Versammlung der in
Semstwo (Landstände) und Selbstverwaltung der Städte wirkenden
Persönlichkeiten statt, die eigentlich fürs föderale Einrichtung Rußlands
stimmte. Im April 1906 wurde Ilia Tschawtschawadse zum Mitglied der
Staatsduma gewählt, wo er das Recht auf die Selbstverwaltung für die
nichtrussischen Völker forderte. 1907 hat die Haager Friedenskonferenz die
Petition des georgischen Volkes erhalten. Als Initiatoren müßte man W.
Tscherkesischwili betrachten.66 Die in London tätige „Gesellschaft für
beschützen Georgiens“ hat das Dokument an den Professor der Universität
zu Brüssel Herrn Ernest Nys übergegeben. Der seinerseits die Petition der
Konferenz präsentierte.67 In der Petition wurde erklärt, daß Rußland
62
Sidamonidse, U., Die Historiographie der Bürgerlicher Bewegung in Georgien und des Sieges
sozialistischen Revolution, Tbilissi, 1970, S. 161.(Auf Georgisch).
63
Schwelidse, D., a. a. O., S. 125-149.
64
Schwelidse, D., a. a. O., S. 200; Mamulia, G., Ilia Tschawtschawadse und die National-Demokratische
Bewegung in Georgien, Zeitung “Literaturuli Sakartwelo” (Literarisches Georgien), 1989, 27 Januar. (Auf
Georgisch).
65
Weschapeli, G., Die National Demokratische Partei, Tbilissi, 1918. (Auf Georgisch).
66
Laschischwili, G., Memuaren, S. 240-246.
67
Den Text der Petition und das Gutachten von Prof. Nys siehe: M. von Tsereteli, Georgien und der
Weltkrieg, Weimar, 1916, S.S. 59-65; 69-71.

30
einerseits hat die Bedingungen des Traktats von Georgiewsk verletzt, was
eben Georgien das Recht einräumt die Selbstverwaltung wiederherzustellen.
Es wird ausführlich der Verlust der Autokephalie mitgeteilt. Die
rusiphikatorische Politik. Die Repressalien während der Tilgung der
Revolution von 1905 und die physische Abrechnung die von der russischen
Regierung eben durch nationales Merkmal durchgeführt waren…
Also in der georgischer Nationalbewegung entsteht eine Tendenz auf
Grund des Völkerrechtes eine Präzedenz zu schaffen, daß die Frage
Georgiens zum Besprechungsthema der Internationalen Gremien würde.
Und damit eine Fragestellung zur Tagesordnung bringen, daß Georgien
Juristisches und Moralisches Recht bekomme die Staatlichkeit
Wiederherzustellen. Obwohl die Autoren der Petition, mit der Rücksicht auf
die Realität, sich nur mit der Forderung der politischen Autonomie
beschränkten, hat Rußland seinen Einfluß benutzt daß die Petition gar nicht
zur Tagesordnung der Haager Konferenz kam…
Es ist Erwähnenswert, daß die Forderung der Autonomie so ein
gerechtes und triftiges politisches Instrument war, daß es sogar ins Lager
von georgischen Menschewiki Hineindrang Nach der Revolution 1905 in
den Ansichten von Menschaviki ist eine Evolution zu beobachten. Am
Anfang gingen die Forderungen von N. Schordania nicht weiter als
Selbstverwaltung des Bezirkes von Kaukasus. Aber selbstverständlich war
die Revolutionspartei in den demokratischen Institutionen und populären
Gedanken interessiert, um sie als ein Instrument zu verwenden. Im 1906
haben die georgischen Sozialdemokraten das Recht auf die kulturelle
Autonomie gefordert, weswegen hat Tschchenkeli seitens Lenin scharfes
Rügen verdient.68
Die Autonomistenbewegung und ihre Ideen waren in ganz Rußland
populär, deswegen sah sich die RSDAP die sich für den demokratischen
Zentralismus aussprach gezwungen bei der zweiten Tagung die nationale
Frage zu besprächen. Wenn es dem „Bund“ das föderale Aufbau der Partei
abgesagt wurde, so schloß das „Programme Minimum“ das Recht auf die
örtliche Selbstverwaltung in sich. Das hieß die Muttersprache in der
Ausbildung verwenden zu dürfen und das sattsam bekannte Recht der
Nationen auf die Selbstbestimmung. Martov forderte die Selbstverwaltung
für so große Einheiten wie Finnland, Polen, Litauen und Kaukasus. Die
georgischen Bolschewisten: Ph. Macharadse und A. Tsulukidse kategorisch
protestierten gegen beliebiger Autonomie, da ihrer Meinung nach dadurch

68
Lenin, Über die kulturell-nationale Autonomie, Werke, Bd. XXIV, Moskau, 1973, S. 174-178. (Auf
Russisch)

31
werde das georgische Proletariat von der restlicher Welt abgegrenzt und nur
noch die Einheit des Proletariats Imstande war dem Weltkapitalismus
Widerstand zu leisten. Die Regelung der nationalen Frage beabsichtigten sie
nur nach dem Sieg der Sozialistischen Revolution.69 Die Idee des föderalen
Aufbau Rußlands unterstützte die Zeitschrift von russischen „Menschewiki“
„Natschalo“ (Beginn), was dem Anführer der Autonomistengruppe von
georgischen Sozialdemokraten W. Dartschiaschwili die Möglichkeit gab
1906 auf der IV Tagung der Kaukasischen Sozialdemokraten die Autonomie
zu verlangen. Letztendlich blieben die „Bolschewisten“ für den politischen
Zentralismus, die „Menschewiki“ aber unter der Anleitung von N.
Schordania sprachen sich für die örtliche Selbstverwaltung Kaukasiens.70 In
diesem Rahmen aber sollten sich die Georgier, Armenier und
Aserbaidschaner der kulturellen Autonomie begnügen. Auf solche Weise
gerieten die georgische „Menschewiki“ in den Lager von Autonomisten. Der
Anführer der Föderalisten begrüßte diesen Umstand, den als eine wichtige
Etappe auf dem Weg zu Vereinigung von den georgischen politischen
Kreisen um die nationale Idee bewertete. Obwohl er die Sozialdemokraten
wegen der Inkonsequent kritisierte. Artschil Dschordschadse sah daß die
„Menschewiki“ trotz dem weit von der Forderung einer politischen
Autonomie waren, aber damit wollte er sie ins allgemeine Prozeß einziehen
und forderte den N. Schordania auf, sein Programm endgültig zu
formulieren und der angefangenen Sache nacheinander zu folgen.71
Die nationale Frage bekam in Rußland immer wieder mehr und mehr
Bedeutung. So, daß in der Phase neuen revolutionären Aufschwunges der
ihre Aufmerksamkeit sogar die Bolschewisten schenkten. Die Bolschewisten
waren für den „Demokratischen Zentralismus“ in Parteiaufbau, das sollte
natürlich den politischen Zentralismus des zukünftigen sozialistischen
Staates sichern. Aber unter dem Druck der allgemeinen Meinung der
nichtrussischen Völker Rußlands sollten sie nachgeben und wenigsten
äußerlich sich zu dem „Selbstbestimmungsrecht“ der Nationen neigen.
Damit sollte man die Sympathien der Minderheiten gewinnen und auch ein
Modus schaffen der den „Demokratischem Zentralismus“ entsprächen
würde. Vor so einer schweren Aufgabe stand der damalige Kommissar der
Bolschewisten für nationale Fragen Iosipf Stalin. Diesem Zweck diente auch

69
Zeitung “Mogsauri” (der Wanderer), 1905, №17; № 21; № 30; Zeitung “Tschweni Zchowreba” (Unser
Leben), 1906, № 9; №11; №13; Achobadse, E., Von der Geschichte der Nationaler Frage in Georgien
(1900-1917), Tbilissi, 1965, S.S. 113-147. (Auf Georgisch).
70
Achobadse, E., a. a. O., S. 246-256; Die Evolution des Ansehens von N. Schordania siehe bei:
Sidamonidse, U., a. a. O., S.S. 174-186.
71
Dschordschadse, A., Werke, Bd. 1, S.S. 269-271.

32
sein sattsam bekanntes Werk „Marxismus und die Nationale Frage“. Stalin
äußerte die Meinung, daß die endgültige Lösung der nationalen Frage nur
durch den Sozialismus zu ermöglichen war. Aber es war durchaus möglich
auch im Kapitalismus die Auseinandersetzungen bis zum Minimum zu
vermeiden. Das sei die Demokratisierung und Möglichkeit der freien
Entwicklung der Nation. Voll Zynismus schreibt er: „Die Nation darf sich
autonom einrichten, sie darf sich sogar abtrennen, das bedeutet aber nicht,
daß sie so unter allen Bedingungen handeln soll, daß die Autonomie, die
Separation für sie, für ihrer Mehrheit immer Nutzen bringen wird...“.72 Es
ist Eindeutig, daß damit übergab Stalin der Partei die Funktion des Richters
und Fürsorgers für diejenige Nationen die zu ihrem Unglück und Ungunsten
die falsche Entscheidung – der Unabhängigkeit treffen würden. Wie gesagt
die Bolschewisten sollten der allgemeinen populären Meinung nachgeben,
insofern konnte Stalin nicht gegen Autonomie Auftreten. So bevorzugt er
der auf dem nationalem Merkmale gegründeter Autonomie, „was die
Menschen und Werktätigen von Einander abtrennt“, die so genannte
territoriale Autonomie die die Bevölkerung einigt und trennt aber, nur der
Klassenangehörigkeit nach ab. Weil eben nur so eine Abtrennung eine
progressive Erscheinung sei. Stalin betrachtete die Nation separat von dem
Staat, als eine ökonomische Einigung. Laut seiner These sind die Tschechen
und Polen zu den Nationen in Österreich formiert, die Kroaten – in Ungarn,
Letten, Latten, Ukrainer, Georgier und Armenier in Rußland.73 Was in
Westeuropa eine Ausnahme war, wurde in Osten zu einer Regel. Deswegen
unterscheidet er die territoriale und nationale Autonomie von einander.
Unter dem Begriff nationale Autonomie – meinte er tatsächlich die
kulturelle. Diese Einstellung diente dem pragmatischen Ziel der Schaffung
einer sozialistischen Nation. Sein Versuch die Adscharer74 und
Kobuletiner75 als separate Nationalitäten zu bezeichnen hält keinerlei Kritik
stand.76 Die Lösung der nationalen Frage im Kaukasus bedeutete für Stalin,
die Einschaltung der verspäteten Nationen in die Bahn von höherer Kultur.77
Hier erscheint Stalin als typischer Vertreter des integralen Nationalismus. In
dieser Hinsicht begrüßte er die Idee der Autonomie des Kaukasischen
Bezirkes. Es war dabei gemeint, daß die Forderung der Autonomie separat
für Georgien oder anderen zwei Transkaukasischen Nationen, eine
72
Stalin, J. W., Werke, Moskau, 1946, Bd. 2, S. 312. (Auf Russisch)
73
Stalin, J. W., a.a.O., S. 305
74
Ethnische Georgier der muslemischer Konfession.
75
Kobuleti - Eine Stadt in der georgischen Provinz Adscharien, bewohnt von den ethnischen Georgiern -
Gurier. (Guria – eine Provinz, besiedelt von den ethnischen Georgiern christlich orthodoxer Konfession).
76
Stalin, J. W., a.a.O. S. 350.
77
Ebenda, S. 351.

33
Bürgerliche also reaktionäre Fragestellung sei. Er war fest davon Überzeugt,
daß die nationale Frage in Rußland, von dem Agrarproblem abhängig war
und daß die Regelung des Agrarproblems automatisch die nationalen
Probleme lösen würde.78 Obwohl zur Zeit war er auch gezwungen, die
Notwendigkeit der Polnischen und Ukrainischen Autonomien zu gestehen.
Also hat Stalin den Transkaukasus den beiden gleichgestellt.79 Das
äußerliche Zustehen zu der Problem der Autonomie und daß versprächen –
nach der sozialistischen Revolution das Problem zu lösen gab den
Bolschewisten die Möglichkeit auch in der Peripherie von Rußland mit
einer einheitlicher revolutionärer Front aufzutreten.
Um kurz zu fassen, das Problem der nationalen Selbstverwaltung zu
der Zeit war in Rußland ziemlich aktuell. Die zu dem Imperium gehörende
nichtrussische Völker und Nationen versuchten ihr Recht, jeder auf eigene
Art und Weise, zu erkämpfen. Für die georgische nationale Bewegung die
nationale Frage bedeutete die Wiederherstellung der Staatlichkeit, wenn
auch in der Form einer Autonomie. Die georgischen „Menschewiki“
schenkten dem Problem keinerlei Aufmerksamkeit, hielten es nicht zu
prioritär und lange Zeit hatten das gar nicht zu ihrer Tagesordnung gebracht.
Deswegen in den Problemen der Staatlicher Bedeutung waren sie ständig ein
Schritt später und teilten die Meinung post factum mit der Rücksicht auf die
Theorie des Klassenkampfes und die von proletarischem Internationalismus.
So eine Einstellung spricht dafür, daß die georgischen „Menschewiki“
handelten nicht als eine georgische Partei, sondern – auch in der Tat – ein
Bestandteil der russischen sozialdemokratischen Partei blieben. Insofern war
für sie der Standpunkt - die russische Staatlichkeit - die natürlich die
Staatlichkeit Georgiens gar nicht beabsichtigte.
1912 willigte die RSDAP die Autonomie des Kaukasus und waren die
Bolschewisten und Menschewiki sich in Prinzip einig. Im Gegenteil
forderten die Sozialist-Föderalisten in der Staatsduma die Autonomie
Georgiens.80
Die Sozialist-Föderalisten von Anfang her waren eine
Blockorganisation. Die Unterschiedliche, nichtsozialistische Position in dem
sozialen Bereich und Forderung der völligen Unabhängigkeit Georgiens, war
ein Grund des Abtrennens von der Partei eines national-demokratischen

78
Ebenda, S.319.
79
Es ist erwähnenswert, daß die heutigen sogenannten “ethnischen Konflikte” im Transkaukasus
tatsächlich eben die Folgen der Stalinischen Auffassung von den “territoriellen Autonomien” sind und
unseres Erachtens, sollten eben in diesem Hintergrund von den Wissenschaftlern, oder Politiker untersucht
werden.
80
Siehe: Zeitung “Imereti” 1912, № 75; Bendianischwili, A., a. a. O., S.198.

34
Flügels. Obwohl die Nationaldemokratische Partei formell erst im 1917
ausgestaltet wurde, aber die Arbeit in dieser Richtung begann viel früher.
1913 wieder in Genf formierte sich eine Gruppe „Freies Georgien.“
Einer der aktivsten Mitglieder dieser Gruppe war P. Surguladse. Die
National-Demokraten forderten volle Unabhängigkeit Georgiens, aber mit
der Rücksicht auf die Realität machten zu ihrem Schwerpunkt die
vertragsmäßigen Beziehungen mit Russland. Aus taktischen Gründen
willigten sie auch die Autonomie in der Kaukasischen Föderation, aber als
Hauptziel beabsichtigten sie die volle Unabhängigkeit des Landes.81
In die Heimat zurückgekehrt handeln die Nationaldemokraten
entsprechend der Realität vor Ort. Petre Surguladse aber bleibt in Genf und
soll eine Wichtige Aufgabe erfüllen. Er sollte aktive politische Tätigkeit
betreiben bezüglich der Mitglieder der Mittelmächte, um von denen eine
Zusage zu erhalten im Falle des Sieges die Unabhängigkeit Georgiens
anzuerkennen. Er hat Kontakte aufgenommen mit ehemaligem Anarchisten,
in Deutschland studierenden Assyriologen Michail Tsereteli und den jungen
Fürsten Giorgi Matschabeli, die in Berlin mit der Zustimmung von
Regierung Deutschlands ein „Komitee der nationaler Unabhängigkeit
Georgiens“ gründeten. Das Hauptziel der Organisation war von den
Regierungen Deutschlands und der Türkei die Garantien zu erhalten, daß im
Falle des Sieges seitens der Mittelmächte Georgien zu einem unabhängigen
politischen Organismus anerkannt würde. Es sollte auch gesagt sein, dass
eine andere Gruppe der georgischen Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens, angeführt von einem ebenfalls ehemaligen Anarchisten Warlam
Tscherkesischwili, analogische Tätigkeit begangen hat, aber bezüglich der
Entente Mitglieder…
Die Tätigkeit des „Komitees der nationalen Unabhängigkeit
Georgiens“ passte aber ganz gut in die so genannte
„Revolutionierungspolitik,“ welche die Deutsche Regierung gegenüber den
Peripheriestaaten Russlands betrieb. Der Kriegsverlauf bis Ende des Jahres
1918 gab die Möglichkeit die Tätigkeit des „Komitees“ als im Prinzip
erfolgreich zu bewerten. Das Hauptziel wurde erreicht am 26. Mai 1918 hat
Georgien Unabhängigkeit erklärt, daß mittels eines provisorischen Vertrages
(28 Mai 1918) von Deutschland de facto anerkannt wurde. Auf dieser
Grundlage erfolgte die Unterzeichnung des –russisch-georgischen
Abkommens am 7. Mai 1920, auf derselben Grundlage wurde Georgien
de jure von den führenden Ländern der Welt anerkannt.

81
Tschchikwischwili, G., Die National Demokratische Partei Georgiens im Kampf um die national-
staatliche Unabhängigkeit, Tbilissi, 1992.

35
Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag „Zur Geschichte des


Unabhängigkeitskampfes, der nationalen Bewegung und zum Problem der
Wiederherstellung der Staatlichkeit in Georgien 1801-1914” stellt eine
ausführliche Schilderung der Prozesse dar, welche sich in der Zeit von 1801
bis 1914 in Georgien abgespielt haben. Da diese Ereignisse für europäische
Historiker kaum bzw. weniger bekannt sind, habe ich mich zunächst mit der
Schilderungschronik der Ereignisse beschränkt, wenn diese mitunter auch
Einschätzungselemente und Bemerkungen enthält.
Der Beitrag bietet die Periodisierung der Georgischen Nationalen
Befreiungsbewegung. Auf der Grundlage der georgischen Quellen und
Fachliteratur wird die Entwicklungsdynamik der Gesellschaftlichen
Meinung verfolgt, ebenso wie die ideologische und strategische Einstellung
einzelner politischen Parteien zur Frage der Staatlichen Unabhängigkeit
bzw. der Autonomie. Besondere Aufmerksamkeit wird der Einstellung
georgischer Sozial-Demokraten gewidmet, indem eindeutig darauf
verwiesen wird, dass die georgischen Sozial-Demokraten, die 1918 die
Staatsgewalt übernommen haben, niemals eine selbstständige Partei
dargestellt haben. Die SDP war nur eine georgische Fraktion der RSDAP.
Im ähnlichen Kontext wird auch die nationale Einstellung der georgischen
Bolschewiki behandelt. Besonderer Akzent liegt auf dem Werk des
damaligen Anführers der georgischen Bolschewiki J. Stalin „Marxismus und
die Nationalfrage.“ Dieses Werk wird auch insofern kritisch betrachtet, weil
es deutlich markierte Aussagen enthält, welche sich auf die heutigen
Konflikte in der Kaukasusregion beziehen, d. h. diese Konflikte sollen (oder
auch müssen) im Kontext der Stalinschen „Nationalpolitik“ betrachtet
werden.

Wir halten es für notwendig die „Nationale Politik“ von Stalin auch
weiterhin zu erforschen. Es stellt einen entscheidenden Faktor der im
Kaukasus bestehenden Konfliktgenesis dar. Es ist weitgehend bekannt, dass
die Bolschewiki jeden ihrer Schritte auf eine theoretische Grundlage gebettet
hatten. Darum erweist es sich unseres Erachtens als wichtig, neben der
wissenschaftlichen Erforschung von Leninismus und Stalinismus auch die
theoretischen Ansichten des Regimes zu studieren. Die Schrift von Stalin

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„Marxismus und die Nationalfrage“ gilt als Manifest der Nationalpolitik der
Bolschewiki und darum ist ihre tiefgehende Analyse unbedingt erforderlich.

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