ARBEITSRECHT
Sommersemester 2020
LV-Nummer 101 357, 2-st., 3-credits
➔ Schutzfunktion
➔ Interessenausgleich - Friedensfunktion
➔ Kartellierungsfunktion
➔ Weiterentwicklung des Arbeitsrechts
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 17
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.2 KollV: Rechtswirkung
§ 11 Abs 1 ArbVG: „unmittelbar rechtsverbindlich“
➔ NORMWIRKUNG: KollV = Gesetz im materiellen Sinn
➔ KollV = „Normenvertrag“: am wichtigsten:
normativer Teil: Auslegung wie Gesetz - §§ 6 f ABGB;
(vgl. auch § 43 Abs 3 ASGG: amtswegige Berücksichtigung)
➔ schuldrechtlicher Teil: Beziehungen nur zwischen KollV-
Parteien (Auslegung wie Vertrag, §§ 914 f ABGB):
Friedenspflicht (kein Arbeitskampf während Geltungsdauer), Einwir-
kungspflicht (gegenüber jeweiligen Verbandsmitgliedern), Umdeutung
unzulässiger normativer Bestimmungen
➔ Normsetzungsbefugnis (sonst nur für Gesetz- bzw. Verord-
nungsgeber) nicht ausdrücklich verankert, aber (nach mittlerweile
unstrittiger Auffassung) verfassungsrechtlich unbedenklich
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 18
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.3 Verhältnis and. R.-Quellen
§ 3 ArbVG: GÜNSTIGKEITSPRINZIP
➔ Zwingende Wirkung (Mindeststandard!): Abweichung
durch nachrangige Regelung nur bei Günstigkeit für AN
➔ Günstigkeitsvergleich: nur zwischen rechtl. und sachl.
zusammenhängenden Regelungen (= Gruppenvergleich):
zB. Entgelt, Aufwandsentschädigung, Beendigungsvorschriften
• Kein Einzelvergleich („Rosinenpicken“) oder Gesamtvergleich (zB.
weniger Entgelt, dafür Erhaltung des Arbeitsplatzes)
• Objektiver Maßstab: Zweck der Vorschrift, nicht subj. Einschätzung
➔ Ausnahmsweise ORDNUNGSPRINZIP: KollV kann
Günstigkeit ausschließen (historisch zB. „Lohn-Preis-Abkommen“
zur Eindämmung von Inflation)
➔ Rspr. erlaubt (ausnahmsweise) auch dispositive Wirkung (?)
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 19
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.4 KollV: KollV-Fähigkeit
EX-LEGE:
Gesetzliche Interessenvertretungen (§ 4 Abs 1 ArbVG)
• Gegnerunabhängigkeit (Freiberuflerkammern nur auf AG-
Seite)
• insb. WK in ihren räuml. (WKO, Landes-WK)/ fachl. Unter-
gliederungen (Fachverbände [Bundes-], Fachgruppen
[Landesebene])
Juristische Personen öffentlichen Rechts als AG (§ 7
ArbVG): sofern nicht VBG und keine andere KollV-Angehörigkeit
(insb. bei Gewerbeberechtigung: WK-Mitgliedschaft), insoweit „Firmen-
KollV“
Vgl. auch Sonderregelungen für bestimmte Bereiche,
zB. § 48 Abs 5 ORF-G, § 108 Abs 3 UG („Dachverband“)
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II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.4 KollV: KollV-Fähigkeit /2
kraft ZUERKENNUNG: (§ 5 ArbVG: BundesEA –
Überprüfung durch Beschwerde an BVwG bzw. VwGH)
freiwillige Berufsvereinigungen (§ 4 Abs 2 ArbVG)
• Regelung der Arbeitsbedingungen als Aufgabe
• Interessenvertr. in größerem fachl./räuml. Wirkungsbereich
• maßgebende wirtschaftl. Bedeutung (Mitglieder, Tätigkeit)
• Gegnerunabhängigkeit
Vereine als AG (§ 4 Abs 3 ArbVG): maßgeb. Bedeutung
(Mitglieder, Tätigkeit) im betreffenden Berufszweig
Vorrangregeln:
➔ Freiw. Berufsvereinigung vor gesetzlicher IV (§ 6 ArbVG)
➔ AG-KollV-Fähigkeit jurist. Pers./Vereine nur subsidiär
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 21
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.5 KollV: Formelles
Abschluss
Willensübereinstimmung, Schriftform: + Unterschrift der
zuständigen Organe der KollV-Parteien
Hinterlegung beim Arbeitsminist. (§ 14 Abs 1, 2 ArbVG)
Kundmachung
im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“ (§ 14 Abs 3 ArbVG)
➔ § 11 Abs 2 ArbVG: Wirksamkeitsbeginn
Einreihung im KollV-Kataster
Übermittlung an alle nach ASGG zuständigen Gerichte (durch BM)
bzw. Statistik Austria, gesetzl. Interessenvertretungen (Hinterleger)
➔ Elektron. Zugang durch KollV-Parteien (§ 7 LSD-BG)
➔ Auflage des KollV im Betrieb durch AG (§ 15 ArbVG)
vgl. auch Verwaltungsstrafe nach § 160 ArbVG
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II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.6 KollV: Inhalt - Allgemeines
Taxativer Katalog des § 2 Abs 2 ArbVG
➔ Schuldrechtlicher Teil (Z 1)
▪ Durchführungs- bzw. „Friedenspflicht“
▪ Einwirkungspflicht gegenüber jeweiligen Mitgliedern
▪ evt. Umdeutung unzulässiger normativer Bestimmungen
➔ Normativer Teil:
„Inhaltsnormen“ (Z 2)
Änderung von Ansprüchen für ausgeschiedene AN (Z 3)
betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften (Z 4 und 5)
gemeinsame Einrichtungen der KollV-Parteien (Z 6)
sonstige Angelegenheiten (Z 7)
▪ insb. Zulassungsnormen (vgl. AZG, ARG)
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 23
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.6 KollV: Inhalt - Einzelfragen
➔ „Inhaltsnormen“: OGH: alles, was typischer, wesentlicher
und regelmäßig wiederkehrender Inhalt eines Einzelar-
beitsvertrages ist
➔ Abschlussnormen: nicht Inhalt, daher nur schuldrechtlich,
zB. Wiedereinstellungsklausel für wegen Streiks entlassene AN
➔ Schiedsgerichtsklauseln: nicht im Vorhinein und nicht für
Betriebsverfassungsstreitigkeiten (vgl. § 9 Abs 2 ASGG)
➔ Schlichtungsklauseln: vorheriger Schlichtungsversuch als
Prozessvoraussetzung zulässig
➔ Verfallsklauseln: Ausschluss des Anspruchs (und nicht bloß der
Geltendmachung): nicht bei zwingenden gesetzlichen Fristen (zB. § 34
AngG); sonst nach OGH nur bei Sittenwidrigkeit unzulässig (zB.
< 3 Monate), uzw. nicht nur bei KollV-Ansprüchen, sondern auch zwin-
genden gesetzlichen Ansprüchen (zB. § 10 AZG) – sehr umstritten
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 24
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.6 KollV: Inhalt – Einzelfragen /2
➔ „Istlohnklauseln: Unterscheidung „qualifizierte“ (Istlohnerhöhung
durch KollV normativ und zwingend – unzulässig: Istlöhne sind
Gegen-stand der Privatautonomie!) und
schlichte Istlohnklausel (Inflationsabgeltung darf geregelt
werden, wirkt normativ, Istlohn bleibt danach aber dispositiv),
daher dürfen auch Aufsaugungsklauseln vereinbart werden (im Vor-
hinein nach Rspr. aber nur für überschaubare Zeit: ~ 3 Erhöhungen)
➔ Dynamische Verweisung auf andere Normsetzung (zB.
Gehälter nach VBG, anderem KollV) nach Rspr. unzulässig (?)
➔ Differenzierungs-/Organisationsklauseln: Besserstellung von
Gewerkschaftsmitgliedern unzulässig (§ 12 ArbVG, § 1 Abs 1 ATerrG)
➔ Betriebsverfassungsrechtliche Regelungen: Rspr./hM.:
„absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht“: keine Erweiterung der
Mitbestimmung (vgl. § 2 Abs 2 Z 4, 5 ArbVG), aber: § 29 ArbVG (?)
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 25
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.7 KollV-Unterworfenheit
➔ Kollektivvertragsangehörigkeit: § 8 ArbVG
im Rahmen des von den KollV-Parteien festgelegten (insofern aber
nur – entspr. sachl. Rechtfertigung vorausgesetzt – einschränkbaren)
räumlichen, fachlichen, persönlichen Geltungsbereichs, wenn
Z 1: AG war Mitglied KollV-Partei bei Abschluss oder wird
es später während Geltung des KollV
• Zuordnung bei von WK abgeschl. KollV nach (erforderl., § 2 Abs 13
GewO 1994!) Gewerbeberechtigung (WK entscheidet ggbf. selbst)
• Bei Wechsel zwischen freien Berufsvereinigungen nach Rspr. Entgelt-
schutz wie bei Betriebsübergang analog § 4 Abs 2 Satz 1 AVRAG
Z 2: Übernahme des Betriebes eines KollV-angehörigen AG
• Nur wenn Erwerber selbst keinem KollV unterliegt, sonst § 4 AVRAG
Z 3: Verbundene Gewerbe: bei fachübergreifenden Leistungen (zB.
Gärtner/Florist): KollV des jew. ausgeübten Wirtschaftsbereiches
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II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.7 KollV-Unterworfenheit /2
➔ Kollektivvertragsangehörigkeit AN:
▪ AN war/wird Mitglied der KollV-Partei: § 8 Z 1 ArbVG
▪ Sonst: Außenseiterwirkung, wenn nur AG KollV-
angehörig (bis AN selbst einem [allenfalls anderen] KollV
unterliegt): § 12 ArbVG
➔ Mehrfach-Kollektivvertragsangehörigkeit AG:
▪ § 9 ArbVG: wenn Trennung: Tarifvielfalt;
sonst Tarifeinheit: KollV des für Betrieb wirtschaftlich maßgeb.
Bereichs (evt. Klärung durch BV), sonst KollV mit (Ö-weit) mehr AN
▪ § 10 ArbVG: AN ist in mehreren Bereichen mit verschie-
denen KollV tätig (Mischverwendung): Tarifeinheit:
Überwiegende Beschäftigung, sonst KollV mit (Ö-weit) mehr AN
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 27
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
1.8 KollV: Sonst. Geltungsfragen
➔ Sonstige Kollisionsregeln
▪ Im Zweifel Grundsatz der Tarifeinheit
▪ Mehrere KollV mit überschneidendem Geltungsbereich:
Allgemeine Regeln: lex posterior, lex specialis
▪ Mitgliedschaft bei mehreren freiw. Berufsvereinigungen:
zeitl. frühere Mitgliedschaft; bei Wechsel Analogie zu Betr.übergang?
➔ Geltungsdauer
▪ Beginn: Autonome Regelung, sonst § 11 Abs 2 ArbVG
▪ Ende: * Autonome Regelung (Kollektivvertrag!)
* sonst: Kündigung nach § 17 ArbVG
* Verlust der KollV-Fähigkeit: sofortiges Erlöschen
▪ Nachwirkung: § 13 ArbVG: nur mehr dispositiv
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 28
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
2. Substitution KollV
2.1 Satzung (§§ 18 – 21 ArbVG)
➔ „Erklärung zur Satzung“: KollV auch außerhalb seines
Geltungsbereiches Rechtsverbindlichkeit zuerkannt
➔ Funktion: Erfassung von AG-Außenseitern (KollV durch
freiw. Berufsvereinigung abgeschlossen!); Schaffung
gleicher Bedingungen in Branche
▪ alle oder einzelne (zusammenhängende) Bestimmungen
▪ KollV: * muss gehörig kundgemacht und in Geltung sein
* überwiegende Bedeutung erlangt haben
* darf nicht von Verein als AG abgeschlossen sein.
▪ Arbeitsverhältnisse im Wesentlichen gleichartig; nicht
bereits von anderem KollV (außer „GeneralKollV“) erfasst
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 29
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
2. Substitution KollV /2
➔ Antrag einer KollV-fähigen Körperschaft (auch auf AG-
Seite: keine Wettbewerbsverzerrung durch „Außenseiter“)
➔ Bundes-EA (§§ 141ff ArbVG; s unten V.): Verordnung
• Rechtswirkung wie KollV, Kundmachung im BGBl II
• Ende mit Wirksamwerden eines KollV
2.2 Mindestlohntarif (§§ 22 – 25 ArbVG)
➔ Mindestentgelt/-Auslagenersatz durch Verordnung
• Nur wenn Keine KollV-fähige AG-Körperschaft (zB. Haus-
gehilfen/angestellte) und auch keine Satzung
➔ Antrag KollV-fähiger AN- Körperschaft - BundesEA
• Angemessenheit, Entgelt in verwandten Wirtsch.zweigen
• Rechtswirkung, Kundmachung wie Satzung
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 30
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
2. Substitution KollV /3
2.3 Lehrlingsentschädigung (§§ 26–28 ArbVG)
➔ Verordnung des Bundes-EA auf Antrag KollV-fähiger
Körperschaft
• Kein KollV wirksam
• Bedachtnahme auf gleiche/ ähnl. Lehrberufe/Ortsgebrauch
• Rechtswirkung, Kundmachung, Veröffentlichung wie MLT
2.4 Kollektive Gestaltungsmittel bei Heimarbeit
➔ Heimarbeitsgesamtvertrag (§§ 43 - 50 HeimAG)
insb. Normierung der Arbeits-/Lieferbedingungen durch
schriftl. Vereinbarungen zwischen KollV-fähigen jurist. Per-
sonen; Günstigkeitsprinzip; Außenseiter- und Nachwirkung
➔ Heimarbeitstarif (§§ 28ff HeimAG): subsid. Regelg d. Ar-
beits-/Lieferbedingungen durch BundesEA; keine Nachw.
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 31
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
3. Betriebsvereinbarung
3.1 Begriff (§ 29 ArbVG)
▪ Schriftliche Vereinbarung
▪ zwischen Betriebsinhaber und (insb.) Betriebsrat
▪ in Angelegenheiten, deren Regelung der BV
durch Gesetz oder KollV vorbehalten ist
3.2 Funktion, Rechtswirkung (insb. § 31 ArbVG)
➔ Normsetzung auf betrieblicher Ebene
soweit nicht schuldrechtliche Bestimmungen:
➔ NORMWIRKUNG: Ausleg. wie Gesetz, GrundR-Bindung
➔ Relativ zwingende Wirkung: Günstigkeitsprinzip!
▪ Differenzierte Sonderregelungen bei Betriebsübergang
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 32
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
3.3 Betriebsvereinbarung: Inhalt
Gesetzliche Ermächtigung: zB. AZG (zB. § 4 Abs 8: 4-Tage-
Woche, § 4b: Gleitzeit), UrlG (zB. § 2 Abs 4: Urlaubsjahr),
vor allem aber § 97 ArbVG:
➔ Erzwingbare BV (Abs 1 Z 1 bis 6a, Abs 2)
• Abschluss, Änderung, Aufhebung bei Schlichtungsstelle
durchsetzbar (auf Antrag bei ASG einzurichten: Vorsitzende/r + je
2 Beisitzer, davon je 1 aus Betrieb, §§ 144ff ArbVG)
• Entscheidung gilt als Betriebsvereinbarung (§ 146 Abs 2)
• Beschwerdemöglichkeit an BVwG (auch in materiellen Fragen?
keine Rechts-, sondern Regelungsstreitigkeit)
• Keine Kündigung möglich, daher keine Nachwirkung
• Sozialplan (bei Betriebsänderung, § 109) nur wenn mind.
20 AN
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 33
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
3.3 Betriebsvereinb.: Inhalt /2
➔ Fakultative BV (Abs 1 Z 7 bis 26 ArbVG)
• Regelung auch vertraglich (uU. per Weisung) möglich
▪ Z. 24: „Maßnahmen iSd § 96 Abs 1“: „Notwendige BV“:
• ohne Zustimmung des BR (in Form einer BV!) darf BI
Maßnahmen nicht setzen
▪ Z. 24: „Maßnahmen iSd § 96a Abs 1“: „Notwendige BV
mit Zwangsschlichtung“:
• Zustimmung des BR erforderlich, kann aber durch Ent-
scheidung der Schlichtungsstelle ersetzt werden
Ermächtigung durch KollV: nur Materien, die durch KollV
geregelt werden können (auch für ausgeschiedene AN –
Vertretungslegitimation für BR?); nur fakultative BV
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 34
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
3.4 Betriebsvereinb.: Geltung
➔ Räumlich, fachlich: Betrieb(steil), vgl. §§ 34 f ArbVG
grds. keine Außenseiter;
Differenzierungen müssen sachlich sein
➔ Persönlich: AN iSd § 36 ArbVG, allenfalls mit entsprech.
Gruppenzugehörigkeit (Arb./Ang., vgl. § 113 Abs 1 ArbVG)
➔ Zeitlich: Beginn: je nach BV, subsidiär Tag nach Unter-
zeichnung (§ 30 Abs 2 ArbVG); Kundmachung ist
konstitutive Voraussetzung für Normwirkung
• Ende: je nach BV, subsidiär Kündigung (schriftlich, Frist,
drei Monate, § 32 Abs 1)
• Keine Kündigung bei erzwingbaren BV (§ 32 Abs 2),
Rspr. lässt aber Kündigungsvereinbarung zu (?)
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 35
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
3.4 Betriebsvereinb.: Geltung /2
➔ Nachwirkung der normativen Bestimmungen bei Kündi-
gung der BV (§ 32 Abs 3): bis neue BV/ neue Einzel-
vereinbarung geschlossen (auch wenn ungünstiger)
➔ Weitergeltung: (§ 31 Abs 4 - 7 ArbVG) bei:
• Betriebsübergang
• Verselbständigung von Betriebsteilen
• Zusammenschluss mit anderen Betrieb(steil)en („Ver-
schmelzung“): nur für zuvor erfasste AN
• Aufnahme in anderen Betrieb: personenbezogen für
jeweilige AN, außer im nunmehrigen Betrieb einschlägige
BV (auch wenn ungünstiger);
Weitergeltende Pensions-BV kann Erwerber kündigen
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 36
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
3.5. „Freie“ Betriebsvereinbarung
Unzulässig = keine Betriebsvereinbarung iSd § 29 ArbVG
Bei Formmangel, Abschluss durch unzuständiges Organ,
vor allem aber fehlender Ermächtigung:
Keine Normwirkung, zwingende Wirkung oder
Nachwirkung
Rechtliche Unerheblichkeit ?
➔ Bindungswillen des Betriebsinhabers („betriebl. Übung“)
? Vertrag zu Gunsten Dritter (AN): nicht bei Pflichten!
? Vertretung ohne Vollmacht: BR-Mitglieder handeln als
Organe nach ArbVG und nicht in eigenem Namen!
? Auslobung: einseitige Belohnung?
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 37
II. KOLL. RECHTSGESTALT.:
3.5. „Freie“ Betriebsvereinb. /2
➔ Konkludente Ergänzung/ Änderung des jeweiligen
Einzelvertrages („Vertragsschablone“)
• grds. auch bei neu eintretenden AN, allenfalls ergänzende
Vertragsauslegung
➔ (Vertrags-)Änderung nur mit AN-Zustimmung:
stärkere Bindung als bei (echter) BV!?
• Keine Beendigungsmöglichkeit für Betriebsrat
(Umdeutung in Änderungsvorbehalt?)
• Evt. Änderungsvorbehalt für AG: wie sonst bei einseit.
Gestaltungsrechten Ausübung nach billigem Ermessen
➔ Insgesamt: Konstruktion „Freie BV“ dogmatisch
fragwürdig und rechtspolitischer Nutzen zweifelhaft
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 38
III. BETRIEBSVERFASSUNG
1.1 Grundbegriffe
➔ II. Teil des ArbVG: (§§ 33 – 134b)
➔ V. Teil: Europäische Betriebsverfassg. (§§ 171ff ArbVG)
➔ VI./VII. Teil: Beteiligung der AN in der Europäischen
Gesellschaft/Genossenschaft (§§ 208ff, 254ff ArbVG)
Ziel: (Friedlicher) Interessenausgleich zum Wohl der AN
und des Betriebes (§ 39 Abs 1 ArbVG)
Rechtspolitische Funktion:
• stärkere Einbindung der AN/ ihrer VertreterInnen zur
Verbesserung der Arbeitsbedingungen
• damit Steigerung der Effizienz und des (zur Verteilung
verfügbaren) Ertrags sowie Sicherung der Arbeitsplätze
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 39
III. BETRIEBSVERFASSUNG
1.1 Grundbegriffe/ 2
Umsetzung in zwei Schritten:
1. Rechtliche Organisation der AN-schaft des Betriebes
(= Belegschaft)
➔ Betriebsverfassung regelt (Voraussetzungen zur)
Bildung von Organen
Kündigung RECHTSWIRKSAM
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 63
Kündigung RECHTSUNWIRKSAM
III. BETRIEBSVERFASSUNG
3. Befugnisse der AN-schaft
5. Mitwirkung wirtschaftliche Angeleg.
➔ Wirtschaftliche Information, Intervention, Beratung:
§ 108: erforderliche Unterlagen auf Verlangen,
Jahresabschluss (vgl. auch hier § 160)
➔ Betriebsänderungen: § 109 ArbVG
• ehestmögliche (idR. schriftl.) Information (vgl. auch § 160)
• wesentliche Nachteile für alle/ erhebliche Teile der AN
und > 20 AN in Betrieb dauernd beschäftigt:
• erzwingbare BV: „Sozialplan“ zur Verhinderung,
Beseitigung oder Milderung der wesentlichen Nachteile
auf Grund einer Betriebsänderung (außer Änderung der
Rechtsform/Eigentumsverhältnisse – Betriebsübergang!)
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 64
III. BETRIEBSVERFASSUNG
3. Befugnisse der AN-schaft
5. Mitwirkung wirtschaftliche Angeleg./ 2
➔ Mitwirkung im Aufsichtsrat: § 110 ArbVG: Drittelparität,
aber doppelte Mehrheit (Umgehung durch Auslagerung der
Entscheidungen in Ausschüsse);
BR-Ehrenamt vs.Haftung nach Gesellschaftsrecht?
➔ Einspruch gegen Wirtschaftsführung: § 111 ArbVG:
zunächst beim BI, aufschiebende Wirkung bei Betriebsstill-
legung, evt. Schlichtungskommission: Schiedsspruch = BV
➔ Anrufung Staatliche Wirtschaftskommission: § 112: in
Betrieben >400 AN, Vorschläge, Gutachten
Insgesamt Mitwirkung in wirtschaftl. Angelegenheiten am
schwächsten ausgeprägt: Eigentumsrecht des AG/ BI!
W.J. Pfeil: VL Kollektives Arbeitsrecht - SoSe 2020 65