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Holger Zaunstöck

Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert?


Die Genese popkultureller Praxis im Spannungsfeld von Aufklärung
und Stadtraum 1

Der Begriff des Populären war den Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts vertraut.
Über das Populäre wurde debattiert und gestritten, das Wort hat »Karriere ge-
macht«.2 Popularität umschreibt – zunächst – im 18. Jahrhundert aber andere
gesellschaftliche und kulturelle Phänomene als dies heute der Fall ist. Wie alle
Begriffe, mit denen wir Gesellschaftsphänomene bezeichnen, hat auch dieser eine
Geschichte. Und diese Wortgeschichte ist eine Genese, in der der Begriff des Po-
pulären differente Entwicklungsphasen durchlief und Bedeutungsgehalte besaß.
Eine »Theorie des Populären«3 beschrieb in der Zeit um 1800 also etwas gänzlich
anderes, als sie dies heute tun würde. Ausgehend von der Analyse dieser begriffli-
chen Diskrepanz, werden wir im Folgenden fragen, welche gesellschaftlichen
Phänomene im Jahrhundert der Aufklärung mit Konnexionen des Populären be-
zeichnet worden sind. Auf der Basis dieses Befundes ist dann zu prüfen, ob es in
der vormodernen Welt seit dem 17. Jahrhundert Entwicklungen und Handlungs-
felder gegeben hat, die eine Populäre Musikkultur im modernen Verständnis be-
gründeten, deren kulturelle Praxis wir erkennen und beschreiben können,4 und ob
in einem solchen Prozeß der Popularitätsbegriff sukzessive Wandlungen erfahren
hat. Damit ist die Frage nach der Geschichtlichkeit der Popkultur gestellt. Gibt es,
verbunden mit dem Namen Mozart und dem Ereignis Französische Revolution,
tatsächlich so etwas wie eine Sternstunde populärer Kultur, von der aus sich das
Phänomen bis in die Zeiten von mp3 und DVD ausgebreitet hat? Oder gilt es,
komplexere gesellschaftsgeschichtliche Prozesse zu beschreiben, aus denen heraus
in langer Dauer eine populäre Kultur entstanden ist? Diesen Fragen gehen wir am
Beispiel des Alten Reiches mit einem vergleichenden Blick auf die englischen
Verhältnisse durch zwei Fallstudien (Halle und Dessau) nach.

I.
In der wohl berühmtesten deutschen Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts, dem so
genannten ›Zedler‹, wird »Popularität« damit definiert, dass »sich einer durch al-
lerhand Künste des gemeinen Volckes Gunst zu erwerben bemühet. Es kann die
Popularität nach Beschaffenheit theils der Absichten, warum man des Pöbels
Gunst suchet, theils auch der Mittel, deren man sich dabey bedienet, theils endlich
der Person selbst, die der Popularität ergeben, entweder lobenswürdig, oder auch
gar straffbar seyn. Bey Beurtheilung also eines besonderen Falles hat man

Dr. Holger Zaunstöck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte • Band 9 • 2007


Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
elektronischen Systemen.
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Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert? 131

nothwendig auf diese drey Stücke zu sehen, und eines wohl gegen das andere zu
halten.«5 Diese Beschreibung des Populären rekurriert auf zwei verschiedene
Bedeutungsgehalte. Zum einen ist damit ein Vorgang umschrieben, bei dem sich
jemand um die »Gunst« des gemeinen Mannes, der unteren Schichten, bemüht. Es
bleibt offen, welche Profession der Anbieter beherrscht, welches Gewerbe er be-
treibt oder aus welchem Stand er kommt: All dies ist offen gehalten. Wichtig ist
generell der Bezug auf den »Pöpel«: Popularität wird also zu Beginn des 18. Jahr-
hunderts im Zusammenhang und in Verweis auf die niederen Stände der Gesell-
schaft gebraucht und es schwingt eine Konnotation mit dem schlechten Ge-
schmack und ungezügeltem Verhalten mit.6 Und dieser Vorgang des Werbens um
die Gunst und auch das Geld des gemeinen Mannes wird zum zweiten zugleich in
einen zwielichtigen, kriminalisierten Kontext gestellt: Oft, so ist dem Lexikonein-
trag zu entnehmen, geht es dabei nicht mit rechten Dingen zu. Populäres Handeln
ist an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert etwas moralisch und rechtlich
Zweifelhaftes, gleichwohl aber auch in der Gesellschaft des Alten Reiches weit
verbreitet.
Auch am Ende des Jahrhunderts hatte sich an dieser Beschreibung auf den ersten
Blick wenig geändert. Im ›Grammatisch-kritischen Wörterbuch‹ von Johann
Christoph Adelung, wird »populär« ganz ähnlich umschrieben, denn es ist »dem
größten Haufen, den niedern Classen der Glieder eines Staates verständlich; allge-
mein verständlich«. Doch Adelung geht dem Zeitgeist folgend in seiner Beschrei-
bung einen Schritt weiter: »Ein populärer Vortrag. Ein populärer Schriftsteller. [...]
Bey andern bedeutet es, der Art zu denken und sich auszudrucken des großen
Haufens gemäß.«7 Dies bezieht sich nun nicht mehr auf das Werben um den Pöbel
und dessen Geld, wie es Zedler noch beschrieben hat, sondern es geht ausschließ-
lich um die Bildung, die Belehrung des Menschen. Im Verlauf des Jahrhunderts
waren die Agitatoren der Aufklärung gezielt dazu übergegangen, die aufgeklärten
Ideale und die damit verbundenen praktischen Handlungsmaximen an den Mann
zu bringen. Die so genannte Volksaufklärung war zu einer zentralen Bewegung in
der Gesellschaft des Alten Reiches geworden, und sie wurde zunehmend mit dem
Begriff »Popularität« in Beziehung, ja in eins gesetzt.8 In diesem Kontext hat das
Populäre nun eine positive Konnotation erfahren: Der gemeine Mann war zu ei-
nem Wesen aufgestiegen, das prinzipiell bildungsfähig und auch bildungswillig
war. Populär hieß nun in erster Linie, den gemeinen Mann, das Volk aufzuklären.

II.
Die Volksaufklärung (in der im übrigen auch die Musik eine Rolle spielte)9 war
Bestandteil einer breiten Aufklärungskultur, deren sozialen Kern die so genannten
Aufklärungsgesellschaften bildeten. Dieser Oberbegriff versammelt eine Reihe
von Sozietäten, die das Jahrhundert der Aufklärung geprägt und die einen über-
greifenden Kommunikationszusammenhang hergestellt haben: Das Spektrum
reicht dabei von arkanen/geheimen Gesellschaften wie den Freimaurerlogen über
Gelehrte bis zu Patriotischen und Lesegesellschaften. Eines der Hauptmerkmale
dieser Gesellschaften war ja bekanntlich, dass sie stände- und sozialgruppenüber-
greifend zusammengesetzt waren: Der Bürger trifft den Adligen, der Gelehrte den

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Studenten, der Beamte den Offizier. In diesen Sozietäten wurde das Inhaltsprinzip
in den Mittelpunkt gerückt: Der Gegenstand des Interesses war nun das Entschei-
dende. Wer an Naturforschung interessiert war, traf sich in den wissenschaftlichen
Gesellschaften und wer sich von der esoterischen Welt der Freimaurer angezogen
fühlte, bemühte sich um Aufnahme in eine Loge. Geselligkeits-, Wissens- und
Erfahrungsbedürfnisse wurden nicht mehr nur länger in dem geburtsständisch
vorgegebenen Muster ausgelebt, sondern die Grenzen wurden weit darüber hinaus
verschoben.
In diesem Umfeld hatte auch die Musik ihren Platz. Dies ist ein Umstand, der
der Aufklärungsforschung im Zuge der kulturalistischen Wende der letzten Jahre
zunehmend bewusst wird.10 Der dabei zugrunde liegende Musikbegriff ist breit
angelegt: Er nimmt eine vielschichtige Musikpraxis in den Blick und verlässt sich
nicht nur »aufs Notenpapier«.11 Peter Clark hat dieses Phänomen im Jahrhundert
der Aufklärung für die Britische Kultur so beschrieben: »As with many of the new
forms of public sociability which emerged in the seventeenth and eighteenth centu-
ries – assemblies, plays, balls, concerts, and scientific lectures – clubs and societies
were primarily urban phenomena, reaching down from the metropolis to small
towns […], sustained by a variety of Masonic, musical, scientific, philanthropic,
and other organizations.«12 Auch in den Städten des Alten Reiches breiteten sich
die so genannten, auf dem Prinzip der Selbstorganisation basierenden »Musikali-
schen Gesellschaften« seit den 1740er Jahren überall aus; so beispielsweise 1749
in Berlin, 1752 in Augsburg, 1753/1775 in Leipzig, 1759 in Quedlinburg, 1766 in
Kassel, 1767 in Nordhausen und 1768 in Wolfenbüttel.13 In ihnen kamen Vertreter
der verschiedenen Sozialgruppen zusammen, um als Laien oder Profis gemeinsam
»Musik zu machen«. Der primäre Organisationsgrund war der Gegenstand des
gemeinsamen Tuns – die Musik. Es ging darum, zu üben, sich zu entwickeln und
schließlich auch darum, das Eingeübte aufzuführen.
Zeitlich und inhaltlich verschmolzen die Aktivitäten dieser »Selbstorganisati-
onsphänomene«14 mit einer anderen Entwicklung, die von England in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts ihren Ausgang genommen hatte und sich spätestens
seit Beginn des 18. Jahrhunderts rasch in den Städten des Alten Reiches ausbrei-
tete:15 das öffentliche Konzertwesen mit den »first paying audiences«.16 Jenseits
aller zeremoniellen Funktionen der Musik in der Frühen Neuzeit im Rahmen der
Stadt oder der Kirche bzw. innerhalb des traditionellen Zusammenseins etwa in
den Zünften, eroberte die Musik durch das Konzert den urbanen Raum. Zum Mu-
sikgenuss trafen sich Menschen aller Stände an einem dafür geeigneten Platz in-
nerhalb der Stadt. Aber damit nicht genug: Mit Musik wurde auch Geld verdient;
entweder direkt, indem Eintritt verlangt wurde, oder indirekt, indem etwa Kaffee-
hausbesitzer die Musiker engagierten oder spielen ließen, um die Attraktivität ihres
Lokals und damit den Umsatz zu erhöhen, bzw. indem Musikgenuss und Geträn-
keverzehr in Eins gesetzt wurden wie bei den Berliner Gartenkonzerten seit der
Mitte des 18. Jahrhunderts.17
Die Musikalischen Gesellschaften nahmen nun diesen Trend auf und
organisierten öffentliche Konzerte. Auf diesem Weg erfassten und formten die
Ideen und Organisationsformen der Aufklärung schon früh die Musik(Praxis) und

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führten sie in neue Räume: Einerseits übersprang die Musik Standes- und Raum-
grenzen, andererseits war sie ein Medium für die Menschen, diese Grenzen zu
übergehen. Denn zu den Konzerten der Musikalischen Gesellschaften waren prin-
zipiell alle Bürger (und sehr oft auch die Bürgerinnen) der Stadt eingeladen. Sehr
rasch setze sich hier das Erheben von Eintrittsgeldern durch, auch wenn es oft nur
darum ging, die Kosten zu decken.
So zeigen sich drei Beweggründe, die das Heraustreten der Musik aus ihren tra-
ditionellen Strukturen bedingen: die Stände- und Sozialgruppen übergreifende
Kultur der Aufklärung, die Eroberung des urbanen, öffentlich-zugänglichen Rau-
mes18 und die Ökonomisierung des Musikbetriebes. Musik wurde im 18. Jahrhun-
dert »zu einem geselligen Ereignis«.19

III.
Wie unter einem Brennglas lassen sich diese Entwicklungslinien in der Universi-
tätsstadt Halle beobachten, die parallel zu diesen Prozessen in der ersten Hälfte des
18. Jahrhundert europaweite Berühmtheit erlangte: Hier stand die Wiege von Ge-
org Friedrich Händel, hier wurde 1694 die Reformuniversität der Aufklärung ge-
gründet, an der Christian Thomasius und Christian Wolff lehrten, und hier entstand
das Musterwaisenhaus August Hermann Franckes (Franckesche Stiftungen). Auch
die neue Musikkultur fand in Halle ihren Platz. Schon 1735 hatte sich in Halle eine
Musikalische Gesellschaft um den Philosophieprofessor Martin Heinrich Otto
gegründet.20 Kurze Zeit später begann auch das öffentliche Konzertwesen: 1741
mit Konzerten im Hauptsaal der Neuen Residenz, einem Bau aus der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, der an die Glanzzeit der hallischen Stadtgeschichte während
der Renaissance erinnerte und der die Stadttopographie prägte. Das konzertierende
Collegium musicum der hallischen Studenten stand in diesen Jahren der Musikali-
schen Gesellschaft sehr nahe, und es entwickelte sich zu einer »öffentlichen Kon-
zertgesellschaft«. Während dieser Zeit scheint jedoch die erste Musikalische Ge-
sellschaft zunächst zum Erliegen gekommen zu sein. Immerhin aber bildete sich
im Umfeld der Konzerte des Collegium musicum ein »ständiger Hörerkreis aus
akademischen und bürgerlichen Schichten« der Stadt.21
In diesem Milieu wurde dann 1756 die »Musikalische Gesellschaft« wieder bzw.
neu gegründet. In ihr finden wir die sozialen Strukturen der Aufklärergesellschaft
wieder. Aus dem studentischen Collegium musicum kommend nahm eine große
Anzahl Studenten teil, ebenso wie Professoren, Stadtbürger und Offiziere der Gar-
nison. Gemeinsam suchen sie sich einen städtischen Ort, zu dem alle eine Bezie-
hung haben: die seit dem 30jährigen Krieg stark beschädigte und seit dem Abzug
des Hofes aus Halle 1680 nur sporadisch und different genutzte Moritzburg. Für
die Bürger der Stadt ist sie fester Bestandteil des Stadtraumes: die Studenten haben
eine Beziehung zu ihr, da die Universität hier ab und zu Räumlichkeiten genutzt
hat, und die Offiziere der Garnison bewegen sich in ihrem Umfeld und frequentie-
ren die seit 1755 eingerichtete Krankenanstalt (Lazarett). In der Burg fand nun die
Gesellschaft ihre »Übungsräume«, und sie hielt dort auch einen »wöchentlichen
Ball« ab.22 Außerdem rühmen die Zeitgenossen die Möglichkeit, im Umfeld der
Konzerte die eigenen Bekanntschaften, mithin die Kommunikationskreise erwei-

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tern zu können. Die Konzerte der Gesellschaft – zu denen von Anfang an Frauen
ausdrücklich geladen waren23 – fanden spätestens seit April 1756 im großen Saal
der Neuen Residenz statt; ebendort, wo sich ja schon 1741 das »wohl erste öffent-
liche Konzert in Halle ereignet« hatte.24 Und der Bau der Neuen Residenz steht in
der Stadttopographie in Blickweite neben der Moritzburg am Saaleufer. Seit die-
sem Zeitpunkt wurden die Konzerte in den ›Hallischen Zeitungen‹ dem städtischen
Publikum angekündigt. Der Saal in der Residenz blieb bis mindestens 1772 Veran-
staltungsort der Gesellschaft.25 Mit anderen Worten: Die neue Musikkultur der von
der Sozietät organisierten, an einem städtisch-zentralen und prominenten (und
auch ausreichend großen) Ort stattfindenden offenen Konzerte hatte Erfolg. So
mussten um 1760 die Festkonzerte anläßlich des Geburtstages des preußischen
Königs Friedrich II. »zumeist kurze Zeit später wiederholt [werden], was als Zei-
chen für eine große Nachfrage gewertet werden kann«. Und die »Öffentlichkeit
der Zuhörerschaft« wurde im Laufe der Jahre offensichtlich stetig ausgedehnt, so
wurden 1774 alle Stände eingeladen.26 Mit vier Groschen Eintritt seit 1767 waren
die Preise moderat: Im Textilgewerbe Halles wurden im 18. Jahrhundert Tages-
löhne zwischen 3 und 17 Groschen gezahlt, wovon allerdings in der Hauptsache
der in dieser Zeit teure Lebensunterhalt bestritten werden musste.27
In der Auswahl der Musikräume kann man einen geradezu paradigmatischen
Schritt sehen: Die neue Musikszene wächst nämlich innerhalb der Stadt genau in
dem Areal, in dem bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Musik und
Theater aufgeführt worden waren. Die in Halle Mitte des 17. Jahrhunderts ins
Leben gerufene Oper hatte zwei Spielstätten − das Komödienhaus in unmittelbarer
Nähe zur Moritzburg und eine Bühne in der Neuen Residenz.28 Die Musikkultur
des 18. Jahrhunderts knüpft hier in topographischer Perspektive unmittelbar an.
Die Probe- und Aufführungsorte in der Moritzburg und der Neuen Residenz spie-
geln aber nun in der Topographie der Stadt die Sozialstruktur der Gesellschaft der
Aufklärer und damit die veränderten Mentalitäten des 18. Jahrhunderts. Denn zu
diesen Bauwerken hatten alle beteiligten Sozialgruppen persönliche und funktio-
nale Beziehungen. Der von der neueren Raumforschung hervorgehobene Doppel-
akt des Platzierens sozialer Güter und des Synthesebildens durch Wahrnehmung
und Erinnerung wird hier greifbar.29 Untermauert wird dieser Prozeß auch da-
durch, dass die hallischen Freimaurer seit 1744 ebenfalls den Saal in der Residenz
für Feste und Konzerte nutzten30 und ihr Logenleben seit 1792 sicher nicht zufällig
genau in dieses Areal der Stadt, auf den nördlich direkt neben der Moritzburg
gelegenen Jägerberg, verlegten, wo später auch ihr eigenes Logenhaus entstand.31
In Rückbindung an die höfische Aufführungspraxis des 17. Jahrhunderts wird im
18. Jahrhundert ein städtischer Raum – das Areal um die Moritzburg – als Ort der
populärer Musik- und Kulturformen erobert, der als solcher auch in die Wahrneh-
mung der Stadtbürger Eingang findet.32 Öffentliche Räume werden durch
Handlungen, durch wirtschaftliche, politische, religiöse und eben auch kulturelle
Interaktion, geprägt, in ihnen gewann die »Öffentlichkeit gleichsam Gestalt«.33 Die
neuen Musikformen schreiben sich so in die Topographie, in den Raum der Stadt
ein. Der »Raum« ist die Bezugsgröße des Kulturphänomens Musik im populären
Kontext. Und dies »in two sences«: Space als Referenzgröße und Aktionsraum der

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populären Musikkultur ist zum einen ein »material, topographical phenomenon«,


und zum anderen ein »socio-cultural phenomen« (»music reflected and articulated
the social structure«). Die in einem (bestimmten) öffentlichen Raum sich artikulie-
rende populäre Kultur des 18. Jahrhunderts spiegelt zugleich die sozialen Verände-
rungs- und Diffundierungsprozesse der Zeit: »Spaces on the ground often echo
spaces in the mind«. Oder mit anderen Worten: »the physical and the mental were
interrelated« – Raum/space »is a state of mind«.34 Die sich verändernden
Mentalitäten der Menschen des 18. Jahrhunderts, die sich in ihrem Selbstverständ-
nis und in dessen Ausdruck im öffentlichen Raum ausleben, sind sowohl Bedin-
gung als auch Ausdruck wachsender neuer, das Populäre strukturierender und
definierender Kulturformen in der Stadt. Räume innerhalb der Stadttopographie
sind also nicht »unverrückbar Bestehendes«, sondern soziale Konstruktionen. Der
Raum ist mithin »sozialen Veränderungen und historischem Wandel unterwor-
fen«.35 Als eine solche die Wandlungs- und Gestaltungsprozesse des städtischen
Raumes im 18. Jahrhundert tragende Kategorie begegnet uns die auf breite Be-
dürfnisse und Wirkungen reagierende bzw. zielende populäre Musik. Es vollzieht
sich eine »Raumbildung durch Musik«.

IV.
Der »Klang der Stadt«, die vielfältigen Töne, Gesänge und Musiken die das Leben
der Menschen begleiteten und durchsetzten,36 war um eine wesentliche Facette
reicher geworden. Es war ein kulturelles und populäres, die Sozialgruppen der
Stadt übergreifendes und räumlich fixierbares Muster entstanden, das sich die
Menschen selbst geschaffen hatten. In diesem Umfeld beginnt sich auch der
Begriff des Populären sukzessive zu wandeln, weg von den negativen Konnotation
in Bezug auf den »Pöpel« (das »Unkultivierte«37), hin zu einem offeneren,
positiveren Verständnis im Sinne eines »breiten Geschmacks«, eines ›allgemeinen
Interesses‹.38 Dies können wir nicht nur im oben zitierten Lexikoneintrag durch
Johann Christoph Adelung aufspüren, sondern auch in seinem Leben. Denn Ade-
lung lebte in diesen Jahren in Halle, er studierte Theologie. Er war Mitglied und
Dichter in der Musikalischen Gesellschaft. Die Geburtstage des Königs beging die
Musikalische Gesellschaft mit Aufführungen und gab dies dem Publikum auch in
gedruckter Form kund (1757 bis 1762): ›Das hohe Geburtsfest Friedrichs des
Grossen, König in Preussen, [...] feiert [...] Musikalische Gesellschaft zu Halle‹39
1758 stammte die »Poesie« zur Musik von Adelung.40 Zugleich war er Mitbegrün-
der (1756) der Freimaurerloge »Philadelphia« in Halle und deren Sekretär.41 Die
Freimaurer pflegten im 18. Jahrhundert eine aktive Musikkultur und gingen in
diesem Kontext auch an die städtische Öffentlichkeit.42 Die hallische Loge führte
an Festtagen, wie eben dem Geburtstag Friedrichs II. oder dem maurerischen
Johannisfest, Musiken bzw. Konzerte auf. Laut der Logenprotokolle versammelten
sich die Brüder am Geburtstag des Königs bereits um ein Uhr und verbrachten den
Nachmittag »unter innigen Vergnügungen und Aufführungen verschiedener Con-
certe von einigen Brüdern«. Anlässlich des Johannisfests 1761 heißt es: »einige
[Brüder] führten verschiedene musikalische Concerte auf«.43

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Adelung erlebte und gestaltete in diesem Milieu den Prozeß der Öffnung musi-
kalischer Praxis mit. Vor seinen Augen entfaltete sich eine vielfältige Musikszene,
die es in dieser Form bis dahin nicht gegeben hatte. Zumal auch die hallische Loge
später dazu überging, das Besucherprofil der Konzerte auszudehnen. Zunächst
wurden 1780 die Honoratioren der Stadt eingeladen. So berichten die Protokolle
der Loge: In »Gegenwart der mehresten Honoratioren dieser Stadt, welche dazu
invitiret worden«, wurde eine »Cantate auf das hohe Johannisfest aufgeführet,
welche mit großem Beifall aufgenommen wurde.«44 Kurze Zeit später, 1782, gin-
gen die Freimaurer Halles dann dazu über, Konzerte zu veranstalten, bei denen so
genannte Profane, also Nichtmaurer, über diesen speziellen Kreis hinaus zugelas-
sen waren.45

V.
Dies sind Indikatoren dafür, dass die Menschen ein Bedürfnis nach Musik und
Kunst, nach Kulturgenuss hatten. Das Publikum wollte sich unterhalten − und
unterhalten werden. Deshalb beschreibt die neuere Kultur- und Mentalitätsge-
schichte das Jahrhundert der Aufklärung auch als »Zeitalter des Kulturkonsums«,
das einen »Höhepunkt des aktiven und passiven Kulturgenusses an den Höfen und
in den Städten« dargestellt hat, der zugleich mit der »Kommerzialisierung der
Kultur« einherging. Es entwickelte sich eine »europaweite kulturelle Identität«, in
der »Stand und Nationalität oftmals zurücktraten«.46 Brennpunkte dieser Entwick-
lung im Alten Reich waren die Universitätsstädte und die Residenzen: Hier kamen
die Gruppen zusammen, die nach Kultur und Unterhaltung verlangten: die Funkti-
ons- und Bildungseliten, die Mitglieder des Hofes, die Studenten, das städtischen
Bürgertum, aber auch weniger gut begüterte Menschen. Kulturkonsum war nicht
zwangsläufig mit der Notwendigkeit hoher finanzieller Mittel verbunden. Zwar
waren viele Angebote kostenintensiv (wie etwa die Oper), insgesamt aber entstand
eine »große Breite und Variation des Angebots«.47 Dieser konsum- und
mentalitätsgeschichtliche Prozeß verwob sich mit den Entwicklungen einer neuen,
populären Musikkultur, die ein weites soziales Spektrum bediente und die Unter-
schiede zwischen den gesellschaftlichen Gruppen tendenziell verwischte.48 Dies
zeigt das Beispiel der Residenzstadt Dessau, in der sich − auf anderen Wegen und
in anderen Formen − ebenfalls eine neue, öffentliche Musikkultur entfaltete.
Das kleine Fürstentum Anhalt-Dessau, in der Mitte Deutschlands zwischen
Preußen und Kursachsen gelegen, erlangte im 18. Jahrhundert auf zwei völlig ver-
schiedenen Wegen Berühmtheit. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts stand
Anhalt-Dessau unter der Führung des regierenden Fürsten Leopold I. (der »Alte
Dessauer«) als Sinnbild für das preußische Militärsystem.49 Dieses Bild änderte
sich ab 1758 radikal. Denn nun war sein Enkel Leopold III. Friedrich Franz an die
Macht gekommen. Er baute in den folgenden Jahrzehnten einen aufgeklärten
Musterstaat auf. Dieser basierte in entscheidendem Maß auf Reiseerfahrungen in
Italien und insbesondere in England. Fürst Franz war im Laufe seines Lebens
mehrfach auf der Insel gewesen und hatte eine Liebe für die englische Kultur ent-
wickelt.50 Integrativer Bestandteil des Neuentwurfs in Anhalt-Dessau war auch die
Musikkultur. Ein eigenständiges Musikleben hatte es vor dem Regierungsantritt

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des Fürsten nicht gegeben.51 Sein Ziel war es, eine Musikkultur aufblühen zu las-
sen, die das Bürgertum und den Adel verband. Er engagierte den Musiker und
Komponisten Friedrich Wilhelm Rust. Dieser gab 1769 Konzerte, bei denen der
Eintritt für insgesamt zwölf Veranstaltungen bei vier Reichstalern lag. Später gab
Rust im neu errichteten Philanthropin − der Musterschule nach aufklärerischen
Prinzipien52 − wöchentlich Konzerte neben seinen sonntäglichen Hofkonzerten.
Parallel dazu entfaltete sich die Musik auch im alltäglichen und öffentlichen Le-
ben. Sie bekam einen höheren Stellenwert, und das Straßensingen wird nicht mehr
als niedrige Tätigkeit empfunden.53 Die Musikforschung spricht daher auch von
der »Dessauer Liederschule der Aufklärung«. Die Gründung und der Bau des
Dessauer Hoftheaters (1794/95 bzw. 1797/98), in dem Opern, Singspiele und Kon-
zerte gegeben wurden, bildete dann den Höhepunkt dieser Entwicklung. Im Thea-
ter gab es ca. 1.000 Sitzplätze – eine auch im europäischen Kontext erstaunliche
Größe.54 Der Fürst saß nicht mehr in Loge im Rang, sondern im Parterre. War er
nicht anwesend, »konnte jeder, auch der subalterne Bediente, seinen Platz einneh-
men«. Das Haus war in den Jahren um 1800 mehrmals die Woche gefüllt (»stets
voll und überfüllt«). Der Mindesteintritt von drei Groschen war für jedermann
erschwinglich,55 sodass »jeder der nicht einmal 10000 Dessauer sich oft den
Theaterbesuch leisten« konnte; und die Dienerschaft des Fürstenhauses hatte freien
Eintritt.56 In Anhalt-Dessau ging es um die Erreichung und Unterhaltung eines
möglichst großen Publikums: Darum, einem Trend der Zeit zu entsprechen, dem
breiten Geschmack und der damit einhergehenden Nachfrage der (Kul-
tur)Konsumenten Rechnung zu tragen. Die Entwicklung des Theaters in Dessau
korrespondierte in dieser Perspektive mit jenen in anderen Residenzen.57 Parallel
vollzog sich hier in der deutschen Provinz ein Prozess, den wir auch in England
beobachten können: In London kostete der Eintritt in den Musikgarten »Vauxhall«
einen Schilling und war somit breiten Schichten zugänglich.58 Die Residenzstadt
Dessau hatte sich innerhalb von vier Jahrzehnten zu einer musikalischen Stadt
gewandelt. Das Populäre wurde hier im Kontext einer sich verändernden und auf-
blühenden Musikkultur in Verbindung mit einem dezidierten volksaufklärerischen
Impetus (»die Schaubühne als moralische Anstalt«)59 positiv konnotiert. In Dessau
wird eine »Kultur für jedermann« greifbar.60

VI.
Am Ende des 18. Jahrhunderts war auf verschiedenen Wegen und an differenten
Orten im Alten Reich eine Musikkultur entstanden, die im Zeichen der Aufklärung
und ihrer Kommunikationsmedien stand, und die dem Drang nach Vergnügen,
nach Genuss entsprach. Getragen wurde diese kulturell-gesellschaftliche Bewe-
gung durch eine parallel sich vollziehende Ökonomisierung. Es entstand ein Mu-
sikmarkt,61 es entstand die »Ware Musik«.62 Dieser Markt setzte sich aus verschie-
denen Bestandteilen zusammen. Zum einen war es das Verdienen von Geld über
die Eintrittsgelder der Konzerte bzw. die indirekte Stimulanz des Konsums in
Cafehäusern und Gaststuben. Darüber hinaus etablierte sich ein überregionaler
Handel mit professionell verlegten Noten und über den unmittelbaren Bedarf
hinaus produzierten Musikinstrumenten. Dieser Markt fand seine Journalform in

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dem überall in Deutschland entstehenden und prosperierenden, regelmäßig er-


scheinenden Printmedium der Intelligenzblätter.63
Musik wurde nicht mehr nur für einen zeitlich und räumlich begrenzten Nut-
zungskontext produziert, sondern sie wurde mit Blick auf das breite Publikum
produziert, angeboten und beworben:64 »music in the eighteenth century was
becoming a commercialized profession«.65 Vor diesem Hintergrund entwickelte
sich im Laufe des 18. Jahrhunderts der Typus des »Musikunternehmers«. Eines der
berühmtesten Beispiele – neben Wolfgang Amadeus Mozart – dafür ist sicher Carl
Philipp Emmanuel Bach, der virtuos auf der Klaviatur des Marktes zu spielen
vermochte,66 der ein »virtuoses Unternehmertum« entwickelte.67 Bach steht pars
pro toto für eine Großentwicklung: »Composers increasingly [during the 18th
century; HZ] worked as independent agents, supporting themselves by selling their
compositions to music publishers, giving private lessons, offering series of sub-
scription concerts, and obtaining commissions for specific compositions.«68 Paral-
lel dazu entstand eine weitere Instanz, die für den Musikmarkt und die Populäre
Kultur maßgeblich und einflussreich wurde: die Musikkritik in den Periodika und
Spezialjournalen.69 Nun wurden die Aufführungen und Konzerte, Kompositionen
und Drucke kritisch begleitet und damit über Erfolg oder Misserfolg entschieden:
»The tyranny of the critic replaced that of the patron of earlier eras«.70 Die
Musikkritik entwickelte sich zu einem zentralen Steuerungselement. Am Ende des
Jahrhunderts hatte sich die Musik in ihren verschiedenen Formen (Aufführungen,
Notenverlage etc.) zu einem eigenen wirtschaftlichen Feld entwickelt.71 Diesem
lagen zum einen sozioökonomische Entwicklungen zugrunde, die es zunehmend
mehr Menschen im urbanen Raum ermöglichten, über den Alltagsbedarf hinaus
Kunst und Kultur zu konsumieren. Zum anderen waren für dieses Feld permanent
ablaufende Geschmacksbildungsprozesse essentiell, die zwischen »bürgerlichen
und aristokratischen Sammlern, musikalischen Dilettanten und Komponisten«
ohne gegenseitige oder einseitige Imitation als Kommunikationsprozesse abliefen.72

VII.
Fassen wir das Gesagte zusammen. Im Rahmen der Aufklärungskultur und vor
dem Hintergrund einer sich verändernden Gesellschaft im 18. Jahrhundert ent-
wickelte sich auf verschiedenen Wegen und auf unterschiedlichen Gebieten eine
neue, populäre Musikkultur,73 die kein inhärentes Ganzes war, sondern im Schnitt-
feld verschiedener Entwicklungen stand: »The development of art forms cannot be
understood simply in terms of their own internal dynamics, but have to be seen as
part of a wider amalgam of phenomena and forces«.74 Aus einem solchen kom-
plexen Kulturverständnis heraus lässt sich im 18. Jahrhundert ein entstehendes
Feld populärer Kultur und Musik ausmachen, das sich aus den folgenden Kompo-
nenten zusammensetzt und in deren Summe eine qualitativ neue Kulturform dar-
stellt:
1) Der Ausgangspunkt ist die Etablierung des öffentlichen Konzertwesens
als Konsumangebot, für das es eine zunehmende Nachfrage gibt, bzw.
die Einbeziehung der Musik als festem Bestandteil in die verschiedenen
Gastronomien.

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Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
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Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert? 139

2) Die Musikpflege und Aufführungspraxis wird in neuer Form in Anleh-


nung an die Aufklärungsgesellschaften jenseits der ständischen Struktu-
ren des Alten Reiches in den Musikalischen Gesellschaften organisiert.
Das Üben und Aufführen stehen als Gesellschaftszweck hier im Mittel-
punkt: Es wird jeweils regelmäßig organisiert und durchgeführt.
3) In diesem Prozess erobert die Musik den städtischen, öffentlichen
Raum. Die neue Musikkultur im 18. Jahrhundert ist ein konkret
lokalisierbares Phänomen. Sie prägt einen Teil der Topographie der
Stadt in dem sie an bereits bestehende Musiktraditionen und Strukturen
(Aufführungs- und Probeorte) anknüpft (Beispiel Halle). Oder sie
durchdringt die Lebenswelt einer ganzen Stadt, in dem sie deren
Charakter – ihre Mentalität – wandelt, bis schließlich mit dem Neubau
von Spielstätten auch eine physische Implikation dieser Entwicklung in
der Topographie der Stadt vollzogen wird (Beispiel Dessau).
4) Auf diesen beiden Wegen überspringt die Musik die Standesgrenzen.
Denn musiziert und konsumiert wird sie von Adeligen und Bürgerli-
chen gleichermaßen und auch zur gleichen Zeit: Man sitzt gemeinsam
im Konzert und Theater, und man musiziert gemeinsam in den Musik-
gesellschaften.
5) Diese Entwicklungen generieren ein neues wirtschaftliches Feld: Musik
im umfassenden Sinn wird zum Handelsgut. Die Steuerung des Marktes
erfolgt nicht nur über den durch den Geschmack des Publikums gesteu-
erten Nachfrage/Angebots-Mechanismus, sondern daneben auch durch
das sich herausbildende, einflussreiche und gleichsam gefürchtete Es-
tablishment der Kritik/der Kritiker.
6) In diesem Prozess erfährt das viele Verbindende, das Weitverbreitete,
der breite Geschmack − mithin das Populäre − sukzessive eine positive
Aufwertung. Am Ende des 18. Jahrhunderts meint »populär« nicht
mehr nur Negatives und erfährt positive Konnotationen nicht mehr nur
ausschließlich durch die Inbezugsetzung mit der Volksaufklärung. Für
den sich zunehmend etablierenden Kulturkonsums und die sich heraus-
bildende neue Musikkultur ist der breite − populäre − Geschmack gera-
dezu essentiell. Musik wird jetzt für diesen Geschmack, für das dafür
stetig wachsende Publikum konzipiert, produziert, vermarktet und (pro-
fessionell) aufgeführt.
In der Zusammenschau dieser Entwicklungslinien wird ein komplexes Feld popu-
lärer Musikkultur sichtbar, das sich gerade nicht über einen ästhetischen Zugang
von »oben/unten« bzw. »U/E« definiert,75 sondern das als ein gesellschaftliches
Phänomen zu beschreiben ist: »the rise of a new world of commercialised mu-
sic«.76 Die Zeitgenossen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahmen dieses
Phänomen, diese Wandlungs- und Entwicklungsprozesse wahr und stellten sich
darauf ein: Man denke nur an den Unternehmerkomponisten Carl Philipp Emanuel
Bach, den Vater Mozart, der seinem Sohn das berühmte Diktum mit auf den Weg
gab, das Populäre nicht zu vergessen, oder an die (bis jetzt ungezählten) Konzert-
unternehmer überall im Alten Reich und in Europa. Gleichwohl ist dieses Feld

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140 Holger Zaunstöck

populärer Kultur in seiner Komplexität von den Zeitgenossen – soweit der For-
schungsstand eine solche Aussage momentan zulässt – nicht thematisiert, proble-
matisiert und damit benannt worden.
Insofern korrespondiert der Blick auf das 18. Jahrhundert mit den Beschreibun-
gen von John Shepherd und Richard Middleton, wonach populäre Musik (als stati-
sches Gebilde) eine »mystification« sei und es sich vielmehr um eine »active ten-
dency« handelt. Mithin ist populäre Kultur/Musik immer eine Frage der Definition
und der Sicht des Fragenden. Es handelt sich aber nicht um ein losgelöstes, diskur-
sives Phänomen. Denn aus kultur- und gesellschaftsgeschichtlicher Perspektive
sind im Blick auf eine konkrete Raum-Zeit Verortung und die dort tragenden Ent-
wicklungsprozesse sehr wohl Parameter erkennbar, die eine ex post Beschreibung
eines kulturellen Feldes als »populär« zulassen. Wichtig dabei ist jedoch die Ein-
schränkung, diese konsequente Historisierung nicht mit dem Anspruch auf eine
generelle Definition des Populären gleichsetzen zu wollen. Dies macht den ent-
scheidenden Unterschied: Die Sicht auf das historisch Konkrete ermöglicht neue
Perspektiven auf die Geschichtlichkeit und damit das Wesen des Populären insge-
samt.
Ganz konkret wird man dabei künftig etwa fragen müssen, ob ein mentalitätsge-
schichtlicher Zugang Quellen und Zeugnisse hervorbringen kann, die es erlauben,
das beschriebene Feld populärer Musik/Kultur in der Zeit vor und um 1800 aus der
Sicht der Individuen zu fassen. Ausgeschlossen ist dies nicht, denn Michael North
hat zeigen können, dass Gruppenidentitäten eben auch jenseits der klassischen
Identitätsmuster wie beispielsweise dem Staat und der Landschaft durch den Kul-
turkonsum (in transnationaler Perspektive) gebildet wurden: »Man hörte gemein-
sam die Musik der Komponisten, die ›in‹ waren oder die man spielen konnte«.77
Ein möglicher Zugang ergibt sich vielleicht über die bekannten Arbeiten von
Charles Burney (1726–1814), der am Ende des 18. Jahrhunderts als »a staunch
supporter of the new musical trends of his era« Europa bereiste und Musik als
Geschichte schrieb:78 »The notion of writing about music as history was a new
development in the eighteenth century.«79 Bei der sicher angebrachten Vorsicht
und anzulegenden Quellenkritik, bieten Burneys Reisenotizen doch Informationen
über die (populäre) Musikpraxis im Europa der Aufklärung;80 ein mentalitätsge-
schichtliches Gegen-den-Strich-Lesen fördert hier möglicherweise zeitgenössische
Ansatzpunkte eines neuen Popularitätsverständnisses hervor, das anderen Koordi-
naten folgt als bislang.
Jenseits dieser Forschungsperspektive aber können wir alles in allem ex post die
Struktur, das Muster einer populären Kultur/Musik im Blick auf das 18. Jahrhun-
dert erkennen, die seit der ersten Hälfte des Jahrhunderts eine enorme Sogkraft,
eine »Eigendynamik«81 entwickelt hat. Im Blick auf diese Genese, in der aus unter-
schiedlichen Strömungen und Prozessen heraus ein neues kulturelles Feld entstand,
wird der Erkenntnisgewinn aus einer Historisierung des Populären deutlich. Oder
um es mit Peter Wicke im Anschluß an Richard Middleton und John Shepherd zu
formulieren: »Statt die Kategorie populäre Musik voraussetzungslos als Gegeben-
heit hinzunehmen […], ist hier vielmehr danach gefragt, wie auf welche Weise und
warum Gesellschaften eine solche musikalische Kategorie eigentlich hervorbrin-

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Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert? 141

gen.« Denn dann dreht sich die Perspektive um: »Statt von populärer Musik als
einer definitorisch fassbaren Kategorie auszugehen und sie als einen gesonderten
Gegenstandsbereich der Musikforschung zu definieren, hätte danach Musikge-
schichtsschreibung hier ihren Gegenstand vielmehr in jenem sozialen und kultu-
rellen Prozeß, in dem diese Kategorie als ein historisches Konstrukt überhaupt erst
produziert wird.«82 Um ein historisches Verständnis der modernen Popkultur zu
entwickeln, müssen wir also fragen, wann ihr Entwicklungsprozess warum in
Gang gekommen ist. Und dabei werden wir uns mit einer tieferen Sicht vertraut
machen müssen, als bislang üblich. Ihre Herausbildung vollzog sich − dies ist die
These − in einem evolutionären Prozeß vom Ende des 17. Jahrhunderts bis in die
Zeit nach 1800. Der größere, dafür unabdingbare Rahmen waren die Ideen und
Prozesse, Erscheinungsformen und Wirkweisen bzw. -mechanismen der Aufklä-
rung: »In this realm [of music; HZ] as elsewhere, the enlightenment stimulated
broadscale changes that helped the usher in the modern era.«83

ANMERKUNGEN

1 Der Text ist im Nachgang des gemeinsam mit Jan Hemming (Systematische Musik-
wissenschaft, Kassel) veranstalteten interdisziplinären Seminars »Der Begriff des Po
pulären in Musik und Geschichte im 18. und 20. Jahrhundert« im Wintersemester
2004/05 am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
entstanden. An dieser Stelle sei den engagierten Studenten sowie Cordula Timm-Hart-
mann (Halle) und Peter Wicke (Berlin) für die Diskussionen gedankt.
2 Hans-Otto Hügel: Nicht identifizieren − Spannungen aushalten! Zur Wort- und Be-
griffsgeschichte von »populär«. In: Claudia Bullerjahn, Hans-Joachim Erwe (Hg.): Das
Populäre in der Musik des 20. Jahrhunderts. Wesenszüge und Erscheinungsformen.
Hildesheim: Olms 2001 (= Musik – Kultur – Wissenschaft, 1), S. 11−37, S. 11.
3 Johann Christoph Greiling: Theorie der Popularität. Neudruck der Erstausgabe Magde-
burg 1805. Mit einem Nachwort von Holger Böning. Stuttgart-Bad Cannstatt: From-
mann-Holzboog 2001 (Volksaufklärung, 13).
4 Vgl. in diesem Kontext Franz M. Eybl: Strukturwandel kultureller Praxis. Zu einem
kulturwissenschaftlichen Forschungsproblem. In: ders. (Hg.): Strukturwandel kultu-
reller Praxis. Beiträge zu einer kulturwissenschaftlichen Sicht des theresianischen
Zeitalters. Wien: WUV 2002 (Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich, 17/2002), S.
5-13.
5 Johann Heinrich Zedler: Grosses vollstaendiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaf-
ten und Kuenste, Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden
und verbessert worden, [...]. Band 28, Halle und Leipzig 1741, Sp. 1542.
6 Zum Begriff des »Pöpels« im 18. Jahrhundert siehe: Reinhart Siegert: Art.: Volk /
Gemeiner Mann / Pöbel. In: Werner Schneiders (Hg.): Lexikon der Aufklärung.
Deutschland und Europa. München: Beck 1995, S. 432−434. Es ist wichtig hier darauf
hinzuweisen, dass dieses Popularitätsverständnis nicht mit der Volkskultur zu ver-
wechseln ist – im Englischen ›popular culture‹; vgl. etwa Mark Slobin: Ethnomusico-
logy. In: ContinuumPopMusic (www.continuumpopmusic.com/vol1sam3.asp; 2004).
7 Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen
Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der

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142 Holger Zaunstöck

Oberdeutschen [...], revidirt und berichtiget von Franz Xaver Schönberger [...], Dritter
Theil, Wien: B. Ph. Bauer 1811, Sp. 808.
8 Siehe dazu etwa Holger Böning: Das Ringen um »Volkston« und »Volksbeifall«:
Johann Christoph Greilings Beitrag zur Theorie der Popularität. In: Greiling, Böning
(1805/2001) S. 183–198, insb. 191f., 195f. (wie Anm. 3).
9 Siehe dazu: Hans-Georg Hofmann: »Von dem Einfluss der Musik auf die Bildung der
Gemüther«. Volksbildung und Musik im Spiegel der deutschsprachigen Enzyklopädien
des 18. Jahrhunderts. In: Ingrid Tomkowiak (Hg.): Populäre Enzyklopädien. Von der
Auswahl, Ordnung und Vermittlung des Wissens. Zürich: Chronos 2002, S. 175–195.
10 Vgl. Ernst Hinrichs: »Öffentliche Conzerte« in einer norddeutschen Residenzstadt im
späteren 18. Jahrhundert: Das Beispiel Oldenburg. In: Peter Albrecht, Hans Erich
Bödeker, ders. (Hg.): Formen der Geselligkeit in Nordwestdeutschland 1750–1820.
Tübingen: Niemeyer 2003 (= Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, 27), S. 59–80, S.
59f.
11 Peter Wicke: »Heroes and Villains«. Anmerkungen zum Verhältnis von Popmusik und
Musikgeschichtsschreibung, http://www2.hu-berlin.de/fpm/texte/wicke8.htm (aus: N.
Schüler [Hg.]: Zu Problemen der ›Heroen‹- und der ›Geie‹- Musikgeschichtsschrei-
bung. Hamburg 1998, S. 147–160).
12 Peter Clark: British Clubs and Societies 1580-1800. The Origins of an Associational
World. Oxford: Oxford University Press 2000 (= Oxford Studies in Social History), S. 3.
13 Ingeborg Allihn: Organisatoren und Formen der Organisation des Musiklebens in
Berlin im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Hans Erich Bödeker, Patrice Veit, Michael
Werner (Hg.): Le concert et son public. Mutations de la vie musicale en Europe de
1780 à 1914 (France, Allemagne, Angleterre). Paris: Éd. de la Maison des sciences de
l'homme 2002 (= Éditions MSH), S. 159–176; Julia Kraus: Die Nordhausener musika-
lische Gesellschaft und Christoph Gottlieb Schroeter. In: Albrecht, Bödeker, Hinrichs
(2003) (wie Anm. 11), S. 81–115; Eberhard Preußner: Die bürgerliche Musikkultur.
Ein Beitrag zur deutschen Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts. Hamburg: Hanseati-
sche Verlagsanstalt 1935, S 29−41; Eugen Schreurs: Klänge in der Stadt. In: Stadtbil-
der in Flandern. Spuren bürgerlicher Kultur 1477-1787. Wissenschaftliche Koordina-
tion: Jan van der Stock. Brüssel: Gemeindekredit 1991, S. 157-170, S. 164-166; Cor-
dula Timm-Hartmann: »Sie ersuchet dahero alle vornehmen Gönner und Liebhaber der
edlen Music, sie mit ihrer Gegenwart zu beehren...« Die Musikalische Gesellschaft in
Halle von ihrer Gründung bis 1780 im Spiegel der Hallischen Zeitungen. In: Kathrin
Eberl, Götz Traxdorf (Hg.): Daniel Gottlob Türk: Theoretiker, Komponist, Pädagoge
und Musiker. Bericht über die wissenschaftliche Konferenz anlässlich des 250. Ge-
burtstages am 3. und 4. November 2000 im Händel-Haus Halle. Halle: Händel-Haus
2002 (= Schriften des Händel-Hauses in Halle, 18), S. 29–42, S. 41; Holger Zaunstöck:
Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen. Die mitteldeutschen Aufklärungsgesell-
schaften im 18. Jahrhundert. Tübingen: Niemeyer 1999 (= Hallesche Beiträge zur Eu-
ropäischen Aufklärung, 9), S. 85.
14 Josef Mančal: Zu Musik und Aspekten des Musikmarkts des 18. Jahrhunderts im
Spiegel des Augsburger Intelligenz-Zettels. In: Sabine Doering-Manteuffel, ders.,
Wolfgang Wüst (Hg.): Pressewesen der Aufklärung. Periodische Schriften im Alten
Reich. Berlin: Akademie Verlag 2001 (= Colloquia Augustana, 15), S. 391−432, S.
393.

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Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert? 143

15 Siehe Clark (2001) S. 42, 62f. und passim (wie Anm. 12). Auch im Alten Reich – in
Leipzig – gab es dazu bereits Mitte des 17. Jahrhunderts erste Ansätze: Kraus (2003)
S. 83 (wie Anm. 13).
16 Michael Chanan: From Händel to Hendrix. The composer in the public sphere.
London: Verso 1999, S. 6 (Zitat); Hans Erich Bödeker: Mäzene, Kenner, Liebhaber:
Strukturwandel des musikalischen Publikums in Deutschland im ausgehenden 18.
Jahrhundert. Ein Entwurf. In: Moritz Csáky, Walter Pass (Hg.): Europa im Zeitalter
Mozarts. Wien: Böhlau 1995 (= Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur
Erforschung des 18. Jahrhunderts, 5), S. 159–166, S. 160f.; Hinrichs (2003) passim
(Anm. 10); Mančal (2001) S. 418f. (wie Anm. 14); Horst Möller: Fürstenstaat oder
Bürgernation. Deutschland 1763–1815. Berlin: Siedler 1989 (= Siedler deutsche
Geschichte, 2,1), S. 433f. und 441f.; Michael North: Genuss und Glück des Lebens.
Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung. Köln: Böhlau 2003, S. 148; Peter
Schleuning: Der Bürger erhebt sich. Geschichte der deutschen Musik im 18.
Jahrhundert. Stuttgart: Metzler 2000 (korrigierte und durchgesehene Neufassung der
Erstausgabe 1984), insb. S. 77ff.
17 Für Beispiele siehe: Herbert Seifert: Zu den Funktionen von Unterhaltungsmusik im
18. Jahrhundert. In: Gesellschaftsgebundene instrumentale Unterhaltungsmusik des 18.
Jahrhunderts. Hg. v. Hubert Unverricht. Tutzing: Schneider 1992 (= Eichstätter Ab-
handlungen zur Musikwissenschaft, 7), S. 47–62, S. 54–58 und Allihn (2002) S. 171f.
(wie Anm. 13).
18 Der in der Forschung virulente Diskurs um den Begriff der »Öffentlichkeit« kann an
dieser Stelle nicht aufgenommen werden. Für eine kritische Bestandsaufnahme siehe:
James van Horn Melton: The Rise of the Public in Enlightenment Europe. Cambridge:
Cambridge University Press 2001 (= New approaches to European history 22), S. 1–
15 und Susanne Rau, Gerd Schwerhoff: Öffentliche Räume in der Frühen Neuzeit.
Überlegungen zu Leitbegriffen und Themen eines Forschungsfeldes. In: dies. (Hg.):
Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher
Neuzeit. Weimar: Böhlau 2004 (= Norm und Struktur, 21), S. 11–52, S. 13–20. Es sei
nur darauf hingewiesen, dass musikhistorische Arbeiten, die sich mit den Zusammen-
hängen von Musikgesellschaften und öffentlichem Konzertwesen beschäftigen, eine
Stufenabfolge unterscheiden. Demnach gab es die »halböffentlichen« Konzerte der
Gesellschaften und dann die größer angelegten »öffentlichen« Konzerte (wichtig für
diese Differenzierung sind die Fragen nach dem Eintrittsgeld, der Art und Weise des
Zugangs und den genutzten Räumlichkeiten); siehe insb. Allihn (2002) passim (wie
Anm. 13) sowie auch Kraus (2003) S. 82 (wie Anm. 13). Hier gibt es Anknüpfungs-
punkte zum Konzept der Teilöffentlichkeiten, das besonders in der Frühneuzeitfor-
schung entwickelt und angewandt worden ist; dazu Rau, Schwerhoff (2004) S. 16 und
(für das folgende) 48f. Die Begriffe öffentlich bzw. Öffentlichkeit werden im vorlie-
genden Essay in heuristischer Weise für urbane Räume (bzw. die Gebäude darin) an-
gewandt, die für verschiedene Sozial- und Statusgruppen innerhalb der Stadt des 18.
Jahrhunderts zugänglich waren. Ein solches Konzept wird auch in der jüngsten engli-
schen Forschung in Bezug auf die Musikgesellschaften und ihre Konzerte angewandt:
Peter Borsay: Music, urban renaissance and space in eighteenth-century England. In:
Bödeker, Veit, Werner (2002) (wie Anm. 13), S. 253–272; in diesem Kontext auch:
Peter Wicke: Von Mozart zu Madonna. Eine Kulturgeschichte der Popmusik, Leipzig
1998, TB-Ausgabe Frankfurt/Main: Suhrkamp 2001, S. 13–15.

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144 Holger Zaunstöck

19 Winfried Müller: Die Aufklärung. München: Oldenbourg 2002 (= Enzyklopädie deut-


scher Geschichte, 61), S. 106.
20 Zu Otto: Ferdinand Joseph Schneider: Das geistige Leben von Halle im Zeichen des
Endkampfes zwischen Pietismus und Rationalismus. In: Sachsen und Anhalt, 14. Jg.
1938, S. 137–166, S. 148.
21 Walter Serauky: Musikgeschichte der Stadt Halle. 2 Bde. Halle: Buchhandlung des
Waisenhauses 1942 (= Beiträge zur Musikforschung, 8). Bd. 2, zweiter Halbband: Von
Wilhelm Friedemann Bach bis Robert Franz (Nachdruck Hildesheim 1971), S. 72f.
22 Karin Stukenbrock: Das Lazarett der Moritzburg als Krankenanstalt (1755-1778). In:
Michael Rockmann (Hg.): Ein »höchst stattliches Bauwerk«. Die Moritzburg in der
hallischen Stadtgeschichte 1503-2003. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2004 (= For-
schungen zur hallischen Stadtgeschichte, 5), S. 148−159, S. 150.
23 So auch in Nordhausen: Kraus (2003) S. 89f. (wie Anm. 13).
24 Timm-Hartmann (2002) S. 31 (wie Anm. 13).
25 Timm-Hartmann (2002) S. 29 und 35–37 (wie Anm. 13).
26 Timm-Hartmann (2002) S. 38, 32f. (wie Anm. 13).
27 Timm-Hartmann (2002) S. 36 (wie Anm. 13); Erich Neuß: Entstehung und Entwick-
lung der Klasse der besitzlosen Lohnarbeiter in Halle. Eine Grundlegung. Berlin: Aka-
demie Verlag 1958 (=Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu
Leipzig, Philologisch-Historische Klasse, 51,1), S. 168–172. Im südwestlich gelegenen
thüringischen Nordhausen waren die Konzerte der Musikalischen Gesellschaft zur
gleichen Zeit eintrittsfrei; Kraus (2003) S. 82, 94, 114 (wie Anm. 13).
28 Dazu: Andrea Thiele: Zur Topographie Halles als Residenzstadt im 17. Jahrhundert –
Kontinuitäten und Brüche rund um »Freiheit« und Fürstental. In: Rockmann (2004)
(wie Anm. 22), S. 121−147, hier S. 133–135; sowie jetzt dies.: Grenzkonflikte und so-
ziale Verortung in der »Residenz auf Abruf«. Halle unter dem letzten Administrator
des Erzstifts Magdeburg, Herzog August von Sachsen-Weißenfels (1614-1680). In:
Christian Hochmuth / Susanne Rau (Hg.): Machträume der frühneuzeitlichen Stadt.
Konstanz: UVK 2006 (Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven, Bd. 13), S.
239-257, S. 244f.; dies.: Der Friedemann-Bach-Platz. In: Verein für hallische Stadtge-
schichte in Verbindung mit Angela Dolgner (Hg.): Historische Plätze in der Stadt
Halle an der Saale. Halle: mdv 2007 (Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte, 11),
S. 142-172, S. 148f.
29 Vgl. dazu Rau, Schwerhoff (2004) S. 23 (wie Anm. 18).
30 Friedrich August Eckstein: Geschichte der Freimaurerloge im Orient von Halle. Eine
Festgabe zur Secularfeier der Loge zu den drei Degen. Halle: Gebauer 1844, S. 11;
Serauky (1942/1971) S. 74 (wie Anm. 21) – hier wird bereits auf die musikalischen
Traditionen an diesem Ort seit dem 17. Jahrhundert verwiesen.
31 Zur Logenhausgeschichte in Halle siehe: Gerhard Richwien: Logengebäude in Halle/S.
Geschichte Architektur und Symbolik. Hamburg: Kovac 2001 (= Schriften zur Kunst-
geschichte, 1).
32 Siehe vergleichend dazu das Beispiel Bath bei Borsay (2002) S. 269 (wie Anm. 18).
33 Rau, Schwerhoff (2004) S. 12 (wie Anm. 18).
34 Die Zitate: Borsay (2002) S. 253, 265 (wie Anm. 18).
35 Rau, Schwerhoff (2004) S. 22 (wie Anm. 18), die sich hier auf die Arbeiten der
Raumsoziologin Martina Löw beziehen; vgl. dazu Martina Löw: Epilog. In: dies.
(2004) (wie Anm. 18), S. 463–468.

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Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert? 145

36 Siehe insb. Schreurs (1993) (wie Anm. 13) – mein Dank gilt Harm von Seggern (Kiel)
für den Hinweis auf diese Studie; Seifert (1992) S. 60–62 (wie Anm. 17); außerdem:
Bernd Roeck: Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der Frühen Neuzeit. Mün-
chen: Oldenbourg 1991 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, 9), S. 36–38; Walter
Salmen: Zur Praxis von Nachtmusiken durch Studenten und Stadtpfeifer. In:
Unverricht (1992) (wie Anm. 17), S. 33–45; Ludwig Finscher: Zur Struktur der euro-
päischen Musikkultur im Zeitalter der Aufklärung. In: Csáky, Pass (1995) (wie Anm.
16), S. 197–203.
37 Hügel (2001) S. 14 (Anm. 2).
38 Vgl. dazu Mančal (2001) S. 399–401 (wie Anm. 14).
39 Die Drucke befinden sich in der Universitäts- und Landesbücherei Sachsen-Anhalt in
Halle und werden auch bei Serauky (1942/1971) S. 74 (wie Anm. 21) und Timm-
Hartmann (2002) S. 37 (wie Anm. 13) zitiert.
40 Das hohe Geburtsfest Friedrichs des Grossen, König in Preussen, [...] feiert [...]
Musikalische Gesellschaft zu Halle [...]. die Poesie ist von Johan Christoph Adelung.
Die Musik aber Johann Dietrich Christian Graff. Halle: Gebauer 1758.
41 Eckstein (1844) S. 32f., 58 (wie Anm. 30); Serauky (1942/1971) S. 74 (wie Anm. 21).
42 Für Preußen siehe Karlheinz Gerlach: Forschungsprojekt: Die Freimaurer im Alten
Preußen. 1738-1806. Die mittleren und westlichen Provinzen Brandenburg-Preußens.
In: Zeitschrift für Internationale Freimaurerforschung (IF), 6. Jg. 2004, 11. Heft, S.
153–157, S. 157, hier wird auch dezidiert Halle genannt, sowie generell: Florian
Maurice: Die Mysterien der Aufklärung. Esoterische Traditionen in der Freimaurerei?
In: Neugebauer-Wölk, Monika (Hg.), Aufklärung und Esoterik. Hamburg: Meiner
1999 (= Studien zum achtzehnten Jahrhundert, 24), S. 274-287, S. 279; Clark (2001) S.
326f. (wie Anm. 12); und in einem weiteren Kontext: Thomas Christensen: [Art.]
Music. In: Alan Charles Kors (editor in chief): Encyclopedia of the Enlightenment.
Oxford: Oxford University Press 2003, S. 104–111, S. 110. In London verbanden sich
am Ende des Jahrhunderts die Bereiche Musikunternehmertum und freimaurerisches
Leben: Der deutsche Musikunternehmer Johann Peter Salomon organisierte Konzerte
in der Freemason’s Hall; Robert Schmitt Scheubel: Die Sonderstellung des Künstlers
im »Licht der Aufklärung«. In: Helga de La Motte-Haber (Hg.): Musikästhetik.
Laaber: Laaber 2004 (= Handbuch der systematischen Musikwissenschaft, 1), S. 286-
−299, S. 298.
43 Eckstein (1844) S. 42 (wie Anm. 30).
44 Eckstein (1844) S. 97 (wie Anm. 30) – die Kantate ist auch im Druck 1780 erschienen;
ebd., die Anm. 1.
45 Eckstein (1844) S. 101f. (wie Anm. 30).
46 North (2003) S. 1–3 (wie Anm. 16). Das Konzept des Kulturkonsums ist im größeren
Rahmen der Konsumgeschichte zu sehen; vgl. dazu einführend: Hannes Siegrist: Kon-
sum, Kultur und Gesellschaft im modernen Europa. In: ders., Hartmut Kaelble, Jürgen
Kocka (Hg.): Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturge-
schichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert). Frankfurt am Main: Campus Verlag
1997, S. 13–47, S. 16: »In einem allgemeinsten Sinne wird hier unter Konsumieren das
Kaufen, das Gebrauchen und Verbrauchen/Verzehren von Waren verstanden; einge-
schlossen in dieses Verständnis sind die damit im Zusammenhang stehenden Diskurse,
Emotionen, Beziehungen, Rituale und Formen der Geselligkeit und Vergesellschaf-
tung.« Generell sei hier auf die Pionierstudien der englischen Geschichtsschreibung
verwiesen, insb. auf die Arbeiten von John Brewer und Neil McKendrick.

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146 Holger Zaunstöck

47 North (2003) S. 2 (wie Anm. 16).


48 Vgl. North (2003) S. 217 (wie Anm. 16).
49 Siehe einführend Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676–1747), »der Alte Des-
sauer«. Ausstellung zum 250. Todestag. Museum für Naturkunde und Vorgeschichte
Dessau. Dessau: Museum für Naturkunde und Vorgeschichte [u.a.]. 1997.
50 Siehe einführend: Erhard Hirsch: Die Dessau-Wörlitzer Reformbewegung im Zeitalter
der Aufklärung. Personen – Strukturen – Wirkungen. Tübingen: Niemeyer 2003 (=
Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung, 18); Friedrich Wilhelm von Erd-
mannsdorff. Kunsthistorisches Journal einer fürstlichen Bildungsreise nach Italien
1765/66. Aus der französischen Handschrift übersetzt, erläutert und herausgegeben
von Ralf-Torsten Speler. Ostfildern-Ruit: Hatje 2001 (= Kataloge und Schriften der
Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, 12); Michael Rüffer: Grand Tour − Die Reisen
Leopolds III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und Friedrich Wilhelm von
Erdmannsdorffs. In: Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft. Hg. v. Frank-
Andreas Bechtoldt und Thomas Weiss. Ostfildern-Ruit: Hatje 1996 (= Kataloge und
Schriften der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz, Oranienbaum, Luisium, 1), S.
117−130; Maiken Umbach: Federalism and enlightenment in Germany, 1740 – 1806.
London: Hambledon Press 2000; Thomas Weiss : »J’eus le bonheur de vous
accompagnez... « Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs Reisenotizen des Jahres
1764. In: Den Freunden der Natur und Kunst. Das Gartenreich des Fürsten Franz von
Anhalt-Dessau im Zeitalter der Aufklärung. Hg. v. Institut für Auslandsbeziehungen
e.V. und der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Ostfildern-Ruit: Hatje 1998 (= Kataloge
und Schriften der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, 3), S. 30−71.
51 Das Folgende ist dargestellt nach Erhard Hirsch: Dessau-Wörlitz. Aufklärung und
Frühklassik. Leipzig: Koehler & Ameland 1985, S. 123−140 und ders. (2003) S.
379−404 (wie Anm. 50).
52 Siehe einführend: Michael Niedermeier: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz als kulturel-
les und literarisches Zentrum um 1780. Dessau: Kulturamt und Amt für Denkmal-
pflege 1995 (= Dessau-Wörlitzer Beiträge, 6, 1992; Zwischen Wörlitz und Mosigkau,
44).
53 Hier zeigt sich ein Rückbezug auf die oben beschriebene Musikkultur der Freimaurer.
Denn die Ȋltesten Freimaurerlieder [erweisen] sich als unterlegte Texte zu viel gesun-
genen Volksliedern und Gassenhauern«; Internationales Freimaurerlexikon. Hg. v. Eu-
gen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder. München: Herbig 2000, S. 587.
54 Im Mannheimer Theater fanden max. 600 Personen Platz; Ute Daniel: Vom fürstlichen
Gast zum Konsumenten. Das Hoftheaterpublikum in Deutschland vom 18. zum 19.
Jahrhundert. In: Bödeker, Veit, Werner (2002) (wie Anm. 13), S. 347–385, S. 371f.
(hier Anm. 50). Das Alte Gewandhaus in Leipzig (1780-81) faste ca. 400 Menschen,
die Hanover Square Gardens in London (1771) ca. 800; Isabel Matthes, Der Raum des
Paradieses. Gesellige Erfahrung und musikalische Wahrheit im 18. und 19. Jahrhun-
dert. In: Bödeker, Veit, Werner (2002) (wie Anm. 13), S. 273–301, S. 289, 292, 294.
Im nahe bei Dessau liegenden Magdeburg entstand 1794 ein Theaterneubau für 300
Menschen; Hirsch (1985) S. 139 (wie Anm. 51).
55 Vgl. auch Daniel (2002) S. 353 (wie Anm. 54).
56 Hirsch (1985) S. 140 (wie Anm. 51).
57 Zur Veränderung der Theaterpraxis und des Theaterpublikums seit etwa 1770 insb.:
Ute Daniel: Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19.

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Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert? 147

Jahrhundert. Stuttgart Klett-Cotta 1995, S. 11–13, 126–131, 446f., 459–466 und dies.
(2002) S. 349–356 (wie Anm. 54).
58 North (2003) S. 2 (wie Anm. 16). Siehe auch T.C.W. Blanning: The culture of power
and the power of culture. Old Regime Europe (1660–1789). Oxford: Oxford University
Press 2002, S. 109f.; Schmitt Scheubel (2004) S. 298 (wie Anm. 42). Zu den Vauxhall
Gardens siehe: Borsay (2002) S. 263 (wie Anm. 18) und Matthes (2002) S. 275–277
(wie Anm. 54).
59 Hirsch (1985) S. 140 (wie Anm. 51).
60 Wicke (1998/2001) S. 8 (Anm. 18).
61 Vgl. dazu Kraus (2003) S. 97–102 (wie Anm. 13) und Mančal (2001) S. 399–432 (wie
Anm. 14).
62 Allihn (2202) S. 169 (wie Anm. 13).
63 Siehe: Holger Böning: Die preußischen Intelligenzblätter. In: Bernd Sösemann (Hg.):
Kommunikation und Medien in Preußen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Stuttgart:
Steiner 2002 (= Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, 12), S. 207−238 und zum
Musikalienmarkt insb.: Mančal (2001) passim (wie Anm. 14); Timm-Hartmann (2002)
passim (wie Anm. 13).
64 Vgl. auch Schmitt Scheubel (2004) S. 299 (wie Anm. 42).
65 Christensen (2003) S. 109 (wie Anm. 42).
66 Tobias Plebuch: Urbanisierung und Profession. Der Musikunternehmer Carl Philipp
Emanuel Bach in der Stadt. In: Christian Kaden, Volker Kalisch (Hg.): Professiona-
lismus in der Musik. Arbeitstagung in Verbindung mit dem Heinrich-Schütz-Haus Bad
Köstritz vom 22. bis 25. August 1996. Essen: Verlag die Blaue Eule 1999 (= Musik-
Kultur, 5), S. 185–199; Schmitt Scheubel (2004)S. 296−298 (wie Anm. 42). Siehe in
diesem Zusammenhang auch das allerdings weniger erfolgreiche Beispiel von Wilhelm
Friedemann Bach in Halle Ende der 1760er Jahre bei: Timm-Hartmann (2002) S. 36
und 40 (wie Anm. 13). Sowie außerdem in Bezug auf Georg Friedrich Händel: Annette
Monheim: Händels Oratorien in Nord- und Mitteldeutschland im 18. Jahrhundert.
Eisenach: Wagner 1999 (= Schriften zur Musikwissenschaft aus Münster; 12), S. 4.
67 Plebuch (1999) S. 199 (wie Anm. 66).
68 Ellen Judy Wilson, Peter Hanns Reill: Encyclopedia of the Enlightenment. New York:
Facts On File 1996, S. 297.
69 Christensen (2003) S. 110 (wie Anm. 42); North (2003) S. 164 (wie Anm. 16).
70 Wilson, Reill (1996) S. 297 (wie Anm. 68).
71 Das Konzert etwa (»subscription concert«) war um 1800 »the standard means for
presenting musical performances to the public«; Wilson, Reill (1996) S. 297 (wie
Anm. 68).
72 North (2003) S. 217 (wie Anm. 16).
73 Auf die Vielfalt der Facetten, die der Begriff der Musikkultur umfasst, hat bereits
hingewiesen: Peter Wicke: Populäre Musik als Problem der Musikhistoriographie. In:
Beiträge zur Musikwissenschaft, 26. Jg. 1984, Heft 3–4, S. 208–213, S. 210.
74 Borsay (2002) S. 253 (wie Anm. 18).
75 Vor dem Hintergrund der Popularitätsvorstellungen (siehe dazu oben im Text) hatte
sich im 18. Jahrhundert eine Debatte um die ästhetischen Dimensionen des Populären
entwickelt. Dabei wurden die Grenzen von »oben und unten«, von »hoher und
niederer« Literatur, von »E und U« Musik gezogen. Dazu grundlegend: Hügel (2001)
(wie Anm. 2); siehe auch Hans von Trotha: Angenehme Empfindungen. Medien einer

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populären Wirkungsästhetik im 18. Jahrhundert vom Landschaftsgarten bis zum


Schauerroman. München: Fink 1999, S. 27f.
76 Borsay (2002) S. 269 (wie Anm. 18).
77 North (2003) S. 219f. (wie Anm. 16).
78 Siehe auch: Christensen (2003) S. 107 (wie Anm. 42).
79 Wilson, Reill (1996) S. 263 (wie Anm. 68).
80 Siehe dazu: Markus Rathey: Carl Philipp Emanuel Bach und der hamburgische
Reisediskurs im 18. Jahrhundert. In: Archiv für Kulturgeschichte, 86. Band 2004, Heft
1, S. 163–177, S. 164–168; Seifert (1992) S. 54 (wie Anm. 17). Siehe auch Möller
(1989) S. 429 (wie Anm. 16).
81 Wicke (1998/2001) S. 15 (Anm. 18).
82 Wicke (1998) (wie Anm. 11) – hier zitiert nach der unpaginierten Onlineversion.
83 Wilson, Reill (1996) S. 298 (wie Anm. 68); siehe in diesem Zusammenhang jetzt auch:
Ulrich Rosseaux: Von der korporativen Freizeitkultur zur kommerziellen Unterhal-
tung. Zum Strukturwandel städtischer Freizeitpraktiken in der Frühen Neuzeit. In:
Zeitschrift für Historische Forschung, 32. Jg. 2005, H.3, S. 437 – 462.

Zusammenfassung

Die Studie stellt die Frage nach der Geschichtlichkeit der Popkultur. Sie untersucht, ob es in
der vormodernen Welt seit dem 17. Jahrhundert Entwicklungen und Handlungsfelder
gegeben hat, die eine Populäre Musikkultur im modernen Verständnis begründeten, deren
kulturelle Praxis erkennbar und beschreibbar ist. Diese Frage wird in einem europäischen
Referenzrahmen an Beispielen aus dem Alten Reich untersucht. Die Studie stellt die These
auf, dass sich im Rahmen der Aufklärungskultur und vor dem Hintergrund einer sich
verändernden Gesellschaft im 18. Jahrhundert eine neue, populäre Musikkultur entfaltete,
die kein inhärentes Ganzes darstellte, sondern im Schnittfeld verschiedener Entwicklungen
stand. Im 18. Jahrhundert läßt sich ein entstehendes Feld populärer Kultur und Musik
ausmachen, das sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzte, die in der Summe
eine qualitativ neue Kulturform hervorbrachten.

Summary

This paper deals with the origins of modern popular culture (›popculture‹). It explores the
development of popular music culture since the 17th century by using examples from the
Old Regime. These case studies are positioned within a wider European context. The author
argues that the culture of enlightenment and the social changes during the 18th century
provided the main conditions for a new culture in the field of music. As implied by the title,
this culture found its place in the urban spaces of the 18th century. The new popular music
culture did not emerge within a framework structured as an entity. Instead this social
practice can be revealed in the intersection of different components: the public concerts with
its paying audiences, the voluntary societies of the enlightenment, the changing mentalities
of people in the cities, the music as a product of the consumption of culture, etc. As a result,
the social, cultural and economic patterns of modern popular culture were shaped around
1800.

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Populäre Musikkultur im 18. Jahrhundert? 149

Korrespondenzanschrift:

Dr. Holger Zaunstöck, Institut für Geschichte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,


Hoher Weg 4, 06120 Halle/Saale
E-Mail: holger.zaunstoeck@geschichte.uni-halle.de

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