Atlas
Edition ∂
Autor
Thomas Herzog
O. Prof., Dr. (Univ. Rom), Dipl.-Ing. Architekt
Lehrstuhl für Gebäudetechnologie, TU München
Fachbeiträge:
Co-Autoren:
Winfried Heusler, Dr.-Ing. (Bauphysikalische Planungshinweise)
Roland Krippner Direktor Objekt-Engineering International, Bielefeld
Dr.-Ing. Architekt
(Modulare Ordnung; Beton; Solartechnik) Michael Volz, Prof. Dipl.-Ing. Architekt (Holz)
FH Frankfurt / Main
Werner Lang
Dr.-Ing., M.Arch. (UCLA) Architekt Fachberatung:
(Glas; Kunststoff; Mehrschalige Gebäudehüllen aus Glas)
Gerhard Hausladen, o. Prof. Dr.-Ing. (Ränder, Öffnungen)
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Institut für Entwerfen und Bautechnik
Peter Bonfig, Dipl.-Ing. Architekt (Flächen – Strukturelle Prinzipien) Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik, TU München
Jan Cremers, Dipl.-Ing. Architekt (Außen- und Innenbedingungen; Metall)
András Reith, M.Sc.Arch. (Univ. Budapest), Gastwissenschaftler Stefan Heeß, Dipl.-Ing. (Beton)
(Naturstein; Tonstein) Dyckerhoff Weiss, Wiesbaden
Annegret Rieger, M.Arch. (Harvard University) Architektin
(organisatorische Koordination; Holz) Reiner Letsch, Dr.-Ing. M.Sc. (Kunststoff)
Daniel Westenberger, Dipl.-Ing. Architekt Lehrstuhl für Baustoffkunde und Werkstoffprüfung,
(Ränder, Öffnungen; Manipulatoren) MPA Bau, TU München
Redaktion
Redaktionelle Mitarbeit:
Christine Fritzenwallner, Dipl.-Ing.
Zeichnungen: Herausgeber:
Marion Griese, Dipl.-Ing. Institut für Internationale Architektur-Dokumentation
Elisabeth Krammer, Dipl.-Ing. GmbH & Co. KG, München
www.detail.de
Mitarbeit Zeichnungen:
Bettina Brecht, Dipl.-Ing.; Norbert Graeser, Dipl.-Ing.; © 2004, erste Auflage
Christiane Haslberger, Dipl.-Ing.; Oliver Klein, Dipl.-Ing.;
Emese Köszegi, Dipl.-Ing.; Andrea Saiko, Dipl.-Ing.; Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch
Beate Stingl, Dipl.-Ing.; Claudia Toepsch, Dipl.-Ing. begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des
Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und
DTP & Produktion: Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Ver-
Peter Gensmantel, Cornelia Kohn, vielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in
Andrea Linke, Roswitha Siegler Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugswei-
ser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Wer-
Reproduktion: kes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen
Karl Dörfel Reproduktions-GmbH, München Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils gel-
tenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs-
Druck und Bindung: pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmun-
Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell gen des Urheberrechts.
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Inhalt
Impressum 4
Inhaltsverzeichnis 5
Vorwort 6
Teil A Grundlagen 16
2 Allgemeine Konstruktionsgrundlagen
3 Bauphysikalische Planungshinweise 52
1 Materialspezifische Konstruktionen
1.1 Naturstein 62
1.2 Tonstein 82
1.3 Beton 100
1.4 Holz 124
1.5 Metall 154
1.6 Glas 182
1.7 Kunststoff 210
2 Sonderthemen
Teil C Anhang
5
Vorwort
Rund 30 Jahre nach Erscheinen des ersten überstellung ergeben sich die funktionalen
Konstruktionsatlasses liegt nun ein solcher Anforderungen an die jeweilige Außenwand.
über Fassaden vor. Diese sind dann in Summe als Aufgabe formu-
Über Jahrhunderte konzentrierten sich die liert und zunächst lösungsoffen. Entsprechend
gestalterischen Leistungen der Architekten wird in diesem Teil auf die Darstellung von
schwerpunktmäßig auf die Erarbeitung wohl Ausführungsdetails verzichtet. Die maßgeb-
gelungener Ansichtszeichnungen von Bauten lichen Aussagen erfolgen in Bildform über Dia-
– was oft Gegenstand heftiger Kontroversen gramme und schematische Darstellungen zur
über Fragen des zu wählenden Stils war oder Morphologie von Flächen und Öffnungen.
auch Medium der Vermittlung neuer künstle- Zudem steht die Hülle des Gebäudes in unmit-
rischer Positionen. telbarer Wechselwirkung mit den anderen Sub-
systemen: Tragwerk, Raumunterteilungen und
Dass Fassaden heute wieder zunehmend in technische Gebäudeausrüstung. Die hier
den Blick gerückt sind, hat eine Ursache sicher bestehenden oder zu definierenden Wechsel-
in der wachsenden Bedeutung, die die Außen- wirkungen bedürfen bei jedem baulichen Sys-
wände im Zusammenhang mit Fragen des tem der geometrischen Koordination im Raum.
Energieverbrauchs einnehmen sowie mit den Die maßlichen und modularen Bedingungen
Möglichkeiten Umweltenergie zu nutzen. Dazu und die Proportionen müssen geklärt werden,
kommt – meist kontrastierend – die Suche nach damit das Gebäude überhaupt als Ganzes ent-
Selbstdarstellung und »Adressenbildung« sol- wickelt werden kann. Führt man die genannten
cher Auftraggeber, denen die »Verpackung« Aspekte zusammen, so hat man die Vorgaben
ihrer im Innern oft banalen Bauten längst zum für die materielle Umsetzung aus den zu wäh-
Ersatz für qualitätvolle Architektur wurde. Die lenden Werkstoffen und Konstruktionsweisen
boomenden asiatischen Metropolen zeigen erfasst.
dies überdeutlich.
Werden nun die Materialien und die zu ihrer
Was den Aufbau des Buches angeht, so orien- Herstellung nötigen Technologien für die Aus-
tiert sich die Folge der einzelnen Kapitel an formung der weiteren Einzelheiten maßgeblich,
einer sinnvollen Vorgehensweise bei Entwurf so sind die physikalischen, stofflichen,
und Entwicklung einer Fassadenkonstruktion. montagebedingten und ästhetischen Spezifika
Solche Aspekte, die für die Außenwand von aufeinander abzustimmen.
Gebäuden generell gelten – also die an sie Aus diesen Zusammenhängen leitet sich der
gestellten Anforderungen, ihre prinzipielle Aufbau des zweiten Buchteils ab: Die hier wie-
Funktionsweise oder ihren konstruktiven Auf- derum allgemein zu betrachtenden Kapitel sind
bau betreffen – sind abgelöst von den Beson- von den Beispielen abgetrennt und ihnen vor-
derheiten des Einzelfalles. Entsprechend angestellt. Sie beginnen jeweils mit einem kur-
handelt es sich nicht nur um eine Sammlung zen zivilisationsgeschichtlichen Exkurs in die
unterschiedlicher Bauten, was Standort und historische Verwendung der jeweiligen Materia-
Kontext, Typus und Technik betrifft. Vielmehr lien und ihre werkstofflichen Spezifika. Dass wir
sind die Spezifika nach den unterschiedlichen hierbei den Bereich der Materialanwendung
Werkstoffen für das Wandmaterial bzw. das zunächst nicht auf Baukonstruktionen
ihrer Bekleidung sortiert. beschränken, hat den einfachen Grund, dass
Technologie im Zuge der Entwicklung von Zivi-
Der erste Teil befasst sich mit den von innen lisation auf ganz unterschiedliche Weise als
heraus formulierten Anforderungen an eine Wechselwirkung mit den Werkstoffen entstand
Fassade, die sich aus dem Nutzungstyp des und Erstanwendungen häufig in ganz anderen
Gebäudes ableiten. Zwangsläufig werden Gebieten erfolgten. Die Bedeutung von Stein,
diese konfrontiert mit den je nach Region Keramik und Metall beispielsweise reicht
natürlich sehr unterschiedlichen lokalen kli- soweit, dass diese ganze Kulturepochen
matischen Bedingungen. Aus dieser Gegen- namentlich bezeichnen. Auch heute geschieht
6
ein wesentlicher Teil technischer Innovation im lapidarer Weise einfach, gleichermaßen kraftvoll
Bauwesen und gerade auch bei modernen wie sensibel gestaltet sind. Doch hat die Ent-
Fassadenkonstruktionen durch den Transfer wicklung der letzten Jahrzehnte mit den enorm
von Technologien aus ganz anderen Sektoren. gestiegenen Anforderungen an die Gebäude-
Dies gilt für viele Bereiche wie z. B. Umform- hülle als Folge zu mehrschichtigen Konstruktio-
technik, Oberflächenbehandlung, Robotik u. a. nen geführt, bei denen jede einzelne Lage
Daran schließt die auf Materialien bezogene spezifische Funktionen übernehmen muss.
Auswahl von realisierten Beispielen an, die Ein- Dies ist inzwischen durchgängiges Merkmal
blick in das Spektrum der Möglichkeiten geben moderner Konstruktionen in fast allen Werk-
und zum Weiterentwickeln anregen sollen. stoffen. Über die materialspezifischen Konstruk-
Dass dies grundsätzlich über die Zeichnungen tionen hinaus werden daher auch Sonderthe-
der maßgeblichen Fassadendetails mit Erläute- men von Fassadenkonstruktionen behandelt.
rungen durch Legenden erfolgt, orientiert sich
an der bei Architekten üblichen Informations- Ein Jahrhunderte altes Prinzip zur Veränderung
vermittlung über dieses Medium. und individuellen Beeinflussung der Durchläs-
sigkeit von Fassadenöffnungen – sei es aus
Ausgewählt wurden sowohl neue Projekte, die Gründen des Energiehaushalts, des Innenraum-
interessante Ausführungsformen ihrer Fassa- klimas, der Lichtverhältnisse oder der Sicherheit
den aufweisen, als auch »Klassiker«, die ihrer – wird unter der Rubrik »Manipulatoren« in neuer
architektonischen Qualität wegen nach wie vor Aktualität in vielfacher Variation abgehandelt.
Maßstäbe setzen und im Hinblick auf das Detail Die im vergangenen Jahrzehnt erfolgte Verbrei-
auch im Zusammenhang mit der Arbeit inner- tung von mehrschaligen oder Doppelfassaden
halb bestehender älterer Bausubstanz da und bedarf nach unserer Auffassung eigener Erwäh-
dort für Architekten und Ingenieure von prakti- nung und Darstellung, weil noch große Unsi-
schem Wert sein mögen. cherheit bei Entwurf und Planung besteht und
Die Darstellung der Projekte selbst zeigt nicht man leider nicht selten eher einem modischen
Bauten als Ganzes, sondern es erfolgt eine Trend folgt, anstatt die prinzipiellen Vorteile
Beschränkung auf ihre Fassaden, weshalb richtig zum Einsatz kommen zu lassen. So wer-
neben den Architekten nur selten weitere Mitar- den häufig grundlegende Fehler gemacht, da
beiter bei den Projekten genannt sind, und die konstruktiven und energietechnischen
auch Fachingenieure nur dann, wenn sie an Zusammenhänge sowie die einzelnen Varian-
den Fassadenkonstruktionen maßgeblich mit- ten, die für die Ausführung verfügbar sind, nicht
gewirkt haben. genügend bewusst sind.
Auch die Integration von direkt und indirekt wir-
Bei den konstruktiven Details wird man manch- kenden solaren Systemen in die Gebäudehülle
mal feststellen, dass von den in Deutschland ist nach wie vor für viele Neuland und die
üblichen Lösungen oder technischen Regeln geglückte Verbindung aus Gebrauchswert,
abgewichen worden ist, was bei einem Buch technisch-physikalischer Funktion sowie gestal-
mit internationalen Beispielen gerechtfertigt terischer und konstruktiver Bewältigung nach
erscheint. wie vor eher die Ausnahme – obwohl erste Pio-
Gelegentlich mag der Wunsch entstehen, nieranwendungen schon Jahrzehnte zurück-
nähere Kenntnis über ein gezeigtes Projekt zu liegen.
erhalten. Hierfür dienen die weiterführenden,
mit »º« angegebenen Literaturhinweise. Wir danken allen Personen, Institutionen, Archi-
tekten, Fotografen und Firmen, die unsere
Sicherlich kann man einen Wert darin sehen, Arbeit durch kompetente Mitwirkung unterstützt
wenn sich Bauten als technische Großgegen- haben.
stände nicht als diffiziles, eventuell kaum hand-
habbares und aus vielerlei Komponenten München, im Frühjahr 2004
bestehendes System darstellen, sondern in Thomas Herzog
7
Hülle, Wand, Fassade
Mit dem Sesshaftwerden wird Raum durch 20. Jh. – im weit überwiegenden Maß nicht nur
Nutzung vorgefundener Materialien in Verbin- Raumbegrenzung, sondern auch wesentlicher
dung mit einem entsprechenden Bauvorgang Teil des Tragwerks (indem sie die auftretenden
künstlich erzeugt. Überdachung und Außen- Nutzlasten, ihr Eigengewicht und das der auf
wände entstehen. So wird die Außenseite der ihnen lastenden Decken sowie die Windkräfte
gebauten Räume bedeutsam, die nun vielfache über die aussteifende Wirkung des massiven
Funktionen übernehmen muss, die in erster Aufbaus in die Fundamente einleiten). Daher
Linie dem Witterungsschutz dienen (Abb. 3). assoziiert man mit dem Begriff der Wand,
zumal der Außenwand, auch das Stabile,
Die in der Natur existierende, Hohlräume Robuste, meist Schwere, ja sogar Abweisende,
umgebende Masse an Stein oder Erde ist nun Privates und Öffentliches Abtrennende und auf
reduziert auf eine relativ dünne Schicht, die als diese Weise das Wesen des Gebäudes nach
vom Menschen gemachte Konstruktion ent- außen hin vorrangig Bestimmende.
steht. Das Gebäude hat jetzt gleichermaßen
eine Innen- und Außenseite. Die äußere Oberfläche entsteht nun zusätzlich
als Pendant zu den längst als maßgebliches
Der Begriff »Außenwand« kennzeichnet dabei Kommunikationsmedium genutzten Innenober-
in seinen Bestandteilen sowohl die Lage, näm- flächen (wie z. B. im Fall der Höhlenmalereien).
lich »außen«, als auch den Charakter dieses Sie dient fortan auch als Bildträger für profane
baulichen »Subsystems«, den der Wand. und sakrale gesellschaftliche Strukturen und
Wände sind aber in der Geschichte der bauli- zur Vermittlung von Werthierarchie und Macht-
1 Moldau Kloster, Sucevita (RO) 16. Jh. chen Konstruktionen – jedenfalls bis ins anspruch.
9
Hülle, Wand, Fassade
Die Gestalt
10
Hülle, Wand, Fassade
11
Hülle, Wand, Fassade
12
Hülle, Wand, Fassade
cher, auf die Kommunikation in einem Gemein- hüllen als Bildträger. Wie sehr dieser Wandel
wesen setzender Aspekt gesehen werden. zu Kontrasten, ja zur Denaturierung führen
Wer ein Bauwerk errichtet, teilt nach außen hin kann, zeigt das Beispiel aus London
anderen mit, was seine eigenen Absichten (Abb. 11), bei dem sich zwei ursprünglich
sind, und kennzeichnet damit die eigene analoge bauliche Volumina gegenüberstehen.
Identität, wie er auch das Maß der gewollten Sobald das in der Helligkeit konkurrierende
Zuordnung oder Einordnung in einen existie- Tageslicht hinreichend abnimmt und künst-
renden räumlichen und baulichen Kontext liches Licht dominieren kann, sind elektro-
bestimmt. An dessen Weiterentwicklung ist nisch gesteuerte LEDs und Videos längst
man demnach in der Regel auch als Architekt die ästhetisch bestimmenden Faktoren von
beteiligt [4]. auf der Außenseite der Gebäude erfolgender
Informationsvermittlung und architektonischer
Wie sehr man in der Renaissance im Zuge des Wirkung (Abb. 13).
aufblühenden Humanismus und damit der
wachsenden Wertschätzung des geistig unab- Wenn bei den historischen Vorläufern die ein-
hängigen Individuums die Wirkung der Außen- gesetzten Materialien und ihre grafische oder
wände als »Schauwände« betonte, zeigen skulpturale Gestaltung zur Gänze die Wirkung 12
9 Straßenzug mit bemalter Fassade, Trento (I)
zahlreiche Beispiele (z. B. Abb. 10). Noch der Fassade bestimmten, so intensivieren sie 10 San Giorgio Maggiore, Venedig (I) 1610, Andrea Pal-
gesteigert wird dies im Barock: In der Regel die Wahrnehmung gegenüber dem Gebäude ladio
werden diese zum davor liegenden Straßen- selbst. Dessen eigene, originäre Bestandteile 11 Picadilly Circus, London (GB)
oder Platzraum orientierten Fassaden im waren hierfür Ursache. Anders wenn die nicht 12 Alt – Neu, Übergang im Detail
13 Times Square, New York (USA)
Gegensatz zu den übrigen Außenseiten mit gegenständliche semantische Botschaft über
gestalterisch großem Aufwand unter Einbezie- ein nicht selbst gestaltetes neutrales Medium
hung edler Materialien und bedeutsamer wie ein Computerprogramm und Projektions-
künstlerischer Mittel fast losgelöst vom Bau- technik transportiert wird. Über die variable Fassadeninstallationen
körper als Ganzes zur anspruchsvollen Groß- Software besteht dort völlige Unabhängigkeit
kulisse. Viel mehr als technische oder utilitaris- bezüglich der dargestellten Inhalte und weit- In der europäischen Bautradition sind gebäu-
tische Aspekte spielt dabei die Fassade als gehend auch bezüglich der Form ihrer Prä- detechnische Anlagen als funktional wichtige
Medium für die architektonische Wirkung eine sentation. Elemente auf vielfache Weise in Außenwände
zentrale Rolle. Die Außenwand wird zum Bild- Die solchermaßen äußerst intensive, von integriert: als Heizungskamine wie im Fall des
träger unter Einbeziehung von Relief, Skulptur, ständiger Abwechslung lebende Wirkung südenglischen Wells, wo sich die gemauerten
Malerei, Mosaik und Schrift, wo alle primär bei Fassaden ist Hauptursache für den Außenwände als Rauchabzüge signifikant
funktionalen Teile Gegenstand höchster deko- Attraktionswert dieses städtischen Raumes. nach oben fortsetzen und in Europas erster
rativer Ausformung werden (Abb. 9). Diese Art Fassade stetiger Veränderung Reihenhaussiedlung aus neuerer Zeit charak-
durch Integration immer wieder neuer Techno- teristischer Bestandteil des Straßenbildes
Heutige so genannte Medienfassaden, wie sie logie zeigt sich etwa am Times Square in New werden (Abb. 14).
weltweit durch die Integration neuer Gestal- York – eines unter zahllosen Beispielen. So
tungsmittel und Kommunikationstechnologien entsteht ein völlig neuer, über andere Medien Alltäglich ist die Anordnung von Radiatoren
möglich werden, die in transparenten und wirksam werdender intensiver kultureller oder Konvektoren unter Fenstern auf der
transluzenten Glas- und Membranflächen gra- Bezug, bei dem die ästhetische Bedeutung Innenraumseite oder – in heißen Klimaten –
fische und farbliche Wirkungen neuer Art zei- der Gebäudefassade selbst in den Hinter- von dezentralen Raumklimageräten auf der
gen, stehen in der Tradition dieser Gebäude- grund tritt (Abb. 13). Gebäudeaußenseite. Dass die Auflagerkon-
13
13
Hülle, Wand, Fassade
solen solcher technischer Geräte auch in ele- und schützender Gebäudehülle ist allemal Altern
mentierte Fassaden konstruktiv elegant ein- schon aus Gründen der leichten Zugänglich-
zubinden sind, zeigt das Beispiel des Halb- keit, Wartung und Erneuerbarkeit zweckmäßig. Geht man davon aus, dass ein Gebäude ab
leitermontagewerks in Wasserburg am Inn dem Zeitpunkt seiner Fertigstellung Teil der
(siehe S. 168f.) Verzichtet man auf installierbare Hohlräume in Baugeschichte ist, so stellt sich die Frage nach
Decken und Böden, um die Masse der tragen- dem Alterungsverhalten unmittelbar, speziell
Vor allem um Innenräume großflächig freizu- den Bauteile thermisch aktivieren zu können, was das äußere Erscheinungsbild, also die
halten, wie dies bei Produktions- und Ausstel- und sollen gleichwohl – wie im Verwaltungsbau gegenüber der Bewitterung am meisten expo-
lungshallen gefordert ist, werden auch große die Regel – Innenwände auf Dauer versetzbar nierte Gebäudehülle betrifft.
Lüftungskanäle im Fassadenbereich ange- sein, so muss die Außenwandkonstruktion
ordnet. Dies wurde als technisches Motiv in geeignete Einrichtungen zur Verteilung und für Sie ist auf Dauer vielfachen Beanspruchungen
expressiver Weise und in großer Dimension die Zugänglichkeit von Stark- und Schwach- ausgesetzt, mit der Folge, dass es im Laufe der
beim Centre Pompidou in Paris (Renzo Piano, stromleitungen sowie für die Versorgung mit Zeit nicht nur zu technisch und funktional rele-
Richard Rogers, 1977) zum maßgeblichen Kälte, Wärme und Luftaustausch enthalten. In vanten Veränderungen kommt, sondern auch
architektonischen Ausdrucksmittel (Abb. 15). jüngerer Zeit werden zunehmend kleine, zu Veränderungen im Erscheinungsbild.
In ähnlicher Weise liegen die raumlufttechni- dezentrale Fassaden-Lüftungsgeräte entwi-
schen Anlagen beim Sainsbury Centre of ckelt, welche zur Minderung von Lüftungs- Es gibt Fassaden, die verrotten, verkommen,
Visual Arts (siehe S. 172f.) an der Gebäude- wärmeverlusten als Gegenstromanlagen aus- »schäbig« werden, die wegen ihrer Konstrukti-
peripherie – dort allerdings zwar in Teilen gebildet sind und so Wärmerückgewinnung in onsweise und Materialwahl schlecht altern.
durch Verglasungen von außen sichtbar, der Heizperiode effizient sicherstellen. Und es gibt andere, die so gut wie gar nicht
aber auf Dauer wirkungsvoll gegen Witte- altern, was mit den gleichen, nämlich techni-
rungseinflüsse geschützt. Dass solche weit- Bei den Neubauten der ZVK in Wiesbaden schen Kriterien zusammenhängt. Gläser bei-
gehend aus dem Bereich des Maschinen- (siehe S. 282f.) ist dies durch einen Brüs- spielsweise, u. U. seit Jahrhunderten einge-
baus kommenden Elemente als wesentliches tungskanal, Installationsschränke, integrierte baut, sind vielleicht in ihrer Oberfläche leicht
bauliches Subsystem und geradezu pro- Evolventenleuchten, Kleinkonvektoren in allen angegriffen, haben sich aber in ihrer stofflichen
grammatisch in den »Schauseiten« von Büroachsen und steuerbare Lüftungswalzen und ästhetischen Charakteristik wenig verän-
Gebäuden eingesetzt werden, stellt einen mit dahinter liegender Prallplatte verwirklicht. dert.
Paradigmenwechsel dar [5]. Deren Bedeu-
tung im Zuge der Erzeugung eines künst- Ganz andere, auf natürliche, organische Wir- Schließlich gibt es Materialien, die schon inner-
lichen Gebäudeinnenklimas bei wachsender kungen setzende Effekte, solche die das halb kurzer Zeiträume trotz starker Verände-
Unterstützung durch Energiezufuhr – und Mikroklima an Fassaden beeinflussen, lassen rung auf akzeptable Weise altern und die dabei
Abhängigkeit davon – ist indessen gerade sich mit dem gezielt funktionalen Einsatz von möglicherweise sogar schöner werden. Hier
aus heutiger Sicht wegen dieser Abhängig- Vegetation erreichen (Abb. 16). Pflanzen spricht man von Patinierung (Abb. 17). Den
keit zu überprüfen. Die betreffenden (groß-) haben, was Staubbindung, Feuchtehaushalt Gebrauchswert verlieren sie nicht, ebenso
technischen Installationen sind jedoch nach Verschattungswirkung und natürliche Kühlung wenig die technische Tauglichkeit (etwa weil
wie vor sinnvoll, wenn sie – wie beispielswei- angeht, gelegentlich – zumal in heißen Jahres- Teile faulen oder Querschnitte als Folge von
se durch den verstärkten Einsatz erneuerba- zeiten und in südlichen Regionen – erhebliche Korrosion zu dünn werden).
rer Energien – auch nach Kriterien der Res- Wirkung im Sinne natürlicher Kühlung. Hier
sourcenschonung verantwortbar sind. Ihre kann sich also Funktionalität mit ästhetischer Zur gestalterischen und technischen Konzep-
baukonstruktive Desintegration von Tragwerk Absicht überzeugend verbinden [6]. tion und Ausarbeitung von Fassaden gehört es
14 15
14
Hülle, Wand, Fassade
Anmerkungen:
15
16
Teil A Grundlagen
2 Allgemeine Konstruktionsgrundlagen
3 Bauphysikalische Planungshinweise
17
Außen Fassade Innen
Dämmen / Dämpfen
Dichten / Sperren
Filtern
Speichern
Lenken
mechanisch Schützen
Regelfunktionen
Steuern / Regeln
Reagieren / Wandeln
Wärmeschutz Blendschutz
Sonnenschutz Sichtschutz (z. B. Vorhänge)
(z. B. Fensterläden, Markisen, Tageslichtlenkung
Brise-soleil, Lamellen etc.) etc.
A 1.1
Außen- und Innenbedingungen
19
Außen- und Innenbedingungen
4000 0° 4000
Verbleibende Anforderungen, die durch bauli-
izon
60°
3000 3000 wurden, müssen durch gebäudetechnische
90° Anlagen erfüllt werden – sei es zur Temperie-
rung, Belichtung, Luftreinigung, für einen aus-
2000 2000
W
S
800
20
Außen- und Innenbedingungen
kWh/m2
Globalstrahlung/Jahr (Energie)
entspricht ca. dem 10 000-fachen des derzeiti- 5
gen Weltenergieverbrauchs (auf jeden Qua-
solares Strahlungsangebot
dratmeter der äußeren Erdatmosphäre trifft ein
4 direkte
durchschnittlicher Energiestrom von 1353 W),
Strahlung
und sie ist nach menschlichem Maßstab uner-
schöpflich, kostenlos und umweltfreundlich. 3
Um dieses Energieangebot nutzen zu können,
ist eine Betrachtung von Strahlungsintensität
2
und -dauer in Abhängigkeit von Fassadenaus-
richtung und -neigung von maßgeblicher Wärmebedarf diffuse Strahlung
Bedeutung. 1
Die Planung von Fassaden erfordert außerdem
eine umfassende Berücksichtigung folgender
Zusammenhänge und Abhängigkeiten: J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D
Winter Sommer Winter Winter Sommer Winter
• Sonnenstandverlauf bezogen auf Standort, A 1.7 A 1.8
Tages- und Jahreszeit
• Strahlungsmenge je nach Flächenausrich- 70 °C
tung und -neigung, Standort, Tages- und 65 ° 1
Jahreszeit
60 ° 1 schwarz (hochglanz)
• verschiedene Arten an Strahlung (diffus, 2
direkt und verschiedener Wellenlänge) und 55 ° 2 dunkelblau
3
deren quantitatives Verhältnis in Abhängig- 50 ° 3 ziegelrot
keit von Wetter, Ausrichtung, Standort,
45 ° 4 4 elfenbein
Tages- und Jahreszeit
• Wechselwirkungen mit Oberflächen und 40 ° 5 deckweiß
Materialien 5
35 ° 6 Außenluft
• zu erwartende Energieeintragsmengen in
30 °
Abhängigkeit von Wetter, Ausrichtung,
Standort, Tages- und Jahreszeit 25 ° 6
• Relation zum Wärmebedarf, wie er sich aus 20 °
der vorgesehenen Nutzung ergibt
15 ° Besonnungszeit auf
Eine Auswahl wesentlicher Zusammenhänge Südwestfassade
10 °
stellen die Abb. A 1.3–11 dar. Wärmemenge = 330 cal/cm2
5°
Im Hinblick auf das solare Strahlungsangebot
0° 22.06.1963 23.06.1963
können für Deutschland folgende Werte als
Grundlage angesetzt werden:
A 1.9
21
Außen- und Innenbedingungen
25
c d Luftströmung am Körper
°C 24
24 A 1.13 Raum- / Oberflächentemperatur
Behaglichkeitsfeld in Abhängigkeit von Raumluft-
c + 22 und mittlerer (wenig unterschiedlicher) Ober-
Raumbegrenzungen [°C]
behagl.
23
d flächentemperatur der Raumbegrenzungen
– 20
(nach Reiher und Frank)
22
18 A 1.14 Raumtemperatur / relative Luftfeuchtigkeit
a b
Behaglichkeitsfeld in Abhängigkeit von Raumluft-
21
d
16 temperatur und relativer Luftfeuchte
d
20
c (nach Leusden und Freymark)
14
c
19
12
unbehaglich kalt
18
12 14 16 18 20 22 24 26 28
Raumlufttemperatur [°C]
Wärmeübertragung
1,2 Physikalische Grundprinzipien
— + Wasser
1,0
Für das Verständnis der Funktionen der Fassa-
Strahlung Granit
0,8 de ist die Kenntnis der bauphysikalischen
— + Beton
Grundprinzipien von großer Bedeutung, z. B.
0,6 Kalksandstein Aluminium von Wärmefluss, Wasserdampfdruck oder
Leitung Kiesschüttung Estrich
0,4 Strahlungstransport (Abb. A 1.16).
[kWh/m3K]
— + Sand, trocken
0,2 Gasbeton Wärmetransport
Konvektion Leichtziegel
0
Wärmeenergie fließt grundsätzlich von der wär-
0 1000 2000 3000 meren (energiereicheren) zur kälteren Seite. Es
Rohdichte [kg/m3] gibt drei Grundprinzipien des Wärmetranspor-
tes (Abb. A 1.17):
A 1.17 A 1.18
22
Außen- und Innenbedingungen
A 1.15 Raumtemperatur / Luftbewegung Behaglichkeits- A 1.19 warme Luft ist leichter und steigt auf +
feld in Abhängigkeit von Raumlufttemperatur und A 1.20 Winddruck und -sog bei Strömungen um ein
Luftbewegung (nach Rietschel-Raiß) Gebäude –
A 1.21 Windgeschwindigkeiten nehmen in der Höhe zu
Geltungsbereich für Abb. A 1.13–15 A 1.22 eine strahlendurchlässige Fassadenebene
• relative Luftfeuchte von 30 bis 70 % ermöglicht die Erwärmung der Zwischenluft-
• Luftbewegung von 0 bis 20 cm/s schicht, die daraufhin aufsteigt (»Kamineffekt«)
• weitgehende Temperaturgleichheit aller A 1.23 Verstärkung der Luftabführung über geeignete +
raumbegrenzenden Flächen von 19,5 bis 23 °C geometrische Lösungen –
A 1.24 Wind: regionale Häufigkeiten und Richtungen im
A 1.16 bauphysikalische Grundprinzipien (Auswahl) Jahresmittel am Beispiel München
A 1.17 Grundprinzipien der Wärmeübertragung Windgeschwindigkeit: A 1.19
A 1.18 volumenbezogene Wärmespeicherkapazität a bis 3 m/s
ausgewählter Materialien b mehr als 3 m/s
– +
23
Außen- und Innenbedingungen
schwindigkeiten auf (Abb. A 1.21), die mit Eine weitere Maßnahme gegen Luftschallüber-
zunehmender Gebäudehöhe steigen. Damit tragung ist eine möglichst effiziente Abdich-
werden auch Winddruck und -sog stärker. tung (Abb. A 1.30), wodurch vermieden wird,
Tritt Strahlungsenergie durch eine transparente dass sich Luftschall direkt durch Undichtigkei-
oder transluzente Schicht auf ein durch eine ten wie Fugen, Spalten und Ritzen ausbreitet.
Luftschicht getrenntes Bauteil, so wird dieses Zusätzlich besteht die Möglicheit, Luftschall-
A 1.25
durch Absorptionsvorgänge erwärmt (Abb. übertragung durch eine zweischalige Konstruk-
A 1.22). Es gibt einen Teil seiner Wärmeenergie tion mit gedämmtem Zwischenraum zu dämp-
an die angrenzende Luft im Zwischenraum ab, fen (Abb. A 1.31). Besonders effizient ist eine
welche sich erwärmt und aufsteigt (Abb. A 1.19 solche Maßnahme, wenn die beiden Schalen
analog); es entsteht Luftzirkulation. Dieser unterschiedlich dick und schwer sind und
Effekt wird noch verstärkt, wenn die Luft oben damit verschiedene Eigenfrequenzen aufwei-
entweichen und unten nachströmen kann. sen. Hierbei darf der Erfolg nicht durch starre
Durch Körper mit geeigneten Geometrien kann Verbindungsmittel zwischen den beiden Scha-
die vorhandene Anströmung an ein Gebäude len gefährdet werden (Prinzip: Masse – Feder –
A 1.26
zur Erzeugung von zusätzlichem Unterdruck Masse). Weitere bauphysikalische Aspekte
genutzt werden (Abb. A 1.23), um den Kamin- zum Thema Schallschutz behandelt das Kapitel
effekt zu verstärken oder auch, um warme Luft A 3 Bauphysikalische Planungshinweise.
aus einem darunter befindlichen Raum
beschleunigt abzuführen.
Bauliche Umsetzung
24
Außen- und Innenbedingungen
25
Flächen – Strukturelle Prinzipien
Gemäß den gestellten Funktionen und An- A 2.1.2 Betrachtung in der Fassadenebene
forderungen sind Fassaden bestimmte Leis- • Flächenart
• Zuordnung von Leistungsprofilen
tungsprofile zuzuordnen, die in der Fläche • Lastabtragung
variieren können. Ihre technische und materi- • Konstruktionsprinzip
elle Umsetzung erfordert senkrecht zur Fas- • Fügung
sadenebene u. U. mehrere Funktions- und A 2.1.3 Betrachtung senkrecht zur Fassadenebene
• Umsetzung Leistungsprofil
Konstruktionsebenen. Zusätzliche bauliche
• Aufbau in Schichten und Schalen
Strukturen, die selbst nicht Teil der raum- • Kopplung von Schichten und Schalen
abschließenden Hülle sind (wie z. B. horizon- A 2.1.4 Klassifikation nach funktionalen Kriterien
tale Sonnenschutzeinrichtungen, Lichtlenk- A 2.1.5 Klassifikation nach konstruktiven Kriterien
systeme, Wartungsstege etc.) können sich
als sinnvoll erweisen.
Ziel sollte eine in ihren Komponenten effizient Permeabilität – Luft geschlossen
zusammenwirkende Struktur sein. teildurchlässig
offen
27
Flächen – Strukturelle Prinzipien
Energiegewinn gefaltet gefaltet vertikal + horiz. regelm. Welle regelm. Welle synklastisch +
Für Solarstrahlung durchlässige Flächen antiklastisch
ermöglichen direkten Energiegewinn durch
Erwärmung von Bauteilen wie Böden und
Wände im Gebäudeinneren. Mit besonderen
technische Einrichtungen (z. B. Photovoltaik,
TWD-Absorberwand) lässt sich im Fassaden- polygon. Flächen vertikal + horiz. freie Form rotationssym. rotationssym.
A 2.1.6
aufbau selbst Wärme oder Strom für den
Betrieb eines Gebäudes gewinnen. Bezug zum Tragwerk Struktur in der Fassadenebene
»Nicht tragende« Fassaden übernehmen
Veränderbarkeit keine Lasten oder Aufgaben des Tragwerks Flächenarten
Durch Änderung der Position oder der Eigen- für die Standsicherheit des Gebäudes. Bei der Festlegung der Außengeometrie des
schaften von Bauteilen kann die Fassaden- Gebäudevolumens sind Eigengesetzmäßig-
fläche auf sich ändernde Außenbedingungen Aufbau in »Schichten« und »Schalen« keiten der umgebenden Hülle von Belang.
reagieren, z. B.: Ebenen unterschiedlicher Stofflichkeit, Stärke Jede Fassade setzt sich aus mehreren ebenen
und Struktur können auf bestimmte Teilaufga- oder gekrümmten Flächenanteilen zusammen,
• durch mechanische Bewegung von ben hin optimiert und nach bauphysikalischen die sich untereinander und mit den Dach-
Fassadenteilen (Lamellenstellung, Öffnungs- und konstruktiven Prinzipien zu einer funktionel- flächen in Linien (Kanten) schneiden bzw.
grad von Klappläden etc.) len Einheit – dem Fassadenaufbau – addiert berühren. Wie die Flächen geformt und im
• durch elektrische, thermo- oder photosen- werden. Es lassen sich zahlreiche Kombina- Raum angeordnet sind, ob senkrecht oder
sitive Prozesse ausgelöste, reversible Ver- tionsmöglichkeiten mit entsprechenden Leis- geneigt bis nahezu horizontal, hat entscheiden-
änderungen von Materialeigenschaften, die tungsprofilen erzielen. Konstruktionsstärken den Einfluss auf die gestalterische und kon-
sich zum Beispiel auf die Durchlässigkeit der einzelnen Funktionsebenen können von struktive Detaillierung der Fassade. Beachtung
von Lichtstrahlen auswirken. Die Verände- Bruchteilen von Millimetern (z. B. Low-E- erfordern Schnittkanten und insbesondere
rungen selbst sind entweder physikalisch Beschichtung einer Wärmeschutzverglasung) »Ecken«, in denen drei Flächen zusammen-
struktureller Natur (z. B. Wechsel des bis zu einigen Metern (z. B. Luftschicht bei treffen.
Aggregatzustands, andere Ausrichtung mehrschaligen Glasfassaden) variieren. Die Die räumliche Konzeption der Flächenanord-
von Kristallstrukturen) oder chemisch sub- Richtigkeit der Reihenfolge ist maßgeblich für nung wird von diversen Faktoren bestimmt,
stanzieller (Änderung der chemischen eine effiziente Funktion und die Vermeidung die selten ausschließlich, meist kombiniert mit
Verbindung) [4]. von Bauschäden. unterschiedlicher Gewichtung zum Tragen
Bezüglich der Lastabtragung unbedeutende kommen, z. B.:
Regelung oder untergeordnete Funktionsebenen lassen
Veränderbarkeit erfordert Regelung. Eine sich als »Schichten« oder »Lagen«, statisch • Grund- und Aufrissgeometrie des Gebäude-
Nachführung an wechselnde Bedingungen beanspruchbare und räumlich freigestellte als volumens
ist wie folgt möglich: »Schalen« klassifizieren (siehe Seite 36) [5]. • Nutzungsaspekte (z. B. Schaffung von
Nischen für nicht einsehbare Freiräume)
• durch manuelle oder mechanische Hinterlüftung • Tragwerkskonzept der Hüllfläche selbst
Betätigung, direkt oder indirekt, z. B. per Hinterlüftete Fassadenaufbauten besitzen ein (z. B. Faltwerk)
»Knopfdruck« oder mehrere Luftschichten, die mittels thermi- • Aspekte des Wärmeschutzes (z. B. Minimie-
• »selbst regelnd«, z. B. durch thermosen- scher Auftriebskräfte Kondensat und / oder rung des Verhältnisses Hüllfläche / Volumen
sitive Prozesse veränderte Lichtdurchlässig- Wärme wirkungsvoll abführen. Solche Systeme A /V)
keit thermotroper Gläser sind definitionsgemäß immer mehrschalig. • konstruktive Aspekte (z. B. Wasserführung)
• nach dem Prinzip der Regelkreistechnik mit • materialspezifische Aspekte
Sensoren und mikroprozessorgesteuerten Vorfertigung • gestalterische Absichten
Stellmotoren Der angestrebte Grad der Vorfertigung prägt
maßgeblich das Konstruktionsprinzip, die Art Einschätzung unterschiedlicher Flächenarten
Grundlegende konstruktive Kriterien der Elementierung, die absolute Größe der ein- Senkrechte Flächen
Die Klärung wichtiger konstruktiver Grund- zelnen Bauteile und die Bedingungen, unter Die Wasserführung ist nicht erschwert, Faltun-
satzentscheidungen bereitet die strukturelle denen die Fassade montiert und evtl. wieder gen und Versprünge erhöhen die Außenfläche,
und materielle Umsetzung vor. demontiert werden kann. zusätzlich müssen Innenkanten konstruktiv und
28
Flächen – Strukturelle Prinzipien
28
A 2.1.7 Fallbeispiele unterschiedlicher Anschlussdetails wegen weltweit durchgesetzt:
16 bei senkrechtem, orthogonalem Fassadensystem
A 2.1.7 A 2.1.8 Schema stehende / hängende Fassade • Sofort nach dem Einhängen befindet sich
das Bauteil in stabiler Position (im Gegen-
geometrisch bewältigt werden. Im spitzen Gekrümmte Flächen satz zur labilen Position des stehenden
Winkel aufeinander treffende Flächen verur- Sofern sie senkrecht verlaufen, ist die Wasser- Bauteils), was bezüglich der Sicherheit auf
sachen u. U. in der Herstellung und in der führung nicht erschwert. Meistens können der Baustelle – zumal bei höheren Gebäu-
Nutzung Probleme. Bei der konstruktiven Aus- Krümmungen nicht kontinuierlich, sondern den – von erheblicher Bedeutung ist.
bildung vertikal verlaufender Kanten erweist wegen der Ausgangsgeometrie der Materialien • Das Eigengewicht wirkt als Zugkraft in der
sich der Umstand als günstig, dass sie in und Halbzeuge nur als Polygonzüge konstruk- Längsachse des Bauteils. Die damit
Fließrichtung des Fassadenwassers verlaufen. tiv umgesetzt werden. erzielte Vorspannung wirkt »stabilisierend«
Gefaltete Flächen lassen sich als statisch (= Reduzierung der Knickbeanspruchung).
wirksame Faltwerke ausbilden. Doppelt gekrümmte Flächen Die ungünstige Überlagerung von Knicken
Abb. A 2.1.7 zeigt 37 unterschiedliche geo- Solche Flächen sind nicht zwingend an aus Druck und Biegeknicken wird vermie-
metrische Fälle auf, bei denen sich Fassaden- Membrankonstruktionen gekoppelt. Oft werden den.
flächen untereinander oder mit Boden- bzw. solche Geometrien als Translationsflächen
Dachflächen in Kanten und Ecken schneiden. erzeugt, die eine bauliche Umsetzung mit ebe- Gerade bei großen Spannweiten erweisen
Jeder dieser markierten Punkte erfordert eine nen polygonalen Einzelfächen ermöglichen. sich die Aspekte der hängenden Lagerung
eigene konstruktive Detaillierung und gegenüber der stehenden als besonders
Ausführung. Punkte, in denen mehr als drei vorteilhaft. Verformungen senkrecht zur
unterschiedliche Flächen zusammentreffen Prinzipien der Lastabtragung Fassadenebene werden allerdings nicht in
(wie bei Nr. 29), sind konstruktiv und gestalte- Einwirkende Lasten nennenswertem Umfang reduziert.
risch kaum zu bewältigen. Spielen zugleich Die Fassade muss die einwirkenden Lasten
unterschiedliche Neigungen oder gar sicher aufnehmen und an das Tragwerk Fixpunkt, Gleitpunkt
Krümmungen eine Rolle, wird die Anzahl der (Primärtragwerk) weitergeben. Jede Fassaden- Fassade und Tragwerk unterliegen –
geometrischen und somit konstruktiven Fall- konstruktion, auch eine »nicht tragende«, soweit es sich um getrennte Systeme
beispiele deutlich größer. ist als Sekundärtragwerk für folgende Bean- handelt – unterschiedlichen Temperatur-
spruchungen zu konzipieren und zu dimen- schwankungen und Belastungen sowie
Geneigte Flächen sionieren: daraus resultierenden Formänderungen.
Bei jeder Neigung aus der Vertikalen, ins- Dies macht eine zwängungsfreie Kopplung
besondere bei Vor- und Rücksprüngen in • Vertikallasten: mit Fix- und Gleitpunkten notwendig.
stark geneigte Flächen, treten zusätzliche Eigenlast, Sonderlasten Dabei müssen Relativbewegungen in
Beanspruchungen bzw. Aspekte auf: Die (z. B. Sonnenschutzvorrichtungen, beiden Richtungen aufgenommen werden
Wasserführung wird erschwert, Schnee und Pflanzen, temporäre Gerüste), können (Plus- und Minustoleranzen).
Eisbildung verursachen weitere Beanspru- Verkehrslasten (z. B. Personenlast), An den Schnittstellen der beiden Subsysteme
chungen, größere horizontale Flächen sind Schnee- und Eislasten treffen meist unterschiedliche Gewerke,
wie Dachflächen zu behandeln und kontrol- (z. B. an Fassadenbegrünungen für Bauweisen und Bautoleranzen zusammen,
liert zu entwässern, die Oberfläche vergrößert jeden Einzelfall zu ermitteln) weshalb hier ausreichend Justiermöglich-
sich, Dichtungs- und Dämmebenen »ver- • Horizontallasten: keiten bei der Befestigung in allen Rich-
springen« und provozieren an den Knicklinien Windlast (Druck und Sog stehen im tungen notwendig sind.
konstruktive Schwachstellen. Allgemeinen im Verhältnis 8 : 5, in Rand- Ebenso sind Anschlüsse von Fassaden-
Jede Fensterleibung, jeder Erker, jede bereichen teils erheblich höhere Soglasten), bauteilen untereinander mit unterschiedlichen
Loggia o. ä. bedeutet Flächenversprünge Verkehrslasten (z. B. Anpralllasten) Längenausdehnungen (aus Belastung,
sowohl in der Vertikalen als auch in der Hori- • Belastungen aus Zwangskräften, thermischen und hygrischen Gründen)
zontalen. Zusätzlich entstehen Innen- bzw. verursacht durch thermisch oder hygrisch zwängungsfrei zu gestalten, um Schäden
Außenkanten und -ecken. bedingte Volumenänderungen vorzubeugen.
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Flächen – Strukturelle Prinzipien
Schwerge- Platte +
wichtswand nur Platte Platte + Hinterspannung Raumfachwerk Faltwerk Schale
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Flächen – Strukturelle Prinzipien
»Durchgängiges« Gefüge
Darunter versteht man in diesem Zusammen-
hang Vollquerschnitte mit gerichteter oder geschichtetes Gefüge, stoffschlüssig m n o
ungerichteter Struktur (isotrop oder anisotrop). m stabförmige Einheiten
Die Flächenbauteile werden werkseitig vor- n flächige Einheiten
o stabförmige und flächige Einheiten
gefertigt oder vor Ort z. B. in Schalungen mit
Arbeitsfugen als Schnittstellen der einzelnen
Fertigungsschritte erstellt. Größe und Form
der Bauteile sind material- und herstellungs-
abhängig. Die Bauteile können als Verbund-
werkstoffe mit zug- und / oder druckfesten
»Sandwich« p q r
Bewehrungen (Metallstäbe, Glasfasern, Natur- p mit geschlossenzelligem Kern
fasern, Kunststofffasern etc.) spezifische Trag- q offen, zellartige Struktur als Kern (Waben,
fähigkeiten erfahren. Das Prinzip lässt sich Stege etc.)
beispielsweise gleichermaßen in einer auf Bie- r mit profilierten Strukturen im Kern
gung beanpruchbaren Platte aus Vollmaterial
oder einer nur auf Zug beanspruchbaren
Membran aus einem Verbundwerkstoff wieder-
finden.
Rippen / Rahmen und Platten s t u
s Rippen und beidseitige Beplankung als kon-
Gefüge mit hohem Luftanteil oder Hohlkörpern struktive Einheit
Verschiedene Fertigungstechnologien können t Rahmen und beidseitige Beplankung als kon-
den Luftanteil in Bauteilen mit folgenden Ziel- struktive Einheit
setzungen erhöhen: u Rahmen und konstruktiv entkoppelte Füllung
31
Flächen – Strukturelle Prinzipien
Geschichtetes Gefüge, reib- und / oder • Relativ-Bewegungen möglich sind Feuchtigkeit Regen-/ Fassadenwasser
formschlüssig • Lichtstrahlung passiert Kapillarwasser
Wasserdampf / Kondensat
Die Schichtung von kleinteiligen, unregelmäßi- Eisbildung, Schnee
gen Einheiten ohne Bindemittel gilt als tradi- So unterschiedlich die »Nahtstellen« der
tionelle Bauart, die für Vorsatzschalen immer Bauteile ausfallen, sie verlangen besondere Luft/Winddruck Luft-/ Winddichtigkeit
noch angewandt wird. Eine abschnittsweise Betrachtung, da sich hier u. U. viele Aspekte Abbau von Winddruck /-sog
Zusammenfassung in Metallgittern (Gabionen) konzentrieren, die beim Konstruieren relevant Zu-/ Abluftöffnungen
erbringt wesentlich höhere Stabilität. sind (Abb. A 2.1.12). Neben den funktionalen
Schall Luftschall
In Form und Abmessung regelmäßige, modu- und technischen Gesichtspunkten tragen Körperschall
lar koordinierte Einheiten sind reib- und / oder Fugen zur Gliederung einzelner Bauteile
formschlüssig zu größeren Bauteilen addier- und von Fassaden als Ganzes bei (innen wie Licht Belichtung
bar. Kleine modulare Schritte ermöglichen eine außen), sie spiegeln geometrische und kon- UV-Beständigkeit Fugen-
material
gute Anpassungsfähigkeit. struktive Ordnungen wider.
Übertragung Kräfte Element – Element
Geschichtetes Gefüge, stoffschlüssig Fugen auf außenseitigen Fassadenflächen Unterkonstruktion – Ele-
Stabförmige, flächige oder räumliche sind der Witterung in vollem Umfang ausge- ment
Strukturen (z. B. Waben, Gitter) lassen sich setzt. Mit zunehmender Gebäudehöhe steigt
Ausgleich Toleranzen Fertigungstoleranzen
stoffschlüssig (z. B. über Klebeflächen) zu die Windbeanspruchung. An Gebäudekanten
Montagetoleranzen
plattenartigen größeren Einheiten addieren. kommt es zu Konzentrationen der Strömung Bewegungstoleranzen
Eine Sonderform stellt die Sandwichbauweise und somit zu höheren Windgeschwindig-
dar. keiten, bei Regen zu einer Verdichtung des Montage Justierbarkeit, Fixierung
»Fassadenwassers«, das sich zudem über Abfolge
»Sandwich« die Höhe des Gebäudes nach unten hin Witterungsabhängigkeit
Die stoffschlüssige Kopplung dünnwandiger addiert. Die Lage der Fugen zur Bewegungs- Wartung Erforderlichkeit
zug- und druckfester Deckschichten mit einer richtung von Niederschlags- und Fassaden- Möglichkeit / Zugänglichkeit
schubfesten Mittellage (meist in hohem Maße wasser, welche durch Schwerkraft und Wind
aufgelöste oder porosierte Struktur) ergibt eine bestimmt wird, ist ein wichtiger Faktor für ihre Demontage Lösbarkeit
Recycling
konstruktive Einheit mit großer Biegesteifigkeit Beanspruchung. Weitgehend parallel zur
Wiederverwendbarkeit
bei geringem Materialaufwand. Aufbauten mit Fließrichtung des Fassadenwassers angeord-
gut wärmedämmenden Zwischenlagen eignen nete Fugen (Vertikalfugen) sind im Regelfall Fugenbild Überlappung
sich generell für leichte, opake Fassaden- weniger beansprucht als solche, die vor- Schattenfuge
paneele. wiegend quer dazu liegen. Volumen- bzw. Hinterschneidung
Profilierung
Längenänderungen der angrenzenden Bau- Materialwechsel
Beplankte Rippen oder Rahmen teile durch Last, Temperaturschwankungen Farbigkeit
Durch gegenseitige Stabilisierung von und Wasseraufnahme bzw. -abgabe bean-
A 2.1.12
Rippen / Rahmen und flächiger Beplankung spruchen zusätzlich jede Art von Fuge. Dies
bzw. Füllung entstehen sehr tragfähige und ist bei elementierten Fassadenkonstruktionen dass die Strömung durch Verwirbelung im
Material sparende Flächenbauteile. Hohlräume am offensichtlichsten, aber auch Nass-in- Fugenraum gehemmt wird. Dieses Prinzip
können mit wärmedämmenden Materialien Nass-Bauweisen sind keine starren Gefüge. erlaubt große Relativbewegungen und eignet
gefüllt werden. sich besonders als erste Stufe eines mehrstufi-
gen Dichtungssystems. Bei einer »Labyrinth-
Profilierte Strukturen Prinzipien bei der Ausbildung von Fugendichtungen dichtung« ist der Fugenverlauf zusätzlich nach
Das Prinzip ermöglicht bei geringem Material- Es ist Aufgabe einer Fugendichtung [6], dem Prinzip der Überlappung abgewinkelt.
einsatz hohe Steifigkeit. Schon ein U- oder das Gemisch aus Luft und Wasser (Fluid) im
Z-förmiges Element stellt eine profilierte Struk- Fugenraum zu bremsen oder zu stoppen. Der stumpfe Stoß
tur dar, es lässt sich zu größeren Flächenein- Da Dichtelemente an den Grenzflächen der Der in Abb. A 2.1.13 nicht dargestellte stump-
heiten addieren. Profilierte Strukturen können Fassadenbauteile nie völlig spaltlos anliegen, fe Stoß zweier Bauteilflanken ohne weiteres
aus sehr vielen zug- und gleichzeitig druckfes- ist die Dichtungswirkung immer nur relativ. Dichtelement wäre die ursprünglichste Form
ten Materialien z. B. durch Umformen, Strang- Nur die stoffschlüssige Form ermöglicht völli- aller Berührungsdichtungen. Selbst durch
pressen oder mittels Gusstechniken erzeugt ge Dichtigkeit. Falls eine Fuge mit einem Aufbringung einer Kraft kann aufgrund der
werden. Dichtungselement in einer Ebene nicht aus- Unebenheiten der Oberflächen der Spalt nur
reichend »geschlossen« werden kann, sind reduziert, jedoch selbst bei elastischen oder
Fügung von Fassadenbauteilen andere Strategien nötig. Die Dichtung über plastischen Werkstoffen nicht ganz geschlos-
Nahezu jede Fassade besteht aus einem mehrere Ebenen und ggf. unterschiedliche sen werden.
Gefüge von Einzelbauteilen und enthält somit Dichtungselemente haben sich dabei bewährt
eine Vielzahl von Fugen. Diese bedeuten (mehrstufiges Dichtungssystem). Überlappung
»Unterbrechungen« in Schichten und Schalen Man kann die Ausbildung von Fugendichtun- Hierbei handelt es sich um das wohl einfach-
(z. B. Wetterschale) und in vielen Fällen poten- gen auf wenige Grundprinzipien zurückführen, ste, ursprünglichste und wirkungsvollste Prin-
tielle »Schwachstellen«, die bestmöglich die auf vielfache Weise umsetzbar sind (Abb. zip, das sich in vielen Dichtungssystemen
gedichtet werden müssen. In anderen Fällen A 2.1.13). Bei der Wahl des Dichtungssystems wiederfindet. Die Anordnung der Überlappung
bleiben Fugen »offen«, damit: ist es entscheidend, in welchem Maß und in muss sich an der Fließrichtung des Fassaden-
welcher Richtung Bewegungen der Bauteile wassers ausrichten.
• sich Dampfdruck entspannt stattfinden sollen oder zu erwarten sind. Abb. A 2.1.14 zeigt Beispiele, bei denen das
• Luft nachströmt bzw. abgeführt wird (für Fassadenwasser ohne Dichtelemente vor-
Hinterlüftung) Berührungsfreie Dichtungssysteme nehmlich nach Prinzipien der Überlappung
• eingedrungenes Fassadenwasser oder Bauteile werden bewusst in Abstand zueinan- sicher über die horizontale Fuge geleitet wird.
entstandenes Kondensat abfließt der gehalten und die Flanken so ausgebildet, Einige Varianten lassen horizontale Bewegun-
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Flächen – Strukturelle Prinzipien
offen/ berührungsfrei +
berührungsfrei Spaltdichtung Labyrinthspaltd. Labyrinthspaltd. überlappend schräger Spalt gestaffelter Labyrinthdichtung
Labyrinthspalt
stoffschlüssig +
überlappend Falz gespundet mit Anpressdruck überlappend Schäftung Keilzinkung
mit oder ohne Deckprofil
Anpressdruck
stoffschlüssig +
überlappend +
stoffschlüssig Kleben Löten Schweißen Dichtelement Balgmembrane H-Profil Dichtmasse
überlappend +
Dichtelement(e) Nut u. Feder + Porenprofil + Kammerprofil
Dichtelement Dichtmasse Porenprofil Kammerprofil
+ Dichtmasse
ohne äußeren
Anpressdruck
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Flächen – Strukturelle Prinzipien
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Flächen – Strukturelle Prinzipien
nicht permeabel nicht permeabel nicht permeabel nicht permeabel nicht permeabel
nicht veränderbar nicht veränderbar nicht veränderbar nicht veränderbar Energie gewinnend
veränderbar
tragend oder nicht tragend tragend oder nicht tragend tragend oder nicht tragend tragend oder nicht tragend tragend oder nicht tragend
einschichtig mehrschichtig mehrschichtig mehrschichtig mehrschichtig
einschalig einschalig zweischalig zweischalig dreischalig
nicht hinterlüftet nicht hinterlüftet nicht hinterlüftet hinterlüftet hinterlüftet (äußerste Schale)
Materialgefüge bestimmt Leis- Verbesserung Wärmeschutz äußere Schale robuster mecha- austauschbare Vorsatzschale, hinterlüftete Schale aus licht-
tungsfähigkeit, Anpassungen mit Dämmebene, innen und nischer Schutz der Dämm- Befestigung darf aufsteigenden lenkenden Lamellen, lichtdurch-
nur durch Wandstärke möglich, außen Verschleiß- und Schutz- schicht und gleichzeitig Schlag- Luftstrom nicht beeinträchtigen, lässige Schale mit TWD vor
eingedrungene Feuchtigkeit schichten, Wärmespeicher- regenschutz, äußere und innere Tauwasser und eindringende Massivabsorber, Gesamtaufbau
muss periodisch vollständig fähigkeit kommt Innenklima Schale sind ev. teils gekoppelt, Feuchtigkeit werden sicher nicht lichtdurchlässig, Energie-
verdunsten können zugute bilden aber keine konstruktive abtransportiert, Zu- und Abluft- gewinn veränderbar und ggf.
Einheit öffnungen erforderlich über Regelkreistechnik geregelt.
nicht permeabel nicht permeabel permeabel (Licht) permeabel (Licht) permeabel (Licht)
nicht veränderbar nicht veränderbar nicht veränderbar nicht veränderbar ggf. veränderbar und geregelt
tragend oder nicht tragend tragend oder nicht tragend nicht tragend nicht tragend nicht tragend
mehrschichtig mehrschichtig einschichtig einschichtig mehrschichtig
einschalig zweischalig einschalig zweischalig einschalig
nicht hinterlüftet hinterlüftet hinterlüftet oder nicht hinterlüftet
Leichtbau, innere und äußere Außenseitige hinterlüftete Aufbau selbst nicht Energie geringer Wärmeschutz, da Luft Funktionseinheit aus mehreren
Schicht meist zu konstruktiver Schutz- und Verschleißschicht, gewinnend, auch wenn durch- im Zwischenraum zirkuliert lichtdurchlässigen oder lichtlen-
Einheit gekoppelt, Vermeidung nach außen abnehmender Dif- lässig für Sonnenenergie, die (Wärmeverlust durch Konvekti- kenden Schichten, ggf. mit
von Dampffalle mit Sperre auf fussionswiderstand, separate von Bauteilen im Inneren absor- on), Schalen keine konstruktive strahlungsreflektierenden
Innenseite, als Ständerwand auch Schicht für Windschutz, Innen- biert wird, kein Wärmeschutz Einheit, Gefahr von Kondensat- Beschichtungen, Lichtdurchläs-
Teil des Tragwerks, Sonderfall bekleidung als eigene Schicht bildung im Zwischenraum sigkeit ggf. veränderbar
Sandwichkonstruktion
permeabel (Licht) permeabel (Licht) permeabel (Licht und Luft) permeabel (Licht) permeabel (Licht)
ggf. veränderbar veränderbar veränderbar nicht veränderbar nicht veränderbar
nicht tragend nicht tragend nicht tragend nicht tragend nicht tragend
mehrschichtig mehrschichtig mehrschichtig mehrschichtig ein- oder mehrschichtig
einschalig zweischalig vierschalig einschalig zweischalig
hinterlüftet hinterlüftet
Funktionseinheit aus mehreren durch zwei stehende Luft/Edel- »Doppelfassade«, äußere und Pneu mit lichtdurchlässigen Membranen als zwei voneinan-
lichtdurchlässigen Schichten, gasschichten u. ggf. strahlungs- ggf. innere Verglasung öffenbar, Schichten, die systembedingt der konstruktiv unabhängige
Verbesserung Wärmeschutz mit reflektierende Beschichtungen Luftraum zwischen Schalen kon- konstruktiv eine Einheit bilden, Schalen, Luftschicht ggf. kon-
TWD, Lichtdurchlässigkeit ggf. (Low-E) gute Wärmedämmung, trolliert belüftet, Lamellen und deshalb einschaliger Aufbau trolliert zur Abfuhr von Wasser-
veränderbar und »selbst verstellbare oder starre Lamellen Blendschutz auf der Innenseite dampf und Wärme belüftet,
regelnd«, z. B. über thermotro- als vorgesetzte hinterlüftete eigene Schalen zur Regelung jedoch Wärmeverluste durch
pe Gläser Schale der Lichtdurchlässigkeit Konvektion
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Flächen – Strukturelle Prinzipien
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Flächen – Strukturelle Prinzipien
und durchlaufende Fugen vermieden werden • Befestigungsmöglichkeiten der Fassadenbe- • freie und ausreichende Positionierungs-
(deshalb Stöße versetzt anordnen), Luft- kleidung (z. B. punktuelle oder lineare Kraft- möglichkeiten von Befestigungsmitteln
schichten zwischen Schalen generell be- und einleitung) auf Flächen wie z. B. stoffschlüssige
entlüftet und ggf. entwässert werden. Horizon- • Erfordernisse aus der Hinterlüftung Befestigungen (Klebeflächen,
tal verlaufende Unterkonstruktionen dürfen • Befestigungs-/ Beanspruchungsmöglichkei- »Schweißgründe«), punktgenaues Setzen
erforderliche Lüftungsquerschnitte nicht ein- ten an der übergeordneten Schale (können von Schrauben, Dübeln etc. bei der Montage.
engen. Mittels Gittern, Lochblechen oder Net- z. B. große Zugkräfte eingeleitet und aufge-
zen sind Luftschichten vor Kleintieren (Insek- nommen werden?).
ten, kleine Nagetiere) dauerhaft zu schützen. • bauphysikalische Aspekte (Bedeutung und
Bei Unverträglichkeiten von Materialien ist ein Gefahren von Wärmebrücken). Anmerkungen
direkter Kontakt von Funktionsebenen unter-
[1] VDI-Richtlinie 2221. Düsseldorf 1993. S. 39f.
einander oder zu Verbindungsteilen unbe- Sehr schwere Vorsatzschalen oder sonstige VDI-Richtlinie 2222. Düsseldorf 1996, S. 5f.
dingt zu vermeiden. Dies gilt auch ohne direk- der thermisch trennenden Hülle vorgelagerte [2] VDI-Richtlinie 2221. Düsseldorf 1993. S. 39f:
te Berührung, falls über Wasser als Medium in Einrichtungen (Balkone, Rankgerüste etc.) »Effekt: Das immer gleiche, voraussehbare, durch
Fließrichtung Unverträglichkeiten hergestellt sollten eine eigene Konstruktion und ggf. ein Naturgesetze bedingte Geschehen physikalischer,
chemischer oder biologischer Art«.
werden. Fundament zur Ableitung der Vertikalkräfte [3] Die überarbeitete Klassifikation baut auf typologi-
erhalten. Eine Rückverankerung der Schalen schen Untersuchungen im Rahmen eines For-
Befestigungsstrategien ist dann lediglich zur Weitergabe von Horizon- schungsprojekts zur Gebäudehülle auf:
Bei der Befestigung von Schichten unterein- talkräften und ggf. gegen Ausknicken nötig. Herzog, Thomas; Krippner, Roland: Gebäudehülle.
ander oder von Schalen an Unterkonstruktio- Synoptische Darstellung maßgeblicher baulicher Sub-
systeme der Gebäudehülle mit Schutz- und
nen (und umgekehrt) gibt es diverse Varian- Prinzipielle Unterkonstruktionen (Abb. A 2.1.20): Steuerungsfunktionen als Voraussetzung für die
ten, bei denen insbesondere folgendes experimentelle Arbeit an ihrer energetischen und
beachtet werden muss: a Pfosten baukonstruktiven Optimierung. Abschlussbericht
b Riegel (unveröffentlicht). TU München, 2000.
Herzog, Thomas; Krippner, Roland: Synoptical
• sichere Weitergabe aller anfallenden Lasten c und d vertikale und horizontale Tragelemen-
Description of Decisive Subsystems of the Building
• ggf. zwängungsfreie Lagerung der Bauteile te, Hinterlüftung und ggf. Entwässerung Skin. In: Pontenagel, Irm: Building a new Century.
mit Fix- und Gleitpunkten dürfen durch horizontale Tragglieder nicht 5th Conference Solar Energy in Architecture and
• Klärung der Montageabfolge und der beeinträchtigt werden, Variante d in dieser Urban Planning. Proceedings. Eurosolar (Hrsg.).
nachträglichen Austauschbarkeit Hinsicht problematisch Bonn 1999, S. 306–310
[4] Siehe: Themeninfo I / 02 »Schaltbare und regelbare
• Definition der Schnittstellen zwischen unter- e Unterkonstruktion aus Zug-/Druckstreben Verglasungen«. BINE Informationsdienst (Hrsg.).
schiedlichen Gewerken bzw. Firmen und diagonalen Abhängungen zur Aufnah- Karlsruhe 2003
• Justierbarkeit beim Anschluss von Bauteilen me der Vertikallasten, ggf. Kombinationen [5] Die Definition von Schalen ist in der Literatur unein-
unterschiedlicher Gewerke und mit voneinan- mit weiteren linearen Traggliedern (vertikal heitlich und teils widersprüchlich. Die hier getroffene
Festlegung erscheint am plausibelsten. Verwirrung
der abweichenden Herstellungstoleranzen oder horizontal)
wird erzeugt, wenn sich die Klassifikation nur auf eine
f örtliche Konsolen, die in die Tragschale ein- bestimmte Bauart (z. B. einschalige Betonwand) und
Befestigung von Vorsatzschalen gespannt werden müssen, Kombinationen nicht auf das ganze System der Hülle (z. B. zweischa-
Vorsatzschalen bzw. hinterlüftete Bekleidun- mit weiteren linearen Traggliedern (vertikal liger Aufbau mit Betonwand und einer Wetterschale
gen werden mittels Unterkonstruktionen im oder horizontal) sind denkbar aus Aluminiumprofilblechen) bezieht. Siehe:
»Kopplungen von Schichten und Schalen« in diesem
Abstand (Raumbedarf für Dämmung und / Kapitel.
oder Hinterlüftung) an statisch überge- Justierung von Anschlüssen [6] Die Beschreibung und z. T. die Gliederung der
ordneten Flächenbauteilen befestigt. Hängen- Folgende prinzipielle Strategien ermöglichen Fugendichtungssysteme bauen auf folgendem For-
de Montage ist grundsätzlich stehender vor- Justierungen: schungsbericht auf:
Scharr, Roland; Sulzer, Peter: Beiträge zum metho-
zuziehen. Für Unterkonstruktionen existieren
dischen Vorgehen in der Baukonstruktion.
mehrere grundsätzliche Lösungsprinzipien • Unterlegen, Unterfüttern Außenwanddichtungen. VDI (Hrsg.). Düsseldorf 1981.
(siehe Abb. A 2.1.20). Welches Prinzip sich im • Distanzschrauben Mit wissenschaftlichen Methoden werden »über die
Einzelfall eignet, hängt von folgenden Fakto- • Verschieblichkeit von Befestigungsmitteln Analyse ausgeführter Konstruktionen Elemente und
ren ab: in Langlöchern oder Schienen (z. B. Halfen- Strukturen von Dichtungssystemen in Außenwänden«
im Hochbau untersucht und aufgezeigt.
schiene) [7] Siehe: DIN 18516 Teil 1. Berlin 1999
• Größe und Gewicht der einzelnen Flächen- • Anschlüsse in übergroßen Aussparungen, Gilt nicht für »Kleinformatige Platten« mit einer Fläche
bauteile der Bekleidung die anschließend vergossen werden von ≤ 0,4 m2 und einer Eigenlast von ≤ 5 kg
37
Ränder, Öffnungen
Bisher wurde die Gebäudehülle als Kontinuum Öffnungen sind in der Gebäudehülle unum-
in ihrer Fläche und in ihrem Aufbau in der gänglich, um das Innere nutzen zu können und
Tiefe betrachtet. Da Flächen im Bereich der den Innenraum mit Licht und Luft zu versorgen.
Gebäudehülle endlich sind, ist jede Fläche Aus den Schutz- und Versorgungsfunktionen
auch durch ihre Ränder definiert. Sobald sich geht hervor, dass die Öffnungen in ihrer Durch-
die konstruktiven, funktionalen und gestalteri- lässigkeit veränderbar sein sollten, da den
schen Eigenschaften innerhalb der Gebäude- Schwankungen der Bedingungen im Außen-
hülle ändern, kann von abgrenzbaren, unter- raum der Wunsch nach konstanten Bedingun-
schiedlichen Bereichen gesprochen werden. gen im Innenraum gegenübersteht. Die Öff-
In der Regel ändern sich die Eigenschaften nungen in der Gebäudehülle übernehmen die
bezogen auf die Durchlässigkeit. Aufgabe der Vermittlung zwischen innen und
außen, also des kontrollierbaren Austauschs
Öffnungen sind Teile der Gebäudehülle mit des Innenraumklimas mit dem Außenraumklima.
Durchlässigkeit für Energie- und Stoffströme. Die einzelnen Parameter wie Wärme, Licht, Luft,
Allgemein gilt dies, wenn sich Teile tatsächlich Schall, Feuchtigkeit etc. lassen sich dabei unter
ganz öffnen lassen, z. B. bei Fenstern [1]. dem Begriff der Regelung der Durchlässigkeit
Es erscheint jedoch sinnvoller zu sein, den zusammenfassen.
Begriff der Öffnung durch die Beziehung Hierfür werden »öffnungsschließende« [2] Ele-
zum jeweiligen physikalischen Vorgang zu mente verwendet. Die bekannteste Form ist das
erweitern. Ein Oberlicht ist zum Beispiel eine Fenster, bei dem die Durchlässigkeit von Licht
Öffnung in der Dachfläche, durch die Licht durch entsprechendes Material auch in
eintritt. geschlossenem Zustand gegeben ist, der Aus-
tausch von Luft jedoch nur bei geöffnetem
Mit der Änderung der Eigenschaften (Perfor- Fenster erfolgt. Die Funktionen Belichtung und
mance) ist auch eine Änderung im konstrukti- Belüftung können selbstverständlich auch
ven Aufbau verbunden. Der in diesem Kapitel getrennt voneinander erreicht werden. Die ein-
verwendete Begriff der Ränder bezeichnet fachste Form stellt eine Festverglasung mit
nicht den Rand eines Bauteils, das als einzel- einem separaten (opaken) Lüftungsflügel
nes Teil mit vielen gleichen Teilen zu einem dar [3].
großen Ganzen zusammengefügt wird (z. B.
Ziegelstein im Mauerwerk), sondern den Über- Mit dem Aufkommen von großflächig verglasten
gang von Fläche zu Öffnung. Fassaden (z. B. Gewächshäuser) im 18. Jh.
und der Errichtung von Bauwerken wie dem
Leibung Kristallpalast in London (1851) oder dem Glas-
Die Tiefe der Leibung ergibt sich primär aus palast in München (1854) vollzieht sich ein
dem Wandaufbau (Abb. A 2.2.5). Die Lei- Übergang: Das Fenster als transparentes Ele-
bungstiefe kann durch zusätzliche Elemente ment in einer opaken Wandfläche wird zum
vergrößert, jedoch nicht verkleinert werden. Öffnungselement in einer ganzflächig transpa-
Die geometrische Ausbildung der Leibung hat renten Fassade. Analog zu Fenstern in einer
direkten Einfluss auf den Tageslichteintrag massiven Wandkonstruktion werden daher
und auf die Sichtbeziehung. Abb. A 2.2.4 die öffenbaren Elemente einer (transparenten)
zeigt einige grundsätzliche Merkmale auf. Glasfassade auch als Fenster bezeichnet.
Die Ausbildung der Leibungsflächen steht
in Zusammenhang mit dem (konstruktiven) Lage und Geometrie
Anschlag der Bauteile, die im Bereich der Anordnung und geometrische Ausbildung der
Öffnungen verwendet werden (z. B. Fenster): Öffnung stehen immer im Zusammenhang mit
Die Leibung kann nämlich auch dazu dienen, dem dahinter liegenden Raum: Ihre Lage und
einfallendes Tageslicht in den Raum zu reflek- geometrische Ausbildung haben prinzipielle
tieren; neben der Geometrie sind dabei die Auswirkung auf den Tageslichteintrag, die
Eigenschaften der jeweiligen Oberflächen zu Belüftung sowie auf die Blickbeziehung des
beachten. Nutzers zum Außenraum.
Die Leibungstiefe steht immer auch im Ver- Die Lage der Öffnung steht in Bezug zur Nut-
hältnis zur Öffnungsgröße, und diese wieder- zung sowohl in der Horizontalen als auch in der
um in Relation zur Wandfläche. Die plastische Vertikalen. Durch eine Veränderung der Nut-
Wirkung der Fassade im Außenraum wird zung in der Fläche des Grundrisses kann sich
maßgeblich durch den Versatz der einzelnen der horizontale Bezug zu Öffnungen verändern.
Flächen in der Fassade und die sich daraus Der Bezug zur vertikalen Anordnung der Öff-
ergebende Schattenwirkung erzeugt. nung hingegen ist in der Regel nicht veränder-
Konstruktive Aspekte bei der Ausbildung der bar, da eine Erhöhung oder Absenkung der
Leibung sind: Bodenebene des Raumes nicht möglich ist.
39
Ränder, Öffnungen
a a a
b b b d
c c c e
A 2.2.2 A 2.2.3 A 2.2.4
• Oberlichtbereich • Ausrichtung in Bezug zur Himmelsrichtung Abb. A 2.2.6 [10] stellt das Grundprinzip
• Bereich des Blickfelds vom Innenraum aus • Tageszeit des Luftaustausches bei einer Fassaden-
• Brüstungsbereich • lokale Verhältnisse der Sonneneinstrahlung öffnung aufgrund Temperaturschichtung ohne
(klimatische Bedingungen, lokale Verschat- Windeinfluss dar. Im Bereich der gedachten
Im oberen und unteren Randbereich (Anschluss- tung durch Umgebung wie Vegetation Ebene N (neutrale Zone) findet keine Luftbe-
bereiche) gibt es zudem folgende Bezeichnun- und / oder Bebauung) wegung statt. Durch Änderung der vertikalen
gen, die aus der Betrachtung von Lochfassaden Lage der Öffnung und durch Einfluss von
stammen: In der Fassadenebene sind die Lage und die Windkräften verschiebt sich diese Ebene in
Geometrie der Öffnung von grundlegender der Vertikalen.
• Sturzbereich: bezeichnet den Bereich über Bedeutung. Hoch liegende Fensteröffnungen Neben Ausbildung und Anordnung der
einem Fenster / einer Tür bis zur Decke begünstigen den Lichteintrag in die Raum- Lüftungsöffnungen in der Fassade ist die
• Sockelbereich: bezeichnet den Bereich unter tiefe. Variabilität ein entscheidendes Merkmal im
einer Tür / Fenstertür bis zum Boden Die tatsächlich im Raum vorhandene Helligkeit Zusammenhang mit den physikalischen
wird wesentlich bestimmt vom Grad der Refle- Eigenschaften der Hülle und der Masse eines
Sichtbeziehungen xion der inneren Oberflächen, was stark von Gebäudes [11].
Oftmals ist der Wunsch nach Frischluft gekop- den vorherrschenden Farben abhängt [7].
pelt an das Verlangen, auch direkt an der Öff- Für eine Dauerlüftung sind kleine und gut
nung (am offenen Fenster) stehen zu können. Belüftung dosierbare Lüftungsöffnungen erforderlich.
Daher ist bei der Planung einer Öffnung neben Vereinfacht gesagt bedeutet Lüftung »Aus- Die Luftführung im Raum ist dabei besonders
der manuellen Betätigung beweglicher Ver- tausch von Raumluft gegen Außenluft« [8]. zu beachten, da diese Lüftungsart über einen
schlüsse auch der Kontakt mit dem Außenraum Die Lufterneuerung eines Raumes soll zum längeren Zeitabschnitt erfolgt:
zu berücksichtigen. Die Öffnung soll diesen einen die hygienischen Anforderungen erfüllen
einerseits ermöglichen, andererseits jedoch und andererseits auch eventuell vorhandene • einseitige Lüftung:
zugleich einen Abschluss gegen außen bilden. bauphysikalische Aspekte (Abtransport von zur effizienten Nutzung des thermischen
Diesbezüglich unterscheidet man zwischen Schadstoffen in der Luft, Abführen von Auftriebs sollten zwei Öffnungen mit mög-
visueller und physischer Verbindung. Die Blick- Feuchte) berücksichtigen. Bei Lüftung unter- lichst großem vertikalem Abstand zueinan-
achse kann als mittlerer Wert für die verschiede- scheidet man aufgrund der Antriebskräfte der angeordnet sein; eine gut einstellbare
nen Positionen angegeben werden mit [4]: grundsätzlich mechanische Lüftung (Antrieb Dosierung verhindert unerwünschte
der Luftbewegung durch mechanische Kräfte) Abkühlung und Zugerscheinungen
• ca. 175 cm im Stehen und freie Lüftung, die auch als natürliche • Querlüftung:
• ca. 130 cm im Sitzen beim Arbeiten Lüftung bezeichnet wird. Bei dieser erfolgt um in diesem Fall den thermischen Auftrieb
• ca. 80 cm im Sitzen der Antrieb der Luftbewegung durch Druck- zu nutzen, sollte zwischen Lufteintritts-
• ca. 70 cm im Liegen (in 30 cm Höhe) unterschiede zwischen dem Innen- und dem und Luftaustrittsstelle ein möglichst großer
Außenraum, die aus folgenden, sich aus den vertikaler Abstand vorhanden sein; bei
Sowohl die Lage als auch die Unterteilung der natürlichen Bedingungen ergebenden Kräften windinduzierten Druckdifferenzen ist dieser
Öffnung müssen auf die Art der Nutzung und resultieren [9]: Abstand unbedeutend
die Position des Nutzers abgestimmt werden.
• Windkräfte: Stoßlüftung erfordert Öffnungen mit möglichst
Belichtung durch Wind im Bereich der Fassade indu- großem Lüftungsquerschnitt:
Der Lichteintrag über die Fassade nimmt mit zierte Druckdifferenzen zwischen innen und
der Raumtiefe ab (Abb. A 2.2.3 [5]). Das Maß außen, die den Luftaustausch bewirken • einseitige Lüftung:
des Lichteintrags wird durch den Tageslicht- • thermische Auftriebskräfte: aufgrund der neutralen Zone in der Mitte der
quotienten charakterisiert (D = Daylightfactor). Kräfte, die durch unterschiedliche Dichten Öffnung kann die Fläche zweigeteilt mit ver-
Dieser gibt das Verhältnis von Beleuchtungs- aufgrund von Temperaturunterschieden tikalem Abstand zueinander sein
stärken im Innen- und Außenraum (nur Diffus- (Temperaturschichtung) entstehen. Die ther- • Querlüftung:
licht) unter Normbedingungen in Prozent an [6]. mischen Auftriebskräfte werden mit zuneh- aufgrund der Querlüftung findet der Luft-
Die äußeren Einflussgrößen sind: mendem Winddruck von diesem überlagert. durchgang nur in einer Richtung statt
40
Ränder, Öffnungen
Höhe (H)
neutrale Zone (N)
a parallel
b konisch, nach außen gerichtet
c konisch, nach innen gerichtet
a d parallel, trapezförmig, nach innen abfallend warm kalt
e parallel, trapezförmig, nach außen abfallend
A 2.2.5 Einfluss der Wandstärke bei Belichtung und Sicht-
beziehung
a tiefer Wandaufbau
b flacher Wandaufbau
A 2.2.6 Prinzip des Luftaustauschs durch Fassadenöff-
nung aufgrund von Temperaturschichtung ohne
b
Einfluss von Windkräften, neutrale Zone N bei 1/2 H
A 2.2.5 A 2.2.6
Für die Behaglichkeit sind neben der Betrach- berücksichtigen. Mit zunehmenden Erkenntnis- wirbelung wird die Wirksamkeit in der Raumtie-
tung der Luftwechselzahl, die global erfolgt, sen über natürliche Lüftung sowie der gestie- fe gewährleistet. Die entsprechenden Flächen
Aussagen über die Luftbewegungen relevant genen Bedeutung nutzbarer Energie aus der müssen in direkter Nähe der Lufteintrittsstelle
[12]: Umwelt, kommt der Fensterlüftung wieder mehr liegen. Außerdem sind Lage und Geometrie
Beachtung zu. Analog zu mechanischer Lüf- der Lufteinlassöffnung (Fensteröffnungsstel-
• Größe der Luftgeschwindigkeit an Luftein- tung, bei der zu allen Komponenten genaue lung) zu beachten.
trittsstelle Werte verfügbar sind, müssen auch für Fenster
• maximale im Raum auftretende Luftge- aerodynamische Größen für die Lufteintrittsstel- Je niedriger die Temperatur der zugeführten
schwindigkeiten len (Fensterspalt: Profilausbildung) ermittelt Luft gegenüber der Raumluft, desto größer das
• Durchschnittsgeschwindigkeit der Luft im werden. Einige aus der Raumluftanlagentech- Zugluftrisiko. Ein Vorwärmen der in den Raum
Raum nik bekannte Effekte lassen sich auf Fenster eintretenden Außenluft kann durch die Anord-
• Durchschnittsgeschwindigkeit der Luft in übertragen. nung der Zuluftöffnungen in Kombination mit
Ebene des Nutzers (1 m über Fußboden) Wärmequellen erfolgen. Die eintretende Luft
Bei Quelllüftung, die sich durch relativ niedrige sollte sich an Bauteilen mittels Konvektion
Als oberster Grenzwert für Behaglichkeit gilt für Luftgeschwindigkeiten auszeichnet, wird ver- erwärmen können.
die Luftgeschwindigkeit ein Wert von 0,2 m/s. sucht, mit einer nach oben gerichteten Ver- Fensterlüftung ist bei Einhaltung der Richtwerte
Vor allem bei Büro- und Verwaltungsbauten ist drängungsströmung Zuluft und belastete Luft für die Behaglichkeit nur bis zu einer bestimm-
ab dieser Luftgeschwindigkeit mit dem Aufwir- räumlich zu trennen. Durch Zuführung der ten Außentemperatur möglich. In der Literatur
beln von Papier zu rechnen [13]. Als Zugluft Zuluft mit Untertemperatur in eine bodennahe wird z. B. je nach Fensterart als unterer Grenz-
wird die durch einen Luftstrom »unerwünschte Schicht (laminare Einschichtung der Zuluft in wert eine Außentemperatur von 0 bis 6 °C
lokale Abkühlung des menschlichen Körpers« Bodenhöhe) wird aufgrund des thermischen angegeben [18].
bezeichnet [14, 15]. Bei Zugluft handelt es sich Auftriebs an den internen Wärmequellen die Bei Außentemperaturen in der Nähe des
demnach nicht um einen absoluten Wert. Man nachströmende Luft aus der Zuluftschicht Behaglichkeitsbereichs sollte die eintretende
spricht deshalb auch von einem Zugluftrisiko angesaugt und die Abluft im Deckenbereich Luft möglichst direkt zur Stelle des Nutzers im
[16]. Zur Vermeidung von Zuglufterscheinung abgeführt. In der Regel wird Quelllüftung im Raum gelangen können, ohne sich dabei an
ist es günstig, wenn sich die in den Raum ein- Zusammenhang mit mechanischer Lüftung wärmeren Bauteilen aufzuheizen. Bei warmen
tretende Luft möglichst gut verteilen kann. verwendet. Bei natürlicher Lüftung kann Quell- Außentemperaturen kann die eintretende Luft
lüftung dann eingesetzt werden, wenn die an kühleren Bauteilen mittels Konvektion
Problematisch bei der »behaglichen Zuluft- Lüftungsöffnungen in der Fassade den gleich- (geringfügig) abgekühlt werden.
zufuhr« sind im Sommer der Einlass warmer mäßigen Eintritt der Zuluft in den Raum im Die thermisch wirksamen Massen können die
Außenluft und im Winter die zu erwartenden Bodenbereich ermöglichen. aufgenommene Wärmeenergie mittels Nacht-
Zugerscheinungen durch den Eintrag kalter lüftung oder Bauteilkühlung wieder abgeben.
Außenluft (die zusätzlich durch Kaltluftabfall an Soll die eintretende Luft möglichst tief in den Zur Einhaltung der Behaglichkeit kann Fens-
der Fassade überlagert werden). Durch dezen- Raum eindringen, kann der »Coanda-Effekt« terlüftung tagsüber bei hoher Außenlufttem-
trale Einrichtungen zur Vortemperierung der ausgenutzt werden: Wenn ebene Luftstrahlen peratur dementsprechend nur bedingt einge-
Zuluft im Bereich der Fassadenöffnung kann aus Schlitzen nicht unmittelbar unter der setzt werden.
dieser Problematik entgegengewirkt werden. Decke, sondern in einem gewissen Abstand
ausgeblasen werden, so legt sich der Strahl Die Anordnung der Lüftungsöffnungen in der
Da die Wirkung mechanischer Lüftung im Ver- infolge des induzierten Wirbels an die Fläche Fassade und die Art der Lüftung (einseitige
gleich zu den Schwankungen der äußeren an, er »klebt« gewissermaßen daran. Dieser Lüftung oder Querlüftung) bestimmen die
Bedingungen besser voraussagbar ist, bezie- Effekt wird gelegentlich auch als Wirbelgrenz- Raumtiefe, in der die freie Lüftung über Öffnun-
hen sich eine Vielzahl von Betrachtungen und flächen-Effekt bezeichnet [17]. Dieser von der gen in der Fassade wirksam ist. Sie trägt
Untersuchungen dazu oftmals primär auf mechanischen Lüftung bekannte Effekt lässt außerdem wesentlich zur Behaglichkeit bei.
mechanische Lüftung. Erst in den letzten Jah- sich unter gewissen Umständen auch auf die Ohne nähere Angaben zur Anordnung des
ren sind vermehrt Ansätze zu verzeichnen, Fensterlüftung übertragen. Der Außenluftstrom Öffnungsflügels, gilt im Allgemeinen die Faust-
auch die schwankenden Bedingungen bei frei- wird als Tangentiallüftung entlang glatter regel, dass Räume mit einseitiger Belüftungs-
er Lüftung in Simulationen und Messungen zu Flächen geleitet. Durch möglichst geringe Ver- möglichkeit dann als »natürlich belüftbar«
41
Ränder, Öffnungen
a b
gelten, wenn ihre Raumtiefe maximal 2,5-mal Für die Verschattung lassen sich verschiede- logisch ordnen durch die Festlegung von vier
ihre lichte Höhe (H) beträgt. Für den Fall der ne Prinzipien unterscheiden (Abb. A 2.2.8): Betrachtungsebenen mit jeweiligem
Querlüftung gilt 5-mal die lichte Höhe [19]. Bei Unterscheidungskriterium (Abb. A 2.2.9) [21]:
einseitiger Lüftung und einer im oberen Bereich • durch vollständige unmittelbare Abdeckung
angeordneten Öffnung ist die Lüftung bis zu der Fassadenfläche • Fassadenfläche, Unterscheidung nach
einer Raumtiefe von bis zu 2 H wirksam. Bei • durch auskragendes Element Beweglichkeit
einer im unteren und einer im oberen Bereich • durch Addition kleinerer Elemente (z. B. • Grad der Beweglichkeit
angeordneten Öffnung erhöht sich die Wirk- Lamellen- oder Rasterstruktur) • Bewegungsart
samkeit auf bis zu 3 H [20]. Diese Werte sind • weitere Unterscheidungsmerkmale
keinesfalls absolut und können nur als Anhalts- Lamellenstrukturen lassen sich in zwei Kate-
punkt dienen, die Öffnungsart bleibt dabei gorien hinsichtlich Anordnung unterteilen, die Erste Betrachtungsebene: Beweglichkeit der
unberücksichtigt. sich durch die Ausrichtung zur Himmelsrich- Fassadenfläche
tung und dem damit verbundenen Sonnen- Fassadenflächen lassen sich bezüglich ihrer
Kleine Öffnungsstellungen der Fenster müssen stand ergeben: Beweglichkeit unterscheiden in fest stehende
genau positioniert und ausgebildet werden, und öffenbare Flächen. Die Fensteröffnung
da bei einer dichten Hülle die Wirkung des • auf der Südseite in steilem Winkel auftreffen- ihrerseits wird unter anderem aufgrund stati-
Luftstrahls in den Raum wegen der kleinen Öff- de Sonnenstrahlen werden durch horizontale scher (Lastabtragung) und konstruktiver
nungen in der Gebäudehülle analog zu einem Lamellen daran gehindert, ins Gebäudeinne- Aspekte (Elemente für Festverglasung und
Düseneffekt zunimmt. Ist die Dosierbarkeit von re einzudringen bewegliche Flügel) unterteilt.
Lüftungsöffnungen durch Fenster nicht erreich- • auf der Ost- und Westseite werden die flach Die Größe der einzelnen lichtdurchlässigen
bar, so können zusätzliche Elemente (z. B. auftreffenden Sonnenstrahlen durch vertikale Felder hängt von der Verfügbarkeit der Mate-
Klappen) in der Fassade eingesetzt werden. Lamellen abgehalten rialien (z. B. Glasscheiben) ab und definiert
Die in DIN 5034 angegebenen Tabellen zur so die Unterteilung.
Bestimmung der Mindestfenstergröße für Der Ausblick ist bei beiden Prinzipien trotz
Wohnräume beziehen sich auf die ausreichen- Verschattung möglich (Abb. A 2.2.7). Zweite Betrachtungsebene: Beweglichkeitsgrad
de Versorgung der Räume mit Tageslicht. Eine Der Beweglichkeitsgrad wird durch den Frei-
Größe der Lüftungsöffnung lässt sich daraus Bewegliche Elemente heitsgrad bestimmt, der wiederum durch die
nicht ableiten. Das Kapitel Manipulatoren (B 2.3, S. 258ff.) Rahmen- und Flügelkonstruktion sowie die Art
behandelt die beweglichen und veränderba- der Beschläge vorgegeben ist.
ren Elemente im Bereich vor Öffnungen
Veränderung der Durchlässigkeit ausführlich anhand von Beispielen. Im Folgen- Dritte Betrachtungsebene: Bewegungsart
den geht es um die Beweglichkeit von Fens- Die Differenzierung nach Beweglichkeitsgrad
Die Eigenschaft der Durchlässigkeit lässt sich tern. kann weiter unterteilt werden. Die jeweilige
durch den Einsatz von baulichen Vorrichtungen Primär besteht die Eigenschaft von Fenstern Bewegung spiegelt sich in der Fensterbe-
beeinflussen. Hierzu werden starre und verän- in der Möglichkeit des partiellen Öffnens zeichnung wider:
derbare Elemente verwendet. und Schließens der Gebäudehülle. Von den
üblicherweise unterschiedenen Merkmalen • partielle Ortsänderung, Bewegung um verti-
Starre Elemente (Material des Fensters, Bewegungsart oder kale Achse (Rotation):
Da sich die Sonneneinstrahlung und damit die Konstruktion des Fensterrahmens, Maueran- - Wendefenster
klimatischen Verhältnisse bezogen auf den schlag) ist die Öffnungsart (Flügelarten) als - Drehfenster
Tages- und den Jahresverlauf verändern, Funktion der Fassadenöffnung für die kon- • partielle Ortsänderung, Bewegung um hori-
ändert sich im Fall nicht beweglicher Elemente struktiven und gestalterischen Eigenschaften zontale Achse (Rotation):
auch deren Wirkung (Verschattung, Reflexion, eines Fensters bestimmend. - Kippfenster
Lichtumlenkung) in Abhängigkeit vom jewei- Für die Unterscheidung der verschiedenen - Klappfenster
ligen Sonnenstand. Fenster lassen sich die Öffnungsarten typo- - Schwingfenster
42
Ränder, Öffnungen
Fassadenflächen
Bewegung um eine vertikale Bewegung um eine horizontale ohne Veränderung des Elements unter Veränderung der Elemente
Achse (Rotation) Achse (Rotation) (Translation) (Transformation)
A 2.2.9
• Bewegung mit vollständiger Ortsveränderung oder Wartungszwecken bewegliche Flügel, • Faltfenster: Faltschiebefenster
ohne Veränderung des Elements (Translati- fest stehende Flächen) gibt Aufschluss über • Schwingflügelfenster; Schwingschiebefenster
on): die Variationen der Öffnungsmöglichkeiten. • Wendeflügelfenster
- Schiebefenster Ein Unterscheidungsmerkmal, das im Zusam- • Schiebefenster: Höhenschiebefenster, Hebe-
- Ausstellfenster menhang mit kontrollierter natürlicher Lüftung schiebefenster, Hängeschiebefenster, Ver-
• Bewegung mit vollständiger Ortsveränderung an Bedeutung gewonnen hat, stellt der Antrieb senkschiebefenster, Versenktür, Horizontal-
unter Veränderung des Elements (Trans- zur Bewegung dar, der manuell oder mecha- hebeschiebefenster
formation): nisch erfolgen kann. • Parallelabstellflügel; Kipp- und Parallelab-
- Faltfenster steller; Drehparallelabsteller
- Rolltor Spezifische Konstruktionsprinzipien beschrei-
• Kombinationen ben die verschiedenen Öffnungsarten. Unter- Die Bewegungsarten entwickelten sich über
scheidungen können daher nur innerhalb eine Anzahl von Schritten zu einer Vielzahl von
Bei den üblicherweise verwendeten Faltfens- eines Bewegungsprinzips getroffen werden. Variationen. Die noch in der Mitte des letzten
tern handelt es sich genau genommen um Ferner gibt es Merkmale bei der Betrachtung, Jahrhunderts existierenden Varianten werden
Dreh-Schiebefenster, da die Fenster nicht als die sich unabhängig von einer typologischen heute jedoch größtenteils nicht mehr produ-
Fläche gefaltet werden, sondern aus mehreren Gliederung primär auf die Konstruktion bezie- ziert. Als Gründe für diese Entwicklung gelten
einzelnen Rahmen bestehen. Zur Verdeutli- hen und nur sekundär auf den Öffnungsme- neben der Fugenproblematik u. a. die erhöhten
chung sei auf die als Trennwände benutzten chanismus. bauphysikalischen Anforderungen, die eine
Faltwände verwiesen, bei denen – zumindest Zunahme der Scheibengewichte bedingen und
auf die Oberfläche bezogen – die ganze Leistungsspektrum der Bewegungsart dadurch wesentlich höhere Anforderungen an
Fläche gefaltet wird. Die Bewegungsmechanismen weisen unter- Beschlag und Rahmen stellen. Bei der Fugen-
Die Fassade als Teil der Gebäudehülle stellt in schiedliche Eigenschaften auf, die aufgrund dichtungsproblematik wurde der ausreichende
ihrer grundlegenden Funktion eine vertikale ihres Einflusses auf Funktion, Konstruktion und Luftaustausch zugunsten der Reduktion des
Trennung zwischen zwei Bereichen dar. Die Gestaltung von grundlegender Bedeutung Wärmeverlusts in den Hintergrund gedrängt
Bewegungsarten können daher in einer unter- sind [22]. Das Leistungsspektrum eines öffen- (Teiloptimierung), statt die Problematik im Kon-
geordneten Betrachtungsebene zusätzlich baren Elements in der Gebäudehülle setzt text zu betrachten.
durch Bezug zur Fassadenebene – in der sich dabei vor allem aus den funktionalen
Regel außen / innen und oben / unten – differen- Eigenschaften zusammen (Abb. A 2.2.10):
ziert werden, z. B.: Um Fenster als Komponenten der Gebäude- Elementierung
hülle – bezogen auf den Energiehaushalt und
• Drehen: nach innen / außen aufgehend den Nutzerkomfort – effizient verwenden zu Da die Gebäudehülle in der Regel nicht aus
• Klappen: nach innen / außen aufgehend können, ist die genaue Kenntnis der Bewe- einem Stück herstellbar ist, ergibt sich für
• Schieben: horizontal (nach rechts / links) / gungsarten und des damit verbundenen die Realisierung die Notwendigkeit einer
vertikal (nach oben / unten) Leistungsprofils notwendig [23]. Zerlegung in einzelne Teile. Die Grundbegriffe
der Systembetrachtung in den Naturwissen-
Weitere Unterscheidungsmerkmale Kombinationsmöglichkeiten schaften werden für den Bereich der Archi-
Eine weitere Ebene unterscheidet Konstrukti- Die verwendeten Begriffe verdeutlichen die tektur auf fünf Stufen ausgeweitet. Daraus
onsprinzipien und sich dadurch ergebende Vielfalt der Bewegungsarten, die sich aus den entsteht folgende Abfolge der Betrachtung
bestimmte Merkmale. Neben der für alle Kombinationsmöglichkeiten ergeben: (Abb. A 2.2.11):
beweglichen Flächen zutreffenden Unter-
scheidung nach der Anzahl der Flügel werden • Drehflügel mit Drehschiebebeschlag • System
auch für die jeweilige Öffnungsart spezifische • Drehkippflügelfenster • Subsystem
Merkmale verwendet. • Klappflügelfenster: Senkklappflügelfenster • Komponente
Die Anzahl der Flügel (bewegliche Flügel, • Faltwand (Kombination aus Dreh- und • Element
eventuell arretierte und nur zu Reinigungs- Schiebebewegung) • Material
43
Ränder, Öffnungen
Vergleich der Bewegungsarten Drehfenster Wendefenster Kippfenster Klappfenster Schwingfenster Horizontal- Vertikal- Ausstellfenster
bei Fenstern zur Ermittlung des nach innen schiebefenster schiebefenster
Leistungsprofils aufgehend
Beeinträchtigung der Nutzfläche Öffnungsbreite 1/2 Öffnungs- minimal keine 1/2 Öffnungs- keine keine keine
bezogen auf die Raumtiefe breite (wenn nach breite (wenn nach
außen neßua
aufgehend) aufgehend)
Möglichkeit der Anordung ja nein ja ja nur mit ja ja nach
an Verkehrsflächen (wenn nach (wenn nach Öffnungs- neßua
außen außen begrenzung aufgehend
aufgehend) aufgehend)
Durchblick: maximale freie 100 % 100 % keine freie keine freie 100 % 50 % 50 % keine freie
Öffnungsfläche und Unterteilung mit vertikaler Öffnung Öffnung mit horizontaler mit vertikaler mit horizontaler Öffnung
Teilung Teilung Teilung Teilung
geometrische Beschreibung 1≈ seitlich spalt- 2≈ seitlich spalt- 2≈ seitlich 2≈ seitlich 4≈ seitlich 2≈ seitlich oben und umlaufend
der erzeugbaren minimalen / förmig, oben förmig, oben winkelförmig, winkelförmig, winkelförmig, spaltförmig unten spaltförmig
kleinen Öffnungsflächen und unten und unten oben spalt- unten spalt- oben und unten spaltförmig
winkelförmig 2≈ winkelförmig förmig förmig spaltförmig
geometrische Beschreibung komplette komplette 2≈ seitlich 2≈ seitlich komplette 50 % der Öff- 50 % der Öff- umlaufend
der erzeugbaren maximalen / Öffnungsfläche Öffnungsfläche, winkelförmig, winkelförmig Öffungsfläche nungsgröße nungsgröße spaltförmig
großen Öffnungsflächen senkrechte oben spalt- unten spalt- waagrechte als senkrechte als waagrechte
Unterteilung förmig förmig Unterteilung Unterteilung Unterteilung
Eignung für Spaltlüftung bedingt bedingt bedingt bedingt bedingt gut gut gut
Eignung für Stoßlüftung gut gut nein nein gut gut gut nein
Einstellbarkeit der nein nur mit Zusatz- nur für mittels des nein gut gut gut
Öffnungen (nur mit Zusatz- beschlag maximale zum Öffnen (mechanischer
beschlag) Kippstellung erforderlichen Antrieb)
Beschlages
Witterungsschutz (Schutz gegen nein nein ja ja ja nein oben: ja bedingt
Niederschläge) bei Spaltlüftung unten: bedingt (mit Zusatz
an oberer
Öffnung)
Bewegungsart bietet Schutz nein nein nein mit Zusatz- nein ja ja ja
gegen Zuschlagen durch Wind beschlag
44
Ränder, Öffnungen
A 2.2.11
Durch die Maßstabswahl bzw. den Betrach- aufgeführte Abfolge der Begriffe, sondern ver- gen auf die lokale Situation am Gebäude, da Wind-
kräfte durch klimatische Zusammenhänge entste-
tungsausschnitt kann eine Verschiebung auf- weist auf die Vorfertigung und den Montage-
hen, die immer auf solare Einstrahlung und damit
treten (z. B. im Städtebau: Stadt = System, vorgang. Bei Glasfassaden bestehen die vor- auf Temperaturunterschiede zurückzuführen sind.
Gebäude = Element). gefertigten Teile in der Regel aus in Rahmen [10] Grafik in Anlehnung an: Zürcher, Christoph; Frank,
gefassten Gläsern, weshalb dafür auch der Thomas: Bauphysik. Bd. 2: Bau und Energie – Leit-
Montage und Einbaufolge Begriff der Rahmenkonstruktion existiert. faden für Planung und Praxis. Zürich / Stuttgart 1998,
S. 80
Der Vorgang des Bauens ist verbunden mit Elementfassaden eignen sich gut für Verwal- [11] ebd [7], S. 33–36
dem zeitlichen Ablauf der Montage. Neben tungsbauten mit großer Höhe. Die Elemente [12] Givoni, Baruchi: Passive and Low Energy Cooling of
dem Endzustand der Konstruktion existieren werden per Kran an die entsprechende Stelle Buildings. Van Nostrand Reinhold,
dabei verschiedene Zwischenzustände. Je gehoben; die Montage erfolgt ohne Gerüst. New York / London / Bonn 1994, S. 42
[13] Zu der Angabe von Werten zu Luftgeschwindigkeit
nach Situation können äußere Bedingungen
wird darauf hingewiesen, dass Luftgeschwindigkei-
den Bauablauf beeinflussen. Vor allem in Pfosten-Riegel-Fassade ten < 0,15 m/s subjektiv wahrgenommen werden
innerstädtischen Lagen ist der Zu- und Ab- Im Gegensatz zur Elementfassade besteht die können.
transport von Material bei größeren Bauvor- Pfosten-Riegel-Fassade aus einzelnen Teilen: Hanel, Bernd: Raumluftströmung. Heidelberg 1994,
haben nur eingeschränkt möglich. Außerdem den senkrechten Fassadenpfosten und den S. 6
[14] Fanger, Ole: Behagliche Innenwelt. In:
haben die klimatischen Bedingungen einen waagrechten Fassadenriegeln, die vor Ort Uhlig, Günther u. a.: Fenster – Architektur und Tech-
direkten Einfluss auf den Bauablauf. Änderung zusammengefügt werden. Die Bezeichnung nologie im Dialog. Braunschweig / Wiesbaden 1994,
der Witterung kann zu terminlichen Verschie- beruht auf dem konstruktiven Prinzip. Pfosten- S. 217
bungen führen, die sich auf den gesamten Riegel-Fassaden finden heute vorwiegend bei [15] Bei Überlegungen zur sehr hohen Dichtigkeit von
weiteren Ablauf auswirken. Die Errichtung der niedrigen Bauten Anwendung. Fenstern wurden daher die Zuluftöffnungen zur
Gewährleistung der Mindestluftzufuhr über Heiz-
Fassade als Wetterschutz ermöglicht einen körpern angebracht.
von Wetteränderungen weitgehend unabhän- [16] Zugluft gilt neben Geräuschbelastung als einer der
gigen Ausbau des Gebäudes. hauptsächlichen Gründe für Unzufriedenheit mit
Klima- und Lüftungsanlagen.
Recknagel, Hermann; Schramek, Ernst-Rudolf
Vorgefertigte Komponenten aus Elementen (Hrsg.): Taschenbuch für Heizung und Klimatechnik
Um einen Bauablauf möglichst unabhängig Anmerkungen: einschließlich Warmwasser- und Kältetechnik.
von Witterungsbedingungen zu machen, wer- München 2001, S. 59
den einzelne Teile ortsungebunden unter kon- [1] Im vorliegenden Kapitel wird mit »Fenster« (analog [17] Recknagel, Hermann; Sprenger, Eberhard; Schra-
zum umgangssprachlichen Gebrauch) der beweg- mek, Rudolf (Hrsg.): Taschenbuch für Heizung +
trollierten Bedingungen im Werk vorgefertigt.
liche, lichtdurchlässige Abschluss einer Wand- Klimatechnik. München 1999, S. 1207
Dadurch können die eigentliche Montagezeit öffnung bezeichnet. Das Reallexikon der [18] Zeidler, Olaf: Freie Lüftung in Bürogebäuden. In:
vor Ort und die damit verbundenen Risiken Deutschen Kunstgeschichte verwendet hierfür den HLH, Bd. 51, 07/2000
erheblich reduziert werden. Durch Vorferti- Begriff »Fensterverschluss«, der jedoch zu Ver- [19] Daniels, Klaus: Gebäudetechnik – ein Leitfaden für
gung sind außerdem wesentlich höhere wechslungen mit dem Bereich der Beschläge führen Architekten und Ingenieure. Zürich / München 1996,
kann. S. 260
Genauigkeiten und geringere Toleranzen Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. [20] Baker, Nick; Steemers, Koen: Energy and environ-
erzielbar. München 1981. Bd. 7, Spalte 1253 ff. ment in architecture. London 2000, S. 58
Bei Lochfassaden werden Fenster in Ausspa- [2] Dietze, Lothar: Freie Lüftung von Industriegebäuden. [21] Westenberger, Daniel: Vertikale Schiebefenster –
rungen der Fassadenkonstruktion eingesetzt. Berlin 1987, S. 18 Zur Typologie der Bewegungsarten von Fenstern als
Daneben kommen im Bereich der nicht tragen- [3] Diese Trennung wurde z. B. von Le Corbusier beim Öffnungselemente in der Fassade. In:
Kloster La Tourette, 1957, vorgenommen. Fassade / Façade 03/2002, S. 23–28
den Außenwand für Fassaden mit hohem Ver- [4] Pracht, Klaus: Fenster – Planung, Gestaltung und [22] Westenberger, Daniel: Vertikal verschoben – Eigen-
glasungsanteil zwei vom Prinzip her unter- Konstruktion. Stuttgart 1982, S. 102 schaften und Leistungsspektrum von vertikalen
schiedliche Bauweisen zum Einsatz. Die [5] Grafik nach: Müller, Helmut; Schuster, Heide: Tages- Schiebemechanismen bei Fensteröffnungen. In:
Unterscheidung bezieht sich dabei auf den lichtnutzung. In: db 09/2003, S. 86–91
Schittich, Christian (Hrsg.): Solares Bauen. [23] Im vorliegenden Kapitel sind Teile aus einer laufen-
Montagevorgang: München/Basel 2003, S. 63 den Dissertation von Daniel Westenberger enthalten,
[6] VDI Richtlinie 6011. Düsseldorf 2001 die am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie der TU
Elementfassade [7] Miloni, Reto: Tageslicht-ABC. In: Fassade / Façade München bearbeitet wird.
Dieser Begriff bezeichnet Fassaden, die aus 01/2001 Die Arbeit befasst sich mit der Anwendung des ver-
einzelnen vorgefertigten Einheiten bestehen, [8] Meyringer, Volker; Trepte, Lutz: Lüftung im tikalen Schiebemechanismus' für Fenster und ande-
Wohnungsbau. Hrsg. vom Bundesministerium re bewegliche Komponenten im Bereich von Fassa-
welche auf der Baustelle zur Fassade als für Forschung und Technologie. Karlsruhe 1987, denöffnungen unter besonderer Berücksichtigung
Ganzes zusammengesetzt werden. Die S. 11 der sich daraus ergebenden Kombinationsmöglich-
Bezeichnung bezieht sich nicht auf die oben [9] Die Unterscheidung der Antriebskräfte erfolgt bezo- keiten.
45
Modulare Ordnung
A 2.3 Modulare Ordnung Gebäude bestehen in der Regel aus einer Viel-
zahl von Einzelteilen (Bauteilen, Elementen), die
zumeist zeitlich versetzt eingebaut und von
unterschiedlichen Herstellern produziert und
montiert werden. Daher bedarf es durchgehen-
der geometrischer Regeln, deren Befolgung das
mangelfreie Gesamtwerk erst ermöglicht. Eine
solche Art von »Grammatik« bezieht sich also
auf den bautechnischen Gesamtzusammenhang
der (gebäudebezogenen) Subsysteme Trag-
werk, Außenwand, innerer Ausbau sowie Ver-
und Entsorgung und wird allgemein als Modul-
ordnung bezeichnet [1].
47
Modulare Ordnung
100 mm Einen Paradigmenwechsel in der (modularen) von Bauteilen, auf deren Grundlage die Pla-
Konzeption von Bauten stellt das Werk von nung, Herstellung und Montage erfolgen kann.
1M 1M 1M Jean-Nicolas-Louis Durand dar. Er löst sich um Sie dient zur Koordination dieser Prozesse und
a 1800 von der anthropometrischen und hierar- der Prozessbeteiligten und ist eine Vorausset-
chisch gegliederten Architekturlehre und legt zung für den Grad der Industrialisierung der
allen Bauaufgaben sowie architektonischen Bauproduktion.
3M 3M Elementen ein gleiches Raster mit rationalen Jedes Bauteil kann somit in seiner Lage und
b Maßverhältnissen zugrunde (Abb. A 2.3.3). seinen für die Anschlüsse wichtigen Abmes-
Ausgangspunkt für dieses System ist der Säu- sungen erfasst und mit anderen benachbarten
lenabstand, der als »konstruktiv materialbezo- oder zugeordneten Bauteilen in eine maßlich
6M genes Maß des Tragbalkens« auch Aspekte aufeinander abgestimmte Beziehung gebracht
c von Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit des Ent- werden. Ziele der Modulordnung sind:
A 2.3.5 wurfs berücksichtigt [5]. Die Arbeiten von
A 2.3.5 Modulordnung
a Grundmodul Durand bilden eine wichtige Grundlage für die • geometrische und maßliche Gesamtkoordina-
Der Grundmodul ist die Größeneinheit, die als Ausprägung des Modulsystems, das später tion des Bauwerks
Maßsprung in Maßordnungen verwendet wird. Basis der Entwicklung des industriellen Bauens • Austauschbarkeit der Produkte
Der EU-weit vereinbarte Grundmodul von M wird. • Beschränkung der Produktevielfalt
beträgt 100 mm.
b Multimodul
Es ist vor allem Konrad Wachsmann, der sich • Vorfertigung, kontrollierte und stimmige Mon-
Der Multimodul ist das genormte Vielfache in seinem Buch »Wendepunkt im Bauen« mit tage auf der Baustelle
des Moduls mit einem ganzzahligen Multipli- dem Thema der industriellen Herstellung und
kator. Multimoduln sind z. B. 3 M, 6 M, 12 M. der Koordinierung standardisierter Elemente
c Strukturmodul
eingehend beschäftigt. Begriffsbestimmung und Einheiten
Der so genannte Strukturmodul ist das Vielfa-
che der Multimoduln und legt als Zahlenwert Modulare Koordinationssysteme beziehen sich
die Koordinationsmaße für das Tragwerk fest. nicht nur auf quadratische Raster oder ebene Modul
Flächen, sondern können sowohl über Grund- Moduln sind Verhältniszahlen technischer Grö-
1
risse und Fassaden als auch räumlich wirksam ßen. Die Basiseinheit der Modulordnung in
2 5 3 werden. Koordinationssysteme solcher Art sind Europa ist der Grundmodul M, der auf 10 cm
4 10 6 15 9 Resultat genauer theoretischer und praktischer festgelegt ist (Abb. A 2.3.5 a).
8 20 12 30 18 45 27 Untersuchungen von »Messwerten, Messme- Zur Eingrenzung der Vielfalt möglicher Bautei-
thoden, Maßbestimmungen, Dimensionierun- labmessungen und zur sinnvollen Auslegung
16 40 24 60 36 90 54 135 81
gen kleinster Teile bis zum kompletten Bau- von modularer Größe und Bauteilfunktion wer-
32 80 48 120 72 180 108 270 162 405 243 werk.« [6]. den Vorzugsmaße – die Multimoduln –, d. h. ein
A 2.3.6 Der Übergang vom handwerklich bestimmten Vielfaches von M (M = n x M), definiert. Multi-
A 2.3.6 Vorzugsmaße
Bauablauf zum (teil-)industrialisierten Baupro- oder Planungsmoduln sind bestimmend für den
Vorzugszahlen sind ausgewählte Vielfache der
Moduln. Ihre Zählwerte ergeben in Verbindung zess erfordert es, den möglichen Spielraum in systematischen Aufbau des Entwurfs (Abb. A
mit den Moduln Vorzugsmaße als multimodulare der Lagebeziehung der Einzelteile zunehmend 2.3.5 b). In der DIN 18 000 »Modulordnung im
bzw. modulare Maße. Aus praktischen Erwägun- exakter zu definieren. Da die technologischen Bauwesen« [9] sind aufbauend auf dem Grund-
gen sind sie auf bestimmte Vielfache des Moduls Fertigungsverfahren eine hohe maßliche Präzi- modul verschiedene Planungsmoduln vorge-
zu begrenzen. Aus ihnen sollen die Koordina-
tionsmaße vorzugsweise gebildet werden.
sion ermöglichen, stellt die Definition und Kon- schlagen: 3 M, 6 M, 12 M.
Vorzugszahlen sind: trolle von Toleranzen eine wesentliche Anforde- Aus dem Vielfachen von Planungsmoduln resul-
1, 2, 3 bis 30-mal M rung an die geometrische modulare Ordnung tiert der Strukturmodul, der den Aufbau und die
1, 2, 3 bis 20-mal 3 M dar. Koordination der Baukonstruktion bestimmt
1, 2, 3 bis 20-mal 6 M
(Abb. A 2.3.5 c). Nach Nutzungsart werden
1, 2, 3 usw. mal 12 M
Der Modulor von Le Corbusier unterscheidet gängige Strukturmoduln unterschieden, wie
sich deutlich von diesem technologischen 36 M, 54 M, 72 M etc.
4
Ansatz und von den eher gleichförmigen mo- Aus solchen Strukturmoduln ergeben sich
12
dularen Rastern. Einem Modulor-Bezugssystem durch Addition bzw. Subtraktion Teile oder Viel-
9
liegt zwar auch eine Abfolge von Zahlenwerten fache, die nach DIN 18 000 auch als
9 zugrunde, allerdings beziehen sich diese nicht Vorzugsmaße bezeichnet werden. Aus prakti-
3
auf ein gemeinsames Ausgangsmaß. Daher schen Erwägungen sollten Vorzugsmaße auf
8 muss man in diesem Fall von einer Proportions- eine bestimmte Anzahl von Vielfachen begrenzt
2
6 methode, basierend auf einer »gerichteten, werden. Sehr anwendungsbezogene und viel-
6
dynamischen Struktur«, sprechen [7]. fach nutzbare Vorzugsmaße sind durch mehre-
4 7
re Unterteilungsmöglichkeiten gekennzeichnet
1 5 8
(Abb. A 2.3.6).
6 8 9 10 18 Maßordnung und modulare Ordnung Auf der Basis von Vorzugsmaßen bzw. den
A 2.3.7 Multimoduln lassen sich funktionale modulare
A 2.3.7 Zahlenwerte in Länge und Breite häufig Die Modulordnung ist eine Maßordnung, die Größen für unterschiedliche menschliche
gebrauchter und in Moduln ausgedrückter aus Moduln und Anwendungsregeln zur »Tätigkeiten« wie stehen, sitzen, liegen, gehen
Raummaße, auf Basis menschlicher Größen:
maßlichen Koordination technischer Teile definieren (Abb. A 2.3.7) [10].
1 stehender Mensch
2 sitzender Mensch besteht, deren Anordnung und Funktion in
3 in Sessel sitzender Mensch einem System aufeinander abgestimmt sein Bezugssysteme
4 auf Liegestuhl ausgestreckter Mensch müssen. Unter Verwendung von Moduln regelt Zur Bestimmung der Lage und der generellen
5 stehender Mensch mit gegrätschten Beinen sie »mit Hilfe von Rastern und Koordinations- Maße eines modularen Bauteils sowie seiner
6 gehender Mensch mit Gepäck
7 zwei stehende Menschen systemen Lage, Größe und Verknüpfung von Beziehungen zu benachbarten Bauteilen sind
8 drei nebeneinander stehende Menschen technischen Teilen« [8]. Die Maßordnung dient Bezugsebenen, Bezugslinien oder Bezugs-
9 auf Sofa sitzender Mensch der Festlegung von Regeln für Abmessungen punkte erforderlich.
48
Modulare Ordnung
Raster
Das Raster ist ein räumliches geometrisches A 2.3.8 Bezugsarten
Koordinationssystem, das eine regelmäßige a Achsbezug
Beim Achsbezug wird das Bauteil in mindes-
Folge von gleichen Abständen von Bezugslini-
tens einer Dimension den Koordinationslinien
en, die Rastermaße, aufweist. Diese bestimmen so zugeordnet, dass seine Mittelachsen mit
als ausgewählte Planungsmaße den Abstand diesen zur Deckung kommen, d. h. es wird in
und die Lage von Systemlinien. Die Abstände seiner Lage bestimmt. a
des Rasters sind auf einem Modul oder Vielfa- b Grenzbezug
Beim Grenzbezug wird das Bauteil in mindes-
chen eines Moduls aufgebaut. In den meisten tens einer Dimension zwischen zwei parallelen
Fällen werden dem Raster als Grundform das Koordinationslinien so angeordnet, dass es
Rechteck oder das Quadrat zugrunde gelegt. diesem entspricht, d. h. es wird in seinem Maß,
Mit Hilfe des Rasters wird jedes Bauteil in seiner seiner Lage und oft auch seiner Form
b
bestimmt.
Lage definiert und mit anderen Bauteilen koordi-
c Kombination
niert. Man spricht auch von Achsmaßen, die auf Bei der Kombination von Achs- und Grenzbe-
Basis der Strukturmoduln den Abstand der Sys- zug wird das Bauteil in einer Dimension, in sei-
temlinien der Baukonstruktion bestimmen und ner Lage und in der zweiten Dimension in sei-
das Koordinationssystem bilden. nem Maß bestimmt.
A 2.3.9 geometrische Festlegungen c
A 2.3.8
Bezugsarten
Die Bezugsarten sind festgelegte Regeln für die
Zuordnung von modularen und nicht modularen
M
x
Teilen zu Koordinationssystemen. Grundsätzlich
2
n
werden zwei Möglichkeiten Bauteile auf das
modulare Raster zu beziehen unterschieden:
M
n3 x M
x
1
n
n2 ug n
schen Teilen nennt DIN 30 798 Teil 3 folgende
la
7 xM
el
itt
»Faustregeln«:
M
M
x
mente)
Ra
ug
ez
Teile / Stützen) Ac
hs
• Achsbezug in allen drei Dimensionen (punkt- be
zu
g
förmige Teile / Knoten)
A 2.3.9
49
Modulare Ordnung
Haupt- und Nebenraster deckungsgleich Haupt- und Nebenraster versetzt Bei der Anordnung von Bauteilen, die in ein
Achsraster Bandraster Achsraster Bandraster oder zwei Dimensionen unterschiedliche
Abmessungen aufweisen können, unterscheidet
Überlagerung von
50
Modulare Ordnung
1 2 3 4 5
maß der die Lage und Dimension eines Bau-
teils begrenzenden Bezugsebenen und in der
Regel ein modulares Maß (R = n x M). Das
Herstellungsmaß (H) kann vom Koordinierungs-
maß abgeleitet werden unter Berücksichtigung
der Fugenanteile, der Anschlussflächen eines
Bauteils und der Maßtoleranzen: H ist < R.
Je nach Ausbildung der Anschlüsse kann das
A
Herstellungsmaß über den modularen Raum
hinausreichen: H > R. Für diesen Fall ist ein
Anschlussmaß zu berücksichtigen, das die
Abmessungen zwischen den Bauteilen regelt
(Abb. A 2.3.12) [12].
B
Geometrische Position zum Tragwerk
Aus der Lage der Außenwand zur Tragwerk-
zone resultieren neben unterschiedlichen
Anschlussbedingungen bauphysikalische Kon-
sequenzen und vielfältige Auswirkungen auf C
das Erscheinungsbild des Gebäudes. Prinzipi-
ell können bei nicht tragenden Außenwänden
A 2.3.13
(bei der Betrachtung von außen nach innen)
A 2.3.10 Haupt- und Nebenraster Aufgrund der Art der Anschlüse können Bau-
folgende Positionen unterschieden werden (Auswahl) teile über den modularen Raum hinausreichen.
(Abb. A 2.3.13) [13] : A 2.3.11 Elementierung und Eckverbindung A 2.3.13 geometrische Positionen der Fassade zum
A 2.3.12 Koordinierungsmaß – Herstellungsmaß Tragwerk
Lage der Fassadenebene
• vor den Stützen (1) • Wärmebrücken (Wärmeleitung durch oder räumlich auftreten. Beim Konstruieren –
• vor den Stützen anliegend (2) anschließende Bauteile) speziell in der Ausführungs- und Detailplanung
• zwischen den Stützen (3) • Schallbrücken (Schallübertragung zwischen – ist unbedingt darauf zu achten, dass je nach
• hinter den Stützen anliegend (4) innen und außen) Einzelfall die entsprechenden Toleranzen vor-
• hinter den Stützen (5) • Witterungsschutz (z. B. Korrosionsschutz bei gesehen werden. Oft überlagern oder addieren
Stahlstützen) sich unterschiedliche Arten von Toleranzen an
Diese geometrischen Lagebeziehungen Verbindungsstellen benachbarter Bauteile.
bestimmen u. a., inwieweit das Tragwerk zum Ebenso beeinflussen Lage und Stellung der Abweichende Maße müssen aufgenommen
Gestaltungselement wird, die Abhängigkeit der Stützen die Fassadenteilung. So können bei werden können, Relativbewegungen und Dich-
Fassadenteilung vom Tragwerk, die Ausbil- eng stehenden Stützen die jeweiligen Felder tigkeit auf Dauer sichergestellt sowie thermi-
dung der Innenwandanschlüsse und den Grad gleichmäßig ausgebildet werden, während bei sche Brücken vermieden werden [1].
an Durchdringungen der Außenwand in weit gestellten Außenstützen aufgrund der
Stützen- und Deckenebene. unterschiedlichen Dimensionen je nach Lage
Eine weitere Unterscheidungsebene stellt die und Anordnung Sonderelemente erforderlich Anmerkungen:
Einbindung der horizontalen (Decken) in die sein können.
[1] grundlegende und weitergehende Überlegungen in:
vertikalen Tragwerkselemente (Stützen) dar. Herzog, Thomas: Zur Kunst des Fügens oder: Nach-
Prinzipiell kann bei nichttragenden Außen- Toleranzen denken über das Standbein. In:
wänden ebenfalls unterschieden werden: »Toleranzen sollen die Abweichungen von den Der Architekt 02/1987, S. 86-89
Nennmaßen der Größe, Gestalt und der Lage [2] Naredi-Rainer, Paul von: Architektur und Harmonie.
Köln 2/1984, S. 17
• zwischen den Stützen einbindend (A) von Bauteilen und Bauwerken begrenzen« [14].
[3] ebd, S. 130
• vorspringend (B) Man unterscheidet: [4] Nitschke, Günter: Architektur und Ästhetik eines
• bündig mit Stützenvorderkante (C) Inselvolkes. In: Schittich, Christian (Hrsg.): Japan.
• Herstellungstoleranzen München / Basel 2002, S. 24ff.
Die Lage und Zuordnung der Tragwerksele- • Montagetoleranzen [5] Nerdinger, Winfried: »Das Hellenische mit dem
Neuen verknüpft« – Der Architekt Leo von Klenze als
mente zur Außenwand ist durch die Betonung • Toleranzen durch Formänderung von Bau- neuer Palladio. In: Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Leo
von vertikalen und / oder horizontalen Elemen- teilen von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof
ten, d. h. Wandpfeilern, Stützen bzw. vorsprin- 1784–1864. München / London / New York 2000, S. 11
genden Decken oder durch eine Rasterwirkung Fugen sind Räume zwischen zwei modularen [6] Wachsmann, Konrad: Wendepunkt im Bauen.
Dresden 1989, S. 54
charakterisiert. Bauteilen, die u.a. aus Maßungenauigkeiten bei
[7] ebd [2], S. 133
Unter konstruktiven Gesichtspunkten ist die der Herstellung und Montage resultieren. Da [8] DIN 30 798 Teil 2. 1982
Lage und Stellung der Stützen für Ausbildung bei der Montage von benachbarten Bauteilen [9] DIN 18 000. 1984
und Befestigung der Fassade von Bedeutung, ein Fugenspiel erforderlich ist, ergeben sich [10] Bussat, Pierre: Modulordnung im Hochbau. Stuttgart
d. h. die Anschlüsse von Stütze und Träger zur Bestimmung des Kleinstmaßes und des 1963, S. 30-33
[11] ebd [9]
sowie ihre räumliche Ausbildung, Anschlüsse Größtmaßes zulässige Abweichungen. [12] Projekt MOSS – OE 06/11. Teil 1: Grundlagen der
von Innenwänden, die Installationsführung bis Herstellungstoleranzen bezeichnen zulässige Modulordnung. Seminarbericht. Gesamthochschule
hin zum Brandschutz. Unter bauphysikalischen Maßabweichungen bei der Herstellung von Kassel 1974, S. 26f.
Aspekten resultieren aus der Lage der Stützen Bau- und Gebäudeteilen. Sie resultieren aus [13] Trbuhovic, L.: Untersuchungen des Strukturschemas
und der Fassadenentwicklung beim Stahlbeton-Ske-
zur Außenwand Anforderungen aus: der Differenz von Kleinstmaß und Größtmaß.
lettbau. In: Girsberger, Hans (Hrsg.): ac panel.
Montagetoleranzen bezeichnen den Bereich Asbestzement-Verbundplatten und -Elemente für
• Verformungen (Längenänderungen durch der zulässigen Lageabweichung von Bauteilen Außenwände. Zürich 1967, S. 46–49
Temperaturunterschiede) bei der Montage. Sie können linear, flächig [14] DIN 18 201. 1997
51
Bauphysikalische Planungshinweise
A 3 Bauphysikalische Konzeption, Konstruktion und Ausführung der bei neuer Raumeinteilung unter Berücksich-
Fassade sind nicht nur entscheidend für das tigung der veränderten Rahmenbedingungen,
Planungshinweise äußere Erscheinungsbild, sondern auch für die ggf. mit veränderten Anforderungen, eine ent-
Gebrauchstauglichkeit, die Dauerhaftigkeit, die scheidende Rolle.
Kosten und den Energieverbrauch des gesam- Besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich bau-
ten Gebäudes, den Schutz von Leben und physikalischer Belange verdienen zudem
Sachwerten sowie für behagliche Raumbedin- spezielle Fassadenbereiche wie z. B. untere
gungen. und obere Gebäudeabschlüsse (Fußpunkt und
Die Anforderungen an die Fassade unterschei- Attika) sowie vertikale und horizontale Außen-
den sich je nach Gebäudestandort und Nut- und Innenecken, insbesondere mit versetzten
zung. Einfluss haben zudem Form und Höhe Dämm- und Dichtebenen.
des Gebäudes sowie das Flächen-, Raum- und Die Aspekte Luft- und Wasserdichtigkeit, Wär-
Funktionsprogramm mit entsprechenden Vor- me-, Feuchte-, Sonnen-, Blend-, Schall-, Brand-
gaben für die horizontale und vertikale Gliede- und Rauchschutz sowie Solarenergie- und
rung bei Fassade und Innenausbau. Tageslichtnutzung können in der Regel nur
Darüber hinaus werden vom Gesetzgeber für ganzheitlich geklärt und unter Beachtung der
Gebäudezonen verschiedener Nutzung (wie jeweiligen Randbedingungen optimiert werden,
z. B. Büros mit Bildschirmarbeitsplätzen, Atrien, da sich die entsprechenden Maßnahmen häu-
Eingangshallen, Treppenhäuser, Fluchtwege fig gegenseitig beeinflussen.
usw.) unterschiedliche Anforderungen an den Die verschiedenen Lösungsansätze weisen
Schall-, Brand- und Rauchschutz sowie an die aus funktioneller Sicht jeweils unterschiedliche
Raumausleuchtung durch Tageslicht gestellt. Vor- und Nachteile auf, die aus bauphysikali-
Der Freiheitsgrad der Fassadenplanung unter- scher Sicht im Detail auch typische Schwach-
scheidet sich zudem bei Neubau, Umbau und stellen mit sich bringen. Ein erheblicher Teil der
Renovierung. in der Baupraxis identifizierten Probleme lässt
Im Hinblick auf die Konstruktionsart der Fas- sich – unter Beibehaltung des technischen und
sade ist es entscheidend, ob es sich beim gestalterischen Entscheidungsspielraumes –
Gebäude um einen Massivbau mit tragenden deutlich reduzieren, wenn:
Außenwänden handelt oder um eine Beton-,
Stahl- bzw. Holzskelettkonstruktion. Zudem • so weit wie möglich auf Grundlage aufgaben-
hängt von der technischen Gebäudeausrüs- spezifischer Standards (»Systemtechnik«),
tung (z. B. klimatisiert oder nicht klimatisiert) • nur so weit nötig mit projektspezifischen Stan-
die erforderliche Raumlufttemperatur und dards (»Plattformstrategie«)
-feuchte ab. Sie beeinflusst damit die Anforde- • und so selten wie möglich ohne Standard
rungen an die Fassade.
Unter Beachtung dieser Rahmenbedingungen geplant und gebaut wird.
ist im Planungsprozess zu entscheiden, wel-
cher Fassadentyp bzw. welcher Fassadenauf-
bau für die unterschiedlichen Fassadenzonen Fassadentyp
gewählt werden soll:
Aus konstruktiver Sicht lassen sich grundsätz-
• tragend oder nicht tragend lich zwei Fassadentypen unterscheiden:
• ein- oder mehrschalig
• ein- oder mehrschichtig • tragende Außenwände
• Pfosten-Riegel- oder Elementfassade • nicht tragende, vorgehängte Fassaden
Sämtliche Anforderungen an die Eigenschaften Im ersten Fall werden Fenster in eine tragende
der Fassade müssen durch geeignete Materia- Außenwand eingestellt bzw. integriert (Abb.
lien bzw. Bauteile sowie durch eine abge- A 3.2). Diese können als einzelne Lochfenster
stimmte Anordnung der Bauteile zueinander ausgebildet oder zu horizontal (auch
und durch fachgerechte Verbindungen lang- geschosshoch) bzw. vertikal (auch über meh-
fristig sichergestellt werden. rere Geschosse) durchlaufenden Fensterbän-
Alle Inhomogenitäten und Undichtigkeiten in dern kombiniert sein. Insbesondere die
der Fassade beinhalten besondere bauphysi- Baukörperanschlüsse rund um die Fensterrah-
kalische Risiken und eine erhöhte Schadens- men erfordern eine sorgfältige Planung des
häufigkeit. Dies sind einerseits alle Arten von Wärme-, Feuchte- und Schallschutzes
Fugen zwischen Fassadenbauteilen, anderer- gegenüber der Umgebung. Die Fassadenbe-
seits Fassadendurchdringungen, insbesondere reiche zwischen den Fenstern können u. U. von
in Form und im Umfeld von Befestigungsmitteln außen mit Blechen oder nicht transparenten
und Verkabelungen (z. B. für Sonnenschutz, Gläsern bekleidet werden. Dann ähneln sie in
Photovoltaik). Nicht nur in diesem Fall, sondern ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht tragen-
auch bei Baukörperanschlüssen handelt es den Fassaden, die jedoch konstruktiv völlig
sich um bauphysikalisch kritische Schnittstellen anders aufgebaut sind (Abb. A 3.3). Diese sind
zwischen unterschiedlichen Gewerken. vollständig dem Rohbau vorgesetzt und bilden
Letzteres gilt auch für die Anschlüsse des eine geschlossene, additive Wetterschutzhülle,
A 3.1 Swiss Re Konzernzentrale, London (GB) 2003, Innenausbaus (insbesondere Trennwänden) an in die sich Verglasungen, Einzelfenster bzw.
Foster and Partners die Fassade. Hier spielt zudem die Flexibilität Fensterbänder als Elemente integrieren lassen.
53
Bauphysikalische Planungshinweise
Hier liegen die bauphysikalischen Schwach- bzw. -schalige Fassaden werden aus diesem
stellen erfahrungsgemäß im Bereich der Grund in Gebäuden mit starker Lärm- oder
Decken- und Wandanschlüsse. Windbelastung und gleichzeitig hohen Kom-
In der Baupraxis gibt es insbesondere dort fortanforderungen eingesetzt.
Probleme beim Schall-, Brand- und Rauch-
schutz zwischen benachbarten Räumen, wo
Fugen bezüglich der Funktionen Dämmen und Bauweise
Dichten nicht fachgerecht geplant oder
ausgeführt werden – besonders dann, wenn Die Unterscheidung von Fassaden bezüglich
man folgende Aspekte nicht ausreichend ihrer Bauweise bezieht sich insbesondere auf
berücksichtigt und konstruktiv kompensiert: die Frage, ob auf der Baustelle einzelne Kom-
ponenten (wie Pfosten und Riegel) oder funkti-
• Verformungen des Baukörpers, z. B. aus onsfertige Module, so genannte Elemente,
Eigen- und Verkehrslast angeliefert und montiert werden.
• herstellungsbedingte Toleranzen Bei vorgehängten Fassaden ist der Bautypus
A 3.2 • dynamische, horizontale Deckenverschie- der Pfosten-Riegel-Fassade sehr weit verbrei-
bungen, hervorgerufen durch Winddruck, tet (Abb. A 3.4). Dabei sind die Längs- und
-sog oder Erdbeben Querverbindungen der Pfosten bzw. Riegel
• material- und temperaturbedingt unter- schiebend ausgebildet. Die Füllelemente,
schiedliche Längenänderungen bestehend aus Fenstern, Gläsern oder Panee-
len, schwimmen gewissermaßen im Glasfalz,
dessen Tiefe den zu erwartenden Toleranzen,
Fassadenaufbau Dehnungen und Verformungen Rechnung
tragen muss. Die Montage auf der Baustelle
Die statischen und bauphysikalischen Eigen- erfordert Gerüste, sie ist zeitaufwändig und
schaften einschichtiger (monolithischer) wetterabhängig.
Außenwände werden nur durch ihr Material Elementfassaden hingegen erlauben die
und dessen Dicke bestimmt. Das Material der mechanische Beabeitung und Zusammen-
Wand muss daher in diesem Fall multifunktio- fügung funktionsfertiger Fassadenelemente –
nale Anforderungen erfüllen. Dagegen können einschließlich Glas, Paneel, Blech und Wärme-
bei mehrschichtigen bzw. mehrschaligen Fas- dämmung, im Extremfall mit Naturstein und
saden die Materialien der einzelnen Schichten Sonnenschutz sowie Sensoren und Antrieben
oder Schalen bezüglich ihrer jeweiligen Funkti- – in der Werkstatt (Abb. A 3.5). Ein wesentli-
onen optimiert werden. cher Vorteil besteht darin, dass dort, im
So kann z. B. bei mehrschaligen Fassaden Gegensatz zur Situation auf der Baustelle,
zwischen mehreren Schalen eine Luftschicht unter kontrollierten, industriellen Bedingungen
angeordnet sein, die entweder in sich abge- ein Höchstmaß an Automatisierung und
schlossen oder nach innen und / oder außen Genauigkeit erreichbar ist. Daraus resultiert
hin offen sein kann. Die zugehörige Wetter- eine zuverlässige Qualitätssicherung und
schutzschicht kann wahlweise transparent, damit eine gleichbleibend hohe Qualität. Kom-
transluzent oder opak sein, je nachdem welche plett vorgefertigte Module werden zur Baustel-
funktionalen oder gestalterischen Eigenschaf- le transportiert und dort an Konsolen montiert,
ten erwünscht sind. die zuvor am Rohbau befestigt und justiert
Die Luftdichtheit der Wärme- und Feuchte- wurden. Zu dieser Gattung zählen auch Ele-
schutzebene darf nicht unterbrochen werden; mentfassaden, bei denen die Fassadenprofile
besonders in Fugen ist ein geeignetes Dicht- über T- und / oder Eckverbinder Rahmen bil-
system anzuwenden. Liegt diese Ebene raum- den. Die mit Gummidichtungen versehenen
seitig, muss sie zudem dampfdichter als die Randprofile benachbarter Fassadenelemente
äußere Wetterschutzebene ausgeführt werden. werden während des Montagevorganges auf
In der Praxis hat es sich als vorteilhaft erwie- der Baustelle labyrinthartig ineinander
sen, wenn die Wetterschutzebene zumindest geschoben. Dies ermöglicht einerseits die
Dampfdruckausgleichsöffnungen aufweist, Aufnahme von Toleranzen, Dehnungen und
über die Feuchtigkeit aus der Konstruktion Verformungen, andererseits die Sicherstellung
ungehindert nach außen entweichen kann eines anforderungsgerechten Wärme- und
(Abb. A 3.6). Da über diese Öffnungen jedoch Schallschutzes sowie der Luft- und Wasser-
unter ungünstigen Bedingungen Schlagregen dichtigkeit in den Fugen zwischen den Ele-
in den Luftzwischenraum eindringen kann, menten. Typische Schwachstellen bilden
muss dieser über entsprechende Öffnungen dabei unsachgemäß ausgebildete Kreuzungs-
direkt und kontrolliert nach außen abgeführt punkte zwischen Fassadenelementen.
werden. Die Wasserdichtigkeit wird dann wir-
kungsvoll durch zwei aufeinander abgestimmte Die Konstruktion von Elementfassaden
A 3.3 Dichtebenen sichergestellt. bedingt einen größeren Material- und Werk-
Werden derartige Fassaden fachgerecht stattaufwand und erfordert erfahrene Kon-
A 3.2 Vertikalschnitt durch eine tragende Außenwand geplant und ausgeführt, weisen sie nicht nur strukteure. Planungsfehler lassen sich nicht
mit Lochfenster
A 3.3 Vertikalschnitt durch eine nicht tragende, vor-
einen verbesserten Schutz gegenüber Regen ohne weiteres durch handwerkliche Zusatz-
gehängte Pfosten-Riegel-Fassade (oben Attika, auf, sondern auch allgemein gegenüber maßnahmen korrigieren. Elementfassaden
Mitte Deckenanschluss, unten Fußpunkt) Feuchte, Wind und Schall. Mehrschichtige sind planungsintensiver und erfordern daher
54
Bauphysikalische Planungshinweise
A 3.4 Pfosten-Riegel-Fassade
A 3.5 Elementfassade
A 3.6 Dampfdruckausgleich bei
Pfosten-Riegel-Fassaden
entsprechende (planerische) Vorlaufzeiten, Befestigungsmitteln, hervorgerufen durch res Tauwasser auftritt, wurden in DIN 4108
was u. a. bei Vergaben zu berücksichtigen ist. lineare oder punktförmige Wärmebrücken die kritischen Oberflächentemperaturen neu
Sie eignen sich jedoch sowohl für Hochhäuser und / oder Undichtigkeiten. Als besonders kri- definiert.
als auch für sonstige großvolumige Gebäude, tisch erweisen sich in der Praxis horizontale In Mitteleuropa gilt für Konstruktion und
bevorzugt für solche mit regelmäßigem struktu- und vertikale Außen- und Innenecken, Attiken Ausführung der Grundsatz: innen dampfdichter
rellen Aufbau. und Fußpunkte sowie Versprünge in Dämm- als außen. Bei feuchtwarmem Klima muss die-
oder Dichtebenen, insbesondere an Übergän- ser Grundsatz »umgedreht« werden: außen
gen zwischen unterschiedlichen Fassadenty- dampfdichter als innen.
Wärmeschutz pen und -aufbauten. Bei mehrschaligen Glasfassaden kann sich
Kondensat bilden, wenn feuchte Raumluft im
Ein guter Wärmeschutz erhöht die raumseitigen Fassadenzwischenraum auf kalte Oberflächen
Oberflächentemperaturen der Fassade, was Feuchteschutz trifft. Dieses Risiko reduziert sich mit der Qua-
die Behaglichkeit in Fassadennähe steigert, die lität der Wärmedämmung der äußeren Ebene
maximale Heizleistung senkt und somit eine Wärmebrücken stellen in der Regel zugleich und der Durchlüftung des Zwischenraums.
Verringerung der Investitionskosten ermöglicht. feuchtetechnische Schwachstellen dar, da dort Die Anforderungen an den Feuchteschutz der
Zudem verkürzt sich die Betriebsdauer der Hei- auf raumseitigen Oberflächen und ggf. im Inne- Fassade hängen auch wesentlich von der
zungsanlage, wodurch sich Heizenergiever- ren der Fassade ein erhöhtes Kondensatrisiko Gebäudenutzung und der technischen Aus-
brauch und Betriebskosten reduzieren lassen. besteht. Das Gleiche gilt für Fassadendetails, stattung ab. So stellen sich z. B. in Schwimm-
Zur Optimierung des Wärmeschutzes der Fas- bei denen die innere abgewickelte Oberfläche bädern grundsätzlich (in klimatisierten Gebäu-
sade bedarf es einer Gesamtoptimierung von kleiner als die äußere ist, z. B. bei »schlanken« den nur im Winter) höhere Raumluftfeuchten
Rahmen, Verglasung und nicht transparenten Außenecken bzw. bei außen liegenden Profilen, ein, die das Tauwasserrisiko steigern.
Bereichen mittels Maßnahmen zur Reduzierung die als Kühlrippen wirken. Ein in der Planung häufig nicht beachtetes
von Wärmeleitung, Konvektion und langwelli- Das Kondensatrisiko innerhalb von Außenwän- Phänomen ist die Bildung von Tauwasser bzw.
gem Strahlungsaustausch. Dabei kommen den wird bestimmt durch die Dampfdurchläs- Reif auf der äußeren Oberfläche der Fassade.
mehr oder weniger wärmegedämmte Rahmen- sigkeit der einzelnen Komponenten sowie ins- Das Risiko erhöht sich mit der Qualität des
konstruktionen, nicht transparente / transluzente besondere durch die tatsächliche Ausführung Wärmeschutzes der Fassade, insbesondere
Wärmedämmstoffe oder transparente / translu- von Dichtmaßnahmen im Bereich von Fugen bei hoch wärmedämmenden Paneelen und
zente Isolierglasscheiben mit wärmedämmen- und Befestigungsmitteln. dreifach Isolierverglasungen, bei denen sich
der Gasfüllung und / oder Oberflächenbe- Ein wirksamer Tauwasserschutz ist die grundle- die äußere Oberfläche aufgrund des geringen
schichtung zum Einsatz. gende Voraussetzung für die Langlebigkeit der Wärmedurchgangs kaum noch erwärmt – mit
Typische wärmetechnische Schwachstellen Fassade und für ein gesundes Raumklima. Da der Folge, dass das beschlagene Glas nicht
befinden sich in Fugen, am Randverbund von sich Schimmelpilze nach heutigem Wissens- mehr abtrocknet. Dieses Phänomen wird in der
Gläsern und Paneelen sowie im Bereich von stand bereits bilden, wenn noch kein sichtba- Zukunft vermehrt Beachtung finden müssen.
55
Bauphysikalische Planungshinweise
Schallpegel db [A] Lärm- maß- erf. R’W, res des Außenbauteils Schwergasfüllung auszuführen. Wesentlich gerin-
Düsentrieb- pegel- geblicher dB [A] gere Gesamtglasdicken – und damit kosten-
werk (25 m 140
bereich Außen- günstigere Fassadenkonstruktionen – lassen sich
Entfernung) Start von lärmpegel Schlaf- Aufenthalts- Büro-
130 Düsen- dB [A] räume räume ect. räume1)
erreichen, wenn Verbundglas mit Gießharz- bzw.
maschinen PVB-Folien-Laminierung das Einfachglas ersetzt
I ≤ 55 35 30 –
(100 m (Schallschutzklasse 4 eine Scheibe, Klasse 5
120 Entfernung) II 56 – 60 35 30 30
und 6 beide Scheiben). Zweite-Haut-Fassaden
III 61– 65 40 35 30 bewirken gegenüber Außenlärm bei fachgerech-
Pop-Gruppe 110
IV 66 –70 45 40 35 ter Planung und Ausführung (in Abhängigkeit der
Pressluft- V 71–75 50 45 40 Größe von Luftöffnungen in der äußeren Vergla-
100
hammer VI 76 – 80 2)
50 45 sung sowie der Schallabsorption in den Luftöff-
2) 2)
nungen und im Fassadenzwischenraum) eine
Schwerlast- 90 VII > 80 50
verkehr Pegelminderung um 4–8 dB im Vergleich zu
mittlerer
Straßen- 1) einer der Innenfassade gleichwertigen Einfach-
An Außenbauteile von Räumen, bei denen der ein-
80 verkehr fassade.
dringende Außenlärm aufgrund der in den Räumen
ausgeübten Tätigkeit nur einen untergeordneten
70 Beitrag zum Innenraumpegel leistet, werden keine
Anforderungen gestellt. Brand- und Rauchschutz
2)
Unter- Büro Die Anforderungen sind hier aufgrund der örtlichen
60 Gegebenheiten festzulegen.
haltung
A 3.8 Beim Thema Brand- und Rauchschutz in Außen-
50 wänden geht es im Wesentlichen um Maß-
nahmen bzw. Vorkehrungen zur Brandverhütung,
Bilbliothek 40 Wohnraum zur Verhinderung bzw. Verzögerung der Brand-
entwicklung und -ausbreitung sowie zum Abzug
30 von Rauch und Wärme. Die Brand- und Rauch-
schutzeigenschaften der Fassade sind hierbei
Schlaf- A 3.7 Schallpegel verschiedener Verursacher
zimmer 20 A 3.8 Lärmpegelbereiche und einzuhaltendes entscheidend für den vorbeugenden Brand-
Wald Schalldämmmaß R’ schutz und damit für den Schutz von Leben und
A 3.9 Bemessung der Feuerwiderstandsklassen Gesundheit sowie von Sachwerten.
10 nach DIN 4102 Teil 2 Eine Vielzahl von Regeln muss beachtet werden,
Hörgrenze A 3.10 Beispiele für Baustoffe und ihre
Brennbarkeit bzw. Zuordnung bzgl. der die selbst innerhalb Deutschlands länderspezi-
0
Baustoff- / Euroklasse fisch voneinander abweichen können. Daher
A 3.7 kommen bezüglich des Brandschutzes die Lan-
Schallschutz desbauordnungen, Vorschriften der Gewerbeauf-
sichtsämter, der Bauaufsicht, des Technischen
Anforderungen an die Fassade bezüglich der Die schalldämmende Wirkung von Fassaden Überwachungsvereins (TÜV) und die allgemei-
Schalldämmung gegenüber Außenlärm ergeben sowie Trennwand- und Deckenanschlüssen nen DIN- und VDE-Vorschriften zum Tragen.
sich aus dem maßgeblichen Außenlärmpegel lässt sich im Wesentlichen durch die folgenden Darüber hinaus müssen Richtlinien der regiona-
sowie aus dem im Innenraum zulässigen und konstruktiven Maßnahmen steigern: len Feuerwehr, des Instituts für Bautechnik (IfBt)
tatsächlichen Geräuschpegel (Abb. A 3.7). und des Verbandes der Sachversicherer (VdS)
In DIN 4109 sind die wesentlichen Anforderun- • Erhöhung des Gewichts der Komponenten, berücksichtigt werden. Grundvoraussetzungen
gen an den Schallschutz der Fassade geregelt. auch Sand- bzw. Schwergasfüllungen oder des vorbeugenden Brandschutzes sind die Mög-
Wird die Fassade gegenüber Außenlärm im Ver- Bleibeplankungen lichkeit der Brandmeldung ebenso wie die
gleich zu den Raumtrennwänden und Baukör- • Erhöhung der Anzahl hintereinander liegen- Zugänglichkeit der baulichen Anlage für die Feu-
per- bzw. Trennwandanschlüssen schalltech- der, entkoppelter Schalen, z. B. Doppelscha- erwehr. Die grundsätzlichen Anforderungen
nisch überdimensioniert (oder ist der Grund- ligkeit, vorzugsweise mit unterschiedlichen beschreiben Vorschriften, welche im Wesentli-
geräuschpegel im Innenraum geringer als ange- Materialstärken chen Maßnahmen bzw. Vorkehrungen regeln:
nommen), kann sich die subjektive Störwirkung • Erhöhung der Elastizität der Komponenten,
interner Geräusche – insbesondere hohe Fre- z. B. durch Laminierung mehrerer dünner • zur Brandverhütung
quenzen – aus benachbarten Räumen als pro- Bleche oder Glasscheiben und ihrer Verbin- • zur Verhinderung bzw. Verzögerung der Brand-
blematisch erweisen. Die Schalldämmung zwi- dungen bzw. Einspannungen mit einer ent- entwicklung
schen benachbarten Räumen resultiert nicht nur sprechenden schalltechnischen Entkopplung • zur Verhinderung bzw. Verzögerung der
aus der Schalldämmung der Trenndecken und durch weiche Dichtungen etc. Brandausbreitung
-wände, sondern auch aus deren Anschlüssen • Erhöhung der Asymmetrie des Aufbaus • zur Vorkehrung für Brandmeldung und
an die Fassade. Zusätzlich gibt es eine Schall- bezüglich des Gewichtes hintereinander -warnung
längsleitung über die Außenwand selbst. Dieser liegender Schichten • zum Abzug von Rauch und Wärme
Effekt ist bei Pfosten-Riegel-Fassaden deutlich • Erhöhung des Abstandes Luftschicht • für die Brandbekämpfung
stärker ausgeprägt als bei Elementfassaden, begrenzender Oberflächen • zur Rettung bzw. zur Sicherheit von Nutzern
wenn dort die Fugen zwischen den Elementen • Erhöhung des Absorptionsgrades Luftschicht und Feuerwehr
im Bereich der Decken- und Trennwandan- begrenzender Oberflächen, z. B. durch porö-
schlüsse liegen. Fassaden werden gemäß ihrer se Materialien bzw. durch Labyrinthbildung Die in DIN 4102 sowie in der Musterbauordnung
nach DIN 52 210 bewerteten Schalldämmmaße und den Länderbauordnungen festgelegten Vor-
in die Schallschutzklassen 1 bis 6 nach VDI Wenn eine Fassade die Anforderungen der schriften bezüglich des vorbeugenden Brand-
Richtlinie 2719 eingestuft. Im Planungs- und Schallschutzklassen 4 bis 6 nach VDI-Richtlinie schutzes müssen eingehalten werden.
Ausführungsprozess müssen die geforderten 2719 erreichen soll, sind z. B. Isoliergläser mit Unabhängig davon regeln bauordnungsrechtli-
schalltechnischen Eigenschaften der Fassade sehr großen Glasdicken (insbesondere außen) che Vorschriften die Anforderungen an Entrau-
langfristig sichergestellt werden (Abb. A 3.8). und Scheibenzwischenräumen sowie mit einer chungsöffnungen von Gebäuden.
56
Bauphysikalische Planungshinweise
Klassifizierung / Beanspruchungsklassen Feuer- Baustoffklasse nach DIN 4102 Teil 1 der in den Kurz- bauaufsichtliche Benennung1)
Brandschutzverglasungen sind lichtdurchlässi- widerstands- geprüften Bauteilen verwendeten Baustoffe bezeich-
ge Bauteile, die aus einem Rahmen, einem klasse nung1)
oder mehreren lichtdurchlässigen Elementen, wesentliche übrige Bestandteile
Halterungen, Dichtungen sowie Befestigungs- Teile1) die nicht unter den Begriff
der Spalte 2 fallen
material bestehen. Sie widerstehen dem Feuer
F 30 B B F 30-B fh = feuerhemmend
nach Klassifizierung 30, 60, 90 oder sogar
120 Minuten. A B F 30-AB fh und in den wesentlichen Teilen aus
nicht brennbaren Baustoffen
DIN 4102 Teil 13 unterteilt sie in F- und G-Ver-
glasungen (Abb. 3.9). Beide Typen von Brand- A A F 30-A fh und aus nicht brennbaren Baustoffen
schutzverglasungen sind lichtdurchlässige F 60 B B F 60-B –
Bauteile in senkrechter, geneigter oder waag- F 90 B B F 90-B –
rechter Anordnung, die entsprechend ihrer A B F 90-AB fb = feuerbeständig
Feuerwiderstandsdauer die Ausbreitung von
A A F 90-A fb und aus nicht brennbaren Baustoffen
Feuer und Rauch verhindern. 1)
Erläuterungen hierzu siehe DIN 4102 Teil 2
Im Gegensatz zu G-Verglasungen verhindern
A 3.9
F-Verglasungen auch den Durchtritt von Hoch-
temperatur-Wärmestrahlung. F-Verglasungen
Baustoff Baustoffklasse nach DIN 4102-1 Euroklasse
werden unter Feuereinwirkung undurchsichtig
und bilden einen Hitzeschild. Sie verhalten sich nicht brennbarer Baustoff (z. B. Stahlgitterträger) A1 A1
brandschutztechnisch wie Wände. Infolgedes-
nicht brennbarer Baustoff mit brennbaren Bestandteilen A2 A2
sen eignen sich F-Verglasungen nach (z. B. Gipsfaserplatte als Innenbeplankung in der Holzbauweise)
Maßangabe der bauaufsichtlichen Zulassun-
gen uneingeschränkt als raumabschließende schwer entflammbarer Baustoff (z. B. Eichenparkett auf Estrich) B1 B
Wände (oder als Teilflächen in diesen). geringer Beitrag zum Brand C
Brandschutzverglasungen der Feuerwider-
standsklasse G (G-Verglasungen) dagegen normal entflammbarer Baustoff (z. B. Unterzug aus Brettschichtholz) B2 D
bleiben im Brandfall durchsichtig. Sie reduzie- hinnehmbares Brandverhalten E
ren die Temperatur der nach außen durchtre-
1)
tenden Wärmestrahlung und stellen brand- leicht entflammbarer Baustoff (z. B. unbehandelte Kokosfasermatte) B3 F
schutztechnische Sonderbauteile dar. G-Ver- 1)
im Bauwesen nicht zugelassen
glasungen dürfen nur an Stellen eingebaut wer- A 3.10
den, wo aus brandschutztechnischen Gründen
keine Bedenken bestehen, z. B. als Lichtöff- müssen. Brüstungsbleche werden in diesem wird. Der im Falle eines Brandes auftretende
nungen in Flurwänden, die als Rettungswege Fall zusätzlich mechanisch befestigt. Eine Rauch und giftige Gase breiten sich bei rauch-
dienen. Die Unterkante des Glases muss min- Reihe von Fassaden in dieser Ausführung – durchlässigen Anschlüssen in kürzester Zeit
destens 1,80 m hoch über dem Fußboden auch ohne dahinter liegendes Mauerwerk oder über große Gebäudehöhen aus und verursa-
angeordnet sein, damit im Brandfall der Flur im Betonbrüstungen – wurde in den vergangenen chen Risiken für die Bewohner auch dort, wo
Strahlungsschatten Schutz bietet. Jahren genehmigt und ausgeführt. dies aufgrund des Feuerereignisses an sich
Über andere Verwendungsmöglichkeiten von Gleiches gilt für den Inneneckbereich von vermeidbar wäre.
G-Verglasungen entscheidet in jedem Einzelfall mehrgeschossigen Büro- und Verwaltungsge-
die zuständige örtliche Bauaufsichtsbehörde, bäuden. Die Ausstattung derartiger Details mit Konstruktive Maßnahmen
z. B. unter Berücksichtigung der Wärmestrah- Brandschutzglas erfüllt die Funktion einer ver- Entrauchungsöffnungen werden im Brandfall
lung und der Gefahr der Durchzündung, wenn längerten Brandwand und dient somit zum entweder automatisch aktiviert oder von den
brennbare Materialien im Strahlungsbereich Schutz vor einem horizontalen Feuerüber- Rettungskräften manuell betätigt. Neben typi-
lagern oder eingebaut bzw. angebracht sind. schlag auf die Fassade des brandschutztech- schen Rauch-/ Wärmeabzugsanlagen (RWA),
G-Verglasungen müssen als Raumabschluss nisch abgetrennten Gebäudeteils. Erfolgt ein deren Größe sich nach DIN 18 230 in Abhän-
wirksam bleiben. Auf der feuerabgekehrten niedriger Anbau an ein mehrgeschossiges gigkeit von der Risikogruppe definiert, lassen
Seite dürfen keine Flammen auftreten. Gebäude, so ist die Trennwand zwischen den sich die erforderlichen Querschnitte im Einzel-
beiden Gebäudeteilen bis unter das Dach des fall nach Rücksprache mit Brandschutzexper-
Wann in der Fassade welche Feuerwider- höheren Gebäudes als Brandwand auszu- ten auch durch Öffnungen in der Fassade reali-
standsklasse einzusetzen ist, entscheiden im führen. sieren (Dreh- oder Klappflügel). Voraussetzung
Einzelfall -in der Regel die zuständigen Baube- Ebenso stellen notwendige Treppenhäuser, die hierfür sind unmittelbar ins Freie führende Luft-
hörden unter Berücksichtigung des Gebäude- im Brandfall als Flucht- und Rettungswege öffnungen.
typs, der Geschosshöhe, der Art und des benutzt werden, Anwendungsbereiche für den Die Wirksamkeit des Rauchabzugs hängt
Umfangs der Brandlasten sowie im Einklang Brandschutz mit Glas an der Fassade dar. wesentlich von einer richtige Dimensionierung
mit den übrigen Maßnahmen des objektspezifi- Wenn weder durch Brüstungen und Stürze, der Anlage sowie ausreichender Bemessung
schen Brandschutzkonzeptes (Abb. A 3.10). noch durch Auskragungen die Anforderungen der Zuluft ab. Bei der Festlegung des Rauch-
In der Musterbauordnung wird für Hochhäuser an den Feuerüberschlagsweg erfüllt werden abzugquerschnitts durch die Genehmigungs-
(OK FFB letztes OG > 22 m) die Einhaltung können, muss die zuständige Brandschutzbe- behörde wird zwischen aerodynamisch wirksa-
eines Feuerüberschlagsweg von einem hörde klären, inwieweit die jeweiligen Anforde- mem Rauchabzug und geometrisch berechne-
Geschoss zum darüber liegenden vorgeschrie- rungen mit Hilfe einer Sprinkleranlage erfüllbar ter Öffnungsfläche unterschieden. Es ist hier
ben. Dies ist durch Abschottungen aus nicht sind. auf die richtige Öffnungsart der Flügel zu ach-
brennbarem Material F 90 (bzw. W 90) zu reali- Aus Brandschutzgründen ist darüber hinaus ten (z. B. für Flügel in der Senkrechtfassade
sieren, die sich entweder 1 m in vertikale Rich- darauf zu achten, dass der Übergang der oben auswärts ca. 60 °), gleichzeitig muss ein
tung oder 1,5 m in horizontale Richtung (z. B. Fassade an den Rohbau durch geeignete entsprechender Zuluftquerschnitt zur Verfü-
durch feuerfeste Auskragungen) erstrecken Anschlüsse zuverlässig rauchdicht ausgeführt gung gestellt werden (Faktor 1,5 x Abluftquer-
57
Bauphysikalische Planungshinweise
schnitt; bei gleichzeitiger Öffnung – z. B. auto- sichtbare Anteil für die Raumausleuchtung lenneigungswinkel über die Höhe unterschied-
matisch – Faktor 1). Türöffnungen dürfen nutzbar ist. Da insbesondere der Infrarotanteil lich einstellbar ist. Die oberen Lamellen werden
berücksichtigt werden. Eine Entrauchung über die Wärmebelastung des Raumes verursacht, weniger stark als die unteren geneigt. So
die Senkrechtfassade ist derzeit in der Norm sind Systeme mit speziell beschichteten Glä- lassen sich gleichzeitig eine Sonnenschutz-
noch nicht vorgesehen, sodass hierfür kein sern anzustreben, die eine Selektivität, d. h. und Lichtlenkwirkung erzielen. Der Reflexions-
Regelwerk existiert; es ist eine »Zustimmung bevorzugte Transmission im sichtbaren Bereich grad der Lamellenober- und -unterseiten kann
im Einzelfall« zu erwirken. der Solarstrahlung aufweisen. den unterschiedlichen Anforderungen entspre-
chend optimiert werden. Durch helle Ober-
Brand- und rauchschutztechnische Schwachstellen in Eine Sonderform von Gläsern zur verbesserten flächen lassen sich die Lichtlenkeigenschaften
Fassaden Tageslichtnutzung ist Isolierglas mit tageslicht- verbessern, während dunkle Farben Blen-
Neben den typischen Wärmebrücken innerhalb lenkenden Komponenten im Scheibenzwi- dungserscheinungen im Innenraum reduzieren.
der Fassade (wie beispielsweise Luftundichtig- schenraum. Zwei- und dreidimensionale Mittlerweile gibt es im Handel auch Lamellen,
keiten zwischen Blend- und Flügelrahmen bzw. Spiegelraster sowie Aluwaben bestehen aus deren Farbe bzw. Reflexionsgrad an den
an Baukörperanschlüssen sowie Randeinspan- speziell geformten und z. T. hochglänzend Lamellenober- und -unterseiten unterschiedlich
nungen von Füllelementen und deren Randver- beschichteten Metall- oder Kunststoffstruktu- ist.
bund) beinhalten auch beim Brandschutz alle ren. Sie stellen sozusagen eine Miniaturisierung
Inhomogenitäten innerhalb der Fassade beson- von starren Sonnenschutzsystemen dar. Großlamellen
dere Risiken. Als zusätzliche Schwachstellen Zur verbesserten Ausleuchtung von Räumen Bewegliche Großlamellen werden erheblich
bezüglich des Brandüberschlages erweisen können Prismensysteme zur Lichtlenkung stabiler als Folien-, Gewebe- und Raffstores
sich bei vorgehängten Fassaden schmale, eingesetzt werden. Hierbei wird vornehmlich ausgeführt und sind damit in der Regel wind-
ungeteilte Pfosten bzw. Riegel im Bereich von Licht aus dem zenitnahen Bereich in den Raum fest. Bewegliche Großlamellen lassen sich aus
Trennwänden / Decken sowie deren Anschlüsse umgelenkt. Allerdings verhindern Prismensys- nicht transparenten Materialien (z. B. Alumini-
an den Baukörper / die Trennwand. Bewegun- teme den Blickkontakt zur Außenwelt, weshalb um-Strangpressprofile) bzw. aus teiltransparen-
gen und Verformungen der Fassade, die im die Installation auf den oberhalb der Blick- ten Materialien (verspiegelte bzw. bedruckte
Brandfall aufgrund hoher Temperaturen richtung liegenden Bereich von Öffnungen Gläser, Lochbleche) herstellen. Die Lamellen
erheblich größer als normalerweise ausfallen, beschränkt werden sollte. können horizontal oder vertikal ausgerichtet
müssen an den Verbindungen und Fugen und verschiebbar bzw. drehbar ausgeführt
zwischen Fassade und Baukörper / Innentrenn- Bewegliche Tageslichtsysteme werden. Sie werden an der Außenseite des
wand konstruktiv kompensiert werden. Eine erheblich einfachere und deutlich weiter Gebäudes parallel zur Fassade bzw. auskra-
Zu den speziellen Verbesserungsmaßnahmen verbreitete Form aktiver Maßnahmen sind gend angeordnet und bestimmen damit das
der Brandschutzeigenschaften gehören: bewegliche Tageslichtsysteme. Diese weisen Erscheinungsbild des Gebäudes maßgeblich.
gegenüber starren Maßnahmen den Vorteil auf,
• unter Hitzeeinwirkung aufschäumende Mate- dass sie in Lage und Zustand veränderbar Seit Anfang der 1990er-Jahre sorgen vollauto-
rialien, die abdichten, den Feuerwiderstand sind. Lichteinfall und Durchsicht werden bei matische, mit Sensoren ausgestattete Mikro-
oder die mechanische Sicherung verbessern vollständig bedecktem Himmel deshalb nicht prozessorsteuerungsanlagen dafür, dass die
• unter Hitzeeinwirkung verdampfende Materi- beeinträchtigt. Lamellen immer die in Abhängigkeit von Son-
alien, die die auftretende Hitzeeinwirkung Der Wunsch nach visuellem Kontakt zur nenstand und Himmelszustand optimale Positi-
kompensieren Außenwelt auch bei betätigtem Sonnenschutz on einnehmen. Zu lichtarmen Zeiten, z. B. bei
sowie der Anspruch an möglichst hohe Trans- vollständig bedecktem Himmel, können die
Fassaden mit besonderen Risiken parenz in der Fassade führten zur Entwicklung Lamellen in eine Stellung gebracht werden, in
Bei Zweite-Haut-Fassaden an mehrgeschossi- perforierter Raffstores. Die Umgebung ist durch der die Außenkanten nach oben weisen. Sie
gen Gebäuden übernehmen Brandschutzver- diese Stores hindurch wahrnehmbar. Der Loch- dienen dann als Lichtlenkelemente, welche ver-
glasungen vornehmlich die Schutzfunktion vor anteil der Perforation der im Handel befindli- stärkt Tageslicht in den Innenraum fördern und
Feuerüberschlag auf die nächsthöhere Etage. chen Produkte beträgt etwa 9 %. Die Größe dort eine bessere, weil gleichmäßigere Raum-
Vertikale Feuerüberschlagswege sind dabei mit jedes einzelnen Loches hängt von der Blech- ausleuchtung bewirken.
F 30-Verglasungen auszustatten. Die beim stärke und somit von den Lamellenabmessun- Durch die meisten Glaslamellen sowie durch
Hochhaus geforderte Feuerwiderstandsklasse gen ab. Bekannt sind Stores mit Lochdurch- aktive Sonnenschutzgläser können erhöhte
der Brüstung von W 90 ist in die innere Ebene messern von 0,6 und 1,1 mm. Anforderungen an den Blendschutz nicht erfüllt
von Doppelfassaden integrierbar. Spezieller Der Strahlungstransmissionsgrad beträgt für werden. Der nahezu einfallswinkelunabhängige
Prüfung bedürfen insbesondere Konzepte, bei die Einzellamelle bei senkrechtem Strahlungs- Transmissionscharakter der Gläser mindert die
denen die Belüftung des Fassadenzwischen- einfall 8 %. Da die Lamelle durch die Perforati- Leuchtdichte der direkten Sonnenstrahlung im
raumes über mehrgeschossig geführte on nicht lichtdicht ist, findet zusätzlich zu der Allgemeinen nur unzureichend. Bei aktiven
schachtartige Hohlräume erfolgt und hierbei, Transmission von zwischen den Lamellen hin- Sonnenschutzgläsern ist darüber hinaus die
aufgrund brandbedingter Druckverhältnisse, durchtretender reflektierter Strahlung immer Variabilität des Transmissionsgrades für die
eine Verrauchung benachbarter Geschosse bei auch direkte Transmission statt. Im Mittel ergibt Anforderungen Blendschutz und Tageslichtnut-
geöffneten Fenstern nicht auszuschließen ist. sich unter Berücksichtigung einer Umgebungs- zung noch nicht groß genug. Es gilt hier das für
reflexion von 20 % eine Anhebung der Strah- perforierte Lamellen Gesagte.
lungstransmission durch die Perforation von
Tageslichtnutzung 4 auf gut 6 %. D. h. es muss durch den Einsatz
einer Perforation gegenüber einem nach Kon- Sonnen- und Blendschutz
Das Tageslichtangebot lässt sich mit intelligen- struktion und Oberflächenbeschaffenheit ver-
ten Tageslichtsystemen gezielt ausnutzen. gleichbaren geschlossenen Lamellensystem Die Wirkungsintensität von Solarstrahlung auf
Neben der gezielten »Dosierung« der in den mit einer um den Faktor 1,6 erhöhten Strah- Gebäudeöffnungen weist aufgrund des wech-
Raum transmittierten Sonneneinstrahlung durch lungstransmission und damit mit einer entspre- selnden Solarstrahlungsangebotes im Freien
geeignete Sonnenschutzsysteme basiert eine chend erhöhten Kühllast gerechnet werden. und aufgrund geometrischer Einflussgrößen im
zweite Strategie auf der Tatsache, dass vom Seit einigen Jahren werden auch Raffstores Bereich der Gebäudeöffnungen einen mehr
Gesamtspektrum der Sonnenstrahlung nur der (Jalousien) angeboten, bei denen der Lamel- oder weniger instationären Charakter auf. Rele-
58
Bauphysikalische Planungshinweise
59
Teil B Gebaute Beispiele im Detail
1 Materialspezifische Konstruktionen
1.1 Naturstein
1.2 Tonstein
1.3 Beton
1.4 Holz
1.5 Metall
1.6 Glas
1.7 Kunststoff
2 Sonderthemen
61
Naturstein
• Erstarrungsgesteine (Magmatite)
• Ablagerungsgesteine (Sedimentite)
• Umwandlungsgesteine (Metamorphite)
Werksteine
Um Natursteine im Bauwesen einsetzen zu
können, müssen sie bearbeitet und z. B. durch B 1.1.3
Spalten, Sägen oder Fräsen in eine bestimmte
Form gebracht werden. Man spricht dann auch
von Naturwerkstein.
Je nach Druckfestigkeit wird ein Stein als hart
oder weich eingestuft (Hartgesteine: z. B.
Granit, Diorit / Weichgesteine: z. B. Kalkstein,
Tuff). Naturwerksteine, die als Mauersteine
dienen sollen, müssen bestimmte physika-
lische Voraussetzungen wie Mindestdruck-
und Biegefestigkeit, Frostbeständigkeit etc.
erfüllen [1].
Abb. B 1.1.11 zeigt die wichtigsten Material-
kennwerte von Naturwerksteinen wie Rohdich-
te, Wärmeleitfähigkeit, Druck- und Biegezug- B 1.1.4
festigkeit. Künstlich hergestellter Stein wird als
»Kunststein« bezeichnet (z. B. Ziegel, Beton),
der produktionsbedingt aus modularen, vor-
gefertigten Elementen besteht.
63
Naturstein
Natursteine
Solnhof. Plattenk.
Vulkanischer Tuff
Glimmerschiefer
Orto-Paragneis
Chioritschiefer
Konglomerat
Muschelkalk
Lavagestein
Tonschiefer
Grauwacke
Sandstein
Serpentin
Kalkstein
Travertin
Migmatit
Granulit
Gabbro
Marmor
Dolomit
Brakzie
Kalktuff
Quarzit
Diabas
Trachit
Rhyolit
Basalt
Granit
Syenit
Dionit
Phylit
Onyx
B 1.1.7
B 1.1.6 »Palazzo dei Diamanti«, Ferrara (I) ab 1493,
Biagio Rossetti B 1.1.9 Deutscher Pavillon, Barcelona (E) 1929 / 1986
B 1.1.7 Gesteinsarten und Familien Ludwig Mies van der Rohe
B 1.1.8 Dom »S. Maria del Fiore«, Florenz (I) 1296 (–1887), B 1.1.10 Anwendung verschiedener Natursteine im
Arnolfo di Cambio, Filippo Brunelleschi u. a. Außenbereich [3]
B 1.1.6
vorgefundenen Räumen wie Höhlen o. ä. aus fertigung von Werksteinen in großer Stückzahl Fassaden, die sich nicht nur formal, sondern
aufgeschichtetem Steinmaterial dar. Obwohl möglich macht. Bauzeitverkürzungen lassen auch im Material deutlich von der tragenden
diese Urformen von steinernen Außenwänden sich darüber hinaus durch die Erfindung der Wand absetzen (Abb. B 1.1.8).
hauptsächlich dazu dienen, dauerhafte Orte Skelett- und Horizontalbauweise mit durchge- In einer besonderen technischen Variante
und Sicherheit zu schaffen, gibt es in späteren henden Lagerfugen erwirken. Diese in der wird die äußere Schicht aus dünn geschnitte-
Kulturen durchaus Beispiele derartiger Stein- Romanik entwickelten Bearbeitungsmethoden nen und bearbeiteten Steinplatten in Mörtel
fassaden, die mit höchster Präzision und werden weiter verfeinert bis zur maximalen auf den tragenden Außenmauern verlegt,
ästhetischem Anspruch aus dem Stein ge- Auflösung bei gotischen Fassaden ab dem die »Inkrustation«. Vor allem in der Toskana
schnitten sind. 13. Jh. [2]. und in Umbrien entstehen in kunsthandwerk-
licher Höchstleistung solche Inkrustations-
Um 5000 v. Chr. beginnt der Abbau von Mit Beginn der Renaissance wächst der fassaden aus Platten unterschiedlicher
Naturstein für bauliche Zwecke. Die präzise Wunsch nach Ausdruck weltlicher Macht in Gesteine.
Verarbeitung zu Werksteinen wird jedoch erst der Architektur. Damit erlangt das Erschei-
mit der Verfügbarkeit von Bronze (ca. 2500 nungsbild großer Profanbauten wie Palästen Bis zum Zeitpunkt der Entwicklung von Fens-
v. Chr.) und den entsprechend harten Werk- eine immer bedeutendere Rolle, wie dies z. B. tern mit transparenten Glasscheiben, dienen
zeugen möglich. in herausragender Weise der »Palazzo dei dünn geschliffene Steinplatten als lichtdurch-
Diamanti« in Ferrara von Biagio Rossetti zeigt lässiger Wind- und Wetterschutz. Ein moder-
Während der Blütezeit der griechischen Bau- (Abb. B 1.1.6). nes Beispiel für die Nutzung der transluzenten
kultur verfeinern sich die Technologien von In vielen Fällen wird die Fassade erstmals Eigenschaften von Naturstein stellt die Kirche
Steinschliff und Einschneiden des harten völlig vom Baukörper abgelöst und zum St. Pius in Meggen von Franz Füeg (1966) dar
Steins, die von den Ägyptern, z. B. zur Herstel- selbstständigen Architekturelement in der (S. 72f.).
lung von Hieroglyphen und versenkten Reliefs, Gesamtgröße des Bauwerks. Vor allem in Einzelne Architekten entwickeln projektbe-
mit hoher Präzision praktiziert werden. Die Italien entstehen unter enormem Aufwand zogen neuartige und außergewöhnliche Ein-
Auseinandersetzung mit Entasis und Kurvatur
der Sockelzonen zeugt zudem vom Bestreben
nach optischer Modulation der Fassade in
höchster Perfektion.
Die Römer entwickeln die Technik des Stein-
schnitts weiter, und es kommt erstmals zur
Niederschrift der praktischen Erkenntnisse
über Natursteine durch Vitruv in »De architec-
tura libri decem« (Zehn Bücher über Architek-
tur). Vor rund 2000 Jahren werden damit auf
dem europäischen Kontinent in den Grenzen
des römischen Imperiums technische Regeln
allgemein gültig.
Durch die systematische Trennung tragender
Elemente von der Bekleidung entstehen
sowohl für die Konzeption einer Konstruktion
als auch für die Organisation einer Baustelle
klare Prinzipien.
64
Naturstein
Massivbau
Bodenbelag
Treppen-
stufen
Fassaden-
bekleidung
Bildhauer-
arbeiten
Roh- Wärme- Druck- Biege-
dichte leitfähig- festig- zug-
keit keit fähig-
keit
[kg/m2] [W/mk] [N/mm2] [N/mm2]
Basalt ° ° ° - Basalt 2700 – 3000 1,2 – 3,0 250 – 400 15 – 25
Granit • • • • • Granit 2500 – 2700 1,6 – 3,4 130 – 270 5 – 18
Marmor - ° ° ° ° Marmor 2600 – 2900 2,0 – 2,6 80 – 240 3 – 19
Schiefer ° Schiefer 200 – 2600 1,2 – 2,1 50 – 80
Sandstein ° - Sandstein 2000–2700 1,2 – 3,4 30 – 200 3 – 20
Kalkstein • - - ° - Kalkstein 2600 – 2900 2,0 – 3,4 75 – 240 3 – 19
• gute Eignung B 1.1.10 B 1.1.11
° beschränkte Eignung
- geringe Eignung
B 1.1.12 Thermalbad, Vals (CH) 1995, Peter Zumthor
B 1.1.11 Materialspezifische Eigenschaften von B 1.1.13 Wohnhaus »Falling Water«, Mill Run (USA)
Naturwerksteinen [4] 1937, Frank Lloyd Wright
B 1.1.9
satzmöglichkeiten von Naturstein. Beim Aalto (1975) zeigt sich, welches ästhetische Zumthor die gleiche Bautechnik (Vormauer-
Weingut in Yountville / Kalifornien von Herzog Potenzial diese technische Lösung in sich schale) – nun jedoch mit geschnittenem
& de Meuron werden sonst im Landschafts- birgt [5]. Steinmaterial –, zur Gestaltung der Fassade
bau verwendete Steinkörbe aus Drahtgewe- Das seit Jahrhunderten bekannte Konstrukti- des Thermalbads in Vals.
be als Fassadenmaterial eingesetzt, was onsprinzip der Vormauerschale gelangt heute Die Moderne greift im 20. Jh. das Thema der
zeigt, welch spannungsvolle Effekte das ein- bei Architekten zunehmend ins Bewusstsein. abgesetzten äußeren Schicht wieder auf,
dringende Licht dabei im Innenraum erzeu- Gegenüber der »dünnen«, vorgehängten nunmehr in Form vorgehängter, hinterlüfteter
gen kann. Die Fassade besitzt eine Tempe- Steinfassade besitzt sie deutliche Vorteile Fassaden, die in der Regel mit Trag- und
ratur regulierende Wirkung als Folge der hinsichtlich der mechanischen Widerstands- Halteankern aus Metall zur Aufnahme der Ver-
großen Gesteinsmassen, und aufgrund ihrer fähigkeit gegen Horizontalkräfte. tikal- und Horizontalkräfte befestigt werden.
groben Struktur eine hohe »Durchlässigkeit« Um das Bild einer durch starke horizontale Der technische Ansatz, in dem nach Funktio-
(ein Hort für Reptilien), die gegebenenfalls Schichtung geprägten Fassade aus Stein nen getrennte Schichten eines Mauerwerks
durch zusätzliche konstruktive Maßnahmen zu schaffen, stellt die Vormauerung die ein- differenziert behandelt werden, tritt auch
ausgeglichen werden kann (siehe hierzu das fachste konstruktive Lösung dar. heute wieder bei Fassaden in Erscheinung,
Beispiel Mortensrud Kirche von Jensen & bei denen Naturstein losgelöst von der tragen-
Skodvin, S. 75). Ein herausragendes Beispiel einer Vormauer- den Wand als reines Bekleidungsmaterial
schale aus Naturstein ist das Haus Kaufmann dient.
(»Falling Water«) von Frank Lloyd Wright. Die Die wirtschaftlichen und bauphysikalischen
Natursteingewinnung raue, geschichtete Struktur der Außenwand Vorteile derartiger Konstruktionen haben dazu
erscheint analog zum geschichteten Aufbau geführt, dass gerade bei Natursteinfassaden
Für den Abbau von Rohblöcken im Stein- des Bachbetts, über dem sich das Gebäude in der heutigen Zeit fast ausschließlich diese
bruch (Abb. B 1.1.14) kommen je nach Art, gründet. Konstruktionen angewendet werden (siehe
Schichtung und Häufigkeit des Gesteins ver- Gut sechs Jahrzehnte später wählt Peter S. 33).
schiedene Methoden zum Einsatz (Abb.
B 1.1.15 und 16). Allen gemeinsam ist das
Ziel, möglichst große fehlerfreie Blöcke ohne
Materialverlust zu gewinnen. Für die Herstel-
lung von Werksteinen werden die grob bear-
beiteten Rohblöcke durch Sägen oder Gat-
tern in die gewünschte Form gebracht.
Computergesteuerte Trenntechnologien bie-
ten heute die Möglichkeit, nahezu beliebige –
auch runde – Formen anzufertigen.
Konstruktiver Aufbau
65
Naturstein
• Natursteinplatten
• Hinterlüftungszone
• Wärmedämmschicht (soweit die Außenwand
nicht selbst den erforderlichen Wärmeschutz
erbringt
• Befestigung und Verankerung der Beklei-
dungsplatten auf unterschiedlichen
B 1.1.17
Untergründen
Verankerung g
a b h
66
Naturstein
Kerze im
mm 2–3 2–5 3–7 5–10 8–15 12–30 dunklen Raum
• Ankerdorn
• Schraubanker
• Profilstege b
• sonstige (z. B. Kleber)
Fugen aa
b
67
Naturstein
B 1.1.27 Hotel, Berlin (D) 1996, Josef Paul Kleihues B 1.1.28 Bürohaus, Berlin (D) 1996, Jürgen Sawade
Die Fassade des Hotels »Four Seasons« besteht Diese glänzende Fassade besteht aus polier-
aus vorgefertigten geschosshohen Paneelen, tem, schwarzem, glänzendem, afrikanischem
die an den Geschossdecken aufgehängt sind. Granit. Die Fensterelemente sind flächen-
Ein Paneel setzt sich aus geschliffenen, bündig in der Ebene der Steine eingesetzt.
römischen Travertinplatten von 30 mm Dicke Das Grundraster beträgt 1,2 x 1,2 m, die
zusammen, die geschuppt angeordnet und mit Dicke der Platten 30 mm. Durch den Einsatz
Edelstahlstiften befestigt sind. Die Aluminium- eines temporären Fassadenaufzugs kommt
Rahmenkonstruktion trägt neben der hinter- die Montage der Fassade ohne Einrüstung
lüfteten wärmegedämmten Natursteinbekleidung des Rohbaus aus. Dadurch verkürzt sich die
auch die thermisch getrennten Fensterprofile. Bauzeit erheblich.
B 1.1.27
B 1.1.28
68
Naturstein
B 1.1.29 Bürohaus, Berlin (D) 1997, Klaus Theo Brenner B 1.1.30 Wohn- und Geschäftshaus, Berlin (D) 1996,
Josef Paul Kleihues
Die streng strukturierte Steinfassade besteht
aus grünem Dolomit mit auffälligen Befesti- Fassadenkonstruktion als traditionelle Loch-
gungselemente aus Edelstahl, die ein Heraus- fassade. Die mittig im Wandaufbau positionier-
kippen der stehenden Steinplatten aus der ten Aluminiumfenster und die auskragenden
Fassade verhindern. »Steinrahmen« der Fenster verstärken die
Der von Tages- und Jahreszeit abhängige Wirkung der Öffnungen.
Schattenwurf der Edelstahlelemente verleiht Die Rahmen bestehen aus geschliffenem,
dem Haus einen individuellen Charakter. grünem Serpentino, die Wand- und Brüstungs-
elemente aus geschliffenem, offenporigem,
gelbem Travertin.
B 1.1.29
B 1.1.30
69
Naturstein
70
Naturstein
Anmerkungen:
B 1.1.42 B 1.1.43
schwarz
dunkelgrau
hellgrau
weiß
creme
gelb
rötlich
rot
braun
oliv
dunkelgrün
graugrün
hellgrün
hellblau
Basalt • ° - ° ° -
Granit - ° ° • • - - -
Marmor - ° • • - - °
Schiefer • - ° - ° • ° -
Sandstein - - - • • • • • ° ° ° -
Kalkstein ° ° ° - • ° • • • -
- einzelne Sorten B 1.1.39 B 1.1.44 B 1.1.45
° wenige Sorten
• viele Sorten
gesägt
geschurt
gefräst
geschliffen
gesandelt
abgerieben
beflammt
poliert
Basalt • • • • • •
Granit • • • • • •
Marmor • • • • •
Schiefer • • •
Sandstein • • • • •
Kalkstein • • • • • •
B 1.1.40 B 1.1.46 B 1.1.47
spaltrau
bossiert
gespritzt
gestockt
gebeilt
gekrönelt
geflächt
gezahnt
scharriet
aufgeschlagen
abgerieben
Basalt • • • •
Granit • • • •
Marmor • • • • • • • • • •
Schiefer •
Sandstein • • • • • • • • • •
Kalkstein • • • • • • • • • •
B 1.1.41 B 1.1.48 B 1.1.49
71
Naturstein
Architekt:
Franz Füeg, Solothurn
mit Peter Rudolph und Gerard Staub
º A+U 11/2003
Bauen + Wohnen 5/1966 und 12/1966 17
Casabella 677, 2000
Detail 03/1967 18
Stock, Wolfgang Jean (Hrsg.): Europäischer
Kirchenbau 1950 –2000. München 2002
16
20 7
aa cc
4 4
72
Naturstein
6
17 18
12
1 13
19
14
2 5
7
15
16 4
17
12 13
17
8
4 3 5
c c
8 9
10
11
bb
73
Naturstein
Wohnhaus
Sarzeau, F 1999
Architekt:
Eric Gouesnard, Nantes
1
Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:200
Vertikalschnitt • Horizontalschnitt
Maßstab 1:20
1 Schieferplatten 20 mm
Unterkonstruktion Z-Stahlprofil 3
Zementputz 20 mm
Mauerwerk 200 mm
Wärmedämmung geschlossenporig
Dampfbremse b b
Verbundplatte 100 mm aus 3
Gipskarton
2 Regenrinne Aluminiumblech,
verdeckt
3 Fallrohr 1
bb aa
74
Naturstein
Mortensrud Kirche
Oslo, N 2002
Architekten:
Jensen & Skodvin, Oslo
7 6 5
8
14
13 12
9
11
10
bb
75
Naturstein
Architekt:
Josef Paul Kleihues, Berlin / Dülmen
mit Mirko Baum (Projektleiter)
º Arkitektur 08/1989
Baumeister 06/1989
Casabella 481, 1982
Feldmeyer, Gerhard: The New German
Architecture. New York 1993
Grundriss • Schnitt
• vorgehängte, hinterlüftete Natursteinfassade Maßstab 1:1000
4
in Material- und Farbentsprechung zur Kirche 1 Vertikalschnitt Maßstab 1:5
• sichtbare, als technisch begründetes Orna-
ment wirkende Befestigung 1 Sandstein rot
ohne Maserung
und Sandstein gelbgrün
2 aus Würzburger Gegend
2 Abstandshalter mit
5 Spezialschraube,
außen sichtbar
3 Traganker, außen nicht
sichtbar
4 Konsole für sichtbare
Verschraubung der
6
Abstandshalterung
5 Montageschiene mit
Standardlochung
6 Wandanker
7 Stahlbeton
7
aa
b b
a a
bb
76
Naturstein
Bundespräsidialamt
Berlin, D 1998
Architekten:
Gruber + Kleine-Kraneburg, Frankfurt am Main
º Detail 06/1999
Burg, Annegret; Redecke, Sebastian:
Kanzleramt und Bundespräsidialamt der
Bundesrepublik. Boston / Berlin / Basel 1995
a bb 4 5
7 6
9
Grundriss Maßstab 1:3000
Vertikalschnitt • Horizontalschnitt
Maßstab 1:20
1 Naturstein 40 mm
Luftschicht 85 mm
Wärmedämmung 100 mm
Stahlbeton 300 mm
Gipsputz 25 mm 4
2 Fensterunterkonstruktion: 3
dreiseitig umlaufender Aluminiumwinkel 10 11
mit Kunststoffunterkeilung b b
als thermische Trennung
3 Aluminiumfenster anthrazit einbrennlackiert,
Verglasung: 5
im Erdgeschoss 16 mm VSG aus 2x ESG,
im 1.– 3. Obergeschoss 10 mm ESG
4 Holzfenster Eiche dunkel gebeizt,
Isolierverglasung VSG 6 + SZR 14 + ESG 4 mm
5 Absturzsicherung Aluminiumprofil 20/20 mm
6 Abdeckblech Aluminium 3 mm
Halterung Aluminium Rillenprofil mit eingelegter
Gummidichtung, beidseitig vom Stoß 2
Unterkonstruktion Aluminiumprofil fi 50/3 mm,
verschraubt mit Aluminiumprofil fi 40/3 mm, 1
auf Holzbohle geschraubt
7 Aluminiumwinkel ∑ 50/50/2 mm aa
8 Halteanker
9 Traganker
10 Lüftungsgitter
11 Sonnenschutz, bis 100 mm
über Fensterbrett herunterfahrbar
(Luftzirkulation)
77
Naturstein
Kulturspeicher
Würzburg, D 2002
Architekten:
Brückner & Brückner, Tirschenreuth aa
Mitarbeiter:
Norbert Ritzer
78
Naturstein
cc
3 6
7 2
4
5
c c
bb
79
Naturstein
Wien, A 2001
Architekten:
Ortner & Ortner Baukunst, Wien
mit Christian Lichtenwagner
Tragwerksplanung:
Fritsch Chiari & Partner, Wien
º A+U 01/2002
Materia 39, 2002
Dernie, David: Neue Steinarchitektur.
Stuttgart 2003
aa bb
80
Naturstein
1 e
12 13
12
5 8 9 10 11 e 5
dd
d d
Schnitte • Grundriss
Maßstab 1:1000
Vertikalschnitt Fassade
Maßstab 1:50 5
Horizontalschnitt Brand-
schutztür und Fensterschlitz
Maßstab 1:20
7 Vertikalschnitt Fensterschlitz
Maßstab 1:20
12
13
cc ee
81
Tonstein
Künstliche Steine
83
Tonstein
Dehnfuge
horizontal
B 1.2.5 B 1.2.9
lich, Oberflächen zu glasieren oder künstliche Keramische Fassaden
Steine mit Farbzusätzen herzustellen (Abb.
B 1.2.2). Seit Jahrtausenden gehören also Bei der Verwendung von Mauerwerk für
künstliche Steine zu gängigen Baumaterialien. Je Außenwände von Gebäuden übernehmen
nach örtlichen, klimatischen und geologischen die tragenden Wände zugleich die Funktionen
Gegebenheiten sowie ästhetischen Ansprüchen der Gebäudehülle. Für beide Aspekte steht
und sozialem Kontext kommen sie seither bei ein über die Jahrhunderte entwickeltes breites
ganz unterschiedlichen Bauten zum Einsatz. Zu Spektrum an Alternativen und Ausführungs-
entscheidenden Fortschritten in Richtung Mas- varianten in den unterschiedlichen Kultur-
senfertigung von gebrannten Steinen kommt es räumen zur Verfügung. Umfangreiche Publi-
in der römischen Antike. Im ganzen Römischen kationen behandeln detailliert die entspre-
Reich finden sich Ziegeleien, welche alle Arten chenden Konstruktionsweisen für Wand und
von Bauvorhaben mit Baumaterial versorgen [1]. Öffnung [1], [2].
In England und in Deutschland erlangt gebrann- Ergänzend dokumentieren die nachfolgend
tes Tonmaterial im Mittelalter große Bedeutung, genannten Beispiele wesentliche nicht tragen-
was sich in der danach benannten »Backstein- de Außenwandkonstruktionen, die vorzugs-
gotik« manifestiert (Abb. B 1.2.6). weise als äußerste schützende Hülle des
Die Erfindung der Strangpresse, des Ringofens dahinter liegenden Gebäudes dienen. Aus-
und kurz darauf des Tunnelofens im 18. Jh. gewählte Beispiele zeigen zudem, wie durch
ermöglicht die Herstellung von Tonsteinen in den Einsatz von »Tonsteinelementen« licht-
Massenproduktion. Durch den Brennprozess und luftdurchlässige Wandflächen entstehen
B 1.2.6 erreicht der ursprünglich leicht durch Wasser können, die als Sicht- und Sonnenschutz
lösliche Ton eine hohe physikalische und chemi- wirken.
sche Stabilität. Diese hohe Resistenz gegen
Schmutz, Rauchgas, Algenbewuchs und Frost Konstruktiver Aufbau von Klinkerfassaden
macht den Baustoff im Außenbereich gut ein- Aufgrund des zunächst ähnlich erscheinenden
setzbar [1]. In der so genannten Gründerzeit Äußeren besteht gelegentlich die Gefahr, Ver-
Ende des 19. Jh. entwickeln sich Klinkerbeklei- blendmauerwerk mit Sichtmauerwerk zu ver-
dungen des Mauerwerks vielerorts zum wetter- wechseln. Dies kann zu Missverständnissen
festen Standardmaterial der Fassaden; fast konstruktiver Art bei der Planung einer Ver-
immer – zumindest straßenseitig – auch mit viel- blendmauer führen. Bei dieser handelt es
fältigen historisierenden Verzierungen, die man sich heute im Regelfall um eine nicht tragende,
seinerzeit nach Katalog bestellen konnte. Das hinterlüftete Fassadenbekleidung. Deshalb
»Steinerne Berlin« mit seinen großen Miets- muss diese Außenschale eine dauerhafte Ver-
kasernen besteht aus Ziegel. Auch für Architek- bindung mit dem Gebäudetragwerk eingehen.
ten der Moderne wie Alvar Aalto, Mies van der Im Gegensatz zu anderen Fassadenbekleidun-
B 1.2.7
Rohe u. a. ist die Verwendung von Tonsteinen gen verbinden sich bei der Mauerschale die
selbstverständlich. Ab Mitte des 20. Jh. schaffen Einzelelemente (Klinkerziegel) mittels Mörtel
andere, wie beispielsweise Eladio Dieste, in binnen kurzer Zeit zu einem Gesamtsystem.
Fortführung der iberischen Tradition großartige Dieses muss verschiedene Anforderungen
architektonische Inventionen, bei denen – wie erfüllen, die von der Orientierung, der Höhe
bei der Kirche in Atlantida – der gebrannte und der Farbe der Fassade abhängen. Neben
Ton wichtiger Bestandteil des Tragwerks ist. der Lastabtragung ist vor allem die Aufnahme
Gleichzeitig vermittelt das Material die Sensation von Bewegungen infolge hygrischer und ther-
der leichten, ondulierten Hülle (Abb. B 1.2.14). mischer Einflüsse maßgeblich.
Heute sind keramische Bekleidungen mit nur
wenigen Zentimetern Stärke möglich, die Verankerung
sich wegen ihrer Unempfindlichkeit gegenüber Wie bei jeder Fassadenbekleidung müssen
der Witterung speziell zum Schutz von Wärme- in erster Linie Lasten aus Eigengewicht sowie
dämmplatten oder -matten eignen. Windsog und -druck abgetragen werden.
B 1.2.8
84
Tonstein
_ar
B 1.2.8 industriell hergestellte, farbige Ziegel, ca. 1880
>
B 1.2.9 Abfangung von Verblendmauerwerk
B 1.2.10 Ziegelproduktion, Pakistan 1999
x
B 1.2.11 Abfangung mit Tragkonsole bei geschlossener
y
Wandfläche und bei Öffnung und thermisch
getrennter Deckenauskragung
B 1.2.12 Chilehaus, Hamburg (D) 1924, Fritz Höger
B 1.2.13 Schule, Hamburg (D) 1927, Fritz Schumacher
B 1.2.14 Kirche, Atlantida (ROU) 1959, Eladio Dieste
B 1.2.10
Wegen des relativ hohen Gewichts von Ver-
blendmauern hat dies bei deren Konstruktion
vorrangige Bedeutung. Gebäudeteile mit
statischer Funktion wie Stützen, Decken und
tragende Wände eignen sich zur Lastabtragung.
Verblendschale
In der Praxis werden die Lasten aus Eigenge-
wicht meist geschossweise in die Decken ein-
_ar
geleitet. Bei Fassadenöffnungen lenken statisch
wirksame Verankerungen die Eigenlasten des >
jeweiligen Fassadenabschnitts über den Sturz
x
mit dauer-
Windlasten gewährleisten Ankerstäbe, die in elastischen
bv
85
Tonstein
Verschieberichtung
VF
3
12–20 mm
4
5 Ruhepunkt Verschieberichtung
1/2 L R < 4,00
Luftschicht und Kerndämmung
20 mm 5 4 3 2 1 6 Dämmung [m] [m]
(min. 15 mm) Kalksandsteine 6–8 5–6
1 Fuge gestaucht 4 Haftungsgrundierung Betonsteine 6–8 5–6
2 Fuge gedehnt 5 elastoplastische
3 geschlossenzelliges Fugendichtmasse Mauerziegel 10 – 12 6–8
Schaumstoffprofil 6 Konsolanker
VF VF
B 1.2.15 B 1.2.16 B 1.2.17
Fugen
Grundsätzlich unterscheidet man horizontale
und vertikale Bewegungsfugen. Die Fugen-
breiten variieren zwischen 10 und 20 mm und
weisen im Normalfall eine dauerelastische Ver-
siegelung auf. Bei vertikaler Ausrichtung beträgt
der Fugenabstand in kontinentalem Klima 15 m,
im Seeklima 25 m [3]. Laut Eurocode 6 darf der
Abstand zwischen Bewegungsfugen 12 m nicht
überschreiten, wobei Farbe und Orientierung
der Fassade eine ausschlaggebende Rolle
spielen.
Bei horizontaler Ausrichtung besteht eine zu-
sätzliche Abhängigkeit von der Gebäudehöhe.
Bis zu 12 m Höhe ist es möglich, auf Bewe-
gungsfugen zu verzichten. Bei höheren Bauten
B 1.2.18 B 1.2.19 ist jedoch mindestens alle 9 m eine horizontale
Bewegungsfuge vorgeschrieben. Die Praxis
sieht im Regelfall Bewegungsfugen pro Ge-
schoss oder alle zwei Geschosse direkt unter
der Schicht der statischen Verankerung vor.
Fensterbrüstungen, Ecken, Wechsel in der
Fassadenbekleidung oder auch zu erwartende
Dilatationen im Gesamtgebäudesystem gehören
zu Sonderfällen, die zusätzliche Bewegungs-
fugen erfordern. Die Hinterlüftung der Fassade
erfolgt durch offene vertikale Fugen zwischen
den einzelnen Elementen.
Optische Wirkung
Zur Ästhetik einer Ziegelfassade tragen viele
Komponenten bei. Eine der wichtigsten ist der
Verband, der wiederum sehr stark vom Grund-
B 1.2.20 B 1.2.21 modul der Steine abhängt. Darüber hinaus
prägen das Material (Ausgangsmaterial, Brand,
Farbzusätze / Glasur) und die Struktur (Mischung
verschiedener Steine, Anordnung) wesentlich
das Aussehen der Fassade.
Fugen sind technisch notwendig, spielen jedoch
auch für das Erscheinungsbild eines Gebäudes
eine erhebliche Rolle. Die Farbe, die Breite und
die Tiefe einer Fuge bestimmen die optische
Wirkung einer Fassade grundlegend – ebenso
wie Formate und Farben des Steinmaterials
(Abb. B 1.2.18–23).
Die Möglichkeit gestalterischer Differenzierung
durch Reliefausbildung wird selten genutzt,
obwohl sich durch die kleinen Dimensionen
von Tonsteinen eine Variation des Elements
anbietet. Oft reicht es zur Belebung einer sonst
B 1.2.22 B 1.2.23
86
Tonstein
Keramikplattenfassaden
Unterkonstruktion
Die Unterkonstruktion von Keramikplattenfassa-
den muss die statische Belastung, die aus
Eigengewicht, Windsog und -druck sowie aus
thermischer Massenänderung entsteht, zwän-
gungsfrei an das Tragwerk weitergeben. Da
sie im Regelfall aus nicht rostendem Stahl oder
Aluminium besteht [4], bedeutet die Verbindung
zum Tragwerk zugleich eine Wärmebrücke. Als
Unterkonstruktion ist auch der Einsatz von Holz
mit entsprechender Behandlung zulässig, aller-
dings durch die Gebäudehöhe eingeschränkt.
B 1.2.28 B 1.2.29
Fassadenplatten
Für die Herstellung von Fassadenplatten eignen
sich mehrere Verfahren. Beim taktweisen Pres-
sen in Negativformen müssen die Seitenwände
der Formen konisch sein. Das Verfahren erlaubt
keine Hinterschneidungen. Beim Strangpressen
(Extrudieren) bestimmt die Form des Mundstücks
den Querschnitt (Abb. B 1.2.25 und 30).
Die unabhängige Montage der einzelnen Platten
ermöglicht diesen eine eingeschränkte Bewe-
gungsfreiheit, wodurch nur noch wenige weitere,
auf den Rohbau abzustimmende Fugen notwen-
dig sind. Die Wasserabführung an der Fassade
kann auf unterschiedliche Art gelöst werden:
87
Tonstein
B 1.2.32
B 1.2.33 B 1.2.34
Farbe und Oberfläche
Die meisten angebotenen Farben für Keramik-
platten sind Eigenfarben. Im Allgemeinen be-
einflussen die Brenntemperatur, der Sauerstoff-
gehalt der Ofenluft, Art und Menge des Eisen-
anteils sowie der Roh- und Zusatzstoffe die
Farbe keramischer Baustoffe. Bei der her-
kömmlichen Herstellung von keramischen Plat-
ten besteht die Möglichkeit der Oberflächenge-
staltung nur vor dem Brennprozess. Im Falle
von Strangpressen hat bereits die Profilierung
des Mundstücks der Schneckenpresse Einfluss
darauf. Aufgrund des erhöhten Aufwandes ist
die Verwendung von Fremdfarben (Glasuren)
heute rückläufig.
Kleinmaßstäbliche Öffnungen in keramischen
Außenwänden dienen der Durchlässigkeit von
B 1.2.35 B 1.2.36 Luft und Licht, als Blend- bzw. Sonnenschutz
sowie dem Erhalt von Sichtbeziehungen.
Bereits bei historischen Bauten prägen sie
wesentlich das Erscheinungsbild.
Als aktuelles Beispiel nicht tragender kerami-
scher Außenwände aus Ziegel kann ein vom
Büro Renzo Piano Building Workshop 1992
in Genua realisiertes Parkhaus gelten, bei
dem Klinker in umlaufenden Stahlrahmen auf
je zwei Rundstählen mit Metallscheiben als
Abstandshalter befestigt sind (Abb. B 1.2.40
und 41). Ein weiteres innovatives Beispiel
stellt der von Claudio Nardi entworfene Show-
room von BP Studio in Florenz (2001) dar,
bei dem lange stranggepresste Querschnitte
auf Metallprofile aufgeschoben werden (Abb.
B 1.2.44–46).
B 1.2.37 B 1.2.38
88
Tonstein
B 1.2.40
10
20 5
5
50
B 1.2.39 B 1.2.41
B 1.2.45 B 1.2.46
89
Tonstein
Aussegnungshalle
Batschuns, A 2001
Architekten:
Marte.Marte, Weiler
Tragwerksplanung:
M+G, Feldkirch
1
• gestampfter Lehm ohne chemischen Zusatz
• in ca. 12 cm hohen Schichten fugenlos zwi- 1 Stahlblech 3 mm
schen Schalungen eingebracht 3 2 Leuchte
• mit Handmaschinen verdichtet 3 Außenwand Stampf-
• leichte Abwitterung der Oberflächen bei 2 lehm 450 mm
Regen problemlos durch leichte Überdimen- 4 Stahlbetonriegel
205/120 mm
sionierung der Lehmbauteile 5 Kantholz Eiche
2
4 80/80 mm, symboli-
siert mit horizontalen
Linien der Lehm-
schichten ein Kreuz
6 Stampfbeton
eingefärbt wie Lehm
7 Stahlbetonträger
Grundriss
300/200 mm
Maßstab 1:500
8 Türblatt Eiche
Vertikalschnitte
2≈ 24 mm
Maßstab 1:20 9 Türschwelle Eiche
massiv auf Stahlrohr
7 ¡ 200/100/7 mm
10 Edelstahlblech
b 5 240/10 mm
11 Stahlträger aus
a a
Flachstahl
b ¡ 380/15 mm und
2≈ ¡ 180/20 mm,
8 geschweißt
12 Floatglas 8 mm
in Stahlblechrahmen
geklebt
13 Stahlprofil
∑ 220/150/10 mm
Dichtungsbahn
14 kapillarsperrende
Schüttung gegen
aufsteigende Feuch-
tigkeit
11
11
9 13 12
10
14
6
aa bb
90
Tonstein
Einfamilienhaus
4 6
10
11
10
a a
5 12 aa
91
Tonstein
Messehochhaus
Hannover, D 1999
Architekten:
Herzog + Partner, München
92
Tonstein
6 5 7
1 Abdeckblech Aluminium 3 mm
antidröhnbeschichtet 4
2 Strangpressprofil Aluminium
3 Tonziegelplatten gerillt 200/400 mm
4 Abschlussprofil Aluminium
5 Wärmedämmung 60 mm
6 Stahlbeton 300 bzw. 400 mm
7 Edelstahlblech; Lage abgestimmt mit
Glas-Stahl-Fassade
aa
a a
5 4
6
93
Tonstein
Architekten:
Renzo Piano Building Workshop, Paris
mit Christoph Kohlbecker
Fassadenplanung:
Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein
b b
94
Tonstein
4 Grundriss • Schnitt
Maßstab 1:2000
Details Maßstab 1:5
14
13
9
15
c c
2 3
10 7
bb cc 1 11 12 1 11 12
95
Tonstein
Einfamilienhaus
Brühl, D 1997 a
Architekt:
Heinz Bienefeld, Swisttal-Ollheim
º A+U 10/2001
Baumeister 11/1997
Pfeifer, Günter u. a.: Mauerwerk Atlas.
München / Basel 2001
b
a b
96
Tonstein
4 8 b
2 9
10 6
cc
b
b
4
5
8
9
c c
10
bb
97
Tonstein
Porzellanmuseum
Herend, H 1999
Architekten:
Turányi + Simon, Budapest
Gábor Turányi
Fassadenberatung:
Gábor Becker, Budapest
b d
b
a
a
aa
98
Tonstein
2 3
cc 4 5
11 10
12
1
13
4 2
3 dd
c c
99
Beton
B 1.3 Beton Beton, der erste künstliche und heterogene Mitte des 19. Jh. erfolgen in Frankreich und
Baustoff, markiert einen wichtigen Entwick- England Versuche einer Armierung von Beton.
lungsschritt in der Baugeschichte. Das Material Diese Experimente zielen zunächst auf eine
ist äußerst widerstandsfähig, leicht zu verarbei- Substitution von Holz und Naturstein, da man
ten und problemlos verfügbar sowie in Verbin- sich von dem neuen Material besseren Schutz
dung mit Stahl statisch hoch belastbar. Daher gegen eindringende Feuchtigkeit verspricht. In
findet Stahlbeton besonders in Tragwerken England wird 1854 ein Patent für eine Eisenbe-
weite Verbreitung und eröffnet durch seine ton-Verbunddecke erteilt. Etwa zeitgleich entwi-
plastische Formbarkeit Wege zu (völlig) neu- ckelt François Coignet das dem Lehmbau
artigen Konstruktionsweisen. nachempfundene Stampfbetonverfahren, den
Auch im Bereich der Fassade bestehen vielfäl- »Béton aggloméré«, mit dem er ein dreige-
tige Einsatzmöglichkeiten, die jedoch meist hin- schossiges Wohnhaus baut.
ter vereinfachendem Pragmatismus deutlich zu Bauliche Pionierprojekte werden um 1900 von
kurz kommen. Als »monolithischer« Baustoff, einer Vielzahl experimenteller Untersuchungen
der »aus einem Guss« zu verarbeiten ist, las- zum Materialverhalten sowie der Weiterentwick-
sen sich nahtlose Übergänge zwischen den lung von Berechnungsverfahren für eine allge-
Elementen herstellen. Neben Sichtbetonfassa- meine Theorie zum Stahlbetonbau begleitet,
den aus Ortbeton gibt es ein reichhaltiges bau- die sukzessive neue Anwendungsbereiche –
konstruktives und gestalterisches Repertoire insbesondere für weit gespannte Tragkonstruk-
von großflächigen Platten bis zu kleinen block- tionen – eröffnen.
formatigen Steinen. Unter dem Thema »Fassa-
den aus Beton« werden allgemein Anwen-
dungsformen von zementgebundenen und auf Beton in der Fassade
Zement basierenden Baustoffen behandelt.
Dabei steht der gestalterisch wirksame Einsatz Das neue Material setzt sich um 1900 vor allem
im Vordergrund der Betrachtungen, bei dem im Bereich der Industrie- und Wirtschaftsbau-
sich fünf Bereiche unterscheiden lassen: ten wie Großmarkt- und Fabrikationshallen
durch. Allerdings prägen die linearen Skelett-
• Sichtbetonfassade strukturen der Stützen und Träger diese Bau-
• Fertigteil ten. Ein Wegbereiter ist Auguste Perret, dessen
• Betonwerksteinplatte Stadthaus in der Rue Franklin in Paris (1903)
• Sichtmauerstein erstmals das Material zumindest strukturell in
• zementgebundene Platte der Fassade eines Wohnungsbaus zeigt.
Ab ca. 1910 beeinflussen zunächst mehr for-
Diese verschiedenen Einsatzmöglichkeiten male Ansätze den Stahlbetonbau. Konzepte
bedingen z. T. sehr unterschiedliche produkti- von Tony Garnier (Planungen zur Idealstadt
ons- und herstellungstechnische, sowie norma- Cité Industrielle, 1901–17), Le Corbusiers
tive Anforderungen. Auch bestehen vielfache »System Domino« (1914) oder Ludwig Mies
Möglichkeiten für materialspezifische Anpas- van der Rohes Entwürfe für ein Bürohaus
sungen mit unterschiedlichsten farbigen und (1922) und ein Landhaus (1923) aus Stahl-
strukturellen Gestaltungsmöglichkeiten der beton, zeigen die Arbeit mit Scheiben, Platten
Oberflächen wie: sowie durchgehenden Brüstungsbändern.
• schwer / leicht
• dämmend / speichernd Guss-/ Ortbeton
• gefügedicht / offenporig Beton gilt als moderner Baustoff, und um 1900
erhoffen sich Architekten wie Unternehmer Vor-
teile durch die Schütt- und Gussbetontechnik.
Vom Opus Caementitium zum (Stahl-)Beton Allerdings bestimmen der Mechanisierungs-
grad der Arbeitsabläufe sowie das Schalungs-
Die Entwicklung moderner architektonischer system stark den wirtschaftlichen Erfolg.
Formen wird nachhaltig durch Beton Die Außenwände sind vielfach als konventionel-
geprägt [1]. Dabei handelt es sich in seinen le Lochfassaden ausgebildet, und deren Ober-
stofflichen Grundlagen um ein sehr altes Mate- flächen letztlich wie Ziegelmauerwerk verputzt.
rial. Bereits um 12 000 v. Chr. ist Kalkmörtel als Hinsichtlich des materialspezifischen Aus-
Baustoff nachgewiesen, und auf diesen Erfah- drucks markieren drei Sakralbauten und ein
rungen basierend wird im 2. Jh. v. Chr. »Opus »Amateurprojekt« die Anfangsjahre. Frank
Caementitium« hergestellt. Mit diesem römi- Lloyd Wright arbeitet bei der Unity Church in
schen Beton gelingen baumeisterliche Höchst- Oak Park / Illinois (1904– 06) mit vielfältigen
leistungen wie z. B. das Pantheon in Rom plastischen Formen. Er nutzt bereits durch
(118 n. Chr.). Mit dem Ende des (West-)römi- Beimischung spezieller Zuschlagsstoffe die
schen Reiches, verliert auch Opus Caementiti- farblichen Gestaltungsfreiheiten für Sichtbeton-
um für nahezu 1500 Jahre seine Bedeutung als flächen.
Baumaterial. 1922 belässt Auguste Perret in der Kirche in
Erst die Erfindung von Portlandzement (1824) Raincy bei Paris die Oberflächen des Skelett-
B 1.3.1 Art and Architecture Building, Yale University markiert den Beginn der heutigen Betonent- baus sichtbar und bildet die weitgehend aufge-
New Haven (USA) 1964, Paul Rudolph wicklung. lösten Umfassungswände in einem lichten,
101
Beton
maßwerkartigen Betongitter aus. Karl Moser Auer + Weber bei dem Hotel der ESO am
wählt bei der Kirche St. Antonius in Basel Cerro Paranal (2001) (vgl. Beispiel S. 123) oder
(1922–27) eine strenge kubische Formenspra- Herzog & de Meuron beim Schaulager in Basel
che mit schalungsrauen Sichtbetonflächen, die (2003) zeigen (Abb. B 1.3.8).
das Material in den Fassaden wie im Innen-
raum kraftvoll zur Wirkung bringen. In jüngster Zeit versuchen Architekten, den Ein-
Ein Bau, bei dem Beton in der Modellierung der druck der monolithischen Bauweise umfas-
Fassaden virtuos eingesetzt wird, ist das Goe- send, bis ins Detail zum Ausdruck zu bringen.
theanum in Dornach (1928) von Rudolf Steiner. Die Vermeidung jeglicher Arbeitsfugen, der
Allerdings erfordert die Umsetzung derart plas- Verzicht auf das Abzeichnen der Schalungsan-
tisch organischer Gestaltungen einen hohen ker oder äußerst minimierte Bauteilquerschnitte
Arbeitsaufwand sowie eine ausgefeilte hand- bei gleichzeitig neuartigen optischen Wirkun-
werkliche Technik beim Schalungsbau. gen führen auch bei diesem extrem leistungs-
fähigen Material zu enormen bautechnischen
In den 1950er-Jahren entwickelt sich der Beton Herausforderungen.
zu einem Massenbaustoff, der in allen Bauauf-
B 1.3.2
gaben Anwendung findet. Ein wesentlicher Vorfertigung
Impulsgeber ist Le Corbusier mit seinem Da die Herstellung von Beton auf der Baustelle
Bestreben, den Beton in dessen unmittelbarer, konstruktive und herstellungstechnische Nach-
»roher« Materialität – dem »Béton brut« – zu teile aufweist, versucht man, die Konstruktionen
zeigen. Er nutzt diesen gekonnt als Gestal- in gleichartige, transportable Elemente zu zer-
tungsmittel in der reliefartigen und / oder plasti- legen, die in Fertigteilwerken seriell produziert
schen Durchbildung der Fassadenfläche, z. B. werden können. Dies ermöglicht bei witterungs-
beim Kloster Sainte-Marie-de-la-Tourette unabhängiger Arbeit eine höhere Qualität und
(1957–60) in Eveux bei Lyon (Abb. B 1.3.2). Präzision in der Produktion sowie bessere Stan-
Während das Schweizer Büro Atelier 5 beim dards in der Oberflächengüte.
Bau der Siedlung Halen bei Bern (1955–61) Anfang der 1890er-Jahre entsteht in Frankreich
auch im (Klein-)Wohnungsbau rauen Sichtbe- eine erste Feldfabrik zur Vorfertigung von
ton verwendet, setzt Louis Kahn beim Bau des Betonelementen, und der französische Stein-
Jonas Salk Institute in La Jolla (1959–65) auf metz François Hennebique verwirklicht 1896
B 1.3.3
möglichst glatte Oberflächen. Und es ist eben- mit einer transportablen Raumzelle aus 5 cm
falls Kahn, der erstmals durch die Ausbildung dicken, bewehrten Betonplatten ein erstes
von Schattenfugen sowie die sorgfältige Plat- serienmäßig hergestelltes Gebäude.
zierung der Schalungsanker, die Betonfassa- Ab 1920 nehmen die Montagebauweisen im
den durch ein orthogonales Lineament struktu- Bereich des Stahlbetons an Bedeutung zu.
riert und zugleich den Herstellungsprozess Architekten wie Ernst May, der ein eigenes
ablesbar macht. System mit unterschiedlich großen Wandblö-
Viele Architekten nutzen in den 1960er und cken in einer Reihe von Siedlungen in Frankfurt
70er-Jahren verstärkt die Optionen der räumli- am Main (u. a. Praunheim, 1927) einsetzt,
chen Formbarkeit von Außenwand und Baukör- oder Walter Gropius, der in Dessau-Törten
per sowie der Gestaltungsmöglichkeiten der (1926–27) auf eine kleinteilige Bauweise mit
Oberfläche. Singuläre Bauten stellen in dieser Schlackenbetonhohlsteinen zurückgreift, arbei-
Zeit die Wallfahrtskirche in Neviges (1963–68), ten an Konzepten einer breiten Vorfertigung.
sowie das Rathaus in Bensberg (1963–69) von Auch wenn sich die Systemansätze weder
B 1.3.4 Gottfried Böhm dar. Dieser modelliert – insbe- bautechnisch noch wirtschaftlich durchsetzen
sondere bei dem Kirchenbau – einen plastisch können, bilden diese Experimente eine wichti-
zerklüfteten Baukörper, dessen mächtige ge (Vor-)Stufe auf dem Weg zur Industrialisie-
opake Oberflächen durch die feine Textur der rung des Bauens [2].
Schalungsstrukturen nicht monoton wirken In den 50er und 60er-Jahren findet vor allem
(Abb. B 1.3.3). der Großtafelbau – das Bauen mit groß-
Während Carlo Scarpa in fast schon (kunst-) formatigen, tragenden Wänden – eine weite
handwerklicher Manier die Formbarkeit des Verbreitung. Während die Systembauweisen
Betons auslotet – besonders in der Grabstätte zu massenhaft umgesetzten, sehr schemati-
für die Familie Brion in San Vito d‘Altivole bei schen Fassaden führen, kehren sich im Zuge
Asolo (1969–75) –, verwendet Paul Rudolph der so genannten Postmoderne diese Ansätze
beim Art and Architecture Building der Yale nahezu ins Gegenteil, indem Vorfertigung und
University in New Haven (1958–64) eine indus- plastische Formbarkeit von Betonelementen
trielle Strukturschalung (Abb. B 1.3.1). Die an für ein beliebiges Farben- und Formenspiel
Kanneluren angelehnte Profilierung der farbi- genutzt werden.
gen Oberflächen lässt im Wechsel der glatten Hingegen formulieren Architekten wie Angelo
Rillen und rau gebrochenen Stege ein differen- Mangiarotti (vgl. Beispiel S. 114f.), Bernhard
ziertes Licht- und Schattenspiel entstehen. Hermkes (Gebäude der Architekturfakultät der
Durch Beimischung lokal vorgefundener Stoffe Technischen Universität Berlin, 1965–67, Abb.
und / oder durch die Strukturierung der feuch- B 1.3.4), Gottfried Böhm oder Eckhard Gerber
ten Oberfläche eröffnen sich weitere gestalteri- auch architektonische Antworten. Böhms Ver-
sche Optionen, bis hin zu neuen soziokulturel- waltungsgebäude der Züblin AG in Stuttgart
len Beziehungen zur Umgebung, wie dies (1982–84) zeigt einen formal wie farblich diffe-
B 1.3.5
102
Beton
B 1.3.6 B 1.3.7
renzierten Umgang mit Fertigteilen. Gerber Basierend auf einem quadratischen Aus- beton- und Glas(baustein)flächen [4].
setzt indes vorgesetzte, orthogonale, flächige gangsmodul, arbeitet er mit einer Vielzahl Der Tessiner Architekt Mario Botta verwendet
Stahlbeton-Fassadenelemente bei einem Ver- von Formsteinen. Bauten wie das John Storer in einer Reihe von Einfamilienhäusern eben-
waltungsgebäude in Dortmund (1994) in struk- Haus in Hollywood (1923–24) zeigen reich falls Betonsteine, deren Kleinteiligkeit und
turell klarer Weise zur Bekleidung der Stützen ornamentierte Fassadenflächen mit einem Farbigkeit eine bewusste Referenz zum regio-
und Brüstungsfelder ein. Auch die »schwere Wechsel unterschiedlicher Muster glatter und nalen Bauen mit Bruchsteinen aus Granit dar-
Vorfabrikation« stellt heute sowohl unter tech- strukturierter Steine (Abb. B 1.3.6) [3]. stellen.
nischen als auch gestalterischen Gesichts- Egon Eiermann thematisiert das Motiv einer
punkten wieder eine Optionen dar. Architekten lichtdurchlässigen Wand durch Einsatz von Zementgebundene Plattenwerkstoffe
wie Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker Betongittersteinen mit (farbigen) Glasfüllungen Ein gänzlich anderer Bereich der Verwendung
(Wohnsiedlung Stöckenacker in Zürich, 2002), sowohl bei der Matthäus-Kirche in Pforzheim von mineralisch gebundenden Baustoffen sind
oder Léon Wohlhage Wernik (Hauptverwal- (1952–56), als auch bei der Kaiser-Wilhelm- Faserzementplatten [5]. Bereits um 1900 wird
tung des Sozialverbandes in Berlin, 2003, Gedächtnis-Kirche in Berlin (1957–63). Asbestzement – ein Komposit aus Asbestfa-
Abb. B 1.3.5) planen geschosshohe, mehr- Eine weitere Verwendung von Sichtmauer- sern und Zement – in Österrreich zum Patent
schichtige Fertigteilelemente so, dass bereits steinen stellt die Ausmauerung opaker angemeldet, und seit 1903 vertreibt die Firma
durch moderate Variationen der Abmessun- Flächen in einem Stahlbetontragwerk dar, die Eternit die gleichnamigen Platten.
gen ein stimmiges Resultat gelingt. sich insbesondere im Werk von Herman Mitte der 70er-Jahre stellt man fest, dass
Hertzberger findet. In Bauten wie dem Büro- Asbestfasern Krebs verursachen können.
Eine Form nicht bewehrter Fassadenbeklei- gebäude Centraal Beheer in Apeldoorn 1979 erfolgt das Verbot von Spritzasbest,
dung stellen kleinformatigen Betonwerkstein- (1968–72, Abb. B 1.3.7), dem Musikzentrum bevor Ende 1990 auch der Einsatz von Asbest-
platten dar. Angemörtelte Platten finden seit Vredenburg in Utrecht (1973–78) oder den zementplatten (Faseranteil ca. 10 %) ausläuft.
etwa 100 Jahren im Bauen Verwendung, ins- Apollo-Schulen in Amsterdam (1980–83) bil- Nachdem Asbest als Material ersetzt werden
besondere im Sockelbereich als widerstands- det das außen wie innen sichtbar und unbe- muss, sind im Handel zementgebundene
fähiger, leicht zu verarbeitender Baustoff. handelt belassene Sichtmauerwerk durch Platten mit gesundheitlich unbedenklichem
Eines der frühesten Beispiele in Deutschland die leicht poröse Oberflächen und die unter- Fasermaterial als neuem Zuschlagstoff, wie
stellt das Rathaus in Trossingen (1904) dar, schiedlichen farbigen Strukturen einen wir- z. B. Holzspänen, verfügbar. Das Material
wo Betonwerksteinplatten als Sockelbeklei- kungsvollen Kontrast zu den glatten Sicht- weist bei geringer Dicke hohe mechanische
dung und Gewände eingesetzt werden.
Besonders die vielfältigen Möglichkeiten der
Bearbeitung, Formbarkeit sowie der Kombina-
tion mit unterschiedlichen Gesteinskörnungen
führen zur Herstellung von bauornamentalen
Elementen wie (Halb-)Säulen, Baluster, Gie-
bel, Rosetten etc.
Weit verbreitet ist der Einsatz von Betonwerk-
steinplatten als vorgehängtes, hinterlüftetes,
kleinformatiges Bekleidungsmaterial, wie z. B.
in der rot eingefärbten Fassade der Deut-
schen Botschaftsschule in Peking (2001) von
Gerkan Marg + Partner.
Betonsteine
Mauersteine aus Beton bieten die Vorteile
einer kleinteiligen und leichten Bauweise mit
der Optionen einer breiten Farbvielfalt sowie
der Oberflächenbearbeitung.
Frank Lloyd Wright beschäftigt sich ab 1914
mit unterschiedlichen Ansätzen. In seinem
»Textile-Block«-System sucht er eine Alternati-
ve zu großformatigen Plattenbauweisen.
B 1.3.8
103
Beton
Festigkeiten auf, ist feuerfest und lässt sich in Normalzemente werden nach EN 197-1 in
unterschiedlichen Abmessungen und Formaten fünf Hauptarten (CEM I bis V) eingestuft,
herstellen. deren 27 Produkte sich jeweils anhand der
Zunächst als leichtes Dachdeckungsmaterial Hauptbestandteile unterscheiden. Der heute
entwickelt, werden kleinformatige Schindeln gebräuchlichste Zement ist CEM II, ein Port-
und großformatigen Platten schnell zur Fassa- landkompositzement der mindestens 65 Mas-
denbekleidung eingesetzt. Bereits ab 1912 se-% Portlandzementklinker enthält und
erweitern kleinwellige – und ab 1923 groß- zudem jeweils einen weiteren Hauptbestand-
wellige – Platten die Produktpalette. Neben teil.
den positiven Materialeigenschaften und der Beton besteht zu etwa 70 Vol.-% aus Gesteins-
einfachen Handhabung ermöglicht der Ver- körnung. Kalkstein, Quarz, Granit oder Pophyr
bundwerkstoff von Beginn an eine industrielle lassen sich in runder oder abgerundeter Form
Massenproduktion, was ihn zu einem kosten- als Sand oder Kies in Flüssen oder Kiesgruben
günstigen Baustoff werden lässt. gewinnen, während Brechsand, Splitt oder
Edelsplitt als zerkleinerte, gebrochene Stoffe
Ein Pionier des bewussten gestalterischen aus Steinbrüchen kommen.
Einsatzes dieses Materials in der Fassade ist Zusatzmittel wie Betonverflüssiger, Fließmittel, B 1.3.9
Marcel Breuer. So verwendet er Anfang der Luftporenbildner oder Stabilisierer, beeinflus-
1930er-Jahre bei einer Ladenfront in Basel sen die Materialeigenschaften durch ihre che- B 1.3.9 Hochregallager, Laufen (CH) 1987,
bereits Wellplatten aus Faserzement. mische oder physikalische Wirkung. Zusatz- Herzog & de Meuron
In Deutschland werden – insbesondere in den stoffe wie Pigmente – seltener Gesteinsmehle – B 1.3.10 typologische Zuordnung »Beton in der Fassade«
1950er und 60er-Jahren – millionenfach ermöglichen eine nahezu beliebige Einfärbung
Asbestzementplatten auch in Fassaden ver- des Betons. de Funktion verbessern. Die Betonarten klassi-
baut. Namhafte Architekten wie Ernst Neufert, Beton weist bereits im frühen Stadium hohe fiziert man nach der Trockenrohdichte wie folgt:
der 1955 ein Well-Eternit Handbuch herausgibt, Druckfestigkeiten und eine gute Dauerhaftigkeit
und Egon Eiermann setzen Faserzementplatten auf. Dagegen bleibt die Zugfestigkeit eher • Schwerbeton: > 2600 kg/m3
bei Industriebauten oder im Wohnungs- und gering. Dies wird durch Einlegen einer Beweh- Gesteinskörnungen: z. B. Eisenerz, Eisen-
Verwaltungsbau ein, ebenso Rolf Gutbrod bei rung – in der Regel Stahlbewehrung – kompen- granulat, Schwerspat
einem Büro- und Geschäftshaus in Stuttgart siert. Damit ist Beton ein hervorragender Ver- Einsatzbereich: u. a. Strahlenschutz
(1949–52). bundwerkstoff, dessen Materialeigenschaften • Normalbeton: > 2000–2600 kg/m3
Aktuelle Beispiele zeigen, dass Faserzement- sehr genau geplant werden können. Sie Sand, Kies, Splitt, Hochofenschlacke;
platten als leichtes und robustes Fassaden- bestimmen Nutzung und Funktion und damit Auf diese Betonart beziehen sich die
Bekleidungsmaterial weiterhin zahlreich einge- dessen Einsatzbereiche. Im Allgemeinen wer- überwiegenden baulichen Anwendungen.
setzt werden. So beispielsweise beim den Anforderungen an Festigkeit, Korrossions- Ist eine Verwechselung ausgeschlossen, wird
Lagerhaus Ricola in Laufen (1987) von Herzog schutz, Frostwiderstand etc. definiert, wobei Normalbeton als Beton bezeichnet.
& de Meuron mit einer räumlich gestuften, die Expositionsklassen zwischen Einwirkungen • Leichtbeton: 800–2000 kg/m3
bandartigen Anordnung (Bild B 1.3.9) oder bei auf den Beton und die Bewehrung unterschei- Seine Merkmale bestimmen in erster Linie
dem Technologiezentrum in Zürich (1989–92) den. Außenbauteile aus Beton, die einerseits - Eigenschaften der Leichtzuschläge, wie
der Architekten Itten und Brechbühl mit flächi- bei mäßiger Durchfeuchtung einem Frostangriff Blähschiefer, Blähton etc.
gem Einsatz und sichtbaren Befestigungen [6]. ausgesetzt sind, deren Bewehrung anderer- - Art des Betongefüges, haufwerksporig oder
seits bei wechselnder Durchfeuchtung vor gefügedicht
Karbonatisierung zu schützen ist, sind in die - Porenanteil, Poren- oder Schaumbeton
Betontechnologie Expositionsklassen XC 4 und XF 1 eingestuft. Haufwerksporiger Leichtbeton wird
Der verwendete Beton muss die Festigkeits- überwiegend für wärmedämmende Aufgaben
Beton ist ein künstlicher Stein, der durch die klasse ≥ C 25/30 und einen Wasserzementwert eingesetzt, besitzt im Vergleich zu Normalbe-
Erhärtung des Zement-Wasser-Gemisches (W/Z-Wert) von ≤ 0,60 bei einem Zementgehalt ton eine geringere Tragfähigkeit, die jedoch
(Zementleim) zu Zementstein entsteht. In die- von ≥ 280 kg/m3 aufweisen. für den allgemeinen Hochbau ausreicht.
sem ist die Gesteinskörnung zu einer festen Hinsichtlich der Frischbetoneigenschaften
Matrix verbunden. Für die Bemessung und bestehen für Sichtbeton Anforderungen an Darüber hinaus ist Beton in Druckfestigkeits-
Ausführung stellt EN 206-1 die wichtigste Norm leichte Verarbeitbarkeit, d. h. dieser soll stabil, klassen eingeteilt (die Doppelwerte nach dem
dar. Hinsichtlich der einzelnen Bestandteile nicht blutend und entmischungssicher sein, C (Concrete = Beton) resultieren aus den Ver-
unterscheidet man: was in der Konsistenzklasse F 3 festgelegt ist. einheitlichungen zur DIN EN 206 Teil 1 und
Um einen konstanten Gehalt und eine gleich- bezeichnen die Zylinder- und Würfeldruck-
• Bindemittel bleibende Granulometrie, d. h. Partikelgrößen festigkeiten in N/mm2:
• Gesteinskörnung (Zuschlagstoffe) und -formen, zu gewährleisten, stellen hierbei
• Zusatzmittel ausreichende Feinstanteile von Zement und • normalfeste Betone (C 8/10 bis C 50/60)
• Zusatzstoffe Gesteinskörnung wichtige Parameter für die • hochfeste Betone (C 55/67 bis C 100/115)
Verarbeitbarkeit dar. • Leichtbetone (LC 8/9 bis LC 50/55)
Als Bindemittel wird Zement verwendet, der
durch Brennen von Kalk und Ton bzw. Mergel Betonarten Die Leichtbetone wiederum unterteilt man in
und anschließendem Vermahlen gewonnen Zwei wesentlliche Eigenschaften des Festbe- sechs Rohdichteklassen von D 1,0 bis D 2,0,
wird. Die wichtigste Art ist Portlandzement, der tons sind Rohdichte und Druckfestigkeit. die je nach Einsatzbereich vom Planer festge-
einen Gips- oder Anhydritanteil zwischen 3 und Je nach Herstellung und Zuschlägen kann legt werden müssen.
5 % enthält. Nach dem Anreichern mit Wasser Beton gezielt unterschiedliche Eigenschaften
erhärtet Zement. Der sich dabei bildende erhalten. So erfordern hohe Tragfähigkeit und Hochleistungs- und Textilbewehrte Betone
Zementstein ist wasserbeständig und weist guter Schallschutz einen dichten Beton, Im Bereich der Betonherstellung bestehen
hohe Festigkeiten auf. während porige Zuschläge die wärmedämmen- umfangreiche Forschungsaktivitäten hinsicht-
104
Beton
bewehrt unbewehrt
Bewehrungsart
Matten /
Gewebe Fasern
Gewebe
Bewehrungsmaterial
Beton
Einsatzbereiche
Betonwerkstein
105
Beton
Fugenabstand Richtwerte für die erforderliche Dicke der Fugendichtungsmasse B 1.3.11 Richtwerte für die Planung der Fugenbreite und
Fugenbreite b1) Mindestfugen- zulässige Mindestfugenbreite am Bau nach
bezogen auf breite DIN 18 540 Teil 1–3
L [m] +10 °C [mm] min b [mm] tF2) [mm] zul. Abw. [mm] B 1.3.12 Ankerlöcher:
a mit Faserzementstopfen
bis 2 15 10 8 ±2 b in der Tiefe gespachtelt
c flächenbündig gespachtelt
d in der Tiefe gespachtelt, scharrierter Beton
über 2–3,5 20 15 10 ±2 B 1.3.13 Mindestdicken und Längen von Betonfertigteilen
B 1.3.14 Befestigungen von großformatigen Betonfertig-
über 3,5–5 25 20 12 ±2 teilen:
a an Einlegteilen
b an Dübeln
über 5–6,5 30 25 15 ±3
c an Ankerschienen
über 6,5–8 35 30 15 ±3
1) zulässige Abweichung: ± 5
2) die angegebenen Werte gelten für den Endzustand, dabei ist auch der Volumenschwund der
Fugendichtungsmasse zu berücksichtigen.
B 1.3.11
wasserdicht auszuführen und sie außerdem Insgesamt erfordern Sichtbetonfassaden -verarbeitung »in einer Hand« erfolgen. Die
den W/Z-Wert im Stoßbereich verändern (was hinsichtlich der Ausführungsqualität, Beur- horizontale Fertigung ermöglicht eine sehr
zu Verfärbungen führen kann), sollte diesen teilung und des Sicherstellens der Ober- gute Betonverdichtung, was zu einer gerin-
ebenfalls besondere Aufmerksamkeit zuteil flächenqualität sowie der Bauteilkosten eine geren Porosität der Oberflächen führt. Trans-
werden. Neben einem regelmäßigen System detaillierte Vorplanung. Daher ist die Erstellung port- und Montagemöglichkeiten schränken
der Anordnung von Schalungsankern beein- eines Schalungsmusterplans sinnvoll, in dem jedoch den wirtschaftlichen Einsatz von
flusst schließlich die Ausbildung der Ankerko- die besonderen gestalterischen Merkmale schweren und großen Fertigteilen ein. Bezüg-
nen die Gesamtwirkung der Fassadenfläche. (wie Flächengliederung, Oberflächenstruktur lich der Bauteilstärke gelten vergleichbare
Die Praxis zeigt, dass ein bündiges Abspach- und konstruktive Details) festgelegt sind. Bedingungen wie beim Ortbeton. Im Fertig-
teln der Vertiefungen häufig zu unbefriedigen- Die Ausführung von Musterflächen – ver- teilwerk hingegen lassen sich bewehrte Bau-
den Resultaten führt (Abb. B 1.3.12). gleichbar in Maßstäblichkeit sowie Lage- und teile in deutlich schlankeren Dimensionen
Scharfe Kanten bedürfen besonderer Schutz- Herstellungsbedingung – stellt für die ange- von ≥ 7 cm bis 14 bzw. 16 cm realisieren.
maßnahmen gegen Beschädigung, was strebte Qualtität ein wichtiges Kontrollmedium Fertigteile können eine Fläche bis zu 14 m2
man bei der Festlegung bedenken sollte. dar. aufweisen, wobei man die maximale Länge
Abplatzungen müssen ausgebessert werden, Sichtbetonfassaden in Ortbeton bilden sowohl für Vorsatzschalen von 5 m nicht überschrei-
was sich meist in Farbabweichungen nieder- hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes, als auch ten sollte.
schlägt. in ihrer Herstellung letztlich Unikate, die nicht
Einen weiteren wichtigen Parameter stellt die exakt wiederholbar sind, da das Ergebnis Im Fertigteilwerk sind eine Reihe wirtschaftli-
Außenwanddicke dar, die neben der Anord- von vielen Einflussfaktoren abhängt. Ferner cher Bearbeitungsmöglichkeiten der Beton-
nung der Bewehrung abhängig ist vom tech- schränkt die Herstellung auf der Baustelle oberflächen realisierbar: Die Oberflächen las-
nisch richtigen Einbringen und Verdichten die Optionen von Oberflächenbearbeitungen sen sich mit Aufdickungen und Vertiefungen
des Betons. Unter Berücksichtigung einer ein [8]. plastisch gestalten sowie mit flächengliedern-
Innenrüttlergröße (etwa 40 mm) und erforder- den Scheinfugen strukturieren.
licher Mindestabstände der Bewehrung Fertigteile Auch bestehen Möglichkeiten, Verblend-
resultieren daraus bewährte Abmessungen Die Herstellung von Betonfertigteilen [9] bietet schichten mit (frostbeständigen) Bruch-
von ≥ 16 cm für vorgesetzte Schalen, besser eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber dem steinen, Vormauerziegeln, Naturstein- und
≥ 24 cm. Ortbetoneinsatz, da Betonherstellung und Keramikplatten herzustellen. Dazu werden
die Materialien mit der Sichtfläche auf dem
Schalboden positioniert und in mehreren
Betonschichten mit dem Fertigteil verbunden.
Im Regelfall kommt im Fertigteilwerk Normal-
beton zum Einsatz. Zunehmend werden
jedoch auch selbstverdichtende Betone
benutzt, die sich durch ihre sehr weiche
Konsistenz – und damit gute Verarbeitbarkeit
– besonders für Sichtbetonflächen eignen.
Die Anordnung und Ausbildung von Fugen
stellt ein wichtiges konstruktives Detail bei der
a b Arbeit mit Betonfertigteilen dar, wobei das
Mindestmaß von 10 mm abhängig ist von der
jeweiligen Tafellänge. Bei dunklen, besonders
temperaturempfindlichen Oberflächen müssen
die Fugenbreiten um 10 bis 30 % vergrößert
werden (Abb. B 1.3.13).
Für die Ausbildung der Fugen stehen eine
Vielzahl von Bändern und dauerelastischen
Dichtstoffen sowie einbetonierte Kunststoff-
profile zur Verfügung. Besondere Sorgfalt
erfordert die Ausbildung der vertikalen Fuge
an den Gebäudeecken. Im Allgemeinen
c d B 1.3.12
106
Beton
Elementmindestdicke [cm]
16 Fassadentafelanker
14
Druckschraube
12
10
Verstiftung
8
1 2 3 4 5 6 7
Elementlängen [m] a b c
B 1.3.13 B 1.3.14
gilt es als wirtschaftlicher, den Fugenanteil Betonwerksteinplatten in der Praxis die Bezeichnung »Sichtmauer-
zugunsten größerer Formate zu reduzieren. Eine Form der nicht bewehrten Fassaden- steine« etabliert. Diese weisen eine hohe
Der Einsatz von Betonfertigteilen erfordert bekleidung stellen die kleinformatigen, vor- Maßhaltigkeit auf und – aufgrund der Rohdich-
einen erhöhten Vorplanungsaufwand und gehängten Betonwerksteinplatten dar [10]. te zwischen 1800 und 2200 kg/m3 – auch gute
zudem – trotz einer Reihe verbesserter Produk- Hierunter sind plattenförmige Baustoffe sub- Schall- und Brandschutzeigenschaften.
tionstechniken – bei wirtschaftlichen Überle- sumiert, deren Abmessungen 0,2–1 m2 betra- Es besteht eine Vielfalt aufeinander abge-
gungen in der Regel größere Stückzahlen. gen. In der Regel werden diese hinterlüftet stimmter Steinformate, mit denen sich die Fas-
Im Bereich von Gebäudefassaden lassen sich und auf einer Unterkonstruktion eingesetzt. sade je nach Mauerverband, Farbigkeit und
drei Ausführungsvarianten unterscheiden: Ein Vorteil der kleinformatigen Platten liegt Oberflächenbearbeitung gliedern lässt. Außen-
darin, dass diese auch in Mauerwerk veran- wände werden im mitteleuropäischem Klima
• einschichtige, vorgehängte Wandtafeln kert werden können. Als Befestigungsmög- meist zweischalig (mit nicht tragender Vorsatz-
• zweischichtige, vorgehängte Wandtafeln lichkeiten dienen (Abb. B 1.3.5–7): schale) ausgebildet. Je nach Gebäudehöhe
• Sandwichelemente und bauphysikalischen Anforderungen kom-
• Einzelanker in Mörtel gesetzt men dabei Steindicken von 9 oder 11,5 cm
Großformatige, ein- und zweischichtige Beton- • Einzelanker mit Dübel befestigt zum Einsatz.
fertigteile werden bauseits mit Fassadentafel- • Hängeschienen als Unterkonstruktion Hinsichtlich der Steinformate existieren zwei
ankern an der Tragkonstruktion zwängungsfrei Systemreihen:
aufgehängt. Je nach System sind die Elemente Die Plattendicke ist abhängig von der Beton-
in einbetonierte Tragarme eingehängt oder mit festigkeit und beträgt in der Regel 4 cm, • Modulformate (M 10 nach DIN 18 000)
bauseits vorgesehenen Dübeln bzw. Anker- wobei auch je nach Abmessungen Dicken von • oktametrische Formate (M 8 nach DIN 4172)
schienen verschraubt. Ankerschienen eröffnen ≥ 2 cm möglich sind. Zur Bemessung und
hinsichtlich Montage und Fugenbild eine Verankerung gelten die gleichen Anforderun- Die oktametrische Reihe basiert auf 1/8 M
größere Anpassungsoffenheit. Nachstellbare gen aus der DIN 18 516 wie bei Naturstein- (= 125 mm) und spiegelt im Wesentlichen
Horizontalanker (wie Druckschrauben oder platten. die gängigen Steinformate wider. Die Modul-
Windanker) nehmen Druck- und Sogkräfte Für solcherart Fassaden gilt, dass mit steigen- formate auf Basis 1/10 M (= 100 mm) eröffnen
auf, definieren die Lage zur Tragschicht und dem Anteil von Metallelementen in der Unter- eine größere Formatvielfalt; mit unterschied-
gewähren mit Verstiftungen eine präzise Ein- konstruktion die Kosten zunehmen. Wirtschaft- lichen Steingrößen lassen sich Wandstärken
bindung in die Fassadenebene – auch wäh- liche Vorteile gegenüber Natursteinfassaden von 90, 115, 140, 190 und 240 mm herstellen,
rend der Montage. Alle Befestigungsmittel bestehen in der Regel nicht. beide Formatreihen sind kombinierbar.
müssen aus nicht rostendem Stahl ausgeführt Bei Betonwerksteinplatten gibt es eine große Hinsichtlich der Oberflächen bestehen neben
werden (Abb. B 1.3.14–16). Vielfalt hinsichtlich der Oberflächenbearbei- unterschiedlichen Farbvarianten vier gängige
Normalerweise verbinden Sandwichelemente tungen und je nach Gesteinskörnung ist eine Gestaltungsoptionen: glatt, porig, gestrahlt
die tragende und die dämmende Schicht in Breite Varianz in der Farbigkeit möglich. und bruchrau. Verwendet wird in der Regel
einem Bauteil mit der betonierten Ansichts- Weißzement, welcher die Farbwirkung der
fläche. Die Vorsatzschicht sollte aufgrund der Sichtmauerstein Steine steigert. Bei objektbezogenen Lösun-
Bewehrung nicht weniger als 7 cm und – zur Sichtmauersteine [11] stehen in der Tradition gen besteht die Möglichkeit einer Erweiterung
Vermeidung größerer Wechselverformungen – des Mauerwerkbaus. Durch die Kombinati- bzw. individuellen Anpassung der Farbpal-
nicht mehr als 10 cm betragen, die größte onsmöglichkeiten von (haufwerksporigem) lette.
Elementlänge (wie bei Wandtafeln) 5 m nicht Normalbeton mit unterschiedlichen Gesteins-
überschreiten (Abb. B 1.3.13). körnungen (u. a. Edelsplitten) und Farbpig- Faserzementplatten
Der Verbund der einzelnen Elemente erfolgt menten eröffnen sie allerdings eine Reihe von Spricht man heute von zementgebundenen
über Trag- (Vertikalkräfte) und Horizontalanker Optimierungen der Materialeigenschaften hin- Platten, wird darunter meist eine Kombination
(Horizontalkräfte). Verbundbügel und Verbund- sichtlich Dauerhaftigkeit und Gestaltung. aus Holzfasern (52 %) und Portlandzement als
sowie Anstecknadeln dienen zur Aufnahme der Bindemittel (38 %) sowie Wasser (9 %) und
Windlasten und Temperaturverwölbungen. Die Grundsätzlich differenziert man Vormauer- Holzmineralisierungsstoffe verstanden.
Anzahl der Wärmebrücken steigt mit der steine und Vormauerblöcke, wobei die Diese plattenförmigen Baustoffe weisen eine
Anzahl der Anker und Bügel. Schichthöhe die Abgrenzung bildet (bis Reihe von Vorteilen auf, die sich für den
Sandwichelemente können sowohl tragend als 125 mm = Steine, bis 250 mm = Blöcke). Bereich der vorgehängten, hinterlüfteten Fas-
auch ohne lastableitende Funktion eingesetzt Da diese Unterscheidung selbst in DIN 18 513 sade eigenen: weitgehende Feuchteresistenz,
werden. nicht durchgängig eingehalten wird, hat sich Frostbeständigkeit und kaum Dickenquellung.
107
Beton
gelungen der fertigen Oberfläche von Musterflächen erforderlich macht. Ferner weisen
>
band
Als die häufigsten Verfahren gelten das Aus- (Weiß- oder Portlandölschieferzement)
waschen (≥ 2 mm) und Feinwaschen (≤ 2 mm), • Gesteinskörnungen mit besonderer
wobei die oberste Feinmörtelschicht abgetra- Farbwirkung (roter Granit, Carrara
gen wird. Dies kann durch den Einsatz eines Marmor etc.)
Fassaden- Verzögerers, der auf die Schalung aufgebracht • Pigmenten (u. a. Eisenoxidgelb, Chrom-
>
_ 25 8–10 schraube wird, bis auf einen Millimeter der Oberfläche oxidgrün)
B 1.3.17
108
Beton
109
Beton
München, D 2002
Architekt: 8 9
Stephan Braunfels, Berlin / München
Tragwerksplanung:
Seeberger Friedl + Partner, München
Walther Mory Maier, Münchenstein, CH
Fassadenplanung: R+R Fuchs, München
a a
110
Beton
7
8 9
c c
10
bb
111
Beton
Meschede, D 2001
Architekt:
Peter Kulka, Köln / Dresden
mit Konstantin Pichler
Tragwerksplanung:
Dieter Glöckner, Düsseldorf
Bauüberwachung:
Hans Hennecke, Meschede
º Bauwelt 31/2001
domus 849, 2002
Schwarz, Ullrich (Hrsg.): Neue Deutsche
Architektur. Ostfildern 2002
Grundriss 2. Obergeschoss •
Schnitt Maßstab 1:500
Vertikalschnitt •
Horizontalschnitt
Maßstab 1:20
aa b
a b
112
Beton
4 6
5 7
c c
10 9
11
12
13
15
17
14
8 9 7 6 16
bb cc
113
Beton
Wohnhäuser
Monza, I 1972
Architekt:
Angelo Mangiarotti, Mailand
º A+U 12/1978
Bona, Enrico D.: Angelo Mangiarotti. Il
Processo del Construire. Mailand 1980
Finessi, Beppe (Hrsg.): Su Mangiarotti.
Katalog zur Mailänder Triennale für
Architektur und Design. Mailand 2002
Herzog, Thomas (Hrsg.): Bausysteme
von Angelo Mangiarotti. Darmstadt 1998
1 2 3
114
Beton
1 5 4
9 8
3 2
10
2 1
1 2+3
115
Beton
Kassel, D 1999
Architekt:
Alexander Reichel, Kassel
Tragwerksplanung:
Hochtief, Kassel
º Byggekunst 06/2001
Detail 04/2001
Kind-Barkauskas, Friedbert u. a.: Beton
Atlas. München/Düsseldorf 2001
aa bb
a a
Schnitte • Grundrisse UG
und 1./ 2. Obergeschoss
Maßstab 1:500
116
Beton
d c
1 2 3 4
d 5 c
Horizontalschnitt • Vertikalschnitte
Maßstab 1:20
1 Glasfaserbeton 30 mm,
über Eck geklebt
2 Wärmedämmung
Mineralwolle 120 mm
2 Aufbau Außenwand Küche:
Stülpschalung,
7 Lärche natur 22/88 mm,
Hinterlüftung
Spanplatte, zementge-
bunden 8 mm
Wärmedämmung
8 Mineralwolle 140 mm
Dampfsperre
OSB-Platte 15 mm
Installationsschicht mit
Mineralwolle 40 mm
Gipskartonplatte 12,5 mm
3 Aufbau Außenwand Bad:
4
Glasfaserbeton 30 mm
Wärmedämmung
8 Mineralwolle 120 mm
3 5 4 Faltschiebeläden,
Lärche natur 50 mm
5 Ortbetonstütze 240/240 mm
6 Handkurbel Faltschiebeladen
7 Glasfaserbeton 30 mm
6 Wärmedämmung
Mineralwolle 120 mm
Geschossdecke Stahlbeton
200 mm
8 Holzfenster Lärche,
transparent lasiert
cc dd
117
Beton
Ulm, D 1994
Architekten:
Steidle + Partner, München
Projektarchitekten:
Otto Steidle, Johann Spengler, Siegwart Geiger,
Alexander Lux, Peter Schmitz, Thomas Standl
a
º Arkitektur 05/1993 b
GA document 42, 1995
b
Feldmeyer, Gerhard G.: The New German
Architecture. New York 1993
Sack, Manfred u. a.: Steidle + Partner.
Universität Ulm West. Fellbach 1996 a
aa
118
Beton
6 7
8
c
c
6 7 7
bb cc
119
Beton
Schule
Lauterach, A 2000
Architekt:
Elmar Ludescher, Lauterach
1 Aluminiumfenster eloxiert
mit Festverglasung
2 Stütze Stahlrohr ¡ 150/100/8 mm
3 Faserzementplatten gelocht 8 mm
4 Stahlrohr | 40/40 mm
5 Stahlrohr ¡ 40/60 mm
120
Beton
b b
2 3
3
5
4
bb
aa
121
Beton
Studentenwohnheim 1
Coimbra, P 1999
2
Architekten:
Aires Mateus e Associados, Lissabon
cc
Schnitt • Grundriss Maßstab 1:1000
• geschlossene Betonfassaden mit vorge-
Horizontalschnitt • Vertikalschnitt Maßstab 1:20
fertigten, mattweißen Hohlblocksteinen als
Vormauerschale
• eigenständige Referenz zu bestehenden 1 Betonhohlblocksteine
Betonfassaden auf dem Campus weiß 390/140/190 mm
Hinterlüftung 15 mm
• schmale Fensterschlitze zur Belichtung von Dämmung 20 mm
Gemeinschaftsräumen Mauerwerk 110 mm
• kleinformatige Steine, Liniennetz der Fugen Glattputz 15 mm
und bruchsteinartige Oberflächenbearbeitung 2 Leibungsformstein
3 Sturzformstein
verleihen den Flächen einen lebhaft struktu-
390/140/190 mm
rierten Ausdruck
c c
aa
a a
b
b
bb
122
Beton
ESO Hotel
Architekten:
Auer + Weber, München
• Hotelanlage für Mitarbeiter der ESO (Euro- 1 1 Attika Sichtbeton, rostrot eingefärbt
pean Southern Observatory) am Cerro Para- 200 mm
2 Aluminiumfenster mit Festverglasung
nal, auf einer Höhe von 2600 m gelegen 3 Sichtbeton, rostrot eingefärbt 100 mm
• Betonfassade vor Hotelzimmern als wirksa- Dämmung 75 mm
mer Sonnen- und Überhitzungsschutz 2 Einbaumöbel Spanplatte furniert
• Stahlbeton als thermisch träge Masse zum 4 Rahmen Stahlrohr lackiert ¡ 50/20 mm
seitlich fixiert
Abpuffern der täglichen Temperaturschwan-
5 Geländerpfosten Stahlrohr lackiert
kungen (ca. 20 K) 3 ¡ 50/20 mm, auf in Betondecke eingelas-
• Fensterbelüftung, kleine Zusatzradiatoren für senes Stahlprofil gesteckt
extrem niedrige Temperaturen 6 Stahlbeton, versiegelt
• eingefärbte Sichtbetonflächen mit Eisenoxyd- 7 Blendschutz
8 Aluminiumfenstertür mit Isolierverglasung
Pigmenten, die auf Farbtöne der
Atacamawüste verweisen
aa
b
b
a bb
123
Holz
Materialeigenschaften
Von der Vielzahl der technischen Holzeigen-
schaften sind im Hinblick auf den Fassadenbau c f
folgende zu nennen:
125
Holz
B 1.4.6
Holzstrahlen Markröhre
Jahrring Rinde
Kambium Frühholz
Splintholz Spätholz
Kernholz
126
Holz
Vollholz Holzwerkstoffe
Brettschichtholz gipsgebundene
Gipsfaserplatte
(BSH) Flachpressplatte
B 1.4.4 Stadel mit Stall, Venetien (I) 1930er-Jahre
B 1.4.5 Kapelle, Somvix (CH) 1988, Peter Zumthor zementgebunde- Zementfaser-
ne Spanplatte platte
B 1.4.6 Verformungen von Vollholzquerschnitten
B 1.4.7 Stammabschnitt
Spanplatte mit Gipskartonfaser-
B 1.4.8 Einteilung der Holzprodukte und Holzwerkstoffe Faserdeckschicht platte
nach Art der Herstellung
bituminierte Holz-
Furnierspanplatte
faserplatte
B 1.4.8
setzt sind. Schnell ablaufende Feuchtewechsel keiten und Oberflächenqualitäten. Nachfol- variablem Querschnitt herstellbar und / oder
fördern die Rissbildung im Material besonders. gend ist eine Auswahl von Vollholzprodukten einfacher bzw. doppelter Krümmung bzw.
und Holzwerkstoffen dargestellt, die im Holz- Drehung in Längsachse. Ablauf:
Weitere Merkmale fassadenbau verwendet werden können:
Holz weist je nach Holzart und Standortbedin- • technische Trocknung von Brettern aus Na-
gungen des einzelnen Baumes in sehr unter- Rundholz, Baurundholz delholz auf eine Holzfeuchte von etwa 12 %
schiedlicher Häufigkeit und Dichte weitere Rundholz besteht aus Stämmen oder Stamm- • visuelle oder maschinelle Festigkeitssortie-
Merkmale auf wie Äste, Faserneigung, Mark- abschnitten. Stufen der Herstellung: rung ggf. mit Auskappen größerer Fehlstellen
röhre, Jahresringbreite, Risse, Rindeneinwuchs, • Keilzinken der Bretter zu Lamellen
Harzgallen, Krümmung, Verfärbungen, Druck- • Befreien der Stämme von der Rinde • Hobeln und Ablängen der Lamellen
holz und Insektenfraß. Diese Eigenschaften • ggf. Kalibrierung des Querschnittes über die • Klebstoffauftrag auf die Breitseite der Lamel-
führen zu einer breiten Streuung der Güte von Stammlänge len
Vollhölzern und spielen eine entscheidende • ggf. Fräsen von Entlastungsnuten bei größe- • Verkleben der Lamellen in einem geraden
Rolle bei der Frage, wo und wofür das einzelne ren Querschnitten, um Risse zu vermeiden oder gekrümmten Pressbett
Holz im Bau verwendet werden kann. • Freilufttrocknung ggf. mit nachgeschalteter • Möglichkeit, Bretter verschiedener Sortierklas-
technischer Trocknung sen über die Querschnittshöhe anzuordnen
• visuelle Festigkeitssortierung • Aushärten unter Druck
Außenwandbekleidungen • in der Regel Hobeln, Fasen und Längenzu-
Bauschnittholz, Vollholz aus Laub- und Nadel- schnitt auf Länge nach dem Aushärten
Außenwandbekleidungen übernehmen neben holz (LH NH)
den Schutzfunktionen vor Feuchte (besonders Bauschnittholz wird durch Einschneiden oder Profilbretter
Schlagregen), Temperatureinwirkungen (win- Profilieren aus Rundholz gewonnen. Ablauf: Gehobelte und profilierte Hölzer werden aus
terlicher und sommerlicher Wärmeschutz), Son- Rundholz gesägt, gehobelt und gefräst.
neneinstrahlung und Wind insbesondere die • Einschnitt z. B. mit Gatter- oder Block- Neben den in DIN 4072 und DIN 68 126 Teil 1
Funktion gestalterischer Aspekte des Gebäu- bandsägen enthaltenen Formen und Maßen sind entspre-
des. Aus dem Werkstoff Holz stehen neben • Freiluft- und / oder technische Trocknung chend den vorhandenen Werkzeugen zahlrei-
kleinformatigen Bekleidungen (z. B. Schindeln, • visuelle Festigkeitssortierung che Profilmodifikationen und Maßvarianten
Brettbekleidungen) je nach Zuschnitt mittel- • ggf. Keilzinken und Verleimen der Hölzer möglich. Die Bretter werden auf Bestellung im
bis großformatige Plattenbekleidungen zur • ggf. Hobeln und Fasen Hobelwerk gefertigt und sind über den Handel
Verfügung. Die Wahl der Außenwandbeklei- • ggf. Profilieren (Falze, Nut und Feder) zu beziehen (Abb. B 1.4.17).
dung beeinflusst die gestalterische Wirkung.
Brettschichtholz BSH Schindeln
Holz und Holzwerkstoffe Brettschichtholz ist ein vergütetes Vollholz, bei Schindeln werden mit Spaltbeil und Reifmesser
In der jüngeren Vergangenheit wurden zahlrei- dem der festigkeitsmindernde Einfluss der einzeln und meist von Hand vom Block abge-
che neue Vollholzprodukte und Holzwerkstoffe wachstumsbedingten Fehler und Schwächen spalten, keilig geschnitzt und je nach Schindel-
entwickelt, was zur Bereitstellung von Vollhöl- bis zu einem gewissen Grad aufgehoben wird. art mit Fase versehen. Für Wandbekleidungen
zern mit geringer Verfremdung des Holzes bei Es besteht aus mindestens drei faserparallel eignen sich auch gesägte Schindeln, die aller-
gleichzeitig gesicherter Qualität führte (Abb. miteinander verklebten, getrockneten Brettern dings aufgrund ihrer verletzten Oberflächen
B 1.4.8). Bei den Holzwerkstoffen liegt der oder Brettlamellen aus Nadelholz. Neben ein- weniger widerstandsfähig sind und schneller
Schwerpunkt auf der Optimierung von Festig- fachen, geraden Bauteilen sind Formen mit verwittern.
127
Holz
Nadel- Douglasie Fichte Kiefer Lärche Pine Tanne Western Western Holzwerkstoffe (HWS)
hölzer Weißtanne Hemlock Red Cedar Die Industrie bietet eine hohe Anzahl größten-
DGA FI KI LA PIP TA HEM RCW
teils plattenförmiger Holzwerkstoffe an. Diese
Holzfarbe gelblich Frühholz hellgelblich gelblich gelblich Frühholz Frühholz weiß
Splint/Kern weiß / rötlich gelblich- weiß / rötlich rötlich- rötlich / fast weiß, hell bräunl.- rotbraun sind unter möglichst guter Ausnutzung der
braun weiß weiß, nach- braun, gelblich Spätholz grau, Spät- nachdun- Holzeigenschaften optimiert für ihre Verwen-
nachdun- Spätholz bräunend, nachdun- bis rötlich blass holz nach- kelnd, dung in Konstruktionen. Zu den wesentlichen
kelnd, rötlich gelb, Spätholz kelnd, braun, rötlich, dunkelnd, Spätholz
Spätholz Splint / Kern dunkler Spätholz Spätholz Splint / Kern Splint / Kern dunkler Optimierungsschritten zählen:
dunkel nicht unter- tiefbraun dunkel nicht unter- nicht unter-
schieden schieden schieden • die Größe in Länge, Breite und Dicke für die
Wider- mittel, gering, gering bis mittel bis Splint gering, gering bis sehr groß Herstellung von größeren Bauteilen und Bau-
stands- Splint bläue- mittel, gering gering, bläue- mittel
fähigkeit bläue- empfindlich Splint sehr Kern empfindlich
teilflächen, dabei erreichen die aus Brettern
gegen empfindlich bläue- mittel oder Furnieren hergestellten Holzwerkstoffe
Pilze empfindlich meist deutlich höhere Festigkeiten als die
Wider- mittel gering gering mittel bis gering bis gering gering groß Vollhölzer gleicher Holzart
stands- groß mittel
fähigkeit
• die Festigkeit mit dem Ziel hoher Tragfähig-
gegen keit
Insekten • die Oberflächenqualität mit dem Ziel einer
Verbrei- Westküste Europa Europa, Mittel- südliches / Mittel- und nordwest- nordwest- breit angelegten Beanspruchbarkeit, z. B.
tungs- Nordameri- Nordwest- europa südöstliches Südeuropa liches Nord- liches Nord- hinsichtlich Erscheinungsbild (Bauteilober-
gebiet kas, in Euro- asien Nordameri- amerika, in amerika
pa kultiviert ka, Zentral- Europa flächen) oder Bewitterung (Fassaden)
amerika kultiviert
Holzfehler (z. B. Äste, Risse und Drehwuchs),
welche die Festigkeit deutlich herabsetzen kön-
Laub- Ahorn Azoba Buche Eiche Meranti Merbau Robinie Teak nen, sind bei naturgewachsenem Holz unver-
hölzer (Bongossi) (Rotbuche) dunkelrotes meidbar. Bei den Holzwerkstoffen hingegen
AH AZO BU EI MER MB ROB TEK
spielen sie keine oder nur eine untergeordnete
Holzfarbe gelblich hellrot hellgelblich grau / grau- gelblich- gelblich hellgelblich grau /
Splint / Kern weiß, seidig braun / bis rötlich- gelb, hell- grau bis weiß / hell- bis grünlich goldgelb, Rolle, da benachbarte Holzteile neutralisierend
glänzend, tiefrotbraun grau, Splint bis dunkel- rosagrau / braun bis gelb / grün- später wirken. Aus diesem Grund weisen Holzwerk-
Splint und mit leicht und Kern braun rötlichbraun rötlichbraun lich gelb bis mittel- bis stoffe eine größere Homogenität auf, das Quel-
Kern kaum violettem kaum zu nachdun- nachdun- olivgelb, dunkel-
unter- Ton unterschei- kelnd kelnd später rot- braun, oft len und Schwinden ist in der Regel deutlich
schieden den braun schmale kleiner als bei Massivholz. Grundsätzlich nimmt
glänzend schwarze die Anisotropie, d. h. das richtungsabhängige
Adern
Verhalten der Holzwerkstoffe, mit zunehmender
Wider- sehr gering, groß sehr gering groß groß bis sehr groß sehr groß sehr groß
stands- auch ge- mittel
Zerlegung ab.
fähigkeit genüber
gegen Bläuepilzen Kunstharzgebunde Holzwerkstoffe
Pilze Aus zerkleinerten Holzteilchen mit Bindemitteln
Wider- zum Teil sehr groß gering groß mittel bis groß bis groß sehr groß (Phenol-, Resorcin- und andere Harze) stab-
stands- sehr groß sehr groß (termiten-
fähigkeit gering fest) oder plattenförmig hergestellte Holzwerkstoffe.
gegen
Insekten Mehrschichtplatten
Verbrei- Europa Westafrika Europa Europa Südost- Südost- südöstli- Südost- Die Platten bestehen aus drei oder fünf Brett-
tungs- bis asien asien, Ma- ches Nord- asien, kulti-
gebiet Kleinasien dagaskar, amerika, viert in den lagen, die jeweils im rechten Winkel gekreuzt,
Papua Neu- in Europa übrigen Tro- aufeinander gelegt und miteinander verklebt
guinea u.a. kultiviert pengebieten werden. Die Bretter der Decklagen liegen
a parallel zueinander. Die Festigkeitseigenschaf-
ten weisen eine sehr große Bandbreite auf. Sie
Holzwerk- Drei- und Furnier- Spanplatte – Fassaden- Holzfaser- Zementfaser- können mit der Qualität des verwendeten Hol-
stoffe Fünfschicht- schichtholz Flachpress- sperrholz / platten platten
platten platte Siding zes und den Dickenverhältnissen der einzelnen
Sperrholz Schichten gesteuert werden.
Holzarten / Nadelhölzer, Kiefer (Produkt Klebstoffge- Furnier- vorwiegend zellstoffarmierte
Werkstoffe in erster Linie Kerto), Dougla- bunden FP: sperrholz mit aus Fichte, Kalziumsilikat- Furnierschichtholz FSH und SVL
Fichte und sie, Southern Holzspäne: dünnem, fehler- Tanne, Kiefer, platten, Funierschichtholz (FSH) entsteht durch Ver-
Douglasie, Pine (Produkt Kiefer, Buche, freiem Deck- Buche, Birke, bestehend aus
Kunstharze ggf. Microlam), Birke; Erle usw. furnier speziell Pappel, Portlandzement,
kleben von rund 3 mm dicken, getrockneten
Holzschutz- Kunstharze holzartige für Fassade Eukalyptus; silikatischen Schälfurnieren aus Nadelholz. Man unter-
mittel SVL: Faserstoffe, holzartige Zuschlagstoffen scheidet folgende Furnieranordnungen:
Oregon Pine, Kunstharze; Faserstoffe aus und Zellstoff-
Douglas Fir zementge- Einjahrespflan- fasern
nach bundene FP: zen mit oder oh- • FSH-S, alle Funierlagen mit Faserrichtung
DIN 68 705-3 Holzspäne; ne Bindemittel- parallel, längs zur Produktionsrichtung, für
Fichte, Tanne zusatz: Kunst- vorwiegend lineare Bauteile und Beanspru-
als Armierung, harze, Natur-
mineralische harze, Hydro- chungen
Bindemittel: phobierungs- • FSH-Q, mit vorwiegend gleicher paralleler
Portland mittel (Wachse / Faserrichtung und einzelnen Furnierlagen
Zement, Paraffin) und
Magnesitbinder Schutzmittel
in Querrichtung, für flächige Bauteile sowie
gegen Schäd- flächige Beanspruchungen
linge und • FSH-T, entspricht hinsichtlich der Faserrich-
Feuer tung dem FSH-S, wird jedoch aus leichteren
b B 1.4.9
128
Holz
Furnieren (geringere Rohdichte) mit entspre- Vollholzprodukte Rundholz Bauschnittholz Profilbretter Schindeln
chend geringerer Tragfähigkeit hergestellt. (Baurundholz) (Vollholz aus Laub-
und Nadelholz)
Die Verbindung der Furniere einer Lage
erfolgt im Allgemeinen durch eine Schäftung Holzarten Fichte, Tanne, Fichte, Tanne, Kiefer Fichte, Tanne Western Red Cedar
Kiefer, Lärche Lärche, Douglasie Kiefer Lärche
oder eine Überlappung. Douglasie, Buche [Holzart- Lärche Eiche
weitere Holzarten gruppe A], Eiche Douglasie
SVL (Structural Veneer Lumber) sind vorwie- gemäß DIN [Holzartgruppe A],
gend stabförmige Bauteile. Sie bestehen aus 1052-1 / A 1, Tab. 1 Bongossi [Holzart-
an den Decklagen miteinander verklebten Fur- gruppe C], Teak
[Holzartgruppe A]
nierschichtholz-Lamellen. Die Lamellen werden
Oberflächen- von entrindete sägerau, ggf. egalisiert oder spaltrau,
aus mehreren 2,5 mm dicken Furnierlagen mit
qualitäten bis glatte hobeln und fasen gehobelt sägerau
Faserverlauf in Plattenlängsrichtung verklebt. Oberfläche
Die Längsverbindung der Lamellen erfolgt mit- B 1.4.10
tels Keilzinken (Abb. B 1.4.14). B 1.4.9 a Eigenschaften von Nadelhölzern und Laubhölzern
b Holzwerkstoffe und ihre Bestandteile
Spanplatte-Flachpressplatte FP B 1.4.10 Vollholzprodukte und ihre Bestandteile
Flachpressplatten werden durch Verpressen
von kleinen Holzspänen mit Klebstoffen oder Zur Vermeidung von Rissen müssen sie gung aus. Bretter mit Breiten über 120 mm
mineralischen Bindemittel hergestellt. Die jedoch das zu erwartende Quellen und müssen mit zwei Befestigungen angebracht
Späne liegen vorzugsweise parallel zur Ober- Schwinden zulassen [1]. werden, jeweils in den Drittelpunkten der Brett-
fläche und werden in der Regel mehrschichtig breite. In Brettlängsrichtung liegt der maximale
oder mit gleichmäßigem Übergang in der Befestigungsmittel Befestigungsabstand bei 100 cm. Der Rand-
Struktur ausgebildet. Von den verschiedenen Holzverbindungs- und abstand rechtwinklig zur Faser soll mindestens
Befestigungsmitteln werden im Fassadenbau 1,5 cm betragen, in Faserlängsrichtung min-
Holzfaserplatten hauptsächlich Nägel und Schrauben einge- destens 5 cm.
Harte Holzfaserplatten (HFH), mittelharte Holz- setzt. Bei Nägeln ist auf die ausreichende Bei Gebrauch von Schrauben mit Bohrspitzen
faserplatten (HFM) und mitteldichte Holzfaser- Einschlagtiefe zu achten; der Richtwert liegt kann der Abstand reduziert werden (abhängig
platten (MDF) werden im Trockenverfahren bei 35 mm. Der Nagelkopf darf über die Ober- von der Holzart). Je höher die Dichte und
(HFH und MDF) mit Bindemitteln oder im Nass- fläche des Holzelementes weder herausragen damit auch die Härte des Holzes, desto eher
verfahren (HFH und HFM) ohne Bindemittel noch darf er dieses verletzen. ist Vorbohren notwendig. Das Gleiche gilt für
durch starkes Verpressen hergestellt. Die Schrauben bieten den Vorteil einer lösbaren geringe Randabstände. Alternativ kann mit
Bindung beruht auf der Verfilzung der Faser Befestigung z. B. im Falle möglicher Sanie- selbstbohrenden Schrauben gearbeitet wer-
sowie deren eigener Verklebungsfähigkeit. rungsarbeiten. Die Mindesteinschraubtiefe liegt den.
Für mittragende und aussteifende Zwecke bei 25 mm. Auch der Schraubenkopf darf
müssen die harten Holzfaserplatten (HFH) weder über die Oberfläche der Holzelemente Unterkonstruktion
eine Mindestrohdichte von 950 kg/m3 und die herausragen noch zu tief im Holz versenkt wer- Die Unterkonstruktion stellt die dauerhafte
mittelharten /mitteldichten Holzfaserplatten den. Es dürfen nur Kreuzschlitz- oder Torx- Verbindung zum Tragwerk dar. Unebenheiten
(HFM / MDF) eine Mindestrohdichte von schrauben mit Teilgewinde verarbeitet werden. der Wand müssen ausgeglichen werden.
650 kg/m3 aufweisen. Harte Holzfaserplatten Solche mit Bohrspitze oder Reibkopf verringern Gelegentlich hat die Unterkonstruktion auch
(HFH) haben ein nahezu gleiches Verhalten in die Spaltgefahr und ermöglichen daher einen die angebrachte Wärmedämmung zu tragen.
beide Richtungen der Plattenebene. Durch geringeren Randabstand. Grundsätzlich ist die Ausführung mit und ohne
unterschiedliche Pressdrucke, Temperaturein- Fassadenelemente können auch mit Klammern Hinterlüftung der Holzfassade möglich.
wirkungen und Bindemittel können die Eigen- oder speziellen Befestigungshaken montiert Bei nicht hinterlüfteten Fassaden sollte auf eine
schaften verändert werden. werden. Die Oberfläche sollte in diesem Fall rückseitige Beschichtung der Holzelemente
beschichtet und beharzt sein (erhöhter Aus- sowie das Anbringen einer diffusionsoffenen,
Zementfaserplatten ziehwiderstand). Ein kaum vermeidbarer Nach- regendichten Bahn geachtet werden.
Die zellstoffarmierten Kalziumsilikatplatten teil dieser Befestigungsart sind Quetschungen Durchgehende Hinterlüftung ist wegen des
bestehen aus Portlandzement, silikatischen der Holzoberfläche. Risikos von Durchfeuchtung ratsam (20 mm
Zuschlagstoffen und Zellstofffasern (Anwen- Befestigungshaken und Patentklammern die- ≤ 40 mm). Luftein- und Luftaustrittsöffnungen
dungsmöglichkeiten siehe Kapitel B 1.3 Beton). nen der nicht sichtbaren Befestigung (Abb. sind mit Gittern sorgfältig zu verschließen,
B 1.4.36). Diese Elemente werden auf die da Insekten sonst auf vielfache Weise Schä-
Materialien auf Holzbasis mit neuen Anwen- Unterkonstruktion genagelt oder geschraubt den im organischen Material verursachen
dungsoptionen und greifen in Nut-Federprofile ein. Nachteilig können. Bei offenen Fugen der Fassade ist
• OSB-Platten in Kombination mit Verbund- wirkt sich der erhöhte Montageaufwand aus. der dahinter liegende Bauteil regendicht
materialien als Konstruktionselemente Ein dauerhafter Korrosionsschutz der Befesti- auszubilden. Die Unterkonstruktion ist nach
• Holz-, Hanf-, Leinen- Jutefasern, z. B. in der gungsmittel ist erforderlich, um eine Verfärbung statischen Gesichtspunkten zu dimensionieren
Automobilindustrie zur Herstellung von der Oberfläche, verursacht durch rostende [2].
Innenelementen im Auto Metallteile oder infolge chemischer Reaktionen
• WPC Wood / Plastic Composites in Extru- mit Kerninhaltstoffen zu verhindern. Für Kern- Oberflächen
sions- und Injektionsverfahren holzarten wie z. B. Eiche und Lärche sollten Unbehandelt belassenes Holz vergraut durch
nur Verbindungsmittel aus Edelstahl verwendet Bewitterung und die Einwirkung von ultraviolet-
Befestigung werden. tem Licht. Das Lignin im Holz wird dabei pho-
Man unterscheidet sichtbare und verdeckte to-oxidativ abgebaut und durch den Regen
Befestigungen. In der Hauptsache sollen Befestigungsabstände ausgewaschen. Es kommt zu einer Faserab-
diese die Fassadenbauteile zuverlässig fixieren Die Anzahl der Befestigungspunkte in Brett- lösung in den Deckschichten und je nach
und – besonders bei Vollholzquerschnitten breite ist abhängig von dessen Dimension. Bis Holzart begleitend dazu zum Befall Holz ver-
wie Brettern – deren Verdrehen verhindern. zu einer Breite von 120 mm reicht eine Befesti- färbender Pilze.
129
Holz
B 1.4.11 Funierschichtholz
B 1.4.12 Brett
B 1.4.13 Dreischichtplatte
B 1.4.14 SVL (Structural Veneer Lumber)
B 1.4.15 Fünfschichtplatte
B 1.4.16 Profilbretter
B 1.4.17 Furniersperrholz BFU
B 1.4.18 Extrudierte Hollzfaserprofile
B 1.4.11 B 1.4.12
Chemische Mittel
Bei der Anwendung von chemischen Holz-
schutzmitteln zum vorbeugenden Schutz vor
Pilz- und Insektenbefall werden nach ihrer Kon-
stitution wasserlösliche (überwiegend anorga-
nische Salze), ölige (z. B. Steinkohlenteeröl),
lösemittelhaltige und Emulsionskonzentrate
unterschieden. Chemische Holzschutzmittel
enthalten in der Regel Gifte in Form von biozi-
den Wirkstoffen. Vor dem Einsatz von chemi-
schen Holzschutzmitteln sollten die baulichen
Maßnahmen ausgeschöpft werden. Grundsätz-
lich ist chemischer Holzschutz nur erforderlich,
wenn die Gefahr eines Befalls durch Holz zer-
störende Insekten besteht. Wenn sichergestellt
ist, dass die Holzfeuchte 20 % nicht übersteigt,
B 1.4.13 B 1.4.14
liegt in der Regel keine Gefahr für den Befall
durch Holz zerstörende Pilze vor. Liegt sie
unter 10 %, ist kein Insektenbefall zu erwarten.
Bleiben Holzkonstruktionen offen und somit
Insektenbefall kontrollierbar, kann in der Regel
– außer für tragende Bauteile – ebenfalls auf
chemischen Holzschutz verzichtet werden.
Biologische Mittel
Holzbehandlungen sind auch möglich mit was-
serlöslichen Borsalz-Imprägnierungen (Borax-
mischungen, Borsäure), Wachsen (Hartwachs,
Balsame, Lösungen), Naturharzprodukten
(Lacke, Öle, Lasuren), Ölen, Holzessig, Holz-
teer, Pech, Präparaten mit Zitrusölen bzw. Ex-
trakten aus natürlich resistenten Holzarten. Pro-
blematik: Derzeit bestehen keine baulichen Zu-
B 1.4.15 B 1.4.16
lassungen für biologische Holzschutzmaß-
nahmen. Die konkrete Wirksamkeit, abgesehen
von Borverbindungen, ist nicht allgemein gültig
nachgewiesen. Zum Teil sind längere Trock-
nungszeiten des Anstrichs und Nachbehand-
lungen erforderlich.
Oberfächenbehandlungen
a) Imprägnierungen
bewirken eine wasserabweisende Oberfläche
sowie einen Schutz vor Insekten und Mikroor-
ganismen durch Biozide. Sie sind offenporig,
nicht filmbildend und nicht penetrierend.
Der Einsatz von Farbpigmenten ist möglich,
um Imprägnierungen zu kennzeichnen.
b) Lasuren
besitzen eine Mittelstellung zwischen Impräg-
B 1.4.17 B 1.4.18
130
Holz
B 1.4.19 B 1.4.20
131
Holz
B 1.4.27 B 1.4.28
g) Öle
sind die einfachste, billigste und ökologisch
beste Methode der Oberflächenbehandlung,
jedoch mit geringer Widerstandskraft (beson-
ders gegen mechanische Beanspruchung):
Es kommen vor allem Leinöl- und Kräuterfirnis-
se sowie Halböle in Betracht. Im Vergleich zu
Wachs besserer Schutz gegen Nässe und Ver-
schmutzung.
h) Belagstoffe
Holzwerkstoffe können nicht nur furniert, son-
dern auch mit Belagstoffen beschichtet wer-
den. Bei diesen unterscheidet man dekorative
und rollfähige Schichtstoffe sowie Folien und
Linoleum.
B 1.4.29 B 1.4.30
Generelles zu Beschichtungen
Bei Holzteilen im Außenbereich, die direkter
Sonnenstrahlung ausgesetzt sind, sollten eher
helle und stärker bis deckend pigmentierte
Beschichtungen (z. B. Lasuren) verwendet wer-
den, um Oberflächenspannungen durch Tem-
peratureinwirkung (Quellen und Schwinden)
möglichst gering zu halten (schwarz gestriche-
ne Bauteile heizen sich unter starker Sonnen-
einstrahlung bis ca. 70 °C auf, weiß gestriche-
ne Bauteile nur bis ca. 40 °C). Laubhölzer sind
weniger harzreich und eigenen sich deshalb
für Lasuranstriche besser als Nadelhölzer. Auf
die harzreichen Hölzer (besonders Kiefern- und
Lärchenholz) sollten an sonnenbestrahlten Stel-
len keine dunklen Lasuren gestrichen werden
(Ausschwitzen des Harzes, Fleckenbildung).
B 1.4.31 B 1.4.32 Um die Haltbarkeit von Oberflächenanstrichen
zu erhöhen, sollten Kanten in der Regel abge-
rundet werden. Innenanstriche sind mit einem
dampfdichteren Präparat als Außenanstriche
auszuführen (Lacklasuren innen / Dünnschicht-
lasur außen), um ein Abblättern der Farbe des
Außenanstriches durch Wasserdampfdiffusion
zu verhindern [3].
Anmerkungen:
132
Holz
B 1.4.35
B 1.4.42 B 1.4.43
B 1.4.36
133
Holz
Sea Ranch
Architekten:
Moore Lyndon Turnbull Whitaker, Berkeley
Tragwerksplanung:
Davis & Morreau, Albany
º A+U 09/1989
DBZ 02/1994
Marrey, Bernard: Des Histoires de Bois.
Paris 1994
MLTW / Moore Lyndon Turnbull and
Whitaker: Sea Ranch. Reihe GA Nr. 3.
Tokio 1981
3 3 3 3
aa
2 4
a a
c c
Grundriss • Schnitt
Maßstab 1:500
Vertikalschnitt • Horizontalschnitt
Maßstab 1:20
134
Holz
Paris, F 1983
Architekt:
Roland Schweitzer, Paris
Mitarbeiter:
Alexandre Levandowsky, Paris
º AC 110, 1984
Herzog, Thomas u. a.: Holzbau Atlas
München / Basel 2003
1
• Brettschalung vertikal
• Außenschalung lasiert
• Raster 60 cm, vorgefertigte Wandelemente
• sehr niedrige Baukosten
2 e e
aa
4
a a
c c d d
135
Holz
Justizgebäude
Bordeaux, F 1998
a
Architekten: b
Richard Rogers Partnership, London
Tragwerksplanung:
OTH Sud-Ouest, Bordeaux
º architecture 01/1999 b
Bauwelt 27/1998
Lemoine, Bertrand: Frankreich 20. Jahr-
hundert. Basel / Berlin / Boston 2000
aa
136
Holz
8
2 1
4
1
5
6
6
1 Abdeckung Zinkblech
2 Furnierschichtholz 2x 39 mm
3 Aluminiumfenster lackiert mit Isolierverglasung
ESG 6 + SZR 12 + VSG 2x 4 mm
4 Holzschalung West Red Cedar 18/70 mm,
diagonal verlegt
Unterkonstruktion Holzleiste Kiefer 27/60/40 mm
8 Abdichtung
9 Sperrholz 5 mm
Holzleisten fugendicht vertikal Kiefer 32/32 mm
10 Wärmedämmung 80 mm
Dämmung Mineralfaser 50 mm, Luftschicht
Schalldämmung 40 mm zwischen
Holzunterkonstruktion 20 mm
11 Holztafelbekleidung Ahorn
5 Sperrholz 20 mm
6 Holzschalung West Red Cedar 18/70 mm,
diagonal genagelt auf
Konterlattung vertikal 38/38 mm
Abdichtung
Gipskarton 10 mm
Wärmedämmung 80 mm zwischen 8
Dämmung Mineralfaser 50 mm, Luftschicht
Schalldämmung 40 mm zwischen
Holzunterkonstruktion 20 mm
Holztafelbekleidung Ahorn
7 Luftabzugshaube für Lüftungstechnik
Holzschalung West Red Cedar 18/70 mm, diagonal
verlegt auf Holzunterkonstrukion
8 Holzskelett aus Furnierschichtholz Douglasie / Fichte
ringförmig verlaufend zwischen vertikalen, leicht
10
gekrümmten Holzpfosten BSH 110/180 mm
9 Leibung BSH 58 mm
12 10 Scharnier
11 Türblatt:
Bekleidung Western Red Cedar 10 mm
Sperrholz 10 mm
Hartholzrahmen mit Dämmung 35 mm
Bekleidung Ahorn 10 mm mit integrierter Bleischicht
bb 12 Konsole Flachstahl gestrichen als Auflager für 8
137
Holz
Lillehammer, N 1993
Architekten:
Snøhetta, Oslo
b
• Ergänzung zum existierenden Kunst Museum 1 2
aus den 1960-Jahren
• Konstruktion der Außenschalung in Anleh-
nung an den Bootsbau
4
cc
8
1 Abdeckung Aluminium- Gipskarton 2≈ 12,5 mm
zinkblech Lattung 48 mm
2 Lärchenholz umlaufend Holzwerkstoffplatte
aa
4 23/98 mm 18 mm mit Textil-
3 Stahlrohr | 180/180 mm bespannung, weiß
4 Holzschalung vertikal 5 Holzschalung horizontal
mit Stufenfalz mit Stufenfalz
Lärche 28/75 mm Lärche 40/40 mm
Lattung 48 mm 6 Holzaussteifung 98/48 mm
Konterlattung 23 mm 7 Gipskarton 9 mm
Abdichtung Holzrahmen mit
c c
Gipskarton 9 mm Wärmedämmung 148 mm
Wärmedämmung Gipskarton 2≈ 12,5 mm
2x 198 mm 8 Aluminiumfenster mit
Dampfsperre Isolierverglasung
a a
bb
138
Holz
Café
Architekt:
Niko Sirola, Woodstudio 2000,
Helsinki University of Technology
Tragwerksplanung:
Nuvo, Espoo
4 9
aa
12
a 5 6 9
8
10
b b
4
c c
a
cc
1 Attikaabdeckung Stahlblech
verzinkt, schwarz beschichtet
2 Dübel Edelstahl Ø 12 mm
3 Stahlbolzen verzinkt Ø 10 mm
4 Brettschichtholzelement 145 mm,
außen geflämmt und mit Teeröl
imprägniert, innen geschliffen
5 Schraube Ø 10 mm
6 Türblatt Brettschichtholz-
element 100 mm
7 Brettschichtholzelement
Fichte verleimt 145 mm
8 Bodenleuchte
9 Festverglasung ESG 10 mm
10 Schiebetür ESG 10 mm
11 Füllholz gehobelt 25/35 mm
2 7 8 7
12 Flachstahl schwarz lackiert ¡
10/50 mm
13 Sperrholzplatte wasserfest 16 mm
aa bb 13
139
Holz
Forststation
Turbenthal, CH 1993
Architekten:
Burkhalter Sumi, Zürich
º DBZ 07/1996
Detail 03/1995
gta (Hrsg.): Marianne Burkhalter, Christian
Sumi. Die Holzbauten. Zürich 1996
Herzog, Thomas u. a.: Holzbau Atlas.
München / Basel 2003
1 1
2 2
3 aa bb
140
Holz
1 Abdeckblech, gekantet
2 Verwaltung: 5 3
Holzschalung waagrecht 21/230 mm
Lattung 40/80 mm
dampfdurchlässiges Windpapier
Wärmedämmung 120 mm
zwischen Holzständern
Dampfsperre
Kiefernholzplatte 19 mm
3 Baumstamm Ø 300–380 mm
4 Massivholz Lärche 120 mm
5 Garage:
Holzschalung senkrecht 21/230 mm
Lattung 40/80 mm
dampfdurchlässiges Windpapier
Wärmedämmung 80 mm
(wo erforderlich)
Stahlbeton 200 mm
b b
a
2
141
Holz
Wohnhausgruppe
Regensburg, D 1996
Architekten:
Fink + Jocher, München
º A+U 04/1997
Bauwelt 25/1997
DBZ 03/1999
Detail 01/1997
Pfeifer, Günter u. a.: Der neue Holzbau.
Aktuelle Architektur – Alle Holzbausysteme –
Neue Technologien. München 1998
aa
c c
a a
b b
142
Holz
1
4
2 3 b 5 dd
d d
4
3
6 5
7 7
bb cc
143
Holz
Tsukuba, J 1995
Architekten:
Naito Architect & Associates, Tokio
º l'ARCA 12/1995
Bauwelt 38/1997
Detail 04/1996
The Japan Architect 46/2002
• zweischaliger Wandaufbau
außen: Holzbrett, Zeder, Spalte mit Acrylglas-
scheibe geschlossen
innen: Deckbrettschalung, Zeder
• verschiebbare Holzelemente
b b
a a
144
Holz
8 9
1 2
c c
6
3 4
bb
6
b b
cc
145
Holz
Parkhaus
Heilbronn, D 1999
Architekten:
Mahler Günster Fuchs, Stuttgart
º A+U 03/2001
Bauwelt 06–07/2000
Casabella 691, 2001
146
Holz
1 3 7
bb
1 3
10 6
14
b b
7 17
8 16
15
aa
147
Holz
Mehrgeschossiges Wohnhaus
Innsbruck, A 1996 b
Architekten:
Kathan Schranz Strolz, Innsbruck
10
5 8 9 b
• Stülpschalung, Eiche
• Wandschalung inklusive Lattung, Dämmung
und Fenster als verlorene Schalung für
Recyclingbeton
• hoher Vorfertigungsgrad
3 4 5 6
2 8
a a
a a
10
148
Holz
Triesenberg, FL 1994
Architekt:
Hubert Ospelt, Vaduz
Mitarbeiter:
Marcus Freund
2 3 bb
• viergeschossigerHolzbau
• optisch feine Schindelstruktur auf
stereometrisch klarem Baukörper 1
• Decken, Wände sowie Dach in Brettstapel-
konstruktion
• deckengleiche Unterzüge aus BSH-Buche
zur Einleitung der Deckenlasten in Stützen
ohne weitere Hilfsmittel
3
b b
1 Regenrinne Kupferblech
2 Holzschindeln Lärche, zweilagig
Horizontalschalung
Lattung vertikal 80/80 mm
Schalung horizontal 40/60 mm
a genagelte Brettstapelplatte 80 mm
3 Aluminium-Holzfenster mit
a Isolierverglasung
aa 4 Holzfensterbank Lärche
149
Holz
Wohnhaus
Architekten:
Heinz und Nikolaus Bienefeld, Swisttal-Ollheim
Tragwerksplanung:
Rainer Mertens, Köln
• Furnierschichtplatten, Fichte
• Holzblocktafelbau d = 110 mm
• diffusionsoffenes System
• hoher Vorfertigungsgrad
d d
e e
aa
4
b b
c c 6
a a
dd ee
150
Holz
5 3
bb cc
151
Holz
GucklHupf
Architekt:
Hans Peter Wörndl, Wien
aa
152
Holz
Studentenwohnheim
Coimbra, P 1999
Architekten:
Aires Mateus e Associados, Lissabon
1
• glatte Holzpaneele 80 cm breit, in drei ver-
schiedenen Höhen 2
• jedes Apartment besitzt Fenster mittlerer
Paneelhöhe und doppelter Paneelbreite mit
zwei Holzklappläden
• Holzfassadenseite ständig verändert durch
Lebensrhythmus der Bewohner
3
aa
1 Betonplatte 50 mm
2 Putz glasfaserverstärkt
3 Laden Sperrholz 20 mm
4 Sperrholzplatte 8 mm,
phenolharzgebunden
Hinterlüftung 20 mm
Dämmung 50 mm
Mauerwerk 200 mm
Glattputz 15 mm
c c
4
3
bb cc
153
Metall
155
Metall
B 1.5.5 B 1.5.6
Verlagshaus von Harper & Brothers eine fünf- bestimmten Zweck und eine definierte Ein- Für die Entwicklung von Metallfassaden ist die-
geschossige Straßenfassade aus vorfabrizierten bausituation ausgelegt ist, werden ab Beginn ser Konstruktionstyp insofern von Bedeutung,
Gusseisenelementen. des 20. Jh. »Normstahlprofile« entwickelt, als die geschlossenen Felder im Bereich von
Im Allgemeinen sind die zu dieser Zeit an der die hinsichtlich bestimmter Lastfälle optimiert Brüstungen und Geschossdecken zwischen
Fassade sichtbaren Stahl- und Eisenelemente sind. den sichtbaren metallischen Tragprofilen oft
Teile des Tragwerks: bei der Sayner-Hütte von im Material angepasst werden. Dies führt zu
C. L. Althans beispielsweise in Verbindung mit Vergleichbare Gedanken führen bei Architek- Fassaden, deren Erscheinungsbild außer durch
Glas (1828–30) oder bei Jules Saulniers Scho- ten wie Ludwig Mies van der Rohe zur Entwick- einen hohen Verglasungsanteil vor allem durch
koladenfabrik Menier in Noisel-sur-Marne in lung von speziellen Fassadenprofilen und -ele- die einheitliche Wirkung eines Metalls bestimmt
Verbindung mit Ziegeln (1871–72). menten. Es entsteht schließlich ein völlig neuer, wird. Neben beschichtetem Stahl kommen
Weitere typische Anwendungen von Gusseisen nur noch sich selbst tragender Fassadentyp dabei auch andere Metalle zum Einsatz, wie
im 19. Jh. stellen vorfabrizierte Geländer, aus vor das Skelett-Tragwerk gehängten Ele- Edelstahl, Aluminium, Bronze oder wetterfester
Brüstungen und ganze Systeme für vorgelager- menten, der als »Curtain Wall« bezeichnet Stahl.
te Balkon- bzw. Laubenzonen dar (Abb. wird. Dieses neue Prinzip der Lastabtragung Die Lake Shore Drive Appartments (Mies van
B 1.5.4), die z. T. noch heute das Stadtbild von in der Fassade ermöglicht durch die stark der Rohe, 1949/50) und das Chicago Inland
New Orleans prägen. Aufgrund seiner hohen reduzierten Profilquerschnitte im Zusammen- Steel Building von SOM (1954/55, Abb.
Festigkeit ermöglicht das Material filigrane und hang mit einer verbesserten Verglasungstech- B 1.5.11) gelten als nennenswerte Beispiele für
permeable Konstruktionen, die sich durch die nik einen großen Schritt auf dem Weg zur eine Ausführung in Edelstahl, das Seagram
Art der Herstellung (Guss) als sehr wirtschaft- vollverglasten Fassade, wie sie Mies van der Building in New York von Mies van der Rohe
lich erweisen und zu dieser Zeit teilweise in Rohe, Bruno Taut u. a. Anfang des 20. Jh. (1955–57, Abb. B 1.5.12) für eine Anwendung
großen Mengen »auf Lager« produziert werden. in visionären Entwürfen darstellen. von Bronze, das Alcoa Building in Pittsburgh
Als frühes Beispiel für eine nahezu vollständig
opake Metallfassade gilt ein 1905 von Georges
Chédanne erbautes Bürohaus in der Rue Réau-
mur in Paris, bei dem dieser das sichtbare
Stahlskelett mit genieteten Blechen ausfacht.
Hier ist Stahl das dominierend Gestalt prägen-
de Material.
156
Metall
B 1.5.11 B 1.5.12
der Architekten Harrison & Abramo (1950–53) fertigter Paneele und Sandwichkonstruktionen fassaden steht häufig die Möglichkeit im Vor-
für Aluminium und das Chicago Civic Center durch Verfeinerung der eingesetzten Ferti- dergrund, mit diesen Werkstoffen Bekleidun-
(Charles F. Murphy mit SOM,1963–66, Abb. gungs- und Verbindungstechniken vorantrei- gen sehr freier Gebäudeformen realisieren zu
B 1.5.13) für den Einsatz von wetterfestem ben, wie Fritz Haller (siehe S. 170f.), Norman können, was sowohl fortgeschrittene computer-
Stahl. In Europa werden Fassaden nach dem Foster (siehe S. 172f.) oder Nicholas unterstützte Planungs- und Umformtechniken
Prinzip des »Curtain Wall« in technisch weitge- Grimshaw (Abb. B 1.5.9 und 10). ermöglichen, als auch der Einsatz von sehr
hend ausgereifter Form ab etwa 1955 realisiert. dünnem Metallblech auf hochkomplexen
Optische Wirkung Unterkonstruktionen.
Der Beitrag von Jean Prouvé Aufgrund seiner Resistenz ist Metall vor allem Zu der oft sehr skulpturalen Wirkung dieser
Jean Prouvé (1901–84), ausgebildeter Kunst- als Werkstoff für die Außenhaut von Verkehrs- Bauten tragen wesentlich die besonderen
schlosser, gilt als bedeutender Konstrukteur mitteln gebräuchlich, sei es im Flugzeug-, Oberflächeneigenschaften von Metallwerk-
von Metallfassaden. Wesentliche Halbzeuge Fahrzeug-, Eisenbahn- oder Schiffsbau. stoffen bei. Zu Beispielen dieser Art gehören
wie Metallblech und -profile sind bereits Dieser Tatsache sind nicht nur wesentliche die glatte, schillernde Titanhaut des Guggen-
zu Beginn seiner Laufbahn verfügbar, sich technische Errungenschaften zu verdanken, heim Museums in Bilbao (Frank Gehry, 1997,
daraus ergebende Anwendungsmöglichkeiten vielmehr spielt die aus diesen Bereichen Abb. B 1.5.16), die Zinkblechbekleidung
im Fassadenbereich jedoch noch kaum abgeleitete Ästhetik auch für die Architektur des Jüdischen Museums in Berlin (Daniel
erkundet. In seinem Interesse an maschineller eine besondere Rolle. Metallwerkstoffe als Libeskind, 1998) und die Bauten der »Thames
Metallbearbeitung orientiert sich Prouvé an »Außenhaut« von Gebäuden sind in besonde- Barrier« (Ingenieure Rendel Palmer & Tritton,
der industriellen Praxis und treibt insbesonde- rem Maße in der Lage, ein Bild von »Technik« 1982, Abb. B 1.5.14) sowie der raue Bleimantel
re den Bereich der Metallblechumformung zu vermitteln (Abb. B 1.5.9 und 10). Bei den des Auditorio Romano in Rom (Renzo Piano
deutlich voran. aktuellen Entwicklungen im Bereich der Metall- Building Workshop, 2003, Abb. B 1.5.15).
Er widersetzt sich dem allgmeinen Trend einer
immer weiter fortschreitenden Arbeitsteilung,
indem er das Planen, Experimentieren und
Fertigen in der eigenen Werkstatt belässt und
so die wesentlichen Schritte unter seiner Kon-
trolle behält. Gleichzeitig werden Möglichkeiten
ausgelotet, die sich aus neuen Fertigungstech-
niken wie zum Beispiel dem autogenen oder
Lichtbogenschweißen ergeben.
Als Konstrukteur und Hersteller arbeitet er
mit bedeutenden Architekten seiner Zeit
zusammen und untersucht als einer der
Ersten thermisch getrennte Konstruktionen.
Für das Maison du Peuple in Clichy (1935–39,
Abb. B 1.5.6) entwickelt er die erste komplett
aus Metallblechen hergestellte »Curtain
Wall« Fassade. Weitere bedeutende Werke
sind das Wohngebäude am Square Mozart
in Paris (1954, siehe Abb. S. 258) mit vertikal
verschieb- und ausstellbaren Sonnenschutz-
elementen sowie der Citroën Verkaufsraum
in Lyon (1930/31). Dessen große Schau-
fensterfassade zeichnen rautenförmige,
aus gebogenen Blechen hergestellte Profile
aus [1].
157
Metall
B 1.5.14 B 1.5.15
Neue Entwicklungen, neue Metallwerkstoffe Metallschichten finden sich heutzutage auf der Wärmeausdehnung eine besondere
Die Weiterentwicklung der Metalllegierungen einer wachsenden Anzahl von Trägermateriali- Bedeutung zu, da sich hieraus ergebende
ermöglicht immer genauer angepasste Werk- en (u. a. auf Glas, Kunststoffen inklusive Mem- Bewegungen durch die Art der Fügung und
stoffeigenschaften für die unterschiedlichsten bran- und Folienmaterialien). Konstruktion aufgenommen werden müssen.
Anwendungsfälle. Daneben gibt es eine Reihe Neben der Temperatur der Luft ist vor allem
von neuen Techniken, die zu anderen Werk- Strahlung maßgeblich für die Materialerwär-
stoffstrukturen führen, wie beispielsweise zu Werkstoffeigenschaften mung, die bestimmt wird von der Farbe und
dreidimensionalen Metallschäumen (Abb. von den Reflexions- und Absorptionseigen-
B 1.5.17). Das Potenzial liegt dabei vor allem Bei den meisten im Bereich der Fassade einge- schaften des jeweiligen Metallwerkstoffes.
im statisch belasteten Leichtbau, weshalb mit setzten Metallen handelt es sich nicht Die Abb. B 1.5.18 und 24 zeigen Zusammen-
diesen Werkstoffen derzeit vorwiegend im um deren Reinform sondern um Legierungen. hänge hinsichtlich der Metalloberflächen. Die
Fahrzeugbau experimentiert wird. Abb. B 1.5.19 stellt die maßgeblichen Eigen- meisten dieser Werkstoffe reagieren unter
Viele Neuerungen sind beim Einsatz von Ver- schaften der gebräuchlichsten Werkstoffe für Umwelteinflüssen und verändern dabei ihr
bundwerkstoffen (so genannte Composites) den Einsatz im Fassadenbereich dar, sortiert Erscheinungsbild. Bei einigen Metallen sind
zu erwarten, die die spezifischen Eigenschaf- nach ihrer Ordnungszahl. Metallwerkstoffe mit diese korrosiven Vorgänge sehr problematisch
ten der einzelnen Werkstoffe in einen Wirkungs- einer Dichte von höchstens 4,5 g/cm3 werden hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit im konstrukti-
zusammenhang bringen. als »Leichtmetalle« bezeichnet, wobei Titan mit ven Bereich. Bei Stahl kann es beispielsweise
Als bedeutend für die optische Wirkung einer 4,51 g/cm3 normalerweise noch dazu gezählt im Korrosionsfall zu Volumenveränderungen
Fassade gelten zudem Entwicklungen der wird. Alle Metallwerkstoffe gelten als gas- und bis zum Faktor 7 kommen. Bei anderen Metal-
Beschichtungstechnik. Zum Zwecke der Refle- damit auch als dampfdicht. len wiederum färben die Abschwemmprodukte
xion von Strahlung aufgebrachte, dünnste Aus konstruktiver Sicht kommt der Eigenschaft (Kupfer, wetterfester Stahl) oder sind unter
Umständen schon in kleinen Mengen stark
toxisch (Blei). Neben dem korrosiven »Loch-
fraß« kann das Phänomen der Kontaktkorrosion
auftreten, wenn verschiedene Metalle entweder
direkt kombiniert werden oder wenn Feuchtig-
keit – beispielsweise Regenwasser – von der
Oberfläche eines Metalls auf ein anderes Metall
gelangt und so eine Brücke für Ionentransport
(Elektrolyse) entsteht. Hinweise gibt diesbe-
züglich die so genannte Oxidationsreihe, die
Metalle in unedel (mit niedrigem Spannungs-
potenzial, leicht zu oxidieren) und edel (mit
hohem Spannungspotenzial, schwer zu oxidie-
ren) einteilt. Die Spannungsdifferenz der tat-
sächlich wirksamen chemischen Erscheinungs-
form (oft Oxide) bestimmt die Korrosionsgefahr.
Ggf. muss eine neutrale Zwischenlage bzw.
Isolierung eingesetzt werden [2].
Wie Abb. B 1.5.18 darstellt, sind bestimmte
Metallwerkstoffe korrosionsresistent, andere
bilden entweder von alleine oder künstlich
gesteuert eine regenerative Korrosions-
schutzschicht (Patina, siehe hierzu auch
Abb. B 1.5.24). Eine dritte Gruppe (Eisen
und Stahl) bedarf besonderer Behandlung,
um Umwelteinflüssen zu widerstehen. Korro-
sionsschutzmaßnahmen und ggf. weitere
Oberflächenbehandlungen müssen sorgfältig
aufeinander abgestimmt werden.
B 1.5.16
158
Metall
B 1.5.17
Reinmetalle Fe-Legierungen
Gold Titan Eisen Aluminium Kupfer Blei
(Auswahl1)
Legierungen
Edelstahl Stahl wetterf. Stahl Titanzink Bronze
(Auswahl2)
Korrosions-
korrosionsresistent zusätzlicher Korrosionsschutz bildet selbstständig die optische Wirkung verändernde
verhalten3
(ohne Gestaltveränderung) erforderlich Korrosionsschutzschicht (kann künstlich beschleunigt werden)
notwendige Korrosions-
flüssige feste Beschichtung galvanische
schutzmaßnahme,
Beschichtung (Pulverbesch., Emaillieren) Behandlung
Kombinationen möglich
Oberflächen,
mechan. Oberfl.-Behandlung nicht schichtbildende chemische Oberfl.-Behandlung schichtbildende chemische Oberfl.-Behandlung
Kombinationen
möglich • Sandstrahlen • Polieren • Reinigen • Brünieren • Auftrags- • Emaillieren • Galvanisieren
• Kugelstrahlen • Wasserstrahlen • chem. Entgraten • Metallspritzen schweißen • Plattieren • Lackieren
• Bürsten • Prägen • Ätzen • Schmelztauch- • Eloxieren • Bekleben
• Schleifen • Bombieren • Beizen beschichten • Oxidieren • Bedrucken
B 1.5.18
zusätzl. Korrosions-
schutz erforderl. ° ° • • ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
farbliche Weiter-
entwicklung ° ° • • ° • • • • • • • ° •
Abwasser färbend ° ° • • ° • • • • ° ° ° ° °
159
Metall
Läppen
Abtragen thermisch Brennschneiden
z. B. der Verbesserung der Stabilität.
Plasmastrahl Oft werden Metallwerkstoffe auch mit anderen
Laserstrahl Materialien kombiniert, wodurch Verbundwerk-
Zerlegen Elektronenstrahl stoffe entstehen. Hierzu gehören beispiels-
Schmelzsägen weise die in Abb. B 1.5.22 dargestellten Mehr-
Funkenerodieren
elektrochemisch schichtplatten. Im Wesentlichen kommen Stahl
Ätzen und Aluminium, teilweise auch Kupfer zum
Reinigen chemisch Beizen Einsatz.
Scher-Lochlaibung
Sandwichelemente aus Metallblechen
Schrauben gleitfest-vorgespannt
Stecken mit Passschrauben Kaltpressπ Punktπ Metallwerkstoffe eignen sich aufgrund ihrer
Klemmen Ultraschallπ Buckelπ Eigenschaften (z. B. hohe Festigkeit bei guter
Flechten, Verseilen Reibπ Rollennahtπ Umformbarkeit) besonders für die Herstellung
reversibel Spleißen Lichtbogenπ Stumpfπ ganzer Verbundbauteile, so genannte Sand-
Fügen
Widerstandπ induktives π
Pressschweißen Gaspressπ wichelemente (siehe Abb. B 1.5.21 und Kapitel
dauerhaft Schweißen Schmelzschweißen Gasπ A 2.1). Hierbei werden zwei Metallbleche
Löten Weichlöten < 450 °C Laserπ meist durch einen schubfesten Dämmstoffkern
Nieten Hartlöten 450–900 °C Plasmaπ flächig zu einer biegesteifen, konstruktiven Ein-
Schrumpfen Hochtemp.-löt. > 900 °C Elektronenstrahlπ
heit verbunden (ähnlich dem Querschnitt eines
Kleben Pressschweißen Lichtbogenπ Lichtbogenhandπ
Schmelzschweißen Wolfram-Inertgasπ Knochens). Eine Steigerung dieses Effektes ist
Metall-Inertgasπ durch eine vorangehende Umformung der Ble-
Tauchen Metall-Aktivgasπ che möglich. Hierbei lässt sich die statische
flüssig Spritzen Belastbarkeit in eine Richtung (z. B. durch Kan-
Streichen, Rollen
ten) oder in zwei Richtungen (z. B. durch Tief-
ziehen) erhöhen.
Beschichten
elektrostatisches Pulverbeschichten
fest
Emaillieren Mit solchen Bauteilen, die im Wesentlichen
durch Transportanforderungen und verfügbare
gasförmig Aufdampfen
Blechbreiten in ihrer Größe beschränkt sind,
Galvanisieren lassen sich bei relativ geringer Dicke und
andoische Oxidation geringem Gewicht hohe Steifigkeiten und
ionisiert
elektrolytische Tauchabscheidung Spannweiten sowie eine schnelle Montage
chemische Tauchabscheidung Diffusionsglühen erzielen. Das Prinzip des Sandwichelements
Grobkornglühen
Normalglühen
ist aufgrund der Dämmeigenschaften in Verbin-
Stoffeigensch. ändern
160
Metall
B 1.5.20 Fertigungstechniken
B 1.5.21 diverse Sandwichplatten Stahlblech
B 1.5.22 diverse Mehrschichtplatten Aluminium
B 1.5.23 Zusammenhang zwischen Fertigungstechniken
und Produkten
B 1.5.24 Oberflächen von Metallwerkstoffen natürlicher
und künstlicher Korrosions- und Patinierungsfor-
men (Auswahl)
B 1.5.21 B 1.5.22
Ur-/ Um- Walzen Strang-
formverfah- Gießen Ziehen
(warm / kalt) pressen
ren
Produkte
zur
Weiter-
verar- Profilblech Lochblech Streckmetall Seil
beitung
Einzelteil aus flächiges (2D) Produkt aus lineares (1D) Produkt aus
taktweiser Fertigung kontinuierlicher Fertigung kontinuierlicher Fertigung
B 1.5.23
B 1.5.24
161
Metall
Metallfassaden – Grundkonstruktionen
162
Metall
Tafeln mit offenen Fugen mit gekanteten Blechen Kassetten Lamellen Schuppung flächiger Ele- Überlappung formstabili-
bezogene Rahmen mente (Bleche) sierter flächiger Elemente
• Befestigung sichtbar • allseitige Kantungen wir- • lineare Kantungen oder
oder unsichtbar • Aufrechterhaltung der ken formstabilisierend stranggepresste Ele- • Befestigungspunkte von • Formate herstellungsab-
• zweite, Wasser führende Spannung problematisch • Fügung lösbar mente darüberliegendem Ele- hängig
Ebene erforderlich • zweite, Wasser führende • Lamellenabstände sind ment verdeckt • Stabilität ungleich in
Ebene erforderlich so zu wählen, dass kein • Elementgrößen beide Richtungen
Wasser eindringen kann beschränkt
• Stöße sollten unterlegt • Bei Stahl Korrosionsge-
werden fahr wegen Durchdrin-
gung
• typisch: Blei, Zink,
Kupfer
liegender Falz stehender Falz Überlappung von Tafeln unsichtbare Befestigung stranggepresste Sonder- formstabilisierte Einzelele-
mit zusätzlichem örtlichen über Einschub formen mente mit Befestigung
• auch mit Befestigung • auch ohne kombinierte Element über stoßabdeckendes
kombinierbar Befestigung • Elemente nicht einzeln • auf Belüftung der Kam- drittes Element
• Falzausbildung vor Ort • Falzausbildung vor Ort • Gefahr von Kontaktkorro- austauschbar mern ist zu achten
• Fügung lösbar • starke Strukturierung der sion durch ungeeignete • Behandlung der Ele- • Formstabilisierung z. B.
Fläche Materialkombination mentfuge in anderer durch Zugdruckumfor-
• Fügung lösbar • örtliches Befestigungse- Richtung nicht adäquat mung (Tiefziehen)
lement von außen sicht- möglich • Elemente einzeln aus-
bar • Unterkonstruktion nur tauschbar
senkrecht zu den Stegen
erforderlich
• Elemente nicht einzeln
austauschbar
Sandwichelemente mit Sandwichelemente mit Be-- Tafeln mit Fügung über hinterlegte Bleche Abdeckung über vertikal mehrteilige Klemmverbin-
Befestigung über die festigung über stoßabdeck- zusätzliches Dichtungsele- aufgekanteten Stoß dung über örtlichem
Fugen endes drittes Elemement ment • Ergänzende allseitige Befestigungselement
Kantungen wirken form- • als Horizontalfügung
• Befestigung unsichtbar • Einbau in Pfosten-Riegel- • Elemente einzeln aus- stabilisierend nicht ausführbar wegen • Formstabilisierung durch
• Unterkonstruktion nur in Konstruktion tauschbar, wenn Dich- • Elemente einzeln aus- Wasserableitung Kantung des Elements
einer Richtung erforder- • Elemente einzeln aus- tungselement öffenbar tauschbar • Elemente einzeln aus- • Elemente einzeln aus-
lich tauschbar tauschbar tauschbar
• Elemente nicht einzeln
austauschbar
(Einbaureihenfolge) H = Horizontalschnitt, V = Vertikalschnitt
B 1.5.26 Metallfassaden – Grundkonstruktionen (Auswahl)
163
Metall
B 1.5.27 B 1.5.28
B 1.5.29 B 1.5.30
B 1.5.31 B 1.5.32
B 1.5.33 B 1.5.34
164
Metall
B 1.5.35 B 1.5.36
B 1.5.37 B 1.5.38
B 1.5.39 B 1.5.40
B 1.5.41 B 1.5.42
165
Metall
Anmerkungen:
166
Metall
B 1.5.49 B 1.5.50
B 1.5.51 B 1.5.52
B 1.5.53 B 1.5.54
167
Metall
Halbleitermontagewerk
Architekt:
Von Seidlein, München
Peter C. von Seidlein, Horst Fischer
Bearbeiter Fassade:
Thomas Herzog
º db 01/2002
Grube, Oswald W.: Industriebauten
international. Stuttgart 1971
Von Seidlein, Peter C.: Zehn Bauten
1957–97. Katalog zur Ausstellung
Architekturgalerie München, 1997
a
aa
168
Metall
12
1 13 1
12
2
3
4 11 15
16
5
bb cc
7 8 7 8
4 10 10
5 11
3 6
169
Metall
Brugg-Windisch, CH 1966
Architekt:
Fritz Haller, Solothurn
Fassadenplanung:
Hans Diehl, Neuenhof Baden
1 Abdeckblech
2 Geschossabschlussblech
3 geschlossenes Fassaden-
element:
tief gezogenes Edelstahlblech
Wärmedämmung
glattes Stahlblech
4 Jalousie
5 Isolierverglasung
6 Edelstahlsprosse horizontal
7 Stütze Stahlrohr Ø 318 mm
mit Brandschutzverkleidung
8 Kondenswasserablauf Ø 8 mm
9 Klimagerät, Verkleidung
gespritzt a
10 Primärluftleitung
11 Deckenrandblech gespritzt a
12 Stahlprofil ∑ 70/70/6 mm
13 Edelstahlsprosse vertikal
14 Tragkonstruktion zur
Aufhängung der Fassade
15 Glasfalzleiste
16 Abdeckprofil Edelstahl
170
Metall
13 14 15
2
3
3 5 16
bb cc
6
7
8 9
b b
10
11
c c
7 a 9
È 31 6
12
aa
16 a 5
171
Metall
Norwich, GB 1978
Architekten:
Norman Foster & Associates, London
Tragwerksplanung:
Anthony Hunt Associates, Cirencester
1 3 a
4
2
172
Metall
3
2
b b
3
11
10
6
12
6 7 8
cc
7
c
8
aa 3 9 c 12 10 4 11 bb
173
Metall
Wohnhaus
Sottrum-Fährhof, D 1995
Architekten:
Schulitz + Partner, Braunschweig
º Bauzeitung 04/2001
DBZ 12/1997
Schulitz, Helmut C. u. a.: Stahlbau Atlas.
München / Basel 1999
1 Anpressprofil Leichtmetall
45/26 mm
2 Isolierverglasung 24 mm
3 Pfosten-Riegel-Konstruktion BSH
4 Wellblech Leichtmetall 18/76 mm
Lattung / Hinterlüftung 45 mm
Wind- und Regendichtung
Spanplatte 19 mm
Lattung, dazwischen Mineral-
faserdämmung 50 mm
Mineralfaserdämmung 70 mm
Dampfsperre
Gipskarton 2x 12,5 mm
5 Stahlrohr ¡ 50/100/2,9 mm
6 Stahlrohr | 80/80/2,9 mm
7 Kantholz
8 Stahlblech gekantet als
Abstandshalter für Hinterlüftung
9 Dichtung EPDM
174
Metall
7 6
4 8 9 1 2
2
3
aa
1 2
a a
7
175
Metall
Pavillon
Amsterdam, NL 2000
b b
a a
4 5
aa 3 bb
176
Metall
Nordische Botschaften
Berlin, D 1999
Architekten:
Berger + Parkkinen, Wien
Pysall Ruge, Berlin
Tragwerksplanung:
IGH, Berlin
Fassadentechnik (Kupferband):
DEWI, Wien
º AIT 12/1999
l'architecture d'aujourd'hui 07–08/2000
A+U 384, 2002
domus 07–08/2000
a a 4
6 3
2
8 7 8 7 aa
177
Metall
Museum Kalkriese
Bramsche, D 2002
a c
Architekten:
b b
Gigon & Guyer, Zürich
mit Volker Mencke
º Architecture 09/2002
A+U 10/2000
Casabella 706–707, 2002/2003
DBZ 06/2002
Detail 01–02/2003 a c
El Croquis 102, 2000
d
e e
178
Metall
1
3
3 2
9
4
6
10
11
dd
10
cc ee
179
Metall
Architekt:
Josef Paul Kleihues, Berlin / Dülmen
Kontaktarchitekt:
A. Epstein and Sons, Chicago
• entwurfsbestimmende Proportionsgrundlage
durch das Quadrat; in der Fassade in
Bandraster integriert
• Fassade aus leicht pyramidenförmigen,
eisenspangestrahlten Gussaluminiumplatten,
vorgehängt mittels Edelstahlbolzen
• unregelmäßige Schattierung (Patinierung) der
Fassade durch Korrosion von kleinen Eisen-
partikeln, die nach dem Strahlvorgang in der
weichen Aluminiumoberfläche verblieben
sind
aa
180
Metall
11
2 1
cc
1 Fassadenpaneel:
Quadratplatten Aluminium-
gussteile mit strukturierter
Oberfläche, mit speziell
angefertigten außen
sichtbaren Edelstahl-
schrauben befestigt
Luftschicht
Stahlblech, verzinkt
Wärmedämmung Polystyrol
Hartschaum extrudiert
5
Wärmedämmung Mineralfaser
4 Stahlblech
2 Unterkonstruktion Stahlrohr
| 65/65 mm
3 Flachstahl zur Befestigung
der Stahlunterkonstruktion
8 am Haupttragwerk
4 Abdeckgitter Heizung:
Aluminium eloxiert in
Holzrahmen
5 Aluminiumfenster mit
Isolierverglasung
ESG 16 + SZR 12 + ESG 6 mm
6 Rollo als Blendschutz,
motorbetrieben
7 abgehängte Decke
c c Gipskarton
8 Brandschutzversiegelung
9 EPDM-Dichtungsprofil in
offener Fuge
1 10 im Sockelbereich:
11
Kalksteinplatte, mit speziell
angefertigten außen sicht-
baren Edelstahlschrauben
befestigt
9 11 Gipskartonständerwand
10
bb
181
Glas
Flachglas
Im 1. Jh. n. Chr. führen verbesserte Glasrezep-
turen und die Entwicklung des Zylinderstreck-
verfahrens zur Herstellung der ersten flachen,
durchsichtigen Gläser. Durch die Erfindung des
Mondglasverfahrens im 4. Jh. n. Chr. werden
klare Scheiben mit sehr glatten Oberflächen
hergestellt. Diese von den Syrern entwickelten
Verfahren werden im Laufe der Zeit weiter opti- B 1.6.3
miert und bestimmen die Glasproduktion bis in
das ausgehende 19. Jh. [1].
Glassteine
Eine interessante Erfindung des späten 19. Jh.
stellen die 1886 von dem Franzosen Falconnier
entwickelten, mundgeblasenen Glasbausteine
dar, die später von bekannten Architekten wie
Guimard, Perret und Le Corbusier eingesetzt
werden. Beim »Glaseisenbeton«, einer ab 1907
verwendeten massiven Variante, ermöglichen
die seitlich im Glasstein angebrachten Rillen
B 1.6.1 Bauhaus Dessau (D), 1926/1976, Walter Gropius einen kraftschlüssigen Verbund von Glas und
B 1.6.5
183
Glas
Beton. Auf diese Weise können erstmals große, Metall, zerbricht Glas bereits bei einer gering-
tragfähige und lichtdurchlässige Platten herge- fügigen Überschreitung der Grenze seiner
stellt werden. Daneben gibt es schalenförmige elastischen Verformbarkeit. Die Druckfestigkeit
Hohlglassteine, die mit der Öffnung nach innen des Glases ist mit 1000 N/mm2 mit der von
bzw. unten vermauert werden. Anwendungs- Stahl vergleichbar. Die Biegebruchfestigkeit
beispiele finden sich in den Glaspassagen von liegt jedoch bei herkömmlichem Floatglas
Prag, Budapest und anderen europäischen lediglich bei ca. 30 bis maximal 60 N/mm2.
Städten. Der heute bekannte Glasstein entsteht
ca. 1930, als erstmals zwei schalenförmige Chemische Eigenschaften
Glassteine unter Hitze und Druck dauerhaft Glas besitzt aufgrund seiner silikatischen
zusammengefügt werden – eine Technik, die Zusammensetzung eine hohe chemische
bis in die Gegenwart in dieser Form angewen- Resistenz gegen aggressive Substanzen; aus-
det wird. genommen sind Flusssäure, heiße alkalische
Lösungen und Wasser. Letzteres wird beson-
ders dann zur Gefahr, wenn Gläser längere
Werkstoffeigenschaften Zeit stehendem Wasser ausgesetzt sind, wie
beispielsweise liegend gelagerte Scheiben.
Zusammensetzung
Glas besteht im Wesentlichen aus Quarz- Brandschutzeigenschaften
sand, Soda, Kalk sowie anderen Zuschlags- Glas ist ein nicht brennbarer Baustoff, beginnt
stoffen, die zur Herstellung bei Temperaturen jedoch bei etwa 700 °C weich zu werden und
über 1000 °C eingeschmolzen werden (Abb. hält aufgrund seiner geringen Temperatur-
B 1.6.7). Diese Schmelze erstarrt ohne Kristal- wechselbeständigkeit kaum Differenzen von
B 1.6.6 lisation bei Temperaturen unter ca. 680 °C mehr als 60 K stand. Die im Falle eines Bran-
Siliciumdioxid (SiO2) 69–74% (Floatglas) allmählich, der Übergang vom des auftretende Hitzestrahlung wird fast voll-
Calciumoxid (CaO) 5–12%
flüssigen in den festen Zustand bleibt reversi- ständig durchgelassen.
bel. Die hohe Transparenz ist auf das Fehlen
Natriumoxid (Na2O) 12–16%
einer kristallinen Molekularstruktur zurückzu- Schallschutzeigenschaften
Magnesiumoxid (MgO) 0–6% führen, wodurch Licht ohne Streuung durch Aufgrund seiner geringen Masse ist Glas im
Aluminiumoxid (Al2O3) 0–3% das Glas dringen kann. Aufgrund seines mole- Vergleich zu anderen Baustoffen ein guter
diese Zusammensetzung ist europaweit in der EN 572, kularen Aufbaus ist Glas ein amorpher, isotro- Schallleiter, dem jedoch durch die Verwendung
Teil 1 festgelegt per Werkstoff, d. h. seine physikalischen Eigen- von Mehrscheibengläsern entgegengewirkt
B 1.6.7 schaften sind richtungsunabhängig [3]. werden kann. Durch den Scheibenzwischen-
100 raum wird eine akustische Entkoppelung von
Optische Eigenschaften innen und außen erreicht, welche die Schall-
80
Die spektrale Durchlässigkeit von Glas reicht für übertragung hemmt. Mehrscheibengläser gibt
60 die Solarstrahlung von ca. 300 bis ca. 2500 nm. es in unterschiedlich starken Ausführungen,
40 Undurchlässig ist Glas sowohl für den langwel- zudem können die Zwischenräume zusätzlich
ligen Infrarot-Bereich oberhalb von 2500 nm als mit einem Schwergas gefüllt werden.
20
auch für den Strahlungsanteil des biologisch
wirksamen UV-Lichts unterhalb von 315 nm
200 1000 2000 2800
Wellenlänge [nm] (Abb. B 1.6.8). Der Großteil kurzwelliger Solar- Glasarten für den Fassadenbau
2 mm 4 mm 6 mm 10 mm strahlung gelangt jedoch durch das Glas hin-
B 1.6.8 durch und erwärmt dahinter befindliche Ober- Floatglas
flächen. Diese reflektieren langwellige Wärme- Floatglas (Spiegelglas) ist ein hochwertiges,
Eigenschaften Symbol Zahlenwert m. Einheit strahlung, die nicht mehr durch das Glas drin- klares Flachglas mit ebenen und planparallelen
Dichte bei 18 °C r 2500 kg/m3 gen kann. Eine damit verbundene Erwärmung Oberflächen. Es stellt im Fassadenbereich das
des Raumes bezeichnet man als »Glashaus-« Ausgangsmaterial für den Großteil der heute
Härte 6 Einheiten
nach Mohs Skala bzw. »Treibhauseffekt«. hergestellten Ein- und Mehrfachverglasungen
dar. Die maximale Scheibengröße liegt bei
Elastizitätsmodul E 7 ≈ 1010 Pa
Thermische Eigenschaften 321 x 600 cm, wobei Überlängen gegen Auf-
Poissonsche Zahl m 0,2
Im Bauwesen werden hauptsächlich Alkali- preis erhältlich sind. Die verfügbaren Glasdi-
spezifische Wärmekapazität c 0,72 ≈ 103 J/(kg ≈ K) Kalk-Silikatgläser eingesetzt, deren thermische cken bewegen sich zwischen 2 und 19 mm [4].
mittlerer thermischer Ausdehnung in etwa vergleichbar ist mit der
Ausdehnungskoeffizient a 9 ≈ 10-6 K-1 von Stahl. Sie liegt jedoch deutlich unter dem Tafelglas
Wärmeleitfähigkeit l 1 W/(m ≈ K) thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Tafelglas ist ein maschinell gezogenes, durch-
mittlerer Brechungsindex im Aluminium, was besonders bei Fassadenkon- sichtiges Flachglas mit einer etwas geringeren
sichtbaren Wellenlängenbereich struktionen zu beachten ist. Qualität als Floatglas, was auf den Herstel-
von 380 nm bis 780 nm n 1,5
Die hohe Wärmeleitfähigkeit von Glas ergibt für lungsprozess im Ziehglasverfahren zurückzu-
B 1.6.9 eine 4 mm starke Floatglasscheibe einen Wär- führen ist. Charakteristisch sind die senkrecht
B 1.6.6 Sainsbury Centre, Norwich (GB) 1978, medurchgangskoeffizient von 5,75 W/m2K. zur Ziehrichtung liegenden Wellen im Glas, die
Norman Foster & Associates sowohl in der Durchsicht als auch im Reflexi-
B 1.6.7 Zusammensetzung von Glas Mechanische Eigenschaften und Festigkeit onsbild erkennbar sind.
B 1.6.8 Verlauf der spektralen Transmission verschiede- Die silikatische Grundmasse verleiht allen Glä-
ner Scheibendicken von Floatglas mit einem
mittleren Gehalt von 0,10 % Fe2O3 im Glas
sern Härte und Festigkeit, gleichzeitig jedoch Antikglas
B 1.6.9 allgemeine physikalische Eigenschaften von Glas auch eine besondere Sprödigkeit. Im Gegen- Antikglas wird im Mundblasverfahren herge-
B 1.6.10 Herstellung von Glasprodukten für Fassaden satz zu elastisch verformbaren Materialien wie stellt, wobei ein zylinderförmiger Hohlkörper
184
Glas
3. Ebene
(Veredelung,
Vorspannen Vergütung)
Laminieren
mit Abstand-
halter verkleben
aufgeschnitten und ausgebreitet wird (Zylin- Konstruktion von sprossenlosen Fassadenflä- Änderung der Zusammensetzung von Floatglas
derstreckverfahren). Man kann damit nur chen ermöglicht. Profilglas ist in Breiten von Geringfügige Verunreinigungen (beispielsweise
begrenzte Abmessungen erhalten, hat jedoch 22, 25, 32 und 50 cm und mit einer maximalen durch Eisenoxid) führen bei Floatglas zu einem
die Möglichkeit, durchgefärbtes Glas in gerin- Länge von 600 cm erhältlich. leichten Grünstich, der sich besonders bei grö-
gen Mengen herzustellen. ßeren Glasdicken und mehrschichtigen bzw.
Hohlglassteine mehrschaligen Verglasungen bemerkbar macht.
Gussglas Durch das Verschmelzen von zwei Halbscha- Durch die Änderung der chemischen Zusam-
Gussglas (Ornamentglas) entsteht unter len in noch heißem Zustand werden Hohlglas- mensetzung der Glasschmelze können nicht nur
Anwendung eines kontinuierlichen Walzver- steine hergestellt. Unter Abkühlung der Luft absolut farblose Gläser wie z. B. »Weißglas«,
fahrens. Um Glasscheiben mit strukturierten entsteht ein Unterdruck im versiegelten Hohl- sondern auch Gläser mit bestimmten physikali-
Oberflächen zu erhalten, werden profilierte raum, wodurch die Wärmedämmeigenschaf- schen Eigenschaften hergestellt werden.
Walzen eingesetzt, welche vielfältige Gestal- ten verbessert und die Tauwasserbildung ver-
tungen ermöglichen. Derartige Gläser ver- hindert wird. Dennoch ist der Wärmedämm- Spezielle Metalloxidzusätze verleihen dem Glas
wendet man beispielsweise als Sichtschutz- wert aufgrund der vielen Wärmebrücken deut- eine schwache Färbung, die von grün oder blau
verglasung oder zur gleichmäßigen Streuung lich schlechter als bei modernen Isolierglä- bis bronzefarben und grau reicht. Durch die Ein-
des Tageslichts. Die maximal erhältlichen sern. Hohlglassteine reagieren empfindlich auf färbung wird die Strahlungstransmission und
Abmessungen sind herstellerabhängig. Vertikallasten und dürfen nur nicht tragend damit die Aufheizung der Räume reduziert,
verwendet werden. Die Standardgrößen sind zudem kann eine gewisse Blendschutzwirkung
Drahtglas 15 x 15 cm und 30 x 30 cm, die Tiefe beträgt erzielt werden. Außerdem ist die Glasmasse
Drahtglas wird wie Gussglas in einem kontinu- 8–10 cm. durch die Zugabe von bestimmten Metallverbin-
ierlichen Walzverfahren hergestellt, wobei dungen nahezu beliebig einfärbbar. Neben
während des Walzprozesses Drahteinlagen Betongläser einfach durchgefärbtem Glas lassen sich unter
eingebracht werden, die die Eigenschaften Betongläser sind Massivglassteine, die im Anwendung der Überfangtechnik mehrschichti-
bezüglich Einbruchsicherheit und Brand- Pressverfahren hergestellt werden und die im ge Gläser mit unterschiedlichen Farbschichten
schutz verbessern. Gegensatz zu Hohlglassteinen auch einer sta- herstellen.
Drahtglas kann poliert werden, wodurch plan- tischen Beanspruchung standhalten. Beton-
parallele Oberflächen mit verbesserten opti- gläser gibt es in quadratischer, rechteckiger Thermische Behandlung von Glas
schen Eigenschaften entstehen. Die maxima- und runder Form. Ihre Einsatzmöglichkeiten Um die Biegebruchfestigkeit und Temperatur-
len Abmessungen betragen in der Breite sind aufgrund der geringen Wärmedämmwir- wechselbeständigkeit von Glas zu verbessern,
198 cm und in der Länge 382 cm. kung eingeschränkt. kann ebenes oder gebogenes Flachglas durch
Aufgrund der Drahteinlage besteht Rostge- Wärmebehandlung thermisch vorgespannt wer-
fahr entlang der Kanten, die besonders den, so dass höhere Festigkeitswerte entstehen.
geschützt werden müssen, um Verfärbungen Beeinflussung der materialspezifischen
und Glasbruch aufgrund von Volumenvergrö- Eigenschaften von Glas Einscheibensicherheitsglas (ESG)
ßerung der Stahldrähte durch Korrosion zu Zur Herstellung von ESG wird das Glas auf
vermeiden. Aufgrund der vielfältigen Einflussmöglichkei- über 640 °C erhitzt und anschließend sofort mit
ten lassen sich die Eigenschaften von Glas kalter Luft angeblasen. Das Glas zieht sich an
Profilglas dem jeweiligen Verwendungszweck anpas- der Oberfläche zusammen und erstarrt, wäh-
Profilglas wird durch einen zweiten Walzvor- sen. Dies geschieht durch die Veränderung rend die Scheibe im Inneren noch heiß und
gang hergestellt, bei dem das noch heiße der Glasrezeptur, die thermische oder chemi- weich ist. Im Verlauf des Abkühlungs- und
Glasband zu einem U-förmigen Profil geformt sche Behandlung des Glases, die Verände- Erstarrungsprozesses im Inneren baut sich an
wird. Diese Querschnittsform bewirkt eine rung der Glasoberfläche oder die Herstellung den Glasoberflächen eine Druckspannung auf,
hohe Belastbarkeit des Glases, welche die von Verbund- und Isolierverglasungen. die zur Erhöhung der Biegebruchfestigkeit
185
Glas
(ca. 90–120 N/mm2) und Temperaturwechsel- oder – bei Reduktion der Energie – gekerbt Korngröße – mehr oder weniger stark aufge-
beständigkeit führt (Floatglas 40 K, ESG werden. Im Gegensatz zum Ritzen können raut bzw. abgetragen werden. Im Vergleich
200 K). Thermisch vorgespanntes Glas kann beliebige Konturschnitte in Glasscheiben von zu geätztem Glas entsteht eine relativ grobe
nachträglich nicht mehr mechanisch bearbeitet bis zu 7 cm Dicke durchgeführt werden. Eben- Oberflächenstruktur, in der sich Fett oder
werden. Im Versagensfall zerbricht ESG in klei- so besteht die Möglichkeit, Verbundglas zu Reinigungsmittel festsetzen kann. Das
ne stumpfe Glasstückchen, was die Verlet- schneiden. Das Anstechen des Schnittes ist im Erscheinungsbild der Glasscheibe kann
zungsgefahr stark reduziert. Vollmaterial machbar, die Schnittspalte im Ver- hierdurch dauerhaft beeinträchtigt werden.
gleich zu anderen Verfahren reduziert.
Teilvorgespanntes Glas (TVG) Chemisches Vorspannen
Bei der Herstellung von TVG wird das Glas Kantenbehandlung Eine weitere Variante der Oberflächenbe-
ebenfalls auf über 640 °C erhitzt, jedoch weni- Die Behandlung der Glaskante dient der Verrin- handlung besteht in der chemischen Vor-
ger intensiv mit kalter Luft angeblasen, wo- gerung der Verletzungsgefahr. Wo aufgrund spannung von Glas, wobei die Glasscheibe
durch die Druckspannungen im Bereich der der Einbausituation keine Verletzungsgefahr in eine heiße Salzschmelze getaucht wird.
Glasoberfläche geringer sind. Die Biegebruch- besteht, können unbehandelte Schnittkanten Durch Ionenaustausch werden die Druck-
festigkeit (ca. 40–75 N/mm2) und Temperatur- belassen werden. Die Glättung der Kante spannungen im Oberflächenbereich erhöht,
wechselbeständigkeit liegen daher nicht ganz erfolgt durch Schleifen und Polieren, wobei es wodurch sich die Widerstandsfähigkeit
so hoch wie bei einer ESG-Verglasung (Float- mehrere Qualitätsstandards gibt: Auf Maß gegenüber thermischen und mechanischen
glas 40 K, TVG 100 K, ESG 200 K), dafür ergibt geschliffene Kanten dürfen noch Restinseln Belastungen verbessert. Im Gegensatz zu
sich im Versagensfall jedoch ein anderes aufweisen, während polierte Tischkanten oder thermisch vorgespannten Gläsern können
Bruchbild mit größeren Stücken (Abb. B 1.6.15). Spiegelkanten einwandfrei sein müssen. chemisch vorgespannte Gläser geschnitten
Beim Einsatz als Verbundsicherheitsglas (VSG) werden.
führt dies im Versagensfall zu einem verbesser-
ten Resttragverhalten, was sich gerade im Fas- Oberflächenbehandlung von Glas Nicht auftragende Beschichtungen
sadenbereich und bei Über-Kopf-Verglasun- Nicht auftragende Beschichtungen erfolgen
gen positiv auswirkt. Analog zu ESG-Gläsern Über die chemische Zusammensetzung hinaus entweder direkt bei der Glasherstellung im
können auch TVG-Scheiben nachträglich nicht lassen sich die Eigenschaften der Glasscheibe »Online-Verfahren« oder im »Offline Verfah-
mehr bearbeitet werden. durch die Behandlung der Oberfläche steuern. ren«, wie dies beim Kathodenstrahlverfahren
der Fall ist. Zu den nicht auftragenden
Gebogenes Glas Mattieren Beschichtungen zählen solche mit Metalloxi-
Gebogenes Glas wird durch eine nachträgliche Um die Transparenz einer Glasscheibe zu ver- den, die zu einer Verringerung der Strah-
thermische Behandlung von Floatglas in Tun- ringern, stehen chemische und mechanische lungstransmission führen. Je nach Anordnung
nel- oder Muffelöfen hergestellt. Möglich sind Verfahren zur Verfügung. Beim Ätzen wird die der Schicht können Wärmegewinne oder
zylindrische oder sphärische Biegungen – Glasoberfläche mit reiner Flusssäure oder -verluste reduziert werden. Entspiegelnde
auch von zwei übereinander liegenden Schei- deren Dämpfen behandelt, was feine Abstu- Beschichtungen vermindern die Strahlungsre-
ben. Der Radius der Biegung hängt von der fungen möglich macht. Es entsteht eine glatte, flexion an der Glasoberfläche, wodurch die
Dicke der Glasscheibe ab. mattierte Oberfläche mit einem sehr gleichmä- Spiegelwirkung z. B. bei einer Einfachscheibe
ßigen Erscheinungsbild. Muster erhält man von 8 auf 1 % verringert werden kann. Dichro-
Feuerpoliertes Glas durch vor dem Ätzvorgang aufgebrachte itische Beschichtungen hingegen bewirken
Hierzu wird das Glas im Polierofen auf 500 bis Wachsschichten. Die Pflegeleichtigkeit der die Zerlegung des einfallenden Lichtes in die
700 °C erwärmt. Die plastisch zähe Glasober- Glasscheibe wird durch das Ätzen nicht beein- Spektralfarben. Abhängig vom Einfallswinkel
fläche verkleinert sich dabei infolge der Ober- flusst. erfolgt eine Transmission oder Reflexion in
flächenspannung und wird blank. jeweils unterschiedlichen Farben. Durch das
Alternativ kann durch Sandstrahlen die Glas- Farbenspiel ergeben sich interessante Gestal-
oberfläche – abhängig von der verwendeten tungsmöglichkeiten.
Mechanische Bearbeitung
Ritzen
Mit einem Material, das härter ist als Glas, z. B.
Diamant, kann das Glas geritzt und anschlie-
ßend gebrochen werden. Der Einsatz verschie-
dener Flüssigkeiten (Petroleum, Öl) erschwert
die Aufsplitterung der Rissspur.
Trennen
Das Trennen von Dickglas und Panzerglas
erfolgt in der Regel durch Trennscheiben (z. B.
aus Diamant) oder durch den Einsatz von
Lasern.
Wasserabrasivverfahren
Mittels eines unter sehr hohem Druck stehen-
den Wasserstrahls können Gläser geschnitten
B 1.6.11
186
Glas
c
B 1.6.14 B 1.6.15
187
Glas
Glas (dick) Verkleben mit bedruckten oder farbigen Folien die Schicht weiß ein und reflektiert den größten
Schwergas- Der Einsatz farbiger Klebefolien ermöglicht eine Teil des Lichts diffus, was eine Verringerung
Glas füllung kostengünstige Herstellung eingefärbter Ver- des Strahlungsdurchgangs bedeutet (Abb.
Gel Glas (dünn) bundgläser. Alternativ finden auch bedruckte B 1.6.18).
Folien Anwendung. Verbundgläser mit hologra-
phisch optischen Elementen (HOE) bieten Elektrochrome Gläser
unterschiedliche Formen der Lichtlenkung, die Bei elektrochromen Gläsern befinden sich im
mit der Wirkung von Prismen und Linsen ver- Scheibenzwischenraum Schichten mit Flüssig-
glichen werden kann. Die hohe Leuchtkraft von kristallen, die durch Einschalten einer elektri-
Holographien entsteht durch die gerichtete schen Spannung je nach Bedarf verändert
Lichtabstrahlung in einem bestimmten Winkel- werden können. Schichten mit Flüssigkristallen
bereich, der bei der Hologrammherstellung wirken milchig weiß und lichtstreuend im span-
durch so genannte Beugungsgitter festgelegt nungslosen Zustand; unter Spannung werden
wird. sie nahezu transparent. Die Lichttransmission
B 1.6.16 B 1.6.17 wechselt im eingeschalteten Zustand von 40 auf
Brandschutzverglasungen 70 % (Abb. B 1.6.19).
Brandschutzverglasungen werden mittels Kle-
klarer Zustand geschalteter Zustand
(tiefe Temperatur) (hohe Temperatur) befolien mit wasserhaltigen Gelen hergestellt. Verbundgläser mit Photovoltaik-Modulen
Die Schutzwirkung beruht auf der Verdamp- (PV-Verglasung)
fungswärme des Wassers, da bei Bruch der Aufgrund der geringen Schichtstärken können
feuerzugewandten Scheibe das Gel auf der Solarzellen mittels Klebefolie oder Gießharz zwi-
feuerabgewandten Seite haften bleibt und schen zwei Glasscheiben fixiert werden, was
dosiert zum Feuer hin Wasserdampf abgibt. einen optimalen Witterungsschutz der Zellen
Ein großer Teil der Strahlungsenergie wird ver- und der Verdrahtung gewährleistet. Je nach
braucht. In Kombination mit Sicherheitsgläsern Aufbau und Art sowie Abstand der verwendeten
können durch derartige Scheiben lange Stand- Solarzellen untereinander können transparente,
zeiten erreicht werden (Abb. B 1.6.16). So transluzente und opake Module produziert wer-
homogene Streu-
genannte G-Gläser verhindern über den ange- den (siehe Kapitel B 2.3 Solartechnik).
Mischung material gebenen Zeitraum hinweg den Flammen- und
Rauchgasdurchtritt, nicht aber die Ausbreitung
Deckschicht/ Matrixmaterial
Träger der Strahlungshitze. Alle drei Eigenschaften Isolierverglasungen
B 1.6.18 erfüllen »F-Gläser«.
Isoliergläser bestehen aus zwei oder mehreren
Schallschutzverglasungen Glasscheiben mit einem Zwischenraum von
g-Wert Lichtdurch- optischer Durch die Verwendung von Verbundgläsern 8 bis 24 mm, der luftdicht abgeschlossen ist
lässigkeit Eindruck
mit unterschiedlichen Glasstärken und den (Abb. B 1.6.20). Es gibt zahlreiche Möglichkei-
thermotropes
Einsatz von Schwergas im Scheibenzwischen- ten, den U- und g-Wert durch spezielle Fül-
Wärmeschutz- weiß bis
fenster 0,18–0,55 0,21–0,73 klar raum verbessert sich der Schallschutzwert einer lungen bzw. zusätzliche Folien im Scheibenzwi-
Isolierverglasung deutlich. Während herkömmli- schenraum oder durch Beschichtungen der
elektrochromes blau bis
Fenster 0,12–0,36 0,20–0,64 neutral ches Isolierglas (4 + SZR 16 + 4 mm) ein inneren Scheibenoberflächen zu verbessern.
Schalldämmmaß Rw von 30 dB aufweist, können
gasochromes
Wärmeschutz- blau bis mit einem asymmetrischen Aufbau der Vergla- Füllung des Scheibenzwischenraums mit Gas
fenster 0,15–0,53 0,15–0,64 neutral sung (4 + SZR 16 + 8 mm) und entsprechen- Der Zwischenraum kann mit getrockneter Luft
die genannten Werte für die Gläser können sich im Lauf der den Gasfüllungen 35 dB erreicht werden [5]. oder zur besseren Wärmedämmung mit einem
Zeit auf Grund von Weiterentwicklung noch stark ändern. Beim Einsatz mehrlagiger Verbundgläsern Edelgas gefüllt werden. Durch die Verwendung
B 1.6.19 und einer Erhöhung des Scheibenzwischen- von Argon, Krypton oder Xenon kann der U-Wert
raums sind Steigerungen des Schallschutzwer- der Scheibe gesenkt werden, da diese Gase
tes auf über 47 dB möglich. Allerdings erfordert eine geringere Wärmeleitung und Konvektions-
Wärmetransport über vier Wege:
das höhere Glasgewicht die Verwendung neigung als Luft aufweisen. Aufgrund wirtschaft-
spezieller Rahmen- und Beschlagsysteme licher Überlegungen wird Argon den kostspieli-
(Abb. B 1.6.17). Je nach Stärke der Einzel- geren Gasen Krypton und Xenon vorgezogen,
scheiben wird ein bestimmter Frequenzbereich obgleich diese den besten Wärmeschutz bieten.
des Außenlärms herausgefiltert, wodurch die Um zu verhindern, dass sich Wasser an den
1. Wärmetransport 67 % Schallschutzeigenschaften einer Verglasung Scheibeninnenseiten niederschlägt, erhält der
gezielt auf die Erfordernisse abgestimmt Randverbund ein Trocknungsmittel.
werden können.
Evakuierung des Scheibenzwischenraums
Thermotrope Gläser Durch die geringe Wärmeleitfähigkeit von
2. Konvektion Eine aus zwei Komponenten bestehende Vakuum kann mit evakuierten Isolierverglasungen
Flüssigkeit, z. B. aus Wasser und einem Gas bei 6–8 mm Gesamtdicke ein U-Wert von ca.
(Hydrogel), wird zwischen zwei Glasscheiben 0,6 W/m2K erreicht werden. Der hohe Unterdruck
3. Wärmeleitung oder Glasfolien fixiert. Bis zu einer bestimmten innerhalb des Scheibenzwischenraums erfordert
33 %
über Füllungen Temperatur handelt es sich um eine homogene jedoch Abstandshalter in regelmäßigen Abstän-
Mischung, die eingeschlossene Schicht ist den, die den Kontakt von innerer und äußerer
transparent. Bei Überschreitung der Grenz- Scheibe verhindern. Zudem muss ein hermetisch
4. Randverbund
temperatur findet die Entmischung der beiden dichter Randverbund gewährleistet sein (Abb.
Komponenten statt. Infolge dessen trübt sich B 1.6.23).
B 1.6.20
188
Glas
Flachglas
B 1.6.21
Grundherstellungsarten
Floatglas • • • Füllung mit Transluzenter Wärmedämmung
Tafelglas • • • Das Einbringen einer Transluzenten Wärme-
Antikglas • • • dämmung (TWD) im Scheibenzwischenraum
modifizierte Herstellungsarten
unterbindet dort die Konvektion und verbessert
die Wärmeschutzeigenschaften. Als TWD dienen
Überfangglas • •
transparente und transluzente Materialien wie
metallbeschichtetes Glas (online) • • • • •
Glas, Acrylglas, Polycarbonat und Quarzschaum
UV-durchlässiges Glas • • •
in unterschiedlicher Strukturierung (Abb. 1.6.24).
Strahlenschutzglas • • • • Siehe auch Kapitel B 2.3 Solartechnik, S. 286ff.
fototropes Glas • • •
Flachglas mit niedriger Ausdehnung • • • • Füllungen zur Verbesserung des Sonnenschutzes
farbiges Glas • • • • • • In den Scheibenzwischenraum lassen sich
Trübflachglas • • • • wettergeschützt die unterschiedlichsten Elemen-
Drahtglas • • • te für den Sonnen- und Blendschutz sowie zur
Profilglas • • Tageslichtlenkung integrieren. Hierzu gehören
Ornamentglas • • elektrisch regelbare Beschattungssysteme wie
Erste Verarbeitungsstufe Jalousien oder Folienrollos und unbewegliche
thermisch vorgespanntes Glas (ESG, TVG) • • • • •
Systeme wie Sonnenschutzraster, Spiegelprofile
oder Prismenplatten (Abb. B 1.6.25).
chemisch verfestigtes Glas (ESG) • • • • •
geätztes Glas • •
sandgestrahltes Glas • •
Verwendung von Glas im Fassadenbau
Zweite Verarbeitungsstufe
emailliertes Glas • • Der größte Anteil der heute errichteten Glasfas-
metallbeschichtetes Glas (offline) • • • • • saden besteht aus Flachglas, das als Isolierglas,
Breitbandentspiegeltes Glas • • • ESG-Verglasung oder VSG-Verglasung in den
Scheibenzwischenraum gefüllt mit unterschiedlichsten Variationen und Kombinatio-
Gas • • • • • nen zum Einsatz kommt. Das in der Glasebene
Vakuum • • • • • wirksame Glasgewicht sowie die dazu senkrecht
Hydrogel • • • • • • wirksamen Wind- und Anpralllasten müssen
thermotrope Schicht • • • hinsichtlich der Lastabtragung und bei der
elektrochrome Materialien • • • •
Befestigung der Glasscheiben berücksichtigt
werden [6].
Verbundsicherheitsglas hergestellt aus
Folien • • • • •
Krafteinleitung
bedruckte und farbige Folien • • • • • •
Die Ableitung der auf Glasscheiben einwirkenden
Gießharz • • • • Lasten geschieht – abhängig von der Art und
Größe der Last – auf drei unterschiedliche Arten.
Pressharz
Glassteine • • • • • Kontakt
Betonglas • • • Da lediglich senkrecht zur Kontaktfläche wirken-
de Druckkräfte übertragen werden können,
Glasfasern müssen die Kontaktflächen so dimensioniert sein,
Membrane • • • dass eine ausreichende Spannungsverteilung
Glaswolle • •
gewährleistet wird. Dies ist insbesondere bei klei-
nen Kontaktflächen (z. B. punktförmiger Lage-
rung) zu beachten. Harte Auflagerungen wie von
Aufgeschäumtes Glas
Glas auf Stahl müssen vermieden und durch
Aerogel • • •
elastische Zwischenschichten (EPDM oder
Foamglas • •
Kunststoff) ausgeglichen werden. Die Lagerung
B 1.6.22
189
Glas
a a a b
b b c d
B 1.6.23 B 1.6.24 B 1.6.25 B 1.6.26
der Scheibe kann sowohl in der Ebene als auch das block- oder lippenförmig ausgebildet sein stellung größerer Glasflächen dar. Kleine Einzel-
senkrecht zur Ebene, jeweils linear oder punkt- kann. Um einen dichten Anschluss zu gewähr- scheiben werden in H-förmige Bleiruten einge-
förmig, erfolgen (Abb. B 1.6.26). Die Einleitung leisten, sind ein ausreichender Anpressdruck legt und festgeklopft. Neben der vollständigen
der Kräfte geschieht über Pressleistenhalterun- und saubere Glasoberflächen erforderlich Einbindung des Glasrandes sorgt teilweise ein
gen, Klemmteller, Punkthalter und / oder Halte- (Abb B 1.6.27 a). nachträgliches Ausfugen mit Kittmasse für
und Distanzklötze. zusätzlichen Verbund (Abb. B 1.6.28 a).
Verkittung
Reibung Diese traditionelle Art der Glasabdichtung hat Falz mit Kittfase
Die Krafteinleitung erfolgt in diesem Fall durch heute eine untergeordnete Bedeutung, da nach Diese traditionelle Art der Verglasung besteht
eine mechanische Verzahnung der beiden dem Aushärten des Kitts eine sehr steife Verbin- in dem Einlegen der Glasscheibe in einen
Kontaktflächen und Adhäsion. Da Glas zur Ver- dung entsteht, welche die Aufnahme von Glas- offenen Falz mit Kittfase. Der Falz ist entweder
meidung von lokalen Spannungsspitzen nicht bewegungen oder anderen Verformungen aus- direkt in das Mauerwerk oder in ein Holzprofil
unmittelbar mit anderen harten Materialien wie schliesst. Eine daraus resultierende Rissbildung eingearbeitet oder als Teil eines metallischen
z. B. Stahl in Kontakt gebracht werden darf, ist führt in der Regel zur Durchfeuchtung der Guss- oder Walzprofils ausgebildet (Abb.
für die Dauerhaftigkeit der Reibeverbindung die Fugen (Abb. B 1.6.28 b). B 1.6.28 b). Aufgrund der Verbundwirkung
Elastizität und Dauerstandfestigkeit der Zwi- von Glasscheibe und tragendem Profil ermög-
schenschicht von ausschlaggebender Bedeu- Klebedichtung licht diese einfache Verglasungsart über Jahr-
tung. Als Zwischenschichten dienen Weichme- Die Verwendung von dauerelastischem Kitt (Sili- hunderte die Konstruktion filigraner Großkons-
talle wie reines, enthärtetes Aluminium, faser- kon) ermöglicht elastische Verbindungen, die truktionen, wovon viele Gewächshäuser aus
verstärkte Kunststoffe oder natürliche Materia- sich aufgrund von Adhäsion auch gegenüber dem 19. Jh. zeugen.
lien (z. B. Kork, Leder oder Pappe). Zugkräften in einem gewissen Umfang als stabil
erweisen. Fugenbreite und verwendeter Kleb- Falz mit Glashalteleiste
Klebeverbindungen (Stofflicher Verbund) stoff bestimmen die Nachgiebigkeit der Verbin- Die Glashalteleiste wird eingeführt, um die not-
Klebeverbindungen sind im Glasbau heute dung (Abb. B 1.6.27 b). wendige zuverlässige Befestigung der Glas-
üblich, solange die hierbei übertragenen Kräfte scheibe sowie eine Absicherung gegenüber
relativ klein sind. Zudem wird darauf geachtet, Verglasung Windsog sicherzustellen. Gleichzeitig trennt sie
dass große Klebeflächen erzeugt werden, deren Fenster- und Fassadenkonstruktionen bestehen die Dichtungsfunktion von der mechanischen
dauerhafter Verbund mit elastischen Klebern aus den folgenden Funktionselementen: Befestigung und ermöglicht auf diese Weise
gesichert wird. Neben der Größe der übertrag- einen größeren Spielraum zur Optimierung der
baren Kräfte stellen Temperatur und Belas- • Verglasungselement (z. B. Glasscheibe) jeweiligen Funktion (Abb. B 1.6.28 c). Vor allem
tungsdauer wichtige Einflussfaktoren dar. Im • Unterkonstruktion (z. B. Pfosten, Riegel, wird so aber das Austauschen von Scheiben im
Brandfall führt eine Erhitzung in der Regel zum Rahmen) Fall des Bruchs erheblich erleichtert. Eine Ober-
Versagen von Klebeverbindungen. Klebeverbin- • Befestigung (z. B. Glashalteleiste) flächenbehandlung der Leisten nach Montage
dungen sind in Deutschland im Fassadenbe- • Fuge (z. B. EPDM, Silikonfuge) ist nicht mehr notwendig.
reich oberhalb von 8 m nur zulässig, wenn
zusätzliche mechanische Halterungen ein Her- In Abhängigkeit von der Art der Krafteinleitung Pressleistenkonstruktion
abfallen des Bauteils ausschließen. und Fügung ergeben sich unterschiedliche Vorgehängte Fassadensysteme erfordern den
Kombinationsmöglichkeiten. Während bei einer Einsatz spezieller Tragkonstruktionen, auf denen
Fügung klassischen Pressleistenkonstruktion eine Glasscheiben mittels Halteleisten befestigt wer-
Die zwischen einzelnen Glaselementen notwen- Verknüpfung der verschiedenen Funktionsele- den können. Derartige »Pressleisten« erlauben
digen Fugen müssen so ausgebildet sein, dass mente erfolgt, liegt bei punktgehaltenen Kon- die Befestigung von zwei benachbarten Schei-
sie mechanische Bewegungen (z. B. aus Län- struktionen eine Trennung von Fügung und ben mit einem Profil, was eine einfache Montage
genausdehnungen) ermöglichen und Witter- Lasteinleitung vor, die separate Montagevor- und schlanke Profilquerschnitte ermöglicht
ungseinflüssen wie Regen und Wind dauerhaft gänge ermöglicht. Bei anderen Verglasungsar- (Abb. B 1.6.28 d). Vorgeformte, dauerelastische
standhalten. ten, wie z. B. dem »Structural-Sealant-Glazing«, Dichtungsprofile schließen die innere und
kommt es zu einer Verschmelzung der Funktio- äußere Dichtungsebene. Bei Verwendung von
Kontaktdichtung nen »Fuge« und »Befestigung«. Isolierverglasungen und erhöhten thermischen
Die Abdichtung der Glasfläche gegenüber dem Ansprüchen gilt der thermischen Trennung von
tragenden Bauteil erfolgt bei der Kontaktdich- Bleiverglasung Pressleiste und Unterkonstruktion besondere
tung über ein dauerelastisches Dichtungsprofil, Die Bleiverglasung stellt die älteste Art zur Her- Beachtung.
190
Glas
a a b c
b d e f
B 1.6.27 B 1.6.28