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MEDIKAMENTE BEI CED

Phytotherapie

Pflanzliche Wirkstoffe bei CED


Prof. Dr. med. Jost Langhorst

Etwa jeder vierte Patient mit einer chronisch pieverfahren werden vor allem die Suche nach
entzündlichen Darmerkrankung (CED) in der optimalen Therapie, ein ganzheitlicher
Deutschland berichtet über eigene Erfahrun- Therapieansatz und die Stärkung der Eigen­
gen mit dem komplementären Einsatz von aktivität und der Eigenverantwortung genannt.
Phytotherapeutika oder Phytopharmaka, Aber auch Nebenwirkungen oder Erfolglosig­
d. h. pflanzlichen Medikamenten, aufgrund keit der konventionellen Thera­pie sind als
seiner CED. Nur für einige wenige Präparate Beweggründe von Bedeutung. Bis zu 80 Pro­
liegen bisher klinische Studien für die Indi- zent der Befragten geben an, in Zukunft ein
kation CED vor. Im klinischen Alltag haben naturheilkundliches und/oder komplementär­
vor allem Flohsamen, Myrrhe, Kamille und medizinisches Therapieverfahren anwenden
Kaffeekohle, Weihrauch oder Heidelbeeren zu wollen.
Bedeutung. In den Deutschen AWMF-S3-Leit-
linien für die Therapie der Colitis ulcerosa
werden Flohsamen und Curcumin als The- Klinische Studien
rapieoptionen genannt. zu Phytopharmaka bei CED

Die empfohlene aber nicht bindende Grund­


Einsatz von naturheilkundlichen lage für die Entscheidungsfindung in Diagnos­
und komplementärmedizinischen tik und Therapie einzelner Erkrankungen sind
Therapieverfahren heute die von den jeweiligen wissenschaftlich-
medizinischen Fachgesellschaften (unter der
Über 50 Prozent aller Patienten mit CED in Anleitung der AWMF, der Arbeitsgemeinschaft
Deutschland haben eigene Erfahrungen mit der Wissenschaftlichen Medizinischen Fach­
naturheilkundlichen oder komplementär­ gesellschaften) erarbeiteten „Leitlinien“. Sie
medi­zinischen Therapieverfahren gemacht. beruhen, im Geist der Evidenz-basierten Medi­
Etwa jeder vierte Patient in Deutschland zin, auf aktuellen wissenschaftlichen Erkennt­
berichtet über eigene Erfahrungen mit dem nissen auf der Grundlage klinischer Studien
komplementären Einsatz von pflanzlichen und medizinischer Veröffentlichungen und in
Medikamenten. der Praxis bewährten Verfahren.
Als Gründe für den Einsatz naturheilkundli­ Auch die Beurteilung naturheilkundlicher
cher oder komplementärmedizinischer Thera­ und komplementärmedizinischer Verfahren

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soll laut Leitlinie nach Kriterien einer evidenz­ destens eine Stunde zeitlicher Abstand bei der
basierten Medizin erfolgen. Einnahme.
Zum überwiegenden Teil der komplementär Nebenwirkungen: Blähungen, Völlegefühl, in
eingesetzten Phytotherapeutika wurden bis­ seltenen Einzelfällen Überempfindlichkeits­
her keine oder nur wenige Studien zum Ein­ reaktionen.
satz bei Patienten mit chronisch entzünd­lichen Dosierung: zur Remissionserhaltung bei Coli­
Darmerkrankungen durchgeführt. Dennoch tis ulcerosa: (z.B. Flosa®; Mucofalk®) 1–3 mal
wurden einzelne Phytopharmaka in die Leit­ täglich ein Beutel à 5 g.
linie aufgenommen. Studienlage: In einer hochwertigen (dreiarmi­
gen prospektiv, randomisierten, open-label)
Studie wurden eine remissionserhaltende
Phytopharmaka mit Bedeutung bei CED Therapie mit Samenschalen der Stamm­
pflanze Plantago ovata (2 mal 10 g/d [Tag]),
Gegenstand des Beitrags ist eine Übersicht mit Mesalazin (3 mal 500 mg/d) und einer
über die pflanzlichen Medikamente, zu denen Kombinationstherapie aus beiden Medika­
erste klinische Studien zur Verwendung bei menten untersucht. Zum primären Endpunkt
CED vorliegen. Pflanzen aus dem Feld der tra­ der Studie in Form der Remissionserhaltung
ditionell chinesischen Medizin wurden nicht nach 12 Monaten zeigte sich kein signifikanter
berücksichtigt. Gruppenunterschied.
Bis auf die Flohsamen werden die im Folgen­ Leitlinien: Entsprechend der AWMF-Leitlinien
den vorgestellten pflanzlichen Medikamente für Colitis ulcerosa von 2011 kann Plantago
nicht von den Krankenkassen bezahlt. Die ovata in der remissionserhaltenden Behand­
Techniker Krankenkasse übernimmt pro Jahr lung bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden.
und Patient bis zu 100 Euro für Therapien aus Zulassung: ursprünglich nicht erstattungs­
dem Bereich Naturheilkunde und Komple­ fähig, aber auf der OTC-Liste bei Morbus
mentärmedizin. Crohn (hier jedoch keine Studie!).

Flohsamen (Psyllii semen) Weihrauch (Boswellia serrata)


Gemahlene Flohsamenschalen. Wirkstoff: Trockenextrakt aus dem Harz der
Wirkprinzip: Quellmittel bzw. Gelbildner über Rinde, als Hauptwirkstoff wird die Boswellia­
Wasserbindung, erhöht das Stuhlvolumen, säure beschrieben.
reguliert die Darmbewegung (Peristaltik); Wirkprinzip: u.a. im Labor konnte eine Hem­
außerdem milde antientzündliche Wirkung, mung der Entzündungsreaktion festgestellt
vermutlich durch geringfügige Fermentierung werden; neben diesem anti-inflammatori­
zu kurzkettigen Fettsäuren. schen auch anti-arthritische und gegen ver­
Gegenanzeigen: Darf nicht eingesetzt wer­ mehrtes Zellwachstum gerichtete (anti-proli­
den bei bekannten Stenosen (Verengungen ferative) Effekte.
des Darms); mögliche Bindung und damit Keine schmerzlindernde (analgetische) oder
Wirkungsherabsetzung gleichzeitig einge­ fiebersenkende (antipyretische) Wirkung
nommener Medikamente, deshalb hier min­ (keine Wirkung über Prostaglandin-Synthese­

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hemmung; keine ulcerogene Wirkung im Tier­ die Magenschleimhaut unter Therapie mit
modell). nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR, z. B.
Nebenwirkungen: gutes Verträglichkeitsprofil, Diclophenac, Ibuprofen); in-vitro (Zellreihen)
selten gastrointestinale Beschwerden, allergi­ stabilisierend auf das „Leaky-gut“ Syndrom.
sche Reaktionen. Dosierung: Myrrhetinktur zur Therapie oraler
Dosierung: 3 mal täglich (1 bis) 2 Tabletten. Aphten oder einer Stomatitis (entzündliche
(400 mg/Tabl.). Erkrankungen der Mundschleimhaut).
Studienlage: „In-vitro“-Studien („im Reagenz­ Nebenwirkungen: sehr gute Verträglichkeit,
glas“) sowie erste klinische Studien: selten allergische Reaktionen.
Zwei offene, nicht randomisierte Studien zu
Weihrauch bei chronischer Colitis und Colitis Kamille-Extrakt – Trockenextrakt.
ulcerosa mit Kontrollgruppe (Sulfasalazin). Wirkprinzip: In-vitro-Studien mit entzün­
In einer Studie (mit H15) bei Morbus Crohn dungshemmender, gegen Mikroorganismen
im akuten Schub einer Therapie mit Mesala­ gerichteter und krampflösender (spasmolyti­
zin zur Verringerung der Krankheitsaktivität scher) Wirkung; anti-allergische Wirkung über
nicht unterlegen. Hemmung der Histaminausschüttung in Mast­
Zulassung: Das Präparat H15 ist in Deutsch­ zellen (in alkoholischer Lösung).
land nicht zugelassen oder registriert und Nebenwirkungen: Selten allergische Reaktion
kann nur über internationale Apotheken bezo­ beschrieben; Wechselwirkung über Cumarin­
gen werden. gehalt, theoretisch Einfluss auf die Blutplätt­
Studienlage: Eine Multicenterstudie in 22 Stu­ chen (Thrombozyten) (Blutstillung); Einfluss
diencentern mit dem Präparat Boswelan (3 auf Zytochrom P450 (Stoffwechsel).
mal 2 Kapseln à 400 mg) wurde nach der Zwi­
schenanalyse vorzeitig abgebrochen, das Prä­ Kaffeekohle. Besteht aus den gemahlenen,
parat war dem Placebo in Hinblick auf alle rele­ bis zur Schwarzbräunung und Verkohlung
vanten Kriterien nicht überlegen, relevante der äußeren Samenpartien gerösteten grünen,
Nebenwirkungen wurden nicht beschrieben. getrockneten Früchten von Coffea arabica.
Leitlinien: In Leitlinien keine Empfehlung. Wirkprinzip: In-vitro-Studien: Wirkung durch­
Zulassung: Präparate in Deutschland nur als fallhämmend und entzündungshemmend.
Nahrungsergänzungsmittel verfügbar.
Anwendung in Kombination
Myrrhe / Kamille / Kaffeekohle Myrrheharz (100  mg), Trockenextrakt aus
Myrrheharz (Commiphora molmol) Kamilleblüten (70  mg) und Kaffeekohle
Trockenextrakt aus dem Harz der Rinde. (50 mg); Dosierung: 3 mal täglich 4 Tabletten.
Wirkstoff: Commiphora-Säure. Studienlage: Im Rahmen einer hochwertigen
Wirkprinzip: In-vitro-Studien mit entzün­ (12-monatigen, randomisiert, prospektiv, dop­
dungshemmender (anti-phlogistischer), gegen pel-blind, doppel-dummy, aktiv-kontrollierten)
Durchfall (anti-diarrhöischer) und gegen Mik­ Studie mit Patienten mit Colitis ulcerosa war
roorganismen gerichteter (anti-mikrobieller) ein Präparat aus Myrrhe, Trockenextrakt aus
Wirkung; in Tierstudie schützender Effekt auf Kamillenblüten und Kaffeekohle der Standard­

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therapie mit Mesalazin nicht unterlegen und Nebenwirkungen: Es zeigten sich keine rele­
zeigte ein gutes Sicherheitsprofil. vanten Nebenwirkungen.
Leitlinien: Bei der Erstellung der DGVS-Leit­ Gegenanzeigen: Theoretisch Wechselwir­
linien für Colitis ulcerosa von 2011 lag das kungen mit verstärkter Wirkung von Blut­
Ergebnis dieser Studie noch nicht vor. gerinnungshemmern (Antikoagulantien) nicht
Zulassung: Zulassung in Deutschland als tra­ auszuschließen.
ditionelles Arzneimittel. Leitlinien: In Leitlinien bisher keine Empfeh­
lung.
Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus) Zulassung: In Deutschland als Nahrungs-
Wirkstoff: u. a. reich an (Blüten oder Früchte (ergänzungs)mittel verfügbar.
intensiv rot oder blau färbenden) Antho-
cya(ni)nen. Blutwurz (Tormentilla; Potentilla erecta)
Wirkung: adstringierend (blutstillend, entzün­ Wirkstoffe: reich an Tanninen; Wirkung:
dungshemmend und antibakteriell zur Wund­ adstringierend; mild antiseptisch und anti-
behandlung), antioxidativ gegen oxydativen oxidativ.
Stress, gegen eine Entzündung gerichtet und Dosierung: Darreichung in Form von Tee, Tink­
mild antiseptisch. tur oder Fertigpräparat; Mittlere Tagesdosis:
Dosierung: eignen sich besonders für den 1,5 bis 3 g, Fertigpräparat: 3 mal 2 Kapseln/d
Einsatz bei akuten Schüben mit Diarrhöen, (200 mg standardisiertes Extrakt).
z. B. in Form von kalt gepresstem Muttersaft, Studienlage: Für Tormentill Trockenextrakt
Dosierung 1–3 mal 100 ml/d, oder getrockne­ liegen erste Erfahrungen in einer Dosisfin­
ten Früchten. dungsstudie bei aktiver Colitis ulcerosa über
Studienlage: Erste Grundlagenstudien sowie drei Wochen vor.
klinische „proof-of-principle“-Studien (zur Nebenwirkungen: Gute Verträglichkeit (milde
„Überprüfung des Therapiekonzepts“) bei Coli­ Schluckstörung [Dysphagie]; Sodbrennen).
tis ulcerosa. Leitlinien: In Leitlinien bisher keine Empfeh­
Erste sehr kleine Pilotstudie mit leichter bis lung.
mäßiger Colitis ulcerosa als offene Studie Zulassung: In Deutschland als Nahrungs­
ohne Kontrollgruppe: sechs Wochen Thera­ ergänzungsmittel verfügbar. Verwendung in
pie ergänzend zur Standardtherapie in Form der Regel als Tee oder Tinktur.
eines Müsliriegels auf Heidelbeerbasis und
drei Wochen Nachbeobachtungsintervall. Am
Ende des 6-wöchigen Therapieintervalls zeig­ Gelbwurz (Curcumae longae rhizoma)
ten 90,9 Prozent der Patienten ein klinisches Trockenextrakt aus Curcuma-Wurzelstock.
Ansprechen, 63,4 Prozent der Patienten waren Wirkstoffe: Curcuminoide (Turmeric) und
in Remission. Nach Absetzen der Heidelbee­ das ätherische Öl.
ren zeigte sich eine Verschlechterung des kli­ Wirkung: In-vitro-Studien: galletreibende
nischen Aktivitätsindex zur Angabe der Krank­ (cholagoge) und antioxidative Wirkung,
heitsaktivität und des Entzündungsmarkers antiinflammatorische und tumorprotektive
Calprotectin im Stuhl. ­Wirkungen.

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Dosierung: Mittlere Tagesdosis: 1,5 – 3 g Dro­ sekretion und führen darüber hinaus zur Stei­
genpulver; Tinktur; 2 mal 1 Kapsel/d (81 mg gerung des Tonus und Anregung der Darm­
standardisiertes Extrakt) als Fertigpräparat. peristaltik.
Studienlage: In einer hochwertigen (pros­ Studienlage: Als komplementäre Therapie
pektiv, randomisierten, doppelblinden, pla­ ist Wermut im akuten Schub Placebo in zwei
cebokontrollierten) Multicenterstudie wurde Studien mit insgesamt 60 Patienten überle­
2 mal 1 g/d Curcumin ergänzend zu Sulfasala­ gen. In einer doppel-blind, randomisierten
zin oder Mesalazin in der remissionserhalten­ Studie mit Patienten mit aktivem Morbus
den Therapie bei Colitis ulcerosa über einen Crohn führte ein Fertigpräparat aus Wermut
Zeitraum von sechs Monaten untersucht. Es (3 mal 500 mg/d) als komplementäre Thera­
zeigte sich ein statistisch bedeutsamer (signi­ pie zur konventionellen Standardtherapie mit
fikanter) Gruppenunterschied in Hinblick auf Steroiden im Vergleich zu komplementärer
die Rezidivhäufigkeit, klinischem und endo­ Placebotherapie zu einem signifikanten The­
skopischem Aktivitätsindex zu Gunsten der rapieeffekt.
Verumgruppe, die das Präparat erhalten hatte, In einer zweiten randomisiert-kontrollierten
zum Therapieende. Es zeigte sich kein Unter­ Studie der gleichen Arbeitsgruppe mit 20 Pati­
schied in Hinblick auf die Nebenwirkungen. enten mit aktivem Morbus Crohn wurde die
Gegenanzeigen: Indikationseinschränkung (das Präparat erhaltende) Verumgruppe
bei Gallengangsverschluss, Gallen- oder Nie­ komplementär über sechs Wochen mit 3
rensteinen, Magenübersäuerung (Hyperacidi­ mal 750 mg Wermut in Pulverform behandelt.
tät) oder Magengeschwür; selten allergische Bei acht Patienten der Verumgruppe und bei
Reaktion beschrieben. Wechselwirkung: theo­ zwei Patienten der komplementären Place­
retisch Einfluss auf Thrombozytenaktivität mit botherapie wurde nach sechs Woche eine
erhöhter Blutungsneigung; Einfluss auf Zyto­ Remission erreicht. Darüber hinaus wurde
chrom P450 Stoffwechsel (vgl. unter Kamille); ein relevanter TNF-alpha Abfall und eine Ver­
Wechselwirkungen mit verschiedenen Arznei­ besserung eines Depressionsindexes in der
mitteln wie Zytostatika, Norfloxacin, Amphote­ Verumgruppe beschrieben.
ricin B, Verapamil, NSAR beschrieben. Nebenwirkungen: Seltene Nebenwirkungen
Leitlinien: Entsprechend der Leitlinien der sind gastrointestinale Beschwerden oder die
DGVS für Colitis ulcerosa von 2011 kann Cur­ Senkung der Krampfschwelle.
cuma in der remissionserhaltenden Behand­ Leitlinien: In Leitlinien bisher keine Empfeh­
lung komplementär zu einem Aminosalizylat lung.
eingesetzt werden. Allerdings liegt kein Prä­ Zulassung: Das in den Studien untersuchte
parat als zugelassenes Arzneimittel vor. Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen.
Zulassung: In Deutschland als Nahrungs- Verwendung als Tee (sehr bitter!).
(ergänzungs)mittel verfügbar.
Aloe Vera Gel
Wermut (Arthemisia absintum) Wirkstoffe: Wirkmechanismus fraglich.
Wirkstoffe: Bitterstoffe u. a. Artemisinin. Wirkung: in-vitro Studie mit Nachweis einer
Diese fördern die Speichel- und Magensaft­ Polymerfraktion von Aloe mit schützendem

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Effekt bei Alkohol-induzierten Magenschleim­ Cannabis


hautdefekten. Wirkstoffe: eine Vielzahl an Cannabinoiden,
Studienlage: In einer prospektiv, randomi­ v.a. 9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol.
sierten, doppelblinden, placebokontrollier­ Wirkmechanismus: gegen Entzündungen
ten Studie wurde 100 ml Aloe Vera Gel über gerichteter, anti-inflammatorischer Effekt.
vier Wochen bei leicht bis mäßiggradiger In-vitro down-Regulation von TNF-alpha,
Colitis ulcerosa untersucht. In Hinblick auf die Interferon-gamma und Interleukin-1.
Remissionsinduktion, Symptomverbesserung, Achtung: Fällt als Rauschmittel unter das
klinisches Ansprechen und histologische Ver­ Betäubungsmittelgesetz.
besserungen zeigten sich signifikante Grup­ Studienlage: Eine kleine, retrospektive Beob­
penunterschiede zum Thera­pieende zuguns­ achtungsstudie mit aktivem Morbus Crohn
ten der Verumgruppe. Sigmoidoskopie und zeigte mehrheitlich eine signifikante Verbes­
Laborwerte zeigten keinen Unterschied. serung der Symptomeinschätzung sowie des
Es zeigte sich kein Unterschied in Hinblick auf Bedarfs an Medikamenten. Ein Einfluss auf
die Nebenwirkungen. die Operationshäufigkeit wurde behauptet.
Nebenwirkungen: Bei oraler Gabe von Aloe Eine weitere kleine, randomisiert, doppel-
gastrointestinale Symptome und Elektroly­ blind, Placebo kontrollierte Studie mit akti­
tentgleisungen beschrieben. vem Morbus Crohn ohne adäquates Anspre­
Leitlinien: In Leitlinien bisher keine Empfeh­ chen auf Steroide, Immunsuppressiva oder
lung. Spielt klinisch keine Rolle. Anti-TNF-AK-Therapie. Applikation im Rah­
Zulassung: Das Präparat ist in Deutschland men der Studie: Das Rauchen von 2-mal
nicht zugelassen. täglich 115 mg THC (9-Tetrahydrocannabinol)
oder Cannabis-Pflanzen ohne THC über acht
Weizengras-Saft (Triticum aestivum) Wochen mit zwei Wochen Nachbeobachtung.
Wirkstoffe: Vitamine und Mineralien; Wirkme­ Signifikant besseres klinisches Ansprechen in
chanismus unklar; fraglicher anti-oxydativer der Verumgruppe. Bei drei Steroid-abhängi­
Effekt gegen oxydativen Stress. gen Patienten in der Verumgruppe konnte
Studienlage: Im Rahmen einer kleinen rando­ das Glucocorticoid (Steroid) ganz abgesetzt
misierten, doppel-blinden, Placebo kontrol­ werden. Durch das Rauchen wurde eine bes­
lierten Studie wurden 23 Patienten mit aktiver sere Verfügbarkeit im Vergleich zur oralen
distaler Colitis ulcerosa mit 100 cc Weizengras- Applikation behauptet.
Saft täglich oder Placebo über einen Monat Nebenwirkungen: Es zeigten sich keine rele­
therapiert. Unter Therapie mit dem Verum vanten Nebenwirkungen bei sehr guter Ver­
wurde eine signifikante Reduktion im Symp­ träglichkeit.
tomindex und in Hinblick auf rektale Blutung Leitlinien: In Leitlinien bisher keine Empfeh­
beschrieben. lung.
Nebenwirkungen: Es zeigten sich keine rele­ Zulassung: Cannabis fällt unter das Betäu­
vanten Nebenwirkungen. bungsmittelgesetz. Es liegt in Deutschland
Leitlinien: In Leitlinien bisher keine Empfeh­ keine Zulassung für die Indikation Morbus
lung. Spielt klinisch keine Rolle. Crohn vor.

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Schlussfolgerungen

Etwa jeder vierte Patient mit einer chronisch


entzündlichen Darmerkrankung in Deutsch­
land berichtet über eigene Erfahrungen mit
dem komplementären Einsatz von pflanz­
lichen Medikamenten.
Nur für einige wenige Präparate liegen bisher
klinische Studien für die Indikation CED vor.
Im klinischen Alltag haben dabei vor allem
Flohsamen(schalen), Myrrhe, Kamille und
Kaffeekohle, Weihrauch oder Heidelbeeren
Bedeutung. Erstere stehen als Arzneimittel
bzw. traditionelles Arzneimittel zur Verfü­
Prof. Dr. med. Jost Langhorst
gung während Weihrauch und Heidelbeeren ist Leiter des Zentrums für
derzeit nur als Nahrungsergänzung bzw. Nah­ Integrative Gastroenterologie
rungsmittel verfügbar sind. In den Deutschen und Oberarzt der Klinik für
Naturheilkunde und Integrative
AWMF-S3-Leitlinien für die Therapie der Coli­
Medizin der Kliniken Essen-
tis ulcerosa werden Flohsamen und Curcu­ Mitte. Prof. Langhorst hat
min als Therapieoptionen genannt, wobei mehrere DCCV-Forschungs­
auch Curcumin in Deutschland nicht als Arz­ stipendien erhalten und ist
einer der Sprecher des Beirats
neimittel verfügbar ist. Blutwurz und Wermut der DCCV für den Bereich
kommen vor allem in Tee-Form zum Einsatz. Komplementärmedizin.
Aloe vera Gel und Weizengras-Saft spielen in E-Mail: integrative-
gastroenterologie@
der Therapie keine Rolle. Cannabis unterliegt
kliniken-essen-mitte.de
dem Betäubungsmittelgesetz und kommt
deshalb eine Sonderstellung zu, eine Zulas­
sung für CED oder Erfahrungen außerhalb
klinischer Forschung liegen derzeit nicht vor.
Weitere hochqualitative klinische Forschung
wird dringend benötigt, um Präparate mit
Potential auf Arzneimittelniveau abzusichern
und den Betroffenen den Einsatz als komple­
mentäre Therapiealternativen zu ermögli­
chen (Glossar auf den nächsten Seiten). 

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Glossar

Verfahren

Naturheilkunde Naturheilverfahren (Hydro- und Thermotherapie, Bewegungs­


therapie einschließlich der Atemtherapie, Massageverfahren
des Bereiches, Ernährungstherapie, Phytotherapie, Ordnungs­
therapie, ausleitenden Verfahren) umfassen die Anregung der
individuellen körpereigenen Ordnungs- und Heilkräfte durch
Anwendung nebenwirkungsarmer oder -freier natürlicher
Mittel. (BÄK)

Komplementärmedizin Komplementärmedizinische Verfahren (z.B. Homöopathie,


Naturheilverfahren, traditionelle chinesische Medizin (TCM)
inklusive Akupunktur, Anthroposophische Therapieverfahren
und Ayurvedische Medizin) werden als Ergänzung (komplemen­
tär) zu konventionellen Standardtherapien angewendet.

Phytotherapie Phytotherapie ist die Anwendung von Pflanzen, Pflanzenteilen


oder deren Zubereitungen (z.B. Extrakte) als Heilmittel
(Phytopharmaka). (DocCheck®Flexikon)

Evidenz-basierte Medizin Evidenz-basierte Medizin („evidence based medicine”) oder


evidenzbasierte Praxis („evidence based practice”) ist eine
Vorgehensweise des medizinischen Handelns, individuelle
Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung stehenden
Informationen aus wissenschaftlichen Studien und systema­
tisch zusammengetragenen klinischen Erfahrungen zu
versorgen. (DNEbM)

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Glossar

Studien randomisierte, doppelblinde,


kontrollierte Studie gelten als der Goldstandard.

doppelarmig In zwei Armen werden unterschiedliche Medikamentendosen


o.ä. (jeweils gegen Placebo oder die Standardtherapie) getestet.

Doppelt verblindet Weder der Proband selbst noch die Versuchsleiter wissen,
ob der Teilnehmer zur Verum- oder zur Kontrollgruppe gehört.

in vitro Im Reagenzglas.

In vivo Im lebenden Organismus.

kontrolliert Außer der Experimentalgruppe (Verumgruppe), an der die


Thera­pie ausprobiert wird, gibt es eine Kontrollgruppe,
die nur ein Scheinmedikament (Placebo) o.ä. erhält.

Nocebo Siehe Artikel von Prof. Dr. Jütte.

Placebo (Positiver Effekt nach Gabe eines) Scheinmedikament.

prospektiv Kontrolliert empirisch vor dem Beginn der Studie festgelegte


Ziele (Wirksamkeit, Dosierung o.ä.).

randomisiert Die Zuordnung der Teilnehmenden zur Experimental- oder


Kontrollgruppe erfolgt zufällig

retrospektiv Überprüft vom Ergebnis ausgehend die Wirksamkeit /


Dosierung o.ä.

signifikant Statistisch bedeutsam.

Verum(gruppe) (Gruppe, an der die Wirkung der) Therapie im Gegensatz


zum Placebo (getestet wird).

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