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OF LANGUAGES
AND LINGUISTICS
Dedicated to Marek Stachowski
on the occasion of his 60th birthday
Edited by
Michał Németh
Barbara Podolak
Mateusz Urban
Kraków 2017
Reviewers
Jens Peter Laut (University of Göttingen)
Georges Pinault (École pratique des hautes études ♦ Paris)
Edited and proofread by Michał Németh, Barbara Podolak, and Mateusz Urban,
with the assistance of Tomasz Majtczak, Dariusz Piwowarczyk, and Kamil Stachowski.
Laid out and typeset by Kamil Stachowski. Final proofreading by Tomasz Babnis.
ISBN 978-83-7638-861-8
Corinna Leschber
Institute for Linguistic and Cross-Cultural Studies ♦ Berlin
The etymology of the Romani (Gypsy language) word dilino, meaning ‘crazy’,
can be traced back to its Indian roots; meanwhile, after showing its linguistic
productivity, the word has resulted in a high number of derivatives in Romani
dialects. Within surrounding languages, we can find numerous loans from the
word family for the Romani dilino.
In contrast to the Romani word with its Indian etymology, the Turkish word
deli, also meaning ‘crazy’, has played an important role as a source for many
words in the Balkan languages, particularly in Bulgarian and, to a smaller extent,
in Romanian. It is possible that the semantic content of the Turkish deli has in-
fluenced the meaning of the Romani word to a certain extent.
In Romanian, we can find homonyms, some of which can be explained with
a Romani etymology, while others seem to be the result of a loan from Turkish
or at least influenced by its semantic content. Overall, this requires a thorough
analysis of these Romanian homonyms, each of which show a slightly different
semantic content.
etymology, Romani loanwords, Turkish loanwords, Balkan languages
(1962–1966: 363, Nr. 6347) Vedisch dīná ‘spärlich, dürftig’, pāli dīna ‘arm, ärmlich’,
und nennt dazu Romanes (Dialekt von Wales) dinilo, dilino ‘töricht’, dies wird
wiederum altindisch dīyatē (2) „verfallen, zugrunde gehen” zugeordnet.
Die Angaben in Cone (2010: 405–407) stützen diese Annahme, cf. pāli dīyate
(Vb. Präs. 3. Sg.) ‘verfällt, geht zu Grunde’, vgl. dazu das Partizip Perfekt (auch als
Adj. masc., fem., neutr.) dīna ‘arm, elend, gemein, ängstlich’, ferner dīnamana
‘beunruhigt’, dīniya ‘Erbärmlichkeit, Gemeinheit’.
• bulg. delì-otù (dial., botan.) ‘Atropa belladonna, Schwarze Tollkirsche’ < türk.
deli otu (botan.) ‘Alyssum, Gebirgssteinkraut’ (Steuerwald 1988: 267, 704).
Ⅲ.1. veraltet als Adjektiv, und maskulines Substantiv ‘mutiger, dreister (Mann)’,
wobei Suciu (2010: 293) die unter Ⅰ.1, Ⅲ.1., 3. (ferner auch Ⅱ.) genannten Wörter
bzw. Bedeutungsnuancen zu türk. deli stellt,
Ⅲ.2. Rumän. delíu und deríu (Adj.) ‘großgewachsen, robust, schlank, ansehnlich,
schön’ wird zu ungar. dali, dalia ‘Recke’ (wie in den rum. Varianten Ⅲ.1. und 2.)
gestellt; möglicherweise zu dieser Gruppe gehört auch 5. (Adj.) in regionalem
rumän. Gebrauch im westlichen Muntenien ‘vom Trinken berauscht, betrunken’
in der Form dilúi, und fem. dilúie (durch Suffixwechsel entstanden) belegt.
Dem Etymon Romanes diló, dilí ‘verrückt’ werden jedoch die folgenden Wörter
zugeordnet:
Ⅲ.3. Rumän. delíu, dilíu als Adjektiv, mask. und fem. Substantiv in der populären
und familiären Umgangssprache und im Argot ‘verrückter, verstörter, verwirrter,
ausgelassener, unordentlicher, wütender, wilder, grausamer (Mensch)’, regional
auch deléu und in der Moldau daléu, rumän. regional dilíu, 4. als masc. und fem.
Substantiv im regionalen Gebrauch ‘Einfaltspinsel, beschränkter Mensch; Auf-
schneider, Schwätzer’, in den Varianten dilíu (regional, nördliches Transsilvanien)
und delíu – regional im südöstlichen Transsilvanien belegt, zum Beispiel auf der
Karte 1240 auf dem Erhebungspunkt 182 des ALR der neuen Serie, Band V.
Derivate sind rumän. (volkstümlich und im Argot) dilimán (Subst. masc.) und
dilimáncă (Subst. fem.) ‘verrückter Mensch’, das hypothetische reflexive Verb
*a se dilimăní ‘verrückt werden’ muss dem femininen Substantiv dilimaneală
‘Wahnsinn’ zugrunde liegen; volkstümlich und argotisch durch Suffixwechsel ist
dilimáche (Subst. masc., invariables Adjektiv) ‘Verrückter’ bzw. ‘verrückt’ entstan-
den, dies ist regional für das Gebiet von Constanţa und Bukarest belegt.
Ebenfalls nach den Angaben in Suciu (2010: 293) tritt regional im Banat das
Adjektiv diliván(ă) ‘dumm’ auf, rumän. (reg. Muntenien) diláche (Subst. masc.) ‘ver-
rückt, schusslig’, deliésc (Adj.) ‘mutig’ und das veraltete Adverb deliéște ‘auf mutige
Weise’, sowie das reflexive Verb a se dilí ‘verrückt werden’.
Drimba (2001: 211, 254) differenziert das rumän. Verb a dilí (1) (Argot) ‘sehr
stark schlagen; geben, schlagen, machen, stehlen’ < Romanes diló, uneindeutig als
Partizip von entweder 1. da- ‘geben’ oder 2. di(y)-, de- ‘schlagen, hauen’, cf. Roma-
nes dipé, dibé ‘Schlag’, wobei sich aus der Bedeutung ‘geben’ die anderen Bedeu-
tungen entwickelt hätten. Mit dieser Bedeutung sei das Verb aus dem Romanes
auch ins Neugriechische übernommen worden: ντέλα ‘geben’.
Romanes dilinó ‘verrückt’ im Kontrast zu türk. deli … 365
Drimba (2001: 211, 254) stellt rumän. a se dilí (2) (Bukarest) ‘verrückt werden’,
zu rumän. dilíu (Adj. masc.) ‘verrückt’, (fem.) dilíe ‘Schandbezeichnung für eine
geschwätzige Frau’ (vgl. hier auch das mask. Substantiv rumän. dilimáche mit
unklarer Bildungsweise), und aufgrund des Vokalismus sei es eher zu Romanes
diló, dilí ‘verrückt, dumm, naiv’ zu stellen, als zu türk. deli ‘verrückt’. Drimba
(2001: 211, 254) führt aus, dass Romanes diló und seine Variante dilinó auch in
den Argot weiterer Sprachen übernommen wurden, vgl. ungar. dili, dilis, dilinos –
siehe weiter unten.
als Adj. ‘halbwitzig, verrückt’, diliház ‘Narrenhaus, Klapsmühle, Klapse’, dilis (Adj.)
‘halbwitzig, närrisch, schrullig, übergeschnappt, meschugge, marottenhaft’, Halász,
Földes, Uzonyi (1998: 245). Laut Dahn (1999: 69) findet sich in der ungarischen
Umgangssprache ungar. dili ‘verrückt, durchgedreht’, substantivisch ‘Verrücktheit,
Schrulle, Spinnerei, Nervenanfall, Hysterie, Neurose’ < zig. [Romanes] dilo, dili
‘verrückt’. Im Falle von ungar. dilibogyó ‘1. Beruhigungspille; 2. Aspirin; 3. (jugend
sprachlich) Kopf’ liege laut Dahn (1999: 69) eine Bildung aus dili ‘verrückt’ und
bogyó ‘Beere’ vor und es stehe die runde Form im Vordergrund, weiterhin ist die
Bedeutung 4. ‘Irrer, Verrückter’ dokumentiert, und dies zu dili ‘verrückt’. Eine gan-
ze Anzahl weiterer Bildungen veranschaulicht die Kreativität der Umgangssprache:
ungar. diliflepni ‘Bestätigung geistiger Unzurechnungsfähigkeit’, diliház ‘Irren-
anstalt’ und in der Schülersprache ‘Schule’, dilihopp und dilikokárda ‘verrückt,
närrisch, dumm’, dilima ‘Ärger, Schwierigkeiten’ (Dahn 1999: 69 sieht hier mögli-
cherweise den verballhornenden Einfluss von dilemma auf dili), dilinós ‘verrückt,
dumm’, und ähnlich dilinyó und dilinyós ‘verrückt, närrisch, dumm’, sowie dilis
und diris ‘verrückt, närrisch, dumm’, dilis alak/fazon ‘Sonderling, komischer Kauz’,
diliz (-ik) ‘Verrücktheit vortäuschen, simulieren’, ‘einen Nervenanfall bekommen,
durchdrehen’, ‘ungehalten, wütend, zornig sein’, ‘sich aufführen, einen Skandal
veranstalten’, und als unveränderte Übernahme des Etymons aus dem Romanes
ungar. dilo ‘Verrückter, Irrer’, Dahn (1999: 69).
Nach der Ansicht von EWUng. (1993: 263) ist das Ausgangswort der Wortfami-
lie ungar. dilinós, ein Lehnwort aus dem „Zigeunerischen“ [Romanes], mit Bildung
im Ungarischen, vgl. „zig.“ (Siebenbürgen) dilyino, auf dem Sprachgebiet des Serb.,
Kroat., Čech. dilino, denilo ‘dumm, verrückt, Narr’. Das Wort sei indoeuropäischer
Herkunft. EWUng. (1993: 263) vergleicht es mit altindisch diná ‘schwach, arm’.
EWUng. sieht in dili eine Rückbildung aus dilinós bzw. dilis, einer Ableitung aus
dili mit dem Adjektivbildungssuffix -s. Dem steht jedoch entgegen, dass im Ro-
manes die Ausgangsformen so bereits bestehen. Schließlich nennt EWUng. in
diesem etymologischen Zusammenhang ungarische mundartliche Formen: dellán
‘Narr’, dilló ‘verrufenes Frauenzimmer’, dulló ‘schwieriges Kind, Trottel’.
Die zu Grunde liegende Form ist Sanskrit hdaya ‘Herz’ (hd-), vergleiche in
Turner (1962–1966: 818, Nr. 14152), Turner (1931: 260), Platts (1884: 522–523), Singh
(1895: 320), Steingass (1892: 530–531).
Eine Entlehnung erfolgte auch in das Kurdische, vgl. laut Cabolov (2001: 307–308)
kurd. dił, dil, dir, zir, die südwestlichen Formen auf d- gingen auf Altpersisch *dd-,
Altiranisch *zd-, vgl. Altindisch hd- ‘Herz’ – zurück. Die genannten, ursprünglich
aus dem Persischen stammenden Formen stehen aber nicht in etymologischem
Zusammenhang mit Romanes dilinó.
9. Fazit
Es ist demnach im Romanes von einer alten indischen Wortwurzel auszugehen,
für die Wolf (1960) eine Beeinflussung durch das Türkische einräumt. Im Bulgari-
schen liegt eine türkische Etymologie vor, während das Rumänische sowohl Wörter
türkischer, als auch altindischer Etymologie in einem von Konvergenz geprägten
Mischsystem erkennen lässt. Im Rumänischen hat der semantische Einfluss ähnlich
klingender Turzismen zu einer Annäherung der Bedeutungen geführt. Während
in den im indischen Raum historisch bezeugten Ausgangssprachen die Bedeutung
‘verrückt, wahnsinnig’ für das Etymon nicht feststellbar ist, kann auf dem rumä-
nischen Sprachgebiet von einem semantischen Einfluss von türk. deli ‘verrückt’
ausgegangen werden, so dass Romanes dilino nun hauptsächlich ‘verrückt, wahn-
sinnig’ bedeutet. Die türkischen und altindischen Etyma sind völlig verschiedener
Herkunft, im Laufe ihrer wechselvollen Geschichte kam es mutmaßlich erst in Eu-
ropa schließlich zu einer Beeinflussung und einer partiellen Konvergenz, die durch
eine ähnliche phonetische Gestalt und einen ähnlichen semantischen Inhalt der
Wörter forciert wurde.
Bibliografie
ALR = Institutul de Lingvistică al filialei din Cluj a Academiei Republicii Populare Române
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Boretzky N. 1994. Romani. Grammatik des Kalderaš-Dialekts mit Texten und Glossar. [Bal-
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Boretzky N., Igla B. 1994. Wörterbuch Romani-Deutsch-Englisch für den südosteuropäischen
Raum. Wiesbaden.
Cabolov R.L. 2001. Étimologičeskij slovar´ kurdskogo jazyka. [Band 1: A–M]. Moskva.
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