Physik
für Ingenieure
12. Auflage
Physik für Ingenieure
Ekbert Hering Rolf Martin
Martin Stohrer
Rolf Martin
Köngen, Deutschland
Unter Mitarbeit von: Prof. Dr. Hanno Käß, Hochschule Esslingen Prof. Dr. G. Kurz, Hochschule
Esslingen Dr. rer. nat. Wolfgang Schulz, Zweckverband Landeswasserversorgung Stuttgart
Springer Vieweg
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 1985, 1988, 1990, 1992, 1995, 1997, 1999, 2002, 2004,
2007, 2012, 2016
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die
nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung
des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mi-
kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen
im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und
daher von jedermann benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa-
tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder
der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Ge-
währ für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Physikalische Grundlagen sind für den Ingenieur unerlässlich, weil sie so-
wohl prinzipielle Grenzen aufzeigen als auch eine klare Orientierung im
schneller werdenden technischen Wandel bieten. Quantentheorie und Fest-
körperphysik sind derzeit die Schrittmacher des technischen Fortschritts;
deshalb wird ihnen in diesem Buch der gebührende Platz eingeräumt. Mein
Wunsch ist, dass die Erkenntnisse aus der physikalischen Grundlagenfor-
schung einen erkennbaren praktischen Nutzen zeigen. So wie der Quanten-
Hall-Effekt nicht nur die physikalischen Grundlagen gefördert hat, sondern
auch in der Präzisionsmesstechnik als Widerstandsnormal von Bedeutung ist,
sollte die Verbindung zwischen physikalischen Grundlagen und ingenieurmä-
ßiger Umsetzung enger und effektiver werden.
Möge dieses Buch einen Beitrag dazu leisten.
V
VI Zum Geleit
Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern beim Arbeiten mit die-
sem Werk gute Erkenntnisse in der faszinierenden Welt der Physik und viel
Freude beim Lernen. Sehr gerne nehmen wir konstruktive Hinweise aus dem
sachkundigen Leserkreis auf und freuen uns auf Ihre Hinweise.
2. Mechanik
A Fläche
a Beschleunigung
c Lichtgeschwindigkeit; Schallgeschwindigkeit
cA Auftriebsbeiwert
cD Druckwiderstandsbeiwert
cM Momentenbeiwert
cW Widerstandsbeiwert
d Abstand; Dickenänderung
E Energie; Elastizitätsmodul
e Einheitsvektor
F Kraft
Fr Froudezahl
G Schubmodul, Gravitationskonstante
g Gravitationsfeldstärke
g Fallbeschleunigung
H Fallhöhe; Förderhöhe
h Höhe
I Flächenträgheitsmoment
J Massenträgheitsmoment
j Transportflussdichte;
Massenstromdichte
K Kompressionsmodul
k Federsteifigkeit; Rauigkeit
kt Drehfedersteifigkeit
L Drehimpuls
l Länge
M Drehmoment
Ma Mach’sche Zahl
m Masse
mP Massenstrom
n Drehzahl
IX
X Verwendete physikalische Symbole
P Leistung
p Impuls
p Druck; Anteil
Q Förderstrom (Pumpen);
Volumenstrom (Turbinen)
R Gaskonstante; Krümmungsradius
r Ortsvektor
Re Reynoldszahl
s Ortskoordinate
s Weg; Bogenlänge
T Kelvin-Temperatur; Periodendauer
t Zeit
V Volumen
VP Volumenstrom
v Geschwindigkeit
W Arbeit
w spezifische (massebezogene) Arbeit
Schubspannung
˚ Transportgröße
' Drehwinkel; Potenzialfunktion; Geschwindigkeitsziffer; Fluidität
'G Gravitationspotenzial
! Winkelgeschwindigkeit
3. Thermodynamik
a Temperaturleitfähigkeit
C; Cm ; c Wärmekapazität, molare bzw. spezifische Wärmekapazität
Cmp , cp isobare molare bzw. isobare spezifische Wärmekapazität
CmV , cV isochore molare bzw. isochore spezifische Wärmekapazität
C12 Strahlungsaustauschkoeffizient
c Schallgeschwindigkeit
EA Aktivierungsenergie
Verwendete physikalische Symbole XI
˛ Längenausdehnungskoeffizient; Absorptionsgrad
˛ Wärmeübergangskoeffizient
Raumausdehnungskoeffizient
" Emissionsgrad; Kompressionsverhältnis
"K ; "W Leistungszahl einer Kältemaschine bzw. einer Wärmepumpe
th thermischer Wirkungsgrad
~ Isentropen-(Adiabaten-)Exponent
Wärmeleitfähigkeit
Stoffmenge (Teilchenmenge)
% Dichte; Reflexionsgrad
Transmissionsgrad
˚e Strahlungsleistung
' relative Luftfeuchte
'a absolute Luftfeuchte
'12 Einstrahlzahl
XII Verwendete physikalische Symbole
Ar relative Atommasse
Ä elektrochemisches Äquivalent
AH Hall-Koeffizient
B magnetische Induktion, Flussdichte
B Blindleitwert, Suszeptanz
BR Remanenzinduktion
BS Sättigungsinduktion
C Kapazität
D elektrische Verschiebungsdichte
E elektrische Feldstärke
EH Hall-Feldstärke
e Elementarladung
FL Lorentz-Kraft
F Faraday-Konstante
f Spulenformfaktor
G Leitwert, Konduktanz
H magnetische Feldstärke
HC Koerzitivfeldstärke
I; i elektrische Stromstärke
iO Amplitude der elektrischen Stromstärke
I; ieff Effektivwert der Wechselstromstärke
J magnetische Polarisation
j elektrische Stromdichte
L Induktivität
M Magnetisierung
m Ampere’sches magnetisches Moment
mC Coulomb’sches magnetisches Moment
N Windungszahl
P elektrische Polarisation
P; p Leistung
p elektrisches Dipolmoment
Q elektrische Ladung; Blindleistung
R elektrischer Widerstand
Rm magnetischer Widerstand
S Scheinleistung
TC Curie-Temperatur
TN Néel-Temperatur
U; u elektrische Spannung
uO Amplitude der elektrischen Spannung
U; ueff Effektivwert der elektrischen Spannung
UH Hall-Spannung
uind induzierte Spannung
WA Austrittsarbeit
Wel elektrische Arbeit und Feldenergie
wel elektrische Energiedichte
Wmagn magnetische Arbeit und Feldenergie
Verwendete physikalische Symbole XIII
c Phasengeschwindigkeit
cgr Gruppengeschwindigkeit
d Dämpfungskoeffizient
f Frequenz
f0 ; fd Eigenfrequenz der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
fRes Resonanzfrequenz
fS Schwebungsfrequenz
p
j 1
k Federsteifigkeit; Wellenzahl
kt Drehfedersteifigkeit
Q Güte
I; S Intensität
T Periodendauer
T0 ; Td Periodendauer der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
TS Periodendauer der Schwebung
w Energiedichte
y Auslenkung
yO Amplitude
XIV Verwendete physikalische Symbole
ˇ Auslenkungswinkel
ˇO Amplitude des Auslenkungswinkels
Phasenverschiebung zwischen Erreger und Schwinger
Gangunterschied
ı Abklingkoeffizient
Kreisfrequenzverhältnis
# Dämpfungsgrad
logarithmisches Dekrement
Wellenlänge
' Phasenwinkel
'0 Nullphasenwinkel
' Phasenverschiebung zwischen zwei Schwingungen
! Kreisfrequenz
!0 ; !d Kreisfrequenz der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
˝ Erregerkreisfrequenz
!Res Resonanzkreisfrequenz
6. Optik
AN numerische Apertur
a; a0 Gegenstands- bzw. Bildweite
A; B Einstein-Koeffizienten
b Spaltbreite
D0 Brechkraft
DAP ; DEP Durchmesser von Austritts- bzw. Eintrittspupille
Ee Bestrahlungsstärke
Ev Beleuchtungsstärke
Eph Energie eines Photons
e Abstand zweier Linsen
f; f 0 gegenstandsseitige bzw. bildseitige Brennweite
g Gitterkonstante
He Bestrahlung
Hv Beleuchtung
h Planck’sche Konstante
I Intensität
Ie Strahlstärke
Iv Lichtstärke
Km fotometrisches Strahlungsäquivalent
k Blendenzahl
l Kohärenzlänge
Le Strahldichte
Lv Leuchtdichte
Me spezifische Ausstrahlung
Mv spezifische Lichtausstrahlung
m Ordnungszahl bei Interferenzen
Ni Besetzungszahl des Niveaus i
Verwendete physikalische Symbole XV
n Brechungsindex
p Gitterstrichzahl
Qe Strahlungsenergie
Qv Lichtmenge
r Krümmungsradius
s; s 0 gegenstandsseitige bzw. bildseitige Schnittweite
u0 Durchmesser des Unschärfekreises
V Hellempfindlichkeitsgrad
y; y 0 Gegenstands- bzw. Bildgröße
Z Dämmerungszahl
z; z 0 Abstand vom Gegenstand bzw. Bild zum jeweiligen Brennpunkt
7. Akustik
A äquivalente Schallabsorptionsfläche
B Biegesteifigkeit
d Absorberdicke
fG Grenzfrequenz der Spuranpassung
GpU Übertragungsmaß elektroakustischer Wandler
I Schallintensität
L Schallpegel
LS Lautstärke
Ln Norm-Trittschallpegel
m00 flächenbezogene Masse
P Schallleistung
p Schalldruck
R Schalldämm-Maß
r Reflexionsfaktor
S Lautheit; Fläche
T Nachhallzeit
v Schallschnelle
XVI Verwendete physikalische Symbole
w Schallenergiedichte
y Elongation
Z Schallkennimpedanz
˛ Schallausbreitungs-Dämpfungskoeffizient
˛s Schallabsorptionsgrad
ı Einfallswinkel
Bewertungsfaktor
%s Schallreflexionsgrad
s Schalltransmissionsgrad
A Nukleonenzahl; Aktivität
AS spezifische Aktivität
a0 Bohr’scher Radius des Wasserstoffatoms im Grundzustand
B Baryonenzahl
D; DP Energiedosis, Energiedosisleistung
Dq ; DP q Äquivalentdosis, Äquivalentdosisleistung
d Flächenmasse
E Energie-Eigenwert
EB Bindungsenergie
ES Schwellenenergie
F; F Gesamtdrehimpuls des Atoms einschließlich Kerndrehimpuls, zu-
gehörige Quantenzahl
g Faktor nach Landé
H Hamilton-Funktion
HO Hamilton-Operator
h Planck’sches Wirkungsquantum („ D h=.2 /)
I; I Kerndrehimpuls, zugehörige Quantenzahl
J; J Gesamtdrehimpuls der Elektronenhülle, zugehörige Quantenzahl
j; j Gesamtdrehimpuls eines Elektrons, zugehörige Quantenzahl
L; L Gesamtbahndrehimpuls der Elektronenhülle, zugehörige Quan-
tenzahl
L Leptonenzahl
l; l Bahndrehimpuls eines Elektrons, zugehörige Quantenzahl
m1 magnetische Quantenzahl des Drehimpulses
ms magnetische Quantenzahl des Spins
mj magnetische Quantenzahl des Gesamtdrehimpulses
m0 Ruhemasse
N Neutronenzahl
n Hauptquantenzahl
Q Kern-Quadrupolmoment
R Reichweite
RH Rydberg-Konstante
S Gesamtspinmoment
Verwendete physikalische Symbole XVII
s; s Elektronenspin, zugehörige
Quantenzahl (Spinquantenzahl)
t1=2 Halbwertszeit
u atomare Masseneinheit
x Schichtdicke
Z Kernladungszahl (Ordnungszahl, Protonenzahl)
˛ Feinstrukturkonstante
gyromagnetisches Verhältnis
Zerfallskonstante; Wellenlänge
; magnetisches Moment
Absorptionskoeffizient
K Kern-Magneton
B Bohr’sches Magneton
Frequenz
˘ Paritätsquantenzahl
˙ makroskopischer Wirkungsquerschnitt
Wirkungsquerschnitt
˚ Flussdichte
zeitabhängige Wellenfunktion
Wellenfunktion
9. Festkörperphysik
M Molmasse; Multiplikationsfaktor
NL ; Nv effektive Zustandsdichte im Leitungsband bzw. im Valenzband
n Elektronenkonzentration
nA ; nD Akzeptoren- bzw. Donatorenkonzentration
ni Eigenleitungsdichte
nph Phononendichte
nN Brechungsindex
p Löcherkonzentration
S Empfindlichkeit
Tc kritische Temperatur
TD Debye-Temperatur
TE Einstein-Temperatur
TF Fermi-Temperatur
T0 charakteristische Temperatur
Ud Diffusionsspannung
UF Flussspannung
UK Kontaktspannung
UL Leerlaufspannung
Uth Thermospannung
V ./ Hellempfindlichkeitsgrad
vd Driftgeschwindigkeit
vF Fermi-Geschwindigkeit
v Systemgeschwindigkeit
relativistischer Faktor
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Physikalischer Erkenntnisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . 3
1.3 Physikalische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3.1 Definition und Maßeinheit . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3.2 Messgenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3.3 Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.4 Kurvenanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion . . . . . . . . . . . . 15
1.3.6 Korrelationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.3.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2 Kinematik des Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.1 Eindimensionale Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2.2 Dreidimensionale Kinematik . . . . . . . . . . . . . . 26
2.2.3 Kreisbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . 32
2.3.1 Konzept der klassischen Dynamik . . . . . . . . . . . 32
2.3.2 Newton’sche Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3.3 Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.4 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.1 Relativ zueinander geradlinig bewegte
Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.2 Gleichförmig rotierende Bezugssysteme . . . . . . . 40
2.4.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.5 Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.5.1 Impuls eines materiellen Punktes . . . . . . . . . . . 44
2.5.2 Impuls eines Systems materieller Punkte . . . . . . . 45
2.5.3 Raketengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.5.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.6 Arbeit und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
XIX
XX Inhaltsverzeichnis
2.6.1 Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.6.2 Leistung, Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.6.3 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.6.4 Energieerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.6.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7 Stoßprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7.1 Übersicht und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7.2 Gerader, zentraler, elastischer Stoß . . . . . . . . . . 56
2.7.3 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß . . . . . . . . . 58
2.7.4 Schiefe, zentrale Stöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.7.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8 Drehbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8.1 Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8.2 Newton’sches Aktionsgesetz der Drehbewegung . . 62
2.8.3 Arbeit, Leistung und Energie bei der Drehbewegung 63
2.8.4 Drehbewegungen von Systemen materieller Punkte 64
2.8.5 Analogie Translation und Rotation . . . . . . . . . . 65
2.8.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.9 Mechanik starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.9.1 Freiheitsgrade und Kinematik . . . . . . . . . . . . . 67
2.9.2 Kräfte am starren Körper . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.9.3 Schwerpunkt und potenzielle Energie eines starren
Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
2.9.4 Kinetische Energie eines starren Körpers . . . . . . 72
2.9.5 Massenträgheitsmomente starrer Körper . . . . . . . 74
2.9.6 Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.9.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10 Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10.1 Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10.2 Newton’sches Gravitationsgesetz . . . . . . . . . . . 87
2.10.3 Hubarbeit und potenzielle Energie . . . . . . . . . . . 89
2.10.4 Satellitenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
2.10.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik . 92
2.11.1 Elastische Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2.11.2 Plastische Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2.11.3 Härte fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.11.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und
Aeromechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.12.1 Ruhende Flüssigkeiten (Hydrostatik) und ruhende
Gase (Aerostatik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.12.2 Fluide – strömende Flüssigkeiten (Hydrodynamik)
und Gase (Aerodynamik) . . . . . . . . . . . . . . . . 117
3 Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1.2 Thermodynamische Grundbegriffe . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis XXI
6 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
6.2 Geometrische Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
6.2.1 Lichtstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
6.2.2 Reflexion des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
6.2.3 Brechung des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
6.2.4 Abbildung durch Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
6.2.5 Blenden im Strahlengang . . . . . . . . . . . . . . . . 471
6.2.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
6.2.7 Abbildungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
6.2.8 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
6.3 Radio- und Fotometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
6.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
6.3.2 Strahlungsphysikalische Größen . . . . . . . . . . . . 482
6.3.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488
6.3.4 Lichttechnische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
6.3.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
6.3.6 Farbmetrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
6.3.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4.1 Interferenz und Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4.2 Polarisation des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
6.5 Quantenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
6.5.1 Lichtquanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
6.5.2 Dualismus Teilchen–Welle . . . . . . . . . . . . . . . 534
6.5.3 Wärmestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
6.5.4 Laser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
6.5.5 Materiewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . 544
6.6.1 Beugungsbegrenzte Abbildung . . . . . . . . . . . . . 544
6.6.2 Überwindung der Beugungsbegrenzung . . . . . . . 546
7 Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
7.2 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
7.2.1 Schallausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
7.2.2 Schallwandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559
7.2.3 Schallwellen an Grenzflächen . . . . . . . . . . . . . 563
7.2.4 zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568
7.3 Schallempfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569
7.3.1 Physiologische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . 569
7.3.2 Musikalische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
7.3.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
7.4 Technische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
7.4.1 Raumakustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
7.4.2 Luftschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
7.4.3 Körperschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579
XXIV Inhaltsverzeichnis
9 Festkörperphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1 Struktur fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1.1 Kristallbindungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1.2 Kristalline Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706
9.1.3 Gitterfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709
9.1.4 Amorphe Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712
9.1.5 Makromolekulare Festkörper . . . . . . . . . . . . . . 713
9.1.6 Ausgewählte Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . 717
9.1.7 Flüssigkristalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722
9.2 Elektronen in Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725
9.2.1 Energiebänder-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725
9.2.2 Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728
9.2.3 Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734
9.2.4 Supraleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745
9.2.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749
9.3 Thermodynamik fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750
9.3.1 Gitterschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750
9.3.2 Effekte im Zusammenhang mit Wärmefluss und
elektrischem Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757
9.3.3 Piezoelektrizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 759
9.3.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente . . . . . . . . . . . 762
9.4.1 Strahlungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762
9.4.2 Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766
11 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1.2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792
11.1.3 Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813
11.1.4 Elektrizität und Magnetismus . . . . . . . . . . . . . . 824
11.1.5 Schwingungen und Wellen . . . . . . . . . . . . . . . 831
11.1.6 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840
XXVI Inhaltsverzeichnis
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887
Einführung
1
a) Experiment a c
Im ersten Schritt werden Merkmale der leb-
losen Umwelt, die physikalischen Größen,
gesucht. Zur präziseren Beschreibung müssen
auch Merkmale durch physikalische Defini-
tionen festgelegt werden (z. B. die Definiti- d
on der Kraft). In einem Experiment werden
durch Messungen zwei oder mehr physikali-
sche Größen miteinander verglichen und die
dabei aufgestellten Zusammenhänge aufge-
schrieben. Abb. 1.1 Regelkreis der physikalischen Erkenntnis
genug vorhergesagt werden können (z. B. der des sich bewegenden Körpers vorhergesagt
Einfluss der Reibung bei der Strömung realer werden.
Flüssigkeiten und Gase). Der große Erfolg der physikalischen Erkennt-
b) Induktionsschluss nismethode beruht hauptsächlich auf der Ge-
Werden physikalische Zusammenhänge im- nauigkeit und Zuverlässigkeit der Vorhersa-
mer wieder experimentell bestätigt, dann ge. Zum Beispiel wäre die Mondlandung
kann gefolgert werden, dass sie zu jeder Zeit nicht möglich gewesen, wenn auf der Erde
und an jedem Ort gültig sind. Dieser Schluss, nicht alle Gesetzmäßigkeiten bekannt gewe-
der eine Verallgemeinerung darstellt, wird in sen wären, sodass alle möglichen Ereignis-
der Mathematik Induktionsschluss (Schluss se während des Fluges auf der Erde simu-
von n auf n C 1) genannt. Eine derartige Ver- liert werden konnten. Es war möglich, die
allgemeinerung ist nur zulässig, wenn sich Mondlandung gleichsam im Geist vorweg-
die physikalischen Konstanten nicht ändern. zunehmen, weil die physikalischen Theorien
Diese wichtige Forderung nach der Konstanz richtig und zuverlässig sind und eine gülti-
der Naturereignisse äußert sich in der Phy- ge Aussage im konkreten Fall erlauben. Ein
sik in der Existenz von Naturkonstanten (z. B. wichtiger Bestandteil der ingenieurmäßigen
Lichtgeschwindigkeit c). Beim Übertragen Denkweise besteht nämlich darin, zukünfti-
des physikalischen Erkenntnisprozesses auf ges Verhalten beispielsweise von Maschinen
andere Disziplinen, z. B. auf die Psycholo- oder elektronischen Schaltungen durch die
gie, muss daher genau geprüft werden, ob die gültigen physikalischen Gesetze vorauszuse-
Konstanz der Aussageparameter gegeben und hen. Diese Methode wird vor allem auf dem
damit eine Verallgemeinerung der Beziehun- Gebiet der Schadensverhütung außerordent-
gen zulässig ist. lich wirkungsvoll eingesetzt.
c) Physikalische Gesetze a) Experiment
Mit der Verallgemeinerung durch den Induk- Auch die sorgfältigste Vorhersage physikali-
tionsschluss ist ein physikalisches Gesetz for- scher Zustände kann fehlerhaft sein, weil be-
muliert (z. B. die Kraft ist proportional zur stimmte Einflussgrößen nicht berücksichtigt
Masse und Beschleunigung). Das physika- sind. Aus diesem Grund muss die Vorhersage
lische Gesetz wird für die weitere Analyse eines physikalischen Gesetzes durch ein Ex-
und die Anwendung mathematisch formuliert periment auf ihre Richtigkeit überprüft wer-
(z. B. F D ma). Bildet die Vielzahl an phy- den (Verifikation). Voraussetzung dafür ist,
sikalischen Gesetzen ein widerspruchsfreies dass mit dem physikalischen Gesetz ein realer
System wissenschaftlicher Aussagen über die Messaufbau definiert ist, der die Verifizierung
gesetzmäßigen Zusammenhänge eines physi- der Prognose erlaubt. Diese harte Forderung
kalischen Bereiches, so wird dieses System von Albert Einstein, dass jedes physikalische
Theorie genannt. Die Theorie ermöglicht ei- Gesetz zugleich eine Messvorschrift für ei-
nerseits eine Vorhersage durch die Deduktion ne reproduzierbare Messung darstellen muss,
(d) und andererseits die Überprüfung ihres ei- hat die Physik davor bewahrt, in geistreiche
genen Wahrheits- bzw. Gültigkeitsanspruches Phantastereien abzugleiten. Mit der Prüfung
durch das Experiment (a). der Prognose am Experiment ist der physika-
d) Deduktion lische Erkenntnisprozess wie in einem Regel-
Aus den physikalischen Theorien oder Geset- kreis geschlossen. Die Wirklichkeit korrigiert
zen können mit Hilfe der Logik spezielle, auf damit im Verifikationstest den physikalischen
ein konkretes Problem bezogene Aussagen Erkenntnisprozess. Auf diese Weise ist aus-
hergeleitet werden. In der klassischen Mecha- geschlossen, dass dieser auf das rein geisti-
nik kann beispielsweise aus der Bahnkurve ge Denkvermögen des Menschen beschränkt
für den schiefen Wurf zu jeder Zeit jeder Ort bleibt.
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis 3
die für den Induktionsschluss geforderte Kon- Quantenphysik ist. Damit wurde in der Physik
stanz der Systemvariablen nicht gegeben ist, erstmalig die deterministische Denkweise in ih-
weil diese je nach Situation unterschiedliche rer generellen Gültigkeit in Frage gestellt. Dies
Werte einnehmen (z. B. hängt die Antwort in bedeutet freilich nicht, dass der in Abb. 1.1 darge-
einem Interview auch von der Art der Frage- stellte Regelkreis der physikalischen Erkenntnis
stellung ab) und wenn in der Quantenphysik falsch wird. Er ist nach wie
die für einen Deduktionsschluss notwendige, vor gültig. Es wird beim Induktionsschluss die
vollständige Kenntnis der Anfangsbedingun- Konstanz der Variablen ersetzt durch die Kon-
gen eines Systems nicht gegeben ist. stanz der statistischen Zusammenhänge, weshalb
die Deduktion keine determinierten, sondern le-
Die heute beklagte „Unmenschlichkeit“ der diglich wahrscheinliche Vorhersagen erlaubt.
Technik und die Zukunftslosigkeit vieler Men- Weil in quantenmechanischen Systemen die
schen hat ihren Grund auch darin, dass die Elemente unteilbar sind, sind sie ganzheitlich und
rein kausale, deterministische Denkweise von der dürfen nicht analytisch betrachtet werden. Zudem
klassischen Physik ausgehend weite Bereiche der besteht zwischen den quantenmechanischen Sys-
geistigen Welt erfasst hat. In letzter Konsequenz temkomponenten eine so starke Wechselwirkung,
führt dieses Denken zu dem Schluss, das mensch- dass bei einer Trennung der Komponenten für
liche Leben sei ein sinnloses, vorherbestimmtes eine Einzelanalyse diese erheblich verändert wer-
Existieren. Der Begriff Freiheit als Gegenteil von den; somit ist ein Denken in wechselwirkenden
Determiniertheit wird dann ebenso sinnlos wie Zusammenhängen (Regelkreisen) bei quanten-
ein Moralbegriff, da vorherbestimmte Abläufe mechanischen Systemen notwendig.
keinen Schuldigen kennen. Das für viele Probleme unserer Zeit (z. B. Um-
Mit der Begründung der Quantenphysik Mitte weltzerstörung) notwendige vernetzte Denken in
der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wur- ganzheitlichen Kategorien als erforderliche Kor-
de deutlich, dass sich atomare und subatomare rektur zur isolierten, analytischen Denkweise war
Strukturen nicht mehr deterministisch verhalten in der Physik bereits vor achtzig Jahren notwen-
und die klassische Physik ein Spezialfall der dig, um quantenphysikalische Effekte erklären
6 1 Einführung
zu können. Sicherlich wird ein über die statisti- nur noch die SI-Einheiten benutzt werden. Durch
sche Determiniertheit hinausgehendes Denkkon- Vorsätze oder Präfixe können dezimale Vielfa-
zept benötigt, um soziale und lebendige Syste- che oder Teile der Einheiten gebildet und damit
me in ihrem Verhalten richtig beschreiben zu umständlich zu schreibende Zehnerpotenzen der
können. Aus diesem Grund wird von einigen Maßzahlen vermieden werden. In Tab. 1.1 sind
Physikern versucht, die Quantenphysik in ihrer die Vorsilben und Kurzzeichen für die Vorsät-
ganzheitlichen, auf Regelkreisen beruhenden Be- ze zusammengestellt. Doppelvorsätze wie z. B.
trachtungsweise als Denkmodell beispielsweise mm, sind nicht zulässig.
für gesellschaftliche Strukturen und deren Ver- Hohe Anforderungen an die Genauigkeit des
änderungen oder zur ästhetischen Beurteilung Vergleichs mit der Einheit, d. h. an die Mess-
von Kunstwerken heranzuziehen. Es bleibt ab- genauigkeit, können nur mit sehr aufwändigen
zuwarten, inwieweit diese Übertragungsversuche Apparaturen erfüllt werden, bei denen Störein-
quantenmechanischer Denkkonzepte auf andere flüsse auf den Vergleichsmaßstab weitgehend
Wissenschaften erfolgreich sind. ausgeschlossen und die Ablesung des Vergleichs-
maßstabs hochverfeinert ist. Weltweit kann ein
solcher messtechnischer Aufwand nur in wenigen
1.3 Physikalische Größen Mess- und Eichlaboratorien getrieben werden.
In der Bundesrepublik Deutschland ist dafür die
1.3.1 Definition und Maßeinheit Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in
Braunschweig zuständig. Abb. 1.4 zeigt das pri-
Eine physikalische Größe kennzeichnet Eigen- märe Zeitnormal der PTB Braunschweig, die
schaften und beschreibt Zustände sowie Zu- Atomuhr. Schon wegen dieses messtechnischen
standsänderungen von Objekten der Umwelt. Sie Aufwandes wurde in den SI-Vereinbarungen
muss nach der Forderung Einsteins (Abb. 1.1) darauf geachtet, die Einheiten der physikali-
messbar sein, d. h. ein Messverfahren definie- schen Größen auf möglichst wenige, voneinan-
ren. Die Vereinbarung, nach der die beobachtete der unabhängige Basiseinheiten zurückzuführen.
physikalische Einheit quantifiziert wird, ist die Von deren absoluter Messgenauigkeit sind unse-
Einheit der physikalischen Größe. Beispielsweise re physikalischen Beobachtungen bestimmt. In
wurde für die Temperatur T als Einheit K (Kel-
vin) der 273,16-te Teil der Temperatur des Tripel-
punktes von Wasser festgelegt (Abschn. 3.1.3). Tab. 1.1 Bezeichnung der dezimalen Vielfachen und Teile
von Einheiten
Der Zahlenwert vor der Einheit gibt an, wie oft
der Vergleichsmaßstab der Einheit angelegt wer- Zehnerpotenz Vorsilbe Kurzzeichen Beispiel
1018 Exa E Em, EJ
den kann. Somit besteht eine physikalische Größe
1015 Peta P Pm, PJ
G immer aus einer quantitativen Aussage fGg
1012 Tera T Tm, TJ
(ausgedrückt durch den Zahlenwert) und einer 109 Giga G Gm, GJ
qualitativen Aussage ŒG (ausgedrückt durch die 106 Mega M Mm, MJ
Einheit): 103 Kilo k km, kJ
G D fGg ŒG: (1.1) 102 Hekto h hPa, hJ
101 Deka da dam, daJ
Durch das Gesetz über Einheiten im Messwe-
101 Dezi d dm, dJ
sen vom 2. Juli 1969 (BGBl. I S. 709) wurden 102 Zenti c cm, cJ
ab 1.1.1978 die Vereinbarungen der Internatio- 103 Milli m mm, mJ
nalen Organisation für Standardisation (ISO), 106 Mikro m, J
die sogenannten SI-Einheiten (Systeme Interna- 109 Nano n nm, nJ
tional d’Unités), in der Bundesrepublik Deutsch- 1012 Piko p pm, pJ
land eingeführt. Im amtlichen und geschäftlichen 1015 Femto f fm, fJ
Verkehr dürfen seither für physikalische Größen 1018 Atto a am, aJ
1.3 Physikalische Größen 7
Abb. 1.4 Die Cäsium-Atomuhren CS1, CS2 und CS3 der PTB Braunschweig, aufgestellt in der abgeschirmten und
klimatisierten Atomuhrenhalle
Tab. 1.2 sind die sieben Basisgrößen im SI- ihrer Definitionsgleichung abgeleitet. Eine Aus-
Einheitensystem wiedergegeben, ihre Definitio- wahl abgeleiteter Einheiten zeigt Tab. 1.3.
nen und ihre relative Messunsicherheit angege- Bei der theoretischen Beschreibung der ermit-
ben. telten Zusammenhänge zwischen den physikali-
Durch die ISO-Festlegung der Vakuum- schen Größen ergeben sich universelle Proportio-
Lichtgeschwindigkeit vom 20.10.1983 auf c D nalitätskonstanten, die Naturkonstanten. Einige
299:792:458 m=s ist das Meter von der Sekunde dieser Naturkonstanten sind in Tab. 1.4 aufge-
metrologisch abhängig geworden. Durch die Be- führt.
ziehung c 2 D 1=0 "0 ist bei Kenntnis der Licht-
geschwindigkeit c und der magnetischen Feld-
konstanten 0 der Wert für die elektrische Feld- 1.3.2 Messgenauigkeit
konstante "0 exakt festgelegt (Abschn. 4.5.5).
Nach dem von K. von Klitzing 1980 entdeck- Die Messung einer physikalischen Größe er-
ten quantisierten Hall-Effekt lässt sich auch ei- folgt durch den Vergleich der Einheit dieser
ne aus Naturkonstanten sehr exakt bestimmba- Größe nach der Messmethode der SI-Vereinba-
re Basisgröße für den elektrischen Widerstand rung oder einem darauf geeichten Messverfahren.
R D h=.ie2 / bestimmen .i D 1; 2; 3; : : :/. Oft werden die Messwerte von Wiederholungs-
Die SI-Einheiten der übrigen physikalischen Grö- messungen Abweichungen untereinander haben,
ßen werden aus den Basiseinheiten entsprechend die kennzeichnend für die Messgenauigkeit sind.
8 1 Einführung
Wie Tab. 1.5 zeigt, ist dabei zwischen den sys- DIN 55 303-2: Statistische Auswertung
tematischen, für das Messverfahren charakteris- von Daten,
tischen Abweichungen und den zufälligen oder DIN 55 350-21 bis 24: Qualitätssicherung und
statistischen, vom Experimentator abhängigen Statistik.
Abweichungen zu unterscheiden.
Um systematische Abweichungen aufzude- Zur grafischen Analyse der Messwertschwankun-
cken, werden in der Prüfpraxis Ringversuche gen dient das Histogramm. Ein Beispiel hierfür
durchgeführt, bei denen dieselbe Probe von ver- zeigt Abb. 1.5. In dieses wird balkenförmig über
schiedenen Prüfstellen gemessen und die Ergeb- dem Messwert x die relative Häufigkeit hj des
nisse anschließend verglichen werden. Aus den Messwerts aufgetragen:
zufälligen Abweichungen wird durch die Fehler-
Nj
rechnung die Messgenauigkeit des angewandten hj D : (1.2)
Messverfahrens bestimmt. Die mathematischen N
Grundlagen für diese Analyse der Messgenauig- Nj ist die Anzahl des Messwerts xj bei N Mes-
keit sind in Lehrbüchern der Statistik und Wahr- sungen der Messgröße x.
scheinlichkeitstheorie beschrieben. Die praxisge- Bei zufälligen Messabweichungen ist die Häu-
rechten Verfahren sind in Normen zusammenge- figkeitsverteilung symmetrisch zu einem häu-
fasst: figsten Wert, dem Erwartungswert . Bei einer
Wiederholungsmessung wird dieser Erwartungs-
DIN 1 319: Grundbegriffe der Mess- wert mit größter Wahrscheinlichkeit gemessen.
technik, Vom häufigsten Wert abweichende Messwerte xj
DIN ISO 3534-1: Statistik – Begriffe und werden umso seltener gemessen, je größer ihre
Formelzeichen, Abweichung dj D xj vom Erwartungswert
DIN 53 804-1: Statistische Auswertung, ist.
1.3 Physikalische Größen 9
Tab. 1.3 Zusammenstellung einiger physikalischer Größen mit ihren SI-Einheiten, die von den Basiseinheiten abge-
leitet sind
Physikalische Größe Formel- Berechnung Einheit
zeichen
Fläche A A D Länge Breite m2
Bogen m
Winkel ' 'D D rad Radiant
Radius m
2
Fläche des Kugelabschnitts m
Raumwinkel ˝ ˝D D sr Steradiant
Quadrat des Kugelradius m2
1 1
Frequenz ; f f D D Hz Hertz
Periodendauer s
Wegintervall m
Geschwindigkeit v vD
Zeitintervall s
Geschwindigkeitsänderung m
Beschleunigung a aD
Zeitintervall s2
m
Kraft F F D Masse Beschleunigung kg 2 D N Newton
s
m2
Arbeit, Energie W; E W D Kraft Weg kg 2 D J Joule
s
Arbeit m2
Leistung P P D kg 3 D W Watt
Zeitintervall s
m2
Wärme Q Q D Energie kg 2 D Ws D J Joule
s
Wärme kg m2 J
Wärmekapazität C C D D
Temperaturintervall s2 K K
elektrische Ladung Q Q D elektr. Stromstärke Zeit As DC Coulomb
elektrische Kraft kg m N V
elektrische Feldstärke E ED D D
elektrische Ladung s3 A As m
elektrische Arbeit kg m2 W
elektrische Spannung U U D D DV Volt
elektrische Ladung A s3 A
elektrische Spannung kg m 2
V
elektrischer Widerstand R RD D D Ohm
elektrische Stromstärke A2 s3 A
elektr. Stromstärke Windungszahl A
magnetische Feldstärke H H D
Spulenlänge m
kg m2
magnetischer Fluss ˚ ˚ D magnetische Induktion Fläche D V s D Wb Weber
A s2
kg Wb
magnetische Induktion B B D Permeabilität magnetische Feldstärke D 2 DT Tesla
A s2 m
Lichtstrom cd sr
Beleuchtungsstärke E ED D lx Lux
Fläche m2
Wird die Anzahl der Wiederholungsmessun- h.x/dx ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei ei-
gen stark erhöht, so geht die Häufigkeitsver- ner Wiederholungsmessung der Messwert x zwi-
teilung h.xj / in eine glockenförmige Normal- schen x und x C dx liegt. Die Funktion h.x/ ist
Verteilung der Messwerte über. Im Grenzfall symmetrisch p zum Erwartungswert und durch
liegen die Werte des Histogramms auf der von den Faktor 1= 2 2 so normiert, dass die Wahr-
C.F. Gauß aufgestellten Verteilungsfunktion scheinlichkeit 1 ist, bei einer Wiederholungsmes-
sung einen Wert x im Bereich 1 < x < C1
2
1 .x/ zu finden. Die Varianz 2 ist ein Maß für die
h.x/ D p e 2 2 : (1.3)
2 2 Breite der Verteilungsfunktion h.x/W 68;3 % der
10 1 Einführung
minimalen Fehlersumme lässt sich als Breiten- Messgrößen die Vertrauensgrenzen für den Er-
maß der Häufigkeitsverteilung die Standardab- wartungswert abhängig von der Anzahl N der
weichung s berechnen; s ist die minimale Feh- Messungen und der Standardabweichung s des
lersumme FSmin , normiert auf die Anzahl nw D Messverfahrens:
N 1 der Wiederholungsmessungen. Die Stan-
dardabweichung s hat dieselbe Maßeinheit wie obere Vertrauensgrenze: xo D xN C uz ;
die Messgröße x. Nach der Theorie der Beob- untere Vertrauensgrenze: xu D xN uz :
achtungsfehler ist s 2 der beste Schätzwert für die
Varianz 2 . In Abb. 1.5 ist in das Histogramm Die Messunsicherheit uz , die den Vertrauensbe-
die Verteilungsfunktion h.x/ nach (1.3) einge- reich des statischen Messwerts abgrenzt, berech-
zeichnet, wenn an Stelle von und 2 die nach net sich nach (5) in Tab. 1.6 und hängt von der
Tab. 1.6 berechneten Werte xN und s 2 gesetzt wer- Standardabweichung xN des arithmetischen Mit-
den. telwerts ab.
12 1 Einführung
Der Faktor t folgt aus der Student-t-Verteilung Tab. 1.7 Zahlenwerte nach DIN 1319-3 und Anpassungs-
und ist abhängig von der Anzahl der Wieder- polynom des t -Faktors der Vertrauensgrenzen für ver-
schiedene statistische Sicherheiten
holungsmessungen und der geforderten statisti-
schen Sicherheit P . In Tab. 1.7 sind für verschie- Anzahl der Statistische Sicherheit P
Wiederholungs- 68,3 % 95,4 %
dene Werte der statistischen Sicherheit P Werte messungen
für den t-Faktor aufgeführt. In der Physik und nw D N k t 0;68 t0;95
in der Vermessungstechnik rechnet man mit der 1 1,84 12,71
statistischen Sicherheit P D 68;3 %. In diesem 2 1,32 4,30
Fall entspricht die Messunsicherheit uz gerade 3 1,20 3,18
der Standardabweichung xN des arithmetischen 4 1,15 2,78
Mittelwerts. In der Industrie dagegen bevorzugt 5 1,11 2,57
man die höhere statistische Sicherheit von P D 7 1,08 2,37
95;4 %. Deshalb muss bei der Angabe der Mess- 10 1,06 2,25
20 1,03 2,09
unsicherheit bzw. des Vertrauensbereichs stets
50 1,01 2,01
die gewählte statistische Sicherheit P angegeben
100 1,00 1,98
werden.
> 100 1,00 1,96
Liegt neben der statistischen Messunsicher- Anpassungs- t0;68 D 1 t0;95 D 1;96
heit uz auch noch eine systematische Messunsi- polynom 0;584 3;012
C C
cherheit us vor, so ist als Gesamt-Messunsicher- nw nw
heit die Summe, also der Wert ug D uz C us , 0;032 1;273
n2w n2w
anzugeben. 0;288 8;992
Das Ergebnis von N Messungen der Mess- C C 3
n3w nw
größe x mit einem Messverfahren, dessen Mess-
genauigkeit durch die Standardabweichung s ge-
kennzeichnet ist, wird in der Form
wird allerdings in der Praxis oft weggelassen.
s Dies kann zu Verwirrungen führen. So kann bei-
xP D xN ˙ tP p (1.5) spielsweise die Temperaturmessung mit einem
N
Thermometer mit 1=10 ıC Teilung bei einer Ka-
angegeben. Der Index P kennzeichnet bei sehr librierung mit der statistischen Sicherheit von
genauen Messungen die gewählte statistische Si- 68;3 % eine Messgenauigkeit von ug D 0;1 K
cherheit. Die Angabe der statistischen Sicherheit aufweisen. Für den Einsatz in der Industrie mit
1.3 Physikalische Größen 13
Tab. 1.8 Beziehungen für die Kennwerte der Fehlerrechnung indirekt gemessener physikalischer Größen
Kennwerte der Fehlerfortpflanzung der Fehlerrechnung Beziehungen
fN wahrscheinlichster Wert der indirekt fN D f .x;
N y;
N zN ; : : :/ (1)
gemessenen physikalischen Größe f
s 2 2 2
@f @f @f
sf Standardabweichung der Größe f sf D sx2 C sy2 C sz2 C : : : (2)
bzw. des indirekten Messverfahrens @x @y @z
für f
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ
ˇ @f ˇ ˇ @f ˇ ˇ @f ˇ
f absoluter Größtfehler der Größe f f D ˇˇ ˇˇ xN C ˇˇ ˇˇ yN C ˇˇ ˇˇ Nz C : : : (3)
bzw. des Messverfahrens für f @x @y @z
N y;
x; N zN ; : : : arithmetische Mittelwerte der Teilmessgrößen x; y; z; : : :
x;N y; N Nz ; : : : Standardabweichungen der Mittelwerte x; N y;
N zN ; : : :
@f @f @f
; ; ; : : : partielle Ableitungen der Funktion f .x; y; z; : : :/ nach den Teilgrößen x; y; z; : : : an der Stelle
@x @y @z N y;
x; N zN ; : : :
die die Fehlersumme, d. h. die Summe der Qua- über Funktionen f mit linearen Normalgleichun-
drate der Abweichungen, ein Minimum ist: gen. Die Standardabweichungen sa0 ; sa1 ; : : : der
Parameter lassen sich aus dem Wert des Mini-
X N mums der Fehlersumme FSmin , der Anzahl der
FS D gi Œfi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/2 Wiederholungsmessungen nw und aus den Ge-
i D1
wichten g1 ; g2 ; : : : der Messwerte ermitteln.
! Minimum: (1.7) Oft lässt sich eine theoretische Beziehung y D
f .xI a0 ; a1 / durch eine Transformation v D v.y/
Mit den Gewichten gi können die Beiträge ein- in eine Geradendarstellung v D mx C a umfor-
zelner Messwerte zur Fehlersumme unterschied- men. Die Parameter Steigung m und Achsenab-
lich gewichtet werden. schnitt a dieser Geradendarstellung v.x/ können
Es wird bei diesem Ansatz vorausgesetzt, dass dann entweder rechnerisch oder grafisch durch
die Abweichungen fi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ vonein- eine Regressionsgerade ermittelt werden. Durch
ander unabhängig sind und die Standardabwei- die Umformung von y D f .x/ in v D v.x/ än-
chung der Messungen fi für alle Maßvariablen dern sich jedoch die Gewichte gi der einzelnen
xi , denselben Wert s hat. Messwerte; die Fehlersumme lautet dann
Die Forderung dieser Methode der kleinsten
Quadrate führt auf ein System von Normalglei- X
N
X
N
@f Ist die Standardabweichung sy für alle Werte yi
2 gi Œfi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ D 0;
@a0 gleich und kann die Messungenauigkeit der Wer-
i D1
(1.8a) te xi vernachlässigt werden, so ergeben sich die
Gewichte gi aus
X
N
@f
2 gi Œfi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ D0 1
i D1
@a1 gi D 2 : (1.10)
@v.yi /
(1.8b) sy2
@yi
und so fort:
In Abb. 1.8 sind für die Spezialfälle der linearen,
Für Linearkombinationen der Parameter a0 ; a1 ; logarithmischen und exponentiellen Regression
: : : ist das Normalgleichungssystem linear und die Lösungen für die Mittelwerte und Standard-
geschlossen lösbar. Abb. 1.7 gibt einen Überblick abweichungen der Parameter zusammengestellt.
1.3 Physikalische Größen 15
Abb. 1.7 Funktionen mit einem linearen Normalgleichungssystem für die Parameter der Kurvenanpassung
Die Vertrauensgrenzen uz , die die statistische le Beurteilung, ob die Theorie im Rahmen der
Messungenauigkeit begrenzen, ergeben sich je Messgenauigkeit mit den Messwerten überein-
nach geforderter statistischer Sicherheit aus dem stimmt. Wird ein linearer Zusammenhang y D
Faktor t von Tab. 1.7. Es ist zu beachten, dass bei mx C a zwischen der Messvariablen x und der
k Parametern und N Messungen die Anzahl der Messgröße y erwartet, so kann im Messdia-
Wiederholungsmessungen nw D N k beträgt. gramm die Ausgleichsgerade auch grafisch durch
So ist bei der Regressionsgeraden die Anzahl der die Messwerte gelegt werden. Der Parameter aN
Wiederholungsmessungen nw D N 2. Das Er- ergibt sich aus dem Achsenabschnitt der Aus-
gebnis der Kurvenanpassung ist gleichsgerade, m N aus der Steigung.
Die Standardabweichungen m und a der
sa
a D aN ˙ t.nw / p : (1.11) Parameter lassen sich durch 2 Grenzgeraden
N I und II an die Messwerte abschätzen, die
durch den Schwerpunkt der Messwerte ys D
1 PN 1 PN
N i D1 yi und xs D N i D1 xi zu legen sind.
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion Eine der Grenzgeraden ist die steilste, die andere
die flachste mögliche Gerade durch die Messwer-
Eine zeichnerische Darstellung der Messpunkte te, wie Abb. 1.9 zeigt. Aus den der Zeichnung
und des Verlaufs der angepassten theoretischen entnommenen Parametern mI ; aI sowie mII und
Kurve eignet sich besonders gut für die schnel- aII der Grenzgeraden werden die Anpassungsfeh-
16 1 Einführung
1.3.6 Korrelationsanalyse
mit
ler in folgender Weise bestimmt:
1 X
N
ˇ I ˇ xN D
als dem Mittelwert der
ˇ m mII ˇ xi
m D ˙ ˇˇ ˇ;
ˇ (1.12a) N i D1 Merkmale xi ;
2
ˇ I ˇ 1 X
N
ˇ a aII ˇ yN D
als dem Mittelwert des
a D ˙ ˇ ˇ ˇ C j
ys j : (1.12b) yi
2 ˇ N i D1 Merkmals yi
1.3 Physikalische Größen 17
Abb. 1.10 Korrelationsanalyse der mittleren täglichen Heizleistung und äquivalenter Außentemperatur (unter
Heizleistung eines Wohnhauses: a) Zusammenhang zwi- Berücksichtigung von Sonnenzustrahlung und Windein-
schen Heizleistung und Außenlufttemperatur; Korrelation fluss); Korrelation wahrscheinlich (r > 0;9)
unwahrscheinlich (r < 0;5); b) Zusammenhang zwischen
Warmseite sowie aus dem Wärmestrom ˚ durch von der mittleren Außenlufttemperatur unter-
die Probe bestimmt. Es gilt sucht. In einem weiteren Schritt wird zum Ver-
gleich der Zusammenhang der Heizleistung mit
˚s einer äquivalenten Außentemperatur analysiert.
D :
ab.T2 T1 / Diese berücksichtigt die Einflüsse der Sonnen-
zustrahlung, der mittleren Windgeschwindigkeit
Die Messwerte bei einer Leichtbetonprobe sind an den Außenflächen und die Wärmespeicherfä-
higkeit der Auenwandkonstruktion und wird aus
˚ D .16 ˙ 0;1/ W; b D .495 ˙ 1/ mm; den lokalen Klimadaten berechnet. Für einen 17-
s D .80 ˙ 1/ mm; T2 D .15 ˙ 0;1/ ı C; tägigen Messzyklus ergeben sich folgende Daten:
ı
a D .500 ˙ 1/ mm; T1 D .6 ˙ 0;1/ C:
Tag-Nr. mittlere mittlere äquivalente
tägliche Außenluft- Außentem-
a) Wie groß ist der wahrscheinlichste Wert der Heizleistung temperatur peratur
ı ı
Wärmeleitfähigkeit? kW C C
b) Wie groß ist die Standardabweichung s der 1 85 2,3 0,8
Wärmeleitfähigkeit? 2 81 1,5 0,4
c) Wie groß ist der relative Größtfehler der Wär- 3 67 0,6 3,2
meleitfähigkeitmessung? 4 93 0,6 3;0
5 81 3,2 1,2
6 88 2,8 0;7
Ü 1-3 Für das Thermoelement-Material Cu–
7 102 2,2 2
CuNi soll die thermoelektrische Beziehung für
8 73 6,0 0,6
die Bezugstemperatur #0 D 0 ı C 9 65 6,2 4,2
10 64 3,4 3,5
Uth D a1 # C a2 # 2 11 78 1,0 0,2
12 65 0,5 2,0
an die Werte der folgenden Wertetabelle rech- 13 81 1,8 0,7
nerisch und grafisch angepasst werden. Zu be- 14 74 3,0 1,4
stimmen sind die wahrscheinlichsten Werte der 15 65 4,0 2,6
Thermomaterialkonstanten a1 und a2 und der 16 52 4,4 4,4
Vertrauensbereich für eine statistische Sicherheit 17 59 5,3 3,4
P D 68;3 %.
a) Wie groß sind die Steigung und der Ach-
senabschnitt der Regressionsgeraden bei der
Wertetabelle für Cu–CuNi: Abhängigkeit der mittleren Heizleistung von
der Außenlufttemperatur bzw. von der äqui-
#=ı C 40 30 20 10
valenten Außentemperatur (Abb. 1.10)?
Uth =mV 1;50 1;14 0;77 0;39 b) Beurteilt werden soll anhand der Korrelati-
#=ı C 0 C10 C20 C30 C40 onskoeffizienten die Abhängigkeit der mittle-
Uth =mV 0 C0;40 C0;80 C1;21 C1;63 ren Heizleistung von den beiden Parametern
ı
#= C C50 C60 C70 C80 Außenlufttemperatur und äquivalenter Au-
ßentemperatur.
Uth =mV C2;05 C2;48 C2;91 C3;35
c) Wie groß sind die Standardabweichungen der
#=ı C C90 C100 C110 C120 Steigung und des Achsenabschnitts bei den
Uth =mV C3;80 C4;25 C4;71 C5;18 beiden Regressionsgeraden?
d) Wie groß sind die Vertrauensbereiche für die
Ü 1-4 Bei der energetischen Analyse eines Steigung und den Achsenabschnitt der Re-
Mehrfamilienhauses mit Zentralheizung wird die gressionsgeraden bei der statistischen Sicher-
Abhängigkeit der mittleren Heizleistung je Tag heit P D 68;3 %?
Mechanik
2
In diesem Abschnitt werden lediglich Ge- Punktes auf einem Reifen. Für die vollständi-
setze der klassischen Mechanik beschrieben ge Beschreibung des Bewegungszustands eines
(Abb. 2.1). Systems sind demnach unter Umständen vie-
le Angaben erforderlich. Da aber jedes System
aus einzelnen Punkten zusammengesetzt ist, hat
2.2 Kinematik des Punktes die Beschreibung der Bewegung eines einzelnen
Punktes eine vorrangige Bedeutung. In diesem
Die Kinematik hat zur Aufgabe, die Bewegung Abschnitt ist deshalb ausschließlich die Kinema-
von Körpern zu beschreiben. Dies geschieht tik des einzelnen Punktes beschrieben. Die Kine-
durch die Angabe von Ortskoordinaten und de- matik der starren Körper wird in Abschn. 2.9.1
ren Zeitabhängigkeit. Bei komplizierten Gebil- erläutert.
den können einzelne Teile ganz verschiedene Die Kinematik befasst sich nicht mit der Frage
Bewegungen ausführen. So ist etwa bei einem nach der Ursache einer bestimmten Bewegung.
fahrenden Auto die Bewegung eines Punktes der Dies ist Aufgabe der Dynamik oder Kinetik. Die
Karosserie völlig verschieden von jener eines Kinematik ist eine reine Bewegungsgeometrie.
2.2 Kinematik des Punktes 21
2.2.1.1 Geschwindigkeit
Eindimensional ist die Kinematik eines Punktes,
wenn die Bewegung nur auf einer vorgegebenen
Bahn erfolgt, wie es beispielsweise bei Schienen-
fahrzeugen und Werkzeugschlitten der Fall ist.
Eindimensional wird die Bewegung deshalb ge-
nannt, weil zur eindeutigen Ortsbestimmung die Abb. 2.3 Zur Definition der Geschwindigkeit, t Zeit
Angabe einer Koordinate ausreicht, ein solcher (sonstige Bezeichnungen wie in Abb. 2.1)
spurgeführter Punkt also nur einen Freiheitsgrad
hat. Die Lage eines Punktes P ist eindeutig be-
schrieben, wenn gemäß Abb. 2.2 die längs der halt durch den Grenzübergang t ! 0 aus:
Bahn gemessene Entfernung s von einem An- s ds
fangspunkt A angegeben ist. v D lim D D sP : (2.2)
t !0 t dt
Eine wichtige Grundgröße der Kinematik ist
die Geschwindigkeit. Je größer die Geschwin- Der Differenzialquotient nach der Zeit wird in der
digkeit eines Punktes ist, umso größer ist der Mechanik häufig mit einem aufgesetzten Punkt
zurückgelegte Weg innerhalb einer bestimmten symbolisiert. Der Differenzialquotient ds=dt hat
Zeitspanne. Befindet sich nach Abb. 2.3 ein Punkt eine anschauliche Bedeutung:
zur Zeit t am Ort P1 , charakterisiert durch die
Entfernung s.t/ vom Ausgangspunkt A, und zur Die Geschwindigkeit ist die Steigung der
Zeit t C t am Ort P2 mit der Entfernung s.t C Kurve in einem Weg-Zeit-Diagramm.
t/, dann ist die mittlere Geschwindigkeit
2.2.1.2 Beschleunigung
Eine beschleunigte Bewegung liegt vor, wenn
sich die Geschwindigkeit im Lauf der Zeit ändert.
Die Beschleunigung ist umso größer, je stärker
sich die Geschwindigkeit innerhalb einer Zeit-
spanne t ändert. Sind v.t/ die Geschwindigkeit
eines Punktes zur Zeit t und v.t C t/ die Ge-
schwindigkeit zur späteren Zeit t C t, so ist die
mittlere Beschleunigung
v.t C t/ v.t/ v
am D D : (2.4)
.t C t/ t t
Abb. 2.4 Bewegung mit ungleichförmiger Geschwindig- Die abgeleitete SI-Maßeinheit der Beschleuni-
keit (Beispiel 2.2-1). a Weg-Zeit-Diagramm, b Geschwin-
digkeit-Zeit-Diagramm gung a ist 1 m=s2 . Wie bei der Geschwindigkeit
weicht im Allgemeinen die Momentanbeschleu-
nigung a von der mittleren Beschleunigung am
Bestimmt man nun im s; t-Diagramm von ab. Die Momentanbeschleunigung erhält man
Abb. 2.4a an jedem Punkt die Steigung, so nach einem Grenzübergang für verschwindend
erhält man das kontinuierliche Geschwindig- kurze Messzeiten aus
keit-Zeit-Diagramm von Abb. 2.4b. Liegt aber v dv
das v; t-Diagramm durch eine Messung be- a D lim D D v:
P (2.5)
t !0 t dt
reits vor, dann kann das zugehörige s; t-
Die Beschleunigung kann anschaulich interpre-
Diagramm durch Integration ermittelt werden.
tiert werden:
Ist s0 der Ort zur Zeit t0 , dann ist der Ort s.t1 /
zur Zeit t1 gegeben durch das Integral
Die Beschleunigung ist die Steigung der
Zt
Kurve in einem Geschwindigkeit-Zeit-Dia-
s.t/ D s0 C v.
/d
: (2.3) gramm.
t0
2.2 Kinematik des Punktes 23
Zt
v.t/ D v0 C a.
/d
(2.6)
t0
Lösung a
Abb. 2.7a zeigt die gewählte Höhenkoordina-
te. Die y-Achse weist senkrecht nach oben;
y D 0 entspricht der Erdoberfläche. Die An-
fangsbedingungen zur Zeit t D 0 sind y.0/ D
h und v.0/ D Cv0 . Die Beschleunigung ist
a D g D konstant. Das Minuszeichen bringt
zum Ausdruck, dass die Beschleunigung der
positiven y-Richtung entgegengesetzt ist.
Aus (2.6) bzw. Abb. 2.6 folgt für die Ge-
schwindigkeit
1 2
gt v0 tf h D 0:
2 f
Für die Fallzeit des freien Falls ergibt sich allge-
mein q
v0 C v02 C 2gh
tf D : (2.7)
g
In Beispiel 2.2-3 ist tf D 2;03 s (Abb. 2.7c). Die
Geschwindigkeit vf der Kugel am Ende des Falls
ergibt sich aus (I) mit der Zeit tf zu
q
vf D v02 C 2gh: (2.8)
Abb. 2.7 Zu Beispiel 2.2-3: Senkrechter Wurf nach oben.
In Beispiel 2.2-3 ist jvf j D 14;9 m=s (Abb. 2.7b). a Höhenkoordinate, b Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm,
c Weg-Zeit-Diagramm
26 2 Mechanik
t ! 0:
1 0
xP
r dr B C
v D lim D D @ yP A : (2.12)
t !0 t dt
zP
2.2.3 Kreisbewegungen
Abb. 2.14 Zur Definition der vektoriellen Winkelgeschwindigkeit ! bei verschiedenen Drehrichtungen
axialer Vektor. Bei positiver Beschleunigung ist beschreibt, und b) vom Standpunkt eines Be-
˛ gleichsinnig parallel zu !. Bei Bremsvorgän- obachters auf der Straße, von dem aus der
gen sind ˛ und ! entgegengesetzt gerichtet. Punkt auf der in Abb. 2.15 gezeigten Zykloide
Da die Größen '; ! und ˛ genauso miteinan- läuft. Die Parameterdarstellung der Zykloide
der verknüpft sind wie die Größen s, v und a ist x D r.!t sin !t/ und y D r.1
der eindimensionalen Kinematik, sind alle Glei- cos !t/.
chungen in Abb. 2.6 direkt auf Kreisbewegungen
anwendbar, wenn jeweils einander zugeordnete a 1) Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit
Größen nach dem Schema s ! ', v ! !, !?
a ! ˛ ausgetauscht werden. Beim Abrollen eines Rads ohne Schlupf
Die Vektoren v und a der allgemeinen dreidi- ist die Geschwindigkeit des Mittelpunk-
mensionalen Kinematik sind auf einfache Weise tes identisch mit der Umfangsgeschwin-
mit den entsprechenden Größen ! und ˛ ver- digkeit. Deshalb gilt ! D v0 =r D
knüpft. Eine Zusammenstellung der Beziehungen 99;2 rad=s.
enthält Tab. 2.1. a 2) Wie groß ist die Beschleunigung des
Punktes und welche Richtung hat sie?
Beispiel 2.2-5 Da es sich um eine gleichförmige Kreis-
Ein Autoreifen mit dem Radius r D 0;28 m bewegung handelt, besteht die Beschleu-
rollt auf einer Ebene mit der Geschwindigkeit nigung lediglich aus der Zentripetalbe-
v0 D 100 km=h. Die Bewegung eines Punk- schleunigung, die zum Kreismittelpunkt
tes auf der Lauffläche soll diskutiert werden, weist. Sie beträgt azp D ! 2 r D
und zwar a) vom Standpunkt eines mitfahren- 2756 m=s2 oder das 281-fache der Erd-
den Beobachters, wo der Punkt eine Kreisbahn beschleunigung.
2.2 Kinematik des Punktes 31
Daraus ergibt sich durch Ableiten nach Dieser Vektor läuft auf einem Kreis um
der Zeit ! und ist stets zum Radmittelpunkt gerich-
1 cos !t tet. Sein Betrag ist jaj D r! 2 D azp .
v D r! b 3) Wie groß ist der Krümmungsradius der
sin !t
! Zykloide im Scheitelpunkt?
1 cos !t Nach (2.16) ist R D v 2 =anorm D 4r D
D v0 :
sin !t 1;12 m.
32 2 Mechanik
2.2.4 Zur Übung mit dem Radius r D 2 km. Dabei legt er die
Strecke s D 1200 m zurück. Zu Beginn der
Ü 2-1 Ein Fahrzeug wird aus dem Stand wech- betrachteten Bewegung hat er die Geschwindig-
selnd beschleunigt und zwar keit v1 D 30 km=h, am Ende v2 D 100 km=h.
a) Wie lange dauert der Beschleunigungsvor-
für 0 5 t 5 2 s mit a D 1 m=s2 , gang? b) Wie groß ist die Tangentialbeschleuni-
für 2 s < t < 4 s mit a D 0 und gung? c) Berechnen Sie die Winkelbeschleuni-
für 4 s 5 t 5 5 s mit a D 2 m=s2 . gung. d) Wie groß ist die Zentripetalbeschleuni-
gung zu Beginn und am Ende des Vorgangs?
a) Zeichnen Sie die kinematischen Diagramme,
d. h. das a; t-Diagramm, das v; t-Diagramm und Ü 2-6 Die Erde benötigt für eine vollständi-
das s; t-Diagramm für 0 5 t 5 5 s. b) Wie ge Umdrehung die Zeit T D 86:163 s (einen
groß ist die maximale Geschwindigkeit? c) Wel- Sternentag). a) Wie groß ist die Winkelgeschwin-
che Geschwindigkeit hat das Fahrzeug zur Zeit digkeit !E der Erde? b) Welche Richtung hat
t D 5 s? d) Wie groß ist der insgesamt zurückge- der Vektor !E ? c) Wie groß ist die Umfangsge-
legte Weg? schwindigkeit an einem Ort mit dem Breitenwin-
kel '? Berechnen Sie die Umfangsgeschwindig-
Ü 2-2 Ein Bauteil wird ungleichmäßig aus der keit am Äquator und in Stuttgart mit ' D 48ı 410
Ruhe beschleunigt. In kurzen Zeitabständen wird nördlicher Breite (Erdradius R D 6370 km).
die Geschwindigkeit gemessen; es ergibt sich ei- d) Wie groß ist die Zentripetalbeschleunigung am
ne Wertetabelle: Äquator und in Stuttgart?
t in s 0 1 2 3 4 5
v in m=s 0 0,2 0,7 1,6 3,2 6,0 2.3 Grundgesetze der klassischen
Mechanik
a) Zeichnen Sie maßstäblich das v; t-
Diagramm (Millimeterpapier). b) Ermitteln Sie 2.3.1 Konzept der klassischen Dynamik
aus dem v; t-Diagramm das a; t-Diagramm. Wie
groß ist die Beschleunigung zur Zeit t1 D 4 s? Die Kinematik (Abschn. 2.2) hat die Bewe-
c) Bestimmen Sie durch grafische bzw. numeri- gung materieller Punkte geometrisch-analytisch
sche Integration den zurückgelegten Weg nach beschrieben, ohne die Frage zu stellen: „Was ist
t2 D 5 s. die Ursache für die Bewegung?“ Die Dynamik
untersucht die Ursachen für die Bewegung eines
Ü 2-3 Ein Ball rollt auf einem waagerechten Körpers. Jeder Körper besteht aus Materie; er hat
Tisch von der Höhe h D 0;75 m über die Kante eine Masse und eine geometrische Ausdehnung,
und fällt zu Boden. Der Auftreffpunkt ist in ho- d. h. ein Volumen. Einfache Verhältnisse liegen
rizontaler Richtung s D 0;40 m von der Kante dann vor, wenn die geometrische Ausdehnung
entfernt. Wie groß war die Geschwindigkeit des des Körpers klein ist im Vergleich zu den Di-
Balls auf dem Tisch? mensionen (Abmessungen, Abstände), in denen
sich der Körper bewegt. In höchster Idealisierung
Ü 2-4 Ein Elektromotor läuft mit der Drehzahl ist die Masse des Körpers in einem materiellen
n0 D 1400 min1 . Nach dem Abschalten wird er Punkt vereinigt, der keine räumliche Ausdehnung
mit konstanter Winkelverzögerung ˛ abgebremst, mehr hat. Mit der Modellvorstellung des mate-
bis er nach N D 50 Umdrehungen stehen bleibt. riellen Punktes werden einfachste Verhältnisse
a) Wie groß ist die Winkelverzögerung ˛? b) Wie geschaffen, denn ein materieller Punkt kann nicht
lange dauert der Bremsvorgang? rotieren und sich nicht verformen.
Wie ein Körper ist auch ein materieller Punkt
Ü 2-5 Ein Eisenbahnzug fährt mit gleichmäßiger Einwirkungen von außen ausgesetzt; physika-
Tangentialbeschleunigung auf einem Kreisbogen lisch bezeichnet man dies als die Einwirkung der
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 33
Umgebung auf das System oder – noch allge- Es gibt beliebig viele Inertialsysteme; sie alle
meiner – als die Wechselwirkung zweier Systeme. haben die Eigenschaft, sich gegen den Fixstern-
Die Kraft ist die physikalische Größe, welche die himmel geradlinig und gleichförmig zu bewegen.
Einwirkung beschreibt, die den Bewegungszu- Absolute Ruhe lässt sich nicht feststellen, es gibt
stand des Körpers ändert. Dabei werden Körper deshalb kein ausgezeichnetes Inertialsystem.
unterschiedlicher Masse durch die gleiche Kraft Die Erde rotiert relativ zum Fixsternhimmel,
unterschiedlich beschleunigt. das Bezugssystem Erde stellt deshalb kein Iner-
Begründet auf Erfahrung und durch kühne Ex- tialsystem dar. Ist die Erdrotation im Vergleich
trapolation erfasste Newton die Wechselwirkun- zum Zeitablauf eines Experiments vernachlässig-
gen zwischen beschleunigendem und beschleu- bar langsam, dann ist ein mit der Erde verbun-
nigtem System und formulierte drei Axiome zur denes Bezugssystem in sehr guter Näherung ein
Mechanik, welche die Begriffe Kraft und Mas- Inertialsystem.
se definieren, ihre Verknüpfung angeben und ein Das zweite Newton’sche Axiom heißt Aktions-
Maßsystem festlegen. prinzip, weil es den Zusammenhang zwischen
der Bewegungsänderung eines Körpers und der
Einwirkung von Kräften herstellt. Newton ver-
2.3.2 Newton’sche Axiome stand unter Bewegungsänderung nicht nur die
Beschleunigung; seine mathematische Formulie-
In Tab. 2.2 sind die drei Axiome in moderner rung umfasste bereits den Impuls p D mv
Schreibweise zusammengefasst, wie sie I. N EW- (Abschn. 2.5). Somit lässt sich das Aktionsgesetz
TON (1643 bis 1727) im Jahr 1687 veröffentlich- schreiben:
te. Die Newton’schen Axiome beschreiben die
dp d dv dm
makroskopische Welt der klassischen Physik ex- F D D .mv/ D m Cv : (2.24)
akt; sie versagen jedoch bei der Beschreibung der dt dt dt dt
mikroskopischen Welt der Atome (Quantenphy- Für den im täglichen Leben häufigen Fall einer
sik, Abschn. 8.2) und bei Geschwindigkeiten, die konstanten Masse ergibt sich daraus das New-
nicht mehr klein gegen die Lichtgeschwindigkeit ton’sche Grundgesetz
c sind (Relativitätstheorie, Kap. 10).
Das erste Axiom definiert ein Bezugssystem, F D ma: (2.25)
in dem die drei Axiome gelten. Die physikali-
schen Gesetzmäßigkeiten der Mechanik nehmen Wenn die Summe der äußeren Kräfte gleich null
ihre einfachste mathematische Form an, wenn ist, dann ist auch die Beschleunigung null und da-
sie für ein Bezugssystem aufgeschrieben werden, mit die Geschwindigkeit konstant, entsprechend
in dem die Geschwindigkeit eines Körpers ohne der Forderung des ersten Axioms.
äußere Einwirkungen konstant ist. Man nennt sol- Das dritte Axiom, das Axiom über die Wech-
che Systeme Inertialsysteme. selwirkungen, sagt aus, dass es eine einzelne,
34 2 Mechanik
isolierte Kraft nicht gibt. Es wirkt immer ein Kör- Die physikalische Größe Masse hat außer
per (oder ein System 1) auf einen zweiten Körper der Eigenschaft Trägheit auch die Eigenschaft
(oder System 2). Wird eine Systemgrenze vorge- Schwere. Auf Körper im Wirkungsbereich der
geben, dann kann zwischen äußeren Kräften, die Riesenmassen kosmischer Körper (z. B. der Son-
von einem Körper außerhalb des Systems her- ne oder der Erde) wirken Gravitationskräfte (Ab-
rühren, und inneren Kräften, die nur innerhalb schn. 2.10), die proportional zu den Massen der
des Systems wirken, unterschieden werden. Die- beteiligten Körper sind. Die Schwere einer Masse
se Systemgrenzen können nach Zweckmäßigkeit ist also ein Kennzeichen für die Kraft des Zentral-
gewählt werden. gestirns auf diesen Körper. Experimentell lässt
Das dritte Axiom setzt voraus, dass die Kräfte sich kein Unterschied zwischen träger und schwe-
gleichzeitig, d. h. ohne Zeitverzögerung, wahrge- rer Masse nachweisen. Die Identität von träger
nommen werden. Weil die Lichtgeschwindigkeit und schwerer Masse ist die Grundlage für die
die Grenzgeschwindigkeit für die Ausbreitung ei- Einstein’sche Relativitätstheorie (Kap. 10).
nes Signals oder einer Information ist, dauert es
eine endliche Zeitspanne, bis ein Körper die Än-
derung einer Kraftwirkung spürt, die von einem 2.3.4 Kraft
zweiten Körper ausgeübt wird. Für dieses Pro-
blem der Gleichzeitigkeit hat Einstein die Lösung Nach dem zweiten Newton’schen Axiom ist die
in den Grundgesetzen der relativistischen Mecha- Kraft F für Körper mit konstanter Masse propor-
nik angegeben (Kap. 10). tional zur Momentanbeschleunigung a. Die Kraft
ist also eine vektorielle physikalische Größe, de-
ren Richtung parallel zur Beschleunigung a und
2.3.3 Masse deren Betrag F D ma ist. Im SI-System ist die
Einheit für die Kraft 1 kg m s2 D 1 N (Newton).
Trägheit ist der Widerstand eines Körpers gegen Für die Addition von Kräften und die Zerle-
eine Bewegungsänderung. Das Maß für die Träg- gung einer Kraft in verschiedene Kraftrichtun-
heit ist die Masse. Die Masse ist unabhängig vom gen gelten die Regeln der Vektorrechnung. In
Ort, an dem sich ein Körper befindet und in der Abb. 2.16 sind für die Addition von zwei Kräf-
klassischen Mechanik unabhängig vom Bewe- ten und für die Zerlegung einer Kraft in zwei
gungszustand des Körpers. Damit ist die Masse Richtungen die grafischen Lösungswege im Kräf-
auch ein geeignetes Maß für die Menge, d. h. für teparallelogramm und die trigonometrischen Lö-
die Anzahl der Teilchen (Atome, Moleküle) in ei- sungen angegeben. Die Addition von mehr als
nem Körper. Die Addition von Massen entspricht zwei Kräften erfolgt zweckmäßigerweise durch
der Addition von Mengen. Die Maßeinheit der die Methode der Komponentenzerlegung in ei-
Masse ist durch einen Eichkörper festgelegt (Ab- nem kartesischen Koordinatensystem.
schn. 1.3). Ist die Beschleunigung eines Körpers a D 0,
Eine Möglichkeit zum Vergleich von Massen so ist auch die resultierende Kraft auf den Kör-
gibt das Newton’sche Aktionsgesetz. Man las- per nach dem Newton’schen Aktionsprinzip null.
se auf zwei Körper mit den Massen m1 und m2 Dies ist die Bedingung des statischen Kräfte-
jeweils die gleiche Kraft wirken und bestimme gleichgewichts:
experimentell die Beschleunigungen a1 und a2 ,
die den beiden Körpern erteilt werden. Dann gilt X
N
Fj D F1 C F2 C : : : D 0: (2.27)
im eindimensionalen Fall nach (2.25)
j D1
m1 a2
D : (2.26) Körper fallen auf der Erde mit einer konstan-
m2 a1
ten Fallbeschleunigung g D 9;81 m=s2 (Ab-
Damit ist das Verhältnis zweier Massen durch ei- schn. 2.2.1.3). Die Ursache dieser gleichmäßig
ne dynamische Messung bestimmbar. beschleunigten Bewegung ist die Schwerkraft
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 35
FG D mg (2.28)
Sie ist zum Mittelpunkt der Kreisbahn gerichtet. Die Proportionalitätskonstante k wird als Feder-
Kräfte verursachen nicht nur beschleunigte konstante oder Richtgröße bezeichnet.
Bewegungen (dynamische Kraftwirkung), son- Große elastische Längenänderungen, hervor-
dern ändern auch die geometrische Form von gerufen schon durch kleine Kräfte, weisen Me-
Körpern. Umgekehrt üben deformierte Körper tallfedern auf; Federwaagen werden deshalb in
36 2 Mechanik
F1 =s C F2 =s C : : : D k1 C k2 C k3 : : : D kres;p
s1 =F C s2 =F C : : : D 1=k1 C 1=k2
C : : : D 1=kres;s :
den Gas beeinflusst. Nach dem Newton’schen Tab. 2.3 Haft- und Gleitreibungszahlen (H und G )
Aktionsprinzip ist die Ursache der Bewegungsän- Stoffpaar H G
derung durch Reibung eine Kraft, die Reibungs- Stahl auf Stahl 0,15 0,12
kraft FR . Die Richtung der Reibungskraft FR ist Stahl auf Holz 0,5 bis 0,6 0,2 bis 0,5
der Bewegungsrichtung, also der Momentange- Stahl auf Eis 0,027 0,014
schwindigkeit v des Körpers stets entgegenge- Holz auf Holz 0,65 0,2 bis 0,4
richtet: FR v. Der Betrag von FR setzt sich Holz auf Leder 0,47 0,27
je nach Situation in unterschiedlicher Weise aus Gummi auf Asphalt 0,9 0,85
Gummi auf Beton 0,65 0,5
den drei Grenzfällen in Abb. 2.20 zusammen.
Gummi auf Eis 0,2 0,15
Die Festkörperreibung hängt von der Oberflä-
chenbeschaffenheit der reibenden Körper ab; die
Reibungszahlen für die Haft- und Gleitreibungs- ist R D 0;002; Straßenfahrzeuge haben Werte
kraft unterscheiden sich stark. In Tab. 2.3 sind von etwa R D 0;02 bis R D 0;05.
die Werte einiger Stoffpaare zusammengestellt. Die Reibungskraft bei der Bewegung von Kör-
Der Laufwiderstand beim Abrollen eines Rades pern in Flüssigkeiten und Gasen hängt von der
auf einer Unterlage hängt nicht nur von der Ver- Dichte und Viskosität der Medien, der Geome-
formung des Bodens durch die Normalkraft und trie (Stromlinienform, Spoiler) der Körper und
vom Raddurchmesser ab, sondern auch noch von dem Strömungstyp (laminar, turbulent) ab (Ab-
den Reibungsverhältnissen in der Radnabe. schn. 2.12.2.4). In laminaren Strömungen ist der
Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist die Lauf- Strömungswiderstand FR proportional zur Ge-
widerstandskraft näherungsweise proportional schwindigkeit: FR v. Kommt es durch die
zur Normalkraft. Die Proportionalitätskonstante Reibungskraft an der Körperoberfläche in der
ist die Rollreibungszahl R . Bei Eisenbahnrädern Strömung zu Rotationsbewegungen (Wirbel), so
38 2 Mechanik
nimmt der Strömungswiderstand erheblich zu Ü 2-10 Auf einen Körper (Masse m D 2;0 kg)
und die Reibungskraft ist FR v 2 . wirken drei Kräfte (F1 ; F2 und F3 ). Unter ihrem
Nur Bewegungen mit Festkörperreibung ver- Einfluss bewegt er sich mit der konstanten Be-
laufen gleichmäßig beschleunigt oder verzögert; schleunigung a D 1 ms2 nach Süden. Die Kraft
dominieren die anderen Reibungsarten, dann sind F1 weist nach Norden, ihr Betrag ist F1 D 3;0 N.
die Bewegungsgesetze kompliziert. Die Kraft F2 weist nach Osten, ihr Betrag ist
F2 D 2;0 N. Wie groß ist F3 nach Betrag und
Richtung?
2.3.5 Zur Übung
Ü 2-11 Eine Aufzugskabine hat die Masse
Ü 2-7 Zwei Körper (Masse m1 < m2 ) hängen mA D 1200 kg, die Masse des Gegengewichts ist
an einem dünnen, masselosen Faden, der über ei- mG D 1100 kg. In der Kabine befindet sich eine
ne masselose Rolle läuft. Zwischen der Rolle und Person (Masse mM D 75 kg).
dem Faden soll es keine Reibung geben. a) Wie a) Mit welcher Beschleunigung a fiele die Ka-
groß ist die Beschleunigung a der beiden Körper? bine, wenn die Bremseinrichtungen versagten?
b) Wie groß ist die Kraft FF im Faden? (Vereinfachend seien z. B. die Trägheit der Seil-
trommeln und die Reibung vernachlässigt.) b)
Ü 2-8 Ein Radiergummi (m D 40 g) liegt auf Welches wäre unter diesen Fallbedingungen das
einer Metallscheibe (Radius r D 20 cm). Die scheinbare Gewicht der Person? c) Nach einer
Scheibe rotiert mit konstanter Winkelgeschwin- Fallhöhe von h D 15 m wird die Kabine durch
digkeit !. Die Haftreibungszahl zwischen Schei- Federn aufgefangen und nach einem Bremsweg
be und Radiergummi ist H D 0;5. von s D 20 cm zum Stillstand gebracht. Welche
a) Welche Kräfte wirken auf den Radiergum- mittlere Kraft Fm spürt die Person beim Brems-
mi (Skizze)? b) Welche Kraft oder welche Kräfte vorgang in den Beinen?
bringt die Zentripetalkraft auf den Radiergum-
mi auf? c) Der Radiergummi wird r1 D 5 cm Ü 2-12 Eine schwere Last soll an einem Stahlseil
vom Drehzentrum positioniert. Wie groß muss hochgezogen werden. In Ruhestellung zeigt ein
die Drehzahl n1 mindestens sein, damit der Ra- Kraftmesser eine Gewichtskraft FG D 8 104 N
dierer zu rutschen anfängt? d) Die Scheibe rotiere an; die zulässige Höchstbelastung des Seils ist
mit der Drehzahl n2 D 70 min1 . In welchem Fmax D 105 N. Welches ist die größte erlaubte
Radius-Bereich bleibt der Radiergummi liegen? Beschleunigung beim Hochziehen der Last?
bewegung der beiden Bezugssysteme gleichmä- Werden beispielsweise in einem mit konstanter
ßig beschleunigt, aS also konstant ist, sind die Geschwindigkeit fahrenden Zug Fallexperimente
sich ergebenden Transformationen der Koordina- durchgeführt, dann sind die Messergebnisse, wie
ten, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen in z. B. Fallzeit und Endgeschwindigkeit, dieselben
Abb. 2.21 angegeben. wie auf dem Bahnsteig.
In der klassischen Physik wird der Zeitmaß-
stab in beiden Bezugssystemen als gleich ange-
Beispiel 2.4-1
nommen, die Zeitkoordinaten also mit t D t 0
Es soll gezeigt werden, dass der Abstand zwei-
transformiert und damit eine absolute Zeit vor-
er Punkte P1 und P2 Galilei-invariant ist, d. h.
ausgesetzt. Wie die Relativitätstheorie (Kap. 10)
nicht von der Relativbewegung zweier Be-
zeigt, gilt diese Annahme nur in der klassischen
zugssysteme gegeneinander abhängt. Verein-
Näherung, dass die Relativgeschwindigkeit vS im
fachend sollen die beiden Punkte in der x; y-
Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit c klein ist.
Ebene liegen und sich das System S0 längs der
Ist die Geschwindigkeit des bewegten Sys-
x-Richtung bewegen.
tems vS D konstant, dann ist die Beschleuni-
gung aS D 0 und damit a D a0 ; die Be-
schleunigung eines Körpers ist also in beiden Lösung
Systemen gleich. In diesem Spezialfall Galilei- Die Koordinaten der beiden Punkte sind
Transformation ist auch die Kraft, die eine Be-
schleunigung bewirkt, in beiden Systemen gleich. im ruhenden System S: P1 .x1 ; y1 ; 0/ und
Sämtliche Gleichungen der Mechanik haben im P2 .x2 ; y2 ; 0/,
bewegten Bezugssystem dieselbe Struktur wie im bewegten System S0 : P1 .x10 ; y10 ; 0/ und
im ruhenden, die Gesetze sind Galilei-invariant. P2 .x20 ; y20 ; 0/.
40 2 Mechanik
Für die Abstandsquadrate ergeben sich nach beschleunigten System S0 ist der Körper im sta-
dem Satz des Pythagoras tischen Gleichgewicht, wenn gemäß (2.27) die
Summe aller Kräfte (einschließlich der Trägheits-
s 2 D .x2 x1 /2 C .y2 y1 /2 und kraft) null ist:
s 02 D .x20 x10 /2 C .y20 y10 /2
Fres C Ft D 0: (2.35)
D Œ.x2 vs t/ .x1 vs t/2 C Œy2 y1 2
D .x2 x1 /2 C .y2 y1 /2 D s 2 :
Beispiel 2.4-2
Ein Beobachter im bewegten Koordinatensys- Welche Kräfte wirken auf eine Person, die sich
tem S0 misst also den gleichen Abstand wie ein in einem an der Erdoberfläche frei fallenden
Beobachter im ruhenden System S. Bewegt sich Aufzug befindet?
das System S0 gegenüber S beschleunigt mit der
Beschleunigung aS , dann gilt nach Abb. 2.21 für Lösung
die Beschleunigung im bewegten System a0 D Es wird ein ruhendes, mit der Erde verbun-
a aS . In jedem System wird ein Beobachter die denes Koordinatensystem gewählt, in dem
Beschleunigung auf die Wirkung einer Kraft zu- der Vektor der Fallbeschleunigung nach un-
rückführen: im Bezugssystem S auf F D ma und ten zeigt. In diesem ruhenden System ist die
in S0 auf F 0 D ma0 D ma maS . Die Diffe- Kraft auf die Person gleich der Gravitations-
renz der beiden Kräfte ist die Trägheitskraft oder kraft F D mg.
Scheinkraft Das beschleunigte Koordinatensystem ist
Ft D maS : (2.33) fest mit der Aufzugskabine verbunden. Dieses
System beschleunigt mit as D g gegen das
Diese Trägheitskraft muss zusätzlich zu den rea- ruhende System. Deshalb wirkt auf die Person
len physikalischen Kräften, wie beispielsweise im beschleunigten System zusätzlich zur Gra-
der Gravitation oder elektrostatischen Kraft, die vitationskraft noch die Trägheitskraft
im ruhenden System S die Beschleunigung a
verursachen, im beschleunigten System S0 in Ft D mas D mg:
Rechnung gesetzt werden, damit auch in S0 das
Newton’sche Grundgesetz F 0 D ma0 angewen- Für die Kraft im beschleunigten System der
det werden kann. Aufzugskabine gilt
.dy=dt/j und der Geschwindigkeit v0 des rotie- senkrecht zur Drehachse. Die Zentrifugalbe-
renden Systems besteht der Zusammenhang schleunigung ist betragsmäßig gleich groß wie
die Zentripetalbeschleunigung azp nach (2.22),
v D v0 C ! r: (2.37) dieser aber entgegengesetzt gerichtet.
a0 D a C 2v0 ! C ! 2 R: (2.40)
ac D 2v0 ! D 2! v0 (2.41)
Die Coriolis-Kraft hängt nicht vom Ort r 0 des der Hoch- und Tiefdruckgebiete sind (spiralför-
materiellen Punktes ab und tritt immer auf, wenn mig) gekrümmt. Bei Drehbewegungen von Ma-
der !-Vektor nicht parallel zum Geschwindig- schinenteilen mit großen Winkel- und Arbeits-
keitsvektor v0 verläuft. Die Coriolis-Kraft ist null, geschwindigkeiten kann sich die Coriolis-Kraft
wenn die Relativbewegung parallel zur Drehach- deutlich auf die Beanspruchung von Lagern und
se erfolgt. Führungen auswirken.
Alle mit der Erde starr verbundenen Koordi- Im Vergleich zu den anderen, die Bewegung
natensysteme sind wegen der Rotation um die beeinflussenden Kräften, wie z. B. die Gravitati-
Erdachse streng genommen keine Inertialsyste- onskraft, die Antriebskraft oder der Fahrwider-
me. Relativbewegungen auf der Erdoberfläche stand, ist die Coriolis-Kraft in der Regel vernach-
erfolgen in einer Tangentialebene an die Erdku- lässigbar.
gel, wie Abb. 2.24 zeigt. Auf der Nordhalbkugel
bewirkt die Coriolis-Kraft für alle nicht geführten Beispiel 2.4-4
Bewegungen eine Abweichung nach rechts. Ein Fahrzeug mit der Masse m D 1000 kg
Die Rotation der Erde lässt sich mit dem fährt mit der Geschwindigkeit v 0 D 72 km=h
Foucault’schen Pendel nachweisen. Wegen der von Süden nach Norden. Wie groß ist
Coriolis-Kraft dreht sich die Schwingungsebene bei der geografischen Breite " D 50ı
des Pendels im rotierenden System. Die Winkel- Nord die Coriolis-Kraft und die Coriolis-
geschwindigkeit, mit der sich die Erde unter dem Beschleunigung (TE 24 h)?
schwingenden Pendel wegdreht, ist gleich der
Azimutalkomponente !a der Winkelgeschwin- Lösung
digkeit der Erddrehung am Ort der geografischen Nach (2.44) ist die Coriolis-Kraft
Breite ":
2 Fc D 2mv 0 !E sin.v0 ; !/
!a D sin ":
TE D 2 103 kg 20 m=s 7;2 105 s1
Bei " D 50ı beträgt die Winkelgeschwindigkeit sin 50ı
!a D 11;5ı =h. D 2;2 NI
Auch bei atmosphärischen Strömungen macht
sich die Coriolis-Kraft bemerkbar: Die Bahnen sie wirkt nach Osten.
44 2 Mechanik
2.5 Impuls
Ü 2-15 Um die Rotation der Erde zu demons- Die Wirkung einer Kraft F auf einen Kör-
trieren, führt man in einem Bergwerksschacht per im Zeitintervall t wird als Kraftstoß be-
folgenden Versuch aus: Man hängt ein langes Lot zeichnet. Dieser führt zu einer Änderung des
2.5 Impuls 45
und so fort;
X
n X
n X
n X
n
dp k
Fk D Fak C Fji k D :
Abb. 2.28 Kräfte auf Punkt k in einem System materiel- dt
kD1 kD1 j;kD1 kD1
ler Punkte j ¤k
(2.48)
Bei der Summation sind die nicht existierenden
den wird ein System betrachtet, das aus mehreren Kräfte Fkki
wegzulassen.
materiellen Punkten aufgebaut ist. Zu den Kräf- Nach dem dritten Newton’schen Axiom gibt
ten, die von außen, also über die Systemgrenze, es für jede auftretende innere Kraft Fji k eine ent-
an den materiellen Punkten des Systems angrei- sprechende Gegenkraft Fikj . Diese beiden Kräfte
fen, kommen noch innere Kräfte, die zwischen kompensieren sich; deshalb vereinfacht sich das
den materiellen Punkten innerhalb des Systems Gleichungssystem (2.48) erheblich. Die Gesamt-
wirken. Das System ist ein abgeschlossenes Sys- summe der inneren Kräfte verschwindet:
tem, wenn nur innere Kräfte wirken.
X
n
Fikj D 0: (2.49)
2.5.2.1 Impulssatz
k;j D1
Es liege ein abgegrenztes System materieller k¤j
Punkte vor, das insgesamt n Teilchen enthalte,
deren Koordinaten r k .t/ von einem beliebigen Werden die Summe der äußeren Kräfte zur resul-
Pn
Koordinatennullpunkt O aus gemessen werden, tierenden Kraft Fa D a
kD1 Fk und die Sum-
wie es Abb. 2.28 verdeutlicht. Auf jeden Punkt me der Einzelimpulse zum Gesamtimpuls p D
P n
k des Systems wirken eine äußere Kraft Fak , die kD1 pk zusammengefasst, dann entspricht der
ihren Ursprung außerhalb des Systems hat, und Impulssatz für ein System materieller Punkte
innere Kräfte Fji k , die von der Wechselwirkung
dp
des k-ten materiellen Punktes mit allen übrigen Fa D (2.50)
dt
materiellen Punkten j.j ¤ k/ herrühren. Die
Gesamtkraft Fk auf den k-ten materiellen Punkt völlig dem für einen einzelnen materiellen Punkt.
ist gleich seiner Impulsänderung dp k =dt.
Die Bewegungsgleichungen für sämtliche n 2.5.2.2 Massenmittelpunkt und
materiellen Punkte des Systems sind Schwerpunktsatz
Der Impulssatz erhält eine besonders einfache
F1 D Fa1 C CFi21 C Fi31 C Fi41 C : : : Form, wenn für ein System materieller Punkte
dp 1 der Massenmittelpunkt oder Schwerpunkt S ein-
C F in1 D ; geführt wird. Für ein System materieller Punkte
dt
F2 D Fa2 C Fi12 C CFi32 C Fi42 C : : : ist der Ortsvektor dieses speziellen Punktes S
Pn
dp2 mk r k .t/
C Fin2 D r s .t/ D kD1 : (2.51)
dt m
2.5 Impuls 47
P
Hierbei ist m D nkD1 mk die Gesamtmasse des kurz vor und kurz nach dem Stoß –, wenn die
Systems und r k der Ortsvektor des einzelnen ma- Wirkung der äußeren Kräfte im Stoßintervall ver-
teriellen Punktes. Weisen Systeme aus gleichen nachlässigbar ist.
Massenpunkten eine Symmetrieachse auf, dann
liegt der Massenmittelpunkt auf dieser Achse. Beispiel 2.5-2
Die Geschwindigkeit des Schwerpunktes er- Ein Pkw mit der Masse m1 D 1;3 t fährt
gibt sich durch die Differenziation von (2.51) zu auf einer abschüssigen Straße mit dem Nei-
Pn gungswinkel ˇ D 5ı auf einen stehenden
dr S .t/ kD1 mk vk .t/
D vS .t/ D Wagen mit der Masse m2 D 1 t auf. Nach
dt Pn m dem Aufprall rutscht der gestoßene Wagen
p .t/ p vollgebremst s2 D 8 m weit. Die Brems-
D kD1 k D :
m m spur des auffahrenden Wagens ist s1 D 5 m
Bezogen auf die Schwerpunktsbewegung vS lässt lang. Bei den Straßenverhältnissen beträgt die
sich der Impulssatz aus (2.50) umformen in den Gleitreibungszahl G D 0;8. Mit welcher Ge-
Schwerpunktsatz Fa D dp=dt D mdvS =dt oder schwindigkeit v1 fuhr der Pkw auf, wenn ein
gleichmäßig verzögerter Bremsvorgang ange-
F D ma : (2.52) nommen wird?
S
Lösung
Der Schwerpunkt eines beliebigen Systems Aus den Bremsspurlängen werden die Ge-
materieller Punkte bewegt sich so, als sei schwindigkeiten v10 und v20 kurz nach dem
im Schwerpunkt die Gesamtmasse m des Aufprall berechnet:
Körpers vereinigt und als griffen die äuße-
Bremsverzögerung:
ren Kräfte im Schwerpunkt an.
aB D .FR FH /=m
D g.G cos ˇ sin ˇ/
Wirken auf ein System von Massenpunkten Bremsweg:
keine äußeren Kräfte, dann bleibt der Massenmit-
sB D v 02 =2aB ;
telpunkt nach dem Newton’schen Trägheitsgesetz
in Ruhe oder er bewegt sich gleichförmig gerad- Geschwindigkeiten nach dem Stoß:
linig. p
v10 D 2s1 aB D 8;3 m=sI
2.5.2.3 Impulserhaltungssatz p
v20 D 2s2 aB D 10;6 m=s:
Wirkt auf ein System materieller Punkte keine re-
P
sultierende äußere Kraft, ist also nkD1 Fka D 0, Mit dem Impulserhaltungssatz nach (2.54) be-
dann ist nach (2.50) dp=dt D 0. Der Gesamtim- rechnet man die Auffahrgeschwindigkeit v1 :
puls des Systems p ist konstant. Für die Summe
der Einzelimpulse des Systems gilt der Impulser- m1 v10 C m2 v20
haltungssatz v1 D
m1
D 16;4 m=s D 59 km=h:
p 1 Cp 2 C : : : C p n D konstant (2.53)
oder m1 v1 C m2 v2 C : : : C mn vn
D m1 v01 C m2 v02 C : : : C mn v0n : (2.54) 2.5.3 Raketengleichung
Wirken äußere Kräfte, wie beispielsweise beim Die Beschleunigung einer Rakete ist der be-
Stoß auf einer schiefen Ebene, so gilt der Impuls- sondere Bewegungsfall, bei dem die Masse des
erhaltungssatz – eingeschränkt auf die Zeitpunkte Körpers, der eine Bewegungsänderung erfährt,
48 2 Mechanik
nicht konstant ist. Durch den Massenausstoß hei- Tab. 2.4 Daten der Mondrakete Saturn V mit dem Treib-
ßer Gase gemäß Abb. 2.29 wird die Schubkraft satz der ersten Stufe
der Rakete erzeugt. In der Zeitspanne dt ändert Startmasse m0 2;9 106 kg
sich die Raketenmasse m um dm, die Geschwin- Leermasse mleer 0;82 106 kg
digkeit v ändert sich um dv. Brennschlusszeit tB 160 s
1
Mit dem Impulssatz nach (2.50) lässt sich der Relativgeschwindigkeit vrel 2;6 104 m s 1
3
Massenstrom mP 1;3 10 kg s
Verlauf der Raketengeschwindigkeit, die Rake-
Schub Fschub 3;4 107 N
tengleichung, ableiten. Die Impulsänderung des
Systems aus Rakete und Gas im Zeitintervall dt
ist
Mit folgenden Näherungen soll (2.56) integriert
dp D Œ.m C dm/.v C dv/ C dm v mv werden:
T T
dm m.t/ D m0 mt:
P (2.57)
Fschub D vrel : (2.55)
dt
In Tab. 2.4 sind einige charakteristische Daten
Die Bewegungsgleichung der Rakete hängt von der Saturn-V-Rakete angegeben, mit der 1969 das
der Schubkraft Fschub und den äußeren Kräf- amerikanische Apollo-Raumschiff die erste be-
ten Fa , wie beispielsweise den Gravitationskräf- mannte Mondlandung durchführte.
ten, ab: Die erreichbare Endgeschwindigkeit hängt li-
dv near von der Ausströmgeschwindigkeit vrel ab.
m.t/ D Fa C Fschub : (2.56) Bei mehrstufigen Raketen wird die ausgebrann-
dt
te Stufe abgeworfen. Der Start der nächsten Stufe
erfolgt mit der Endgeschwindigkeit der Vorstufe
als Anfangsgeschwindigkeit v0 .
Erfolgt der Start der ersten Stufe der Rakete im
Schwerefeld der Erde, dann ist als äußere Kraft
die Gravitationskraft auf die Rakete zu berück-
sichtigen. Die Gravitationskraft ist der Schub-
kraft entgegengerichtet. Werden für die Start-
phase der Luftwiderstand und die Änderung der
Abb. 2.29 Massen und Geschwindigkeiten von Rakete Fallbeschleunigung mit der Steighöhe vernach-
und Treibstoff zur Zeit t und t C dt lässigt, rechnet man also mit g D g0 D konstant,
2.5 Impuls 49
238
92 U ! 234
90 Th C 2 He:
4
2.6 Arbeit und Energie Nach der Definitionsgleichung (2.64) ist die
Maßeinheit der Arbeit 1 N m D 1 J (Joule).
2.6.1 Arbeit In Abb. 2.33 sind Fälle zusammengestellt, bei
denen die Kraft F Arbeit gegen ortsunabhän-
Wirkt eine Kraft F auf einen materiellen Punkt gige Kräfte verrichtet. Dazu zählen die im erd-
oder Körper und verschiebt ihn dabei um ein nahen Gravitationsfeld näherungsweise konstan-
Wegelement s, so hat die Kraft den Zustand des te Schwerkraft FG und die von ihr verursachte
Körpers verändert, sie hat Arbeit verrichtet. Die Hangabtriebskraft sowie die auf dem Verschie-
mechanische Arbeit ist definiert als bungsweg konstante Festkörperreibungskraft FR .
Mit aufgenommen ist die Beschleunigungsarbeit
W D jF jjsj cos.F ; s/ (2.64) gegen die Trägheitskraft Ft der beschleunigten
Masse (2.33):
entsprechend Abb. 2.31 oder in differenzieller Zs2
Schreibweise als Skalarprodukt W12 D F ds
s1
dW D F ds: (2.65)
Zs2 vZ2 .s2 /
dv
Die insgesamt längs eines Weges von s1 nach D m .vdt/ D m.v dv/:
dt
s2 von einer Kraft F .r; t/ verrichtete Arbeit er- s1 v .s
1 1 /
gibt sich durch Integration der Einzelbeiträge,
Die Integration zeigt, dass die Beschleunigungs-
wie Abb. 2.32 verdeutlicht:
arbeit nur von der Differenz der Quadrate der
Z2s Z2s Geschwindigkeiten abhängt:
W12 D dW D F ds: (2.66) 1
W12 D m v22 v12 : (2.67)
s1 s1 2
2.6 Arbeit und Energie 51
tung
Die aufzuwendende Verformungsarbeit Wg
Pm D : (2.71)
nimmt quadratisch mit der Auslenkung zu. tg
Leistungen von Antrieben misst man, indem die
in der Zeitspanne abgegebene Arbeit definiert
in messbare Reibungsarbeit oder Reibungswär-
2.6.2 Leistung, Wirkungsgrad
me umgewandelt wird. Die abgegebene effektive
Leistung Peff eines Antriebs oder mechanischen
Das Maß dafür, in welcher Zeitspanne eine Arbeit
Wandlers ist wegen der Reibungsverluste PV
verrichtet wird, ist die Leistung
kleiner als die zugeführte Nennleistung PN . Das
W Kennzeichen für die Effektivität der Leistungs-
P D : (2.69) wandler ist der Wirkungsgrad
t
Beispiel 2.6-2
Ein Förderkorb, dessen Masse einschließlich
maximaler Nutzlast m1 D 1000 kg beträgt und
dessen Gegengewicht die Masse m2 D 450 kg
hat, fährt mit der Beschleunigung a1 D 1 m=s2
aufwärts, bis er die konstante Fördergeschwin-
digkeit v2 D 5 m=s erreicht. Die gesamte
Reibungskraft ist FR D 500 N. Abb. 2.35
verdeutlicht den Vorgang. Welche Spitzenleis-
tung und welche Dauerleistung benötigt der
Antrieb, wenn der Wirkungsgrad D 0;9 be-
trägt?
Lösung
Die Kraft F1 an dem Umfang der Trommel
während des Anfahrens ergibt sich aus
F1 C m2 .g a/ D m1 .g C a/ C FR
1 1 1 1
m1 v12 C m2 v22 D m1 v 0 1 C m2 v 0 2 : (2.83)
2 2
2 2 2 2
Durch Umformung von (2.83) ergibt sich
Abb. 2.37 Crash-Test-Zeitverlauf. Auffahrgeschwindig-
keit 64 km=h, Zeitspanne seit dem Aufprall: a 0 ms,
m1 v1 C v10 v1 v10 D m2 v20 C v2 v20 v2 b 75 ms, c 150 ms. Werkfoto: Daimler AG
2.7 Stoßprozesse 57
Abb. 2.38 Klassifikation der Stoßprozesse. Betrachtet werden nur Stöße, bei denen die Stoßpartner vor dem Stoß reine
Translationsbewegungen ausführen
Beispiel 2.7-1
Ein Neutron mit der Masse m1 D mN stößt
zentral auf einen ruhenden Atomkern mit der
Masse m2 D N mN . Die Kollision ist nähe-
rungsweise elastisch. Welcher Anteil f der
kinetischen Energie des Neutrons wird auf den
Atomkern übertragen?
Lösung
Die Energie des stoßenden Neutrons ist Abb. 2.40 Gerader, zentraler Stoß: Anteil f der Energie-
übertragung in Abhängigkeit vom Massenverhältnis der
1 Stoßpartner
Ekin, Nvor D m1 v12 :
2
Beim Stoß wird die Energie E übertragen: 2.7.3 Gerader, zentraler, unelastischer
Stoß
1 2 0
E D m1 v1 v12 :
2 Geht beim Stoßvorgang kinetische Energie bei-
spielsweise durch Reibungs- oder inelastische
Der Anteil f der übertragenen kinetischen
Verformungsarbeit verloren, dann muss der all-
Energie ist
gemeine Energiesatz nach (2.75) zur Berechnung
E v
02 der Geschwindigkeiten nach dem Stoß herange-
f D D 1 12 zogen und der Energieverlust W berücksichtigt
Ekin, N vor v1
werden:
m1 m2 2 4m1 m2
D1 D 1 1 1
m1 C m2 .m1 C m2 /2 m1 v12 C m2 v22 D m1 v102 (2.87)
2 2 2
4N
D : 1
.1 C N /2 C m2 v202 C W:
2
Der Anteil f der Energieübertragung bei ei- Zusätzlich zum Impulserhaltungssatz nach (2.82)
nem geraden, zentralen, elastischen Stoß ei- ist eine weitere Bestimmungsgleichung notwen-
nes ruhenden Stoßpartners ist in Abhängigkeit dig, um die Geschwindigkeiten v10 und v20 nach
vom Massenverhältnis m1 W m2 in Abb. 2.40 dem Stoß und den Energieverlust W berechnen
aufgetragen. Der Energieübertrag ist umso hö- zu können (Beispiel 2.5-2).
her, je geringer der Massenunterschied zwi- Besonders interessant ist der unelastische
schen den Stoßpartnern ist. Zum Abbremsen Stoß, bei dem die beiden Körper miteinander ver-
schneller Neutronen in Kernreaktoren ist al- koppelt werden und sich nach dem Stoß mit der
so Wasser (H2 O) oder schweres Wasser (D2 O) gemeinsamen Geschwindigkeit
sehr viel effektiver als etwa eine Bleiabschir-
mung. v 0 D v10 D v20
2.7 Stoßprozesse 59
Beispiel 2.7-2
Die Stoßzahl lässt sich aus Fallversuchen be-
stimmen. Dabei lässt man eine kleine Kugel
aus der Fallhöhe h auf einen schweren .m2
Abb. 2.41 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß mit m1 / ruhenden Körper fallen (Abb. 2.42). Wie
Kopplung (vollplastischer Stoß) groß ist die Stoßzahl ", wenn die Fallhöhe
h D 70 cm beträgt und die Zeitspanne zwi-
schen dem ersten und dem zweiten Aufprall
gemäß Abb. 2.41 bewegen. Der Impulserhal- t D 0;72 s?
tungssatz dieses unelastischen Stoßes lautet
Lösung
m1 v1 C m2 v2 D .m1 C m2 /v 0 I Nach dem freien Fall kommt es zum ersten
Aufprall nach der Zeit
daraus folgt
s
0 m1 v1 C m2 v2 2h
v D : (2.88) t1 D D 0;378 s:
m1 C m2 g
Die für den elastischen Stoß gefundene Gl.
Die Aufprallgeschwindigkeit der kleinen Ku-
(2.84) für die Geschwindigkeitsdifferenzen vor
gel ist
und nach dem Stoß
p
v20 v10 D v1 v2 v1 D 2gh D gt1
gilt für den unelastischen Stoß nicht mehr. Viel- Nach (2.89) prallt die Kugel ab mit der Ge-
mehr gilt für den Stoß mit Kopplung, der auch als schwindigkeit
vollkommen plastischer Stoß bezeichnet wird
v10 D "v1 ;
v20 v10 D 0:
dabei sind v2 und v20 jeweils null.
Es liegt nahe, den teilplastischen Stoß zu definie-
ren, bei dem folgender Zusammenhang gilt:
2jv10 j 2"v1
t D D D 2"t1 :
g g
t
"D D 0;95:
2t1
analog zum Hooke’schen Gesetz der longitudi- 2.8.4 Drehbewegungen von Systemen
nalen Dehnung als Drehfedersteifigkeit kt be- materieller Punkte
zeichnet. Die Arbeit gegen das winkelabhängige
Torsionsmoment ergibt sich aus der Integration 2.8.4.1 Drehimpulssatz
von (2.106): In einem System von N materiellen Punkten,
1 deren Koordinaten von einem beliebigen Koor-
W D kt '12 '22 : (2.107) dinatennullpunkt aus gemessen werden, wirken
2
auf jeden materiellen Punkt k am Ort r k .t/ eine
Die Torsionsarbeit wird in der elastischen Verfor- resultierende äußere Kraft F a und innere Kräfte
k
mung des deformierbaren Körpers gespeichert. F i , die von allen übrigen materiellen Punkten
jk
Die sehr kleinen Richtmomente von Torsions- j ¤ k des Systems ausgehen. Der Drehim-
fäden ermöglichen es, aus der Drehwinkelände- pulssatz (2.103) lautet dann für den materiellen
rung sehr kleine Energien, wie beispielsweise Punkt k
bei der Bestimmung der Gravitationskraft mit 0 1
der Torsionswaage (Abschn. 2.10.2), zu messen. dLk X N
dW XN
P D D M!: (2.108) D M ak C M ji k :
dt
j ¤k
Durch die Arbeitszufuhr oder -abfuhr ändert sich
die kinetische Energie eines im Abstand r um Es ergeben sich N Gleichungen für die materiel-
eine Drehachse rotierenden materiellen Punktes. len Punkte des Systems. Werden diese summiert,
Seine Rotationsenergie beträgt dann verschwindet die Summe der Momente der
inneren Kräfte:
1 1
rot
Ekin D mv 2 D mr 2 ! 2 oder
2 2 XN X N
1 M ji k D 0:
rot
Ekin D J ! 2: (2.109) kD1 j ¤k
2
Nach dem Energiesatz (2.75) ändert die Arbeit Nach (2.98) und dem dritten Newton’schen Axi-
der äußeren Kraft eines Drehmoments die Rota- om F i D F i ergibt sich
jk kj
tionsenergie. Mit (2.104) und (2.106) ergibt sich
der Energiesatz für Drehbewegungen: r 1 F i21 C r 2 F i12 D .r 2 r 1 / F i12 D 0;
Z'1 tZ.'1 /
d! weil r 2 r 1 parallel zu F i12 ist, wie man in
W D J ˛d' D J !dt
dt Abb. 2.46 erkennt. Werden die Drehimpulse der
'0 t .'0 /
einzelnen materiellenPPunkte zu einem Gesamt-
!.'Z1 /D!1 N
drehimpuls L D kD1 Lk und die äußeren
DJ !d! Momente zu einemPresultierenden Gesamtdreh-
N
!.'0 /D!0 moment M D a
kD1 M k zusammengefasst,
dann folgt der Drehimpulssatz für ein System von
bzw.
1 2 materiellen Punkten:
W D J !1 !02 : (2.110)
2 dL
Die Differenz der Rotationsenergie in der End- D M: (2.111)
dt
und Anfangslage ist gleich der Arbeit, die von
dem am Körper angreifenden, äußeren Drehmo- Der Drehimpulssatz für ein System entspricht
ment bei der Drehung des Körpers um eine feste formal völlig dem für einen einzelnen materiel-
Drehachse verrichtet wird. len Punkt (2.103).
2.8 Drehbewegungen 65
Lösung
Bei Vernachlässigung der Reibung zwischen
Schlittschuhen und Eis bleibt der Drehimpuls
erhalten: L0 D L1 oder n0 J0 D n1 J1 . Daraus
folgt n1 D n0 J0 =J1 D 10 s1 . Die mittlere
Leistung ist
W 1 J1 !12 J0 !02
Pm D D D 1;9 kW:
Abb. 2.46 Zum Drehimpulssatz: System aus drei materi- t 2 t
ellen Punkten
2.8.4.3 Energieerhaltungssatz
Wenn einem Systen materieller Punkte keine Ar-
2.8.4.2 Drehimpulserhaltungssatz beit zugeführt wird, bleibt die Energie der Ro-
Wirken auf ein System von N materiellen Punk- tationsbewegung konstant. Für das System gilt
PN
ten mit dem Gesamtdrehimpuls L D kD1 Lk nach (2.110) der Energieerhaltungssatz für die
keine äußeren Momente (M a D 0), dann ist Rotationsenergie der Massenpunkte:
nach dem Drehimpulssatz (2.111) die Drehim-
pulsänderung dL=dt D 0. Die Summe der Ein- X N
1
zeldrehimpulse des Massensystems ist konstant Jk !k2 D konstant: (2.114)
2
und der Gesamtdrehimpuls L bleibt nach Betrag kD1
und Richtung erhalten:
Nur bei starren Körpern sind die Winkelge-
L D L1 C L2 C : : : C LN D konstant: (2.112) schwindigkeiten der materiellen Punkte gleich;
dann gilt für die Rotationsenergie die einfachere
Gl. (2.130).
Verschwindet das Gesamtdrehmoment der
äußeren Kräfte auf ein System materiel-
ler Punkte, dann gilt der Drehimpulserhal- 2.8.5 Analogie Translation und
tungssatz. Rotation
2.8.6 Zur Übung vom Punkt A parallel zur y-Achse, wie Abb. 2.47
verdeutlicht. a) Wie groß ist das Drehmoment
Ü 2-30 Ein Körper der Masse m fällt aus der Ru- M bezüglich des Koordinatenursprungs? b) Wie
he im Gravitationsfeld der Erde. Er bewegt sich groß ist der Drehimpuls L bezüglich des Koor-
dinatenursprungs in Abhängigkeit von der Zeit?
c) Zeigen Sie, dass der Drehimpulssatz gilt, dass
also M D dL=dt ist.
Lösung
Die Geschwindigkeit der Punkte erhält man
durch Überlagerung der gemeinsamen Trans-
lationsgeschwindigkeit vM nach rechts mit ei-
ner Umfangsgeschwindigkeit, die jeweils tan-
gential zum Kreis verläuft. Der Betrag der Abb. 2.51 Linienflüchtigkeit der Kraft am starren Körper
2.9 Mechanik starrer Körper 69
M D sF I (2.116)
Beispiel 2.9-2
Die Ebene, in der die Kräfte liegen, darf da-
bei nicht gekippt werden. Der Vektor M des Der in Abb. 2.54 gezeigte Träger ist im
Drehmoments ist auch nicht an einen bestimmten Punkt A drehbar gelagert und wird im Punkt
Punkt gebunden, sondern beliebig parallel ver- C von einer Kette gehalten. Im Punkt B greift
schiebbar. Man bezeichnet diesen Vektor deshalb unter 45ı die Kraft F D 500 N an. Welche
als freien Vektor (im Gegensatz etwa zum gebun- Lagerkräfte FA und FC werden durch F ver-
denen Vektor der Kraft oder dem linienflüchtigen ursacht?
Kraftvektor am starren Körper).
Lösung
Wirkt ein Kräftepaar auf einen zunächst ru-
Wenn an einem Körper nur drei Kräfte angrei-
henden, frei beweglichen starren Körper, dann
fen, müssen die Wirkungslinien aller Kräfte
wird dieser in Drehung versetzt; d. h., er erfährt
durch einen Punkt gehen, denn nurPdann lässt
eine Winkelbeschleunigung. Dabei rotiert der
sich nach (2.118) die Bedingung Ma D 0
Körper um seinen Massenmittelpunkt; denn jener
erfüllen. Alle drei Kräfte dürfen bezüglich
wird nach obigen Aussagen nicht beschleunigt, er
des gemeinsamen Schnittpunkts kein Drehmo-
ist also der einzige Punkt, der in Ruhe bleibt.
ment besitzen.
Soll ein starrer Körper in Ruhe bleiben
Da eine Kette nur Kräfte in Längsrich-
(Grundaufgabe der Statik), dann muss das Dreh-
tung aufnehmen kann, ist die Wirkungslinie
moment eines Kräftepaars durch ein anderes
der Kettenkraft FC durch die Verlängerung
kompensiert werden, sodass insgesamt kein re-
der Kette gegeben. Durch ihren Schnittpunkt
sultierendes Drehmoment übrig bleibt. Eine
P mit der Wirkungslinie von F muss auch
Translationsbeschleunigung des Körpers unter-
die Wirkungslinie der Lagerkraft FA gehen.
bleibt, wenn keine resultierende Kraft auf ihn
Da nun die Richtungen der Kräfte bekannt
wirkt. Diese Forderungen werden zusammen-
sind, können die Beträge z. B. durch grafische
gefasst in den Gleichgewichtsbedingungen der
Konstruktion eines Kraftecks ermittelt wer-
Statik:
den.
X Aus dem Krafteck liest man mit einer ent-
Fa D 0; (2.117)
X sprechenden Ungenauigkeit ab FA D 390 N
Ma D 0: (2.118) und FC D 190 N. Eine rechnerische Lösung
2.9 Mechanik starrer Körper 71
2.9.4 Kinetische Energie eines starren aus der kinetischen Energie der Schwerpunkts-
Körpers bewegung mit der Schwerpunktsgeschwindigkeit
PN
vS und der Gesamtmasse m D kD1 mk und
Werden die Geschwindigkeiten vk D dr k .t/=dt aus der kinetischen Energie der Bewegung relativ
der materiellen Punkte eines Systems zerlegt in zum Schwerpunkt:
eine Geschwindigkeit v0k D dr 0k .t/=dt relativ 1 2 1X
N
mk vk0 :
2
zum Schwerpunkt S und die Bahngeschwindig- Ekin D mvS C (2.123)
2 2
keit vS D dr S .t/=dt des Schwerpunktes, dann ist kD1
die kinetische Energie des Systems Bei starren Körpern sind wegen der Konstanz
X
N 2 der Abstände zwischen den Massenpunkten kei-
1 dr k .t/ ne radialen Bewegungen relativ zum Schwer-
Ekin D mk
2 dt punkt möglich, sondern nur Drehbewegungen um
kD1
den Schwerpunkt (Abschn. 2.9.1). Die kinetische
1X
N
dr S .t/ dr 0k .t/ 2
D mk C Energie eines starren Körpers setzt sich also zu-
2 dt dt sammen aus dem Anteil Ekin trans
der Translation
kD1
N des Schwerpunkts und dem Anteil Ekin rot
1 dr S .t/ 2 X der Ro-
Ekin D mk tation der Massenpunkte um den Schwerpunkt:
2 dt
kD1
0 ges
Ekin D Ekin
trans
C Ekin
rot
1X : (2.124)
N
dr k .t/ 2
C mk
2 dt
kD1 Nach (2.123) ist die Translationsenergie des star-
dr S .t/ X ren Körpers mit der Gesamtmasse m
N
dr 0k .t/
C mk :
dt dt 1 2
kD1 trans
Ekin D mv : (2.125)
2 S
Der letzte Term ist der Gesamtimpuls der Mas-
senpunkte im Schwerpunkt-Koordinatensystem Die Rotationsenergie eines starren Körpers, des-
S0 , der nach der Schwerpunktsdefinition ge- sen Massenpunkte mk , wie in Abb. 2.57 skizziert,
mäß (2.120) null ist. Die kinetische Energie eines um eine Achse durch den Punkt P mit der ge-
Systems materieller Punkte ist also die Summe meinsamen Winkelgeschwindigkeit ! und der
2.9 Mechanik starrer Körper 73
!
1 X
N Beispiel 2.9-3
rot
Ekin D mk rPk ! 2 :
2
(2.126) Bei einer Reibungskupplung gemäß Abb. 2.58
2
kD1 rotiert die Kupplungsscheibe ohne Antrieb
mit der Drehzahl n1 D 3000 min1, ihr
Der Klammerausdruck wird analog zur Defini-
Massenträgheitsmoment ist J1 D 0;5 kg m2 .
tionsgleichung (2.101) als Massenträgheitsmo-
Sie wird auf die anfangs stillstehende Schei-
ment JP des starren Körpers bezüglich der Dreh-
be mit dem Massenträgheitsmoment J2 D
achse durch P bezeichnet:
0;4 kg m2 gedrückt. Die Lager- und Luftrei-
X
N bung soll vernachlässigt werden. Wie groß ist
JP D 2
mk rPk : (2.127) die Drehzahl n0 nach dem Kupplungsvorgang
kD1 und welcher Anteil der ursprünglichen Rotati-
onsenergie wurde in Wärme und Abriebarbeit
Für einen Körper mit kontinuierlicher Massen-
umgesetzt?
verteilung geht die Summe in das Integral
Z Z
Lösung
JP D r 2 dm D %.r/r 2 dV (2.128)
Ohne äußere Drehmomente gilt nach dem
V
Drehimpulserhaltungssatz nach (2.113)
über. Das Massenträgheitsmoment eines starren J1 !1 D J1 ! 0 CJ2 ! 0 . Mit ! D 2 n ergibt sich
Körpers mit homogener Dichte wird über das Vo- die Drehzahl nach dem Kupplungsvorgang:
lumenintegral
J1
Z Z Z n0 D n1 D 1667 min1:
J1 C J2
JP D % r 2 .x; y; z/; dxdydz (2.129)
V Die Verlustarbeit WV ist nach dem Energie-
satz (2.110)
berechnet. Die kinetische Energie der Rotation
eines starren Körpers um die Achse durch P mit 1 1
dem Massenträgheitsmoment JP ist also WV D J1 !12 .J1 C J2 /! 02
2 2
1 J1
1 D J1 .2 n1 /2 1 D 11 kJI
rot
Ekin D JP ! 2 : (2.130) 2 J1 C J2
2
74 2 Mechanik
Der Drehimpuls des kompletten starren Körpers wobei J und ! nach den Regeln der Matri-
wird durch Summation über alle Massenpunkte zenmultiplikation multipliziert werden. Für das
berechnet: 0 P 1 Beispiel von Abb. 2.65 ergibt sich
mk x k z k 0 10 1 0 1
B P C
L D ! @ mk yk zk A : Jxx Jxy Jxz 0 Jxz
P B CB C B C
mk xk2 C yk2 L D @Jyx Jyy Jyz A@ 0 A D ! @ Jyz A :
Jzx Jzy Jzz ! Jzz
L hat gewöhnlich drei von Null verschiedene
Komponenten, liegt also nicht parallel zum Vek- Die Deviationsmomente bewirken, dass der Kör-
tor !, der in z-Richtung schaut. Wenn der Körper per mit einem äußeren Drehmoment stabilisiert
rotiert, läuft L auf einem Kegelmantel um. Damit werden muss. Wenn sie verschwinden, sind keine
ist L nicht konstant und zur Führung des Körpers Lagermomente erforderlich und der Körper kann
ist ein äußeres Drehmoment M D dL=dt erfor- frei rotieren. Gewisse Symmetrieeigenschaften
derlich. führen zum Verschwinden von Deviationsmo-
Der Zusammenhang zwischen den beiden zu- menten. Ist beispielsweise die z-Achse eine Ro-
einander verdrehten Vektoren L und ! lässt sich tatiossymmetrieachse, dann gilt Jxz D Jyz D 0
elegant beschreiben, wenn das Massenträgheits- und der Drehimpulsvektor L verläuft parallel zu
moment J als Tensor definiert wird: !. Es tritt also kein Kippmoment auf.
0 1 Für jeden Körper gibt es ein Koordinatensys-
Jxx Jxy Jxz
B C tem, so dass alle Zentrifugalmomente verschwin-
J D @Jyx Jyy Jyz A ; den. Der Trägheitstensor lautet dann
Jzx Jzy Jzz 0 1
JI 0 0
mit den Trägheitsmomenten B C
J D @0 JII 0 A:
X Z
0 0 JIII
Jxx D mk yk2 C zk2 bzw. y 2 C z 2 dm;
Vol
Z Die Trägheitsmomente JI , JII und JIII sind die
X Hauptträgheitsmomente. Rotiert ein Körper um
Jyy D mk xk2 C zk bzw.
2
x Cz
2 2
dm;
eine Hauptträgheitsachse, so ist L parallel zu !
Vol
X Z und M D dL=dt D 0, es sind also keine Lager-
Jzz D mk xk2 C yk2 bzw. x 2 C y 2 dm reaktionen erforderlich.
Vol
(2.133) Beispiel 2.9-5
Wie lautet der Trägheitstensor für die Hantel
und den Deviations- oder Zentrifugalmomenten von Abb. 2.64 und welche Richtung hat der
X Z Vektor L des Drehimpulses? Die Zeichenebe-
Jxy D Jyx D mk xk yk bzw. xy dm; ne sei die x,z-Ebene.
Vol
X Z Lösung
Jxz D Jzx D mk xk zk bzw. xz dm; Im gezeichneten Moment, in dem die Hantel
Vol in der Zeichenebene liegt, ist der Trägheitsten-
X Z
sor
Jyz D Jzy D mk yk zk bzw. yz dm:
Vol J D 2mr 2
(2.134) 0 1
cos2 # 0 sin # cos #
B C
Der Drehimpuls berechnet sich nun gemäß @ 0 1 0 A:
L D J !; sin # cos # 0 sin2 #
80 2 Mechanik
Trägheitsellipsoid
Bestimmt man die Massenträgheitsmomente ei-
nes Körpers bezüglich verschiedener Achsen
durch den Schwerpunkt und trägt in Polarkoordi-
naten jeweils
p in Achsenrichtung die Länge R D
const= J ab, so liegen alle Endpunkte auf einem
Ellipsoid (Poinsot-Konstruktion). Die Hauptach-
sen des Ellipsoids werden durch die Hauptträg-
heitsachsen gebildet. Aus dem Trägheitsellipso- Abb. 2.66 Kräftefreier symmetrischer Kreisel in karda-
id kann das Massenträgheitsmoment bezüglich nischer Aufhängung
willkürlicher Schwerpunktsachsen grafisch oder
analytisch bestimmt werden. Bei rotationssym-
metrischen Körpern ist das Trägheitsellipsoid ein Kräftefreier Kreisel, Nutation
Rotationsellipsoid. Bei hochsymmetrischen Kör- Ein Kreisel, der in seinem Schwerpunkt unter-
pern wie Kugel, Würfel, Tetraeder usw. bekommt stützt wird und in allen Raumrichtungen drehbar
es Kugelform. Diese Körper haben keine Devia- ist, wird kräftefreier Kreisel genannt. Technisch
tionsmomente. kann dies z. B. durch eine kardanische Auf-
hängung entsprechend Abb. 2.66 realisiert wer-
den. Da auf einen solchen Kreisel von außen
2.9.6 Kreisel kein Drehmoment ausgeübt werden kann, muss
nach dem Drehimpulserhaltungssatz der Vektor
Jeder starre Körper, der eine Drehbewegung aus- L des Drehimpulses in einem Inertialsystem sei-
übt, ist ein Kreisel. Symmetrische Kreisel sind ne Richtung beibehalten. Rotiert der Kreisel so,
starre Körper, bei denen zwei Hauptträgheits- dass seine Figurenachse und die Drehimpulsach-
momente gleich groß sind. Diese Bedingung er- se zusammenfallen, dann bleibt auch die Rich-
füllen alle auf einer Drehmaschine hergestellten tung der Figurenachse im Raum fest. Der freie
Teile, aber auch andere, beispielsweise quadrati- Kreisel kann an seinem äußeren Rahmen beliebig
sche Scheiben. Beim abgeplatteten Kreisel (z. B. bewegt werden, ohne dass sich die einmal ein-
Scheibe) ist das Trägheitsmoment um die Figu- gestellte Richtung verändert. Dieser Effekt wird
renachse größer, beim verlängerten Kreisel (z. B. beim Kurskreisel zur Navigation ausgenutzt. Bei
Stab) kleiner als die äquatorialen Trägheitsmo- modernen Geräten weicht die Achse von der ein-
mente. gestellten Richtung um weniger als 0;1 ı =h ab.
2.9 Mechanik starrer Körper 81
Präzession
Abb. 2.68a zeigt einen rotierenden Kreisel, der
an einer Leine unsymmetrisch aufgehängt ist.
Während ein nicht rotierender starrer Körper bei
dieser Art der Aufhängung sofort herunterfallen
würde, dreht sich der rotierende Kreisel um den
Aufhängepunkt, wobei die horizontale Lage der
Kreiselachse erhalten bleibt. Diese höchst erstaun-
liche Bewegung wird als Präzession bezeichnet.
Die Ursache der Präzession ist das Drehmo-
ment, das infolge der unsymmetrischen Aufhän-
gung auf den Kreisel ausgeübt wird. Abb. 2.68b
zeigt, dass das Kräftepaar aus Gewichtskraft und
Stützkraft ein Drehmoment M erzeugt, das in
der Horizontalebene liegt und auf dem Vektor
L des Drehimpulses senkrecht steht. Ein solches
Drehmoment kann aber den Betrag des Drehim-
Abb. 2.67 Nutationsbewegung eines abgeplatteten Krei- pules nicht ändern, sondern nur seine Richtung,
sels wie Abb. 2.68c zeigt. Innerhalb einer kurzen
Zeitspanne t ändert sich der Drehimpuls um
L D M t. Der neue Drehimpuls L.t C t/
Versetzt man einem kräftefreien Kreisel einen steht wieder senkrecht zum ebenfalls kreisenden
kurzzeitigen Schlag, dann
R ändert sich der Dreh- Drehmoment M .t C t/. Unter der Wirkung
impuls L um L D M .t/dt, bleibt dann aber des Drehmoments M läuft daher die Spitze des
wieder konstant nach Größe und Richtung. Die Drehimpulsvektors L mit konstanter Winkelge-
Folge des Schlages aber ist, dass der Kreisel eine schwindigkeit auf einem Kreis. Dies ist völlig
Taumelbewegung ausführt, die als Nutation be- analog zur Kreisbewegung eines Körpers mit
zeichnet wird. konstanter Geschwindigkeit, wobei die Zentripe-
Die Nutationsbewegung kann nach Abb. 2.67 talkraft auch immer senkrecht auf der Geschwin-
anschaulich so erklärt werden, dass zwei Kegel digkeit steht und sich nur deren Richtung, nicht
aufeinander abrollen, wobei die Kegelspitzen im aber deren Betrag ändert.
festgehaltenen Schwerpunkt des Kreisels liegen. Die Winkelgeschwindigkeit der Präzession !p
Der Rastpolkegel, dessen Achse die Drehimpuls- kann aus Abb. 2.68c abgelesen werden. Innerhalb
achse ist, steht fest im Raum. Der Gangpolkegel der Zeitspanne t dreht sich der Drehimpulsvek-
ist mit dem Kreisel fest verbunden und wälzt sich tor um den Winkel
auf dem Rastpolkegel ab. Die Figurenachse als
Achse des Gangpolkegels läuft damit auf dem rot L Mt
' D D :
gestrichelten Nutationskegel um. Die momentane L L
82 2 Mechanik
a b
Abb. 2.68 Präzession eines Kreisels: a unsymmetrisch aufgehängter, horizontal präzedierender Fahrradkreisel, b Kräf-
te und Drehmomente auf den Kreisel, c Drehimpulsänderung durch das Drehmoment
M D L !p : (2.136) Kreiselkompass
Der Kreiselkompass ist ein gefesselter Kreisel,
Von den zahlreichen Anwendungen des Kreisels dessen Achse sich nur in einer Horizontalebe-
seien einige Beispiele aus der Navigation kurz ne bewegen kann. Häufig wird dies dadurch
beschrieben. erreicht, dass das Rotorgehäuse in einer Flüssig-
keit schwimmt. Im Gegensatz zu einem freien
Kreiselhorizont Kreisel, der seine Achsenrichtung in einem In-
Bei einem Flugzeug, das in oder über den Wolken ertialsystem konstant hält, muss der gefesselte
fliegt, braucht der Pilot zur Orientierung einen Kreisel die Erdrotation mitmachen. Die Kreisel-
künstlichen Horizont. Ein einfaches Lot, das in achse erfährt also eine Zwangsdrehung mit der
84 2 Mechanik
Wendekreisel
Der Wendekreisel dient dazu, Drehungen und
Abb. 2.71 Einstellung des Kreiselkompasses in Nord- Drehgeschwindigkeiten zu messen. Soll z. B. die
richtung Drehung eines Schiffes um eine vertikale Ach-
se gemessen werden, dann wird ein Kreisel so
eingebaut, dass seine Achse horizontal liegt. Die
Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation !E . Das horizontale Lage wird z. B. durch Federn erzwun-
auftretende Kreiselmoment dreht die Kreiselach- gen. Bei einer Drehung des Schiffs wird nach
se nach dem Satz vom gleichsinnigen Parallelis- dem Satz vom gleichsinnigen Parallelismus der
mus so, dass der Drehimpulsvektor L und die Kreisel versuchen, seine Achse senkrecht zu stel-
Richtung der Zwangsdrehung !E parallel wer- len. Dies wird aber durch die Federn verhindert.
den. Der Kreisel nimmt deshalb eine Schräglage ein,
Wie Abb. 2.71 zeigt, gelingt dies vollkom- bei der das von der Drehung verursachte Kreisel-
men für einen Kreiselkompass, der am Äquator moment vom rücktreibenden Moment der Federn
Ä aufgestellt ist. Befindet sich der Kreisel auf ei- im Gleichgewicht gehalten wird. Der Ausschlag
nem beliebigen Breitenkreis am Punkt P, dann des Kreisels ist damit porportional zur Drehge-
kann sich sein Drehimpuls L nicht parallel zu schwindigkeit des Schiffs. Geräte mittlerer Qua-
!E einstellen; denn die Kreiselachse ist ja an lität sind in der Lage, Drehgeschwindigkeiten bis
eine Tangentialebene zur Erde gefesselt. Immer- herab zu 0;01 ı =h nachzuweisen. Der Drehwinkel
hin ist eine Optimierung der Lage dann erreicht, wird von integrierenden Wendekreiseln gemes-
wenn die Kreiselachse tangential zu einem Me- sen.
ridian eingestellt ist, d. h., wenn sie nach Norden Optische Faserkreisel bzw. Laserkreisel ent-
weist. Befindet sich der Kreisel am Nord- oder halten keine rotierenden Teile, sind also im Grun-
Südpol N bzw. S, dann steht L immer senk- de keine Kreisel. Mit Hilfe des Sagnac-Effekts
recht auf !E . Jede Richtung der Kreiselachse ist (G. M. M. S AGNAC, 1869 bis 1928) werden
gleich ungünstig; der Kreisel hat keine Vorzugs- Drehungen eines Systems gegenüber einem Iner-
richtung. tialsystem nachgewiesen. Laserkreisel erreichen
Der Kreiselkompass versagt also wie der ma- die vorgenannte Genauigkeit bei einer Winkel-
gnetische Kompass an den Polen. U-Boote, die auflösung von 2 Winkelsekunden; sie werden
sich unter dem Packeis des Nordpols befinden, bereits in der Luftfahrt eingesetzt.
2.10 Gravitation 85
2.9.7 Zur Übung groß ist die Auflagerkraft zu Beginn der Bewe-
gung? c) Mit welcher Winkelgeschwindigkeit !
Ü 2-32 Lösen Sie das Problem von Bei- geht der Stab durch die vertikale Lage?
spiel 2.9-2 rechnerisch.
Ü 2-38 Ein Rad mit dem Radius r D 20 cm und
Ü 2-33 Eine starre Hantel besteht aus zwei Ku- der Masse m D 20 kg rollt nach Abb. 2.61 eine
geln mit jeweils der Masse m D 2 kg, die durch schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel ˇ D 15ı
einen runden Stab mit dem Durchmesser dS D hinab. Aus dem Stand legt es nach t D 2 s den
10 mm verbunden sind. Der Abstand der bei- Weg s D 2;9 m zurück. a) Wie groß ist das
den Kugelmittelpunkte beträgt l D 1 m. Kugeln Massenträgheitsmoment JS bezüglich der Dreh-
und Stab bestehen aus Stahl der Dichte % D achse durch den Schwerpunkt? b) Wie groß muss
7;85 kg=dm3. Wie groß ist das Massenträgheits- der Haftreibungskoeffizient zwischen Rad und
moment JS bezüglich einer Achse, die auf der Unterlage mindestens sein, damit das Rad nicht
Stabachse senkrecht steht und durch den Schwer- rutscht?
punkt geht, wenn die Stabmasse und die Aus-
dehnung der Kugeln a) vernachlässigt, b) nicht Ü 2-39 Ein rotierendes Rad (Masse m D 2 kg,
vernachlässigt werden? Massenträgheitsmoment JS D 300 kg cm2, Dreh-
zahl n0 D 2800 min1, Radius r D 15 cm) wird
Ü 2-34 Zur experimentellen Bestimmung des auf den horizontalen Fußboden aufgesetzt. Infol-
Massenträgheitsmoments eines Rades wird ein ge Reibung zwischen Rad und Unterlage wird
Faden über dieses gelegt, an dem zwei Körper mit das Rad beschleunigt. a) Wie groß ist die End-
den Massen m1 D 1 kg und m2 D 1;5 kg befes- geschwindigkeit, die sich einstellt, nachdem der
tigt sind. Das Rad ist reibungsfrei gelagert, sein Rutschvorgang abgeschlossen ist? b) Wie lange
Radius beträgt r D 30 cm. Man beobachtet, dass rutscht das Rad, wenn der Reibungskoeffizient
die Körper in der Zeit t D 2 s aus dem Stand den zwischen Rad und Unterlage D 0;2 beträgt?
Höhenunterschied h D 1 m zurücklegen.
a) Berechnen Sie die Beschleunigung a, mit Ü 2-40 Ein schwerer Kreisel sei wie in Abb. 2.68
der sich die angehängten Körper bewegen. b) Be- einseitig aufgehängt. Die Kreiselachse verlaufe
stimmen Sie die Kraft im Faden jeweils über nicht waagerecht sondern schließe mit der Ver-
den Körpern 1 und 2. c) Wie groß ist das Mas- tikalen den Winkel # ein. Zeigen Sie, dass die
senträgheitsmoment des Rades bezüglich seiner Winkelgeschwindigkeit der Präzession !p nicht
Drehachse? vom Winkel # abhängt.
tenbahnen war durch Epizykeln möglich. Dieses I SAAC N EWTON (1643 bis 1727) stellte
Weltbild galt als Glaubenssatz über 14 Jahrhun- die allgemeinen Bewegungsgesetze für mecha-
derte lang. nische Systeme und das Gravitationsgesetz (Ab-
N IKOLAUS KOPERNIKUS (1473 bis 1543) schn. 2.10.2) auf. Damit konnte er die Kep-
konnte mit dem heliozentrischen Weltsystem, das ler’schen Gesetze herleiten.
die Sonne in den Mittelpunkt stellte, die Bewe- A LBERT E INSTEIN (1879 bis 1955) entwi-
gung der Planeten einfacher beschreiben. ckelte 1915 die allgemeine Relativitätstheorie,
T YCHO DE B RAHE (1546 bis 1601) lieferte die die Newton’sche Gravitationstheorie als Nä-
als letzter großer Astronom ohne Fernrohr exak- herung enthält. Damit konnten die mit der New-
tes Beobachtungsmaterial über die Bewegung der ton’schen Mechanik nicht erklärbare Periheldre-
Gestirne. hung der Merkurbahn und die Krümmung von
J OHANNES K EPLER (1571 bis 1630) leitete Lichtstrahlen unter dem Einfluss der Gravitation
aus der Analyse der Brahe’schen Messdaten des erklärt werden.
Mars drei empirische Gesetzmäßigkeiten über die Die aus diesen Beobachtungen und Theorien
Bewegung der Planeten her. Sie sind in Abb. 2.72 bestimmten Bahndaten und Planetenkenngrößen
aufgeführt und erläutert. sind in Tab. 2.7 zusammengestellt. Simulationen
2.10 Gravitation 87
2.10.2 Newton’sches
Gravitationsgesetz
te von ungefähr null und können daher in guter de kann die Sonnenmasse zu mS D 2 1030 kg
Näherung als Kreisbahnen beschrieben wer- 300:000 mE ermittelt werden.
den. Für eine gleichförmige Kreisbewegung
eines Planeten mit der Masse mp muss die
Gravitationskraft die Zentripetalkraft aufbrin- 2.10.3 Hubarbeit und potenzielle
gen. Bezeichnet man die Masse des Zentral- Energie
gestirns, der Sonne, mit mS , den Bahnradius
der Planeten mit rp und die Umlaufzeit mit Tp , Wird ein Körper der Masse m2 von einem Körper
dann gilt nach (2.31) für die Zentripetalkraft der Masse m1 , beispielsweise der Erde, weg-
transportiert oder angehoben, so ist gegen die
4 2 Gravitationskraft FG durch eine äußere Kraft Fa
jFzp j D mp rp !p2 D mp rp :
Tp2 Arbeit zu verrichten. Abb. 2.77 erläutert dies. Die
erforderliche Hubarbeit ist nach (2.64)
Die Gravitationskraft zwischen Sonne und X X
Planet ist nach (2.137) WAB D Fk r k C Fak sk :
k k
mS mp
FG D G :
rp2 Alle Wegelemente sk auf Kugelschalen um den
Massenmittelpunkt von m1 verlaufen senkrecht
Durch Gleichsetzen erhält man zur Richtung der Gravitationskraft; die Arbeit auf
diesen Teilwegen ist null. Die aufzuwendende
4 2 mS mp
mp rp DG 2 :
Tp2 rp
rp3 GmS
D D konstant: (2.139)
Tp2 4 2
Abb. 2.76 Planeten des Sonnensystems: Zusammenhang zwischen der großen Halbachse der Planetenbahn und der
Umlaufzeit
Hubarbeit ist, wenn man zu infinitesimalen Weg- Masse m2 die Gravitationskraft der Masse m1
stücken übergeht, nicht mehr spürt. Wird von diesem Bezugsniveau
aus m2 auf m1 zubewegt, dann wird Arbeit frei;
Zr2 Zr2
die potenzielle Energie, die zur Umwandlung in
WAB D Fa dr D FG dr andere Energiearten verwendet werden kann, ver-
r1 r1 mindert sich und ist
Zr2
dr Zr
D Gm1 m2 2 : dr m1 m2
r Epot D Gm1 m2 2 D G : (2.141)
r1 r r
1
Daraus erhält man
Gleichungen (2.139) bis (2.141) gelten nicht nur
1 1 für Massenpunkte, sondern auch für ausgedehn-
WAB D Gm1 m2 : (2.140)
r1 r2 te Körper mit Kugelform. Die Radien sind dabei
die Abstände der Massenmittelpunkte. Im Innern
Die Hubarbeit des Körpers mit der Masse m2 ge- von Systemen aus materiellen Punkten kommen
gen die Gravitationskraft der Masse m1 hängt nur innere Kräfte dazu; die Gravitationskraft stimmt
vom Abstand r1 und r2 der Orte vom Massenmit- nicht mehr mit (2.137) überein.
telpunkt von m1 ab, nicht aber vom Weg. Diese Die potenzielle Energie einer Masse m0 , die
Hubarbeit wird nach dem Energiesatz (2.75) als von mehreren Massen m1 bis mN angezogen
potenzielle Energie des Körpers mit der Masse wird, setzt sich additiv aus den Einzelanteilen
m2 , bezogen auf die Masse m1 , gespeichert. Das nach (2.141) zusammen:
Bezugsniveau für die potenzielle Energie einer
Masse m2 unter der Massenanziehung der Mas- m0 m1 m0 m2 m0 mN
Epot D G G :::G :
se m1 wird mit r D 1 so gewählt, dass die r1 r2 rN
2.10 Gravitation 91
Die Kenngröße, die sich am Ort r.x0 ; y0 ; z0 / der der Atmosphäre. Höhere Bahnen werden zu sehr
Masse m0 summiert, ist das Gravitationspotenzi- gestört von der Sonne und anderen Planeten. Die
al 'G der Einzelmassen m1 bis mN : mehr als 24 Satelliten des Global Positioning Sys-
tem (GPS) laufen auf sechs Kreisbahnen, die um
XN
mk 56ı gegen die Äquatorebene geneigt sind, in einer
'G D G : (2.142) Höhe von 20:200 km.
rk
kD1
Von besonderer Bedeutung für die Datenüber-
tragung sind geostationäre Satelliten oder Syn-
Flächen im Raum, auf denen das Gravitations-
chronsatelliten. Sie sollen über einem definierten
potenzial einer Massenverteilung konstant ist,
Punkt der Erde still stehen. Man kann sich leicht
werden als Äquipotenzialflächen bezeichnet; die
klar machen, dass dies nur möglich ist für Kreis-
Äquipotenzialfläche einer Zentralmasse ist ei-
bahnen in der Äquatorebene. In welcher Höhe ein
ne Kugelschale um deren Massenmittelpunkt. Ist
Satellit platziert werden muss, damit er sich syn-
das Gravitationspotenzial 'G an einem Ort r be-
chron mit der Erde dreht, folgt aus dem dritten
kannt, so beträgt die potenzielle Energie einer
Kepler’schen Gesetz. Nach (2.139) gilt für den
Masse m0 an diesem Ort
Abstand rS , den der Satellit vom Erdmittelpunkt
Epot D m0 'G .r/: (2.143)
haben muss s
2
3 GmE TE
rS D :
Die Gravitationskraft auf m0 an diesem Ort ergibt 4 2
sich aus der Umkehrung von (2.65) zu
Mit der Periodendauer der Erdrotation (sideri-
d' .r/ sche Umlaufzeit, Sterntag) TE D 86:163 s ergibt
FG .r/ D m0 G D m0 g.r/: (2.144) sich rS D 42:161 km. Subtrahiert man davon den
dr
mittleren Erdradius rE D 6371 km, so ergibt sich
Der Gradient des Gravitationspotenzials am Ort eine Höhe von h D 35:790 km über der Erdober-
r wird als Gravitationsfeldstärke g definiert. Der fläche.
Vergleich mit der Beziehung für die Schwerkraft
nach (2.28) zeigt, dass Betrag und Richtung der Kosmische Geschwindigkeiten
Fallbeschleunigung g an einem Ort die Gravitati- Die erforderliche Geschwindigkeit eines Kör-
onsfeldstärke angeben. Ist der räumliche Verlauf pers, der von der Erdoberfläche abgeschossen
der Fallbeschleunigung aus Experimenten oder wird und eine bestimmte Bahn erreichen soll,
Simulationsrechnungen bekannt, dann kann über wird als kosmische Geschwindigkeit bezeichnet.
eine Integration von (2.144) der Verlauf der po- Die erste kosmische Geschwindigkeit vk1 ist
tenziellen Energie berechnet werden. die Geschwindigkeit, die ein Körper haben muss,
der sich auf einer Kreisbahn direkt an der
Erdoberfläche bewegen soll. Diese Bahn mit
2.10.4 Satellitenbahnen Radius rE ist natürlich praktisch nicht reali-
sierbar, sondern nur von theoretischem Interes-
Die Bahnen künstlicher Satelliten, die um die Er- se. Aus der Gleichgewichtsbedingung zwischen
de laufen, werden durch dieselben Kepler’schen Gravitations- und Zentrifugalkraft
Gesetze beschrieben, wie sie von der Planetenbe- 2
mS mE mS vk1
wegung bekannt sind. Satellitenbahnen sind also G 2 D folgt
Ellipsen (Spezialfall: Kreise), wobei die Erde in rE rE
s
einem Brennpunkt der Ellipse steht. GmE p km
Praktisch realisierbare Bahnen haben Höhen vk1 D D grE D 7;91 :
rE s
6
von 200 km bis 10 km und Umlaufdauern von
88 min bis etwa 4 Monate. Niedrigere Bahnen Die zweite kosmische Geschwindigkeit vk2 ist die
sind nicht möglich wegen Reibungsverlusten in Geschwindigkeit, mit der ein Körper abgeschos-
92 2 Mechanik
sen werden muss, um den Anziehungsbereich der kräfte auf einen Körper der Masse m gerade auf-
Erde zu verlassen. Sie kann mithilfe des Ener- heben. Wo liegt dieser „neutrale Punkt“? Radius
gieerhaltungssatzes berechnet werden: Ekin;E C der Mondbahn: rE,M D 384:000 km, Mondmasse
Epot;E D Ekin,1 C Epot,1 . Mit der Definition der mM D 7;35 1022 kg.
potenziellen Energie nach (2.141) ergibt sich
Ü 2-43 Ein künstlicher Satellit läuft in einer
1 mS mE Flughöhe h D 1000 km auf einer Kreisbahn um
2
mS vk2 G D0 oder
2 rE die Erde (Erdradius rE D 6371 km). a) Wie groß
s
GmE p km ist die Bahngeschwindigkeit v des Satelliten? b)
vk2 D 2 D 2vk1 D 11;2 : Wie groß ist seine Umlaufzeit T ? c) Welche spe-
rE s
zifische Arbeit w (auf die Masse m D 1 kg
bezogen) ist aufzuwenden, um den Satelliten in
Beispiel 2.10-2
diese Bahn zu bringen? d) Welcher Anteil f die-
Wie groß ist die Fluchtgeschwindigkeit, um
ser spezifischen Arbeit entspricht der kinetischen
den Mond zu verlassen? Die Mondmasse ist
Energie des Satelliten?
mM D 7;35 1022 kg, der Mondradius ist rM D
1738 km.
Ü 2-44 Ein Meteor kommt ohne Anfangsge-
Lösung
schwindigkeit in den Anziehungsbereich der
Die Fluchtgeschwindigkeit ist nach obiger Sonne und fällt auf diese zu. Wie groß ist die Ge-
Gleichung schwindigkeit des Meteors, wenn er
s
a) sich im Bahnabstand der Erde von der Sonne
GmM km
vk2 D 2 D 2;38 : befindet?
rM s
b) an einem Ort mit halbem Erdbahnradius ist?
c) an der Sonnenoberfläche unverglüht ankäme?
Massereiche Sterne können am Ende ih-
rer Entwicklungsgeschichte kollabieren und zu
(Sonnenmasse mS D 2 1030 kg; Sonnenradius
einem schwarzen Loch werden. Sie besitzen
rS D 696:000 km; Erdbahnradius rSE D 150
ein derart starkes Gravitationsfeld, dass nicht
106 km.)
einmal Licht (Photonen) aus Bereichen inner-
halb eines kritischen Radius, des so genann-
Ü 2-45 Der mittlere Abstand des Jupiter-
ten Schwarzschild-Radius (K ARL S CHWARZ -
Mondes Jo vom Planeten Jupiter beträgt 4;216
SCHILD, 1873 bis 1916) entweichen kann. Die
105 km; seine Umlaufzeit ist T D 1 d 18 h
Größe dieses Ereignishorizonts findet man, in-
27 min. Berechnen Sie aus diesen Angaben die
dem für die Fluchtgeschwindigkeit die Lichtge-
Masse mJ des Planeten Jupiter.
schwindigkeit c gesetzt wird:
2Gm
rS D : 2.11 Mechanik deformierbarer fester
c2
Körper – Elastomechanik
D
dFn
; l l0 l
dA
(2.146) "D D : (2.148)
l0 l0
dFt
D : (2.147) Dabei bleiben die rechten Winkel am Körperele-
dA
ment erhalten. Mit Schiebung oder Scherung wird
In einem würfelförmigen Körperelement lässt eine Winkeländerung bezeichnet:
sich, wie Abb. 2.79 zeigt, der Spannungszustand
vollständig beschreiben durch Schiebung D Winkeländerung : (2.149)
94 2 Mechanik
In diesem Fall bleiben die Kantenlängen l0 des 1781 bis 1840) bezeichnet. Ihr Wert ist immer
Körperelementes gleich, und es ergibt sich ein positiv, aber kleiner als 0,5. Das Minuszeichen
Abweichungswinkel vom rechten Winkel (aus- in (2.153) kennzeichnet die Gegenläufigkeit von
gedrückt im Bogenmaß). Längenänderung und Dickenänderung. Die bei
In der Praxis werden üblicherweise vier Ver- der Querkontraktion auftretende Volumendiffe-
formungsarten unterschieden. Abb. 2.80 zeigt die renz V errechnet sich für einen achsensym-
Unterschiede, Kenngrößen und Gesetzmäßigkei- metrischen, prismatischen Stab aus der Differenz
ten. zwischen dem Volumen nach der Verformung V 0
und dem ursprünglichen Volumen V0 zu
Dehnung
Im elastischen Bereich ist die Längenände- V D V 0 V0 D .d C d /2 .l C l/ d 2 l:
rung l proportional zur Normalkraft Fn . Mit der
Definition der Dehnung " als relative Längenän- Die Summenglieder höherer Ordnung sind ge-
derung " D l= l (2.148) und (2.146) für die genüber den Gliedern erster Ordnung vernachläs-
Zug- bzw. Druckspannung D dFn =dA ergibt sigbar. Somit ergibt sich
sich das Hooke’sche Gesetz (R. H OOKE, 1635 bis
1703) für die elastische Verformung: V D d 2 l C 2d ld:
Der Proportionalitätsfaktor wird als Quer- die erforderliche Druckänderung bezogen auf die
dehnungszahl oder Poissonzahl (S. D. P OISSON, relative Volumenänderung; er ist immer positiv.
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 95
1 G.
; t/ D (2.160)
~D V D : (2.158) d
p K
das Verhältnis der Schubspannung zum Scher-
Beispiel 2.11-1 winkel.
Ein Draht aus Federstahl (E D 2105 N=mm2 ) Zwischen Elastizitätsmodul E, Querdeh-
hat einen Durchmesser d D 1;5 mm und ist nungszahl und Schubmodul G besteht der
l D 3 m lang. Er wird um 5 mm verlängert. Zu Zusammenhang
berechnen sind die Dehnung ", die Zugspan-
nung z und die Zugkraft Fz . E
GD : (2.161)
2.1 C /
Lösung
Durch Umformen ergibt sich E=2G D 1 C .
Für die Dehnung gilt " D l= l D 1;67
Da zwischen 0 und 0;5 liegt, ergibt sich für den
103 D 0;17 %. Die Zugspannung ist z D
Schubmodul ein Bereich von
E " D 333 N=mm2 , und die Zugkraft beträgt
Fz D z A D 333;33 4 d D 589 N.
2
E E
<G< : (2.162)
3 2
Scherung
Wirken Querkräfte Ft parallel zur Oberfläche auf Diese Beziehungen gelten nur für isotrope Werk-
einen Körper, dann erfährt dieser eine Scherung stoffe. Konstruktionswerkstoffe sind meist qua-
um den Scherwinkel (Abb. 2.80). Diese Bean- siisotrope Werkstoffe. Für anisotrope Einkristal-
spruchungsart ruft also eine Gestaltsänderung des le müssen dagegen die Richtungsabhängigkeiten
Körpers hervor. Zwischen der Schubspannung der Kenngrößen berücksichtigt werden.
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 97
Die in diesem Abschnitt aufgezeigten Zu- kreise. Wenn jedoch in allen Ebenen x, y und z
sammenhänge zwischen Normalspannungen von null verschiedene Schubspannungen auftre-
und Dehnungen " bzw. Schubspannungen
und ten, dann versagt diese Methode. Die gesuchten
Schiebungen gestatten die allgemeine Formu- Hauptspannungen müssen dann durch aufwändi-
lierung des Hooke’schen Gesetzes für alle drei gere mathematische Verfahren errechnet werden.
Raumrichtungen. Alle möglichen Belastungsfälle Um die Gleichung für den Mohr’schen Span-
können hieraus errechnet werden. Tab. 2.9 ver- nungskreis aufzustellen, wird ein Bauteil mit
mittelt eine Übersicht. einer Zugkraft Fx beansprucht. Deshalb ist die
Normalspannung x bereits Hauptspannung, wie
Elementare Belastungsfälle Abb. 2.82 zeigt. Wird eine Ebene AC betrach-
Abb. 2.81 zeigt die vier elementaren Belastungs- tet, die um den Winkel ' verdreht ist, dann kann
fälle Zug bzw. Druck, Scherung, Biegung und die Zugkraft Fx in eine Komponente Fn senk-
Torsion, ihre zugehörigen Normal- und Schub- recht zur Ebene AC und in eine Komponente Ft
spannungen, Dehnungen und Schiebungen sowie tangential dazu zerlegt werden. Es gelten Fn D
einige Beispiele. Daraus ist ersichtlich, dass bei Fx cos ' und Ft D Fx sin '. Damit ergeben sich
reinem Zug bzw. Druck sowie reiner Biegung für die bezüglich der Ebene AC D A= cos '
keine Schubspannungen und Schiebungen vor- wirkende Normalspannung ' bzw. die Schub-
handen sind, während bei reiner Scherung bzw. spannung
'
Torsion keine Normalspannungen und Dehnun-
gen auftreten. In der Praxis treten diese vier ele- Fn F
' D C D cos2 ' D x cos2 ' (2.163)
mentaren Belastungsfälle kombiniert auf. Dann A A
können sie unter Verwendung von Tab. 2.9 und
oder
Abb. 2.81 ermittelt werden.
x
' D .1 C cos.2'// (2.164)
Hauptspannungen 2
Als Hauptspannungen werden die Normalspan-
und
nungen bezeichnet, für die keine Schubspan-
nungen auftreten. Die Hauptspannungsrichtung Ft F x
nennt man Hauptachse. Ein Spannungszustand
' D C D sin ' cos ' D sin.2'/:
A A 2
ist demnach vollständig beschrieben, wenn al- (2.165)
le drei Hauptspannungen 1 , 2 , 3 und deren In dem skizzierten Fall gilt für die Hauptspan-
Hauptachsen bekannt sind. Häufig treten Bean- nungsrichtung
' D 0, weil ' D 0 ist.
spruchungen an Bauteiloberflächen auf, in denen Die maximale Schubspannung
max tritt für
die Hauptachsen 1, 2 und 3 mit den Koordina- sin.2'/ D 1 auf. Aus dieser Bedingung folgt
tenachsen x, y und z zusammenfallen. Für diese 2' D 90ı oder ' D 45ı . Für diesen Win-
Fälle lassen sich die gesuchten Hauptspannun- kel wird nach (2.165) die maximale Schubspan-
gen durch ein grafisches Verfahren nach Mohr nung
max D x =2. Die zugehörige Normal-
(C. O. M OHR, 1835 bis 1918) ermitteln. Es erge- spannung beträgt ebenfalls D x =2. Werden
ben sich drei Kreise, die Mohr’schen Spannungs- aus (2.164) und (2.165) unter Berücksichtigung
98
z D 15 N=mm2 ;
zx D 0;
zy D 0:
Lösung
Zur Lösung wird das grafische Verfahren
nach Mohr angewandt. Die Mohr’schen Span-
nungskreise werden gemäß Abb. 2.83 konstru-
iert.
a b
Abb. 2.87 Spannungs-Dehnungs-Verläufe bei Zugversuchen mit a stetigem Übergang vom elastischen in den plasti-
schen Bereich und b unstetigem Übergang
der Übergang vom elastischen in den plastischen ableiten. Er ist die Steigung der Spannungs-
Bereich monoton oder nicht monoton. Erfolgt Dehnungs-Kurve im Ursprung. In Abb. 2.85 ist
der Übergang stetig (Abb. 2.87a), dann wird als E D 2105 N=mm2 . Eine weitere Werkstoffkenn-
Dehngrenze Rp diejenige Spannung herangezo- größe ist die Bruchdehnung "B , also die Dehnung
gen, die zu einer bestimmten plastischen (blei- im Bruchpunkt B. In Abb. 2.85 ist "B D 6 %.
benden) Dehnung "r geführt hat. Üblich ist die Die plastische Verformung hinterlässt keine
0,2 %-Dehngrenze Rp0;2 . Eine Parallele zur Hoo- Volumenänderung (V D 0). Dies bedeutet, dass
ke’schen Geraden (gestrichelte Linie) schneidet die Querdehnungszahl nach (2.155) D 0;5 be-
die Spannungs-Dehnungs-Kurve im Punkt mit trägt. Für diese reinen Gestaltsänderungen sind
der Ordinate Rp0;2 . In Abb. 2.85 ist Rp0;2 D also nur Schubspannungen verantwortlich. Sie
1080 N=mm2. bringen ganze Kristallebenen entlang bestimmter
Die Spannung, die zur Höchstzugkraft ge- Gitterbaufehler (Versetzungen, Abschn. 9.1.3.2)
hört, ist die Zugfestigkeit Rm . In Abb. 2.85 ist zum Abgleiten, ohne dass sich das Kristallgitter
Rm D 1275 N=mm2 . Die Zugfestigkeit reiner geändert hat. Die aus den Zugversuchen errech-
Metalle beträgt Rm D 10 bis Rm D 20 N=mm2 neten Materialkennwerte müssen unter gleichen
(z. B. Blei), diejenige hochfester Stähle Rm D Versuchsbedingungen (DIN EN 10 002) stattfin-
2500 bis Rm D 4500 N=mm2. Die sehr häufig den. Hierzu zählen die Versuchstemperatur (z. B.
im Maschinenbau eingesetzten Bau- und Vergü- 18 ı C bis 25 ı C) und die im Zugversuch ge-
tungsstähle haben eine Zugfestigkeit zwischen fahrene Zuggeschwindigkeit zwischen den Span-
Rm D 400 N=mm2 und Rm D 1200 N=mm2 . nungswerten 10 N=mm2 und 30 N=mm2 .
Bleibt bei zunehmender Dehnung die Zugkraft
erstmalig gleich oder fällt sie ab, dann ist die
Streckgrenze erreicht. 2.11.3 Härte fester Körper
Beim nicht monotonen Übergang vom elasti-
schen in den plastischen Bereich wird eine obere Die Härte eines Stoffs ist der Widerstand gegen
Streckgrenze ReH und eine untere Streckgrenze das Eindringen eines anderen Körpers. Am häu-
ReL unterschieden (Abb. 2.87b). figsten werden in der Materialprüfung zur Här-
Aus der Spannungs-Dehnungs-Kurve lässt tebestimmung metallischer Werkstoffe statische
sich auch der Elastizitätsmodul E nach (2.151) Eindring-Härteprüfverfahren eingesetzt. Dabei
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 103
drückt man einen Probekörper mit einer Prüfkraft tigkeit Rm für Stahl aus der Vickers-Härte nach
F stoßfrei in einer bestimmten Zeit in das zu der Beziehung Rm 3;38 HV als ersten Anhalts-
prüfende Material und misst den Eindruck oder punkt abschätzen.
bestimmt die Eindringtiefe. In Abb. 2.88 sind die
drei wichtigsten Verfahren, das Rockwell-Verfahren (HR)
nach DIN EN 50 103
Brinell-Verfahren, Hierbei wird die Härte aus der Eindringtiefe eines
Vickers-Verfahren und Probekörpers direkt ermittelt. Eine Prüfvorkraft
Rockwell-Verfahren F0 (98 N) stellt einen sicheren Kontakt zum Prüf-
ling her und erzeugt die Eindringtiefe s0 , die die
vergleichend gegenübergestellt und das Mess- Bezugsskala darstellt. Durch mindestens viermal
prinzip, die Auswertungsformeln und die An- so große Prüfkräfte wird die Eindringtiefe sh be-
wendungsgebiete aufgezeigt. Wichtig ist die An- stimmt, aus der an einer Skala der Härtewert
gabe der Prüfbedingungen beim Dokumentieren direkt abgelesen werden kann.
der Härtegrade. In der Praxis werden zwei Varianten eingesetzt,
das Rockwell-B-Verfahren (HRB) und das Rock-
Brinell-Verfahren (HB) nach DIN EN 50 351 well-C-Verfahren (HRC). Beide Verfahren benut-
Hierbei wird eine Kugel aus gehärtetem Stahl zen die Prüfvorkraft F0 D 98 N und legen den
oder Hartmetall mit einer Prüfkraft F in die Härtemaßstab auf 2 m je Härteeinheit fest. Der
Oberfläche des zu prüfenden Werkstoffs gedrückt große Vorteil bei der Härtemessung nach Rock-
und der Durchmesser d der Eindrückkalotte ge- well ist die Automatisierbarkeit der Methode. Ein
messen. Der Quotient aus Prüfkraft F und einge- Nachteil ist die im Vergleich zum Brinell- und
drückter Oberfläche A ist der Brinell-Härtewert Vickers-Verfahren geringere Messgenauigkeit.
HB. Er wird nach (1) in Abb. 2.88 errechnet. Obwohl die Härtewerte nach Brinell, Vickers
Der Faktor 0;102 rechnet die SI-Krafteinheit N und Rockwell auf unterschiedliche Weise ermit-
in kp um (1 N ¶ 0;102 kp). Durch diesen Kunst- telt werden, können die Härtegrade innerhalb be-
griff bleiben die alten Härtewerte unverändert. stimmter Bereiche ineinander umgerechnet wer-
Letztendlich bedeutet dies jedoch, dass unver- den. Die Vickers-Härte ist der Bezugsmaßstab,
ständlicherweise die Einheit kp=mm2 künstlich weil diese Methode das ganze Härtespektrum von
beibehalten wird. In Abb. 2.88 sind die Prüfbe- weich bis extrem hart überdeckt. Die Härtever-
dingungen angegeben. Dieses Härteprüfverfah- gleichstabellen sind in DIN 50 150 genormt.
ren wird nur für weiche Werkstoffe angewandt.
gilt
V V
% D m 2
D %
V V
und damit
%
D ~p: (2.171)
%
Die Kompressibilität der Flüssigkeiten ist im
Vergleich zu den Werten bei Gasen sehr klein.
Abb. 2.90 Zur Definition des Drucks Die Eigenschaft von Flüssigkeiten, leicht ver-
schiebbar und näherungsweise inkompressibel zu
sein, wird in der Technik zur räumlichen Kraft-
verfolgung bei schnell wechselnden Druckvertei- übertragung ausgenützt (Hydraulik). Abb. 2.92
lungen hoher Frequenzen eingesetzt. Sie haben zeigt als Anwendung dieses Effekts die hydrau-
den Vorteil, dass ihre elektrischen Ausgangssi- lische Presse. Diese hat zwei bewegliche Kol-
gnale direkt zur Steuerung und Regelung wei- ben mit unterschiedlichen Querschnittsflächen
terverarbeitet werden können. Bei der Auswahl A1 und A2 . Die Rückschlagventile ermöglichen
eines geeigneten Manometers sind vor allem fol- wiederholte Pumpstöße auf den Presskolben:
gende Punkte zu berücksichtigen: Durch Öffnen des Absperrventils kann der Press-
kolben wieder zurückgefahren werden. Wird der
Aggregatszustand des Messstoffs, Pumpenkolben durch eine Kraft F1 reibungsfrei
Druck, Temperatur und weitere Stoffeigen- um die Wegstrecke s1 verschoben, so drückt das
schaften des Messstoffs sowie verschobene Volumen den Presskolben mit einer
Beeinflussung des Zeitverhaltens der Messein- Kraft F2 um die Wegstrecke s2 nach oben. Wegen
richtung durch die Messanordnung. der Gleichheit des Volumens (Inkompressibilität
der Flüssigkeiten) gilt A1 s1 D A2 s2 .
Empfehlungen für eine messtechnisch sinnvol- Ferner muss die am Pumpenkolben aufge-
le Druckbestimmung sind in der VDI/VDE- wandte Arbeit W1 D F1 s1 gleich der am Press-
Richtlinie 3512, Blatt 3 (Messanordnungen für kolben frei werdenden Arbeit W2 D F2 s2 sein.
Druckmessungen) enthalten. Es gilt F1 s1 D F2 s2 . Durch Division erhält man
2.12.1.2 Kompressibilität F1 F2
D oder p1 D p2 D p:
Druckerhöhungen bewirken bei Flüssigkeiten A1 A2
und Gasen eine Volumenabnahme. Näherungs-
weise ist die relative Volumenänderung V =V Für die Kraft F2 am Presskolben folgt
proportional zur Druckänderung p:
A2
F2 D F1 :
V A1
D ~p: (2.170)
V
Dies bedeutet, dass die Kraft F2 im Presskol-
Die Kompressibilität mit der Maßeinheit Pa1 ben um das Verhältnis A2 W A1 größer ist als die
ist die Proportionalitätskonstante; das Minuszei- Pumpkraft F1 . Für kreisförmige Kolben mit den
chen kennzeichnet die gegenläufigen Änderun- Durchmessern d1 und d2 ergibt sich
gen von Volumen und Druck. Wegen der Vo-
lumenänderung erfolgt auch eine Änderung der F1 A1 d2
D D 12 : (2.172)
Dichte % D m=V der Flüssigkeiten und Gase. Es F2 A2 d2
108
V D V0 C V D V0 .1 C #/
m %0
%D D : (2.175)
V 1 C #
2.12.1.4 Schweredruck
Durch die Gewichtskraft der Moleküle wird in
tieferen Schichten von Flüssigkeiten und Ga-
sen die Kraft auf die Begrenzungsfläche des
Flüssigkeits- oder Gasvolumens erhöht. In größe-
ren Tiefen ist der Druck in der Flüssigkeit oder
im Gas um den Schweredruck erhöht. Die Druck-
Abb. 2.95 Seitendruck in einer Flüssigkeit
erhöhung dp bei einer kleinen Zunahme dy der
Tiefe der Flüssigkeits- oder Gassäule beträgt
Die Summe von äußerem Druck pa und
dp D %gdy: (2.176)
Schweredruck py wird hydrostatischer Druck
phydr genannt. Die Abhängigkeit des hydrostati-
% ist die Dichte der Flüssigkeits- oder Gasschicht
schen Drucks von der Tiefe y (Abb. 2.94) ergibt
in der Tiefe y.
sich aus
phydr D pa C %gy: (2.178)
Schweredruck in Flüssigkeiten
Wegen der Schwerkraft wirkt auf eine Fläche Wie (2.178) zeigt, kann zur Druckmessung die
zusätzlich zu einem äußeren Druck pa die Ge- Höhe einer Flüssigkeitssäule verwendet werden
wichtskraft FG der über dieser Fläche liegenden (Flüssigkeitsmanometer). Der Schweredruck von
Flüssigkeitssäule, wie Abb. 2.94 zeigt. Diese Ge- 10 m Wasser beträgt nach (2.177) etwa 1 bar D
wichtskraft beträgt FG D mg D %Ayg. Für den 105 Pa.
Flüssigkeitsdruck am Ende der Säule ergibt sich Der Schweredruck auf eine seitliche Fläche As
durch Integration von (2.176) wird Seitendruck genannt. Da der Schweredruck
proportional zur Tiefe y zunimmt, greift die
py0 D %gy0 : (2.177) resultierende Kraft Fs nicht im Flächenschwer-
punkt S, sondern in einem tiefer gelegenen Punkt,
Dies bedeutet, dass der Schweredruck von Flüs- dem Druckmittelpunkt S0 an, wie Abb. 2.95 ver-
sigkeiten lediglich von der Füllhöhe, nicht aber deutlicht. Zur Berechnung der seitlich wirkenden
von der Form des Gefäßes abhängt. Man spricht Kraft wird die Fläche in Teilflächenstücke dA
hierbei vom hydrostatischen Paradoxon. unterteilt. Die Seitenkraft dFs innerhalb einer
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 111
mit mverd bzw. FG;verd als der Masse bzw. der In Flüssigkeiten verschiedener Dichten taucht ein
Gewichtskraft des verdrängten Flüssigkeits- oder schwimmender Körper unterschiedlich tief ein.
Gasvolumens. Die Auftriebskraft FA ist dem- Aus der Bestimmung der Senktiefe wird durch
nach gleich der Gewichtskraft des verdrängten Benutzung von Senkwaagen oder Aräometern in
Flüssigkeits- bzw. Gasvolumens. Sie hängt nur der Praxis häufig die Dichte von Flüssigkeiten er-
vom Volumen des eingetauchten Körpers bzw. mittelt.
von der verdrängten Flüssigkeitsmenge, nicht Bei einem schwimmenden Körper können
aber von seinem Gewicht ab. Bei gleichem Ein- sich Stabilitätsprobleme ergeben, wie Abb. 2.98
tauchvolumen erfährt also ein Stück Holz diesel- zeigt. Die Gewichtskraft FG greift im Schwer-
be Auftriebskraft wie ein Stück Blei. punkt des Körpers SK und die Auftriebskraft FA
Je nach dem Gewicht FG des eingetauchten im Schwerpunkt SFl an. Im Gleichgewichtszu-
Körpers sind drei Fälle zu unterscheiden: stand fallen die Wirkungslinien der beiden Kräfte
zusammen, sodass kein Drehmoment M wirk-
FG < FA : Der Körper schwimmt. sam werden kann. Wird der Körper gedreht, so
FG D FA : Der Körper schwebt. gibt es einen Schnittpunkt zwischen der Symme-
FG > FA : Der Körper sinkt. trielinie des Körpers und der Auftriebskraft FA .
Er wird Metazentrum M genannt. Der Abstand
Durch die Wirkung ihrer Auftriebskraft können zwischen den beiden Schwerpunkten SK und Sfl
die Dichten von festen Körpern und Flüssigkeiten ist der Ortsvektor r. Liegt das Metazentrum M
bestimmt werden. Dabei ist es erforderlich, dass über dem Körperschwerpunkt SK , dann wird der
die Gewichtskräfte des festen Körpers in Luft Körper vom Drehmoment M D r FA in die
(FG;L ) und nach dem Eintauchen in eine Flüs- Gleichgewichtslage zurückgedreht (stabile Lage,
sigkeit (FG;E ) gemessen werden, z. B. durch eine Abb. 2.98b). Befindet sich das Metazentrum M
hydrostatische Waage. Der Gewichtsunterschied unterhalb des Körperschwerpunktes SK , so kippt
FG;L FG;E ist gleich der Auftriebskraft: der Körper wegen des Momentes M D r FA
um (instabile Lage, Abb. 2.98c).
FG;L FG;E D FA D %fl Vg:
2.12.1.6 Grenzflächeneffekte
Wird für das Volumen des festen Körpers V D Kräfte, die zwischen gleichartigen Atomen oder
m=%K gesetzt und das Gewicht des festen Kör- Molekülen eines Stoffes wirken, werden Kohä-
pers durch FG;L D mg ausgedrückt, ergibt sich sionskräfte (Zusammenhangskräfte) genannt. Sie
sind elektrischen Ursprungs und werden auch van
m %fl
FG;L FG;E D %fl g D FG;L : (2.187) der Waals’sche Kräfte genannt (Abschn. 9.1.1.1).
%K %K
Kohäsionskräfte treten in festen Körpern und
Bei bekannter Dichte %fl der Flüssigkeit lässt sich Flüssigkeiten auf. Bei Gasen ist ihre Wirkung
die Dichte %K des festen Körpers berechnen: erst kurz oberhalb der Siedepunkte feststellbar;
die Kohäsionskräfte verursachen die Abweichun-
FG;L %fl gen vom idealen Gasverhalten und den Übergang
%K D %fl D : (2.188) zum realen Gas (Abschn. 3.4). Die Kohäsions-
FG;L FG;E FG;E
1 kräfte sind allgemein wesentlich stärker als die
FG;L
Gravitationskräfte.
Ist dagegen die Dichte des festen Körpers be- Wirken zwischen den Molekülen zweier ver-
kannt, so ergibt sich die Dichte der Flüssigkeit schiedener Stoffe Anziehungskräfte, so werden
gemäß sie Adhäsionskräfte (Anhangskräfte) genannt. Sie
können zwischen festen Körpern, festen Körpern
FG;E und Flüssigkeiten sowie zwischen festen Körpern
%fl D %K 1 : (2.189)
FG;L und Gasen (Adsorption) wirken.
114 2 Mechanik
a b c
dW
D : (2.190)
dA
Abb. 2.99 Kohäsionskräfte in Flüssigkeiten Die Einheit ist 1 J=m2 D 1 kg=s2 D 1 N=m.
Da ein System immer den Zustand kleinst-
möglicher potenzieller Energie einnimmt, sind
Oberflächenspannung Flüssigkeitsoberflächen stets Minimalflächen;
Die zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit z. B. besitzt die Kugel die kleinste Oberfläche
wirkenden Kohäsionskräfte heben sich im Innern unter allen Körpern gleichen Volumens.
der Flüssigkeit auf, da jedes Molekül allseitig Die Oberflächenspannung wird häufig mit ei-
von gleichartigen Molekülen umgeben ist, wie nem beweglichen Bügel nach Abb. 2.100 ge-
Abb. 2.99 zeigt. An der Oberfläche fehlen die messen. Ein Drahtbügel der Länge l wird in
nach außen gerichteten Kräfte. Deshalb entsteht die Flüssigkeit getaucht und mit einer Kraft F
eine resultierende Kraft Fres ins Innere der Flüs- herausgezogen. Dabei bildet sich zwischen den
sigkeit. Um Moleküle gegen diese Kraft an die Eckpunkten ABCD eine dünne Flüssigkeitshaut.
Oberfläche zu bringen, muss die Arbeit W ver- Werden die Kraft F , bei der die Flüssigkeitshaut
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 115
zwischen gasförmiger (1) und flüssiger (2) und Benetzungsvorgänge sind beispielsweise wichtig
23 zwischen flüssiger (2) und fester Phase (3).
für die Wirksamkeit von Waschmitteln, Herstel-
Der Winkel zwischen der festen Phase und der lung von Emulsionen oder bei der Schwimmauf-
Flüssigkeitsoberfläche ist ˛. Wie aus Abb. 2.101
bereitung von Erzen. Benetzungserscheinungen
hervorgeht, müssen die waagrechten Spannungs- spielen auch eine Rolle, wenn enge Röhrchen
komponenten gleich groß sein, damit sich die (Kapillaren) in Flüssigkeiten getaucht werden.
Flüssigkeit nicht verschiebt: Wie Abb. 2.101 zeigt, tritt der Fall ein, dass in
der Kapillare die Flüssigkeit um die Höhe h hö-
13 D 23 C 12 cos ˛ oder her (Kapillaraszension oder kapillare Hebung)
12 cos ˛ D 13 23 : (2.193) oder tiefer steht (Kapillardepression oder kapil-
lare Senkung). Diese Erscheinung wird allgemein
Hinsichtlich der Benetzung gilt: Kapillarität genannt.
Im Folgenden ist die Kapillaraszension (kapil-
0 5 ˛ 5 =2: vollkommene Benetzung (z. B. lare Hebung) von Interesse. Die von der Ober-
Wasser/Glas ˛ 0ı ). flächenspannung herrührende Kraft F und
=2 < ˛ 5 : keine Benetzung (z. B. Quecksil- die Gewichtskraft der angehobenen Flüssigkeits-
ber/Glas ˛ D 140ı ). säule FG müssen gleich groß sein: F D FG .
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 117
Abb. 2.103 Vergleich der Felder in der Hydrodynamik mit den Feldern in der Wärmelehre und in der Elektrizitätslehre
119
120 2 Mechanik
Kontinuitätsgleichung (Durchflussgleichung)
Für den Vektor der Massenstromdichte gilt nach
Abb. 2.103
Abb. 2.104 Elektrolytischer Trog (schematisch) j D %v: (2.196)
Im allgemeinen Fall wird weder die Strömungs-
geschwindigkeit v konstant sein (keine paralle-
le Stromlinien), noch die Fläche A senkrecht
durchströmt werden, wie aus Abb. 2.106 hervor-
geht. Der Anteil des Massenstroms dm,P der ein
kleines Flächenelement dA durchströmt, beträgt
(mit dem Winkel ˛ zwischen dem Strömungsge-
schwindigkeitsvektor v und dem Vektor dA des
Flächenelements, der senkrecht auf der Fläche
dA steht)
P D
m D j dA D %vdA: (2.198) 2
dt 1
O O %V v22 C %Vgh2 :
2
Drei Fälle treten auf:
Mit W D p2 V p1 V folgt daraus
Quelle: Das Integral ist > 0; 1 1
Senke: Das Integral ist < 0 und p1 C %v12 C%gh1 D p2 C %v22 C%gh2 (2.201)
2 2
Quellenfreiheit: Das Integral ist D 0.
oder allgemein
Quellen- bzw. Senkenfreiheit bedeutet, dass der 1 2
Massenstrom durch ein Volumenelement kon- p C %v C %gh
„ƒ‚… 2
„ƒ‚… „ƒ‚…
stant bleibt. Für eine solche stationäre Strömung
statischer dynamischer geodätischer
existiert eine Kontinuitätsgleichung; sie ergibt Druck Druck Druck
(Staudruck)
sich aus (2.198) für dm=dt D konstant durch In-
tegration zu D pges D konstant: (2.202)
Während der geodätische Druck %gh und Die Drucksonde misst durch radiale Öff-
der Betriebsdruck p bereits aus der Mecha- nungen im Mantel der Sonde (parallel zu den
nik der ruhenden Flüssigkeiten und Gase be- Stromlinien) den statischen Druck pstat . Bei den
kannt sind (hydrostatischer Druck, (2.178) in Drucksonden wird meist ein piezoelektrischer
Abschn. 2.12.1.4), tritt der dynamische Druck Drucksensor eingesetzt. Den statischen Druck
(Staudruck) nur in strömenden Medien auf. pstat und den Staudruck pdyn misst das Pitot-
Rohr (H. P ITOT, 1695 bis 1771), das eine
Anwendungen der Kontinuitäts- und der axiale Bohrung hat. Das Prandtl’sche Staurohr
Bernoulli-Gleichung (L. P RANDTL, 1875 bis 1953) ist eine Kombinati-
on von Drucksonde und Pitot-Rohr. Es misst den
Druck- und Volumenstrommessung Differenzdruck zwischen Gesamtdruck und stati-
Abb. 2.109 zeigt die Wirkungsweise von Druck- schem Druck, d. h. den dynamischen Druck bzw.
messern, deren Messgrößen sowie die Berech- den Staudruck pdyn direkt. Sind Druck und Dich-
nungsgleichungen. te konstant, dann eignet sich das Prandtl’sche
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 123
dyn
dyn
= pstat + pdyn
Beispiel 2.12-3
In einer Stahlflasche befindet sich Gas unter
dem Druck pGas . Der äußere Druck beträgt
p0 . Wie groß ist die Ausströmgeschwindigkeit
vaus beim Öffnen des Ventils?
Lösung
Abb. 2.115 Hydrodynamisches Paradoxon Nach der Bernoulli-Gleichung (2.202) gilt im
vorliegenden Fall pGas D %vaus 2
=2 C p0 . Dar-
aus ergibt sich das Ausströmgesetz nach Bun-
gemäß Abb. 2.115 gegen eine bewegliche sen:
Platte gerichtet ist, drückt diese nicht weg, s
sondern zieht sie an. Der statische Druck pstat 2.pGas p0 /
vaus D : (2.212)
nimmt an der Plattenoberfläche ab, sodass der %
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 127
Strömungsimpuls a b
Geschwindigkeitsänderungen strömender Medi-
en bewirken Impulsänderungen, die nach dem
Impulssatz (Abschn. 2.5.2.1) Kräfte ergeben. Sol-
che Kräfte treten in der Strömungslehre vor allem
beim Verzögern oder Beschleunigen der Medien
sowie beim Umlenken auf. Der Impulssatz wird
im Folgenden auf reibungsfreie, inkompressible
Medien und stationäre Strömungen beschränkt.
Der Vorteil bei der Anwendung des Impulssat-
zes ist, dass nur die Strömungsverhältnisse beim
Eintritt in und Austritt aus dem Strömungsraum
bekannt sein müssen, um die Kraftwirkungen zu
bestimmen, nicht aber die Strömungsvorgänge im Abb. 2.117 Zum Impulssatz in der Hydrodynamik: Was-
serstrahl aus einer Düse a auf eine feststehende Platte,
Inneren des Strömungsraumes. Der Impulssatz b auf eine mit der Geschwindigkeit u bewegte Platte
lautet nach (2.50)
X dp
Fa D : Abgrenzen des Systems (Strömungsraums)
dt
und Festlegen des Ein- und Austritts des Strö-
Darin ist der Impuls p D mv. Mit der Dichte mungsraums;
% D m=V kann für den Impuls in strömenden Ermitteln der Querschnitte, der Strömungs-
Medien geschrieben werden geschwindigkeiten und Drücke am Ein- und
Austritt;
p D %V v: (2.213) Bestimmen der äußeren Kräfte und der Im-
pulskräfte sowie
In inkompressiblen, stationären Strömungen sind Ermitteln der resultierenden Kraft (grafisch
Dichte und Geschwindigkeit konstant. Dann gilt und analytisch).
für die Impulsänderung
Der Impulssatz spielt bei Wasserkraftmaschinen
dp dV wegen der Strahlablenkung eine wichtige Rolle.
D %v : (2.214)
dt dt Ein Strahl, der aus einer Düse austritt, wird an ei-
ner Wand so umgelenkt, dass er parallel zur Wand
Der Impulssatz für einen beliebigen Strömungs- abströmt. Wird der Strahl wie in Abb. 2.117 senk-
raum lautet damit recht auf eine Platte gerichtet, so gilt für die
X X dV Kraft in x-Richtung Fx D %vdV =dt und wegen
Fa D %v : (2.215) dV =dt D Av
dt
P Fx D %v 2 A: (2.216)
Fa äußere Kräfte, die an den Grenzen des
Strömungsraums von außen angreifen Bewegt sich die Wand mit der Geschwindigkeit
(z. B. Druck- oder Schwerekräfte),
P dV u in Strahlrichtung, dann nimmt die Kraft ab
%v Impulskräfte, die an den Grenzen des (Abb. 2.117b):
dt
Strömungsraums nach außen wirken.
Fx D %A.v u/2 : (2.217)
Das Vorzeichen ist beim Eintritt in den Strö-
mungsraum positiv und beim Verlassen negativ. Je nach Form der Wand und Auftreffwinkel des
Bei der Anwendung des Impulssatzes ist folgen- Strahls ergeben sich unterschiedliche Kräfte bzw.
de Vorgehensweise zweckmäßig: Drehmomente.
128 2 Mechanik
a d 2
Druckkraft Fp1 D p1 A D p1 ,
4
dV
Impulskraft FI1 D %v D %Av 2 D
dt
d 2
%v 2 .
4
Kräfte am Austritt
2 (gegen die Strömungs-
richtung):
d 2
Druckkraft Fp2 D p2 A D p2 ;
4
d 2
Impulskraft FI2 D %v 2 :
4
Nach dem Kräftedreieck in Abb. 2.118b ist
˛ Fres 1
sin D 2
:
2 2 d d 2
%v 2 C p1
4 4
b
Daraus folgt
d 2 ˛
Fres D .p1 C %v 2 / sin : (2.218)
2 2
Man erhält mit v D 4VP =d 2 D 25;46 m=s,
% D 103 kg=m3 und ˛ D 90ı
dL D dmr v:
Lösung
Die Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt Mit der Umfangsgeschwindigkeit vu gilt für den
sind v1 D v2 D v. Betrag des Drehimpulses
Kräfte am Eintritt
1 (in Strömungsrich-
tung): dL D dmrvu :
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 129
dV
M D% .vu2 r2 vu1 r1 /: (2.220)
dt
Bei Pumpen ist das feststehende Leitrad dem
Laufrad zur Druckerhöhung nachgeschaltet. Des-
halb sind die Komponenten der Umfangsge-
schwindigkeiten vu2 kleiner als vu1 , sodass
nach (2.220) ein verzögerndes Moment auftritt.
In Abb. 2.121 sind die Strömungsverhältnis-
Abb. 2.119 Zum Drehimpulssatz se für radiale Laufräder in Turbinen und Pumpen
vergleichend gegenübergestellt. Hierin sind
Abb. 2.122 Zum Newton’schen Reibungsgesetz: a lineares Geschwindigkeitsgefälle, b Abgleiten der Flüssigkeits-
schichten
Laminare Rohrströmung
Bei einer laminaren Strömung durch ein Rohr
haftet die Flüssigkeit am Rand und bewegt sich
in der Mitte am schnellsten. Die Strömung kann
zusammengesetzt gedacht werden aus dünnen
Hohlzylindern, die reibungsbehaftet aneinander
vorbeigleiten. Abb. 2.123 zeigt die Geschwin-
digkeitsverteilung in einer Rohrströmung. Ein Abb. 2.123 Laminare Rohrströmung nach dem Hagen-
Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r gleitet Poiseuille’schen Gesetz
am angrenzenden Hohlzylinder (rot) ab. An der
Grenzfläche ist die Druckkraft Fp gleich der Rei-
Hagen-Poiseuille’sche Gesetz (G. H AGEN, 1797
bungskraft FR : Fp D FR . Aus
bis 1884; J. L. M. P OISEUILLE, 1799 bis 1869):
dv p1 p2 2
.p1 p2 / r 2 D A bzw: v.r/ D .R r 2 /: (2.230)
dr 4l
dv
.p1 p2 / r 2 D 2 rl
dr Gleichung (2.230) beschreibt einen parabelför-
migen Verlauf der Geschwindigkeit in Abhängig-
ergibt sich keit vom Radius. Der Massenstrom dm P errech-
net sich nach (2.198) aus dmP D %v.r/dA D
2l
rdr D dv: 2 %v.r/r dr. Wird v.r/ nach dem Hagen-
.p1 p2 / Poisseuille’schen Gesetz eingesetzt und inte-
griert, dann resultiert
Durch Integration wird daraus
ZR
4l dm % .p1 p2 / 2
r D
2
v C C: P D
m D .R r 2 /rdr
.p1 p2 / dt 2l
0
R4 .p1 p2 /
Wird diese Gleichung nach der Strömungsge- VP D : (2.232)
schwindigkeit v aufgelöst, so ergibt sich das 8l
134 2 Mechanik
.p1 p2 / l: (2.233)
folgen mit dem Kugelvolumen VK D 43 r 3 parallel verlaufen, ändern sich in der turbulenten
Strömung die Geschwindigkeitsvektoren ständig
2gr 2 .%K %Fl / nach Richtung und Größe. Streng genommen ist
vD und (2.236)
9 eine turbulente Strömung deshalb immer insta-
2gr 2 .%K %Fl / tionär. Als stationär wird sie angesehen, wenn die
D : (2.237) über den Querschnitt gemittelte Geschwindigkeit
9v
von der Zeit unabhängig ist.
Bernoulli-Gleichung bei Newton’scher Eine Wirbelbildung tritt auf, wenn sich die
Reibung Flüssigkeitsschichten ablösen. Die Entstehung
Die Reibungskraft verursacht in der Stromröhre von Wirbeln kann modellmäßig erklärt werden.
(Abb. 2.102) einen Druckverlust pV und vermin- Abb. 2.125a zeigt den reibungsfreien Idealfall.
dert dadurch die Druckdifferenz p1 p2 . Wird Während an den Punkten A und C die Strö-
die Bernoulli-Gleichung (2.201) um den Druck- mungsgeschwindigkeit v D 0 und deshalb nach
verlust erweitert, so ergibt sich der Bernoulli-Gleichung der statische Druck ma-
ximal ist, wird an den Punkten B und D die
%v12 %v 2 Geschwindigkeit am größten (v D vmax ) und des-
%gh1 C C p1 D %gh2 C 2 C p2 C pV :
2 2 halb der Druck am geringsten. Ohne Wirkung
(2.238) einer Reibungskraft werden die Flüssigkeitsteil-
chen von A nach B beschleunigt und durch die
In der Praxis wird der Druckverlust oft als Ver-
zunehmende Druckkraft von B nach C auf v D
lusthöhe hV angegeben:
0 wieder abgebremst; Entsprechendes gilt für
den Weg ADC. Unter der Wirkung von Rei-
pV D %ghV : (2.239)
bungskräften werden die Flüssigkeitsteilchen vor
dem Punkt C zur Ruhe kommen. Die Reibungs-
Die Verlusthöhe hV ist diejenige Höhe, um die
kraft wird sie zwingen, ihre Richtung zu ändern.
der Zufluss angehoben werden muss, um am Aus-
Dadurch treten Wirbel auf, die nach dem Dre-
fluss aus der Stromröhre denselben Druck wie im
himpulserhaltungssatz (Abschn. 2.8.4) paarweise
reibungsfreien Fall zu erzeugen.
auftreten (Abb. 2.125b).
Für die Verlusthöhe hV in geraden Rohrleitun-
Die Widerstandskraft FW setzt sich aus
gen mit konstantem Querschnitt gilt das Rohrwi-
zwei Anteilen zusammen. Dies verdeutlicht
derstandsgesetz
Abb. 2.126.
l v2
hV D : (2.240) Reibungswiderstandskraft FR (z. B. längs ei-
d 2g
ner überströmten Platte, Abb. 2.126a). Dies ist
Hierin sind die bei der Strömung wirkende Reibungskraft.
Nach einer bestimmten „Lauflänge“ entlang
l Länge der Rohrleitung, der Platte wird die Grenzschicht der Strö-
d Durchmesser des Rohres, mung turbulent. Der Umschlag in Turbulenz
v Strömungsgeschwindigkeit, hängt von der Form der Plattenvorderkante,
g D 9;81 m=s2 Fallbeschleunigung. aber auch von der Rauigkeit der Oberfläche ab.
Druckwiderstandskraft FD (z. B. quer ange-
Der dimensionslose Proportionalitätsfaktor ist strömte Platte, Abb. 2.126b). Beispielsweise
die Rohrreibungszahl. Sie ist stark abhängig von bilden sich auf der Rückseite einer quer ange-
der Oberflächenrauigkeit und der Reynoldszahl. strömten Platte Wirbel, in denen sich die Flüs-
sigkeitsteilchen sehr schnell bewegen. Nach
Umströmen von Körpern der Bernoulli-Gleichung hat dies einen ver-
Während bei der laminaren Strömung die Ge- minderten statischen Druck zur Folge. Da-
schwindigkeitsvektoren der Flüssigkeitsteilchen durch entsteht eine Druckdifferenz vor und
136 2 Mechanik
a b
hinter der Platte. Die dieser Druckdifferenz Sie nimmt quadratisch mit der Strömungsge-
entsprechende Kraft ist die Druckwiderstands- schwindigkeit zu.
kraft. Sie tritt auch bei Umlenkungen und Der Proportionalitätsfaktor cW in (2.242) ist
Querschnittsveränderungen auf. Sie ist pro- dimensionslos und wird Widerstandsbeiwert ge-
portional zum Staudruck und zur angeström- nannt. Man misst ihn experimentell im Wind-
ten Stirnfläche A, d. h. dem in Strömungsrich- kanal, und er ist nur bei Vernachlässigung der
tung wirkenden Profil: Reibungswiderstandskraft konstant, d. h. bei ho-
% hen Anströmgeschwindigkeiten. Abb. 2.127 zeigt
FD D cD v 2 A: (2.241) einen Pkw im Strömungskanal. In Abb. 2.128
2
sind einige Widerstandsbeiwerte cW für un-
cD ist der Druckwiderstandsbeiwert. Für den ge- terschiedliche Anströmgeometrien zusammenge-
samten Widerstand (Abb. 2.126c) ergibt sich die stellt. Ein Körper in Stromlinienform mit cW D
Widerstandskraft aus 0;055 zeigt den geringsten Widerstandsbeiwert.
% Diese Geometrie hat die Besonderheit, dass der
FW D FR C FD D cw Av 2 : (2.242)
2 Druckabfall entlang des Körpers so langsam
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 137
Abb. 2.127 PKW (Audi A6) mit dem Widerstandsbeiwert cW D 0;30 im Windkanal. Werkfoto: Audi
stattfindet, dass keine Wirbel auftreten können. nes umströmten Profils zeigt, bildet sich zunächst
In der Praxis würden bei Fahrzeugen dadurch al- eine laminare Grenzschicht aus. In diesem Be-
lerdings sehr lange Heckteile notwendig werden. reich werden die Teilchen beschleunigt. Bei der
Um sie zu verkürzen und trotzdem günstige cW - weiteren Strömung entlang der Platte nimmt der
Werte zu erreichen, wird das Strömungsprofil nur Strömungsdruck zu, sodass wegen der jetzt be-
schwach verjüngt und dann plötzlich senkrecht ginnenden Verzögerung der strömenden Teilchen
mit einer Abrisskante begrenzt. Die störende Rei- eine Wirbelbildung einsetzt. Es entsteht auf ei-
bungswirkung von Wirbeln kann auch dadurch ner laminaren Grenzschicht eine turbulente Strö-
gemildert werden, dass die Wirbel durch Schlitze mung.
an der Oberfläche abgesaugt werden. Die Leis- Der Begriff Grenzschicht wurde von
tung, die gegen eine turbulente Strömung aufge- L. P RANDTL (1875 bis 1957) in die Strömungs-
bracht werden muss, errechnet sich wegen P D lehre eingeführt. Die Grenzschichtdicke Dl der
F v zu laminaren Strömung nimmt mit p zunehmender
% Länge des Profils proportional zu l zu. Sie ist
P D cW Av 3 : (2.243) umso dünner, je kleiner die Viskosität ist. Die
2
Grenzschichtdicke Dl kann folgendermaßen ab-
Die Strömungsleistung nimmt also mit der dritten geschätzt werden:
Potenz der Anströmgeschwindigkeit zu. (Bei der Wird eine Platte der Fläche A und der Län-
Verdopplung der Anströmgeschwindigkeit z. B. ge l mit der konstanten Geschwindigkeit v durch
verachtfacht sich die Strömungsleistung.) eine Flüssigkeitsschicht gezogen, dann muss
Bei der Umströmung von Körpern bildet sich nach (2.225) die Reibungskraft
eine Grenzschicht D aus, innerhalb der die Strö-
mungsgeschwindigkeit von v D 0 auf den vollen v
FR D 2A
Wert ansteigt. Wie Abb. 2.129 am Beispiel ei- Dl
138 2 Mechanik
Ähnlichkeitsgesetze
Um Vorgänge der Strömungsmechanik im Labor-
maßstab studieren und um strömungsmechani-
sche Anlagen, z. B. Wasserkraftwerke, entwerfen
zu können, werden im verkleinerten Maßstab
Modelle angefertigt. Damit man richtige Aussa-
gen erhält, muss das Modell dem Original ähnlich
sein. Wie Abb. 2.130 zeigt, muss für strömungs-
mechanische Modelle Ähnlichkeit in zwei Berei-
chen vorliegen:
Abb. 2.129 Laminare und turbulente Grenzschichtbildung bei der Umströmung von Körpern
einen konstanten geometrischen Faktor verklei- Tab. 2.10 Kritische Reynoldszahl Rekrit sowie Rohrrei-
nert, dann entsteht eine entsprechende Geometrie bungszahl bzw. Widerstandsbeiwert cW (bei Re
Rekrit ) für verschiedene Strömungsgeometrien
für den Körper B.
Wegen der Kontinuitätsgleichung (2.199) blei- Rekrit I cW
64
ben die Geschwindigkeitsverhältnisse gleich, kreisrundes Rohr 2320 D
Re
wenn gilt: vA0 =vA D vB0 =vB . Damit ändern
24
sich auch die Verhältnisse der anderen Grö- Kugel 1;7 105 bis cW D
4 105 Re
ßen entsprechend, sodass für die Grenzschichtdi-
cken D und die charakteristischen Längen L gilt: 1;328
Platte 3;2 105 bis 106 cW D p
DA =DB D LA =LB . Mit (2.244) für die Grenz- (längs angeströmt) Re
schichtdicke D erhält man:
s
A LA %B vB LA Bei turbulenten Strömungen spielt die Ober-
D : (2.245) flächenrauigkeit k eine wichtige Rolle. Sie hängt
%A vA B LB LB
sehr von der Bearbeitung der Werkstückoberflä-
Daraus ergibt sich folgende Gleichung: che ab. Die Rauigkeitswerte dieser Oberflächen
werden ermittelt, indem man ihre Strömungs-
vA LA %A vB LB %B widerstände vergleicht mit denen, die künst-
D : lich erzeugte Sandrauigkeiten verursachen. In
A B
Abb. 2.132 ist für Rohre das Rohrreibungszahl-
Der Ausdruck vL%= ist die dimensionslose (), -Reynoldszahl-(Re)-Diagramm dargestellt.
Reynoldszahl Re. Es gilt also: Es ist doppeltlogarithmisch ausgeführt und zeigt
vier Bereiche:
vL% vL
Re D D : (2.246)
Laminarer Bereich (schräg abwärts geneigte
Gerade für D 64=Re; Re < 2320);
Hierbei ist v die Strömungsgeschwindigkeit und turbulenter Bereich (Re > 2320) und zwar für
L eine charakteristische Länge. Diese wird durch – hydraulisch glatte Rohre (k D 0; Kurve a;
den Versuchsaufbau bestimmt, mit dem die D f(Re)) und für
Reynoldszahl gemessen wird (z. B. ein Rohr- – hydraulisch raue Rohre (Bereich II; D
oder Kugeldurchmesser oder die Länge einer f.k=D// sowie das
Platte). ist die dynamische, die kinematische – Übergangsgebiet (Bereich I; D
Viskosität. Durch den Zusammenhang mit der f.Re; k=D//.
Viskosität ist die Reynoldszahl temperatur- und
bei Gasen auch druckabhängig. Der in der Praxis wichtige Bereich ist in
Bei einer laminaren Strömung ist Re < Rekrit Abb. 2.132 hervorgehoben. Tab. 2.11 zeigt den
mit Rekrit als der kritischen Reynoldszahl. Die Zusammenhang zwischen der Rohrreibungszahl
Strömung ist turbulent, wenn Re > Rekrit ist. bzw. dem Widerstandsbeiwert cW und der
Der Umschlag der beiden Zustände (bei Rekrit / ist Reynoldszahl Re für Rohre und Platten in diesen
nicht sprunghaft und hängt beispielsweise auch vier Strömungsgebieten.
von der Störfreiheit an der Einlaufstelle ab.
Tab. 2.10 zeigt die kritischen Reynoldszahlen Beispiel 2.12-7
und die Widerstandsbeiwerte für ein kreisrundes Das Modell eines Pkw wird im Maßstab 1:10
Rohr, eine Kugel und eine Platte im Laminar- im Windkanal erprobt. Berechnet werden soll
bereich. (Für ein kreisrundes Rohr wird statt cW die Anblasgeschwindigkeit v2 , wenn die Strö-
üblicherweise die Rohrreibungszahl verwendet, mungsverhältnisse des Fahrzeugs bei einer
s. (2.240).) Fahrtgeschwindigkeit v1 D 120 km=h un-
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 141
Tab. 2.11 Rohrreibungszahl und Widerstandsbeiwert cW für Rohre mit dem Durchmesser D und Platten mit der Länge l in Abhängigkeit von der Rauigkeit k und der
Reynoldszahl Re
laminare Grenzschicht turbulente Grenzschicht
hydraulisch glatt hydraulisch rau Übergangsgebiet
64
Rohre D (1) Blasius Nikuradse Colebrook
Re 0;3164 1 D 1 2;51 k
D p 4
(2) p D 2 lg C 1;14 (4) p D 2 lg p C 0;27 (5)
Re k Re D
.2320 < Re < 105 /
Prandtl/Karman p !
1 Re
p D 2 lg (3)
2;31
0;309
cW
.lg.Re=7/2 /
1;328 0;0745
Platten cW D p (6) cW D p 5
(7) Voraussetzung: cW aus empirischen Tabellenwerken
Re Re k
Re = 100
l
0;418
cW D 2;53 (8)
l
2 C lg
k
2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 143
a b
M um den vorderen Punkt O, das vom Anstell- nicht vernachlässigbare Dichteänderungen. Die
winkel ˛ abhängt, kann der Abstand r D OP Bernoulli-Gleichung (2.202) gilt dann nur noch
des Druckpunkts bestimmt werden. Mit (2.249) für sehr kleine Strömungsbereiche, in denen
und (2.242) folgt die Höhendifferenzen vernachlässigbar klein sind
und die Dichte näherungsweise konstant ist. Ei-
M D r.FA cos ˛ C FW sin ˛/ oder ne differenzielle Druckänderung dp bewirkt dann
% 2 eine differenzielle Änderung der Strömungsge-
M D v Ar.cA cos ˛ C cW sin ˛/: (2.253)
2 schwindigkeit vdv:
Mit cM l D r.cA cos ˛ C cW sin ˛/ resultiert
dp
% vdv C D0 oder integriert
M D cM v 2 Al: (2.254) %
2 Z
v2 dp
cM wird Momentenbeiwert genannt. Durch die C D konstant: (2.256)
2 %
Messung des Drehmomentes M im Windkanal
kann der Momentenbeiwert cM und damit die Diese Gleichung ist die verallgemeinerte Ber-
Lage des Druckpunktes eines Tragflügelprofils noulli-Gleichung für kompressible Medien.
bestimmt werden. Für die adiabatischen Strömungen idealer Ga-
Für einen Tragflügel soll die Auftriebskraft se ergibt sich nach (3.66) (Abschn. 3.3.5.4)
FA möglichst groß und die Widerstandskraft FW p=%~ D konstant. Wird daraus die Dichte %
möglichst gering werden. Ein Maß dafür ist die in (2.256) eingesetzt und diese integriert, ergibt
Gleitzahl sich
FW cW
"D D : (2.255)
FA cA v2 ~ p
C D konstant: (2.257)
Die Werte für den Widerstandsbeiwert cW und 2 ~1 %
den Auftriebsbeiwert cA sind vom Anstellwinkel
˛ (Abb. 2.133a) abhängig. Diese Zusammenhän- Bei idealen Gasen ist der Isentropenexponent
ge werden empirisch im Windkanal ermittelt und ~ D cp =.cp Ri / (Abschn. 3.3.4, (3.60)). Mit
in ein Polardiagramm eingezeichnet. Abb. 2.134 Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase (Ab-
zeigt das Polardiagramm der Auftriebs- und schn. 3.1.5, (3.20)) erhält man für die adiabati-
Widerstandsbeiwerte eines Hubschrauberrotor- schen Gasströmungen den folgenden Zusammen-
blatts. hang zwischen der Strömungsgeschwindigkeit v
und der absoluten Gastemperatur T :
Bernoulli-Gleichung für kompressible Medien
Gase zeigen bei hohen Strömungsgeschwindig- v2
C cp T D konstant: (2.258)
keiten (v > 0;3c; c Schallgeschwindigkeit) 2
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 145
Abb. 2.134 Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte für das Rotorblatt eines Hubschraubers. Werkbild: MBB
Tab. 2.12 Unterschall- und Überschallströmung bei Bei der Pumpenkennlinie H D f .Q/ dagegen
Querschnittsänderung (v Strömungsgeschwindigkeit, c nimmt bei Strömungspumpen mit zunehmen-
Schallgeschwindigkeit)
dem Förderstrom Q die Förderhöhe H ab
Quer- Quer- Quer- (Abb. 2.136).
schnitts- schnittser- schnitts-
verengung weiterung minimum Abb. 2.137 zeigt das Schema einer Pumpsta-
dA < 0 dA > 0 dA D 0 tion. Die Bernoulli-Gleichung (2.202) für diese
Unterschall dv > 0 dv < 0 entweder Anlage lautet unter der Berücksichtigung der
Ma < 1 dv D 0 Reibungsverluste durch die Verlusthöhe hV für
Überschall dv < 0 dv > 0 oder
den Eintritt e bzw. den Austritt a
Ma > 1 vDc
Pe v2
he C HA C C e
%g 2g
terschallbereich erhöht sich bei Querschnittsver- Pa v2
engung die Geschwindigkeit, während sie sich D ha C h C C a:
%g 2g
im Überschallbereich vermindert. In Höhen ober-
halb h D 180 km ist die Atmosphäre allerdings Die Geschwindigkeiten ve und va sind in den
so dünn, dass keine Schallausbreitung mehr statt- Punkten e und a zu messen. Daraus errechnet
finden kann. Die Machzahl ist dann bedeutungs- sich die Förderhöhe HA zu
los. – Wichtig ist ebenfalls das unterschiedliche
pa pe
Verhalten bei einer Querschnittserweiterung. Bei HA D .ha he / C
%g
einer Lavaldüse ist dies beispielsweise der Fall. „ ƒ‚ …
Deshalb ist am Einlauf v < c, sodass am engsten statischer Anteil
Querschnitt v D c wird. Bei einem Diffusor hin- v 2 ve2
C a C hV (2.262)
gegen wird v > c, wenn p genügend abgesenkt 2g
wird. „ ƒ‚ …
dynamischer Anteil
2
6 .11 6/ 105
D 6
4 5 C
907 9;81
3
0;062 0;062
0;82 1;52 7
C C 77
5m
2 9;81
D 68;19 m:
Wasserturbinen
Wasserturbinen sind Wasserkraftmaschinen, in
denen hydraulische Energie (Lageenergie und
Strömungsenergie) in mechanische Arbeit um-
gewandelt wird. Je nach Anteil der Lageener-
gie (bestimmt durch die Fallhöhe H ) im Ver-
hältnis zur Strömungsenergie unterscheidet man
drei Ausführungen, die nach ihren Konstrukteu-
ren Pelton-Turbinen (L. A. P ELTON, 1829 bis
1908), Francis-Turbinen (J. B. F RANCIS, 1815
bis 1892) und Kaplan-Turbinen (V. K APLAN,
1876 bis 1934) genannt werden; außerdem gibt
es noch S-Turbinen (S-förmiger Strömungskanal)
Abb. 2.137 Schema einer Pumpstation
und Rohrturbinen (Abb. 2.139). Nach der Fallhö-
he werden die Wasserturbinen eingeteilt in
Eintrittsdruck pe D 6 105 Pa,
Hochdruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fallhö-
Austrittsdruck pa D 11 105 Pa,
he H groß (H > 200 m) und der Volumen-
Förderstrom Q D 0;06 m3 =s,
strom Q klein. Beispiele dafür sind Pelton-
Verlusthöhe hV D 7 m,
und Francis-Turbinen;
Eintrittsquerschnitt Ae D 1;5 m2 ,
Mitteldruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fall-
Austrittsquerschnitt Aa D 0;8 m2 ,
höhe H mittelgroß und der Volumenstrom Q
Wirkungsgrad D 0;85.
ebenfalls. Beispiele dafür sind Francis- und
Kaplan-Turbinen;
Niederdruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fall-
Lösung
höhe H klein (H < 50 m) und der Volumen-
strom Q groß. Beispiele hierfür sind Kaplan-,
a) Nach (2.263) ergibt sich für die Förderhöhe
S- und Rohr-Turbinen.
pa pe
HA D .ha he / C Um diese verschiedenen Turbinentypen sowie
%g
2 2 unterschiedliche Baugrößen desselben Typs un-
Q Q
tereinander vergleichen zu können, dient die spe-
A2a A2e
C C hV zifische Drehzahl nq . Sie ergibt sich aufgrund
2g
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 149
Abb. 2.138 Anwendungsbereiche der verschiedenen Arten von Wasserturbinen. Werkbild: Voith
von Ähnlichkeitsgesetzen aus analogen Überle- spiele und Laufräder der verschiedenen Turbi-
gungen wie die Reynolds- bzw. die Froundezahl nenarten sowie konstruktive Merkmale und Ein-
(Abschn. 2.12.2.4). Sie ist die Drehzahl, die sich satzbereiche aufgeführt.
ergibt, wenn die Turbinen bei einer Fallhöhe In Abschn. 2.12.2.2 ist darauf hingewiesen,
H D 1 m einen Volumenstrom Q D 1 m3 =s ver- dass nach der Bernoulli-Gleichung (2.202) der
arbeiten. Der Zusammenhang zwischen Fallhöhe statische Druck pstat mit zunehmender Strö-
und Volumenstrom ergibt sich aus mungsgeschwindigkeit v abnimmt. Sinkt der sta-
p tische Druck unter den Dampfdruck pD der
n Q Flüssigkeit, dann bilden sich Dampfblasen oder
nq D 0;75 (2.264)
H vorhandene Blasen vergrößern sich. Steigt der
mit n als der Drehzahl der Anlage. Druck wieder an, dann kondensiert der Dampf
Die Anwendungsbereiche von Wasserturbinen in den Hohlräumen, und das Strömungsmedi-
in Abhängigkeit von Fallhöhe H und spezifi- um schlägt mit hoher Geschwindigkeit auf das
scher Drehzahl nq sind in Abb. 2.138 dargestellt. Turbinenmaterial. Dieser Vorgang wird Kavita-
Daraus ist ersichtlich, dass Pelton-Turbinen für tion (Hohlraumbildung) genannt. Dabei können
hohe Fallhöhen bei niedrigen spezifischen Dreh- Druckspitzen bis 1010 Pa bei Frequenzen um
zahlen und Kaplan- bzw. S- oder Rohrturbinen 2 kHz auftreten. Diese ständigen Beanspruchun-
bei niedrigen Fallhöhen und hohen spezifischen gen führen zur Zerstörung der Materialoberflä-
Drehzahlen zum Einsatz kommen. In den Über- che. Die kritische Geschwindigkeit, oberhalb der
schneidungsbereichen muss man die Vor- und Kavitation eintritt, lässt sich aus der Bernoulli-
Nachteile der Turbinenart abwägen. Häufig sind Gleichung (2.202) zu
die örtlichen Gegebenheiten ausschlaggebend. In s
Abb. 2.139 sind die Turbinentypen vergleichend 2.pges pD /
vkrit D (2.265)
gegenübergestellt. Es sind außerdem Einbaubei- %
150
abschätzen. Sie ist für Wasser bei pges D 1 bar tungsrohr hat eine Länge von l D 7 m und einen
und 20 ı C (pD D 2340 Pa) vkrit D 14 m=s. Durchmesser d D 1;7 cm. Wie groß ist der erfor-
Dies bedeutet, dass mit der Kavitation bei vielen derliche Pumpendruck (%Öl D 0;85 kg=l; Öl D
Wassermaschinen gerechnet werden muss. Bei 0;2 N s=m2 )?
der Konstruktion von Wasserturbinen sollte daher
darauf geachtet werden, dass Ü 2-58 Zur Messung der dynamischen Viskosi-
tät eines Öls (%Öl D 0;85 kg=l) wird ein Kugel-
möglichst hohe äußere Drücke auftreten, fallviskosimeter benutzt. Die Stahlkugel (%K D
dünne Schaufelprofile verwendet werden und 7;85 kg=dm3) hat einen Durchmesser d D 2 mm
nur kleine Anstellwinkel möglich sind. und fällt in t D 2 s s D 10 cm weit. Wie groß
ist ?
Zur Beurteilung der Gefahr auftretender Kavita-
tion kann die Kavitationszahl nach D. T HOMA
Ü 2-59 Ein Segelflugzeug der Masse m D
herangezogen werden:
200 kg und der Projektionsfläche A D 18 m2
p0 pD fliegt mit einer Geschwindigkeit v D 60 km=h
D 1 2 (2.266)
2 %v 0
unter einem Gleitwinkel D 8ı . Wie groß sind
Auftriebs- und Widerstandskraft? Zu bestimmen
Dabei ist p0 der Referenzdruck und v0 die Refe- sind ferner der Widerstandsbeiwert cW und der
renzgeschwindigkeit. Bestimmt man experimen- Auftriebsbeiwert cA .%Luft D 1;25 kg=m3 /.
tell die kritische Kavitationszahl kr , bei der
Kavitation einsetzt, dann ist für > kr die Strö- Ü 2-60 Ein Wasserbehälter hat am Boden eine
mung frei von Kavitation. waagerechte Ausflussröhre mit dem Durchmes-
ser d D 1;2 mm, die l D 50 cm lang ist.
2.12.2.6 Zur Übung Aus welcher Höhe h über der Ausflussröhre
sinkt der Wasserspiegel ab, wenn turbulente Strö-
Ü 2-57 Ein Öltankeinlauf liegt 6 m höher als die mung in laminare Strömung umschlägt (W D
Pumpe (Förderstrom VP D 0;8 l=s). Das Zulei- 103 N s=m2 )?
Thermodynamik
3
3.1.2 Thermodynamische
Grundbegriffe Die Änderung Z einer Zustandsgröße Z
hängt nicht von der Art der Prozessführung
Systeme ab, sondern nur vom Anfangs- und Endzu-
Ein räumlich abgrenzbarer Bereich, der heraus- stand. Es gilt
gelöst von seiner Umgebung betrachtet werden
soll, wird als System bezeichnet. Nach Art der Z D Z2 Z1 : (3.1)
Systemgrenzen werden verschiedenartige Syste-
me unterschieden, wie aus Tab. 3.1 hervorgeht.
Eine Zustandsgröße ist also eine eindeutige
Zustand, Zustandsgrößen, Prozessgrößen Funktion der unabhängigen Variablen. Beispiels-
In der Mechanik wird die Lage eines Punktes weise lässt sich die innere Energie U eines Sys-
im Raum durch drei Koordinaten festgelegt; in tems (Abschn. 3.3.3) als Funktion der Variablen
der Thermodynamik benutzt man Zustandsgrö- T und V schreiben: U D U.T; V /. Daher ist das
ßen, um den Zustand eines Systems zu beschrei- Differenzial
ben. Historisch bedingt wird zwischen den direkt
messbaren thermischen Zustandsgrößen @U @U
dU D dT C dV
@T V @V T
Druck p,
Volumen V , das totale Differenzial einer Funktion der Zu-
Temperatur T standsvariablen.
Im Gegensatz zu den wegunabhängigen Zu-
und den davon abgeleiteten kalorischen Zu- standsgrößen sind Wärme und mechanische Ar-
standsgrößen, wie z. B. beit wegabhängige Prozessgrößen. Die mit dem
System bei einer Zustandsänderung ausgetausch-
innere Energie U , ten Energiebeträge sind von dem Verlauf des
Enthalpie H und Prozesses abhängig.
Entropie S Infolgedessen ist eine differenziell kleine Grö-
ße einer solchen Prozessgröße nicht das totale
unterschieden. Differenzial einer Funktion von Zustandsvaria-
Bleiben die Zustandsgrößen zeitlich konstant, blen. Derartige kleine Größen werden im Fol-
dann befindet sich das System in einem Gleichge- genden nicht mit einem d versehen, sondern mit
wichtszustand. Der Zustand eines Systems kann einem •. So ist also beispielsweise eine diffe-
auf verschiedene Weise verändert werden (z. B. renziell kleine Wärme •Q oder ein differenziell
durch Wärmezufuhr von außen). Hat sich, aus- kleiner Arbeitsbetrag •W .
gehend von dem Gleichgewichtszustand 1, ein Für jeden Gleichgewichtszustand sind die Zu-
neuer Gleichgewichtszustand 2 eingestellt, dann standsgrößen durch eine Zustandsgleichung mit-
haben alle Zustandsgrößen wieder wohldefinierte einander verknüpft. So gilt z. B. für ideale Gase
Werte angenommen. ein einfacher Zusammenhang zwischen Druck,
156 3 Thermodynamik
Tab. 3.2 Definierende Fixpunkte der ITS-90. Wenn nicht anders angegeben, beträgt der Druck pn D 101;325 kPa
Gleichgewichtszustand T90 in K #90 in ı C
Siedepunkt von Helium bei verschiedenen Dampfdrücken 3 bis 5 270;15 bis 268;15
Tripelpunkt des Gleichgewichtswasserstoffs 13;8033 259;3467
Siedepunkt von Wasserstoff beim Dampfdruck 32,9 kPa 17 256;15
und 102,2 kPa 20;3 252;85
Tripelpunkt des Neons 24;5561 248;5939
Tripelpunkt des Sauerstoffs 54;3584 218;7916
Tripelpunkt des Argons 83;8058 189;3442
Tripelpunkt des Quecksilbers 234;3156 38;8344
Tripelpunkt des Wassers 273;16 0;01
Schmelzpunkt der Galliums 302;9146 29;7646
Erstarrungspunkt des Indiums 429;7485 156;5985
Erstarrungspunkt des Zinns 505;078 231;928
Erstarrungspunkt des Zinks 692;677 419;527
Erstarrungspunkt des Aluminiums 933;473 660;323
Erstarrungspunkt des Silbers 1234;93 961;78
Erstarrungspunkt des Goldes 1337;33 1064,18
Erstarrungspunkt des Kupfers 1357;77 1084,62
Tab. 3.4 Mittlerer linearer Längenausdehnungskoeffizi- Die beiden letzten Glieder der Klammer sind
ent ˛ einiger Festkörper in verschiedenen Temperaturbe- gegenüber dem linearen Glied vernachlässigbar.
reichen
Daher erhält man in guter Näherung
106 ˛ in K1 106 ˛ in K1
Temperaturbereich 0 ı C 5 # 5 0 ıC 5 # 5 V2 D V1 Œ1 C .#2 #1 / (3.8)
100 ı C 500 ı C
Aluminium 23;8 27;4 oder für die relative Volumenänderung
Kupfer 16;4 17;9
V
Stahl C 60 11;1 13;9 D T (3.9)
rostfreier Stahl 16;4 18;2 V
Invarstahl 0;9 mit T D T2 T1 D #2 #1 und dem Raum-
Quarzglas 0;51 0;61
ausdehnungskoeffizienten
gewöhnliches Glas 9 10;2
D 3˛: (3.10)
Also ist die erforderliche Temperatur #2 D C HARLES (1746 bis 1823), die von J. L. G AY-
99 ı C. Die relative Volumenvergrößerung be- L USSAC (1778 bis 1823) vertieft wurden, er-
trägt nach (3.9) und (3.10) gaben, dass bei einem Gas unter konstantem
Druck das Volumen linear mit der Temperatur ge-
V 3
D T D 3˛T D 4;5 10 : mäß (3.9) variiert:
V
V .#/ D V0 .1 C #/;
Die Dichte % eines Körpers ist umgekehrt
proportional zum Volumen. Für die Temperatur- wenn V das Volumen bei # D 0 ı C ist.
0 0
abhängigkeit gilt Experimente liefern für den Raumausdeh-
m nungskoeffizienten im Gay-Lussac’schen Ge-
%.#/ D : setz für fast alle Gase den gleichen Wert. Die
V0 .1 C #/
Unterschiede zwischen den einzelnen Gasen wer-
Ist %0 D m=V0 die Dichte bei #0 D 0 ı C, dann ist den umso geringer, je niedriger der Druck p ist.
die Dichte bei der Temperatur # Im Grenzfall p ! 0 ergibt sich für alle Gase
%0 1
%.#/ D %0 .1 #/: (3.11) D 0;003661 K1 D :
1 C # 273;15 K
Flüssigkeiten Ein Gas in diesem Grenzzustand wird als ideales
Weil Flüssigkeiten keine Eigengestalt haben, ist Gas bezeichnet.
nur die Volumenänderung von Interesse. Es gel- Wie die grafische Darstellung des Gay-
ten (3.8), (3.9) und (3.11); allerdings ist der Lussac’schen Gesetzes in Abb. 3.3 zeigt, wird
Raumausdehnungskoeffizient größer als bei das Volumen bei # D 273;15 ı C gleich null.
Festkörpern. Einige Zahlenwerte enthält Tab. 3.5. Dies ist der absolute Nullpunkt der Tempera-
Bemerkenswert ist die Anomalie des Wassers. tur. Natürlich gilt das Gay-Lussac’sche Gesetz
Bei der Temperatur # D 4 ı C hat die Dichte ihr bei sehr tiefen Temperaturen nicht mehr. Rea-
Maximum mit %max D 0;999973 kg=dm3. Wenn le Gase kondensieren beim Abkühlen; selbst am
im Winter ein See zufriert, sammelt sich das Was- absoluten Nullpunkt muss noch ein bestimm-
ser von # D 4 ı C und größter Dichte am Grund; tes Restvolumen, nämlich das Eigenvolumen der
darüber liegen die kälteren und leichteren Schich- Atome, übrig bleiben. Die absolute Temperatur
ten. Weil die kalten Schichten nicht absinken, T erlaubt eine einfache Formulierung des Gay-
erfolgt keine Wärmeübertragung durch Konvek- Lussac’schen Gesetzes:
tion. Der Wärmetransport durch Wärmeleitung
T V
ist nicht sehr effektiv (Abschn. 3.5), sodass tiefe V .T / D V0 bzw. D konst: (3.12)
Seen nicht bis zum Grund durchgefrieren. T0 T
Hierbei ist T0 D 273;15 K.
Gase Wird das Volumen eines Gases konstant gehal-
Bei Gasen hängt das Volumen vom Druck ten und die Temperatur verändert, dann variiert
und der Temperatur ab. Messungen von J. A. C. der Druck p gemäß
pV
D konst: (3.16) Beispiel 3.1-3
T Wie groß ist die individuelle Gaskonstante von
Reale Gase befolgen (3.16) umso besser, je ge- trockener Luft?
ringer der Druck und je höher die Temperatur ist.
Die physikalischen Gründe hierfür sind in Ab- Lösung
schn. 3.2.1 erläutert. Die Dichte beim Normzustand beträgt %n D
Die Zustandsgrößen Druck p, Volumen V und 1;2923 kg=m3. Damit errechnet man für die
Temperatur T einer konstanten Stoffmenge eines Gaskonstante
idealen Gases gehorchen stets (3.16). Durch Auf-
lösung nach dem Druck ergibt sich p D konst. 101325 N m2
Ri D
T =V . 273;15 K 1;2923 kg m3
Werden das Gefäßvolumen und die Tempe- J
D 287;05 :
ratur vorgegeben, dann hängt der Gasdruck und kg K
3.1 Grundlagen 163
Der Nachteil, für jedes Gas eine besondere Hierin ist N D NA die Teilchenanzahl des Sys-
Gaskonstante in (3.19) einsetzen zu müssen, ent- tems. Der Quotient
fällt, wenn in (3.17) das Volumen Vn durch die
Rm J
Stoffmenge ausgedrückt wird. Nach dem Satz kD D 1;38065 1023
von A. AVOGADRO (1776 bis 1856) benötigt NA K
eine bestimmte Teilchenmenge eines idealen Ga-
wird als Boltzmann-Konstante (L. B OLTZMANN,
ses bei bestimmten Werten des Drucks und der
1844 bis 1906) bezeichnet. Hiermit ergibt sich ei-
Temperatur stets das gleiche Volumen, und zwar
ne weitere Form der Zustandsgleichung idealer
unabhängig von der Gasart. Für die Stoffmenge
Gase:
D 1 mol beträgt beim Normzustand nach DIN
pV D N kT: (3.22)
1443 das Molvolumen Vmn D 22;414 dm3 =mol.
Somit ist das Volumen Vn der Teilchenmenge
Beispiel 3.1-4
Vn D Vmn ; Ein Gefäß mit V D 2 l Inhalt wird bei der
Temperatur # D 22 ı C evakuiert und an-
und (3.17) erhält die Form schließend mit Helium gefüllt, bis sich gegen-
über dem äußeren Luftdruck pL D 1016 hPa
pV pn Vmn
D : der Überdruck pü D 2;0 bar eingestellt hat.
T Tn Wie groß sind die Teilchenanzahl N , die Teil-
Die Konstanten der rechten Seite fasst man zur chenmenge v und die Masse m des Gases?
universellen (molaren) Gaskonstante Rm zusam-
men: Lösung
pn Vmn J Der Druck des Gases beträgt p D pL C pü D
Rm D D 8;3145 :
Tn mol K 3;016 105 Pa. Die absolute Temperatur ist
Damit erhält man die Zustandsgleichung der T D 295;15 K. Nach (3.22) folgt für die Teil-
idealen Gase: chenanzahl
pV D Rm T: (3.20) pV
N D
kT
Diese Form hat den Vorteil, dass für alle Gase
3;016 105 N m2 2 103 m3
dieselbe Gaskonstante verwendet werden kann. D
Die individuelle Gaskonstante Ri kann bei 1;381 1023 N m K1 295;15 K
Kenntnis der Molmasse M des Gases aus der D 1;48 1023 :
molaren Gaskonstante Rm berechnet werden.
Nach (3.4), die den allgemeinen Zusammenhang Die Teilchenmenge ist
zwischen spezifischen und molaren Größen be-
pV N
schreibt, gilt D D D 0;246 mol:
Rm TRm NA
Ri D : (3.21)
M Helium hat die Molmasse M D 4;003 g=mol.
Die Anzahl der Teilchen in der Teilchenmenge Damit ist die Masse des Gases m D M D
D 1 mol wird durch die Avogadro’sche Kon- 0;985 g.
stante angegeben:
Der funktionale Zusammenhang der drei Zu-
NA D 6;0221 1023 mol1 :
standsgrößen Druck, Volumen und Tempera-
Mit der Avogadro-Konstante kann die rechte Sei- tur in der Zustandsgleichung der idealen Gase
te von (3.20) umgeformt werden: kann in einem dreidimensionalen Raum nach
Abb. 3.4 anschaulich dargestellt werden. Al-
Rm le Gleichgewichtszustände liegen auf der ge-
pV D NA T:
NA krümmten Fläche. Schnitte durch die Fläche
164 3 Thermodynamik
Die Geschwindigkeiten der einzelnen Mole- Tab. 3.6 Mittlere Geschwindigkeit vm und Schallge-
küle messen zu wollen, ist ein hoffnungsloses schwindigkeit c einiger Gase beim Normzustand #n D
0 ı C und pn D 1;013 bar (% Dichte, ~ Isentropenexpo-
Unterfangen. Sinnvoll sind nur statistische Aus- nent)
sagen, z. B. eine Berechnung des Mittelwerts.
Gas % in kg=m3 ~ vm in m=s c in m=s
Der obige Ausdruck lässt sich mit dem mittleren
Helium 0,1785 1,67 1305 974
Geschwindigkeitsquadrat Argon 1,784 1,67 413 308
Wasserstoff 0,0899 1,41 1840 1260
1 X 2
N
Sauerstoff 1,4289 1,40 461 315
vx2 D v
N i D1 xi Stickstoff 1,2505 1,40 493 337
Luft 1,2928 1,40 485 331
vereinfachen zu
mM
pD N vx2 : Beispiel 3.2-1
V Beim Normzustand beträgt die Dichte von
Nun gilt für jedes Teilchen Stickstoff %n D 1;2505 kg=m3. Wie groß ist
die mittlere Geschwindigkeit?
v2 D v2x C vy2 C v2z :
Lösung
s
Da bei vielen Teilchen alle Raumrichtungen 3 101:325 N m2
gleichmäßig vorkommen, gilt für die Mittelwer- vm D D 493 m=s:
1;2505 kg m3
te der Geschwindigkeitsquadrate
1 2
pD %v : (3.24) 3.2.2 Thermische Energie und
3
Temperatur
Diese Beziehung kann benutzt werden, um die
mittleren Molekülgeschwindigkeiten in Gasen zu Wird die Grundgleichung (3.23) der kinetischen
berechnen. Als mittlere Geschwindigkeit vm wird Gastheorie in der Form
die Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeits-
quadrat v 2 definiert: 1
pV D N mM v 2
3
s
p 3p
vm D v 2 D : (3.25) geschrieben, so ist eine Verwandtschaft mit der
% allgemeinen Zustandsgleichung (3.22) idealer
3.2 Kinetische Gastheorie 167
Gase
pV D N kT Die Temperatur ist ein Maß für die mittlere
kinetische Energie der Moleküle.
offensichtlich. Durch Gleichsetzen der rechten
Seiten entsteht die Beziehung
nh mM gh Maxwell’sche Verteilungsfunktion
D e kT :
n0 Bei einem Gas ändern sich infolge der Zusam-
menstöße zwischen den Gasmolekülen ständig
Der Zähler im Exponenten entspricht der Diffe- deren Geschwindigkeiten. Trotzdem ist eine sta-
renz der potenziellen Energie Epot im Schwe- tistische Aussage darüber möglich, mit welcher
refeld zwischen den beiden betrachteten Zustän- Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Geschwin-
den, sodass auch gilt digkeit vorkommt. Nach (3.33) ist die Wahr-
scheinlichkeit für das Auftreten einer Geschwin-
nh Epot
D e kT : digkeit zwischen v und v C dv gegeben durch die
n0 Verteilungsfunktion
Dieses Ergebnis lässt sich verallgemeinern auf mM v 2
g.v/ D 4 v 2 ;
Der Boltzmann-Faktor gibt an, welcher dann ergibt sich die Normierungskonstante C aus
Bruchteil der Teilchen aufgrund ihrer ther- der Forderung
mischen Bewegung die Energieschwelle Z1
E2 E1 überschritten hat. f .v/dv D 1:
0
3.2 Kinetische Gastheorie 169
2625 m=s. Im Vergleich hierzu sind die mitt- 5 ı C beträgt? (Zur Temperaturabhängigkeit der
leren Geschwindigkeiten klein: Schallgeschwindigkeit siehe Beispiel 3.2-2. Die
s Längenänderung der Pfeife ist ein vernachlässig-
3kT1 barer Effekt.)
vm;1 D D 517 m=s und
mM
Ü 3-10 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit da-
vm;2 D 895 m=s: für, dass Stickstoff-Moleküle bei Raumtempera-
tur (T D 300 K) Geschwindigkeiten im Intervall
Der Bruchteil x der Moleküle mit v = v0 be- 1000 m=s 5 v 5 1100 m=s haben? Wie vie-
trägt le Moleküle erfüllen diese Bedingung, wenn das
R1 Z1
v0 f .v/dv Gas beim Normdruck das Volumen V D 1 l aus-
x D R1 D f .v/dv:
f .v/dv füllt?
0
v0
Ist die Mindestgeschwindigkeit v0 sehr viel Aus dem letzten Abschnitt geht hervor, dass
größer als die mittlere Geschwindigkeit vm , dann die Temperatur ein Maß ist für die Energie, die
gilt in guter Näherung für den Bruchteil x der re- in der ungeordneten thermischen Bewegung der
aktionsfähigen Teilchen Teilchen steckt. Bei Gasen und Flüssigkeiten ist
r dies die kinetische Energie der Translation und
2 EA EA Rotation der Moleküle sowie die Schwingungs-
xDp e kT : (3.37)
kT energie der Molekülschwingungen. In Festkör-
pern schwingen die Atome um ihre Ruhelagen;
hierbei werden mit zunehmender Temperatur die
3.2.4 Zur Übung Schwingungsamplituden immer größer.
Bringt man zwei Körper, die sich auf verschie-
Ü 3-8 Ein Gefäß mit V D 1 l Inhalt ist mit He- denen Temperaturen befinden, in Kontakt, dann
lium gefüllt. Das Gas befindet sich im Normzu- findet ein Temperaturausgleich statt: Die Tem-
stand. a) Wie groß ist die mittlere Geschwindig- peratur des kälteren Körpers nimmt zu und die
keit vm der Atome? b) Wie groß ist die gesamte des wärmeren nimmt ab. Dies bedeutet nach den
kinetische Energie aller He-Atome, die sich in vorgenannten Erläuterungen, dass vom warmen
dem Gefäß befinden? System an das kalte System Energie übertragen
wird. Diese Energieübertragung belegt man mit
Ü 3-9 Eine Orgelpfeife einer Kirchenorgel dem Begriff Wärme:
schwingt bei #1 D 20 ı C mit der Frequenz
f1 D 440 Hz. Die Frequenz einer Pfeife ist pro-
portional zur Schallgeschwindigkeit in der Luft. Wärme ist Energie, die aufgrund ei-
Welche Frequenz gibt die Pfeife im Winter ab, nes Temperaturunterschieds zwischen zwei
wenn die Temperatur der angesaugten Luft #2 D
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 171
Kalorimetrie
Wärmekapazitäten werden in Kalorimetern ge-
messen. Abb. 3.9 zeigt das Prinzip eines Mi-
schungskalorimeters, das geeignet ist, die Wär-
mekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten
zu messen. Im Innern des gut isolierten Dewar- Abb. 3.9 Mischungskalorimeter. m Masse, c spezifische
Gefäßes befindet sich eine Flüssigkeit (meist Wärmekapazität 1 Flüssigkeit, 2 Festkörper
Wasser) der Masse m1 bei der Temperatur T1 .
Wird ein Körper der Masse m2 mit der Tempera-
tur T2 in die Flüssigkeit eingetaucht, so stellt sich ist verhältnismäßig schwierig. Das Gas wird in
nach einiger Zeit die Mischungstemperatur Tm ein Kalorimetergefäß eingeschlossen und – z. B.
ein. Es muss folgende Energiebilanzgleichung er- mit einer elektrischen Heizung – aufgeheizt. Da
füllt sein: die Wärmekapazität des Gefäßes sehr viel grö-
ßer ist als die des Gases, ist das Messergebnis
m1 c1 .Tm T1 / C CK .Tm T1 /
nicht sonderlich genau. Einfacher ist die Bestim-
D m2 c2 .T2 Tm /: mung der spezifischen Wärmekapazität cp unter
konstantem Druck:
CK ist die Wärmekapazität des Kalorimeters. Gemäß Abb. 3.10 leitet man eine bestimm-
Daraus bestimmt sich die zu messende spezifi- te Menge erhitztes Gas in einer Rohrschlange
sche Wärmekapazität des Körpers 2: durch ein Wasserkalorimeter. Aus der Tempera-
.m1 c1 C CK /.Tm T1 / turdifferenz T1 T2 , dem Massenstrom und der
c2 D : (3.43) Temperaturzunahme der Flüssigkeit lässt sich die
m2 .T2 Tm /
Wärmekapazität cp bestimmen. cV kann aus cp
Es ist einleuchtend, dass mit dieser Methode die berechnet werden (Abschn. 3.3.4).
spezifische Wärmekapazität nur relativ zu der des
Wassers c1 gemessen werden kann. Aus diesem
Grund hat man früher die spezifische Wärme- 3.3.2 Zur Übung
kapazität des Wassers mit c1 D 1 kcal=.kg K/
festgelegt und darauf alle anderen Wärmekapa- Ü 3-12 Die Wärmekapazität CK eines Kalori-
zitäten bezogen. meters soll bestimmt werden. Dazu wird ein
Die Bestimmung der spezifischen Wärmeka- Kupferblock der Masse m2 D 150 g und der
pazität cV von Gasen bei konstantem Volumen Temperatur #2 D 35 ı C in das Wasserbad der
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 173
nauer Messdaten erhielt Mayer einen Zahlenwert, die Systemgrenzen Energie mit der Umgebung
der um 14 % vom korrekten Wert abwich. ausgetauscht wird. Die Energieübertragung um-
Von 1843 bis 1850 bemühte sich J. P. J OULE fasst in den folgenden Betrachtungen lediglich
(1818 bis 1889) in vielen verschiedenartigen Ex- Wärme und mechanische Arbeit, kann aber jeder-
perimenten um eine genaue Bestimmung des me- zeit auf alle vorhandenen Energieformen ausge-
chanischen Wärmeäquivalents. Er erhielt einen dehnt werden. Für die Änderung dU der inneren
Zahlenwert für das mechanische Wärmeäquiva- Energie gilt somit
lent, der lediglich um 1 % von dem heute aner-
kannten Wert 4;1868 kJ D 1 kcal abweicht. dU D •Q C •W: (3.44)
Unabhängig von Mayer entwickelte 1847
H. v. H ELMHOLTZ (1821 bis 1894) den allge-
meinen Energiesatz, der außer mechanischer und
Die Änderung der inneren Energie eines
Wärmeenergie auch alle anderen Energieformen,
geschlossenen Systems entspricht der Sum-
wie z. B. elektrische, magnetische und chemische
me von übertragener Wärme und Arbeit.
Energie, einschließt. Dieser erste Hauptsatz der
Thermodynamik lautet:
Das Vorzeichen der umgesetzten Energiebeträ-
ge wird wie folgt festgelegt: Wärme und Arbeit,
In einem abgeschlossenen System bleibt
die dem System zugeführt werden, erhalten ein
der Gesamtbetrag der Energie konstant.
positives Vorzeichen. Wenn das System Energie
Innerhalb des Systems können die ver-
nach außen abgibt, ist diese negativ.
schiedenen Energieformen ineinander um-
Die innere Energie ist eine Zustandsgröße
gewandelt werden.
(Abschn. 3.1.2), d. h., sie hängt nur vom augen-
blicklichen Zustand des Systems ab, nicht aber
davon, wie das System in diesen Zustand ge-
Helmholtz kam zu seiner Schlussfolgerung
langt ist. Wäre dies nicht so, dann ließe sich
aufgrund der Tatsache, dass es nicht gelingt, ein
ein Perpetuum mobile konstruieren. Speziell bei
Perpetuum mobile zu bauen, also eine Maschi-
den idealen Gasen gilt nach (3.30) für die innere
ne, die ständig Arbeit abgibt, ohne gleichzeitig
Energie
entsprechende Energie aufzunehmen. Eine solche
Maschine, die dem ersten Hauptsatz widerspre- f f
chen würde, wäre ein Perpetuum mobile erster U D N EN kin D N kT D Rm T: (3.45)
2 2
Art.
ZT2
U D U2 U1 D CmV .T /dT
T1
ZT2
Dm cV .T /dT (3.47)
T1
abhängt. Für dieselben Endpunkte 1 und 2 er- Die innere Energie ändert sich dabei nach (3.44)
fordert der Weg a eine geringere Arbeit als der und (3.49) um
Weg b.
dU D •Q C •W D Cmp dT pdV:
Enthalpie
Außer der inneren Energie U ist eine weitere Zu- Da die innere Energie eine Zustandsgröße ist,
standsgröße, die Enthalpie H sehr nützlich: lässt sich ihre Änderung für beliebige Zustands-
änderungen nach (3.46) berechnen:
H D U C pV: (3.51)
dU D CmV dT:
Das totale Differenzial der Enthalpie ist dH D
dU C pdV C V dp. Für Zustandsänderungen, die Durch Gleichsetzen dieser beiden Ausdrücke er-
unter konstantem Druck ablaufen, vereinfacht es hält man
sich zu dH D dU C pdV .
Mit der Volumenänderungsarbeit in geschlos- CmV dT D Cmp dT pdV
senen Systemen •W D pdV ergibt sich dH D
dU •W . Diese Beziehung lässt sich mit dem oder
ersten Hauptsatz (3.44) so schreiben: p dV
Cmp CmV D :
dT
dH D •QjpDkonst. D Cmp dT D mcp dT:
Aus der Zustandsgleichung idealer Gase ergibt
(3.52)
sich dV =dT D Rm =p und sch