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Normen in soziologischer Perspektive

Author(s): Niklas Luhmann


Source: Soziale Welt, 20. Jahrg., H. 1 (1969), pp. 28-48
Published by: Nomos Verlagsgesellschaft mbH
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40876933
Accessed: 27-08-2014 08:03 UTC

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Normenin soziologischer
Perspektive
Von Niklas Luhmann

Eine immernochverbreitete Ansicht will RechtswissenschaftundSoziologienach


derDifferenz von SollenundSeintrennen1). Das istundurchführbar, weilin allen
Wissenschaften, Handelnzum Gegenstand
die menschliches haben,Sollenund Sein
notwendig thematisch werden.In der Rechtstheorie wirddas heutegesehen2). Für
die SoziologiebleibtdieseEinsichtnachzuliefern undzu begründen3).
Dies Vorhabendarfnichtauf die Bahneneinerunhistorischen „Erneuerung des
Naturrechts" gelenktwerden,die an den GründenfürdenZerfalldes Naturrechts
vorbeiginge4).Es kann aber an die GründefürdiesenZerfallund damitan ein
Gespräch mit dem Naturrechtanknüpfen.
Der Kerndes alteuropäischen Naturrechts findetsichin seinerThese,daß Recht
mit der menschlichen Natur und dem menschlichen Zusammenleben immerschon
gegebensei, und zwar nichtnur als hierund da nötigeHandlungsregulierung für
bestimmte Situationen,nebendenenes einengleichsam rechtsfreienRaum (etwa
den derWahrheit oderden derLiebe) gebe,sondernals Bedingung des Erreichens
und Vollendensder Menschlichkeit selbst.Das Fragwürdige daran liegtweniger
in einerlogischunhaltbaren Verquickung von Sein und Sollen,als vielmehr in der
zu kompakten Verschmelzung von Grundannahmen und Normbeständen, in einer
zu konkretgehaltenen Problemexposition. Für das älterenaturrechtliche Denken
war das Sollennurkonkretals Qualitätan den Normenselbsterlebbargewesen
(so wie Raum und Zeit nur an den Dingenselbstund ihrenBewegungen). Der
unwegdenkbare Rechtsbezugallen menschlichen Lebens mußte diesemDenken
daherals universelle Geltungeinesbestimmten Normbestandes, eben des Natur-
rechts,erscheinen.So lagenin der Normativität schondie Normen,mitder Uni-
versalitätdes Sollenswar schondie Gleichheit bestimmter Inhaltedes Sollensbe-
gründet, ohne daß dieser als
Zusammenhang logischer Schluß,geschweige dennals
Fehlschluß sichtbargewordenwäre.
Selbstheute,wo fürdas Sollen ein formaler, von InhaltenabgelösterBegriff
zur Verfügung steht,fragtder Jurist- und nichtandersder Moralist- nicht
hinterdie SollqualitätderNormenzurück,sondernnimmtsie in derEinheitihres

*) Siehe statt anderer Paul Bockelmann : „Verkehrssoziologie und Verkehrsrecbt".


5. Deutsdier Verkehrsgeriditstag1967, Hamburg 1967, S. 20- 51 - geeignet auch
als Beleg für die unfruchtbaren Polemiken und Zurückweisungen,die mit einer solchen
Trennung motiviertwerden.
2) Vgl. Friedrich Müller : Normstrukturund Normativität. Zum Verhältnis von
Recht und Wirklichkeitin der juristischenHermeneutik, entwickeltan Fragen der
Verfassungsinterpretation. Berlin 1966.
8) Als Überblick über die bisherige Diskussion und Begriffsbehandlungvgl. Rüdiger
Lautmann: Wert und Norm. Begriffsanalysenfür die Soziologie. Köln und
Opladen 1969.
4) Siehe Erich F e c h r e r : „Die Bedeutung der Gesellschaftswissenschaft fur die Grund-
legungdes Rechts",In: Carl Brinkmann (Hrsg.) : Soziologie und Leben. Die sozio-
-
logische Dimension der Einzelwissenschaften.Tübingen 1952, S. 102 125. Auch die
Frage nach Konvergenzen zwischen Naturrechtund Soziologie bliebe unhistorischund
oberflädiiich.Siehe z. B. Philip Selznick: „Sociology and Natural Law". Naturai
Law Forum 6 (196Í), S. 94- 108; und d er s.: Natural Law and Sociology, Cleve-
land 1963.

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Begriffs als gegebenhin5).Das Sollendientihmals ein im Erlebenaufweisbarer,


aber nichtnäherdefinierbarer und nichtweiterexplizierbarer Grundbegriff. Er
fragtzumBeispielnicht:Wozu überhaupt Sollen?Gehtes nichtohneSollen?Wo-
durchkönnteman Sollen ersetzen?Fragenan das Sollenkönnenfürihn nurzu
NormenhöhererQualität,zu letztenGrundsätzen des Sollenshinführen, immer
also zu Aussagen,die das richtige Sollenschongleichinhaltlich Daran
qualifizieren.
hattesichschonEmile Durkheimgestoßen- denn solchehöchsten moralischen
Prinzipiengebenuns keinenAufschluß darüber,was die Moral einerbestimmten
Gesellschaft wirklichist, sondernallenfallsdarüber,wie der Moralistsich die
Moral vorstellt6).So wichtigdie Abstraktion einesbesonderen Begriffs fürSollen
oderGeltenauchist - solangeman diesenBegriff nurals Gleitschieneder Suche
nach höheren,letzten,absolutgeltendenNormenverwendet, dienter nach wie
vor dazu, die Frage nach dem Naturrecht zu stellen.Die Frage kann dann im
Halse steckenbleiben, der Verlustdes Naturrechts kannregistriert,nichtaber be-
wältigtwerden.
Eine Positionvom Range des Naturrechts läßt sichnurwiedergewinnen, wenn
es gelingt,das zu ersetzen,was im Naturrecht „Natur" war7). Die These der
notwendignormativen Orientierung menschlichen Zusammenlebens müßteanders
begründetwerden.Der Naturbegriff hattedie Begründung zu konkretfixiert,
hattesie mitHilfe unhaltbarer Annahmen überdie unwandelbare Naturdes Men-
schenzu eineminhaltlichfüralle MenschengleichenNormbestand ausgemünzt.
Wirddiesals derFehlererkannt, so liegtes nahe,das imNaturrecht kompaktvor-
liegendeBegründungsverhältnis auseinanderzuziehen. Die Kritikam Naturrecht
führtdannaufeineabstraktere unddoppelstufige Fragestellung:
Zunächstmuß radikalerals bisherdie Fragenachder Funktiondes normativen
Sollens überhauptausgearbeitet werden.Eine logischeund begriffliche Analyse
führtnichtweiter- ein neuererVersuchendetzum Beispieldamit,die Verbind-
lichkeitfürunverbindlich zu erklären8). Das Sollenselbstläßt sichauchnichtaus
höherenNormenableiten.Es löst bestimmte Probleme,die mitder menschlichen
Weise,sichauf Weltzu beziehen,verbunden sind.SeineBegründung liegtdeshalb
nichtin seinerSeinsweiseund auchnichtin derEvidenzseinerGesolltheit, sondern
in seinerfunktionalen Unersetzlichkeit. Der KlärungdieserFunktionund der
Mechanismen, die sie erfüllenund die deshalbdurchSollvorstellungen symbolisiert
werden,dientderersteTeil unserer Untersuchungen.
Dabei bleibtvöllig offen,welcheNormenes gibt,denn aus Problemenkann
man nichtauf Problemlösungen, aus Funktionen nichtauf Strukturen und Pro-
zesse schließen.Trotz Neutralisierung aller inhaltlich-ethischen
Festlegungen er-
gibt unsereAnalyseeinigeAnhaltspunkte dafür,unterwelchenGesichtspunkten
soziale SystemeNormenbildenund als Struktur verwendenkönnenund welche
Einzelprobleme dabei zu lösen sind. Dieser Frage werdenwir im zweitenTeil

5) Vgl. etwa Hans W e 1z e 1 : An den Grenzendes Rechts.Die Frageder Rechtsgeltung.


Köln - Opladen 1966, und nichtandersals Rechtssoziologe NicholasS. T i m a -
s h e f f : An Introductionto the Sociologyof Law. Cambridge,Mass., 1939,S. 68.
6) So: De la divisiondu travailsocial.2. Aufl.Paris 1902,S. 7.
7) AuchHans Welz el : Wahrheitund Grenzedes Naturrechts, Bonn 1963,stelltdie
Frage so - und ersetztNatur durchGewissen.Diese Lösungvermagjedochkaum
zu befriedigen, da im modernenGewissensbegriff gerade die Individualitätund
Nichtübereinstimmung normativer Entwürfeinstitutionalisiert
ist und all jene Mecha-
nismennichterfaßtsind,die fürsozialeAnpassungsorgen.
B) So RupertSchreiber : Die Geltungvon Rechtsnormen. Berlin- Heidelberg-
New York 1966,S. 137 ff.

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unsererUntersuchungen nachgehen.Die Bedingungender Stabilisierungeines Ge-


füges von Normen sind außerordentlichkompliziert,und schon das schließtBe-
liebigkeitaus. Selbst wenn alles erlaubt wäre, so wäre deshalb noch lange nicht
alles möglich.Es kann durchausNormen geben, die das Menschenfressen erlauben
oder gar gebieten; ihnen müssendann aber Regeln der Differenzierungzwischen
eßbaren und nichteßbarenMenschenbeigegebenwerden und wohl auch Vorschrif-
daß die Praxis im Einklang mit der gegebenenStatusordnung
ten, die sicherstellen,
vollzogen wird.

I.
1. Geht man auf die Grundbedingungenmenschlichen Daseins in der Welt zu-
rück, so findet man als Ausgangsdatumein sehr eng begrenztes Potential für
aktuell-bewußteWahrnehmungund Informationsverarbeitung. In diesem jedem
gegebenen Aufmerksamkeitsfeld läßt sich menschliches Erleben und Handeln nicht
ausreichendkoordinieren.Es liefe auf reinen Zufall hinaus, wollte man die Her-
stellung sozialer Übereinstimmungder momentanenAktualität des Bewußtseins
überlassen:der BegegnungGleichgesinnter, dem augenblicklichen Einfall, der über-
zeugenden Improvisation9). Höhere und verläßlichere Wahrscheinlichkeiten des
Übereinkommenssind nur zu erreichen,wenn man den Erwartungshorizontdes
je aktuellenErlebens einbeziehtund das Verhaltenüber Erwartungenkoordiniert.
Durch Stabilisierungvon Verhaltenserwartungen läßt sich die Zahl der aufein-
ander abstimmbarenund damit die Zahl der überhaupt möglichenHandlungen
immens steigern.Das ermöglichtSelektion aus einem größeren Repertoire von
Möglichkeitenund steigertdie adaptiven Fähigkeitenmenschlicher Gesellschaften
weit über das hinaus,was andere organischeWesen erreichenkönnen.
Dieserevolutionäre Erfolghat jedochin seinemPrinzipauchseineRisiken,die
übernommen und in bewährbareProblemlösungen eingearbeitetwerdenmüssen.
In denaktuellunddamitevidentundsichergegebenen von denen
Erlebnisinhalten,
wirausgegangen waren, finden sich zwar Verweisungen auf andere Möglichkeiten,
die zu Erwartungen ausgebildet(gelernt)werdenkönnen.Diese Verweisungen
sindjedochzugleichkomplexund kontingent: komplex,weil stetsmehrMöglich-
keitenangezeigtsind,als aktualisiert werdenkönnen;kontingent, weil die An-
zeigeandererMöglichkeiten des Erlebensauchtäuschen kann,indemsie auf etwas
verweist,was nichtist oder nichterreichbar ist oder,wennman die notwendigen
Vorkehrungen für aktuellesErleben getroffenhat (zumBeispielzu dembetreffen-
den Ort hingegangen ist), nichtmehrda ist. Komplexitätund Kontingenzsind
Überforderungen und Risikendes Erwartens, die nichteliminiertwerdenkönnen,
weil das den VorteilhöhererSelektivität mitauslöschenwürde,die aber in trag-
bare Verhaltenslastenumgearbeitet werdenkönnen.Die nichteliminierbaren Risi-
kenmüssenim Erwartenselbstausgehalten werden,gleichsam in den SinnderEr-
wartungeneingeschmolzen werden.Dafür scheintdie erinnerte Bewährungder
Erwartung, also ihreGeschichtlichkeit,und funktional äquivalentdazu auchihre
Symbolisierung unterdem AspekteinesSollenseine Hilfe zu bieten.Bewährtes

9) Wie so oft,ist auch hierein Blickauf genau gegenläufige Strukturen und Prozesse
Eine emphatische
instruktiv. Betonungdes Zufälligen,Unerwarteten, Schicksalhaften
einer„Begegnung" Institution
ist fürdie neuzeitliche kenn-
der Liebe (amour-passion)
zeichnend,die sich damit scharfvon allem Gesolltenund rechtlich oder moralisch
Erwartbaren absetzt,um das Sich-Finden und Verständigen zu-
ganz als persönlich
rechenbarerscheinen zu lassen.Vgl. dazu VilhelmA u b e r t : The Hidden Society.
Totowa,N. J.,1965,S. 201 ff.

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und Gesollteslegen in die Überfülleunbekannter Möglichkeiten eine selektive


Struktur, an die man sichhaltenund von der aus man sichverteidigen kann10).
Solche Erwartungssicherheit ist Vorbedingung jeder Sicherheitund ungleichviel
wichtiger als die Erfüllungssicherheit.Werweiß,was er erwartenkann,kannein
hohesMaß an Unsicherheit darüberertragen, ob die Erwartungen sichauchreali-
sierenwerden11).
Die Überlastung durchKomplexität undKontingenz charakterisiertdas mensch-
licheErlebenschlechthin, nichtnur die auf andereMenschengerichteten Verhal-
tenserwartungen. Sie kennzeichnet die Problemlage,auf die hin sich eigentümliche
Formender Erlebnisverarbeitung und Selbstmotivation entwickeln, die eine ge-
wisseUnabhängigkeit von äußerenEindrücken, Instinktauslösern,Reizenund Be-
friedigungen erreichen,also derAußenweltgegenüber innenbedingte Festigkeitbe-
haupten12).Technikender Selbstvergewisserung, der Abstraktionwiederholt
brauchbarer Regelnund der Selektiondazu passendenErlebenstretendann zum
Teil an die Stelleunmittelbarer Bewährung und gebeneinegewisseFreiheitselek-
tivenVerhaltensgegenüber der Umwelt.Auf dieserSteuerungsebene könnenEr-
wartungen so gefestigtwerden,daß der ErwartendeanfallendenEnttäuschungen
gegenüber die doppelteMöglichkeit hat,seineErwartungen zu ändernoder nicht
zu ändern,zu lernenodernichtzu lernen.Er kannlernen,er mußnichtlernen.
2. JenerallgemeineDruckübermäßiger Komplexitätund Kontingenz, der zum
AufbauinternerStrukturen der Selbstmotivation,Informationsverarbeitungund
Lernfreiheit andererMenschenmit besonderer
führt,ist angesichts Verschärfung
zu spüren.Dadurch,daß in derUmwelteinesErwartenden andere,ihmgleichende
Systemeauftauchen, gewinntdie Welteine neueDimensionder Komplexität, die
neue Chancenund Risikenmit sichbringt,derenAusnutzung und Bewältigung
besondereAnforderungen stellt13).Die Chancenliegenin der Möglichkeit, die
Perspektiven des anderenzu übernehmen, mitden Augendes anderenzu sehen,
sichetwas berichtenzu lassenund damitden eigenenErlebnishorizont ohnewe-
sentlichenZeitaufwandzu erweitern14). Die Risikenliegendarin,daß dieseÜber-
nahmenuraufgrund derPrämissederIchgleichheit kann.Als
des anderenerfolgen
alterego erscheintder andereals frei,seinVerhaltenzu variieren,genauwie der
Erlebendeselbstsichfreifühlt.Der Preisfürdie Anknüpfung an fremdePerspek-
tivenist,so könntemanüberspitzt formulieren,derenUnzuverlässigkeit.

10) Vgl. WendeilR. G a r n e r : Uncertainty


and Structure as Psychological
Concepts,
New York - London 1962.
11) Ein Blickin die Rechtsgeschichte
zeigtdennauch,daß die Ermittlungdessen,was man
als Rechterwartenkonnte,die primäreSorge war, die Rechtsdurchsetzung dagegen
durchausprivaterInitiativeund wechselnden überlassenbleiben
Kräfteverhältnissen
konnte.
12) Hierzu findensich,vor allem was Kontingenzund Motivationbetrifft, anregende
Überlegungen bei JamesO 1d s : The Growthand Structureof Motives.Psychologi-
cal Studiesin the Theoryof Action.Glencoe,111.,1956,insb.S. 185 ff.Vgl. auch
Robert L. Marcus: „The Nature of Instinct and the Physical Bases of Libido".
GeneralSystems7 (1962), S. 133-156.
13) Vgl. die besondereBerücksichtigung diesesGradesder Komplizierungin der Umwelt-
typologievon F. E. E m e r y : „The Next ThirtyYears.Concepts,Methodsand Anti-
cipations".Human Relations20 (1967), S. 199-237 (221 f.).
14) Donald M. M a c K a y : „The Informational Analysisof Questionsand Commands".
In: Colin Cherry (Hrsg.): Information Theory.FourthLondonSymposium. Lon-
don 1961, S. 469- 476 (471), behandeltunterdiesemGesichtspunkt Kommunikation
als „Erweiterung"der ohnehinschonselektiven Wahrnehmungsfunktion.

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Auf diese Problemlage hin entwickeln sichneuartige Problemlösungen, die als


Reflexivwerden des Erwartens charakterisiertwerdenkönnen15). Der Erwartende
muß lernen,nichtnur fremdes Verhalten, sondernauchfremdeErwartungen zu
erwarten, vor allem die an ihm selbstgerichteten Erwartungen. Anders als gegen-
überder Naturwirddie Anpassung unterMenschen nichtnurübergelernte Ver-
haltenserwartungen, sondernüber gelernteErwartungserwartungen geleistetund
auf dieserabstrakteren Ebenepsychisch undsozial gesteuert16).Dies Erwartenvon
Erwartungen ist für jedes Verhalten erforderlich,das Menschen als Menschen be-
rücksichtigt - fürdie Erhaltung von Ordnungen ebensowie fürihreZerstörung,
für Kooperationebensowie fürKonflikt17). Es liegtnichtnur,aber auch der
Normbildung zugrunde.
Wer Erwartungen des anderenablesen,lernenund dannselbsterwartenkann,
ist durchMiterwartung fremder Erwartungen in derLage,eineUmweltmitmehr
Alternativen zu sehenund trotzdementtäuschungsfreier zu leben.Er kann die
erforderlichen Verhaltensabstimmungen, wennihmnichteigeneMotivezu sehrin
die Querekommen, internvollziehen, das heißtweitgehend ohneKommunikation.
Darin liegtdie Chanceeinerwesentlichen Verkürzung von Anpassungszeiten, die
es ermöglicht, im Rahmensehrkomplexer, verhaltensoffener Sozialsysteme zu-
sammenzuleben. Man kann die zeitraubenden und heiklen(weil zu bindenden
Darstellungennötigenden) Kommunikationsprozesse für wenigeoffenePunkte
reservieren, die man auf der Basis eines vorausgesetzten Erwartungskonsenses
situationsweise als Themenwählenundwechseln kann.Fernerlassensichaufgrund
solcherEinfühlung in fremdes Erwartenkonsensfähige Regelnund Symboleab-
strahieren, in denenverschiedenartiges Verhalten vorgesehen ist- etwa„Besuchs-
zeit ist sonntags zwischen 11 und 12.30 Uhr". Eine solcheRegel läßt sichlernen
und als identische Orientierungsprämisse verwenden, von der aus je nachSituation
undPartnern Erwartungen gebildetundargumentativ gestütztwerdenkönnen.

15) Als Erläuterungdieses Begriffsder Reflexivitätsiehe Niklas Luhmann : „Reflexive


Mechanismen".Soziale Welt 17 (1966), S. 1-23.
18) Diese Steuerunesweiseund ihr Zusammenhangmit der Möglichkeiteines i'erspektiven-
austauschesund einer entsubjektiviertenWeltsichtist namentlidivon Mead unter dem
nicht ganz zureichenden Begriff des „role-taking" beschriebenworden. Vgl. insb.
George H. M e a d : Mind, Self and Society from the Standpoint of a Social Behavio-
rist.Chicago 1934. Parsons' Begriffder „complementarityof expectations" bleibt da-
gegen im Objektiven der bloßen Konformität aufeinander bezogener Erwartungen
verschiedenerPersonen stecken,wenngleichin der Problemformelder „double contin-
gency" und in der Theorie symbolischerGeneralisierungdas Freiheits-und Unsicher-
heitsproblemberücksichtigtwird. Vgl. insb. Talcott Parsons / Edward A. S h i 1 s
(Hrsg.): Toward a General Theory of Action. Cambridge, Mass., 1951, S. 14 ff. und
Talcott Parsons/ Edward A. Shils : Working Papers in the Theory of Action.
Glencoe, 111., 1953, insb. S. 35 ff. Vgl. dazu die berechtigte Kritik bei Johan Gal-
tung: „Expectations and Interaction Processes'*. Inquiry 2 (1959), S. 213-
234. Weiterhin nützlich: Ragnar Rommetveit: Social Norms and Roles.
- Minneapolis
Explorations in the Psychology of Enduring Social Pressures. Oslo
1955, S. 41 ff.; John P. Spiegel : „The Resolution of Role Conflict Within the
Family". Psychiatry20 (1957), S. 1-16; P. H. Maucorps /Rene Bassoul:
„Jeux de miroirs et sociologie de la connaissance d'autrui". Cahiers internationaux
de Sociologie 32 (1962), S. 43-60; R. D. L a i n g / H. P h i 1 1 i p s o n / A. R. L e e :
- New York
InterpersonalPerception.A Theory and a Method of Research.London
1966- Thomas J. S c h e f f : „Toward a Sociological Theory of Consensus". American
Sociological Review 32 (1967), S. 32-46. . _ _ „. . , „ „. .
") Für den Konfliktsfall vgl. Thomas C. Sc helling: lfoe strategy oj ^onjuct.
Cambridge,Mass., 1960, insb. S. 54 ff.; speziell für Ehekonflikte S p i e g 1 , a. a. O.,
e
und L a i n g u, a., a. a. O.

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Noch profilierter trittdieseLeistunghervor,wennman eine dritteEbene der


Reflexivität miteinbezieht:das Erwartenvon Erwartungserwartungen. Das klingt
nurin dertheoretischen Nachkonstruktion gekünstelt.Praktisch istdiesedreistufige
Reflexivitätdurchausleistbar.So erwartetdie Hausfrau,daß ihr Mann abends
von ihrkaltes,nichtaberwarmesEssenerwartet. Der Mann mußseinerseits diese
Erwartungserwartung miterwarten können,weil ihmnurso klarwedenkann,daß
er miteinemunerwarteten WunschnachwarmemEssennichtnurUngelegenheiten
bereitet,sondernauch die Erwartungen seinerFrau in bezug auf sein Erwarten
durcheinanderbringt, was, wennwiederholt betrieben,sehrweittragende Unsicher-
heitenzur Folge habenkann.Diese dreistufige Reflexivitätermöglicht rascheund
rücksichtsvolle,kommunikationslose Verständigung, die nichtnurdie Erwartungen,
sondernauchdie Erwartungssicherheit des Partnersmitin denBereichderBeacht-
lichkeiteinbezieht- allerdingsmitentsprechend gesteigertenIrrtumsrisiken, die
wohl nur in sehr kleinenSozialsystemen in engen Grenzengehaltenwerden
können.
Die Einbeziehung fremder Erwartungen odergarErwartungserwartungen in die
vereinheitlichende Synthese einer eigenenErwartungsstruktur erfordert eine Ent-
'ung
personalisier des Sollens,die ihrerseitsvom faktischen Konsens aller unabhän-
gig gestelltwird18).Das Sollenwird,im Unterschied etwa zu Wünschen oderBe-
als und
fehlen, anonymes objektives Gebot erlebt;sonst würde es nur als eineäu-
ßerlichherangetragene Forderung, nichtals das eigentlich gesollteErwartendes
andernselbsterscheinen. Objektivitätdes Sollensist mithinein unentbehrliches
Requisitder Erwartungsintegration im einzelnenSubjekt,ein notwendiges Dar-
stellungselement der Norm - aber sie hat als solches zunächst nur subjektiven,
postulatorischen Charakter.Wieweitihre Institutionalisierung gelingt,ist eine
andereFrage.
Entpersonalisierte,in SollformgesetzteRegeln ersparenes, den ungeheuer
komplizierten und unübersichtlichenAufbaufaktischer Erwartungszusammenhänge
- des Erwartensvon Erwartungen in jeder Hinsichtund seitensaller relevant
Miterlebenden - mitall seinenIrrtumsrisiken im Erlebennachzuvollziehen. Statt
dessenorientiert man sichan einemsymbolischen Kürzel,das normalerweise die
Integration des Erwartensreibungslos vollziehtund die Risikender Fehlinterpre-
tation des anderenMenschenabsorbiert.Andererseits kann man im faktischen
Erlebenso gebildeteNormenstetswiederunterlaufen, wennund soweites mög-
lich ist,Erwartungen bzw. Erwartungserwartungen zutreffend zu erwarten, sich
wechselseitig darinzu verstehen und darineineBasis fürnormänderndes, modifi-
zierendesoder abweichendes Verhaltenzu finden19). Die „Geltung"von Normen
beruhtauf der Unmöglichkeit, dies in jedemZeitpunktfürjede Erwartung jeder-
mannsfaktisch zu tun20).

18) Siehe dazu etwa Fritz H e i d c r : The Psychology of Interpersonal Relations, New-
York - London 1958, S. 218 ff.,der die Objektivität des Sollens allerdings als eine
primäre Erltbriisqualitätund nicht als ein funktional begründbaresErfordernisdar-
stellt.
19) Das äußere Erscheinungsbilddiese? Prozesses des Unterlaufens und Abwandeins ist
vielfach beobachtet worden. Siehe z. B. Anselm Strauss u. a.: „The Hospital and
Its Negotiated Order". In: Eliot Freidson (Hrsg.): The Hospital in Modern
Society. New York 1963, S. 147-169; Gerd Spit tier: Norm und Sanktion.
Untersuchungen zum Sanktionsmechanismus. Ölten - Freiburg/Brsg. 1967, insb.
S. 106 ff.
20) Im Vorgriffauf die sogleichzu behandelnde Unterscheidung und kogniti-
normativer
ver Erwartungensei angemerkt, im kognitiven
daß die gleicheErscheinung Bereichzu
beobachtenist: Auch hier gibt es eine unpersönliche,objektiveAußenstabilisierung
3 Soz. Welt

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3. Den Kern dieserÜberlegungen kannman auf die Formelbringen, daß das


Miterwarten fremder Erwartungen es demErwartenden ermöglicht, Anpassungen
als Reaktionauf eigeneZustände,also leichter und schneller zu vollziehen.Dieser
Vorteilberuhtauf der Einbeziehung fremder Erwartungen in die eigeneErwar-
tungsstruktur,auf einemanmaßenden Miterwarten fremder Erwartungen in einer
Weise,die mit dem eigenenErwartenkonsistent ist. Das Erwartungsfeld wird,
obwohles fremde Erwartungen einschließt, aufseigeneErwartenhinharmonisiert.
Dem anderenMenschen wird nichtnur das erwarteteVerhalten, sondernineins
damitauchdie dazu passendeErwartungshaltung zugemutet. Der anderesoll sich
nichtnurkomplementär verhalten, er soll auchkomplementär erwarten. Erstdiese
Einbeziehung fremder Erwartungen gewährleistet nämlich die Erwartungssicherheit,
dennerstsie postuliert den anderenMenschen als einen,der die Erwartungen zu
erfüllengewillt ist.
Das klingtkompliziert, ist abereineSelbstverständlichkeit: Man kannvon sei-
nemVerlobtennichternsthaft erwarten, daß er die Ehe eingehenwird,und zu-
gleicheinräumen oder dochoffenlassen, daß er die Eheschließung nichterwartet.
Ein so widerspruchsvolles Bild istnichtdurchzuhalten, es zwingtzur Entscheidung
in der einenoderder anderenRichtung. HinterdieserSelbstverständlichkeit steht
der Zwang zur Vermeidung von Überkomplexität in der Formkognitiver Disso-
nanz21).Genau dieserZwang ist es, der zu jenengefährlich homogenen Erwar-
tungsbildernführt - und zu laufenden Enttäuschungen.
Diese Enttäuschungslast ist,da durchdie harmonisierende Selektivitätder Er-
wartungsstruktur bedingt, prinzipiell unvermeidlich22). Sie wäre unerträglich,
gäbe
es nichtjene beidenkonträren Strategien des Lernensund des Nichtlernens, mit
denenderErwartende auf Enttäuschungen reagieren kann.Das Geheimnis des Er-
folgesliegtdarin,daß Entgegengesetztes die gleicheFunktionerfüllen kann,Ent-
täuschungen abzuwickeln. Lernenund Nichtlernen sindin dieserHinsichtfunktio-
nal äquivalent.Das erleichtert das FindeneinerLösungfürjeden Fall. Je nach
der Bedeutungder Erwartung und den Chancen,sie durchzubringen, kann man
sichfürFesthalten oderAufgeben entscheiden.
Diese Wahl wirddurchReflexivität des Erwartens steuerbar. Ich kanndie eige-
nen Erwartungen in bezugauf den anderenumbauenoderfesthalten je nachdem,
was die Erwartungen des anderenfürdie eigeneErwartungsstruktur bedeuten.
Ich kannden anderenmiterlebend in
verfolgen dem, wie er sichselbstund dem-
zufolgeauch micherwartet.Wennmir das unerträglich ist,kann ich aber auch
meineeigenenErwartungen in bezug auf den anderenkontrafaktisch festhalten,
weil die faktischen Erwartungen des anderennichtdie sind,die ichbrauche,um
michselbsterwartenzu können.Ich kann,mit anderenWorten,meineprimäre
Reaktionsbasis in den Erwartungen des anderenin bezugaufmichoderin meinen

von Erwartungen durch„Dinge",die,wennZweifelaufkommen, durchRückgriff auf


erwartbareErwartungen der Beteiligtenbehobenwerden.Man orientiert sich mit
einemfragendenBlick beim Nächsten,ob dies wirklichdie Tür zur Toilette,ein
Aschenbecher, die Dame des Hauses,ein zu Ix'wunderndesKunstwerk ist.
21) Im Sinnevon Leon Festinger: A 1heoryof kognitiveDissonance,hvanston,
Ill/WhitePlains,N. Y., 1957.
22) Der Umfangder Enttäuschungslast hängt,wie hier nichtweiterausgeführt werden
kann,vom erwartenden Systemund von seinerUmweltab, nämlichvom Realismus
der Erwartungsbilder auf der einenund von der Zahl derAlternativenauf der ande-
ren Seite. Dieses Verhältnisist vermutlichevolutionärvariabelin dem Sinne,daß
alternativenreichereGesellschaften und dadurchelastischere
auch abstraktere Erwar-
tungsmuster erfordern.

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Erwartungen in bezug auf den anderensuchenund michdementsprechend ent-


wederlernend-konformistisch-darstellend-manipulierend odernormierend-fordernd-
mahnend-lobend-tadelnd verhalten.
Es fälltauf,daß manchePsychologen dazu tendieren, die zweitedieserStrate-
gien,das Festhalten dereigenenErwartungen in bezugauf denanderen,als patho-
logischoder doch als unterentwickelt anzusehen,beide Strategienalso nichtals
gleichwertig anzuerkennen23). Ob das geradevom Standpunktder Stabilisierung
psychischer Systemeaus nichtein Vorurteil ist,stehedahin.Kennzeichnend ist,daß
der Psychologe dabei nuran ein lernunwilliges Verhaltenauf eigeneFaust denkt
- nichtauchan ein Verhalten, das die gleicheStrategiewählt,sichdabeiaberauf
die herrschende Moral,die Institutionen, das Rechtstützt.Daran erhellt,daß erst
soziale Normendas Nichtlernen in eine anerkannte, risikolose,erfolgsträchtige
Strategieverwandeln,daß erstsoziale Normendas Nichtlernen entpathologisie-
ren. Das psychische Systembrauchtbei kontrafaktischen Stabilisierungen soziale
Deckung.
Wir könnenauch formulieren: Das soziale Systemkann die so wichtigeEnt-
scheidung zwischen Lernen und Nichtlernen nichtalleinden Integrationsmechanis-
muspsychischer Systemeüberlassen. Wennichzum Beispieleine neue Sektretärin
erhalte,findeichmeinenErwartungsstil und damitauchmeineEntscheidung zwi-
schenLernenund Nichtlernen sozial vorreguliert: In bezug auf ihrAussehen-
icherwarteeineblonde,erhalteabereinedunkle- habe ichlernbereit zu erwar-
ten,kannzumBeispielnichtdas Umfärben derHaare verlangen. In bezugaufihre
Leistunghabe ich lernunwillig zu erwarten;ich darf meineErwartungen nicht
jedemvon ihrgewählten Leistungsniveau anpassen.
Die soziale Steuerung bedientsichder Mechanismen, die wir schonkennen.Sie
beruhtauf der Möglichkeit, Erwartungen zu erwarten- in unseremBeispiel:
meineErwartung an die Sekretärinzu erwarten- , und auf der Differenzierung
zwischenlernbereiten und lernunwilligen Erwartungen. MeinErwartenwirdlern-
unwilligerwartetals teilslernbereit, teilslernunwillig. DieserAufbauzeigt,daß
die Stabilisierungpsychischerund sozialer auf
Systeme gemeinsame Grundelemente
zurückgreift,sichalso nichtvölligtrennen läßt. ErstdurchSystembildung in einem
Feld sinnhaft erwartbarer Interaktion tretenpsychische und soziale Systemeaus-
einander,und nurin bezugauf dieseSystemelassensichPsychologie und Soziolo-
gie trennen24).Es gibtjedochelementare Mechanismen sinnhafter Erlebnisverarbei-
tung,die in beidenSystemenzugleichbenutztwerdenund sichdaher,abstrakt
und ohne System referenzgesehen,nichtals psychisch bzw. sozial charakterisieren
lassen.Ohne Rückgriff auf Mechanismen der geschilderten Artläßt sichdie Funk-
tionvon Normenwederfürpsychische nochfürsozialeSystemebegreifen25).

23) Laing u. a., a. a. O., S. 15 ff., zeigen zum Beispiel, daß diese Strategie sidi mit
dem psychoanalytischen Begriff der „Projektion" deckt. O. J. Harvey/ David E.
Hunt/ Harold M. Schroder: Conceptual Systems and Personality Organi-
zation.New York - London1961,würdendarineinpsychisches SystemderErlebnis-
verarbeitung von relativgeringerKomplexitäterkennen(vgl. z. B. S. 34 ff.).
24) In dieserAnsichtkonvergieren neueresystemtheoretischeÜberlegungen,die damitden
alten Gegensatzvon Individuumund Gesellschaft als von Natur diskreter Einheiten
überwinden. NatürlicheDiskretheithat nurder Organismus, nichtauchdas psychische
Systemdes Menschen. Vgl. dazu WalterBuckley : Sociologyand ModernSystems
Theory.EnglewoodCliffs,N. J.,1967,z. B. S. 44, 100 f.
za) Dies sei vorbeugendbemerkt gegenden zu erwartenden Einwand,der hiervertretene
Normbegriff sei psychologisch
begründetund daherunmaßgeblich.

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36 NiklasLuhmann

4. Im Anschlußan einenVorschlagvon JohanGattung26) kannman lernbereit


erwartete Erwartungen kognitive Erwartungen nennen, lernunwillig erwartete Er-
wartungen dagegennormative Erwartungen.
Die Entscheidung zwischendiesenbeidenStilendes Erwartensund des Ver-
haltensangesichts von Enttäuschungen kannnurin begrenztem Umfangfallweise
und situationsabhängig getroffen werden.Sie folgtihrerseits durchweginnen-
bestimmten Regeln und Wahrscheinlichkeiten und wird für den Erwartenden selbst
wie auch füranderein wichtigeren Fällen vorhersehbar. Die Entscheidung zwi-
schenLernenund Nichtlernen wirddannsozusagenim Hinblickauf etwaigeEnt-
täuschungen vorweggenommen, sie wirdin die Erwartungsstruktur eingebautund
kannso im Erwartenmiterwartet undim Stil des Erwartens mitangekündigt wer-
den. Man legtdann im vorausfest,ob man bestimmte Erwartungen im Enttäu-
schungsfalle revidierenwirdoder nicht,und ist dank dieserFestlegung angesichts
einer Enttäuschung soforthandlungsbereit. In weitemUmfange- keineswegs
abervollständig - wirddie Entscheidung demeinzelnendurchdas sozialeSystem
vorgegeben: dadurch,daß „man" normativerwartet, daß er kognitivbzw. nor-
mativzu erwarten habe.
Da es nur diesebeidenReaktionsmöglichkeiten des Lernensoder Nichtlernens
gibt,läßt die Unterscheidung sicheindeutigdefinieren. Sie liegtder insOntologi-
scheverabsolutierten Dichotomie von Sein und Sollenzugrundeund erweistderen
Vollständigkeit.Es gibtkeinendritten Typ. Aberes gibteinenweitenBereichvon
faktischen Erwartungen ohneeindeutige Zuordnung zu demeinenoderdemande-
renTyp,von Erwartungen, die die Entscheidung zwischen LernenundNichtlernen
gleichsam offenhaltenoder nur zögernd und revidierbereit ankündigen. An sich
führtja jede Enttäuschung, ja sogarjede Erfahrung zu Korrekturen am Wirklich-
keitsbild.LebenistlaufendeRekonstruktion derWelt.Und erstkompliziert struk-
turierteSinnentwürfe und Selbstidentifikationen ermöglichen es, zwischen norma-
tivenundkognitiven Erwartungen nachMaßgabespezifisch dirigierter Lernbereit-
schaften zu unterscheiden.Sowohl psychologische wie ethnologische Forschungen
sprechendenn auch dafür,die elementaren, ursprünglichen Formender Erwar-
in
tungsstabilisierungMischungen beider Stile zu suchen, die sich nichtdurchjede
Enttäuschung umstürzen lassen,sichandererseits aber notwendigen Anpassungen
nichtverschließen. Die Festlegung auf reinnormatives oder reinkognitives Er-
wartenläuftein hohesRisiko- nämlichdas Risikodes vorherigen Verzichts auf
den je anderenAbwicklungsmodus für nochunbekannte Situationen.Solch ein
Risikogehtman nichtohneNot und nichtohnespezifische Sicherungen ein. Die
von
Differenzierung kognitiven und normativen Erwartungen, symbolisiert durch
die Trennungvon Sein und Sollen,scheinteine evolutionäre Errungenschaft zu
sein,die nurin verhältnismäßig komplexen Gesellschaften benötigt undausgebildet
wird.
In demMaße, als eineTrennung von kognitiven und normativen Erwartungen
werdenkann,lassensichfunktionale
institutionalisiert System- undProzesspeziali-
sierungen an sie anschließen.Für die Betreuung normativer Erwartungen gibtes
schonsehrfrühbesondereRollen: die der Richter.Sie werdenfürden Enttäu-
schungsfall geschaffenund dienendazu, das Durchhalten und Durchsetzen ent-
täuschter Erwartungen mit den Konsensmöglichkeiten in der Gesellschaft zu inte-
grieren.Fürkognitive Erwartungen fehltbisin die jüngsteZeit eineentsprechende

and interaction
26) „Expectations Inquiry2 (1959),S. 213- 234.
Processes'1.

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Normeninsoziologischer
Perspektive 37

Rollendifferenzierung. Zwar habenauchIntellektuellenrollen wie die des Weisen,


des Sehers,des Lehrersihreweitzurückreichende Geschichte27). Sie dienenjedoch,
von wenigenAusnahmen abgesehen, nur der Tradierung überlieferten Wissensund
der Erklärungvon Enttäuschungen, also Bemühungen um ein quasi-normatives
Konstanthalten von Erwartungen. Sie holennichtdas aus demkognitiven Stil des
Erwartens heraus, was in ihm angelegt ist: die Erleichterung des Lernens im Sinne
einerUmstrukturierung von Erwartungen in Anpassung an die Wirklichkeit.Dieses
Ungleichgewicht der gesellschaftlichen
Rollenentwicklung belegtsehrdeutlich, was
auchaus psychologischen Gründenschonzu vermuten ist: daß manaus Anlaß von
Enttäuschungen schlechtlernenkann.Es gibtdeshalbeineArtnatürliche Präferenz
für normativeErwartungen und Enttäuschungsabwicklung. Erst wenn adaptive
Lernprozesse unabhängigvom Enttäusch ungs)alle organisiert werdenkönnen,las-
sen sich kognitiveErwartungen in gleichemMaße wie normativeErwartungen
durcheigensdafürausdifferenzierte Rollenbetreuen. Erstdamitsetztwissenschaft-
licheForschung großenStils ein,und erstdadurchwird die Differenzierung von
normativen und kognitiven Erwartungen zu einem der tragenden Strukturprinzi-
pien des Gesellschaftsaufbaus.
Zu beachtenist außerdem,daß dieseDifferenzierung der Erwartungsstile und
der ihnenzugeordneten Teilsysteme und Prozessemitder Entwicklung abstrakte-
rerFormender Erwartungsidentifikation einhergeht - sie voraussetzend und sie
fördernd. Erwartungen werdenan Begriffen undRegelnorientiert undvondorther
fallweisekonkretisiert.Sie findenihreBegründung in derKonsistenzdes Begriffs-
zusammenhangs. Das erlaubteine gewisseVernachlässigung sozialerAuswirkungen
und Konsenschancen und stütztso die funktionale Spezifikation der Rollen,die
an diesemBegriffssystem und in ihm arbeiten.Währendam Anfangder euro-
päischenÜberlieferung, im vielgedeuteten Spruchdes Anaximander29), die Welt-
ordnungnochals Rechterschien, findenwirheutedas begrifflich geordneteSystem
der Rechtsnormen völlig getrennt von den wissenschaftlichen Theorien,die die
Welt, wie sie ist, betreffen. Die innereKonsistenzbeiderBegriffssysteme wird
durchVerzichtauf Konsistenzzwischenihnenerreicht. Darin spiegeltsichwider,
daß normativeErwartungen ein anderesInstrumentarium der Selbstvergewisse-
rungerhaltenhabenals kognitive Erwartungen.
5. In der normativen Stilisierungdes Erwartensdrücktsichdemnachdie Ent-
schlossenheitaus, nichtzu lernen.Normensindkontrafaktisch Erwar-
stabilisierte
tungen.Der Enttäuschungsfall wirdals möglichvorausgesehen - man weiß sich
in einerkomplexenund kontingenten Welt - , wird aber im vorausals fürdas
Erwartenirrelevant erklärt.Die Erwartung (so verkürzt sichdie Vorstellung des
Erwartenden)motiviertund begründet sichselbstdurchihr Recht,erwartetzu
werden.Auf diesesRechtstütztsichdas Durchhalten der Erwartung im Enttäu-
schungsfalle.Man kannden wahrenSachverhalt nichtaufdecken, nichtargumentie-
ren: Ich kann nichtlernen,also sollstdu handelnbzw. unterlassen. Da läge die
Alternative, dochzu lernen,zu sehrauf der Hand. Die Zumutung muß vielmehr
aus sichselbstbegründet oderaus höherenNormenabgeleitet, jedenfallsalsosollens-

27) Vgl. Florian Znaniecki: The Social Role of the Man of Knowledge. New York
1940.
28) „Woraus aber die Dinge ihre Entstehunghaben, darein finde auch ihr Untergang statt
gemäß der Notwendigkeit. Denn sie leisten einander Sühne und Buße für ihr Unrecht
gemäß der Ordnung der Zeit". Vgl. dazu die Interpretationbei Werner Jäger:
Paideia. Die Formung des griechischenMenschen.Bd. I, 3. Aufl., Berlin 1954, S. 154,
von Polis und Kosmoshervorhebt.
die diesenZusammenhang

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38 Niklas Luhmann

immanentdargestelltwerden. Die Entschlossenheit, nichtzu lernen,darf nichtals


solche erscheinen.
Diese verkürzte,Lernmöglichkeiten auslassende (nichteinmal explizit negieren-
de) Realitätssichtwird durchdie Reflexivitätdes Erwartensund ihrenharmonisie-
rendenEffektermöglicht.Das allein genügtjedoch nicht.Außer dieserMöglichkeit
des Erwartens vph Erwartungenund außer einer hinreichendenDifferenzierung
kognitiverund normativerErwartungenmüssen bestimmteDeutungs- und Ver-
haltenshilfenfür den Enttäuschungsfallgewährleistetsein. Der Erwartende muß
die Möglichkeitvor sich sehen, seine Erwartung im Falle des Zuwiderhandelns,
wenn nichtdurchsetzen,so doch wenigstensals Erwartungbeibehaltenzu können.
Sie muß sich auch im Enttäuschungsfalle noch als Element seinerSelbstdarstellung
und als UnterlageseinesweiterenVerhaltenseignen.Sie darf sichnichtschlechtweg
als Fehler, als Irrtum,als blamable Naivität herausstellen,sondern muß in der
Welt noch einen Platz und einen Sinnbezug finden,und diese Durchhaltbarkeit
muß ihrerseitserwartbarsein. Andernfallswird der Erwartendesich kaum in der
Lage fühlen,der Realität zu trotzen.
Im groben lassen die benötigtenHilfen sich in zwei Gruppen einteilen: in Ent-
täuschungserklärungen und in Verhaltensweisen,vor allem Sanktionen, die das
Beibehaltender verletztenErwartungzum Ausdruckbringen29).Jede Enttäuschung
irritiertdie Erwartung.Deren Fortgeltungkann gesichertwerden,wenn die Ent-
täuschungsich erklärenläßt als ein Ereignis,das mit der Erwartungnichtszu tun
hat, gleichsamvon außen in sie hineinschießtund Ausnahme bleibt. Eine Möglich-
keit solcherDistanzierung ist, die Enttäuschungauf eine Einwirkungübernatür-
licher Kräfte zurückzuführen, sie als Hexerei, als Rache der Toten, als gerechte
Strafe Gottes zu erfassen.Eine andere Erklärungzielt auf die böse Absichtdes er-
wartungswidrigHandelnden, auf Schuld. ModernereMöglichkeitenliefernpseudo-
wissenschaftliche Begriffe:Die Enttäuschungwird auf „Komplexe" des Handeln-
den, auf seine Klassenlage, auf Systemzwänge zurückgeführt.Negative Stereo-
typisierungender „Bürokratie", der „Politiker", der „heutigen Jugend", der
„Kapitalisten und Monopolherren"erfülleneine ähnlicheFunktion.
Enttäuschungserklärungen dieser Art müßten genauer typisiertund untersucht
werden.Sie unterscheiden sichnach dem Glaubenshorizont,den sie voraussetzen-
z. B. Magie, Religion, Wissenschaft;nach der Erklärungsleistung - wie weit sie
z. B. miterklärenkönnen, daß die Enttäuschunggerade mich trifft;nach dem
Ausmaß, in dem sie eine Differenzierungvon kognitivenund normativenErwar-
tungen ermöglichen;und nach dem Ausmaß, in dem sie den Erwartendenselbst
belasten. Auf einige dieser Fragen kommenwir unter II. 5. zurück. Hier interes-
siertzunächstdas Gemeinsame:In allen Fallen wird durchdie Erklärungdas ange-
brachteHandeln von der Erwartungweggelenktauf spezifischeUrsachender Ent-
täuschung,die es zu bekämpfengilt. Sie ermöglichtein Verhalten,das die Erwar-
tung nichtaufgibtund gleichwohlder EnttäuschungRechnungtragenkann - sei
es, daß der Enttäuschtedie spezifischenUrsachender Enttäuschungaus dem Wege
zu räumenversucht;sei es, daß er die Ursachenals außerhalb seines Einflußberei-
cheserlebtund deshalb nur durchAufbau von Ressentiments reagiert.
Ganz ohne Reaktion wird man nichtauskommen.Die Enttäuschungkann am
besten dadurch überwundenwerden, daß der Enttäuschtesichtbaran seiner Er-

hat,wie hierniditnäherbelegtwerdenkann,ihrenGrunddarin,
2d)Die Untersdieidung
zur übermäßigen
daß im Verhältnis WeltkomplexitätErlebenund Handelndifferen-
ziertwerdenmüssenje nadidem,ob die Reduktionsleistungder Umweltoder dem
wird.
Systemzugerechnet

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Normenin soziologischer
Perspektive 39

Wartung festhält,indemer ihrhandelndAusdruckgibt.In zwei Richtungen liegt


die Gefahr:Eine Erwartung, die laufendenttäuscht wird,ohneGegenausdiuck zu
finden,verblaßt.Sie wirdunmerklich verlernt, so daß mansichschließlich an die
Enttäuschung gewöhntund sichnur nochgelegentlich daran erinnert, was man
eigentlicherwartethatte.Dieser Prozeß wird beschleunigt, ja auf den Moment
zusammengezogen, wennanderedie Enttäuschung sehen.Dann wirdeineEntschei-
dung über Durchhalten oder Fallenlassen der Erwartungerwartet, die nurüber-
zeugt,wennsie sofortgetroffen wird. Sowohl in der Zeitdimension als auchin
der Sozialdimension findensichPressionen, denenman durchVerhaltenbegegnen
oderdurchVerzichtentgehen muß.
Erforderlich ist, daß die Reaktion das Festhaltender Erwartungdarstellt.Es
brauchtsichnichtum Sanktionengegenden Normbrecher zu handeln,erstrecht
nichtum Versuche,ihn zur Befolgungder Erwartungzu bewegen.Wollteman
den Normbegriff auf sanktionierte Verhaltensweisen einschränken30), so würde
man ihn fürdie starkenNaturenreservieren und überdiesverkennen, daß das
Durchhaltender Erwartungwichtiger ist als das Durchsetzen.Es gibt andere,
funktional äquivalenteStrategien.
Bin ich miteinemFreundein einemCafé verabredet und treffe ihn dortnicht
an, kannich beimKellnernachihmfragenund durchden Untertonder Enttäu-
schung,Verärgerung und BesorgnismeinerErwartungsnorm Ausdruckgeben.Ich
kannihmspäterVorwürfemachen,kannihmaber aucheine Entschuldigung ab-
nehmenoderin den Mundlegen,die voraussetzt, daß meineErwartung berechtigt
war30a).Ich kannim Café sitzenbleiben und endloswarten,um die Bedeutung der
Norman der GrößemeinesOpfersaufzuzeigen. Ich kannaberauchauf derStelle
wiedergehenund den zu spät Kommenden seinemSchadenüberlassen. Techniken
der Notifikationund Verbreitung des Enttäuschungsfalles, der Ausweitungzum
Skandal und des Auskostens der sozialenResonanz- wennnichtder Norm,so
doch des Skandals - , Technikendes Anmahnensder Normerfüllung oder des
taktvollenAnnehmens von Entschuldigungen, Techniken der Selbstverstümmelung
und des beharrlichen LeidensoderTechniken derSchadensvergrößerung und Scha-
densfreude - es gibtMöglichkeiten genug,der altenNormden einerneuenLage
angepaßtenAusdruckzu geben,so daß jedereine ihmmögliche Strategiewählen
kann.
Alles in allem ist im täglichenLeben eine reichhaltige Auswahlvon Enttäu-
schungserklärungen und Reaktionsweisen in Gebrauch.Diese Reichhaltigkeit bietet
zahllosenNormprojektionen Chancen. Sie entspricht dadurchdem weitgehend
normdurchsetzten Erwartungsstil des Alltagsverhaltens, der seinerseitsunerläßlich
ist,da die menschliche Persönlichkeitin ihrenUmweltbeziehungen in hohemMaße
auf normativeStabilisierung ihrerSelektionsleistung angewiesen ist. Schonhierin
zeigtsichder engeZusammenhang von Normsinnund Enttäuschungsabwicklung.
Andererseits ist auf jene WeisewederKonsistenznochKonfliktsfreiheit, nochgar

30) Das wird häufig, in der Regel aber nicht aus theoretischen, sondern aus methodischen
Gründen vorgeschlagen. Vgl. z. B. Theodor Geiger: Vorstudien zu einer Soziologie
des Rechts. 2. Aufl., Neuwied - Berlin 1964, insb. S. 68 ff.; Ralf Dahrendorf:
Homo Sociologica. 4. Aufl., Köln -
Opladen 1964, S. 28 ff.; Heinrich Popitz :
„Soziale Normen". Europäisches Archiv für Soziologie 2 (1961), S. 185 - 198 (193 ff.);
Gerd S p i 1 11e r : Normund Sanktion.Untersuchungenzum Sanktionsmechanismus.
Ölten - Freibure/Brse. 1967,S. 19 ff.
3oa)Vgl. Ì rarvinTi. Scott / StanfordM. L y m a n : „Accounts".AmericanSociologi-
cal Review3j (1968),S. 46-62.

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40 NiklasLuhmann

funktionaleSpezifikationeinesNormgefüges zu gewinnen. Diese höherenLeistun-


gensindnurdurchSpezifikation derEnttäuschungsabwicklung zu erreichen.
Damit tretenneueAnforderungen an soziale Normenin den Blick,denenwir
in unsererbisherigenPerspektive - mit der Frage nachder Stabilisierung von
Verhaltenserwartungen einzelner- nicht mehr gerechtwerden können. Die Ingre-
dienziendes Sollens- das selektiveVerhaltengegenüber Komplexität,das Er-
wartenvon Erwartungen, die Differenzierung kognitiverund normativer Erwar-
tungen mitsamtden zu ihrerStabilisierung erforderlichen
Strukturen und Prozessen
und Miterwartung
und die Bereitstellung zureichenderEnttäuschungserklärungen
und Reaktionsweisen - : das alles ist schonrechtkompliziert. Es kommtnundie
Beachtung des Systemzusammenhanges hinzu,in demVerhaltenserwartungen sta-
werden,obwohldie Erwartungen
bilisiert des A nichtdie Erwartungen des B sind.

II.
1. Wennman annimmt, daß normativer Erwartungsstil eine lebensnotwendige
Reduktionsleistung ist,muß man zugleichdie Hoffnungauf eine soziale Verein-
heitlichungnormativen Erlebensfahrenlassen.Normenfallennichtvon selbstin
schonintegrierten,konsistenten Musternan. Der Bedarfistviel zu groß,die Situ-
ationenviel zu verschiedenartig und wechselnd, als daß sicheine Integration auf
dieserEbene lebensweltlichen Alltagsverhaltensermöglichen ließe. Schonin Ge-
sellschaftenvon geringer Komplexitätist es ausgeschlossen,daß alle Teilnehmer
dieselbenErwartungen normieren. Um so mehrhängtalle weitereEntwicklung
davon ab, daß die Gesellschaft eine hinreichendeDiversitätdes normativen Er-
wartenskonzediert und strukturell - zumBeispieldurchsozialeDifferenzierung
- ermöglicht. Daher wirdes immerwiedervorkommen, daß die Normdes einen
zur Enttäuschung des anderenwird.Normierungen geratenin Konflikt, und dar-
aus entsteht ein neuartiges,„höherstufiges"Problem:das Problemder doppelten
Enttäuschung.
Um diesesProblemzu sehen,mußmansichzunächstneutralverhalten und die
Optik der vorherrschenden Moral bzw. des Rechts ablegen(denn dieseNormen-
systeme sindschonAspekteder LösungjenesProblems).JedeNormprojektion ist
soziologischzu beachten, auchwennsie herrschenden Vorstellungen entgegentritt31).
Es gibtzwar einenBereichreinenAbweichens, das sichselbstals normlossieht
und seineErwartungen lediglichkognitivan derherrschenden Normordnung und
ihrenMechanismen ausrichtet.Aber: Zur Kommunikation gestellt,beginntauch
der Verbrecher zu räsonieren und eigeneNormenzu entwickeln, weil er anders
seineIdentitätnichtbehaupten, sichnichtdarstellen kann32).Selbstein Dieb, der
einräumt, daß mannichtstehlendarf,wirdin bezugauf die Beurteilung derUm-
ständeseinesFalles und in bezug auf die StrafeeigeneNormenprojizieren.So
fallenEnttäuschungen nichtnurfürdie herrschende Ordnungan, sondernauchfür
31) Diese Auffassung, die zugleichden Begriff derAbweichung auf normative Verhaltens-
erwartungen - welcherArt immer- relativieren muß,scheintsichdurchzusetzen.
Vgl. z. B. RobertK. M e r t o n : „Social Problemsand SociologicalTheory" . In: Ro-
bert K. M e r t o n / RobertA. N i s b e t (Hrsg.): Contemporary Social Problems
and Social Disorganization, -
New York Burlingame 1961,S. 697-737 (731 ff.).
32) Hierzu gut: A. L. Epstein : juridical Techniques and Judiciai Process. A Study
in African Customary Law. Manchester1954. Vgl. auch Spit tier, a. a. O., S. 117
ff. Sobald größere Gruppen mit gleichgelagertenAbweichungsinteressenentstehen,
können auch Spezialrollen für das Räsonieren der Abweichunggebildet werden. Vgl.
dazu Howard S. Becker: Outsiders. Studies in the Sociology of Deviance. New
York- London1963,passim,z. B. S. 38 f.

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Normeninsoziologischer
Perspektive 41

ihre Verbrecher. Die Jugendlichen störendie Ordnung,weil die Ordnungdie


Jugendlichen stört(Schclsky).Auf beidenSeitenmüssenEnttäuschungen verwun-
den und abgewickelt werden,und dabei kanndie eineSeitenichtohneBezug auf
die anderehandeln.Der schonrechtkomplizierte Apparatnormativer Stabilisie-
rungmuß also jetzt doppeltund in wechselseitiger Limitierung gesehenwerden.
Und die Frageist,wie, wemund in welcherVerteilung das soziale SystemNor-
und zur
mierungs- Abwicklungshilfen Verfügung stellt.
2. Das Problemder doppeltenEnttäuschung ist ein Problemder sozialenInte-
gration,zu dessenLösungNormenin Anspruchgenommen werden,allein aber
nichtausreichen. die
Normen, wechselseitigen Enttäuschungen vorbeugenoder sie
mildernund abwickelnsollen,könnenselbstwiederumnurNormensein,die Ent-
täuschungen erfahren und Enttäuschungen auslösen.Sie könnenjenesProblem,das
im normativen Stil des Erwartensselbstbegründet liegt,nichtschondurchdiesen
normativen Stil ausräumen- dadurchetwa, daß sie sichals Normenhöheren
Rangesgebärden.Die integrative Funktiondes Rechtskannnichtin seinerNor-
mativität,in seinerSollqualitätgefundenwerden,denn diese Sollqualitätdient
primärderzeitlichen, nichtdersozialenStabilisierung desErwartens; sievermittelt
Dauer, nichtKonsens.
Angesichts sozialerDivergenzenim normativen Erwartenkann eine Problem-
lösungnur von Mechanismen erwartetwerden,derenfunktionaler Schwerpunkt
in der Sozialdimension (und nichtin der Zeitdimension) liegt.Wir wollendiese
Mechanismen unterderBezeichnung Institutionalisier
ungvon Verhaltenserwartun-
genzusammenfassen und zunächstihreFunktionsweise kurzerläutern, um sodann
zu sehen,wie sie sichmitnormativen Stabilisierungen verbinden lassen.
Es wäre eine reintautologische „Problemlösung", wollteman fürsoziale Inte-
grationschlichtauf Konsensverweisen. Das Problementsteht ja erstdadurch,daß
nichtfürjedes Erwartungsthema die faktischeZustimmung der Handelndenbe-
schafftwerdenkann.Faktischer Konsensist - wennman daruntergleichzeitiges
und gleichsinniges Erlebenversteht - im sozialenSystemknappund kaumver-
mehrbar, da die Fähigkeitdes einzelnenzu bewußterThematisierung engeGren-
zen hat.DurchInstitutionalisierung von Verhaltcnserwartungen kannmandeshalb
faktischenKonsensnichtwesentlich ausweiten,sondernnurbesserausnutzen,ihn
auf gesellschaftlichwichtigeThemenverteilen,Konsensbereitschaften überziehen
und nachBedarfauslösbarmachenundvor allem:Konsenserwartbar machen.Die
Funktionvon Institutionen liegtin der Ökonomiedes Konsenses,und die Er-
sparniswird hauptsächlich dadurcherreicht, daß der Konsensim Erwartenvor-
weggenommen wird, kraftUnterstellung fungiertund dann normalerweise gar
nichtmehrkonkretabgefragt werdenmuß.
Der Mechanismus dieserProblemlösung setztdortan, wo das Problemseinen
Ursprunghat: in der begrenztenKapazität für Aufmerksamkeit. Jede soziale
Interaktionerfordert die Wahl bestimmter Themenfürgemeinsame Aufmerksam-
keitund Kommunikation, und jede Themenwahl impliziert kraftihrersinnhaften
Strukturmehr,als expliziertwerdenkann.Man muß daher,um sinnvollhandeln
zu können,eine akzeptierteSituationsdefinition voraussetzen und den anderen
Teilnehmern ihre Rollen darin zuweisen.Jederhat am Anfangdie Freiheitzu
aber niemandkann,wenner an Interaktionen
protestieren; teilnehmen will,un-
gegenalles Implizierte
aufhörlich explizitprotestieren. IhmbleibtnurderGesamt-
derAbbruchderBeziehungoderdas Sicheinlassen
protest, auf die Basisunterstell-
ten Konsenses.Das Fortsetzender Teilnahmewird dann,ob gewolltoder nicht,

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42 NiklasLuhmann

zur Darstellungvon pauschalerteiltem Konsens,zum Engagement kraftDabei-


seins.Dieses Engagement wird in allen größeren,dauerhafteren Systemenzum
Engagement vor Dritten,vor Zuschauern, vor „jedermann". Es bindetnichtspezi-
fisch,sondernallgemein undistdaherschwerlösbar.
Institutionalisierte
Verhaltenserwartungen brauchennichtunbedingt einenent-
schiedennormativen Stil auszubilden, geschweige denndurchSanktionengedeckt
zu sein33).Sie stabilisieren sichdurchAlternati venlosigkeitund eine daraus fol-
gendeVerteilung von Verhaltenslasten und Risiken.Wer sichinstitutionalisierten
Erwartungen entgegenstemmen will, hat das Schwergewicht einer vermuteten
Selbstverständlichkeitgegensich.Er muß vorläufigangenommene Erwartungen,
auf die anderesichschoneingelassen hatten,durchkreuzen, greiftalso derenSelbst-
darstellungen an. Ihm obliegtdie Last der Initiative,die Last der Verbalisierung
und derExplikation.Er mußdafürsorgen,daß derunbemerkt eingelebteKonsens
durcherteilten Konsensersetztwird.Sein Handelnfälltauf und ist fastunver-
meidlichmitFührungsansprüchen verbunden. Es wirdihmpersönlich zugerechnet
und kannihn ruinieren, wennes scheitert. Das Risikoist entsprechend hoch,oft
entmutigend hoch.Diese Alternative, im Geborgenen unsichtbar zu bleibenoder
riskanthervorzutreten und sichzu exponieren, istfürdie Motivlagebei institutio-
nalisiertenVerhaltenserWartungen bezeichnend. Sie unterbindet nichtjede Abwei-
chungoderNeuerung, sie kannsogarmitdemReiz des Gefährlichen und Persön-
lichendazu motivieren, abersie strukturiert die Kommunikationschancen eindeutig
im Sinneder Institution und läßt Wandelnur zu, wennkonkretüberzeugende
Anpassungserfordernisse ihn nahelegen.
3. Verhaltenserwartungen, die sichauf diesemWegeinstitutionalisieren, können
in ihremnormativen oder kognitivenStil ungeklärtbleiben.Sie sind zunächst
überhaupt nichtim Hinblickauf den Enttäuschungsfall konzipiert. Enttäuschungen
werdennichtmiterwartet, ihreFortdauerwirdnichtals problematisch empfunden.
IhreStabilitätberuhtnichtauf miterlebter Sollqualität,sondernauf alternativen-
loserSelbstverständlichkeit.
In der ethnologischenund der rechtssoziologischen LiteraturwirddieseErwar-
tungsordnung vielfachals Gewohnheit, Brauch,Sitte,custombezeichnet und recht-
lichen,durchSanktionengestützten Normengegenübergestellt34). Diese Unter-
scheidung istjedochzu steif.Sie zwingtzu derAnnahme, daß früheGesellschaften
ohneRechtauskommen35), und dürfteden Mechanismen der Erwartungsstabilisie-
rung,die auch heutenochden Unterbaudes täglichenZusammenlebens liefern,
kaumgerecht werden.Neueresoziologische Forschungen habenjeneselbstverständ-
lichenVorausverständigungen des täglichenLebens,die vermutlich auchwichtige

33)Siehefüreinfachere
Gesellschaften
SiegfriedF. Nadel: „SocialControl
and Self-
SocialForces31 (1953),S. 265-273.
Regulation".
34) Vgl. William G. S u m n e r : Folkways. A Study of the Sociological Importance of
UsagesyMannersy Customs, Mores, and Morals. Boston 1906; Ferdinand Tönnies :
Die Sitte.Frankfurt
1909; Max Weber : Rechtssoziologie.
Neuwied1960,S. 63 ff.;
René König: „Das Rechtim Zusammenhang der sozialen Normensysteme".In:
Ernst E. Hirsch / Manfred Rehbinder (Hrsg.) : Studien und Materialien zur
Rechtssoziologie. Sonderheft 11 der Kölner Zeitschriftfür Soziologie und Sozial-
psychologie,Köln - Opladen 1967, S. 36-53.
35) Daran stößt sich auch Max Gluck man : The Judicial Process among the Barotse
of Northern Rhodesia. Manchester1955, insb. S. 261 ff. Vgl. dazu auch Siegfried F.
Nadel: „Reason and Unreasonin AfricanLaw". Africa26 (1956), S. 160- 173
(161 f.).

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Normenin soziologischer
Perspektive 43

Quellen des RechtseinfachererGesellschaftenbilden, schärferbelichtet36).


An ihren
Ergebnissen kann man nebendiffuser Unbeweglichkeit und fehlender Trennung
von normativen und kognitiven Erwartungskomponenten vor allemdie fehlende
Vorbereitung auf den Enttäuschungsfall ablesen.Sie zeigtsichin zwei Hinsichten:
(1) in der fehlendenSpezifikationund Typisierung von Abweichungen - sie
lassensichnichteinordnen, auf
nicht mögliche Alternativen oder Verhaltensmuster
wie Diebstahl,EhebruchoderBetrugbringenund daherauchnichtin ihremSinn
erkennen; und (2) in derTendenz,abweichendes Verhalten aus diesemGrundent-
wedernichtzur Kenntnisbzw. nichternstzu nehmenoder es als unfreiwillig zu
interpretieren,in krasserenFallenals Ausdruck geistigerErkrankung. BeideMerk-
male zusammengenommen habendie Folge,daß der Abweichende, wenner auf-
fällt,nichtauf Sinngebracht undverstanden werdenkann,sondernganz aus dem
Verkehrgezogenwird.Wer sichzum Beispielständigals unbeschäftigt und ohne
Themadarstellt, wer bei Konversationen einezu großeodereinezu geringekör-
perlicheDistanz einhältoder wer auf die Fragenachder Uhrzeitantwortet:„es
regnet",dem kann man überhauptkein geordnetes erwartbares Verhaltenmehr
zutrauen:er findetsichbald entsprechend abgestempelt. Die Reaktion ähneltder,
die auf Wahrheitsverletzungen folgt:Wersichso verhält,verliert seineEigenschaft
als relevantmiterlebendes Subjektund seinePartnerschaft fürnormaleRollen87).
Abweichungen werden nicht eigentlich sanktioniert,jedenfallsnichtmit Motiva-
tionsmittelnbekämpft, die den Abweichenden auf den rechten Wegbringensollen,
sondernsie werdenkognitivund verhaltensmäßig als Abweichung stabilisiert
und
so erwartbar gemacht. Der Abweichende erhälteinebesondere Abweicherrolle und
wirdin ihrfestgehalten38).
Diese Enttäuschungsabwicklung ist indesnurbrauchbar, wennund soweitAb-
weichungen sinnlosund seltensind.Es liegtauf der Hand, daß nursehreinfache
Gesellschaften oder sehrkleineSozialsysteme in komplexeren Gesellschaften sich
mit diesemIntegrationsmechanismus begnügen können. Sobald sich eine stärker
differenzierteRollenordnung bildet,steigtdie Zahl der erfaßbaren Alternativen
und mehrensichdie Möglichkeiten der Enttäuschung. Die Erwartungsstrukturen
müssendann höherenRisikenangepaßtwerden.Die Enttäuschungsfestigkeit der
Erwartungen muß gesichert werden.Der dazu bestimmte normativeStil des Er-
wartens- selbst,wie wirwissen,ein komplexes Gefügevon Mechanismen - tritt
hervorund wird sprachlich zum Ausdruckgebracht. Der Mechanismus der Insti-
tutionalisierungmußnunnichtmehrnuraufsicheinlebende Erwartungen, sondern
36) Vgl. ErvingG o f fm a n : Behaviorin Public Places. Notes on theSocial Organiza-
tion of Gatherings.New York - London 1963; Harold Garfinkel : „A Concep-
tionof, and Experiments with,¡Trust'as a Conditionof Stable ConcertedActions".
In: O. J. Harvey (Hrsg.): Motivationand Social Interaction.CognitiveDeter-
minants.New York 1963, S. 187- 238; ders.: „Studiesof the RoutineGrounds
of EverdayActivities".Social Problems11 (1964),S. 225-250; ThomasJ. S c h e f f :
BeingMentallyIII. A SociologicalTheory.Chicago1966.
37) Ein bemerkenswertes Indiz fürdiesenZusammenhang ist,daß einfachere
Gesellschaften
und selbstdie klassischen
Hochkulturen Asiensund EuropasRechtsfragen und Wahr-
heitsfragennichtbzw. nur in dem Sinnetrennenkönnen,daß das Rechtals ein be-
sondererBereichdes Wahrheitskosmos, also als etwasSeiendes,gesehenwird.Erstdie
Spezifikation des Wahrheitskriteriumsdurch die neuzeitliche Wissenschaftsentwick-
lung hat diese Trennung definitivwerden lassen und zugleich die volle Positivierung
des Rechts ermöglicht.
3&) Sie kommt heute typisch der Rolle des Geisteskrankenoder des Sonderlings nahe,
kann aber z. B. auch in der Form von Altersrollenzugewiesen werden, nämlich der
eines Kindes oder der eines Greises. Ein gutes Beispiel bei Spittler, a. a. O.,
S. 115 f.

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44 Nikias Liihmann

darüberhinausaufspezielleNormenangewandtwerden- einean sichparadoxe


und unwahrscheinliche Leistung, da die alternativenlose der
Selbstverständlichkeit
Institutionen mit der ins Auge gefaßtenMöglichkeit abweichenden Verhaltens
Wie kanndie prekäreProjektioninstitutionalisiert,
kollidiert. das Nichtselbstver-
ständlicheselbstverständlich sein?39)Die SuchenacheinerAntwortführtan die
Wurzelndes Rechts.
4. Ein wesentliches Elementfürdie LösungdiesesProblemsscheintin der all-
mählichen Ausdifferenzierung besonderer RollenfürRechtspflege zu liegen.Diese
evolutionäre Errungenschaft darfnichtalleinunterdemengen,modernen Aspekt
der Rechtsdurchsetzung gesehenwerden40).Ihre primäreFunktionliegt in der
Vergewisserung des Erwartens aus Anlaß von Enttäuschungen durcheineVerbin-
dungnormierender und institutionalisierender Mechanismen. Eine Vollstreckungs-
gewalt,ja selbsteineEntscheidungsgewalt kannzunächst völligfehlen.
Man begreift dieseLeistungnur,wennman normierende und institutionalisie-
rendeMechanismen zunächstgetrennt sieht.Die Verbindung beidererfordert eine
wechselseitige
Limitierung, eineselektiveSpezifikation derProzesse,die institutio-
nalisierte
Normierung leistenkönnen.Die elementaren Mechanismen müssendabei
zum Teil ausgeschaltet, zum Teil überformt werden.Die institutionalisierenden
Mechanismen stehennununterderNotwendigkeit, normierende
enttäuschungsfeste,
Erwartungen zu produzieren, und diese Erwartungen müssenihrerseits im Hin-
blickauf die Differenzierung des institutionalisierendenProzessesin Rollen für
Richter undfürstreitende Parteienobjektiviert undabstrahiert werden.
Die Institutionalisierung normativer Erwartungen kannnichteinfachdem Ge-
schehen derSituationund den Zuschauern, den umstehenden Dritten,demanony-
men„jedermann" überlassen bleiben,obwohldie Zuschauerin den Rechtsprozes-
sen einfachererGesellschaften nocheine wesentliche, oft ausschlaggebende Bedeu-
tungbesitzenundihrDabeiseindas Institutionelle des Rechtsgeschehensbekräftigt.
Mehrund mehrwird der relevanteKonsens,das maßgebendeUrteilnur noch
von den Richtern erwartet, Meinenverbalisieren
die das institutionelle und zu-
gleichjenesreaktiveund darstellende Handelnan sichziehen,das die Normüber
die Enttäuschung hinwegbringt und ihreFortgeltung symbolisiert.Diese Verbin-
dung erweistsich als so vorteilhaft,daß ihr zunehmend auch die Kontrolle über
die Sanktionen zufließt.Der Spruchdes Richters istdanndie Norm,derenSank-
tionierungdurchdie am StreitUnbeteiligten zu erwarten istund dersichdie Par-
teiendaherfügenmüssen.Ihre eigenenStrategien der Enttäuschungsabwicklung
werdenentsprechend eingeschränkt bzw. ersetztdurcheine neueMöglichkeit: die
Darstellung ihresRechtsvor Gericht.

39) In der soziologisdienTheorieTalcottParsons'ist diesesProblemper postulationem


Die Begriffe
als gelöstvorausgesetzt. Norm und Institutionbekommen dadurcheine
fastgleichlautende Setztman so an, dann verliertman die Problemeaus
Bedeutung.
dem Blick,die sichdarausergeben,daß die elementaren Mechanismen der zeitlichen
und der sozialenStabilisierungvon Verhaltenserwartungennichtvon vornherein kon-
gruent:sind. In dieserVerschmelzung Grunddafürzu
scheintmir der entscheidende
liegen,daß Problemedes strukturellenWandelsunddes sozialenKonflikts bei Parsons
nichtschonim Theorieansatz sind,sondernerstnachträglich
berücksichtigt eingefügt
werdenmüssenund dannin ihrer„Herkunft" nichtmehrverständlich sind.
warnt namentlich die rechtsethnologische Literatur, biehe z. ö.M. b.5mitn:
40) Davor
„The Sociological Framework of Law". In: Hilda Kuper / Leo Kuper (Hrsg.):
AfricanLaw. Adaptationand Development.Berkeley- Los Angeles1965,S. 24- 48
(38 ff.).EinengutenÜberblick StadienderAusdifferenzierung
überverschiedene von
E. AdamsonH o e b e 1 : The Law of PrimitiveMan.
vermittelt
Rechtspflegerollen
A Studyin ComparativeLegal Dynamics.Cambridge, Mass.,1954.

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Normeninsoziologischer
Perspektive 45

Von hieraus ergebensichneueErfordernisse der Institutionalisierung.Sie muß


sichauch auf die Rolle und die Kompetenzdes Richtersund auf das Verfahren
erstrecken40a). Das Rechtsgeschehen muß sichin institutionell erwartbaren Bahnen
vollziehen.Das RisikoeigenerNormprojektion wirdin ein Verfahrensrisiko um-
definiert. Das Verfahren kann in solchemFall einemSysteminstitutionalisierter
Fallen gleichen, die den Prozeß zur Entscheidung bringen41). Die Normenselbst
könnendannaus derRisikozoneherausabstrahiert undals objektivgeltendformu-
liertwerden.Sie müssenzugleichEntscheidungsnorm fürden Richterund Verhal-
tensnorm fürdie Parteiensein - auch das zwingtzur Abstraktion - , und sie
müssenBeständigkeit symbolisieren,die sichder Verfügung im Streit entzieht.
5. Daß evolutionär erfolgreicheEinrichtungen dieserArtglatteProblemlösungen
liefern,ist kaumzu erwarten. IhreLeistungerhellt,wennmandaraufachtet,wel-
cheFolgeprobleme sie erzeugenund wie sie sichdurchBehandlungund Abmilde-
rung ihrer dysfunktionalen Folgenstabilisieren.
Eine der Folgenist die Restriktion und Neuordnungmöglicher Enttäuschungs-
erklärungen. Soll mit der Institutionalisierungvon NormenErnstgemachtwer-
den,so müssenjeneErklärungen ausgeschieden werden,die denenttäuschend Han-
delndenals Abweichenden, zum Beispielals Geisteskranken, stabilisieren,die also
sein Verhaltenals unfreiwillig und als unbeeinflußbar ausweisenund ihmdafür
eineRolle geben.Dafür ist bezeichnend, daß schonin einfachen Gesellschaften die
universellen magischen Erklärungsmittel der Besessenheit durchböse Geisteroder
derHexereidannnichtangewandtwerden,wennes sichum bestimmte Missetaten
unterStammesmitgliedern die
handelt, bekämpft und nach Möglichkeit ausgemerzt
werdenmüssen42). Desgleichenstößtin modernenRechtsordnungen die wissen-
schaftliche Erklärungabweichenden Verhaltens an unüberschreitbare Grenzen,ob-
wohles prinzipiellkeineSchwierigkeiten bereitet,
jedesVerhalten auf sozialeoder
fürden Handelndennichtverfügbare psychische Ursachen zu beziehen. Die wissen-
schaftliche Erklärungwäre ebensouniversellpraktikabelwie die durchHexerei,
wirdaber bei bestimmten Enttäuschungen normativausgeschlossen43). Sie magbei
Verstößengegenkognitiveoder gegensehrelementare Erwartungen ausreichen -
fürnormativinstitutionalisierte Erwartungen abermußeineneuartige, weitgehend
fiktiveEnttäuschungserklärung institutionalisiertwerden:die der individuellen
Schuld.
Die Konzeptionindividueller Schuldist eine ziemlichspäteErrungenschaft der
gesellschaftlichen Entwicklung - spät, weil sie eine auf individualisierte Angst
eingespielte, starkgeneralisierteMoralund eineverhältnismäßig alternativenreiche
Gesellschaftsstruktur voraussetzt.Man findetzum Beispielin den großengriechi-
schenTragödienim Gewändeeinesals sinnlosempfundenen Verhängnisses einen
unausgesprochenen BedarffürIndividualisierung von Schuld,aber nochnichtdie
Institution selbst.Zugleichwirdan diesemBeispieldeutlich, um was es geht.Die
zumeistgenannten, als Fortschritt
in der Strafrechtsgeschichte gebuchten Errungen-
schaften - die VorgabeeinesBezugspunktes fürhöherwertige Motivationsmittel

4°a) Paul Bohannan : „The Differing Realms of the Law". American Anthropologist
67, No. 6 (1965), Part 2, S. 33-42, nennt das glücklich„reinstitutionalization"oder
„double institutionalization".
41) Ein eindrucksvollesMaterial bei Heinrich Siegel: „Die Gefahr vor Gerichtund im
Rechtsgang". Sitzungsberichteder Philosophisch-HistorischenClasse der Kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften51 (1865), S. 120-172.
42) Siehe z. B. Max G 1 u c k m a n : Custom and Conflict in Africa. Oxford 1955, S. 85.
43) Vgl. Vilhelm A u b e r t : „Legal Justice and Mental Health". Psychiatry21 (1958),
S. 101- 113; neu gedrucktin d e r s. : The Hidden Society. Totowa, N. J., 1965.

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46 NiklasLuhmann

und die verfeinerte Zurechnung des Handelnsauf einen„inneren"Tatbestand-


bildennurdie Mythologie, nichtdie FunktionderSchuld.Die FunktionderSchuld
ist es, Erlösungzu ermöglichen. Schuldist eineEnttäuschungserklärung, die es ge-
stattet,das enttäuschende Ereignis auf sichselbstzu isolieren und nicht als unab-
sehbarweiterlaufendes Verhängnis anzusehen, das in Kindernund Kindeskindern
fortwirkt44). Indem die Schuldals Maß der Strafedient,setztsie zugleichden
Folgen der Tat ein Ende - zumindest ein „offizielles"Ende,von demab Diskri-
minierung keinenormative Berechtigung mehrhat45).Der Schuldige wirdSanktio-
nen unterworfen und trotzdemnichtaus dem Erwartungsbereich der Norm ent-
lassen.Die Differenzierung normativer undkognitiver Erwartungsstrukturen zeigt
sichjetzt darin,daß eine „wissenschaftlich" konzipierte, auf Wirkungen hin ge-
planteBehandlung von Verbrechern ganzandereZeit-undReaktionsvorstellungen
benutzenmüßte,als die „gerechte" Aburteilung nachSchuld.
6. Neben die Umstrukturierung der Enttäuschungserklärungen tretenVerände-
rungen im Bereich der Enttäuschungsabwicklungen, vor allem was die Differenzie-
rungvon Lernenund Nichtlernen betrifft.Wir hattenschongesehen,daß kein
normativer Mechanismus Enttäuschungen ausschließen kann.Bei gerichtlichen Ver-
fahrenfallensie für den an, der den Rechtsstreit verliert.Er muß das Urteil
akzeptieren.Üblicherweise wird dieserEffektvon der Institutionalisierung des
Verfahrens selbst,von derAnerkenung seinerLegitimität erwartet undsicherheits-
halbernochvon eindeutigüberlegener Zwangsgewalt. Siehtman genauerzu, so
erkennt man aber,daß die eigentliche, auf den Einzelfallzugeschnittene Leistung
im Verfahren selbsterbracht wird,und zwar durchdie Art,wie normative und
kognitiveErwartungen differenziert, also Formender Enttäuschungsabwicklung
getrennt werden46).
ObwohlderRechtsstreit in seinerWurzelein Konfliktnormativer Erwartungen
ist und damitimmerauch Streitüber normativeErwartungserwartungen, also
Streitüber das Rechtzum Streit,zeigenRichtergeradefür diesenErlebensstil
wenigVerständnis. Es ist ihreFunktion, durchabsichtsvoll subtilesMißverstehen
der Parteiennormativen Streitroutinemäßig in Dissenszu transformieren, in eine
lediglichkognitive zu
Divergenz verwandeln47). Zumindest müssen die Beteiligten
sichvor Gerichtim kognitiven Stil verhalten, müssensichvernünftig und lern-
bereit(wenngleich unüberzeugt) geben,müssensichwechselseitig in Rollen aner-
kennenund so tun,als ob es nurum richtige „Erkenntnis" von Tatsachenoder
Rechtsnormen gehe. Ihr aufgestörtes Rechtsgefühl kommt nichtoder nurals Stö-
rungdes Verfahrens zu Wort.Auf dieseWeisedientdas Verfahren als konflikt-
lösenderMechanismus. Es istim Vergleich zumursprünglichen Streitfastisomorph
gebaut48): Alle Streitthemen werdenvorgetragen und mitminutiöser Sorgfaltge-

44) Wie starkdiese ältere Interpretation in den Strukturen einfacherer Gesellschaften


begründet und in ihnenunabweisbar war, zeigtSiegfriedF. N a d e 1 : „Social Con-
troland Self-Regulation".Social Forces31 (1953),S. 265-273.
45) Die Schwierigkeiten,die die faktischeVerwirklichung dieserBeendigung las-
bereitet,
sen ahnen,welcheHindernissein älterenGesellschaften der Konzipierungund In-
individuellerSchuld entgegengestanden
stitutionalisierung haben - auch hier das
Beispieleiner evolutionären Errungenschaft, die von einer gegebenenAusgangslage
aus unwahrscheinlichwar.
46) Hierzu im einzelnenNiklas Luhmann : Legitimationdurch Verfahren.(Im
Druck.)
47) So auchVilhelmAubert : The Hidden Society.Totowa,N. J., 1965,S. 98 f.
48) Zur Isomorphievon Konfliktslösungsmechanismen vgl. JohanG a 11 u n g : „institu-
tionalizedConflictResolution" '. Journalof Peace Research1965, S. 348- 397, insb.
S. 356.

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Normeninsoziologischer
Perspektive 47

prüftund geradedadurchunmerklich vomNormativen ins Kognitiveumstilisiert.


Am Ende wird entschieden. Der Gewinnerdarf das Erkenntnis als Bestätigung
seinerNorm ansehenund hat keinenAnlaß, darübernachzudenken, auf welche
Weiseer Rechtbekommen hat. Der Verliererwird an seinerdargestellten Lern-
bereitschaft
festgehalten;die ihmfehlendeEinsichtwirddurchUrteilsubstituiert.
FürunbeteiligteDritteistdamitklar,werlernenundwernichtlernenmuß.
Ohne Zweifelsind die Lernbedingungen im Verfahren rechtungünstig, da man
in normativbestimmten Enttäuschungslagen schlecht lernen kann. Das Lernen
kommteigentlich nur im sozialenSystemzustande,indemdem Enttäuschten die
Möglichkeit genommen wird,fürdie Fortsetzung seinerNormPartnerundUnter-
stützungzu finden.Wie er das Lernenpsychisch leistet,bleibtihmüberlassen. So
tauchtdie Frage auf, ob es im Bereichnormativer Erwartungen nichtauch ent-
Lernengebenkönne.
täuschungsfreies
Man muß sichzunächstvor Augenführen, wie paradox diese Zumutungund
wie unwahrscheinlich die geforderte Leistung NormativesErwartendrücktja
ist.
die Entschlossenheit
aus, nichtzu lernen,und nunsoll dieseEinstellung selbstge-
lerntund gegebenenfalls ohne AnstoßdurchEnttäuschungen umgelernt werden.
Nur sehrkomplexeGesellschaften könnenso unwahrscheinliche Institutionen bil-
den,könnenLernprozesse und normatives Durchhalten der Erwartungen im Ent-
täuschungsfalleso weit auseinanderziehen, daß beide nichtinterferieren. Die Lö-
sungliegt in der Positivierung des Rechts - einer evolutionären Errungenschaft,
die nach manchenfrüheren Anläufenerstin der modernenIndustriegesellschaft
voll verwirklichtwordenist.
PositivesRechtwirdjetzt als ein Normensystem begriffen,das durchEntschei-
dung zustandekommtund durchEntscheidung geändert werden kann. In den
rechtsetzenden Entscheidungsprozessen findetein primärkognitivorientiertes,
durchZwecke,kaumaberdurchNormenstrukturiertes Lernenstatt,das das Recht
der gesellschaftlichen
Entwicklung anpaßt. Entsprechend müssendie vom Recht
Betroffenen laufendRechtsänderungen lernen,mögensie nun enttäuschen oder
nicht.Ihnenwirdeineprimärkognitive Einstellung zumRechtabverlangt, die sich
auf gegebeneSignalehinumstellen läßt. Nur so istdie hohestrukturelle Variabili-
tät zu verwirklichen,die ein unabdingbares Erfordernis des Normengefüges sehr
komplexer Gesellschaftenist.Die Folgensindein hoherSicherheitsbedarf des ein-
zelnen,derdurchRechtsbestandsgarantien abgedeckt werdenmuß,ferner Unkennt-
nis als Normaleinstellungzum Rechtund einebemerkenswerte Trivialisierung der
„nur" rechtlichen Aspektedes Zusammenlebens, aus denenman Gefühl,Selbst-
darstellungund personaleIdentitätzurückzieht49).
Daß eine solcheOrdnungsichuntersehr voraussetzungsreichen gesellschafts-
strukturellenVorbedingungen stabilisierenläßt,kannmanheutesehen.Nichtüber-
sehendarfman dabei,daß nurein sehrgeringer Teil des normativen Erwartens
dieseFormdes positivenRechtsannimmt. In der täglichenInteraktion fungieren
die elementaren Mechanismen der Erwartungsbildung weiter.Sie bringennachwie
vor zahlreichenichtins Normativeoder Kognitivespezialisierte Erwartungen
hervor,in denenwenigRisikenstecken,weil Abweichungen sinnlosund selten
sind: Erwartungen überdas Erkennen undBeachtenderGrenzensozialerSysteme

49) Zu Trivialisierung
als Anpassungsstrategie
bei turbulenten
UmweltensieheauchF. E.
Emery : „The Next ThirtyYears. Concepts,Methodsand Anticipations". Human
Relations20 (1967),S. 199-237 (225 ff.).

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48 Normenin soziologischer
Perspektive
und über die Zurechnung von Handlungenauf Ursachenoder Wirkungen auf
Handlungen;Erwartungen über die angebrachte Orientierungan Erwartungen
oder Erwartungserwartungen;Erwartungen überden richtigen körperlichenAb-
standbei Konversationen,überein Mindestmaß an Aufmerksamkeit fürdas ge-
meinsame Themain sozialenSituationen oder darüber,daß es fürdas Verhalten
einenUnterschied ausmacht,ob man gesehenwird oder nicht.In diesemBereich
gibtes beständige,
weitgehendunerforschteOrdnungen - manmöchtefastsagen
ein Naturrecht. Und möglicherweisekönnenwir hier die verlorengeglaubten
GrundlagenpositivenRechtswiederfinden; nichtals einennormativenÜberbau,
der regeltund eingrenzt,
was als positivesRechtgeltensoll,wohl aber als einen
Unterbau,
erwartungssicheren derunsbefähigt, positivesRechtauszuhalten.

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