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Bärenreiter

Review
Author(s): Margarete Reimann
Review by: Margarete Reimann
Source: Die Musikforschung, 9. Jahrg., H. 3 (1956), pp. 369-370
Published by: Bärenreiter on behalf of Gesellschaft für Musikforschung e.V.
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/41114956
Accessed: 21-01-2016 01:54 UTC

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Besprechungen 369

den sollen. Indessen sind dies Kleinigkei- role* nannte, den Begriff,chorea' und den
ten, die den Wert der Ausgabe kaum be- Klang ,choraula im Sinne hatte".
rühren.Man wird dem Hrsg. fürseine ge- Als Ergänzungzu MGG mußte das hier in
diegeneArbeitnur dankbarsein können. Erinnerunggebrachtwerden.
Anhang: S. XIV (Anmerkungen)beruftsich Rudolf Stephan,Gottingen
St. für die Etymologiedes Wortes Carol
auf die DissertationÉtudesur la carole me- Ireneo Fuser: Classici italiani dell'or-
dievale von Margit Sahlin (Uppsala, 1940). gano, Prefazione,biografiee note in testo
Da er weder in dem vorliegendenWerk, italiano ed inglese,Padua 1955, EditionZa-
noch in MGG II (856 ff.) auf die damit nibon,Padua, 176 S.
verbundenenFragen eingeht,muß man an- Der Hrsg. hat sich die Autgabe gestellt,
nehmen,daß er sich von den Argumenten „di raccoglierein ordinecronologicoquanto
Sahlins hat überzeugenlassen. St. verweist meglio e di più significativo"„di quello . . .
ferner auf einen Artikel von Catherine che comprendele gemmepiù preziose della
Miller in Renaissance News (III, 1950), letteraturaclassica organistica" (italiana)
der die AbleitungSahlinsmitmusikalischen des 16. bis 17. Jahrhunderts, d. h., begin-
Argumentenbekräftigensoll, in der Tat nend mitdem älterenCavazzoni und schlie-
aber nichtsWesentlichesbeibringt.Die Ety- ßend mit G. B. Martini - das ist ein
mologie Sahlins ist jedoch unhaltbar. Sie historischesZiel. Gewidmet ist der Band
heißt: „agli organisticolti e dotati di magistero
tecnico e artistico" - das ist ein musi-
„Kyrieleison- Kyrielle- karielle - Ziel. Hier tritt,wie bei
kariole - karole". kalisch-praktisches
allen für den praktischenGebrauch be-
H. Spanke hat in seiner gehaltvollenRe- stimmtenAnthologiendieser Art, das Pro-
zension(Literaturblatt f. germ.u. rom.Phi- blem klar zutage. Der Historiker wird
lologie 64, 1943, 106 f.) diese Herleitung fragen,mit welchem Recht Meistern wie
mit gutenArgumentenabgelehnt.Am mei- T. Menila, E. Pasquini, Quagliati, Cavac-
sten überzeugt mich die von L. Jordan cio, Pollaroli, Aresti u. a. die Aufnahme
(Zeitschr.f. rom. Phil. 51, 1931, 335 ff.) verweigertwurde;weshalb,anstatt,wie be-
vorgeschlageneAbleitung von „coraules" wußt im Fall des älterenCavazzoni, neues,
(= zum Tanz der Sklaven aufspielender unbekanntesMaterial zu bieten,bei insge-
Flötist)über „coraula" ; dieses ist im Früh- samt 66 Stücken,von denen rund 10 allein
mittelalterreich belegt (auch in Sequen- schon innerhalb geschlossenerVeröffent-
zen!). Von hier aus gingdas Wort(mitz. T. lichungenvorkommen(das gilt von den In-
verschiedenerBedeutung) in alle romani- tonationenGabrielis und den Stückenvon
schenSprachen,fernerin das Keltischeund Frescobaldi) 22 aufgenommensind, die
bereitsin den Beispielsammlungen und An-
und Englische über. Spanke schließt sich
aber mehr der Etymologie Gröbers (der thologienvonWasielewski,Schering, Torchi,
Tagliapietra u. a. gebotenwurden.Er wird
auch andere folgten) an, der „coronula" weiterhineinen kritischenBerichtvermis-
als Etymonannahm und glaubt schließlich sen, für den nur gelegentlicheine knappe
auch an einen Einflußvon „chorea44durch Fußnotezu den einzelnenStückenals Ersatz
die Vermittlung von „choreóla"(was Jordan auftritt.Selbst die Angabe der Siglen der
gerade ablehnte). Schließlichfaßt Spanke benutztenHss. fehlt. Hier heißt es meist
seine etwas synkretistischeMeinungin fol- enigmatisch „da un manoscritto". (Und
gende wieder konstruktivenSätze zusam- weshalb ist in Nr. 10 das Wiederholungs-
men: „,carole gekört zu den Ausdrücken, zeichen, das doch erkanntist, eliminiert?)
die von den Technikern(hier Musikanten) Er wird schließlichin den kurzen Biogra-
bewußt, d. h. außerhalb der Wirkungdet phie- und Werknotizen,die dem Notenteil
Lautgesetzeneu geschaffenwurden; in der vorangestelltsind, die Unkennntnisneue-
Liedkunstgehörtdie ,Rotrouenge* auf das- rer Literaturbeanstanden- Frescobaldiist
selbe Blatt.Nahe an ,chorea liegt im Pro- z. B. immernoch der Schöpferdes Rubato,
venzalischendas Verbum,coreiar' = ,dan~ und der Begriffdes Ricercarsbei Cavazzoni
ser en ronde', aber ein Substantivleitete ist nach wie vor mißdeutet-, in den Werk-
man davon weder hier noch in Nordfrank' analysen und allgemein ästhetischenBe-
reich ab. Es ist wahrscheinlich,daß der trachtungen die manchmalgefährlicheNähe
Spielmann,der zuerst den Reigentanz,Ca- zur Seichtheit.

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Der Organist seinerseitswird im Zweifel sofern er über eine Orgel mit Pedal ver-
sein, was er mit Stückenwie z. B. dem Of- fügte.Da das nichtdie Normwar, erübrigte
fertoriumvon Zippoli anfangen soll, die sich fürden Komponistendie systematische
heutedochkaumnochfürliturgische Zwecke weitere Angabe einer Pedalstimme. Wir
brauchbarsind und nur rein historischen müssenmit dem Hrsg. hier eine aufschluß-
Wert innerhalbder Entwicklunghaben; er reicheund weittragendeSpielpraxiserken-
wird bedauern,daß nicht für mehr Stücke nen, „che si viene a far luce su certi movi-
Kürzung der Notenwerte vorgenommen menti armonici finora rimasti incompren-
wordenist (man vgl. daraufhindie Nrn. 25, sibili". MargareteReimann,Berlin
27, 38 u. a.), und er wirdvermehrteAnga-
ben zur Phrasierung, Agogik,Dynamik,Re- Giovanni Battista Martini:
gistrierungvermissen,was der Historiker Sechs Sonaten für Cembalo oder Klavier.
gerade zu bedenkenhat. (Beiden, dem Hi- Johann Gottfried Müthel: Drei
storikerwie dem Spieler,wirdübrigensun- Sonaten fürKlavier.
verständlichsein, weshalb von Frescobaldi - Zwei Ariosi mit zwölf Variationen für
bei vier Tokkatenund zwei Kanzonen kein Klavier. Hrsg. von Lothar Hoffmann-
Ricercar und keine Fantasie aufgenommen Erbrecht. Leipzig: VEB Breitkopf&
sind, die an Wert und Bedeutungin nichts Härtel 1954. (MitteldeutschesMusikarchiv.
hinter dem hier Gebotenen zurückstehen.) R. 1: H. 5-7.)
All diese Fragestellungenaber werfenzu- Nach seiner verdienstvollen Veröffent-
vorderstnur ein Licht auf die Problematik lichung Plattischer Klaviersonaten fährt
solcher Anthologienüberhaupt; sie offen- L. Hoffmann-Erbrecht mit Eifer fort,seine
baren wenigerein Versagen des Hrsg., der ertragreichen Forschungenzur Klaviermusik
in ihnen immerzwei Herrenzu dienenhat, des 18. Jahrhunderts mit Ausgaben fürden
was bekanntlichniemandemvoll gelingt. praktischenGebrauch zu illustrieren(vgl.
Sonst enthält die Sammlung,die die Ge- sein BuchDeutscheund italienischeKlavier-
samtentwicklung klar übersehenläßt, viel musikzur Bachzeit,1954). Von den beiden
des Guten, das einen Organisten inter- Sonatensammlungen des Padre Martini
essierenmuß. Zu loben ist besonders,daß von 1742 und 1747 legt er die zweite,bis-
vornehmlich zeitgenössischeHss. und Drucke her zusammenhängend noch nichtneu her-
als Quellen herangezogen sind und daß ausgegebenevor, nachdemdie ältere schon
manchesdes kaum oder gar nichtBekann- längerin zweiGesamtausgabenund auchmit
ten von Meistern wie Aldrovandini,Ca- Einzelausgaben ihrer Sonaten zugänglich
sini, Cima, Guami, Malvezzi, Rossi, Mar- war. Ihr Favoritstück, die F-dur-Gavotteam
tini veröffentlichtist, aus dem ein geradezu Schlußder 12. Sonate, der man immerwie-
prachtvollesRicercar von Conradini weit der in Sammelwerken begegnet,ist wohl ge-
herausragt.Auch der Historikerkann man- eignet,in das Wesen dieser ersten Samm-
ches lernen; er findet- entgegender Ana- lung mit ihrertraditionsgebundenen, stren-
lyse Fusers - im Ricercar III von G. Ca- gen Schreibweise bis in die Tanzsätze hinein
vazzoni erneutdie Anlage des Variations- einzuführen. Aber geradeweil diese in Am-
ricercars,lange vor Frescobaldi, und be- sterdam erschienenen Suitensonaten von
obachtet dessen Entwicklungzum Thema 1742 sich fast eigensinniggegen die italie-
mit Variationen, die auch in Süddeutsch- nische Umwelt ihrer Zeit abschließenund
land heimisch ist, in dem Pensiero von weil Martini,der sich hier im besten Sinne
Casini. Ihn wird besonders die, unseres als Meister kontrapunktischer Gestaltung
Wissens hier zum erstenMal, vorgetragene im Klaviersatz erweist, darin bei seinen
Entdeckungder Pedalangabe bei Padovano Schülernkaum Nachfolgegefundenhat, ver-
angehen. F. machtbekannt,daß der ersten dientedie spätereSammlungin ihrerSchlüs-
Tokkata des Primo libro di toccate ed selstellungzur zeitgenössischen italienischen
ricercarivon Padovano große Buchstaben Sonatenproduktioneinmal näher bekannt
unter der Baßstimme zugesetzt sind, die zu werden,um das Bild des Sonatenkompo-
sich der jeweiligen Harmonik glatt einfü- nisten nach dieser Seite hin abzurunden.
gen. Er deutet sie überzeugendals Pedal- Martiniist sich dieses Stilwandelsübrigens
zusatz und schließtmit Recht aus der Tat- durchausbewußt gewesen. In den Briefen,
sache, daß diese Angaben den folgenden mit denen er die jüngerenSonaten seinem
Stückenfehlen,daß sie jeweils vom Spieler Verleger anbietet (L. Busi, //Padre Mar-
ergänztwerdenkonnten;wir fügenhinzu: tini, I, Bologna 1891, S. 356 ff.),rühmter

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