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Panopticon
27. November 2010 Einen Kommentar hinterlassen Kommentare lesen

1 von 16 08.01.2011 17:36


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Wenn man den Ursprung der Überwachungstechniken auskundschaftet, die die heutige Gesellschaft zu
ertragen hat, kommen einem Begriffe wie Videoüberwachung, Polizeistaat und vieles mehr in den Sinn.
Doch der wirkliche Ursprung liegt weit entfernt von diesen modernen Begriffen, viel weiter zurück als man
denkt, ferner finden wir uns in zwei Ereignissen wieder, die den Weg zu den vielseitigen
Überwachungstechniken geebnet haben. Doch ich möchte diese Ereignisse nicht gleich zu Anfang beim
Namen nennen.

Eine angenehme Leseposition könnte durchaus von Vorteil sein, denn es geht auf Reisen.

Unsere erste Station beginnt mit einer kleinen Vorbemerkung zu den Gedanken Hegels in Bezug auf einen
Begriff: die Anerkennung. Hegel ging davon aus, dass der Wunsch nach Anerkennung am Startpunkt der
Menschheitsgeschichte stand. Die Gesellschaft teilte sich in Herren, die bereit waren, ihr Leben zu
riskieren und in Knechte, die der Todesfurcht nachgaben und sich freiwillig unterwarfen. Auf diese Weise
kam es schließlich zu einem Dilemma, dass der Knecht nicht als Mensch anerkannt wurde, der Herr aber
wurde ebenso wenig anerkannt.

Denn der Herr wurde ja nur von Knechten anerkannt, nicht von Menschen. Hobbes untersuchte in seinem
Hauptwerk »Leviathan« die Situation des Menschen im so genannten Naturzustand und kreierte die
berühmte Formel: „Homo homini lupus“ – Der Mensch ist des Menschen Wolf.

Das menschliche Wesen ist von Grund auf egoistisch, strebt nur nach eigenem Vorteil, nach Erhaltung
seiner Existenz und nach dem Besitz möglichst vieler Güter. Im Naturzustand herrscht – wenn man so will
– der Kampf aller gegen alle. Nach den Lehrmeinungen von Platon und Aristoteles wurde in ihren
Staatsentwürfen davon ausgegangen, dass es in einer Gesellschaft um die Durchsetzung einer universalen
Gerechtigkeit gehe. Doch Hobbes dachte Gesellschaft nicht von diesem Ideal her, sondern vom Herrscher
aus:

Der Souverän erlässt Gesetze, die als einzig legitimer Maßstab gelten. Eine gerechte Handlung bemisst
sich also nicht an der absoluten Wirklichkeit, die noch Platons Philosophenkönige zu sehen vorgaben,
sondern einzig an den geltenden Gesetzen. Gerecht ist, wer sich an die Gesetze hält. Dazu muss der
Einzelne im Hobbes´schen Staatsentwurf seine Souveränität an den Staat abgeben, der ihm im Gegenzug
Schutz gewährt (nicht zu verwechseln mit dem Rechtsbegriff garantiert).

Damit ist der Gedanke des Gesellschaftsvertrages in der Welt, der zugleich ein Herrschaftsvertrag ist.
Jeder schließt mit jedem einen Vertrag, indem er auf die ursprünglich zukommenden Rechte verzichtet,
zugunsten eines in den Vertrag nicht eingeschlossenen Dritten. Dieser Dritte geht keine Verpflichtungen
gegenüber den Herrschaftsunterworfenen ein. Er bleibt wirklich der Herr, der Souverän . Der
Gesellschaftsvertrag ist die Vorraussetzung dafür, handlungsfähig zu sein und zu bleiben.

Die Hauptsache in Hobbes Staatsentwurf besteht in der Identifizierung des Einzelnen (mit dem Staat).
Hier war es vor allem Carl Schmitt, der Hobbes Thesen aufnahm – nicht um diese zu entschärfen, sondern
um sie zu radikalisieren. Und nun wird es interessant, denn Michel Foucault erteilte allen
vertragstheoretischen Macht-Konzepten, die von Hobbes bis Marx in die Welt kamen, eine Absage und
kehrte die bedeutenden Fragestellungen um:

An die Stelle der Frage, was die Subjekte (die Unterworfenen) bereit sind von ihrer Macht
abzugeben, um sich der schützenden Macht zu unterwerfen, fragt Foucault danach, wie
Unterwerfungstechnologien überhaupt erst Subjekte hervorbringen.
An die Stelle der Suche nach dem zentralen Punkt, von dem Macht ausgeht, setzt Foucault die Idee
von Machtbeziehungen und untersucht Macht als Resultat unterschiedlichster, sich teils auch
aufhebender Kräfteverhältnisse.
Für Foucault steht nicht das Gesetz im Fokus der Macht, sondern die vielfältigen, technologisch
forcierten Techniken des Zwangs.

Für ihn ist Macht nicht im Besitz einer bestimmten K lasse angesiedelt, und kann daher auch nicht einfach

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durch den Sturm auf ihr Zentrum erobert werden, denn die Macht hat kein Zentrum und wird auch nicht
von einem einzelnen Punkt aus kontrolliert. Macht wirkt durch kleinste Elemente, sie wirkt als Netz, das
die Familie, die sexuellen Beziehungen, die Wohnverhältnisse, die Schule, die Krankenhäuser, die
Psychiatrie, Gefängnisse und vieles weitere mehr als Feld von Kräfteverhältnissen und Macht/Wissens-
Techniken begreift.

Daher brauchen Machtverhältnisse auch nicht unbedingt Gewalt, sondern an erster Stelle die Anerkennung
des anderen als Subjekt mit einer normierten bzw. normalisierungsbedürftigen Individualität. Wer ist
heute nicht gerne normal, oder wird zu den Normalen gezählt? Bereits hier herrscht Zwang, der Zwang
dazuzugehören, der Zwang normal zu sein. Die Normierungsidee bei Foucault ist eng mit den beiden
großen Paradigmen der Machtstrukturen verbunden, die sich im Umgang mit den Ereignissen zeigten, die
ich zu Anfang noch im Dunkeln ließ.

Das Lepra-Paradigma,

welches mit bestimmten Notmaßnahmen versehen war, die zur Bekämpfung der Lepra in die Wege
geleitet wurden, gelten als ein entscheidendes Machtparadigma des Abendlandes. Wesentlich für die
Bekämpfung der epidemisch auftretenden K rankheit war der kanonisierte Ausschluss . Zwischen 1400 und
1430 musste der Leprakranke in gewissen Diözesen (Bezirke) Nord- und Ostfrankreichs eine
Aussetzungszeremonie über sich ergehen lassen.

Mit dem Gesang „Libera me“ wurde der Leprakranke wie für einen Toten in die K irche geführt, hörte die
Messe, versteckt unter einem so genannten K atafalk (Bahre), bevor er zum Schein beerdigt und zu seiner
neuen Wohnstätte geleitet wurde. Diese lag möglichst weit entfernt von der Zivilisation. Wer Lepra hatte,
wurde aus dem Gemeinwesen verbannt. Leprakranke waren Todgeweihte. Sie wurden vertrieben und in
der Totenmesse als lebende Tote behandelt.

Dieses Modell des Ausschlusses wirkt in der modernen Gesellschaft zwar fort (so ist der Umgang mit
Bettlern und Obdachlosen noch heute zu sehen. Stadt- bzw. Platzverbote gehören nach wie vor zur
gängigen Praxis), hat aber, verglichen mit dem zweiten großen Machtparadigma, eine eher marginale
Bedeutung. Das Lepra-Paradigma gehorcht den Prinzipien des Ausschlusses, es ist – aus Sicht der
Herrschenden – gewissermaßen mit negativem Vorzeichen versehen.

Eine negative Machttechnik, die letztlich im Machtverlust endet, da gerade durch und vor allem mit dem
Ausschluss des Leprakranken die Macht über die Ausgeschlossenen aufhört. Dagegen ist das
Pest-Paradigma wesentlich wirkungsvoller und mächtiger. Wir werden noch sehen, dass der Schatten der
Pest bis in die Gegenwart hineinreicht und andauert.

Das Pest-Paradigma ,

welches die Lepra-Machttechnik ablöste, ist aus Sicht der Herrschenden eine positive Machttechnologie.
Statt Ausschluss geht es hier um Einschluss und damit um die Steigerung der Effizienz der
Machtausübung. Um das näher zu erklären, möchte ich daran erinnern, wie das Unter-Quarantäne-Stellen
einer Stadt vor sich ging, wenn eine Pest ausbrach.

Im Falle der Pest wurde nicht aus-, sondern eingesperrt. Trat in einer Stadt Pest auf, wurde diese und
damit ein bestimmtes Territorium unter Quarantäne gestellt. Mit militärischer Exaktheit wurde das Gebiet
bewacht. Aus der Pest-Stadt gab es kein Entrinnen. Unerbittlich wurde die Einschließung betrieben und
überwacht. Im zweiten Schritt wurde nun das Eingeschlossene gnadenlos verwaltet. Folgende Maßnahmen
gab es vom ausgehenden Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein bei Pest-Alarm:

Die gesamte Stadt wurde in Bezirke und Viertel unterteilt.


Für jede Straße wurden Wächter ernannt, für jedes Viertel Inspektoren, in jedem Bezirk
Bezirksverantwortliche.
Außerdem wurde eigens zum Zweck der Pest-Einschließung eine Regierung ernannt und mit
zusätzlichen Machtbefugnissen ausgestattet.
Alle Bürger des Quarantänegebietes mussten sich namentlich registrieren lassen.
Jedem Individuum wurde ein Fenster in seinem Wohnhaus zugewiesen, an dem er zum täglichen
Appell erscheinen musste. Erschien er nicht, wurde davon ausgegangen, er sei krank – dann wurde
der Kranke isoliert.

Auf diese Weise wurde in der Pest-Stadt eine lückenlose Analyse des gesamten Territoriums
unternommen. Dabei wurde die Struktur der modernen Stadt mit ihrer Einteilung in Bezirke, Unterbezirke
und Straßen erfunden. Außerdem installierte sich parallel zur Raumverwaltung in der Stadt unter
Quarantäne, eine pyramidale Machtstruktur. Diese wurde kontinuierlich weiter entwickelt, der Fokus war
auf lückenlose Überwachung und Erfassung der einzelnen Individuen gerichtet.

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Die Fortentwicklung des Pest-Paradigmas, also des Eingeschlossen-Werdens, findet ihren Höhepunkt in
allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, den Institutionen und Anstalten, in denen heutzutage
eingeschlossen, behandelt und therapiert wird. Diese Einrichtungen haben vor allem ein gemeinsames
Ziel:

Die Normalisierung,

sie wurde zur Idee. In dem Moment, wo die Idee der Norm und des Normalen in der Welt ist, gibt es
Unnormales, die Anormalen. Der gesamte Mechanismus der Disziplin in der modernen Gesellschaft drängt
auf Normalisierung. Dabei werden die Anormalen nicht einfach ausgestoßen, denn das wäre die negative
Machttechnologie des Lepra-Paradigmas. Vielmehr widmet man den Anormalen besondere
Aufmerksamkeit.

Das Straf-Paradigma war das der Abschreckung . Man setzte darauf, dass niemand das Schicksal der
Verbrecher teilen wollte, wie zum Beispiel öffentliche Entwürdigungen, Erniedrigungen und Demütigungen.
Das neue Paradigma der Bestrafung nun setzte erst in zweiter Instanz auf Abschreckung, in erster auf
Besserung . Aus Gefängnissen wurden Besserungsanstalten und Umerziehungslager, die vor allem ein
Ziel verfolgten: Normalisierung. Die Strafe bestand nicht mehr in der abschreckenden Demütigung, den
öffentlichen Ausschluss, sondern in der Normalisierung.

Normalisierung ist die Gewalt der Disziplinierung. Die Individuen werden mithilfe von bestimmten
Machtmechanismen gebildet. So ist die Schule ebenso wenig auf die Vermittlung von Allgemeinwissen aus
wie die Individuen durch die Psychiatrie auf Heilung oder die Reifung des Einzelnen innerhalb der
bürgerlichen Gesellschaft allgemein auf Freiheit. Der Tenor all dieser Individuationen ist – im
Foucault´schen Sinne – einzig die effiziente Überwachung.

Gesteigertes Allgemeinwissen, Linderung von Symptomen oder (scheinbar) steigende Freiheitsgrade der
Individuen sind bloß Nebeneffekte einer Machttechnologie, die sich am Umgang mit der Stadt im
Pestzustand geschult hat. Doch es gibt noch einen entscheidenden Aspekt, der in dieser
Gegenüberstellung sehr gerne übersehen wird, auch und vor allem weil der Zustand des gesellschaftlichen
Zusammenlebens allgemein als Normalität empfunden wird.

Die Umkehrung der Sichtbarkeit

Die traditionelle Machtausübung war durch Repräsentation gekennzeichnet. Die Könige und Herrscher
ließen sich sehen, sie erstrahlten im Lichte ihrer Macht. Schmuck und Prunk hatte zuerst die Funktion, die
Herrscher sichtbar zu machen, während die Untergebenen, an denen die Macht vollzogen wurde, im
Dunkeln blieben. Sie bildeten eine amorphe Masse, die – gegenüber der deutlichen Sichtbarkeit des
Souveräns – bestenfalls als dunkler Hintergrund in Erscheinung trat.

Diese Machtökonomie der Sichtbarkeit kehrt sich durch die Disziplinarmacht der bürgerlichen Gesellschaft
komplett um. Die Disziplinarmacht strebt nach Unsichtbarkeit, sie tritt in den Hintergrund. Ihr perfektes
Funktionieren wird in einem Zustand repräsentiert, in dem sie überhaupt nicht mehr ins Licht treten muss.
Aus der Macht des Souveräns, der sich selbst darstellt und seine Macht besonders im Bestrafen ausübt,
wird die möglichst unsichtbare Macht, die ihre Herrschaft in der Disziplinierung durchführt.

Erstere hat ihren Ort im Herrenhaus, im Palast, Letztere im Körper des Individuums. Doch diese
Umkehrung geht noch weiter. Indem die Macht aus der Sichtbarkeit heraustritt, stellt sie die ins Licht, die
ihrer Macht unterworfen sind. Die Disziplinarmacht richtet die Scheinwerfer nun von der Bühne ins
Publikum, der Einzelne steht nun im Rampenlicht und damit im potenziellen Zugriff der Macht. Die
Umkehrung von Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit hat auch im Bereich der Massenmedien einen bedeutsamen
Platz eingenommen, doch dies steht auf einem anderen Blatt.

Mit der Kartografie der Stadt im Pestzustand beginnt die Ära der Disziplinarmacht, die zur herrschenden
Machttechnologie der modernen bürgerlichen Gesellschaft wird. Um dies deutlich zu machen, bediene ich
mich an den Plänen des Gefängnisarchitekten Jeremy Bentham. Bentham kehrte mit seinen Entwürfen für
das so genannte panoptische Gefängnis das Prinzip der Einkerkerung um und schuf somit einen neuen Typ
von Gefängnis.

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An der Peripherie ein ringförmiges Gebäude; in der Mitte ein Turm, der von breiten Fenstern durchbrochen
ist, welche sich nach der Innenseite des Ringes öffnen; das Ringgebäude ist in Zellen unterteilt, von
denen jede durch die gesamte Tiefe des Gebäudes reicht; sie haben jeweils zwei Fenster, eines nach
innen, das auf die Fenster des Turms gerichtet ist, und eines nach außen, so dass die Zelle auf beiden
Seiten von Licht durchdrungen wird. Es genügt demnach, einen Aufseher im Turm zu postieren und in
jeder Zelle, einen Irren, einen Kranken, einen Sträfling unterzubringen.

Vor dem Gegenlicht lassen sich vom Turm aus die kleinen Silhouetten in den Zellen des Ringes genau
einsehen. Jeder Käfig ist ein kleines Theater, in dem jeder Akteur allein ist, vollkommen individualisiert
und ständig sichtbar. Die panoptische Anlage schafft Raumeinheiten, die es ermöglichen, ohne Unterlass
zu sehen und zugleich erkennen.

Aus dem dunklen Kerker, der die Aussätzigen verbergen sollte, wurde das hellgrelle Licht der
Überwachung, in dem die Anormalen, die Normalisierungsbedürftigen, kontrolliert werden. Die
Einkerkerung entspricht ziemlich genau der Ausschließung gemäß des Lepra-Paradigmas, so liegt gemäß
dem Pest-Paradigmas das Augenmerk auf der Verwaltung. Der Mensch wird nicht aus reinem
Entwicklungsdrang oder gar aus freiheitlicher Menschenliebe und gewachsener Reife der Menschheit zum
bürgerlichen Individuum, sondern dadurch, dass er eingeschlossen und registriert wird.

An diesem „Dispositiv der Disziplinierung“ (Foucault), arbeiten alle Institutionen der bürgerlichen
Gesellschaft mit. Dabei gilt es besonders im Hinblick auf die Erarbeitung einer neuen Machttechnologie zu
begreifen, dass alle Phänomene von der Erfindung und Kartogorafie immer neuer Krankheiten durch die
Medizin und Psychiatrie, über die Durchnummerierung der Häuser und der Einführung von Postleitzahlen
bis hin zur biometrischen Erfassung des Einzelnen durch die Meldebehörden, zentrale Macht- und
Kontrollmechanismen sind.

Diese Mechanismen sind Individualisierungsmechanismen, die weder von ihrer Intention noch von ihrer
Praxis darauf abzielen, die Menschen zu befreien, sondern einzig darauf, sie zu überwachen. Michel
Foucault fand auch klare Worte dafür: „Die Disziplinarinstitutionen haben eine Kontrollmaschinerie in
Gang gesetzt, die als Mikroskop des Verhaltens funktioniert; ihre feinen analytischen Unterscheidungen
haben um die Menschen einen Beobachtungs-, Registrier- und Dressurapparat aufgebaut“ (Foucault
1977,S.223)

Das Panopticon

Die Bedeutung, die das panoptische Gefängnis für die Institutionen und Organe einer Regierung spielt, ist
kaum zu überschätzen. Durch die Umkehrung der Sichtbarkeit wissen wir: So wie der Herrscher aus dem
Licht tritt, wird der Beherrschte sichtbar. Ich komme noch einmal auf das Gefängnis zurück, um das
Panopticon verständlicher zu machen, insbesondere Klarheit darüber zu schaffen, mit was wir es hier zu
tun haben.

Die Zellen sind zum Turm hin mit Sichtscheiben versehen, zu den Seiten schließen feste Mauern die
Insassen gegeneinander ab. Die radikale Sichtbarkeit geht also Hand in Hand mit Isolation, wodurch sich
das Panopticon wiederum für mehrere Zwecke als geeignet erweist. Der entscheidende Effekt, durch den
sich das Panopticon von allen Vorläufern in der Gefängnisarchitektur strukturell unterscheidet, tritt ein,
wenn der Turm des Aufsehers etwas modifiziert wird: mit einer verspiegelten Scheibe.

Mit diesem technischen Trick wird ein permanenter Sichtbarkeitszustand erzeugt, der die Macht
internalisiert. Warum das so ist?

Der Zelleninsasse kann nun nicht mehr unterscheiden, ob er beobachtet wird oder nicht. Weil er nicht
sieht, ob er beobachtet wird, muss er immer damit rechnen, beobachtet zu werden. Das führt zur

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Verinnerlichung der möglichen Beobachtung, so dass der Gefangene sukzessive selbst die Beobachterrolle
des Wärters übernimmt. Im Dispositiv der Selbstbeobachtung wird diese Strategie ständig
weiterentwickelt. Das ist der Kern des „panoptischen Dispositivs“. Der architektonische Apparat ist eine
Maschiene, die ihr Machtverhältnis so erfolgreich aufrecht erhalten kann und vom Machtausübenden, vom
Aufseher oder Wärter , völlig unabhängig ist.

Die Häftlinge sind Gefangene einer Machtsituation, die von den Gefangenen selbst gestützt wird. Zu
diesem Zweck hat Bentham das Prinzip aufgestellt, dass die Macht sichtbar, aber uneinsehbar sein muss;
sichtbar, indem der Häftling ständig die hohe Silhouette des Turms vor Augen hat, von dem aus er
bespäht wird; uneinsehbar, sofern der Häftling niemals wissen darf, ob er gerade überwacht wird, – aber
er muss sicher sein, dass er jederzeit überwacht werden kann.

Mit anderen Worten: Im Außenring des Panopticons wird man vollständig gesehen, ohne jemals zu
sehen; im Zentralturm sieht man alles, ohne je gesehen zu werden . Es ist derart konstituierend für die
Zivilgesellschaft, dass man ihm – dem Panopticon – seinen kriegerischen Ursprung, den es im Gefängnis
hat, kaum noch ansehen kann. Videoüberwachung und Polizeistaat, das sind ebenfalls Folgeerscheinungen
einer Machttechnologie, die sich am Umgang einer Stadt im Pest-Zustand geschult und weiterentwickelt
hat.

Quellen / Verweise

Heinz von Foerster 1999: »Sicht und Einsicht«, Heidelberg

Michel Foucault 1977: »Überwachen und Strafen«, Frankfurt a.M.

Michel Foucault 1978: »Dispositive der Macht«, Berlin

J.J.Rousseau 2005: »Der Gesellschaftsvertrag«, Frankfurt a.M.

N. Luhmann 1987: »Soziale Systeme«, Frankfurt a.M.

N. Luhmann 1990: »Die Wissenschaft der Gesellschaft«, Frankfurt a.M.

Kommentare (6) Trackbacks (1) Einen Kommentar hinterlassen Trackback

1. vadis
8. Januar 2011 um 18:24 | #1
Antworten | Zitat

6 von 16 08.01.2011 17:36


Panopticon « http://gedankenfrei.wordpress.com/2010/11/27/panopticon/#comm ...

Dein Kommentar wartet auf Freischaltung.

echt krass.
Vielen Dank für diesen sehr informativen Artikel.

2. Nico Burmeister
25. Dezember 2010 um 23:46 | #2
Antworten | Zitat

Lieber Andreas,

ich wünsche Dir und den Deinen eine besinnliche und erholsame Zeit.

In diesem Sinne Frohe Weihnacht und ein besseres Jahr 2011.

Nico
3 Stimme/n

3. Jan
25. Dezember 2010 um 16:11 | #3
Antworten | Zitat

Lieber Andreas,

ich wünsche Dir und den Deinen eine besinnliche und erholsame Zeit.

In diesem Sinne Frohe Weihnacht und ein besseres Jahr 2011.

Jan
3 Stimme/n

4. zdago
1. Dezember 2010 um 01:57 | #4
Antworten | Zitat

@der Wunsch nach Anerkennung am Startpunkt der Menschheitsgeschichte stand. Die


Gesellschaft teilte sich in Herren,

nicht notwendigerweise. Nach der Evolutionstheorie war es die erste Erkenntnis, das man in der
Gruppe besser jagen kann. Es es ist dabei sinnvoll (ÜBERLEBENSWICHTIG), das Verhalten zu
optimieren. Derjenige, der besser sehen kann, nimmt eine Überwachungsposition eine. Der beste
Spurenleser geht bei der Verfolgung an der Spitze – usw.
Es gab eine einfache Regel – alle Männer zogen am Morgen aus – und derjenige, der den größten
Bären am Abend anschleppte, war der beste jäger! Wer nicht wiederkam, war vergessen!

Die angesprochen Unterteilung kann sich erst ergeben haben, als die Gruppen schon fest geordnet
waren, eine Erbfolge zustande kam und es genügend Überschuß an mensche und Material gab,
damit die Gruppe auch bei schlechten Anführern noch überlebte!
Der Wunasch nach Anerkennung mußte sich erst entwickeln, als die Anführer feststellten, daß sie
nicht mehr die Besten waren und trotzdem ihre Stellung behalten wollten.
Vorher war die Eigenleistung weitaus lebenswichtiger – wer Anerkennung verlangte, die er nicht
verdiente, starb früher!
mfg zdago
10 Stimme/n

5. Reiner

7 von 16 08.01.2011 17:36


Panopticon « http://gedankenfrei.wordpress.com/2010/11/27/panopticon/#comm ...

28. November 2010 um 14:57 | #5


Antworten | Zitat

„Das Pest-Paradigma … Im zweiten Schritt wurde nun das Eingeschlossene gnadenlos verwaltet.“
-–-–-–-–-
Grundgesetz für die BR(in)D, Art. 133:
Der Bund tritt in die Rechte und Pflichten der VERWALTUNG des Vereinigten
Wirtschaftsgebietes ein.
-–-–-–-–-
Die NichtRegierungsOrganisation (NGO) „BRD“ verwaltet (GG Art. 133) nicht Menschen,
sondern belebte NAMENSSACHEN (siehe BGB § 90 / (und seit 1990-08 auch:) 90a ff)!

Natürliche Personen (lt. BGB §§ 1, 7, 12) sind in der BR(in)D NICHT ausweisbar. Sieh’ in
Deinen Bundes-PERSONALausweis. Dort steht in Verfälschung Deines Personenstandes:

„VORNAME, NAME“

Menschen, die sich in ihren Rechten befinden (BGB § 1) hätten statt dessen dort erwarten
müssen:

„Vorname, Familienname“

Es erklärt dazu BGB § 12, Palandt-Kommentar, Zitat:


„§ 12 schützt den bürgerlichen Namen der natürlichen Person. Er besteht in Deutschland aus dem
Familiennamen und mindestens einem Vornamen.“
(Man beachte hierbei: „Deutschland“, und nicht „BRD“ oder „Bund“.)

Das IST die „rechtliche“ Wiederherstellung der Sklaverei für die Deutschen (in US & UK etc. seit
langem präsent! – http://gedankenfrei.wordpress.com/2009/01/04/republik-amerika/ ) und erklärt
ALLE scheinbare Ungereimtheit, Willkür, Korruption in Politik, Verwaltung, Justiz – aber auch
in Erziehung, Ernährung, Medizin, Altersvorsorge, Wissenschaft …

Capitis Diminutio Maxima


(römisches „Recht“, bürgerlicher Tod)
vorzeitliche Sklavenhalter-Gesinnung

Ein langjähriger treuer Leser.

Willst Du es genauer wissen:


http://www.NatuerlichePerson.de
http://www.TPUC.org
20 Stimme/n

Tobias
1. Dezember 2010 um 13:18 | #6
Antworten | Zitat

@ Reiner,

der einzige Fehler (meines Erachtens) an deiner Interpretation ist, daß Du eine Natürliche
Person für etwas anderes hälst als eine Person one „natürlich“. Im juristischen Jargon ist eine
Person aber IMMER u. ausnamslos fiktiv! So etwas wie eine natürliche Fiktion gibt es nicht!
Das weiß übrigens auch der Betreiber dieser TPUC.org Seite. Das Problem ist daß die
Leutchen hinter „natürlicheperson.de“ nicht von ihrem Reichsfantismus loslassen wollen,
gleichzeitig aber mit der Benutzung von „Freeman“-Mechanismen (des Individualismus) in
die Gewässer des Widersprunchs geraten. Auch das DR ist eine kollektivistisch eingestellte

8 von 16 08.01.2011 17:36


Entität, welche sich in der Realität nur unwesentlich von der BRD unterscheiden ließe.
Denn wie Andreas schon sagt: Der Machtmechanismus des Kollektivismus’ ist
hochentwickelt u. omnipräsent!
14 Stimme/n

1. 4. Januar 2011 um 23:31 | #1


Wahrheitssuche und Vergangenheitsbewältigung … erfordert das Ablegen jeglicher Scheuklappen
« Adalberts Meckerecke

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