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Die Politisierung der Literatur – das dokumentarische Drama

Das dokumentarische Drama wirft auch ein neues Licht über das Verhältnis
Fakten-Fiktion. Der „Kampfwert“ wird über den politischen Wert gestellt. Erwin
Piscator, der viele Stücke von Brecht inszeniert und Erfahrungen mit dem epischen
Theater hat, inszenierte in den 1960er Jahren in Berlin drei exemplarische
politische Stücke: 1963 Hochhuts „Stellvertreter“, 1964 Kipphardts
„Oppenheimer“ und 1965 „Die Ermittlung von Peter Weiss“.

Rolf Hochhuts „Der Stellvertreter“ befasst sich mit der Frage der moralischen
Schuld der katholischen Kirche während des Zweiten Weltkriegs. Frage: Warum
schwieg „der Stellvertreter“ Gottes auf Erden, Papst Pius II., zu den Judenmorden?
Rolft Hochhuts Theaterspiel in 17 Sprachen übersetzt und in 28 Ländern inszeniert.
Denkwürdiger Fall der deutschen Theatergeschichte – zuerst ein Politikum, dann
ein literarisches Werk. In der Adenauer Zeit war man darauf bedacht, die Kirche als
die Hüterin moralischer Werte darzustellen. Hochhuts Stück bricht diese Tabus in
der öffentlichen Darstellung, verschafft der erstickenden Demokratie frische Luft,
kommt aber den alten Nazis sehr gelegen, weil es ihnen einen willkommenen
Sündenbock liefert und die öffentliche Meinung von der
Vergangenheitsbewältigung ablenkt.

Der historisch-literarische Kontext des „Stellvertreters“ – Verfremdung von


historischen Themen und eine Fülle von allegorischen und absurden Stücken. In
diesem Sinne ist Hochhuts Zugriff unter Verwendung authentisher Dokumente
überraschend. Rückgriff auf den eigenverantwortlichen Menschen. Hochhuth
beharrt auf die Personalisierung der Konflikte im Entscheidungdrama und ist
überzeugt, dass nur das human ist, was das Persönliche vom Sachlichen nicht
trennt.

In der Spielzeit 1964/1965 war Heinar Kipphardts szenischer Bericht „In der
Sache J. Robert Oppenheimer“ das meistgespielte Stück in Deutschland. Thema:
die Gewissensbisse des amerikanischen Atomphysikers Oppenheimer nach dem
Abwurf des von ihm konstruierten Atombombe auf Hiroshima. Folge: die
Verzögerung der Forschungsarbeiten an der Wasserstoffbombe. Konsequenz:
Oppenheimer wird von dem Amerikanischen Sicherheitsausschuss als Risikofaktor
und als Saboteuer angesehen. Dieses literarische Stück entspricht nicht dem
tatsächlichen Verhalten und Auftreten des Wissenschaftlers Oppenheimer und wirft
noch einmal die Frage auf nach dem Verhältnis von Literatur und Authentizität.

Peter Weiss: „Das dokumentarische Theater ist parteilich. Die Stärke des
dokumentarischen Theaters liegt darin, dass es aus den Fragmenten der
Wirklichkeit ein verwendbares Muster, ein Modell der aktuellen Vorgänge,
zusammenzustellen vermag [...], ein dokumentarisches Theater, das in erster Hand
politisches Forum sein will, und auf künstlerische Leistung verzichtet, stellt sich
selbst in Frage.“ 1965 das Stück von Weiss „Die Ermittlung. Oratorium in elf
Gesängen“

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