Attila Marsi

Die Freuden (und Leiden) der Pflicht

Pflicht ist eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren der Gesellschaft. Pflicht
bedeutet, dass man bestimmte Aufgaben bedingungslos ausführt, die von einem erwartet
werden. Im Hintergrund stehen oft solche Werte wie zum Beispiel Gehorsam, Respekt oder
Ehre. Dies gilt nicht nur für Polizisten, Soldaten, sondern für alle anderen. Kinder haben auch
bestimmte Pflichten: viele Eltern erwarten von den Kindern, dass sie gute Schulnoten
bekommen. Die Menschen haben auch Erwartungen an sich selbst, was natürlich auch von
den Meinungen anderer beeinflusst wird. Das Verhältnis zur Pflicht ist aber nicht überall
gleich. Zum Beispiel ist die bewusste Erfüllung von Verpflichtungen bis heute ein zentrales
Element der japanischen Kultur, und ihre Einhaltung ist fast ungeschriebenes Gesetz, und
einer der wichtigsten Werte unter den Menschen ist das Pflichtgefühl. Die Erfüllung von
Pflichten hat viele Vorteile. Es vereinfacht viele Lebenssituationen: Man muss nicht darüber
nachzudenken, was „richtig“ ist, man soll nur seinem Pflichtgefühl folgen. Es reduziert
zugleich aber das Verantwortungsbewusstsein: Wenn man seine Pflicht erfüllt, kann man das
als Entschuldigung für viele Dinge nennen. Darüber hinaus ist es immer ein gutes Gefühl,
wenn man die Erwartungen der Umgebung oder der Vorgesetzten erfüllen kann.
Pflichtverletzung ist irgendwie immer schlimm. Die Erfüllung der Verpflichtung ist aber
möglicherweise nicht immer die beste Lösung. Die Pflicht reduziert immer die Verantwortung
einer bestimmten Person, beseitigt es aber nicht vollständig. Es ist vor allem in Fällen wichtig,
in denen die Pflicht der Person ist, andere Mitmenschen (ob zu Recht oder zu Unrecht) in eine
schwierige Situation zu bringen. Ich denke, nicht nur im nationalsozialistischen Deutschland
und im abgelegenen Japan mussten bzw. müssen die Menschen mit leichteren und
schwierigeren Pflichten verantwortungsbewusst umgehen, sondern alle Menschen,
unabhängig von Epoche und Land.