132 © 2005 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 100 (2005), Heft 2
N. V. Tue/J. Dietz/A. A. Shah · Vorschlag für die Bemessung der Deckenknoten mit Stützen aus hochfestem Beton
Zwischenschicht aus normalfestem Beton erhält, besteht Betons entsprachen einem Beton C 30/37 für die Decken
der Versuchskörper V6 nur aus hochfestem Beton. Die und einem C 80/95 für die Stützen.
Deckenbewehrung in den Versuchen V1 und V 3 ist nur
halb so groß wie in den Versuchen V2 und V4 und beträgt 2.1 Belastungsgeschichte und Versagensart
0,5 %. Bei Versuch V7 wird die Deckendicke auf 18 cm
und bei V8 auf 24 cm erhöht. Um die Umschnürungswir- In Bild 3 sind der Versuchsaufbau und ein typischer Bela-
kung innerhalb des Knotenbereichs durch Bügelbeweh- stungspfad dargestellt. Zuerst wurde der Versuchskörper
rung zu testen, wurde im Versuch V3 und V4 zusätzliche bis zur Gebrauchslast der Stütze belastet. Bei diesem Last-
Bügelbewehrung im Deckenbereich angeordnet (2 Ø 6 mm). niveau wurde in der Regel bereits die einaxiale Druck-
V9 ist ein Vorversuch mit einer Deckenstärke von 15 cm. festigkeit des Deckenbetons erreicht. Danach wurde die
Für die Stützen wurde ein Bewehrungsgrad ρl = 2 % ge- Decke stufenweise bis zum Fließen der Zugbewehrung be-
wählt. Die Stützen wurden entsprechend [2] verbügelt. lastet. Anschließend wird die Stütze verformungsgesteuert
Die untere Stütze, die Deckenplatte und die obere Stütze bis zum Bruch gefahren. Zwischen den einzelnen Stufen
wurden im Abstand von 24 Stunden betoniert, sodaß wurde die Last jeweils 30 Minuten konstant gehalten, um
echte Arbeitsfugen entstanden. Die Druckfestigkeiten des die Zunahme der Knotenverformung infolge des nichtli-
nearen Kriechens feststellen zu können. Einzelheiten zum stanzens bereits vor Erreichen der maximalen Stützelast
Meßprogramm können [3] entnommen werden. versagte. Die Umschnürung des Knotens ist dadurch ge-
ringer, obwohl die Deckenlast nach dem Durchstanzver-
sagen praktisch Null war. Der Unterschied bezüglich der
Die Deckenplatte wird bis zur Fließgrenze Knotenfestigkeit in beiden Versuchen wäre sicherlich
der Bewehrung belastet. höher ausgefallen, wenn die Tragfähigkeit der unteren
Stütze bei Versuch V3 nicht erreicht worden wäre. Dies
stimmt ebenfalls mit den Versuchsbeobachtungen von
Mit Ausnahme des Versuchs V1 wurde die Traglast Ospina und Alexander [5] überein.
bei den einzelnen Versuchskörpern durch das Versagen Weiterhin lassen die Unterschiede zwischen V4 und
der unteren bzw. oberen Stützen bestimmt. Bei V1 wurde V2 gegenüber V3 erkennen, daß die Umschnürung durch
die maximale Traglast durch das vorzeitige Durchstanzen die Decke auch vom Bewehrungsgrad beeinflußt wird. Je
der Deckenplatte nicht erreicht. Beim Versagen der obe- höher der Bewehrungsgrad in der Decke ist, umso besser
ren Stütze kann die spaltende Wirkung infolge der ist die Umschnürung. Da bei allen Versuchen dieser Ver-
Deckenbelastung beobachtet werden. Längsrisse in der suchsreihe die Bewehrung bereits fließt, bevor die Stüt-
Stütze ausgehend vom Übergangsbereich Stütze/Decke zenlast weiter gesteigert wird, läßt die oben beschriebene
führen zum allmählichen Ablösen der Betondeckung. Im Beobachtung den Schluß zu, daß nicht das absolute Ver-
Gegensatz dazu versagt die untere Stütze schlagartig. hältnis h/c zwischen Stützen- und Deckendicke, sondern
Bild 4 zeigt die beiden Versagensarten. eher das Verhältnis zwischen Druck- bzw. Zugzonenhöhe
und Stützenabmessung entscheidend für die Erhöhung
2.2 Umschnürung des Knotens durch den umgebenden der Knotenfestigkeit ist. Mit den Versuchen V7 und V8
Deckenbeton sollte der Einfluß des Verhältnisses h/c untersucht wer-
den. Infolge der relativ hohen Deckenlast erreicht die un-
Die Querdehnungsbehinderung des normalfesten Betons tere Stütze bei diesen Versuchen ihre Tragkapazität und
durch den hochfesten Beton führt zu einer deutlichen Er- versagt, so daß eine Aussage über den Einfluß des Verhält-
höhung der Tragfähigkeit des normalfesten Deckenbetons nisses h/c mit diesen beiden Versuchen nur bedingt mög-
[4]. Gleichzeitig wird die Stütze aus hochfestem Beton auf lich ist.
Querzug beansprucht. Je größer der Festigkeitsunterschied Insgesamt haben die eigenen Versuche den Einfluß
ist, umso größer ist die zu erwartende Querzugbeanspru- der Deckenbelastung auf die Knotenfestigkeit bestätigt.
chung im Knotenbereich. Dies bedeutet, daß mit zuneh- Die dabei festgestellte Auswirkung ist jedoch deutlich ge-
mendem Festigkeitsunterschied mit einer relativen Abnah- ringer als in den Versuchen von Ospina und Alexander.
me der Tragfähigkeitserhöhung des normalfesten Ele- Dieser Unterschied ist auf die sehr geringen Bewehrungs-
ments zu rechnen ist. Die Versuchsergebnisse von Ospina grade bei den Versuchen von Ospina und Alexander
und Alexander [5] bestätigen diese Einschätzung ein- zurückzuführen.
drucksvoll.
Vergleicht man die Lasterhöhung bei V5 mit den an- 2.3 Erläuterung der Versuchsergebnisse
deren Versuchen, so ist der Einfluß der Umschnürung
durch die Deckenplatte deutlich zu erkennen; die effekti- Zur Charakterisierung des Trag- und Verformungsver-
ve Knotenfestigkeit ist deutlich höher als bei Versuch V5. haltens der Versuchskörper können die erreichten
Weiterhin ist zu erkennen, daß der Zustand der Decken- Lasten und die Verformung der Knoten herangezogen
platte einen deutlichen Einfluß auf die Knotenfestigkeit werden. Weiterhin kann mit der Verformungszunahme
hat. Die Versuche V1 und V3 sind ähnlich (Abmessung der Zugbewehrung in der Decke eine Aussage über den
und Bewehrungsanordnung), der einzige Unterschied be- Einfluß der Bewehrung auf die erreichte Traglast getroffen
steht darin, daß die Deckenplatte von V1 infolge Durch- werden.
a) b)
Bild 4. Typisches Versagensbild der oberen (a) bzw. unteren (b) Stütze
Fig. 4. Typical failure of top column (a) and bottom column (b)
In Tabelle 1 sind die Daten für die Auswertung der er- sehr hohe Belastung erfährt. Die Verformung der Knoten
reichten Knotenfestigkeit zusammengestellt, wobei die ist deshalb für die Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit
Knotenfestigkeit fc,eff gemäß Gl. (1) ermittelt wird. Sie ist und Standsicherheit von großer Bedeutung. In Bild 5 sind
ein Maß für die Lastdurchleitung durch die Decke mit nie- die Stauchungen der Knoten dargestellt. Wie erwartet ist
derfestem Beton. ein ausgeprägtes plastisches Verformungsvermögen der
Knoten zu erkennen. Hierbei spielen der Bewehrungsgrad
Po − Ps in der Decke und die zusätzliche Umschnürung der Stüt-
fc,eff = (1)
Ac zen im Knotenbereich durch die Bügelbewehrung kaum
eine Rolle, da die Deckenbewehrung bereits fließt. Der
mit Einfluß der Umschnürung der Deckenplatte auf die Kno-
Po maximale Last in der oberen Stütze tenstauchung ist deutlich zu erkennen. Im Vergleich zu
Ps Lastanteil der Bewehrung in der oberen Stütze (er- Versuch V5 zeigen alle anderen Versuche eine kleinere
mittelt mit fy = 550 N/mm2) Stauchung bei entsprechender Stützenbelastung, obwohl
Ac Stützenquerschnittfläche bei diesem Versuch keine Querzugbeanspruchung infolge
der Deckenbelastung vorhanden ist. Weiterhin ist festzu-
Zur Verdeutlichung der Einflüsse der Decken auf die Um- stellen, daß der Einfluß der Dauerlast auf die Verfor-
schnürung werden weiterhin die Verhältnisse zwischen mungszunahme im Bereich höherer Stauchungen größer
fc,eff und Betonfestigkeit der Stützen bzw. fc,eff und Beton- ist als im Bereich mit geringerer Belastung.
festigkeit der Decken ermittelt, wobei hierfür der Dauer- Im Gebrauchslastbereich (ca. 1000 kN) der Stützen
standfaktor mit 0,9 eingesetzt wird. Der Faktor 0,9 wurde beträgt die Stauchung der Knoten bei allen Versuchen mit
so ermittelt, daß für Versuch V6 (Stütze aus hochfestem Deckenplatte ca. 1 ‰. Durch Kriechen nimmt diese Ver-
Beton ohne Zwischenschicht) das Verhältnis fc,eff / fc,Stütze formung um ca. 20 % zu. Die Kriechverformungen im Ge-
genau 1,0 beträgt. brauchslastbereich klingen aber rasch ab (Bild 6) und blei-
ben nach ca. 30 Minuten annähernd konstant. Aus den
Der Beton im Knotenbereich versagt duktil,
im Stützenbereich jedoch schlagartig.
Die wesentliche Charakteristik der gewählten Konstruk- Bild 5. Knotenstauchung bei verschiedenen Versuchen
tion ist, daß der normalfeste Beton im Knotenbereich eine Fig. 5. Measured data of joint compression
Bild 6. Zeitabhängige Kriechverformung im Gebrauchslast- Bild 7. Dehnung der oberen Bewehrung der Decken
bereich Fig. 7. Strain of top reinforcement in the slab
Fig. 6. Creep deformations of the joint after application of
service load
von der Schlankheit h/d des Deckenknotens und dem Be-
wehrungsgehalt ρ der Deckenplatte ab. Bei den bisherigen
genannten Gründen kann festgestellt werden, daß die Bemessungsmodellen wurde der Deckenbewehrungsgrad
Knotenstauchung keinen negativen Einfluß auf die Ge- nicht berücksichtigt.
brauchstauglichkeit der Konstruktion hat. Im Bruchzu- Das empirische Modell wurde auf der Grundlage ei-
stand beträgt die Knotenstauchung ca. 6 ‰. Dies ist deut- ner Auswahl bisher durchgeführter Versuche von unter-
lich größer als bei durchlaufenden Stützen aus hochfe- schiedlichen Autoren entwickelt.
stem Beton. Dies könnte zu negativen Einflüssen auf die Kriterien für die Auswahl sind:
Standsicherheit führen, wenn sehr spröde und durchlau- – Die Decke muß belastet sein.
fende Druckglieder gemeinsam mit weichen Deckenkno- – Die Dehnung der Zugbewehrung in der Decke muß
ten in einem Bauwerk vorhanden sind. Dies sollte vermie- mindestens 2 ‰ sein.
den werden. Infolge der großen Verformung des normalfe- – Das Verhältnis h/d muß im Bereich 0,25 < h/c < 1,25
sten Betons im Knotenbereich ist zu befürchten, daß die liegen.
Rißbildung und Tragfähigkeit der Decken deutlich von – Das Festigkeitsverhältnis zwischen Stützen und Decken
der Stützenbelastung beeinflußt wird. Im Bild 7 sind die muß fc,Stütze/fc,Decke ≤ 4,0 sein.
Dehnungen der Zugbewehrung der Deckenplatte in Ab-
hängigkeit von der aufgebrachten Last der oberen Stütze
Große Verformungen der Deckenknoten im GZT
dargestellt. Es ist zu erkennen, daß die Stützenlast nur zu
müssen berücksichtigt werden
einer vernachlässigbaren Dehnungszunahme in den
Decken führt, wenn keine Risse in den Decken aufgetre-
ten sind. Nach der Rißbildung durch Aufbringen der Wegen des empirischen Charakters des Modells und der
Deckenlast ist der Einfluß der Stützenlast auf die Deh- Parametervielfalt in Verbindung mit der geringen Anzahl
nungszunahme deutlich zu erkennen. Die Zunahme ist je- der bisher durchgeführten Versuche erscheint eine Vor-
doch sehr moderat, sofern die Fließgrenze der Deckenbe- auswahl der zu berücksichtigenden Versuche sinnvoll zu
wehrung noch nicht erreicht wird. Nach Fließen der Be- sein, um einen gezielten Bemessungsvorschlag zu formu-
wehrung führt die Lastzunahme bei den Stützen zu einer lieren. Mit den Auswahlkriterien wird der übliche Anwen-
deutlichen Dehnungszunahme in den Decken. derbereich des Hochbaus abgedeckt. Die ausgewählten
Ähnliche Ergebnisse wurden von Ospina und Alex- Versuche können Tabelle 2 entnommen werden. Der we-
ander [5] in ihren Versuchen festgestellt. Die Dehnungs- sentliche Einflußfaktor bei der Ermittlung der Knotenfe-
zunahme infolge der Stützenbelastung deutet auf einen stigkeit ist die Schlankheit des Deckenknotens. Ähnlich
negativen Einfluß auf die Deckentragfähigkeit hin, insbe- den Untersuchungen an prismatischen Probenkörpern
sondere der Durchstanztragfähigkeit. Ob dieser Einfluß nimmt die Festigkeit bei geringer Schlankheit infolge der
generell zu vernachlässigen ist, kann im Rahmen dieser Querdehnungsbehinderung durch die anschließenden
Untersuchung wegen der geringen Anzahl der Versuche Bauteile höherer Festigkeit deutlich zu. Je kleiner das Ver-
und noch unzureichender theoretischer Untersuchungen hältnis h/d ist, desto größer ist die Festigkeitszunahme. Im
nicht beantwortet werden. Gegensatz zum Bemessungsmodell von [5] wird die Stüt-
zenfestigkeit nicht zwangsläufig erreicht. Dies gilt insbe-
3 Bemessungsvorschlag sondere wenn:
fck,Stütze
Das im folgenden vorgestellte Bemessungskonzept ermit- > 3
fck,Decke
telt ähnlich den bereits vorliegenden Konzepten [5], [6],
[7] eine Mischfestigkeit zur Bestimmung der effektiven Ab diesem Verhältniswert kann keine volle Ausnut-
Knotenfestigkeit. Dabei wird die effektive Knotenfestig- zung der Stützen erreicht werden. Für geringere Verhält-
keit hauptsächlich aus der vorhandenen Betondruckfe- niswerte bildet die Stützenfestigkeit den oberen Grenz-
stigkeit der Decke fck,Decke ermittelt. Dieser Anteil hängt wert der effektiven Knotenfestigkeit. Dies trägt der Tatsa-
untersucht werden. Der hier vorgeschlagene Ansatz wurde [6] ACI 318-02 Building Code Requirements for Structural
dementsprechend auf der sicheren Seite ausgelegt. Eine Concrete and Commentary, American Concrete Institute, De-
abschließende Klärung der tatsächlichen Knotenfestigkeit troit, Michigan, 2002.
der hier beschriebenen Konstruktion ist nur durch ergän- [7] Canadian Standards Association, CSA A23.3-94: Design of
Concrete Structures for Buildings, Rexdale, Ontario, Canada,
zende Versuche und umfangreiche theoretische Untersu-
1994, 220 S.
chen möglich. Eine Anwendung nichtlinearer FE-Model-
lierung ist in diesem Fall unverzichtbar.
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