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Stand: 26.12.

2014 12:30:33

Vorgangsmappe für die Drucksache 17/3554

"Justiz und Rechtsextremismus (1)"

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Vorgangsverlauf:

1. Antwort der Staatsregierung 17/3554 vom 05.12.2014


Bayerischer
Landtag
17. Wahlperiode 05.12.2014 17/3554

des Abgeordneten Sepp Dürr zu „Rechtsextreme Akti-


Schriftliche Anfrage vitäten in Bayern identifizieren“, Drs. 16/11791) began-
des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr gen hat, sondern auch aufgrund seiner rechtsextre-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men Überzeugungen, nachdem bei der Durchsuchung
vom 18.08.2014 seines Zimmers aufgemalte Hakenkreuze, Hitlerbilder
etc. gefunden wurden?
Justiz und Rechtsextremismus (1)
3. Trifft die Kritik der Beratungsstelle Opferperspektive
Nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie bestand in Politik Brandenburg zu, dass vor allem Bayern „bei der Ein-
und Öffentlichkeit Einigkeit darüber, dass der Rechtsextre- ordnung von Straftaten als rechts motiviert“ „großen
mismus auf allen Ebenen entschiedener bekämpft werden Nachholbedarf“ habe?
muss. Im Abschlussbericht zum NSU-Untersuchungsaus- 3.1 Erkennen Staatsregierung und Staatsanwaltschaft in
schuss konzedierten auch die Regierungsfraktionen für die den Vorfällen der vergangenen Monate in München –
Vergangenheit „Fehler und Fehleinschätzungen“, die es zu bei einem 32-Jährigen, der seine Wohnung in die Luft
beheben gelte. Die Staatsregierung kündigte an, ihre Bemü- jagen wollte und sich später erschoss, fand die Polizei
hungen zu intensivieren und rechtsextremer Gewalt konse- „Mein Kampf“ und Bücher über das Oklahoma-Atten-
quent entgegenzutreten. tat, bei einem Rechtsanwalt wurden u. a. NS-Devoti-
onalien entdeckt, bei einem Arzt Hakenkreuzwimpel
In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: und Waffen, bei einem wegen Volksverhetzung und
des Verwendens von Kennzeichen verfassungswid-
1. Welche Bemühungen hat die Staatsregierung unter- riger Organisationen Vorbestraften wurden bei einer
nommen, um seit 1998 unaufgeklärt gebliebene Straf- Hausdurchsuchung Sprengstoffutensilien gefunden –
taten, wie vom Bundesinnenministerium angeregt, auf mittlerweile einen rechtsextremen Hintergrund?
rechtsextremen Hintergrund zu prüfen bzw. bisher 3.2 Wenn nein, welche Gründe waren jeweils ausschlag-
nicht als rechtsextrem eingeordnete Straftaten („alle gebend?
Fälle bis ins Jahr 1990, die einen ausländerfeindlichen
Hintergrund haben könnten“, SZ 27.02.14) neu zu be- 4. Trifft der Vorwurf des Sprechers des Deutschen An-
werten? waltvereins (DAV), Sven Walentowski, zu, dass die
1.1 Haben die Bemühungen des BKA, „bei gut 700 Fällen Ermittlungsbehörden häufig nicht wegen eines rechts-
seit 1990 nach Verbindungen zu ausländerfeindlichen extremen Tatmotivs tätig werden, obwohl es nicht aus-
Motiven“ (SZ 27.02.14) zu suchen, für Bayern neue Er- zuschließen oder gar offensichtlich sei?
kenntnisse erbracht? 4.1 Unter welchen Voraussetzungen erkennt die Staats-
1.2 Welche Tötungsdelikte, die Zeit Online, Zeit und Ta- anwaltschaft bei Straftaten von Tätern, deren rechte
gesspiegel in einer „Liste vergessener Opfer“ („Die un- Gesinnung außer Frage steht, denen aber Verbindun-
terschlagenen Toten“, Zeit Online 27.03.13) bzw. die gen in die einschlägige Szene nicht unmittelbar nach-
Initiative „Opferperspektive“ im Unterschied zu staat- gewiesen werden können, ein rechtsextremes Motiv?
lichen Statistiken als rechtsextrem motiviert aufführte,
hat die Staatsregierung inzwischen neu beurteilt? 5. Zu welchen Ergebnissen in Bezug auf einen rechtsex-
tremen Hintergrund haben die Ermittlungen im Fall des
2. Fällt nunmehr auch für die Staatsregierung der Mord Serienräubers und „Waffen- und Militarianarrs“ Jürgen
am Memminger Peter Siebert in der Nacht zum P. geführt, der bei einem Schusswechsel mit der Poli-
26.04.2008 durch einen Nachbarn, der sich selbst als zei im Mai 2013 in einem Wald nahe des Geltendorfer
„rechtsorientiert“ bezeichnete und bei dem „,rechte‘ Bahnhofs ums Leben kam?
Musik aufgefunden“ wurde (Antwort auf die Schriftli- 5.1 Wird immer noch davon ausgegangen (Antwort auf die
che Anfrage des Abgeordneten Sepp Dürr zu „Rechts- Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sepp Dürr zu
extreme Aktivitäten in Bayern identifizieren“, Drs. „Mutmaßlicher Serienräuber Jürgen P.: rechtsextremer
16/11791), unter rechtsextreme Tötungsdelikte? Hintergrund?“, Drs. 16/18282), dass „keine Erkennt-
2.1 Zählt die Staatsregierung jetzt den Mord am obdach- nisse oder Hinweise vor(liegen), dass Jürgen P. einen
losen Andreas Pietrzak in Straubing in der Nacht vom rechtsextremen Hintergrund hatte“?
05.05.2006 durch einen örtlichen Neonazi zu den
rechtsextremen Tötungsdelikten? 6. Haben Staatsregierung und Staatsanwaltschaft ihre
2.2 Teilt die Staatsregierung nun die Auffassung, dass Auffassung korrigiert, dass es sich bei der „Besude-
Martin Peyerl die von ihm verübten vier Morde in lung“ eines Moschee-Rohbaus mit Schweineblut in El-
Bad Reichenhall am 1. November 1999 nicht nur auf senfeld im November 2009 durch vier Männer nicht um
Grundlage „einer starken Affinität zu Waffen und ... eine rechtsextrem motivierte Tat gehandelt habe?
Computerspielen“ (Antwort auf die Schriftliche Anfrage

Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar.
Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung.
Seite 2 Bayerischer Landtag  ·  17. Wahlperiode Drucksache 17/3554

7. Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um Die Linke zur Prüfung von weiteren ungeklärten Tötungs-
Politik und Öffentlichkeit ein vollständiges Lagebild delikten auf einen möglichen rechtsextremen und rassis-
über die Gefahren durch Rechtsextremisten zu ge- tischen Hintergrund zwischen den Jahren 1990 und 2011
währen, wenn viele Gewalt- oder Propagandataten durch die Bundesregierung (BT-Drs. 18/343 vom 24. Januar
Rechtsextremer von Polizei, Staatsanwälten oder Ge- 2014) hingewiesen.
richten nicht als rechtsextrem motiviert eingestuft wer-
den? 1.1 Haben die Bemühungen des BKA, „bei gut 700
7.1 Stuft die Staatsregierung die am 4. Oktober 2012 in Fällen seit 1990 nach Verbindungen zu ausländer­
der Süddeutschen Zeitung geschilderte Tat („Bewäh- feindlichen Motiven“ (SZ 27.02.14) zu suchen, für
rung statt Gefängnis. Mann schlägt türkischstämmigen Bayern neue Erkenntnisse erbracht?
Taxifahrer – Richterin erkennt kein rassistisches Mo- Im Ergebnis konnten für Bayern im Rahmen der Auswertung
tiv“) als rechtsextreme Gewalttat ein? der „Altfälle“ bislang keine Erkenntnisse auf einen rechts-
7.2 Wenn nein, warum nicht? extremistischen/rechtsterroristischen Hintergrund erlangt
7.3 Ergibt sich für Politik und Öffentlichkeit ein vollstän- werden.
diges Lagebild über die Gefahren durch Rechtsex-
tremisten, wenn solche Taten nicht als rechtsextrem 1.2 Welche Tötungsdelikte, die Zeit Online, Zeit und
motiviert eingestuft werden? Tagesspiegel in einer „Liste vergessener Op­
fer“ („Die unterschlagenen Toten“, Zeit Online
27.03.13) bzw. die Initiative „Opferperspektive“ im
Unterschied zu staatlichen Statistiken als rechts­
extrem motiviert aufführte, hat die Staatsregierung
inzwischen neu beurteilt?
In Bayern musste keine Neubewertung dahingehend vorge-
nommen werden, dass die Motivlage nunmehr auf Grund-
Antwort lage einer nochmaligen Untersuchung im rechtsextremisti-
des Staatsministeriums der Justiz schen/rechtsterroristischen Bereich zu suchen wäre.
vom 15.10.2014
2. Fällt nunmehr auch für die Staatsregierung der
Vorbemerkung: Mord am Memminger Peter Siebert in der Nacht
Allgemein muss festgehalten werden, dass allein die Zuge- zum 26. April 2008 durch einen Nachbarn, der sich
hörigkeit eines Täters zu einer extremistischen Szene nicht selbst als „rechtsorientiert“ bezeichnete und bei
zwangsläufig den Rückschluss auf eine politische Motiva- dem „,rechte‘ Musik aufgefunden“ wurde (Antwort
tion jeder Tat dieses Täters zulässt. Vielmehr ist dies vom auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten
Einzelfall abhängig. Sepp Dürr zu „Rechtsextreme Aktivitäten in Bay­
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Schriftliche An- ern identifizieren“, Drs. 16/11791), unter rechtsex­
frage im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministe- treme Tötungsdelikte?
rium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt: Es wurden gegenüber der Beantwortung der Schriftlichen
Anfrage des Fragestellers betreffend „Rechtsextreme Ak-
1. Welche Bemühungen hat die Staatsregierung un­ tivitäten in Bayern identifizieren“ (LT-Drs. 16/11791, Ziffer
ternommen, um seit 1998 unaufgeklärt gebliebene 8.2) keine neuen Hinweise auf eine Motivlage im Bereich
Straftaten, wie vom Bundesinnenministerium an­ der politisch motivierten Kriminalität (PMK-Rechts) festge-
geregt, auf rechtsextremen Hintergrund zu prüfen stellt.
bzw. bisher nicht als rechtsextrem eingeordnete
Straftaten („alle Fälle bis ins Jahr 1990, die einen 2.1 Zählt die Staatsregierung jetzt den Mord am ob­
ausländerfeindlichen Hintergrund haben könn­ dachlosen Andreas Pietrzak in Straubing in der
ten“, SZ 27.02.14) neu zu bewerten. Nacht vom 05.05.2006 durch einen örtlichen Neo­
Derzeit wird im „Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen nazi zu den rechtsextremen Tötungsdelikten?
Rechtsextremismus“ (GAR), an dem sich Bayern zurzeit mit Es wurden gegenüber der Beantwortung der Schriftlichen
zwei Dienstkräften (jeweils ein Mitarbeiter des Landesamtes Anfrage des Fragestellers betreffend „Rechtsextreme Aktivi-
für Verfassungsschutz und des Bayerischen Landeskrimi- täten in Bayern identifizieren“ (LT-Drs. 16/11791, Ziffer 8.1)
nalamtes) beteiligt, geprüft, welche Optimierungsmöglich- keine neuen Hinweise auf eine Motivlage im Bereich der
keiten insbesondere beim bundesweiten Abgleich bestehen. PMK-Rechts festgestellt. Vorsorglich ist darauf hinzuweisen,
Aktuell werden in einem ersten Schritt zunächst unge- dass die Tat in Plattling begangen wurde.
klärte Tötungsdelikte aufgrund eines zwischen Bund und
Ländern abgestimmten Indikatorenkatalogs mit opfer- bzw. 2.2 Teilt die Staatsregierung nun die Auffassung, dass
objektbezogenen Kriterien (ohne Tatverdächtige, einschl. Martin Peyerl die von ihm verübten vier Morde in
Versuche) aus den Jahren 1990 bis 2011 überprüft. In Bad Reichenhall am 1. November 1999 nicht nur
diesem Zusammenhang wird auf die Antwort des Staats- auf Grundlage „einer starken Affinität zu Waffen
ministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zur Anfrage und … Computerspielen“ (Antwort auf die Schrift­
der Abgeordneten Katharina Schulze zum Plenum vom 12. liche Anfrage des Abgeordneten Sepp Dürr zu
Dezember 2013 (LT-Drs. 17/306, Seiten 6/7) Bezug genom- „Rechtsextreme Aktivitäten in Bayern identifizie­
men. Ferner wird auf die Antwort der Bundesregierung auf ren“, Drs. 16/11791) begangen hat, sondern auch
die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Petra aufgrund seiner rechtsextremen Überzeugungen,
Pau, Sevim Dagdelen, weiterer Abgeordneter der Fraktion nachdem bei der Durchsuchung seines Zimmers
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aufgemalte Hakenkreuze, Hitlerbilder etc. gefun­ 3.1 Erkennen Staatsregierung und Staatsanwaltschaft
den wurden? in den Vorfällen der vergangenen Monate in Mün­
Es wurden gegenüber der Beantwortung der Schriftlichen chen – bei einem 32-jährigen, der seine Wohnung
Anfrage des Fragestellers betreffend „Rechtsextreme Akti- in die Luft jagen wollte und sich später erschoss,
vitäten in Bayern identifizieren“ (LT-Drs. 16/11791, Ziffer 8) fand die Polizei „Mein Kampf“ und Bücher über
keine neuen Hinweise auf eine Motivlage im Bereich der das Oklahoma-Attentat, bei einem Rechtsanwalt
PMK-Rechts festgestellt. wurden u. a. NS-Devotionalien entdeckt, bei einem
Arzt Hakenkreuzwimpel und Waffen, bei einem
3. Trifft die Kritik der Beratungsstelle Opferperspekti­ wegen Volksverhetzung und des Verwendens von
ve Brandenburg zu, dass vor allem Bayern „bei der Kennzeichen verfassungswidriger Organisatio­
Einordnung von Straftaten als rechts motiviert“ nen Vorbestraften wurden bei einer Hausdurchsu­
„großen Nachholbedarf“ habe? chung Sprengstoffutensilien gefunden – mittler­
Die Erfassung der Motivlage bei Straftaten – insbesondere weile einen rechtsextremen Hintergrund?
im Bereich der politisch motivierten Kriminalität – ist zentraler 3.2 Wenn nein, welche Gründe waren jeweils aus­
Bestandteil im polizeilichen Ermittlungsverfahren. Hierbei schlaggebend?
ist die Situation bzw. Stellung des Opfers ein maßgeblicher Die Fragen 3.1 und 3.2 werden gemeinsam beantwortet:
Bestandteil, der unter anderem auch Anhaltspunkte für die Nach Angaben des Polizeipräsidiums München ergaben
Täterermittlung liefern kann. sich im Fall des 32-Jährigen bei den noch andauernden
Darauf fußt auch das in Deutschland 2001 eingeführte Untersuchungen zur Herkunft der Waffen und zum Umfeld
und bundesweit konsentierte Definitionssystem zur Politisch bislang keine Hinweise darauf, dass die Person in der Ver-
motivierten Kriminalität (PMK). gangenheit Verbindungen zur rechtsextremen Szene un-
Bedeutendes Element der polizeilichen Zusammenarbeit terhielt, als Aktivist rechtsextremistischer Organisationen
im Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes ist der Kriminal- aufgefallen ist oder bereits Straftaten mit rechter Motivation
polizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Krimi- begangen hat. Letztlich ist festzustellen, dass das Auffinden
nalität (KPMD-PMK), der es unter Beachtung der Vorgaben der Bücher auf einen rechtsextremen Hintergrund hindeutet,
ermöglicht, die ihm zugrunde liegenden Sachverhalte im eine abschließende Bewertung jedoch nicht möglich ist.
Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter ver- Nach Angaben des Polizeipräsidiums München waren bei
schiedenen Gesichtspunkten zu bewerten. Hierbei werden dem angesprochenen Rechtsanwalt über Funde von NS-
insbesondere Feststellungen zur Qualität des Delikts, zur Devotionalien hinaus keinerlei entsprechende Vorerkennt-
objektiven thematischen Zuordnung der Tat, zum subjekti- nisse bzw. Verbindungen in die rechtsextreme Szene fest-
ven Tathintergrund, zu möglichen internationalen Dimensi- zustellen. Ob in Bezug auf die Person ein rechtsextremer
onen und zu einer ggf. zu verzeichnenden extremistischen/ Hintergrund anzunehmen ist, steht auch hier nicht abschlie-
terroristischen Ausprägung der Tat getätigt. ßend fest. Die Straftat wurde polizeilich der KPMD-rechts
Das polizeiliche Definitionssystem PMK ermöglicht unter zugeordnet. Es darf in diesem Zusammenhang auf die Ant-
Beachtung der bundesweit einheitlich geregelten Vorgaben wort der Staatsregierung vom 17. Juni 2014 auf Frage 3 der
zudem eine differenzierte Erfassung von Täter-, Tat- und Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze
Opfermerkmalen zur Erzielung qualifizierter Aussagen im vom 7. Mai 2014 betreffend „Waffen- und Sprengstofffunde
Bereich der Politisch motivierten Kriminalität. Es ist Be- in der rechtsextremen Szene“ (LT-Drs. 17/2524) verwiesen
standteil der polizeilichen Aus- und Fortbildung. werden.
Insbesondere im Bereich der politisch motivierten Ge- Im Hinblick auf den genannten Arzt erbrachten die Ermitt-
walt ist die Betrachtung von Opferangaben – losgelöst von lungen, die unter Einbindung der Staatsschutzdienststel-
Straftatbeständen – ein essenzieller Bestandteil. le des Polizeipräsidiums München geführt wurden, keine
Das „Bayerische Handlungskonzept gegen den Rechts- Hinweise darauf, dass dem illegalen Waffenbesitz bzw. der
extremismus“ thematisiert im Abschnitt „V“ die konsequente Bedrohung eine rechte Gesinnung zugrunde lag. Darüber
Strafverfolgung von Straftaten mit rechtsextremistischem hi­naus liegen keine Vorerkenntnisse in Bezug auf den Arzt
Hintergrund vonseiten der Polizei insbesondere durch „tä- vor, die Rückschlüsse auf einen rechtsextremen Hinter-
terorientierte Ermittlungsführung“. grund zulassen. Der Hakenkreuzwimpel war Teil aus einer
Hierbei ist die bei der Bewältigung der kriminalpolizeili- persönlichen Erbmasse des Beschuldigten.
chen Vorgangsbearbeitung erforderliche phänomenologi- Am 28. Juni 2013 wurde in der Wohnung einer Person,
sche Qualifikation Voraussetzung für eine sachgerechte die wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungs-
Aufgabenerledigung. Die Kenntnis über phänomenspezifi- widriger Organisationen vorbestraft war, eine Sprengvor-
sche Entwicklungen sowie Ereignisse im nationalen und in- richtung aufgefunden. Neben diesem Delikt war die Person
ternationalen Kontext sind daher unabdingbare Vorausset- in weiteren 17 Fällen polizeilich in Erscheinung getreten.
zung für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung. Den Erkenntnissen des Polizeipräsidiums München zufolge
Durch konsequente Aus- und Fortbildungsmaßnahmen war die Person jedoch nicht in rechtsextremistische Struk-
ist es garantiert, die durch den Erstzugriffsbeamten als dem turen eingebunden. Ergänzend wird auf die entsprechenden
Phänomenbereich -Rechts- zuordenbare Straftat der örtlich Antworten der Staatsregierung betreffend Herrn F. vom 28.
zuständigen Kriminalpolizeidienststelle zur weiteren und ab- Februar 2014 und 17. Juni 2014 zu den Schriftlichen Anfra-
schließenden Sachbearbeitung zu übermitteln. gen der Abgeordneten Katharina Schulze vom 21. Januar
Hierdurch und durch die Hinzuziehung kriminalpolizeili- 2014 „Nagelbomben-Fund in München Schwabing“ (LT-Drs.
chen Fachwissens im Rahmen der Ermittlungen z. B. durch 17/936) und vom 7. Mai 2014 „Waffen- und Sprengstofffun-
Beamte des kriminalpolizeilichen Staatsschutzes ist eine de in der rechtsextremen Szene“ (LT-Drs. 17/2524) Bezug
adäquate Sachbehandlung der von der Fragestellung be- genommen.
troffenen Straftaten gewährleistet.
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Auch beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz unmittelbar nachgewiesen werden können, ein
(BayLfV) haben sich keine neuen Erkenntnisse zu einem rechtsextremes Motiv?
rechtsextremen Hintergrund ergeben. Für die Beurteilung, ob die jeweilige konkrete Tat ein rechts-
Ergänzend hat der Generalstaatsanwalt in München extremes Motiv hat, sind die konkreten Umstände des Ein-
mitgeteilt, die Staatsanwaltschaft habe zum Zwecke der zelfalls (z. B. Äußerungen des Täters während der Tat, Vor-
Strafverfolgung die Befugnis, innerhalb der durch die Straf- gehen des Täters, Person des Tatopfers, etc.) maßgeblich.
prozessordnung gezogenen Grenzen einzuschreiten. Dort Allein wegen vorhandener „rechter Gesinnung“ kann zwin-
wo keine Straftat vorliege oder – wie hier in zwei Fällen gend nicht auch auf ein rechtsextremes Tatmotiv geschlos-
– durch das Ableben eines Beschuldigten ein dauerhaf- sen werden. Auf die Vorbemerkung wird insoweit Bezug
tes Verfahrenshindernis eingetreten sei, müsse ein Ermitt- genommen.
lungsverfahren zwingend eingestellt werden. Eine darüber
hinausgehende Aufklärung obliege dann alleine den Sicher- 5. Zu welchen Ergebnissen in Bezug auf einen rechts­
heitsbehörden, zu denen die Staatsanwaltschaft nicht zähle. extremen Hintergrund haben die Ermittlungen im
Der bloße Besitz von sog. „NS-Devotionalien“ sei nicht straf- Fall des Serienräubers und „Waffen- und Militaria­
bar. Um den Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen narrs“ Jürgen P. geführt, der bei einem Schuss­
verfassungswidriger Organisationen, § 86 a des Strafge- wechsel mit der Polizei im Mai 2013 in einem Wald
setzbuches (StGB), zu erfüllen, müssten weitere Umstände, nahe des Geltendorfer Bahnhofs ums Leben kam?
wie etwa eine öffentliche Präsentation der Gegenstände, 5.1 Wird immer noch davon ausgegangen (Antwort
hinzutreten. In keinem der genannten und der Staatsan- auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordne­
waltschaft bekannten Fälle hätten sich Anhaltspunkte erge- ten Sepp Dürr zu „Mutmaßlicher Serienräuber
ben, die auf eine Verwirklichung dieses Straftatbestandes Jürgen P.: rechtsextremer Hintergrund?“, Drs.
schließen ließen. Auch hätten sich bislang in keinem der in 16/18282), dass „keine Erkenntnisse oder Hinwei­
der Frage genannten und der Staatsanwaltschaft bekann- se vor(liegen),dass Jürgen P. einen rechtsextre­
ten Fälle Hinweise auf ein Organisationsdelikt, d. h. auf ein men Hintergrund hatte“?
Zusammenwirken mit anderen Personen, im Sinne z. B. der Die Fragen 5 und 5.1 werden gemeinsam beantwortet.
Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB oder Aus den durchgeführten und abgeschlossenen Ermittlun-
gar Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereini- gen haben sich keine Erkenntnisse, Hinweise oder Anhalts-
gung nach § 129 a StGB ergeben. punkte für einen rechtsextremen Hintergrund ergeben.
Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen den
genannten Arzt wegen Bedrohung dauert an. Der erwähnte 6. Haben Staatsregierung und Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt ist derzeit vorläufig in einer psychiatrischen ihre Auffassung korrigiert, dass es sich bei der „Be­
Einrichtung untergebracht. Gegen ihn wurde Anklage zum sudelung“ eines Moschee-Rohbaus mit Schwei­
Landgericht München I erhoben. Die staatsanwaltlichen neblut in Elsenfeld im November 2009 durch vier
Ermittlungsverfahren gegen die anderen beiden Personen Männer nicht um eine rechtsextrem motivierte Tat
mussten jeweils wegen des Ablebens der Beschuldigten gehandelt habe?
eingestellt werden. Auf die Antwort zu Frage 3.1 der Schriftlichen Anfrage des
Fragestellers betreffend „Rechtsextreme Aktivitäten in Bay­
4. Trifft der Vorwurf des Sprechers des Deutschen ern identifizieren“ (LT-Drs. 16/11791) wird hingewiesen.
Anwaltsvereins (DAV), Swen Walentowski, zu, dass Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Unterfranken weisen
die Ermittlungsbehörden häufig nicht wegen eines alle beteiligten Personen keine Staatsschutzerkenntnisse
rechtsextremen Tatmotivs tätig werden, obwohl es auf. Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg sieht ebenfalls
nicht auszuschließen oder gar offensichtlich sei. keinen Anlass für eine Neubewertung des Vorfalls.
Zunächst darf auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen werden.
Ermittlungsverfahren werden durch die Staatsanwalt- 7. Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung,
schaften ausschließlich aufgrund der gesetzlichen Vorga- um Politik und Öffentlichkeit ein vollständiges La­
ben geführt. Dabei haben die Staatsanwaltschaften nach gebild über die Gefahren durch Rechtsextremisten
dem Offizialprinzip regelmäßig tätig zu werden, wenn sie zu gewähren, wenn viele Gewalt- oder Propagan­
vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangen. Gemäß § dataten Rechtsextremer von Polizei, Staatsan-
160 der Strafprozessordnung (StPO) haben sie den Sach- wälten oder Gerichten nicht als rechtsextrem moti­
verhalt umfassend zu erforschen und alle belastenden und viert eingestuft werden?
entlastenden Umstände zu ermitteln. Die Ermittlungen sind Wenn Ermittlungen der zuständigen Behörden zu dem Er-
insbesondere auch auf die Umstände zu erstrecken, die für gebnis führen, dass die Taten nicht als rechtsextrem ein-
die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung gestuft werden können, dürfen diese zur Vermeidung der
sind. Dem tragen die Ermittlungsbehörden Rechnung. Hier- Verfälschung eines Lagebilds über die Gefahren durch
zu gehört in besonderem Maße auch die Frage, ob einer Rechtsextremisten auch nicht in entsprechende Statistiken
Straftat ein extremistisches oder menschenverachtendes oder Systeme aufgenommen werden. Es darf in diesem Zu-
Motiv zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund sind angeb- sammenhang auch auf die Vorbemerkung zur Beantwortung
liche Defizite – wie sie die Fragestellung unterstellt – nicht dieser Schriftlichen Anfrage verwiesen werden.
ersichtlich. Abgesehen von der Straftatenbewertung der in der Fra-
gestellung genannten Institutionen unternehmen die bay-
4.1 Unter welchen Voraussetzungen erkennt die erischen Sicherheitsbehörden große Anstrengungen im
Staatsanwaltschaft bei Straftaten von Tätern, de­ Kampf gegen den Rechtsextremismus. Durch eine intensive
ren rechte Gesinnung außer Frage steht, denen Öffentlichkeitsarbeit informieren das Bayerische Landesamt
aber Verbindungen in die einschlägige Szene nicht für Verfassungsschutz (BayLfV) und das Staatsministerium
Drucksache 17/3554 Bayerischer Landtag  ·  17. Wahlperiode Seite 5

des Innern, für Bau und Verkehr über die rechtsextremisti- 7.1 Stuft die Staatsregierung die am 4. Oktober 2012 in
sche Szene in Bayern und sensibilisieren dadurch gegen die der Süddeutschen Zeitung geschilderte Tat („Be­
vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren. Zu nen- währung statt Gefängnis, Mann schlägt türkisch­
nen sind hier insbesondere die Jahresberichte und Halbjah- stämmigen Taxifahrer – Richterin erkennt kein
resberichte des Verfassungsschutzes, die Broschüre „Nein rassistisches Motiv“) als rechtsextreme Gewalttat
zu Nazis und Co.“ sowie Vorträge. ein?
Die Pressearbeit des Verfassungsschutzes dient als 7.2 Wenn nein, warum nicht?
wichtiger Multiplikator für die Information der Öffentlichkeit. Die Fragen 7.1 und 7.2 werden gemeinsam beantwortet:
Im Rahmen einer zunehmend proaktiv ausgerichteten Pres- Nach Darstellung des Polizeipräsidiums München wurde
searbeit werden Medienvertreter über aktuelle Ereignisse die Straftat gemäß dem bundesweit geltenden Definitions-
und Hintergründe informiert und in ihren Recherchen un- system „Politisch motivierte Kriminalität – PMK“ als frem-
terstützt. Der Verfassungsschutz setzt hier verstärkt auf die denfeindliches Gewaltdelikt der „PMK-Rechts“ zugeordnet.
Veröffentlichung von Pressemitteilungen sowie die Einla- Es darf in diesem Zusammenhang auf die Antwort zu Frage
dung von Journalisten zu Pressegesprächen. 3 verwiesen werden.
Neben dem Verfassungsschutz betreibt noch die beim Auch das BayLfV stufte die angesprochene Straftat als
BayLfV angesiedelte Bayerische Informationsstelle gegen rechtsextremistisch motiviert ein. Der Täter ist dem BayLfV
Extremismus im Landesamt für Verfassungsschutz (BIGE) als langjähriger Rechtsextremist bekannt, bewegt sich nach
eine intensive Arbeit, um sowohl über den Rechtsextremis- den hier vorliegenden Erkenntnissen momentan aber nicht
mus aufzuklären als auch um betroffenen Institutionen bera- mehr aktiv in der rechtsextremistischen Szene.
tend zur Seite zu stehen. Eine Bewertung der gerichtlichen Entscheidung ist der
Die BIGE bietet über das gemeinsam mit der Landeszen- Staatsregierung mit Blick auf den verfassungsrechtlich ge-
trale für politische Bildungsarbeit betriebene Internetportal währleisteten Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit
www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de umfas- (Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz, Art. 85 Bayer. Verfassung) ver-
sende Informationen zur Lage in Bayern und die Gefahren wehrt. In der Urteilsbegründung setzt sich das Gericht aus-
des Rechtsextremismus an. führlich mit der Motivationsfrage auseinander.
Kernbereich des Portals sind regionale Lagebilder für alle
Regierungsbezirke in Bayern, die von der BIGE in enger 7.3 Ergibt sich für Politik und Öffentlichkeit ein voll­
Abstimmung mit den zuständigen Polizeipräsidien und dem ständiges Lagebild über die Gefahren durch
BayLfV regelmäßig aktualisiert werden. Diese Lagebilder Rechtsextremisten, wenn solche Taten nicht als
enthalten auch vollständige Daten zur Anzahl rechtsextre- rechtsextrem motiviert eingestuft werden?
mistischer Straftaten. Die Lagebilder gewähren somit eine Das Bild des Rechtsextremismus, das namentlich durch das
vollständige Übersicht zur Situation in Bayern aus Sicht der Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, seine
Sicherheitsbehörden. Straftaten, die von den zuständigen nachgeordneten Behörden und die BIGE in die Öffentlich-
Behörden nicht als rechtsextremistisch eingestuft wurden, keit transportiert wird, dient dazu, die Bevölkerung und Insti-
können in die Lagebilder nicht aufgenommen werden. tutionen hinsichtlich des Rechtsextremismus zu sensibilisie-
Daneben bietet die BIGE zielgruppenspezifische Vorträge ren und stellt eine objektive Berichterstattung im Sinne der
zu Lage, Strukturen und Erkennungszeichen des Rechtsex- geltenden gesetzlichen Vorschriften dar.
tremismus in Bayern, um die Öffentlichkeit zu informieren Ergänzend wird auf die Beantwortung von Frage 7 ver-
und zu sensibilisieren. Insgesamt haben die Mitarbeiter der wiesen.
BIGE seit Einrichtung der Informationsstelle über 600 Vor-
träge zum Thema Rechtsextremismus gehalten.

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