Zusammenfassung
Der bestehende, ca. 574 m lange, zweigleisige und elektrifizierte, sohloffene Eisenbahntunnel Nittel ist ca. 130 Jahre alt und zeigt starke
Schäden der Ausmauerung. Er soll eingleisig umgebaut und mit geschlossener Sohle ertüchtigt werden. Im Zuge einer aufwendigen geo-
technischen Erkundung in nächtlichen Sperrpausen wurde eine ganze Reihe verschiedener Herausforderungen, wie z.B. der angrenzende
Altbergbau, der Einfluss des am Portal Nittel befindlichen Rutschhangs, der im Muschelkalk vorhandene und erkundete Karst oder auch
der Einfluss der Beschaffenheit und des Andrangs von Bergwasser an den Tunnel und die herzustellenden Baugruben, untersucht und be-
arbeitet. Der Tunnel Nittel liegt im südlichen Abschnitt im Oberen Muschelkalk. Vor dem Südportal quert eine Störungszone (südliche
Begrenzung eines Grabenbruchs) die Strecke. Das südliche Tunnelportal liegt in einem Steilhang im Oberen Muschelkalk (Prallhang der
Mosel). Nördlich des Grabenbruchs liegt der Tunnelquerschnitt im Unteren Muschelkalk.
Abstract
The existing, approx. 574 m long, double-track and electrified, railway tunnel Nittel is approx. 130 years old and shows dam-
ages of the brick lining. The tunnel should be altered single-track and be renewed. The complex geotechnical exploration was
conducted in night locking breaks. With the survey different challenges was achieved: for example the influence of the adjoin-
ing old mining, the influence near the portal Nittel located slide slope, the spreading of the karst or also the influence of the
state of the mountain water and its afflux to the tunnel. Also recommendations for the excavation pits was worked out. The
tunnel Nittel lies in the southern segment in the upper lacustrine limestone. In front of the south portal of the tunnel a distur-
bance zone (southern limitation of a fracture zone) traverses the track. The southern tunnel portal is located in a scarp in the
upper lacustrine limestone (collision slope of the Moselle). North of the fracture zone the tunnel cross section is located in the
lower lacustrine limestone.
Der Tunnel liegt zwischen den beiden Ortschaften Wel- Im Zuge des Umbaus des Tunnels Nittel soll die Gradien-
len und Nittel, die beide zu der Verbandsgemeinde Konz te durchgängig abgesenkt werden. Am Nordportal soll
gehören. Der Tunnel liegt ca. 20 km (Luftlinie) südwest- die Einschnittsböschung durch Verlängerung des Tunnels
lich von Trier. In der nahe gelegenen Mosel verläuft die um etwa 70 m gesichert werden. Gleichzeitig sind an
Staatsgrenze zu Luxemburg. beiden Portalen Tröge geplant, um die Strecke hochwas-
sersicher zu machen. Am Nordportal, bzw. vor der Tun-
Zwischen 1874 und 1878 wurde der Tunnel erbaut und nelverlängerung in offener Bauweise soll hierzu ein etwa
am 15.05.1878 eröffnet. Nach dem 2. Weltkrieg wurden 70 m langes, am Südportal ein etwa 170 m langes Trog-
bis 1951 Kriegsschäden beseitigt. In den Jahren 1957 und bauwerk errichtet werden.
1972 erfolgten umfangreichere Instandsetzungsarbeiten.
In der 2. Hälfte der 60’er-Jahre wurde der Tunnel elektri- Zur Errichtung des Trogbauwerks im Bereich des Vor-
fiziert. einschnitts Nittel sind die nahe der Bahnstrecke gelege-
nen Brückenpfeilergründungen der die Strecke kurz vor
Die Bahnstrecke 3010, Koblenz – Perl, zu der der Tunnel dem Portal kreuzenden B 419 zu sichern (siehe Abb. 4).
Nittel gehört, verläuft auf der rechten Moselseite mit ei-
16. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“ Bochum 2007
Die nahe gelegene Mosel verläuft in einem Taleinschnitt. Bedingungen vom Arbeitszug aus ausgeführt werden. Für
Das Stauziel der Mosel (Staustufe Grevenmacher) liegt die Bohrungen in der Tunnelfirste musste auf wenige
im Bereich des Tunnels ca. 3 m unter derzeitiger SO. Das nächtliche Vollsperrungen ausgewichen werden. Mit den
Portal Nittel liegt in einem steil abfallenden Prallhang der Bohrungen wurden die Informationen über den Bestand
Mosel. Der Prallhangrücken weist im Bereich des Tun- (Tunnelschale und Hinterpackung) vervollständigt und
nels eine maximale Erhebung von ca. 210 m NN und so- Erkenntnisse über die rund um den Tunnel anstehenden
mit von etwa 75 m über dem Stauziel der Mosel auf. Die Gesteine und geologischen Formationen gewonnen.
Moselhänge sind weitgehend durch Weinbau genutzt.
Zur Ergänzung der aus dem Tunnel heraus durchgeführ-
Im Bereich des Portals Nittel liegt ein Rutschhang, des- ten Erkundungsbohrungen und um diese in ein umfas-
sen Wechselwirkungen mit der Baumaßnahme ebenfalls sendes geotechnisches Modell einhängen zu können, er-
zu beachten sind. Zuletzt hat sich dort zwischen dem folgten ergänzende Kernbohrungen von der Geländeober-
Tunnelportal und der Ortschaft Nittel in den 70er Jahren fläche mit Erkundungstiefen von bis zu 85 m. In den
des vergangenen Jahrhunderts im Zuge von Straßenbau- Kernbohrungen im Bereich der Tunnelstrecke wurden in
maßnahmen eine Rutschung ereignet. den Bohrlöchern jeweils Kamerabefahrungen zur Ermitt-
lung des Trennflächeninventars, Seitendrucksondierun-
gen und WD-Tests ausgeführt.
umwelttechnischen Hintergrundsituation ausgeführt. Im Der Mittlere Muschelkalk wird von mürben, z.T. auch
einzelnen wurden neben den bodenmechanischen Klassi- plastischen Sedimenten aufgebaut, die verhältnismäßig
fizierungsversuchen einige röntgenographische Untersu- schnell verwittern und im Gelände mehr oder weniger
chungen zur Bestimmung der mineralogischen Zusam- flache Hänge bilden. In seinem unteren Teil besteht der
mensetzung sowie einaxiale Druckversuche und Punkt- Mittlere Muschelkalk in der Hauptsache aus roten, grau-
lastversuche durchgeführt. en und grünen Mergeln mit einzelnen grünlichen bis
grauen Dolomitlagen. Darüber folgen graue, z.T. dunkle
Tonmergel mit Gipsschnüren oder Gipslagen. Ihnen
3 Erkundungsergebnisse schließen sich relativ geringmächtige (wenige Meter) rote
und grüne Mergel an. Untergeordnet sind auch Sandstei-
3.1 Geologische Verhältnisse ne eingeschaltet. Den Abschluss der Serie bilden meist
zellige Dolomite und Tonsteine sowie die festen hellen
Die Geologie des Moseltals oberhalb von Trier, in dem Bänke des „Lingula-Dolomits“, der zum Oberen Mu-
das Bauvorhaben liegt, ist im Wesentlichen durch aufge- schelkalk überleitet.
schlossene Schichten des Muschelkalks geprägt, in die
sich die Mosel eingegraben hat. Oberflächennah sind ne- In der Gegend von Nittel wird der gesamte Mittlere Mu-
ben Verwitterungsprodukten auch quartäre Ablagerungen schelkalk i.d.R. rund 90 m mächtig. In der Nachbarschaft
der Mosel vorhanden. Der Lauf der Mosel wird durch von Nittel geht die Mächtigkeit des Mittleren Muschel-
mehrere tektonische Grenzen (Verwerfungen) flankiert. kalks stellenweise auf ca. 50 m zurück. Diese Mächtig-
Im Bereich des Bauvorhabens ist aus der geologischen keitsschwankungen auf engem Raum sind wahrscheinlich
Karte ein Grabenbruch erkennbar. auf die Gips- bzw. Anhydritführung in der Abfolge zu-
rückzuführen, die teilweise ausgelaugt sind. Grundsätz-
Der generelle Schichtaufbau gemäß HEYL wird durch die lich ist in dieser Schichtfolge auch mit Karsthohlräumen
ausgeführte Erkundung bestätigt und detailliert. Generell zu rechnen. Aus dem weiteren Umfeld sind Geländeein-
ist von folgendem Gebirgsaufbau (von unten nach oben) senkung bekannt (Carte de risques géologique Générale
auszugehen: du Luxembourg), die auf zusammengebrochene Karsthol-
räume hindeuten. Angetroffen wurde der Mittlere Mu-
Am ca. 40 m mächtigen Unteren Muschelkalk beteili- schelkalk im Bereich der Tunnelstrecke nördlich der den
gen sich vornehmlich heller, grauer, glimmerreicher, Tunnel querenden Hauptstörung (siehe Abb 3.).
mergeliger Sandstein (Muschelsandstein), gelber bis
grauer, sandiger Dolomitstein (Orbicularis-Schichten) Mit dem Trochitendolomit, der hier den untersten Teil
und feinschichtige, z.T. plastische Tonsteine von sehr der Felssteilwand an den Hängen des Moseltals bildet,
wechselnder Mächtigkeit. Die Sandsteine und Tonsteine beginnt der Obere Muschelkalk. Er besteht aus sehr har-
sind nicht horizontbeständig. Ohne scharfe petrografische tem, dickbankigen und hellgelblichgrauen Dolomiten, die
Grenze geht der Untere Muschelkalk in den Mittleren etwas Kieselsäure enthalten..
Muschelkalk über.
Die Folge der Dolomitbänke wird von einigen gering- werden. In der Planung sind die Karsterscheinungen zu
mächtigen graugrünen Dolomitmergellagen unterbro- berücksichtigen. Im Bereich von Karsthohlräumen, die
chen. Die Mächtigkeit des Trochitendolomits beträgt hier nicht saniert werden, darf je nach Größe des Hohlraums
rund 30 m. Darüber folgen die Nodosus- oder Ceratiten- nur eine verminderte oder gar keine Bettung des Tunnels
schichten, die weitgehend aus Dolomitbänkchen mit angesetzt werden. Auch sind die Karsthohlräume bei
mergeligen Lagen aufgebaut sind. Der Obere Muschel- eventuell erforderlich werdenden Sicherungsmaßnahmen
kalk wird am Tunnelportal Nittel angeschnitten. Südlich zu berücksichtigen.
der den Tunnel querenden Störzone (nördliche Graben-
begrenzung) wurde der Obere Muschelkalk unter dem
Hangschutt bis unter die Tunnelsohle angetroffen. Direkt 3.4 Rutschhang Nittel
vor dem Portal Nittel quert eine weitere Störzone (südli-
che Grabenbegrenzung) die Bahnstrecke. Südlich dieser Die Eisenbahnstrecke verläuft zwischen dem Portal Nittel
Störzone ist der Obere Muschelkalk an der Böschungs- und der Ortschaft Nittel am Fuße eines rutschgefährdeten
schulter des Taleinschnitts als Felssteilwand anzutreffen. Hanges. Die letzten größeren Bewegungen eines Teils
des Hanges traten im Winterhalbjahr 1964/65 auf. Da-
Die Schichten des Oberen, Mittleren und Unteren Mu- mals gerieten etwa 250.000 m³ Boden / Fels in Bewe-
schelkalks sind überwiegend söhlig gelagert mit mittleren gung und die Straßen- und Bahnverbindung wurde un-
Fallwinkeln zwischen etwa 5° - 10°. Wie bei der flachen terbrochen. Bewegungen des Hanges sind allerdings
Lagerung zu erwarten kommen Fallrichtungen unter- schon seit Eröffnung der Strecke bekannt. So entschloss
schiedlichster Richtung vor; eine bevorzugte Fallrichtung sich die Bahn aufgrund stetiger Lageveränderungen der
war nicht zu beobachten. Insgesamt liegt ein orthogona- Gleise zwischen den Jahren 1878 und 1886 mehrere
les Trennflächengefüge vor. Die nahezu senkrecht ste- Entwässerungsstollen bergseitig der Bahnlinie voranzut-
henden Kluftscharen konnten mit den optischen Bohr- reiben. Nach HEYL sind die Ursachen des Hangrutsches
lochscanns erkundet werden und an den gewonnen Ker- von 1964/65 im Zusammentreffen der folgenden Fakto-
nen verifiziert werden. ren zu sehen:
lung eines Entwässerungsstollens zwischen Oberem und nahme werden die Inklinometer als „Frühwarnsystem“
Unterem Muschelkalk vorgesehen. Abgesehen von der verwendet. In den seit beinahe einem Jahr ausgeführten
heute noch zwischen Bahnstrecke und Mosel zu erken- Messungen konnten bisher keine eindeutigen Bewegun-
nenden Vorschüttung liegen über die Ausführung und gen festgestellt werden.
Wirksamkeit der vorgenannten Maßnahmen keine Unter-
lagen vor.
3.5 Bergbau
Der Hang zwischen dem Portal Nittel und der Ortschaft
Nittel ist auch heute noch als potenziell gefährdeter Ein weiterer Umstand, der im Zuge der Erkundungen un-
Rutschhang anzusehen. Die Rutschfläche ist am Über- tersucht wurde, ist der im Umfeld des Tunnels Nittel um-
gang des Hanglehms / Hangschutts bzw. der Niederter- gegangene Kalk-Bergbau. Durch die Trierer Kalk-, Do-
rasse zum unverwitterten mittleren bzw. unteren Mu- lomit- und Zementwerke GmbH (TKDZ) Wellen wurde
schelkalk zu sehen. In den Erkundungsbohrungen wurde im Umfeld des Tunnels Dolomit abgebaut. In den
die Mächtigkeit des als Rutschkörpers anzusehenden Schichtenfolgen des Oberen Muschelkalks werden bzw.
Hanglehms / Hangschutts mit etwa 8 m bis 16 m festges- wurden zwischen Wellen und Nittel zwei Horizonte unte-
tellt. rirdisch abgebaut: das „Kalklager“ und das „Obere Do-
lomitlager“.
Die flächige Ausdehnung kann aufgrund der gewonnen
Erkenntnisse vor Ort und den Angaben des geologischen Nach Archivangaben die bei der DB AG vorliegen, liegt
Landesamts Rheinland-Pfalz wie im Folgenden beschrie- der Tunnel Nittel an der engsten Stelle von den westli-
ben eingegrenzt werden. Die im Gelände befindliche chen Grubenbauen (Dolomitlager) nur rund 15 m ent-
Steilstufe oberhalb des Portals Nittel liegt sicherlich au- fernt, während der Höhenunterschied zwischen der Sohle
ßerhalb des Rutschhangs und stellt somit die äußerste der Grubenbaue und dem Gleisniveau an dieser Stelle nur
mögliche nördliche Begrenzung des Rutschhangs dar. etwa 9 m betragen soll. Mit den Erkundungsbohrungen,
die auch im Bereich der engsten Stelle zwischen dem
Tunnel und dem Abbaugebiet angesetzt wurden, konnte
allerdings keine Abbautätigkeit ermittelt werden.
Die südliche Grenze des Rutschhangs Nittel ist nahe der Im nördlichen Bereich des Tunnels schließt sich an den
Ortschaft Nittel zu suchen. Da die Grenze, wie der histo- mit Klinkern ausgemauerten Gewölbebereich ein Bereich
rische Erdrutsch belegt, weit südlich der aktuell vorgese- mit Kalk- bzw. Sandsteinquadermauerwerk an, der über-
hen Baumaßnahme liegt, wurden zur südlichen Abgren- wiegend mit Spritzbeton versiegelt wurde. In diesem Be-
zung des Rutschhangs keine weiteren Untersuchungen reich quert die nördliche Störungszone den Tunnel. Das
ausgeführt. Gewölbe weist hier etliche Schadstellen in Form von Ris-
sen im Spritzbeton, morschem Spritzbeton, freiliegender
Der Rutschhang steht in einem rechnerisch wohl nur Bewehrung und diversen Feuchtstellen auf (siehe Abb. 5.
schwer nachweisbaren Grenzgleichgewicht an, welches und Abb. 6.).
schon durch eine geringe Änderung im Widerlagerbe-
reich so gestört werden kann, dass der zur Zeit offenbar Im südlichen Teil des Tunnels, der größtenteils im Obe-
in Ruhe befindliche Hang aktiviert werden könnte. ren Muschelkalk aufgefahren wurde, steht in den Ulmen
bereichsweise das nackte Festgestein an, bereichsweise
Zur Überprüfung des Hangs wurden in einigen Bohrun- ist dieses mit einem Spritzbetonauftrag gesichert. Das
gen Inklinometer eingebaut. Der Fußpunkt der Inklino- Gewölbe ist i.d.R. mit einem Kalk- bzw. Sandsteinqua-
meter wurde jeweils in den standfesten, unverwitterten dermauerwerk oder Klinkermauerwerk gesichert, das auf
Schichten des Mittleren Muschelkalks verankert. Die In- einer in den Fels gehauenen Konsole am Ulmenkopf auf-
klinometer werden bis zum weiteren Erkenntnisgewinn liegt. Dieser Bereich weist vergleichsweise geringe Al-
über den Rutschhang beobachtet. Während der Baumaß- tersspuren auf und kann größtenteils als intakt bezeichnet
werden.
16. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“ Bochum 2007
Literatur