83 59381
Deutschland
14,90 D
Österreich 16,40 D
BeNeLux 17,20 D
Schweiz 25 CHF
83
4 195938 114908
Junkers J 1
DVL Adlershof Kalter Krieg Focke-Wulf Fw 190 Argentiniens Panther Junkers J 1
zm etallflugzeug
Das erste Gan
DVL Adlershof Kalter Krieg Focke-Wulf Fw 190 Argentiniens Panther Junkers J 1
Im Buch:
Die verschiedenen Horten-Strahlflug-
zeuge;Technische Beschreibung des
Horten-Düsenjägers; Projekt eines
flugfähigen Horten-Nachbaus in den
USA; Viele Original-Dokumente und
-Pläne.
Foto: Uwe W. Jack
Wir freuen uns auf Ihren Kommentar zu diesem Heft! Jetzt bestellen
Email: x@fliegerrevue.aero
www.fliegerrevueX.aero
www.ppvmedien.de
Telefon: +49 8131 565568
bestellung@ppvmedien.de
4 Inhalt
18
Die DVL in Adlershof von 1912 bis 1945
Eingerichtet 1912 , um den deutschen Rückstand in der Luftfahrt aufzuholen,
brachte es die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt in Adlershof Anfang
der 1940er-Jahre bis an die Weltspitze der Luftfahrtforschung.
Die Grumman Panther und Cougar waren die ersten Jets der argentinischen
Marine und als einzigem Betreiber in der Region gaben sie Argentinien
einen unübertroffenen strategischen Vorteil in Lateinamerika.
ü
Inhalt 5
70
Aus Sonderheft „Kalter Krieg“ Teil 1
Die Spielregeln
des Kalten Krieges
Das jahrzehntelange Wettrüsten der
beiden Supermächte USA und UdSSR
verlief nicht planlos, sondern folgte
einer inneren Logik. Nicht nur das
Streben nach immer wirkungsvolleren
Waffen bestimmte den Ablauf der
Konfrontation, auch wirtschaftliche
Strategien führten letztlich zum
Zusammenbruch der Sowjetunion.
40
Aus FliegerRevueX 56
Focke-Wulf Fw 190
Nach anfänglichen Problemen mit
dem Sternmotor zeigte sich die Fw 190
als erfolgreiches Kampfflugzeug im
Jagd- und Schlachtfliegereinsatz. In
verschiedenen Versionen wurden von
der Fw 190 mehr als 19 000 Stück gebaut.
8
Aus FliegerRevueX 57
Das erste
Ganzmetallflugzeug
Skeptisch betrachtet wurde die seltsame
Konstruktion, die Hugo Junkers
im Dezember 1915 den deutschen
Fliegerkräften zur Erprobung überließ.
Ganz aus Metall und ohne die üblichen
Verspannungen gebaut, leitete die J 1
eine Revolution im Flugzeugbau ein.
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Im Blickpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Bücher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Leserbriefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Vorschau/Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
ü
Titelabbildung: Gesellschaft zur Bewahrung von Stätten Deutscher Luftfahrtgeschichte e.V.
6 Im Blickpunkt
Das Nachbauprojekt eines Jagdflugzeugs vom Typ Der erste Flug ist für den Herbst 2020 geplant. Es
Fokker D.XXI nähert sich der Fertigstellung. Schon wird mit großer Resonanz, nicht nur aus der nieder-
werden die Tarnung und die Kennzeichen aufge- ländischen Luftfahrtszene, gerechnet.
bracht. Auf dem Flugplatz Hoogeveen in den Nieder-
landen hatte im Jahr 2014 der Flugzeug-Enthusiast
Jack van Egmond begonnen, die Maschine aus dem
Zweiten Weltkrieg zu bauen. Zum Glück fanden sich
Die C-54 gehört der Berlin Airlift Historical die fast kompletten Pläne der Fokker in Privatbesitz.
Foundation, die sich besonders dafür einsetzt, Es werden auch einige Originalteile verbaut.
bei Schülern die Erinnerung an das größte Trans- Van Egmond möchte die Fokker D.XXI flugfähig
portunternehmen der Geschichte wach zu halten. bauen und auf Veranstaltungen vorführen. Sie erhält
Foto: FlyingFokkerD21
Die Gemeinschaft betreibt noch eine flugfähige dabei das Kennzeichen „229“ des Piloten K. Roos, der
Boeing C-97, die keine Sturmschäden davontrug. in den Niederlanden als Nationalheld gilt. Er schoss
Weitere Informationen: beim deutschen Überfall im Mai 1940 zwei Zerstörer
www.spiritoffreedom.org Messerschmitt Bf 110 mit seiner „229“ ab.
ü
Im Blickpunkt 7
www.navalaviationmuseum.org
ü
https://nat.museum-digital.de
8 Das erste Ganzmetall-Flugzeug
ü
Das erste Ganzmetall-Flugzeug 9
Junkers J 1
Das erste
Ganzmetall-Flugzeug
ü
10 Das erste Ganzmetall-Flugzeug
Fotos & Abbildungen: wenn nicht anders angegeben - Archiv Bernd Junkers
D
Unter den kritischen Augen as erste Fluggerät „schwerer als Luft“, gebaut von den das Flugzeug von Hugo Junkers, welches ganz aus Metall gebaut war,
der Prüfkommission wird Brüdern Lilienthal, welches einem Menschen sicher und auf die damaligen Luftfahrtspezialisten gewirkt haben muss, kann
der freitragende Flügel der wiederholt zum Fliegen verhalf, bestand aus Materialien, heute kaum nachvollzogen werden.
J 1 einem Belastungstest die im ausgehenden 19. Jahrhundert für leichte Bauten
unterzogen. üblich waren. Die ersten Flugzeuge der Welt wurden aus Holz und Erster Einsatz von Metallstrukturen
Weidenruten für die tragende Struktur sowie Baumwollgewebe für die Die Flugzeugbauer, die den Lilienthals unmittelbar folgten, sahen kei-
Formgebung gebaut, also aus der Natur stammenden Baustoffen. Als nen Grund, neue Materialien zu benutzen. Sie verwendeten ihre Ener-
Verbindungselemente kamen Schnur, Nägel und Metallbeschläge aus gie auf die Verbesserung der Aerodynamik, vor allem der Steuerfähig-
Stahl oder Kupfer und auch Draht zum Einsatz. Die Lilienthals hatten keit ihrer Flugzeuge. Der Schritt vom Gleitflieger zum Flugzeug mit
als Maschinenbau-Ingenieure und Besitzer einer Maschinenfabrik, Motorantrieb zeigte aber bald die Grenzen der natürlichen Baustoffe.
Zugang zum Wissen über mögliche Materialien, besonders zum Ein- Die Startmassen der Flugzeuge stiegen stark an und die Belastungen
satz von Metallen. Ihre Entscheidung für die von Ihnen verwendeten der Struktur wuchsen dadurch ständig. Besonders beansprucht wur-
Baustoffe kann nur als richtig bewertet werden. Wie ungewöhnlich den die, bei Lilienthal nicht vorhandenen, Fahrwerke. Einen Lilienthal-
Die systematische
Herangehensweise von
Junkers an den Flugzeugbau
zeigen die 1913 untersuchten
Windkanalmodelle (links),
aus denen sich dann die
Foto: Aus „Junkers Lehrschau“ 1939 - Sammlung Uwe W. Jack
Foto: Aus „Junkers Lehrschau“ 1939 - Sammlung Uwe W. Jack
ü
Das erste Ganzmetall-Flugzeug 11
Gleiter konnte man nach dem Flug zusammenfalten und wieder mit
nach Hause nehmen. Die neuen Motorflugzeuge waren da weniger
flexibel. Wenn es keinen Schuppen zur Unterbringung gab, waren
die Flugzeuge Wind und Wetter ausgesetzt. Hatten die Flugpioniere
meist einen festen Stützpunkt mit Schutzmöglichkeiten, fiel dies mit
Beginn des Ersten Weltkriegs oft weg. Feuchtes Holz verzieht sich, ein
für Flugzeuge schwer zu tolerierender Nachteil. Schon früh gab es
Versuche, die empfindliche Holzkonstruktion durch Metall zu erset-
zen. Eine Entwicklung, die sich etwas früher auch beim Automobil
vollzogen hatte. Der in Johannisthal lebende Franzose Emile Jeannin
baute seine Flugzeuge ab 1912 mit der äußeren Form der beliebten
Etrich-Rumpler-Taube, aber mit einer Struktur aus Stahlrohren. Dem
Vorteil der Formtreue bei Feuchtigkeit stand hier das höhere Struktur-
gewicht gegenüber.
Ein Professor an der Hochschule Aachen ging dann einen Schritt
weiter. Nach Versuchen mit einem 1908 gekauften herkömmlichen
Voisin-Doppeldecker begann Dr. Hans Jakob Reissner nach Konsulta-
tionen mit seinem damaligen Aachener Co-Professor Hugo Junkers
erst mit der Modifizierung des Flugzeugs und schließlich mit der
Konstruktion eines eigenen Ganzmetall-Flugzeugs. Reissner hatte
zuvor unter anderem für Graf Zeppelin Berechnungen zur Festigkeit
von Luftschiffstrukturen durchgeführt. Das von ihm konstruierte
Flugzeug war in vieler Hinsicht ungewöhnlich. In Entenbauweise aus-
gelegt, wurde es von einem Schubpropeller angetrieben und war mit
einem Bugradfahrwerk versehen. Die Tragflächen und Höhenleitwer-
ke waren aus scharfwinkligem Wellblech gefertigt, welches die Firma
Junkers geliefert hatte. Die Struktur bestand aus Metallrohren. Zur Sta-
bilisierung war die Maschine wie üblich mit Drähten verspannt. 1912
flog die„Reissner-Ente“ erstmals. Obwohl auch Aluminium verwendet
wurde, war die Maschine sehr schwer und wohl auch fliegerisch kaum
zu beherrschen. Als Reissner 1913 an dieTechnische Hochschule Berlin
berufen wurde, gab er seine Flugversuche auf. komfort war ein wichtiges Verkaufsargument für den Aufstieg des Die Entwicklung zum Ganz-
Der Automobilbau war auch Vorbild für einen weiteren Schritt in Automobils. Die Karosserie wurde schon früh aus Blechen gefertigt. metall-Flugzeug dargestellt
Richtung der heute noch angewendeten Bauweise bei Flugzeugen. Dabei ging die Industrie schnell zur Nutzung von Blechen, verstärkt in der Junkers-Lehrschau,
Insassen eines Autos sollten vor dem Wetter geschützt werden. Fahr- durch Spanten, als tragende Teile der Struktur über. Diese vom Schiff- einer Ausstellung der Firma.
Das Konstruktionsbüro,
in dem die J 1 entstand,
war gleichzeitig auch Ver-
suchswerkstatt. So konnten
die Konstrukteure in ihre
Entwürfe die praktischen Er-
fahrungen mit Versuchsteilen
einfließen lassen.
ü
Das erste Ganzmetall-Flugzeug 13
ü
14 Das erste Ganzmetall-Flugzeug
industriellen Ganzmetall-Flugzeugbaus angesehen werden. Wie bei Hugo Junkers wollte sein Metallflugzeug fliegen sehen. Im Sep-
anderen Technologien auch, gibt es natürlich etliche Vorläufer und tember 1915 wurden die ersten Baugruppen für das Junkers-Flugzeug
andere Pioniere. Hier jedoch wurde die ganze Bandbreite der Kon- J 1 gefertigt. Ab Anfang Dezember konnte die komplette Maschine
struktion und Herstellung erkundet, getestet und schließlich geordnet Belastungstests unterzogen und wenige Tage später an die Versuchs-
– bis hin zur Schaffung einer eigenen Normung für den Metallflug- stelle Döberitz bei Berlin ausgeliefert werden. Dort erfolgte am 12.
zeugbau. Dabei hatte Hugo Junkers immer einen wirtschaftlichen Dezember 1915 der Erstflug. Flugzeugführer war Leutnant Friedrich
Fertigungsprozess und Betrieb seiner Flugzeuge im Auge. von Mallinckrodt. Bei der Landung beschädigt, konnte der nächste
Punktschweißung der
Tragfläche der J 1. Bei
der Versuchsmaschine J 1
konnte auf die Erfahrungen
in der Verarbeitung von
Eisenblechen aus den an-
deren Geschäftsbereichen
des Junkerswerkes zurück-
Foto: Aus „Festschrift Hugo Junkers zum 70. Geburtstage“ 1929 - Sammlung Uwe W. Jack
ü
Das erste Ganzmetall-Flugzeug 15
ü
16 Das erste Ganzmetall-Flugzeug
Flug erst im Januar 1916 stattfinden. Die J 1 erwies sich als stabil, etwa
Schnell stellten die Beschäf- so schnell wie ein Fokker-Eindecker, aber untermotorisiert und viel
tigten im Flugzeugbau die zu schwach in der Steigleistung. Dies waren die Folgen des hohen
Mehrzahl der Mitarbeiter bei Leergewichtes durch das Eisenblech. Allen Vorurteilen zum Trotz
Junkers. Hinter dem Kürzel flog der „Blechesel“ zuverlässig und ein offizieller Auftrag über sechs
Abbildung: Aus „Festschrift Hugo Junkers zum 70. Geburtstage“ 1929 - Sammlung Uwe W. Jack
Jco verbirgt sich die ursprüng- Flugzeuge eines verbesserten Musters, der J 2, folgte. Diese Maschine
liche Firma Junkers & Co, die sollte militärische Gesichtspunkte, wie eingebaute Maschinengeweh-
Hugo Junkers zusammen mit re, berücksichtigen.
Robert Ludwig zur Produktion Wie die J 1 auch, fertigte Junkers die neuen Flugzeuge aus Eisen-
von Warmwasserboilern blech. Anders als bei der J 1 war der Nachfolger als Jagdflugzeug
gegründet hatte. Die Ein- geplant, also ein Einsitzer. Der Tiefdecker war erst mit dem gleichen
brüche durch die Inflation schwachen 120-PS-Motor der J 1 ausgerüstet, später mit einem Daim-
1921/22 und die Firmenkrise ler D III mit 160 PS. Bei der Flugerprobung machten sich die Schwä-
wegen des zu teuren Junkers- chen des Vorgängers wieder bemerkbar. Schwache Steigleistungen
Luftverkehrs ab 1925 sind und mäßige Manövrierfähigkeit trotz guter Fluggeschwindigkeit
deutlich zu erkennen. überzeugten die Abnahmepiloten nicht. Als am 23. September 1916
der Versuchsflieger Max Schade mit einer J 2 aus 300 m Flughöhe in
die Stadt Dessau stürzte, war das Schicksal der Maschine besiegelt.
Vermutlich war die Strömung am dicken Flügel der J 2 abgerissen
und dem Flugzeugführer gelang es nicht, die überzogene Maschine
wieder unter Kontrolle zu bringen.
ü
Das erste Ganzmetall-Flugzeug 17
ü
18 Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL)
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 19
Die
Deutsche Versuchsanstalt
für Luftfahrt (DVL)
Foto: GBSL
A
us der Befürchtung heraus, Deutschland könnte in der war Johannisthal zu einer Zentrale der Luftrüstung geworden. Etwa
Luftfahrt „schwerer als Luft“ gegenüber dem Konkurren- 13 000 von insgesamt 47 000 in Deutschland während des Krieges
ten Frankreich weiter an Boden verlieren, begannen 1908 gebauten Flugzeugen, wurden hier gefertigt. AGO, Albatros, Luft-
private Bemühungen um die Errichtung eines Flugplatzes Verkehrs-Gesellschaft mbH (LVG), Fokker und Rumpler waren die
in Berlin. Die Entscheidung fiel zugunsten von Johannisthal und wichtigsten Werke jener Zeit, gelegen im nordwestlichen Teil des
Adlershof, damals noch als selbstständige Gemeinden vor den Platzes, im Süden hatte die Luft-Fahrzeug-Gesellschaft mbH (LFG)
Unten: Lageplan von Johan- Toren der Hauptstadt gelegen. Am 26. September 1909 konnte der ihren Sitz.
nisthal/Adlershof von 1912 von einem drei Meter hohen Holzzaun umgebene Platz mit einer bis
mit der neu eingerichteten zum 3. Oktober dauernden Flugwoche eröffnet werden. Es war ein Die Luftfahrtforschung siedelt sich an
Versuchsanstalt rechts-oben. „Treffen der besten Aviatiker der Welt“. Noch waren die deutschen Im April 1912 bezog nahe dem Bahnhof Adlershof die gerade
Flieger aber erfolglos. gegründete Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt e.V. ihre neuen
Rechts: Luftbild der Motoren- Mehr und mehr fand der Flugplatz auch das Interesse des Mili- Anlagen. Diese begründete die wissenschaftliche Tradition des
prüfstände der DVL etwa tärs, so wurde beispielsweise bereits im Jahr 1912 eine Marineflie- Standortes und dehnte sich in den folgenden Jahrzehnten bis zum
im Jahr 1913. gerstation in Betrieb genommen. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur räumlich umfangreich aus,
Abbildung: Archiv GBSL
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 21
sondern sie setzte auch international deutliche Akzente, welche die Gelände war der eigentliche Partner derTerrain-Aktien-Gesellschaft
Technologie des Flugwesens noch heute kennzeichnen. nicht die DVL, sondern das Deutsche Reich.
Bereits am 28. September 1909 – zur Zeit der ersten Flugwoche
in Johannisthal – regte Ferdinand Graf von Zeppelin auf der Vor- Die Arbeit wird aufgenommen
standsratssitzung des Deutschen Museums München die Schaffung Am 27. Januar 1912 war der „Kaiserpreis für den besten deutschen
einer zentralen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Deutschland an, Flugmotor“ ausgeschrieben worden. Die DVL sollte nun die im
wie sie in England und Frankreich gerade entstanden waren. Der Wettbewerb befindlichen 65 Flugmotoren bis Anfang 1913 prüfen.
Deutsche Reichstag griff diese Idee noch im Dezember 1909 auf. Im Oktober 1912 waren bereits das Laborgebäude (heute als ein-
Selbst der deutsche KaiserWilhelm II begann sich zunehmend dafür ziges erhaltenes Gebäude aus der Gründerzeit als Forumgebäude
zu interessieren. bezeichnet) mit einer elektrischen Umformeranlage, an das sich
Wichtige Verbände, Gesellschaften und Clubs äußerten sich das Werkstattgebäude anschloss, und die fünf Prüfstände der
daraufhin ebenfalls positiv. Interessanterweise konnte sich Zep- Motorenabteilung fertiggestellt. Im Frühjahr 1913 gab es neben
pelin aber nicht ganz durchsetzen. Diese Versuchsanstalt, von ihm der Motorenabteilung noch die Flugzeug- und die Physikalische
anfangs unter dem Titel „Deutsche Versuchsanstalt für Luftschif- Abteilung sowie die Tischlerei und die Schlosserei. Im gleichen Jahr
fahrt“ publiziert, sollte in Friedrichshafen entstehen. Davon rieten kam die hölzerne Flugversuchshalle hinzu. Die Flugzeugabteilung
die Militärs unter Hinweis auf eine zu große Nähe zur französischen begann, Geräte und Verfahren für statische Belastungsversuche Motorenprüfstände um 1916
Grenze ab. Im Juni 1911 lag auf Veranlassung des dafür zuständi-
gen Reichsamtes des Innern ein Gutachten vor – das „Projekt einer
Reichsversuchsanstalt für Luftfahrt“. Prominente Autoren waren
der Direktor des Königlichen Aeronautischen Observatoriums in
Straßburg, der Geheime Regierungsrat Prof. Dr. Hugo Hergesell, und
der Leiter der AerodynamischenVersuchsanstalt (AVA) in Göttingen,
Prof. Dr. Ludwig Prandtl.
Am 20. April 1912 erfolgte dann die Gründung des Vereins
„Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“. Der § 1 der Satzung lau-
tete: „Der Verein hat den Zweck, das deutsche Flugwesen und die
deutsche Luftschiffahrt durch Errichtung, Ausbau und Unterhal-
tung einer Versuchsanstalt zu gemeinem Nutzen zu fördern.“ Am 3.
Juni erfolgte die Eintragung in das Vereinsregister des Amtsgerichts
Berlin-Mitte. Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 28. Juni 1912 wur-
de ein Pachtvertrag über ein einen Hektar großes Grundstück am
östlichen Ende des Flugfeldes Johannisthal-Adlershof abgeschlos-
sen – gültig bis 1929 – und mit einer Option auf weitere drei Hektar.
Friedrich Bendemann hieß der Direktor, die ersten Bauten wurden
genehmigt und die Arbeiten begannen unverzüglich. Präsident war
Foto: Archiv GBSL
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 23
und erreichte eine große Ausdehnung der Anlagen der Versuchsan- zur Verfügung. Andererseits gestattete die seit 1925 als Abteilung
stalt. Sein Ziel war es, damit eine vollständig eingerichtete Anstalt „M“ bestehende verdeckte Erprobungsstelle für Militärflugzeuge
zu haben, was der DVL in den 1920er-Jahren sehr zugute kommen einen Zuwachs an finanziellen Mitteln. Nicht zuletzt aus eigenen
sollte. Ein Beispiel dafür war der im Jahre 1916 errichtete Luftschrau- Einnahmen der DVL konnte 1933 der Kleine Windkanal mit einem
benprüfstand mit 400 PS und 1700 U/min. Durchmesser von 1,2 m, 65 m/s Strömungsgeschwindigkeit und
Hatte die DVL im Jahr 1918 117 Beschäftigte, sank deren Zahl 150 PS Antriebsleistung in Betrieb gehen. Doch diese Baustufe war
nach Kriegsende auf 43 und sogar auf 20 im Jahre 1923. Ende nicht der Schlusspunkt, wie die Denkschrift „Erweiterter DVL-Aus-
1919 löste Dr.-Ing. Wilhelm Hoff den Leiter Friedrich Bendemann bau 1936 – 1938“ vom Februar 1936 zeigt. Weitere 5 Millionen RM
ab. Trotz aller Unsicherheiten, Machtkämpfe und wirtschaftlichen Zuführungen waren die Folge. Bis 1939 sollte ein Großer Windkanal,
Probleme erstarkte die DVL wieder, sie zählte 1925 bereits 114 und ausgestattet mit einer sogenannten Sechskomponenten-Waage,
1928 schon 543 Mitarbeiter. Neue Abteilungen entstanden, eine die Forschungsmöglichkeiten erweitern. Bereits 1932 wurde die
Flug-Abteilung, die Flugzeug-Abteilung wurde in die Statische, die neue elektrische Zentrale und eine Heizungs- und Kompressor-
Aerodynamische, die Stoff- und die Prüfanstalt aufgeteilt. Eine Funk- anlage gebaut. Ein Luftschraubenprüfstand sowie Mess- und
Abteilung, die Höhenflugstelle und andere Einrichtungen kamen Schleuderprüfstände waren bereits fertiggestellt, weitere Anlagen Links: Mechaniker in der
hinzu. Längst war der Anstalt die Musterprüfung für Flugzeuge, befanden sich in der Planung. Zeitweilig hatte die DVL auch eine Werkstatt der Prüfanstalt
die Prüftätigkeit als Ganzes übertragen worden. Zuständiger Leiter luftfahrthistorische Sammlung eingerichtet, die aber finanziell und Werft der Fliegertruppe
dafür war der ehemalige Wright-Fluglehrer und Alte Adler Robert nicht gehalten werden konnte. Die Architekten, die für die gesamte um 1916
Thelen. Allerdings hemmten Unsicherheiten über den künftigen Anlage verantwortlich zeichneten, waren Werner Deutschmann
Standort auch die Bautätigkeit. und Hermann Brenner, unter künstlerisch-gestalterischen Gesichts- Unten: Ein Schienenversuchs-
Es gab nach dem Brand des ersten Windkanals nur noch einen punkten wirkte Arno Breker mit. wagen der DVL in Dümde.
Instrumenten-Windkanal mit ganzen 28 cm Durchmesser, unge-
eignet für aerodynamische Experimente. 1926 war wenigstens
ein Motorenprüfstand für 1000-PS-Triebwerke dazugekommen.
Erst im Jahre 1931 war der Verbleib der DVL in Adlershof endgül-
tig gesichert, doch ursprünglich bereits genehmigte Mittel zum
Ausbau standen nun infolge der Weltwirtschaftskrise nicht mehr
Foto: Archiv GBSL
ü
24 Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL)
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 25
der DVL mit Verwaltungs-, Versorgungs- und Vortragsräumen sowie bereits insgesamt 28,2 Millionen RM umgesetzt worden. 1938
Laborgebäude für Werkstoffforschung, Gasdynamik, Elektrophysik, ging der Hochgeschwindigkeitswindkanal mit geschlossener Mess-
Bildwesen und Navigation. Auf der Nordseite baute man weitere Strecke in Betrieb. Die Mess-Strecke hatte einen Querschnitt von
zum Teil beispielhafte Forschungs- und Experimentieranlagen, 2,70 m, die Strömungsgeschwindigkeit reichte bis Mach 0,9. Im
so 1935 den Trudel-Windkanal. Unter Normalbedingungen oder gleichen Jahr wurde die zweite Baustufe des Höhenprüfstands für
unter Überdruck wurden in einem senkrechten Luftstrom von 3,75 Flugmotoren fertiggestellt, dann Rollbahnen und Hallenvorfelder
m Durchmesser freifliegende Flugzeugmodelle in ihrem Verhalten betoniert. Es entstand eine Asphaltrollbahn in Form eines Achtecks,
von Messkameras dokumentiert. Zwei Jahre später ging der mittlere das sogenannte Oktogon, welches das Flugfeld umschloss, sodass
Windkanal mit einem elliptischen Querschnitt der Windkanaldüse selbst bei feuchter Witterung die mitunter recht schweren Flug-
von 2,15 x 3 m in Betrieb. zeuge erleichterte Start- und Landebedingungen vorfanden. 1940
Zu den Neubauten zählten zwei Versuchshallen mit je zwölf schließlich wurden auch drei Großhangars übergeben, von denen
Prüfständen für Versuche mit Ein- und Mehrzylinder-Flugmotoren, heute noch zwei unter Denkmalschutz stehend existieren. Inzwi-
vier offene Pendelrahmen-Motoren-Prüfstände und die erste Bau- schen war auch das sogenannte Westgelände mit einer Werfthalle, Die Werkstätten der DVL
stufe des Motorenhöhenprüfstands. Bis zum Jahr 1935 waren drei Werkstatt-, Verwaltungs- und Sozialgebäuden fertiggestellt etwa im Jahr 1926.
Foto: Archiv GBSL
ü
26 Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL)
Der Werfthangar in
Adlershof 1936.
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 27
Versuche an Menschen
Der Krieg machte auch um die DVL keinen Bogen. Wenn auch rein
gefühlsmäßig weiterhin der Forschungsgegenstand im Mittelpunkt
stand, wurden aber die Grenzen immer enger gesteckt. Wie eng die-
se Einbindung war, zeigt sich an der Rolle der Abteilung Luftfahrt-
medizin unter der Leitung von Dr. Siegfried Ruff im Zusammenhang
mit der Entwicklung des Schleudersitzes für die deutsche Luftwaffe
(ca. 1000 eingebaut mit ca. 60 erfolgreichen Ausschüssen). Aus
medizinischer Sicht waren Untersuchungen des Verhaltens des
menschlichen Organismus in großen Flughöhen (bei Unterdruck)
Abbildung: Sammlung Uwe W. Jack
Foto: Deutschmann
Oben: Der Grosse Windkanal chen (Unterkühlung) in KZ in Verbindung gebracht werden kann.
im Bau 1934. Diese liefen unter Verantwortung und im Auftrag der Luftwaffe. Ruff
und Romberg wurden 1947 im Nürnberger Ärzteprozess freigespro-
Rechts: Der alte, kleinere chen. Ruff hatte aber seit November 1945 im Aero Medical Center
Windkanal um 1932. der U.S. Air Force in Heidelberg Gelegenheit bekommen, weiter an
Foto: GBSL
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 29
Großer Windkanal
Der in den Jahren 1932 bis 1934 in Adlershof errichtete Große Wind-
kanal gehörte zu den weltweit besten Niedergeschwindigkeits-
Windkanälen der frühen 1930er-Jahre. Durch die Erfahrungen mit
Abbildung: Nach Unterlagen der DVL, erstellt und bearbeitet Skibbe / Kosanke.
Zwei Fotos: Im Inneren des zu einer geringen Geräuschemmission im laufenden Betrieb. Die
Großen Windkanals. Die Luftführung war weitestgehend in Stahlbeton-Schalenbauweise
Gesellschaft zur Bewahrung ausgeführt worden. Die durchschnittlicheWandstärke betrug ledig-
lich sieben Zentimeter. Motor und Gebläse wurden auf gesonderte
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 31
Abbildung: Nach Unterlagen der DVL, erstellt und bearbeitet Skibbe / Kosanke.
Foto: Archiv GBSL
ren in der Lage ist, wie die Herabsetzung des Reibungswiderstandes eine systematische, wissenschaftlich fundierte Ursachenforschung
turbulent umströmter Oberflächen mit Hilfe spezieller Oberflächen- zu betreiben, um sowohl konstruktiv als auch für die Pilotenausbil-
strukturierungen. dung Abhilfe bieten zu können.
Der Berliner Flugkapitän a. D. Richard Perlia, in den 1930er- Links: Die Messhalle des
Trudel-Windkanal Jahren Testpilot bei der DVL war in Flugversuche eingebunden. Großen Windkanals 1936.
Die zunehmende Zahl von zumeist tödlich verlaufenden Flugunfäl- In seinem Flugbuch sind 52 Flachtrudelversuche mit der Messer- Unten: Da das Innere des
len, hervorgerufen durch das Abreißen der Strömung an den Trag- schmitt Me 31 verzeichnet. Die Maschine trug zusätzlich zwei Trudelkanals unter Druck
flächen in einem überzogenen Flugzustand, machte es erforderlich, Filmkameras zur Dokumentation der Strömung am Höhenleitwerk gesetzt werden konnte, ist
mittels Rauchgeneratoren. Er führte auch Trudelversuche mit der das Beobachtungsfenster
Heinkel He 45 und der Arado 65 (nicht trudelsicher) durch. Für das entsprechend massiv
„Manöver des letzten Augenblicks“, wenn ein sicheres Ausleiten ausgeführt. Hier schwebt
aus dem Trudeln nicht möglich sein sollte, waren in den Tragflä- gerade ein Modell im
chenenden, im Bug und Heck Behälter mit Bleischrot eingebaut, aufwärts gerichteten
die in definierter Reihenfolge mittels Bowdenzug aus dem Cockpit Luftstrom.
Foto: Sammlung Uwe W. Jack
Foto: Archiv DYWIDAG
ü
32 Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL)
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 33
einem im oberen Bereich befindlichen Gebläse wurde ein Luft- Veränderung der Geschwindigkeit des vertikal nach oben gerichte-
strom vertikal nach oben gefördert und mittels einer als Diffusor ten Luftstroms zwischen ca. 5,5 m/s und 22 m/s erfolgte stufenlos
ausgebildeten Rückführung und einer Umlenkung im Bodenbe- durch Verstellung der Gebläseblätter. Der Durchmesser der Mess-
reich einer kreisrunden Düse zugeführt. Es entstand ein vertikaler Strecke betrug 3,75 m, ihre nutzbare Höhe 4,5 m. Eine Auswertung
Luftstrom im Zentrum der Anlage, der ein beim Trudeln mäßig der Trudelversuche zeigte, dass ungefähr 80 Prozent der Modell-
schnell absinkendes Modell tragen konnte und die Beobachtung Ergebnisse mit Versuchsflugzeugen wiederholt werden konnten.
des Trudelvorgangs ermöglichte. Sinkgeschwindigkeit der Modelle Insbesondere der Überdruckbetrieb bis auf maximal drei bar
und Aufstromgeschwindigkeit waren aufeinander abstimmbar, war mit großen Schwierigkeiten verbunden. Die Versuchsmann-
sodass mit mehreren Kameras der Bewegungsablauf beim Trudeln schaft hielt sich in einem druckdichten Messraum auf. Die Leistung
der Modelle festgehalten und ausgewertet werden konnte. Siche- des Windkanalgebläses betrug im Dauerbetrieb ca. 90 kW. Die Links: Die gegenläufigen
rungsnetze und seitliche Begrenzungswände verhinderten, dass Kompressoren benötigten für diesen Vorgang etwa 120 Minu- Antriebspropeller des
die Modelle im Kanal anstießen und beschädigt wurden. ten. Sie hatten eine Gesamtleistung von 100 kW und waren in Hochgeschwindigkeits-
Vor der Freigabe wurde die Lage des Modells im Luftstrom einem nahegelegenen Raum untergebracht. Sicherheitsventil und Windkanals.
und die Drehgeschwindigkeit durch einen Getriebemotor in der Druckschalter sicherten den Baukörper gegen eine Überlastung.
Halterung vorgegeben. Wenn sich die Fallgeschwindigkeit des Leckverluste versuchte man durch die Auskleidung des Baukörpers Unten: Schnitt durch den
Modells und die Geschwindigkeit der aufströmenden Luft aufho- mit Kupferfolie zu vermeiden. Ein besonderes Problem stellte eine Hochgeschwindigkeits-
ben, begann der Versuch, indem das Modell ausgeklinkt wurde. Die ausreichende Beleuchtung bei Filmaufnahmen dar. Dafür standen Windkanal.
Abbildung: Nach Unterlagen der DVL, erstellt und bearbeitet Skibbe / Kosanke.
Foto: Archiv GBSL
ü
34 Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL)
Oben: Die Mess-Strecke des Lampen mit einer Anschlussleistung von insgesamt 170 kW zur Ver- Kanälen her bekannten Details, hebt sich diese Anlage aber wegen
Hochgeschwindigkeits- fügung. Die DVL hat nach Inbetriebnahme des Trudelwindkanals ihrer Leistungsparameter deutlich von anderen Anlagen der DVL
Windkanals. lange Jahre kaum über Versuchsergebnisse öffentlich berichtet, ab. Die beiden Antriebsmotoren für die gegenläufig drehenden
Rechts: Am 24. Februar 1945 begründet war dies zum einen sicher durch die extremen Schwie- Laufräder des Gebläses leisteten maximal 12 500 kW. Die Luftfüh-
veröffentlichete die DVL rigkeiten im Messbetrieb. Zum anderen hatte man aber wohl auch rung mit einem größten Durchmesser von etwa 7,5 m war wieder
einen Bericht über die Ver- ein großes Interesse an der Geheimhaltung dieser höchst aktuellen aus Stahlbeton gefertigt, lediglich die diesmal geschlossene Mess-
messung eines Modells des Forschungsresultate. Strecke, Teile des Diffusors und der Kanalwandung im Gebläsebe-
Strahlbombers Junkers Ju 287 reich waren aus Stahl hergestellt. Mess-Streckendurchmesser und
im Hochgeschwindigkeits- Hochgeschwindigkeits-Windkanal -länge betrugen 2,7 m.
Windkanal. Das Modell wurde In den Jahren 1936 bis 1938 wurde in Adlershof auf dem Nordgelän- Besondere Sorgfalt wurde auf die Herstellung hinreichend glat-
im Maßstab 1:11 angefertigt. de ein großer, kontinuierlich betriebener Hochgeschwindigkeits- ter Innenflächen des Kanals verwendet. Im Verein mit dem großen
kanal für eine Strömungsgeschwindigkeit nahe Mach 1 errichtet. Kontraktionsverhältnis der Düse, der sorgfältigen Auslegung der
Aufgebaut als Kanal vom „Göttinger Typ“, mit einer geschlossenen Umlenkungen, des Diffusors und der Nebenluftzuführung erreichte
Mess-Strecke und vielen bereits von den zuvor beschriebenen der Kanal Spitzenwerte in der Strömungsqualität, beispielsweise im
Turbulenzgrad der Mess-Strecke. Einen erheblichen Beitrag leistete
hierbei sicherlich auch die konstruktive Gestaltung des Gebläses
mit zwei gegenläufig arbeitenden Laufrädern, die für eine nahezu
drallfreie Abströmung sorgten und die Benutzung einer Leiteinrich-
Aus dem DVL-Bericht. tung überflüssig machten. Die Strömungsgeschwindigkeit in der
Rechts: Zeichnung des Mess-Strecke wurde über die Motordrehzahl gesteuert. Im leeren
Ju-287-Modells. Kanal wurde bei Volllast im Messquerschnitt Schallgeschwindig-
keit erreicht. Geringfügige Versperrungen des Querschnitts in der
Unten: Fadenaufnahmen Mess-Strecke (z. B. durch Modelle und Modellhalterungen) ließen
des Modells bei schieben- die erreichbaren Strömungsgeschwindigkeiten dann aber deutlich
dem Rumpf. Bei starker sinken, sodass man vielfach eine Angabe von Mach 0,9 als cha-
Schrägstellung des Rumpfes rakteristische Geschwindigkeit für diesen Kanal findet. Die heute
(Bildmitte) wird die Strö- bei Windkanälen zur Verminderung des Wandeinflusses übliche
mung über dem linken Flügel Perforierung oder Schlitzung der Mess-Streckenwände war damals
turbolent. noch nicht bekannt. Das Temperaturregime innerhalb des Windka-
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 35
Offene Motorprüfstände
Seit der Gründung der DVL im April 1912 gehörten Motorenprüf-
stände zum Bestand der Anstalt. Es wurden fünf offene, überdachte
Prüfstände gebaut, auf denen die von der Industrie angelieferten
Erzeugnisse geprüft wurden. Naturgemäß war dies mit einer Erst mit dem Neuaufbau derVersuchsanstalt Anfang der 1930er- Oben links: Die DVL war mit
erheblichen Lärmentwicklung verbunden, daran sollte sich aber Jahre wurden moderne Anlagen errichtet. Allein die gewachsene ein Wegbereiter für den
mit wenigen Unterbrechungen bis zum Jahr 1945 auch kaum etwas Größe und die Leistungsentfaltung der Motoren wie auch der Pfeilflügel.
ändern. Die relativ einfachen Prüfstandkonstruktionen der Anfangs- Luftschrauben erforderten größere Prüfstände und eine Moder- Oben: Ein offener
zeit existierten bis in die Mitte der 1920er-Jahre, als sich die DVL am nisierung der Prüfsysteme. Mit diesen offenen Ständen für höhere Motorteststand etwa 1938.
Tiefpunkt ihres Daseins befand. Motorenleistungen wuchs aber auch die akustische Belastung der
Foto: Archiv GBSL
ü
4 Fotos: Uwe W. Jack Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 37
der Flughöhen. Das führte zu Beginn der dreißiger Jahre in mehre- und verändertem Luftdruck vor dem Motor. Gemessen wurden Der Motorprüfstand wird
ren Ländern zum Aufbau von Höhenprüfständen, in denen Flugmo- weiterhin u. a. Luft-, Kraftstoff- und Schmierstoffverbrauch. An der heute gerne als Raum für
toren im Bodenbetrieb auf ihre Höhentauglichkeit geprüft werden Höhenprüfanlage konnten Abgasanalysen, Geräuschuntersuchun- Feiern genutzt. Von links:
konnten. Die DVL trug dieser Entwicklung in der zweiten Hälfte der gen und spezielle Motorenuntersuchungen, z. B. die Verfolgung Blick in die lange Halle, eine
1930er-Jahre durch den Aufbau von Höhenprüfständen für Flugmo- des Druckverlaufs im Brennraum, durchgeführt werden. Im dane- der beiden Testbuchten
toren Rechnung. Im Gegensatz zu anderen Anlagen, die eine voll- ben liegenden Gebäude des Instituts für Betriebsstoffforschung und der Beobachtungs-
ständige Nachbildung der Höhenflugbedingungen anstrebten und konnte in einer Prüfhalle mit fünf Ständen für exakt vermessene und Steuerstand.
aufgrund rapide ansteigender Kühlleistungen in den simulierten Einzylindermotoren das Leistungsverhalten dieser Triebwerke bei
Flughöhen in ihrem Wirkungsgrad beschränkt blieben, realisierte der Versorgung mit verschiedenen Brenn- und Schmierstoffen
die DVL bewusst eine Teilsimulation der Höhenbedingungen und analysiert werden.
erreichte bei kaum eingeschränkter Aussagekraft der Ergebnis-
se eine wesentliche Vergrößerung des Simulationsbereiches für Eine Fortsetzung der Geschichte
Flughöhen bis maximal etwa 19 km. Die Verbrennungsluft wurde Die Geschichte der Adlershofer Versuchsanstalt hat nach 1945 eine
den zu prüfenden Flugmotoren nach Kühlung und Entfeuchtung bescheidene Fortsetzung erfahren. Als Mitte der 1950er-Jahre in der
unter Höhenbedingungen zugeführt. Abgasseitig wurden zur DDR Überlegungen zum Aufbau einer eigenen Luftfahrtforschung
Anpassung an die Höhenbedingungen die Verbrennungsgase und Luftfahrtindustrie und zum Einsatz von Windkanälen bei
über einen Abgaskühler durch Abgasverdichter abgesaugt. Eine der Untersuchung straßen- und schienengebundener Fahrzeuge
Simulation der äußeren Motorkühlung strebte man weder bei Gestalt annahmen, bemühte man sich auch um die Wiederinbe-
flüssigkeitsgekühlten noch bei luftgekühlten Motoren an. Auf diese triebnahme des Großen Windkanals der DVL in Adlershof. Gutach-
Weise gelang es mit dieser Anlage, eine Triebwerks-Grenzleistung ten über Machbarkeit und Kostenaufwand wurden angefertigt,
von ca. 1200 PS bei 19 km Flughöhe zu erreichen. Wichtig war die Kostenvoranschläge angefordert. Bald darauf begann die DDR
Leistungsmessung unter dem Einfluss veränderter Lufttemperatur allerdings damit, in Dresden größere Niedergeschwindigkeitskanä-
Abbildung: Nach Unterlagen der DVL, erstellt und bearbeitet Skibbe / Kosanke.
le aufzubauen. Es ist zu vermuten, dass neben den immens hohen zunehmende Bemühungen zurWiederbelebung der Forschungsar-
Kosten für die Wiederherrichtung des Großen Windkanals auch beiten am Großen Windkanal, die aber allesamt scheiterten.
Überlegungen eine Rolle gespielt haben, große Forschungsanlagen Mit dem Auf- und Ausbau der Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft
nicht in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Westberlin anzusiedeln. und Medien WISTA Adlershof und dem Umzug der Naturwissen-
Zudem stand zu diesem Zeitpunkt der Flugplatz Johannisthal längst schaftlichen Fakultäten der Humboldt-Universität zu Berlin nach
nicht mehr für die Luftfahrt zurVerfügung. Auch später gab es ernst- Adlershof sind wichtige Meilensteine genannt, die die Rolle von
ü
Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 39
Adlershof in der Wissenschaftslandschaft Berlins, Deutschlands Akademie derWissenschaften der DDR, welches den Grundstock für
und im internationalen Rahmen charakterisieren. Zu diesen erwäh- die neue Einrichtung des DLR bildete. Damit konnten die Arbeiten
nenswerten Entwicklungen gehört, dass das Deutsche Zentrum auf dem Gebiet der Weltraumsensorik weitergeführt und mit den
für Luft- und Raumfahrt als Nachfolgeeinrichtung der DVL bereits Ergebnissen des DLR zur Planetenerkundung synergetisch zusam-
seit 1992 in Berlin-Adlershof präsent ist und hier eines seiner For- mengefasst werden. In diesem Zusammenhang fanden auch die
schungszentren eingerichtet hat. Seit 1981 bestand hier bereits bisherigen Kooperationsbeziehungen zu den Staaten des ehemali-
das sehr erfolgreich arbeitende Institut für Kosmosforschung der gen Ostblocks eine Fortsetzung in Adlershof.
www.ppvmedien.de
Jetzt bestellen ü
Telefon: +49 8131 565568 | Fax: +49 8131 5655968
PPVMEDIEN GmbH | Postfach 57 | 85230 Bergkirchen
40 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
ü
Focke-Wulf Fw 190 – schnell und kampfstark 41
Focke-Wulf Fw 190
Der Schrecken
der
Fliegenden Festungen
ü
42 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
Fotos und Abbildungen: wenn nicht anders angegeben - Sammlung Stefan Semerdjiew
U
rsprünglich sollte die Fw 190, als sie im Frühling 1938 als den führte zum Festfressen der Kolben des Motors. Demgegenüber
Ergänzung für den Luftwaffen-Standardjäger Messerschmitt sind später Fw 190 selbst mit zerschossenen Zylindern vom Einsatz
Bf 109 vorgeschlagen wurde, mit einem flüssigkeitsgekühl- zurückgekehrt.
ten Motor von Junkers oder Daimler-Benz ausgerüstet wer-
den. Doch der Chefkonstrukteur von Focke-Wulf, Kurt Tank, und sein Anfangs wenig Begeisterung für die Fw 190
Team beschlossen, stattdessen den luftgekühlten 14-Zylinder-Doppel- Das Reichsluftfahrtministerium unterstützte den Vorschlag von Таnk
sternmotor BMW 139 mit 1400 PS zu verwenden und so die Chancen nicht besonders begeistert, dennоch gab es im Herbst 1938 drei Proto-
auf Verwirklichung des Projektes zu erhöhen, da es bei den anderen typen des Jagdflugzeugs mit Sternmotor in Auftrag. Die neue Konstruk-
Motoren einen Produktions-Engpass gab. Die flüssigkeitsgekühlten tion mit Tunnellufteinlauf sollte die große Stirnfläche des Sternmotors
MotorenweiseneinekleineFrontflächeauf,diesermöglichteinebesse- aerodynamisch kompensieren. Ein großer Propellerspinner mit dem
re аеrodynamische Formgebung des Rumpfes. Deswegen wurden sie Durchmesser der Motorverkleidung leitete die Luft strömungsgünstig
von den meisten Flugzeugbauern bevorzugt und entsprechend war über den Rumpf. In der Mitte des Spinners war eine Öffnung, durch die
ihre Verfügbarkeit problematisch. Doch die flüssiggekühlten Motoren Kühlluft zum Motor geleitet wurde. So wurde der bullige Motor elegant
Die Focke-Wulf 190 V1 im Bau waren beschussempfindlich, der Verlust von Kühlflüssigkeit bei Schä- in die Rumpfform integriert.Was auf dem Zeichenbrett wie eine geniale
Lösung aussah, erwies sich jedoch in der Realität als kein gangbarer
Weg. Zuwenig Luft erreichte den Motor, der so ständig überhitzte.
Am 1. Juni 1939 absolvierte der erste Prototyp in Bremen seinen
Erstflug mit der zivilen Kennung D-OPZE. Doch es traten eine große
Zahl von Problemen zutage. Der Pilotensitz lag zu nahe am Motor,
daher gab es keinen Raum für den Einbau von Maschinengewehren im
Rumpf wie sie dasTechnische Amt gefordert hatte. Die unzureichende
Kühlung des Motors führte zu sehr hohen Temperaturen von über 50
Grad in der Kabine. Doch bevor der zweite Prototyp fertig wurde, lief
bei BMW die Produktion des neuen luftgekühlten 14-Zylinder-Dop-
pelsternmotors vom Typ 801 an. Mit einer Startleistung von 1560 PS
(später 1700 PS) versprach dieser bessere Flugleistungen für das neue
Jagdflugzeug. Obgleich er den gleichen Durchmesser wie der Typ 139
aufwies, war der neue BMW 801 länger und schwerer. Seine Masse war
mit 1045 kg etwa 160 kg größer als beim 139. Für einen Einbau musste
die Kabine nach hinten verlegt und etwas verkleinert werden. Dadurch
wurde teilweise das Problem der Überhitzung im Cockpit gelöst, doch
der gesamte Rumpf musste neu konstruiert werden. Er wurde länger
als ursprünglich geplant und die Schiebehaube musste modifiziert
werden, das Leitwerk wurde geändert und sogar das Fahrwerk muss-
te verlegt werden. Durch den stärkeren Motor erwartete man eine
wesentliche Verbesserung der Flugleistung, doch das Gewicht des
ü
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 43
Ingenieure diskutieren
Probleme des BMW-
801-Motors an der
Fw 190 A-0 mit der
Werknummer 40017.
Prototyps wuchs stark an. Wog der erste Prototyp Fw 190 V1 noch war dennoch erforderlich den Abstand zwischen Motor und Kabine
1800 kg, kam der zweite Prototyp V2 auf 2000 kg, beide Maschinen zu vergrößern.
natürlich ohne Waffen. Im Mai 1939 wurden in zwei entsprechend umgebaute Prototy- Links: Übersichtszeichnung
Die Testpiloten waren vom Flugverhalten und der Wendigkeit des pen die neue Motoren BMW 801 eingebaut. Die Tragflächen wurden des Prototyps Fw 190 V1
Flugzeugs begeistert, doch sie beklagten die hohen Temperaturen in umkonstruiert, dabei wurde jedoch das Profil des Originals beibehal- in der ursprünglichen
der Kabine und das Eindringen von Treibstoffdämpfen infolge undich- ten. Der Flügel war eine durchgehende Baugruppe und nicht wie bei Auslegung
ter Verbindungen, was sie zwang, die ganze Zeit mit Sauerstoffmaske der Bf 109 zweiteilig, was schwere Befestigungsbolzen erforderte. Dies
zu fliegen. All dies waren Hindernisse für die Abnahme des Flugzeugs führte zu einer Gewichtsreduzierung von etwa 130 kg. Die Spannweite Unten: Die Fw 190 zuerst
indieserFormdurchdieLuftwaffe.DieIngenieurehofften,dasProblem wurde um einen Meter verlängert und die Flügelfläche dadurch um mit Tunnelspinner, darunter
der ungenügenden Kühlung der Zylinder im hinteren Stern des Motors 3,35 m2 vergrößert. Ein Ergebnis der Vergrößerung der Spannweite mit normalem Spinner und
durch den Einbau eines Kühlgebläses lösen zu können. Auch war der waren ausgezeichnete Steigleistung und Wendigkeit, trotz des etwas eine Vorserienmaschine
große Spinner zugunsten eines konventionellen kleinen aufgegeben erhöhtenGewichts,wobeiderVerlustanHöchstgeschwindigkeitdurch Fw 190 A-0 mit Motor
worden, dadurch strömte von vorn mehr Kühlluft durch den Motor. Es die größere Stirnfläche nur 10 km/h betrug. BMW 801
ü
44 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
Oben und unten: Produktion Im Frühjahr 1941 testete die Luftwaffen-Erprobungsstelle Rechlin die ersten Serienmaschinen der Baureihe А-1 durch die Luftwaffe und
der Fw 190 A-1, die Motoren- die ersten Vorserienmaschinen Fw 190 A-0 ausgiebig. Dort wurden zur Erprobung bei Fronteinheiten. Zu dieser Zeit erhielt Кurt Таnk den
verkleidung diente auch die allgemeinen Flugleistungen und die Handhabung der Flugzeuge Auftrag, die Erstellung der für die Serienproduktion in den Werken
als Arbeitsplattform. erflogen. Kurz danach begannen die Vorbereitungen zur Übernahme von Focke-Wulf und in Lizenz bei Arado und AGO erforderlichen
Betriebsmittel vorzubereiten. 14 der ersten Maschinen blieben in den
Werken für erforderliche Versuche zurück, sechs wurden der Luftwaffe
übergeben.
ü
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 45
komfortabel und der Pilotensitz konnte zum besseren Ertragen von beim Rollen am Boden, stark ein. Der Motor war nur für geringe und
hohen g-Werten nach rückwärts geneigt werden. Die Fw 190 erwies mittlere Höhen konzipiert, durchaus im Bereich der bis dahin üblichen
sich als ein verlässliches Flugzeug, welches einfach zu bedienen war. Gefechtshöhen. Seine Leistung ließ aber in Höhen über 7000 m stark
Die Eingewöhnungszeit für Flugzeugführer war wesentlich kürzer als nach. Es war nicht möglich, falls der Motor ausfiel, im Gleitflug weiter-
bei der Messerschmitt Bf 109. Als besonders zweckmäßig erwies sich zufliegen, da die Maschine dann in den Sturzflug überging. Bei hohen
das hohe und breite Fahrwerk. Bei der Bf 109 litten die Verbände unter Geschwindigkeiten traten Vibrationen der Querruder auf und ihre
starken Ausfällen durch wegbrechende Fahrwerksbeine. Betätigen erforderte große Körperkraft.
Das neue, vielversprechende Jagdflugzeug wies aber trotz aller Trotz allem sollte sich die Fw 190 als eine ausgezeichnete Allzweck-
Vorteile auch eine Reihe von Mängeln auf. Die voluminöse Mot- waffe erwiesen, die verschiedene Aufgaben erfüllen konnte. Für sie
rorabdeckung schränkte die Sicht des Piloten nach vorn, zumindest wurden mehr Nachrüstsätze mit verschiedenen Waffen und zusätz-
ü
46 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
Im Arado-Werk in War- lichen Ausrüstungen entwickelt als für irgendein anderes Flugzeug Außenflügel, außerhalb des Fahrwerks, zwei 20-mm-Oerlikon-Kano-
nemünde läuft die 190er- der Luftwaffe. Die Umrüstsätze (bezeichnet mit U) wurden direkt im nen MG-FF montiert, die außen am Propeller vorbei feuerten. Zum
Produktion auf vollen Touren. Herstellerwerk eingebaut, während die Rüstsätze (bezeichnet mit R) in Zielen wurde das Reflexvisier Revi C/12C verwendet.
Der Takt der Rumpfmontage den Frontwerkstätten nachgerüstet wurden. Das schwer gepanzerte Bei der Fw 190 A-3 wurde dann die Waffenanlage gemäß dem
geht von links nach rechts pa- ModellFw190A-8еrwiessichalsoptimalerJagdbomber.Eskonnte,bei ursprünglichen Entwurf realisiert. Die Maschine trug zwei synchroni-
rallel zur Motoren- und Trag- Überladung bis zu einem Gesamtgewicht von 4500 kg, 500kg Bomben sierte 20-mm-Kanonen MG 151/20 in den Tragflächenwurzeln, zwei
flächenmontage. Dahinter mitnehmen, unter Beibehaltung der Standard-Bewaffnung von zwei 20-mm-Kanonen MG-FF im Flügel außerhalb des Fahrwerks und zwei
läuft dann die Endmontage Maschinengewehren und vier Kanonen. Mehr als 8000 Maschinen aller 7,92-mm-Maschinengewehre MG 17 über dem Motor. Die Maschinen-
wieder in entgegengesetzter hergestellten Fw 190 waren von dieser Variante. gewehre waren jeweils mit 900-Schuss-Gurten bestückt, die Kanonen
Richtung. Der einteilige Auf- Die Waffenanlage der ersten Fw 190 bestand aus zwei 7,92-mm- MG 151/20 mit jeweils 250-Schuss-Gurten und die Kanonen MG-FF
bau der Tragflächen der 190 Maschinengewehren vom Typ MG 17 in den Tragflächenwurzeln mit jeweils 90-Schuss-Trommelbehältern. Über das neue Reflexvisier
ist gut zu erkennen. und zwei über dem Motor. Ursprünglich war vorgesehen, zwei neue Revi C/12D konnte der Pilot jede gewünschte Kombination derWaffen
15-mm-Kanonen Маuser MG 151 in die Flügelwurzeln einzubauen, die wählen. Der Rücken und der Kopf des Piloten waren durch eine 8 mm
synchronisiert durch den Propellerkreis feuern sollten. Doch der dafür dicke Stahlplatte geschützt. Solche Platten wurden später auch an
erforderliche elektrische Schussgeber, der das Feuer mit dem drehen- den beiden Seiten der Kanzel montiert. Die Platte hinter dem Rücken
den Propeller synchronisieren sollte, war noch nicht fertig. Deshalb war bei einigen späteren Modellen bis zu 14 mm dick. Die geneigte
wurden zur Erhöhung der Feuerkraft als provisorische Maßnahme im vordere Panzerglas-Frontscheibe war 50 mm dick. Die Bewaffnung
der Fw 190 A-6 und der nachfolgenden Versionen bestand aus zwei
Bei den letzten Arbeiten 13-mm-Maschinengewehren vom Typ Rheinmetall MG 131 über dem
beim Motoreneinbau zeigt Motor und vier Kanonen zu 20 mm, Mauser MG 151/20 in den Tragflä-
diese Fw 190 die offenen chen. Da die MG 131 und ihre Munitionszuführung vor der Kabine grö-
Waffelbleche der Verklei- ßerwarenalsdieursprünglicheingebautenMaschinengewehre,muss-
dung und die MG-Montage te hinter dem Motor eine stromlinienförmige Verkleidung angebracht
über dem Motor. werden, die einen charakteristischen Buckel bildete.Wartungsarbeiten
an den Waffen waren durch Abheben dieser Verkleidung mit wenigen
Handgriffen möglich. Die Fw 190 war in jeder Hinsicht moderner als
die Bf 109, da bei ihrem Entwurf schon die Erfahrungen aus vier Jahren
Nutzung des Messerschmitt-Jägers einflossen.
Motor
Der 14-Zylinder-Sternmotor BMW 801 entwickelte bei Kriegsende
eine Leistung von 1700 PS beim Start und 1440 PS in 6000 m Höhe.
Der Treibstoff wurde eingespritzt, daher waren alle Flugmanöver ohne
ü
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 47
Leistungsverlust möglich. Das Verdichtungsverhältnis betrug bei den wurden automatisch Gemischbildung, Drehzahl und Laderschaltung Mechaniker montieren
ersten Modellen 6,5, und bei den letzten 7,22. Auch die Übersetzung geregelt, ohne dass sich der Pilot darum kümmern musste. Auch die den VDM-Dreiblatt-
zum Lader wurde erhöht. Das Modell А-4 verfügte über eine Methanol- Verstellhydraulik des VDM-Dreiblatt-Propellers wurde automatisch Verstellpropeller an
Wasser-Einspritzanlage, die für die Dauer von maximal zehn Minuten gesteuert. Zur Zwangskühlung diente ein 12-blättriges Kühlgebläse, den BMW-Motor einer
eine Steigerung der Geschwindigkeit um bis zu 25 km/h gestattete. montiert hinter der Luftschraube im Bereich der vorderen gepanzerten Fw 190 A-2.
Dank des einstufigen Zweigangladers und eines Motorbediengerätes Motorabdeckung. Dieses Gebläse wurde vor dem Motor über ein eige-
ü
ABO + PRÄMIE
6 HEF TE
+ PRÄM
IE
ab 80,9
0
EUR
IHRE VORTEILE IM ABO
Sie verpassen keine Ausgabe mehr
Ernst Udet | Ein Fliegerleben in zwei Weltkriegen
Sie bekommen die Ausgaben bequem nach Hause Ernst Udet war der, nach Manfred von Richthofen, zweiterfolg-
reichste Jagdflieger des Ersten Weltkriegs. Wegen seiner geraden
Sie bekommen die Ausgaben früher als am Kiosk Haltung war er bei Freund und Feind geachtet. Seine Erlebnisse
Sie bekommen die Ausgaben zum Vorteilspreis mit in den Luftkämpfen schildert er schonungslos in seinen Erin-
rund 15 % Ersparnis nerungen „Mein Fliegerleben”, welches erstmals Anfang der
1930er- Jahre erschien. Eine gekürzte und durch ein erklärendes
Vorwort erweiterte Fassung wird hier vorgelegt.
www.ppvmedien.de
Jetzt bestellen ü
Telefon: +49 8131 565565 | Fax: +49 8131 5655965
PPVMEDIEN GmbH | Postfach 57 | 85230 Bergkirchen
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 49
nes Getriebe mit dreifacher Propellerdrehzahl betrieben. Die Kühlluft ler komplette, voll funktionsfähige Triebwerke mit Motorträger und
kühlte die Zylinder, die Zylinderköpfe, Gehäuseelemente und das Öl. Motorverkleidung,sogenannteEinheitstriebwerke,abzuliefernhatten,
Doch reichte diese Kühlung für die hintere Zylinderreihe im zweiten die direkt in die Flugzeugzelle eingebaut werden konnten. Es wurde
SterndesMotorsnichtaus. ProblememitderKühlungdesMotorsplag- dadurch möglich ein Austauschtriebwerk innerhalb von etwa 15 Minu-
ten die Fw 190 von Beginn an. Auch etliche Verbesserungen, wie das ten komplett zu wechseln. Ein Lösen von Ölleitungen war dabei nicht
ErsetzenderbislangverwendetensehreinfachgestaltetenKühlschlitze erforderlich, denn das Triebwerk selbst enthielt Ölkühler, Ölbehälter
durch verstellbare Kühlerklappen für die Abgase, mit deren Hilfe der und Panzerschutz.
Pilot die Temperatur des Motors regeln sollte, hatten nicht geholfen.
Die Motorbefestigung wurde sehr geschickt gelöst und erfüllte Der Rumpf der Fw 190
zwei Funktionen. Ein Ring aus geschweißtem Stahlrohr hielt mittels Beim Entwurf der Fw 190 wurde auf eine möglichst einfache War-
zehn elastischer Gummihülsen den Motor. Dieser Ring diente zugleich tung Wert gelegt. Das Ersetzen von einzelnen Bauteilen und Bau-
als Behälter für die Hydraulikflüssigkeit der Systeme für die Verstellung gruppen sollte leichter und schneller als ihre Reparatur erfolgen. Die
des Propellers und für die Fahrwerkbremsen. Am Anfang des Krieges Konstruktion war deshalb sehr gut durchdacht. Der Rumpf bestand
lieferte der Motorenhersteller nur den nackten Motor und die Zellen- aus zwei Hauptsektionen – die vordere, von der Brandwand hinter
hersteller waren für die Konstruktion und den Bau des kompletten dem Motor bis hinter den Pilotensitz und die hintere von dort bis
Triebwerks inklusive Befestigung und Verkleidung zuständig. 1942 zum Leitwerk. Im oberen Bereich der vorderen Sektion befand sich
ordnete das Reichsluftfahrtministerium an, dass die Motorenherstel- die Kabine, und unter dem Kabinenboden waren zwei selbstdichten-
Abnahme-Flugbetrieb im
Jahr 1941 mit der SB+KA im
Vordergrund.
Die Fw 190 A-1 mit der
Werknummer 0110001 flog
dann als „braune 5“ bei der
6./JG 26 am Ärmelkanal.
ü
50 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
Maschinengewehre MG 131
im Rumpfoberteil einer Fw
190 A-8. Sie sind nach außen
geneigt, damit sie unter die
Verkleidung passen.
de Treibstofftanks angeordnet. Der erste, aus Aluminium gefertigte Behälter befand sich eine elektrische Pumpe, die von unten durch
und an Textilgurten aufgehängte Tank mit 232 Litern Fassungsver- einen Deckel zugänglich war.
mögen war zwischen den Flügelholmen, unterhalb der Füße des Der innere Aufbau der Ganzmetall-Rumpfschalenstruktur aus
Piloten angebracht. Der hintere Tank, der 290 Liter fasste, befand gebogenen Duralprofilen bestand aus 14 Spanten, wurde durch
sich unterhalb des Pilotensitzes. Die Tanks waren nahe am Schwer- zusätzliche Halbspanten im unteren Bereich der vorderen Sektion
punkt gruppiert, um Lastigkeitsproblemen bei unterschiedlichen verstärkt und bot somit hohe Festigkeit bei moderatem Gewicht.
Füllungszuständen aus dem Weg zu gehen. Beide Tanks wurden Die Beplankung bestand aus dünnen Duralblechen, welche mit
durch Stutzen in der rechten Seite des Rumpfes befüllt. In jedem Senknieten befestigt waren.
Die meisten tragende Elemente im Inneren des Rumpfes, die montiert. Dieses Verkleidungsblech wurde ebenfalls mittels Hebel-
abnehmbaren Verkleidungen und die Waffenabdeckungen waren verschlüssen befestigt.
Platten, die aus zwei dünnen Blechen mit eingeprägten Vertiefun- Der Windschutz vor dem Piloten war aus Panzerglas von 50 mm
gen bestanden, die miteinander durch Niete verbunden waren und (Front) oder 20 mm (Seiten) gefertigt, die Schiebehaube bestand aus
als „Waffelbleche“ bezeichnet wurden. Die seitlichen Motorverklei- Plexiglas. Sie wurde von Innen über einen Kurbeltrieb bewegt. Sie
dungen wurden mit je drei Hebel-Schnellverschlüssen befestigt. konnte in kritischer Situation durch Niederdrücken eines Griffs, der
Die oberen, seitlichen Bleche konnten in geöffnetem Zustand als eine kleine Sprengladung betätigte, vom Flugzeug getrennt werden.
Arbeitsplattform bei der Wartung des Motors dienen. Das Rumpf- Die Haube wurde bei der Explosion nach oben/rückwärts getrieben
vorderteil über dem Waffenraum wurde oben durch ein Verklei- und dann von der Luftströmung abgerissen. In der hinteren Rumpfsek-
dungsblech abgedeckt, das rückwärts zur Kabinenhaube geklappt tion bildeten Spanten und eng gesetzte Stringer gemeinsam mit der
werden konnte. Die Maschinengewehre selbst waren auf einer Platte Außenhaut die tragende Struktur, in der Ausrüstungsteile wie Mutter-
kompass, Funkgeräteundgelegentlich eineBildkamera untergebracht
waren. Die vordere und die hintere Rumpfsektionen wurden durch Letzte Arbeiten am
Bolzen miteinander verbunden. Hauptfahrwerk
Tragflügel
Der Flügel der Fw 190 in Schalenbauweise war einteilig, mit zwei
durchgehenden Holmen aufgebaut. Dies führte zur Herabsetzung des
Diese Fw 190 A-3 der Gewichts, erforderte aber einen kompletten Ersatz bei Beschädigung zusammen mit dem Fahrwerk eingezogen und ausgefahren. Der
11./JG 2 landete im Juni 1942 einer Flügelseite. Nur die halbrunden Flügelspitzen waren abnehm- Tragflügel der Jagdbomber-Modelle wurde zusätzlich mit Leichtme-
irrtümlich in England. Die bar. Durch höchste Festigkeit war der zentrale Bereich des Flügels tall-Querverbindungen zwischen den Rippen verstärkt. Die hintere
Auslegung beeindruckte die gekennzeichnet, der das Gewicht des Motorträgers, des einziehbaren Rumpfsektion war ebenfalls verstärkt.
Briten so, dass sie mit der Sea Fahrwerks und der 20-mm-Kanonen in den Flügelwurzeln trug. Der
Fury einen eigenen Jäger mit durchgehende Hauptholm verlieh den Tragflächen eine beträchtliche Geräte
Sternmotor entwickelten. Festigkeit. Die Fw 190 war gekennzeichnet durch weitgehenden Verzicht auf
Die Landeklappen bestanden aus einem Metallskelett in einem hydraulische Systeme und starke Nutzung von elektrischen Betätigun-
Metallrahmen, das mit Stoff bespannt war. Sie wurden elektrisch gen, da Drahtverbindungen weniger beschussempfindlich sind als
betätigt und ihr maximaler Ausschlag betrug 60 Grad. Die Kons- Hydraulikleitungen. Von der Ruderbetätigung bis zum Abfeuern der
truktion der Querruder war ähnlich. Die Verbindung zum Rumpf Waffen erfolgte so gut wie alles elektrisch. Bei der Fw 190 regelte der
erfolgte über Beschläge am Haupt- und Hinterholm. Das breite, nach FlugzeugführermitdemGashebeldiegewünschteMotordrehzahlund
innen in die Tragflächen einziehbare Hauptfahrwerk war mittels der mechanische Rechner übernahm automatisch alle sonstigen Ein-
Bolzen an den Flügelholmen aufgehängt. Es garantierte das sichere stellungen wie Gemischregelung, Zündzeitpunkt oder Luftschrauben-
Rollen auch auf schlecht befestigten Pisten und verringerte die stellung sowie Einschalten des Laders bei Flug in großer Höhe. Einige
Unfallgefahr beim Start wie bei der Landung. Es wurde durch einen Maschinen trugen in der Flügelwurzel eine 16-mm-Schusskamera, die
elektrischen Mechanismus betätigt, wobei jedes Fahrwerkbein mit bei Betätigung des Feuerknopfes aktiviert wurde. Auf diese Weise lie-
einem eigenen Elektromotor ausgerüstet war. Die Räder waren mit ßen sich maximal vier Angriffsaktionen von jeweils etwa 50 Sekunden
hydraulischen Trommelbremsen versehen. Das Spornrad wurde Dauer dokumentieren.
ü
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 53
Nachdem Jadgflugzeuge
mit Bomben gegen England
erfolgreich eingesetzt
wurden, entwickelte
Focke-Wulf eine eigene
„Jagdbomber“-Version der
Fw 190. Hier trägt vermutlich
eine A-1 mit Umrüstsatz
insgesamt acht Stück
50-kg-Bomben.
Das Arado-Werk in Warnemünde fert. Lübbe wurde aus politischen Gründen im Jahr 1935 verhaftet und
Mit einer überdachten Fläche von 14 800 m2 war das Arado-Werk in gezwungen, seine Firma an den Staat zu verkaufen, sie wurde dabei in
Warnemünde einer der wichtigsten Hersteller der Fw 190. Es befand „Arado Flugzeugbau“ umbenannt.
sich an der Ostseeküste, unweit von Rostock, etwa 160 km entfernt von Das Werk in Warnemünde übernahm in den folgenden Jahren die
Berlin. Es wurde schon im Ersten Weltkrieg als Zweigbetrieb der Firma LizenzpoduktionvonFlugzeugtypenandererFlugzeugbaufirmen.Hier
aus Friedrichshafen errichtet. Dort wurden damals Wasserflugzeuge wurden zuerst Jagdflugzeuge Messerschmitt Bf 109 nachgebaut. Es ist
für die Kaiserliche Marine gebaut. Diese Tätigkeit wurde nach dem erstaunlich, dass das erfolgreichste Flugzeug von Arado, das Schulflug-
Ende des Krieges gemäß den Klauseln des Versailler Friedensvertrags zeug Ar 96, nicht im eigenen Werk, sondern bei AGO in Oschersleben
eingestellt. Heinrich Lübbe erwarb im Jahr 1921 das Werk und begann produziert wurde. In Warnemünde entstand eine Zentralstelle für das
dort ab 1924 Sportflugzeuge zu produzieren, die nur für den Export Entwickeln und Prüfen von versuchsweisen Bewaffnungsvarianten für
bestimmt waren. 1925 übernahm die vom Industriellen Hugo Stinnes die Flugzeuge der Firma Focke-Wulf. Es wurde die Produktionskapazi-
Junior gegründete Firma „Arado Handelsgesellschaft“ das Flugzeug- tät erweitert und sechs Zweigbetriebe errichtet. Der modernste von
werkvonLübbeinWarnemünde.DieseFirmawarzurTarnungdesnach ihnen befand sich in Brandenburg-Neuendorf, unweit von Berlin, wo
dem Ersten Weltkrieg illegalen Handels mit Militärtechnik gegründet die Konstruktionstätigkeit der Firma konzentriert wurde. Dort wurden
worden. Stinnes emigrierte 1933 nach der Machtübernahme der Nati- Kampfflugzeuge Junkers Ju 88 und schwere Bomber Heinkel He 177
onalsozialisten ins Ausland. nachgebaut, und im letzten Kriegsjahr schließlich die ersten Strahl-
Das Werk in Warnemünde begann dann bald Flugzeuge für die bomber der Welt, Ar 234.
neuaufgestellte Luftwaffe zu bauen. Bis 1936 wurden etwa 1500 Dop- Im Werk Warnemünde mit etwa 15 000 Arbeitern wurden etwa
peldecker des Jagdflugzeugs Ar 65 und des Schulflugzeugs Ar 66 gelie- 4000 Jagdflugzeuge Fw 190 gebaut. Dort wurden auch die Hälfte der
ü
54 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
Eine 21-cm-Werfer-
Raketengranate mit einem
Gewicht von 111 kg wird
in das Abschussrohr einer
Fw 190 A-7/R6 geladen. Der
Wart rechts am unteren Ende
des Startrohres hat einen
etwa einen Meter langen
Holzstempel in der Hand, mit
dem er die Granate langsam
zum Rohrende herabrutschen
lässt.
1000 an die Luftwaffe gelieferten schweren Bombenflugzeuge Heinkel sächlich im Arado-Werk, wo sich die Zentralstelle für die Erprobung
He 177 gefertigt. Außerdem wurde in diesem Werk eine große Anzahl von Waffensystemen der Firma Focke-Wulf befand. Hier wurden auch
von Fw 190 mit zusätzlichen Ausrüstungen und Umrüstsätzen ausge- Sonderausführungen, wie zum Beispiel Jagdbomber, Schlachtflugzeu-
stattet. Die Produktion der Fw 190 inWarnemünde wurde Anfang 1941 ge, Aufklärer oder Sturmjäger, getestet
eingerichtet. Im Mai 1942 begannen auch die Fieselerwerke in Kassel die Fw
190 zu bauen, die Monatsproduktion erreichte im Juli bereits 200
Produktion der Fw 190 Maschinen. Im Jahr 1942 wurden insgesamt 1878 Fw 190 hergestellt,
Die erste Bestellung für 102 Fw 190 A-1 durch die Luftwaffe erfolgte im was etwa 40 Prozent aller in diesem Jahr produzierten Jagdflugzeugen
Januar 1941. Sie wurden im neuen Focke-Wulf-Werk in Marienburg bis entspricht. Die Produktion stieg 1943 um 70 Prozent an und die Zahl
Ende Oktober hergestellt. Ab August 1941 begann im Arado-Werk in der hergestellten Fw 190 erreichte 3200; dies entsprach 33 Prozent der
Warnemünde die Produktion der ersten Fw 190 A-2. Bis zum Jahresen- insgesamt hergestellten Jagdflugzeuge.
de wurden der Luftwaffe insgesamt 224 Jagdflugzeuge geliefert. Anfang 1943 wurden der damals neutralen Türkei 72 Maschinen
Die A-3 war die erste Version der Fw 190, die nicht nur für die reine des Exportmodells Fw 190 Aa-3 verkauft. Die Waffenanlage bestand
Jägerrolle vorgesehen war und die bemerkenswerte Vielseitigkeit des aus vier Maschinengewehren MG 17 – zwei über dem Motor und zwei
Typsbegründete.ImFrühlingundSommer1942wurdenverschiedene in den Flügelwurzeln – und zwei Kanonen MG FF im Außenflügel. Eine
Varianten des Basismodells Fw 190 mit verschiedene Kombinationen Fw 190 A-5 erreichte auf dem Seeweg Japan und wurde dort ausgiebig
von Waffen, Aufhängungen für zusätzliche Treibstofftanks, Bomben, erprobt. Ein Nachbau fand nicht statt, aber das deutsche Flugzeug
Raketengeschosse und sogar Torpedos erprobt. Dies erfolgte haupt- beeinflusste die Entwicklung der Kawasaki Ki 100.
Um Tagbomberverbände
auseinandersprengen zu
können, trägt diese
Fw 190 A-5/R6 unter jeder
Tragfläche ein Abschuss-
rohr für eine Werfer-
granate WGr. 21.
ü
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 55
Der erste Rüstsatz, der an der Fw 190 A-4 zum Einsatz kam, war der der Fw 190 dahin und es mussten ständig Verbesserungen eingeführt
Rüstsatz R6. Das Flugzeug trug unter jederTragfläche ein Abschussrohr werden.
für eine Werfergranate WGr. 21 vom Kaliber 21 cm mit einem Gewicht Im Jahr 1943 begann im Arado-Werk die Produktion der Schlacht-
von 111 kg. Die Granaten hatten eine größere Reichweite und Spreng- flugzeug-Version Fw 190 F. Sie besaß zusätzliche Panzerung, Bom-
wirkung als die Bordkanonen, so konnte das Jagdflugzeug aus dem benträger unter Rumpf und Tragflügel sowie eine stärker gewölbte
Feuerbereich der Bordwaffen amerikanischer Tagbomber bleiben. Kabinenhaube, welche die Sicht vorwärts und seitwärts verbesserte
Ende 1943 erzielten solche Maschinen einige Erfolge im Kampf gegen und dem Piloten mehr Bewegungsfreiheit gewährte. Doch ihre Flug-
Tagbomberverbände,alsdiesenochohneJagdschutzflogen.Dochdie leistungen wurden als Folge des erhöhten Luftwiderstands und des
Abschussrohre verschlechterten die Flugleistungen Fw 190. Als im Jahr hohen Gewichts verschlechtert und sie konnte sich schwer gegen
1944diewendigenamerikanischenBegleitjägermitgroßerReichweite feindlicheJägerwehren.DieFw190FleistetetrotzdemanallenFronten
bei den Bomberverbänden auftauchten, waren ihnen die Fw 190 mit biszumKriegsendewertvolleDiensteundübernahmdieAufgabenzur
derartigen Anbauten unterlegen und konnten ihre Raketenbewaff- Unterstützung der Bodentruppen vom veralteten Sturzkampfbomber
nung nicht mehr einsetzen. Junkers Ju 87.
Durch das ständig anwachsende Gewicht der Fw 190 musste ab Die ersten Jagdbomber der Version Fw 190 G mit erhöhter Reich-
der Baureihe A-5 der BMW-801-Motor aus Schwerpunktsgründen um weite bis 750 km wurden Ende des Sommers 1943 ausgeliefert. Sie
150 mm vorverlegt werden. Die Motorverkleidung wurde entspre- besaßen keine MG mehr über dem Motor. Unter dem Rumpf befanden
chend angepasst. Durch die ständige Weiterentwicklung der Jäger sichTräger für bis zu 1200 kg Bomben und unter denTragflächen auch
auf alliierter Seite schmolz der anfangs vorhandene Leistungsvorteil Träger für abwerfbare Zusatztanks.
ü
56 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
Werbeanzeigen aus
der Kriegszeit mit dem
Jagdflugzeug Focke-Wulf
Fw 190 als Motiv.
ü
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 57
Schwer gepanzerte
Fw 90 A-8/R2 sollten als
„Sturmjäger“ den Jagdschutz
der Tagbomber durchbrechen
und dicht an die Ziele
heranfliegen. Hier wird im
Herbst 1944 die Maschine,
Werknummer 681382 des
Kommandeurs der
IV (Sturm)/JG 3, Hauptmann
Wilhelm Moritz, für den
nächsten Einsatz vorbereitet.
Dieses Schlachtflugzeug
Fw 190 F-8/R1 aus den
letzten Kriegstagen ist im
amerikanischen Steven
Udvar-Hazy Center in
Washington erhalten
geblieben. Die Maschine
hat schon die gewölbte
Cockpithaube.
ü
58 Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen
dort etwa 1500 Fw 190 wieder der Luftwaffe zugeführt. Kleine Betriebe entwickelte. Das komplette Triebwerk, als Einheitstriebwerk geliefert,
stellten weniger komplexe Baugruppen her und führten das Material wurde als 801 TS bezeichnet. Ein neues Kühlgebläse mit 14 statt 12
abgeflogener und von den Einsatzgeschwadern ausgesonderter Flug- Blättern verbesserte die Kühlung für den leistungsgesteigerten Motor.
zeuge der Wiederverwertung zu. Im Laufe des Jahres 1944 begannen Die von der F-8-Version übernommene gewölbte Kabinenhaube ver-
folgende Betriebe Fw 190 zu fertigen: Heinkel-Werk Oranienburg, Mit- besserte die Sicht des Piloten. Der Prototyp eines A-9 Rammjägers mit
teldeutsche Metallwerke Erfurt, Weserflug-Werk Aslau (nur 7 Maschi- gepanzertem Tragflügel wurde zwar erprobt, doch nicht serienmäßig
nen A-8), Leichtbau Budweis (nur 10 Maschinen A-8). gebaut.
Einen Sprung nach vorn bei den Flugleistungen gelang der
Eine erhaltene Fw 190 D-9 Letzte Versionen Fw 190 durch Wahl eines neuen Motors. An Rumpf und Flächen der
steht als Kriegsbeute im Die A-9-Variante stellte mit 660 ab Herbst 1944 produzierten Maschi- A-9 wurde der Zwölfzylinder-Reihenmotor Jumo 213 montiert. Diese
Museum der U.S. Air Force nen die letzte Baureihe mit BMW 801 dar. Sie wurde mit dem verbesser- „Langnasen“-Fw-190 erhielt, da ja auf der A-9 basierend, die Bezeich-
in Dayton, Ohio. ten Motor BMW 801 S ausgestattet, der eine Startleistung von 2040 PS nung D-9 und war als Höhenjäger konzipiert und in erster Linie zur
ü
Fw 190 – Schrecken der Fliegenden Festungen 59
Bekämpfung der alliierten Jagdflugzeuge gedacht. Um die größere und Fieseler die Produktion der neuen Untervariante Fw 190 D-12
Baulänge des Reihenmotors auszugleichen, musste vor dem Leitwerk beginnen, doch der akute Mangel an Material und Arbeitskräften hat
ein rund 50 cm langes Zwischenstück (die„Tonne“) eingefügt werden. den Anlauf der Großserienproduktion verhindert.
Insgesamt war der Rumpf der Fw 190 D um knapp eineinhalb Meter Ende 1943 kam es zur Entwicklung der zweisitzigen Schulungs-
länger als jener der A-Serien-Flugzeuge. Die Waffenanlage bestand version Fw 190 S. Die Fw 190 S entstanden durch Umbauten aus
aus zwei 13-mm-Maschinengewehren MG 131 über dem Motor sowie Reparaturzellen, wobei als Grundlage verschiedene Typen der A-Vari-
zwei 20-mm-Kanonen MG 151/20 in den Flügelwurzeln. Zur Vergrö- antedienten.DahertrifftdieseSammelbezeichnungaufFlugzeugemit
ßerung der Reichweite konnte die Fw 190 D im Jagdeinsatz an einer unterschiedlichenBMW-801-VersionenundAusrüstungszuständenzu.
Aufhängung unter dem Rumpf einen 300 Liter fassenden Zusatztank Im Jahr 1944 wurden 11 500 Fw 190 neu hergestellt, ohne die
aufnehmen. Bei Jagdbombereinsätzen konnte sie bis zu 500 kg an instandgesetzten und umgebauten Maschinen mitzurechnen, wobei
Bomben mitführen. etwa 650 bis 700 von ihnen neue Langnasen waren. Bezogen auf das
Die Fw 190 D erwies sich als hervorragender Jäger und Jagdbom- Vorjahr bedeutete dies eine Steigerung des Ausstoßes um 375 Prozent.
ber und war den meisten Gegnern überlegen. Die ersten Maschinen Es gibt keine genauen Angaben für 1945, doch es wurden mindestens
verließen das Werk in Cottbus im Sommer 1944, doch ihre Produktion 2700 Fw-Jagdflugzeuge an die Luftwaffe geliefert. Bei Kriegsende
wurde dann vollständig ins Zweigwerk in Marienburg verlegt. Dort befanden sich noch etwa 1500 Maschinen in den Werkhallen in ver-
wurden, bis zu dessen Einnahme durch die Rote Armee im Februar schiedenen Fertigungsstadien.
1945, acht Maschinen täglich produziert. Es wurden insgesamt schätzungsweise 12 500 Jagdflugzeuge
Dort wurden von den sowjetischen Truppen eine größere Zahl Fw 190 aller Varianten, plus 5600 Schlachtflugzeuge und rund 1400
intakter Fw 190 D-9 erbeutet. Ein Jagdfliegerregiment der Baltischen Jagdbomber hergestellt. Die Fw 190 war damit nach der Bf 109 das
RotbannerflotteschulteinnerhalbwenigerTageaufdiesenTypumund meistgebaute deutsche Flugzeug des Zweiten Weltkriegs. Sie erwies
nahm mit ihm, mit roten Sternen versehen, an den weiteren Kämpfen sich als starker Gegner, der sich allerdings gegen Kriegsende der feind-
gegen die Wehrmacht teil. Ab Januar-Februar 1945 sollte bei Arado lichen Übermacht beugen musste.
Das Militärhistorische
Museum der Bundeswehr
auf dem Flugplatz Berlin-
Gatow zeigt seit 2018 eine
restaurierte Focke-Wulf
Fw 190 A-8. Über dem
Flugzeug ist eine Flugbombe
Fieseler Fi 103 (V-1) und ein
Raketenjäger Messerschmitt
Me 163 aufgehängt.
Foto: Uwe W. Jack
ü
60 Grumman Panther und Cougar in Argentinien
ü
Grumman Panther und Cougar in Argentinien 61
Die Grumman Panther und Cougar waren die ersten Jets der argentinischen
Marine und als einzigem Betreiber in der Region gaben sie Argentinien einen
unübertroffenen strategischen Vorteil in Lateinamerika. Santiago Rivas
ü
62 Grumman Panther und Cougar in Argentinien
ü
Grumman Panther und Cougar in Argentinien 63
2. Marine Angriffs-Escadrille zu geben. Somit wurde aus der Belgrano ein. Ab dem 8. Juni 1959 erfolgten die ersten Lan-
2-A-20 die 2-A-101 und die anderen Maschinen erhielten ent- dungen auf der „Independencia“ durch North American T-6
sprechende Kennzeichen. Der Einsatz bei der Marine begann Texan. Erst einen Monat später wurde Träger offiziell in Dienst
offiziell am 31. Juli 1959. Sieben Panther waren zu diesem gestellt. Die Katapulte erwiesen sich aber als zu schwach, um
Zeitpunkt flugfähig gemeldet. Die bisher geflogenen zwölf die Jets von Bord zu starten. Pläne zu Behebung dieses Prob-
North American T-6 Texan des Verbandes wurden an andere lems wurden geschmiedet, aber vorerst konnten nur die Texan
Geschwader abgegeben. von der „Independencia“ aus eingesetzt werden.
In der Zwischenzeit hatte Argentinien 1958 den briti-
schen Flugzeugträger HMS „Warrior“ gekauft. Der Träger der Schwierige Schulung der Piloten
Colossus-Klasse hatte Argentinien Mitte September 1957 Anfang August 1960 verlegte der Panther-Verband zur Basis
besucht und war von einer argentinischen Kommission Punta Indio an der Mündung des Rio Plata. Gleichzeitig wurde
geprüft worden. Die Briten hatten den Träger 1956 vollkom- der Verband in 3. Marinefliegergeschwader umbenannt, die
men modernisiert und mit einem Winkel-Flugdeck ausgerüs- Kennzeichen änderten sich von 2-A-101 in 3-A-101 und so
tet. Am 4. November 1958 wurde die argentinische Flagge in weiter. Immer mehr bestellte Panther trafen in Argentinien
Portsmouth über dem Träger gehisst und das Schiff in „Inde- ein, die letzte Maschine war die 0449 mit dem Kennzeichen
pendencia“ umgetauft. Die Neuerwerbung besuchte am 18. 3-A-124, die am 31. Januar 1961 registriert wurde. Eine Panther
Dezember Buenos Aires und lief am 30. Dezember in Puerto musste am 3. April 1963 abgeschrieben werden. Die 3-A-101
ü
64 Grumman Panther und Cougar in Argentinien
ging bei einem Unfall am Boden verloren. Nach der argentini- die Flugschüler nach Montevideo, um bei den Nachbarn in Uru-
schen Gepflogenheit erhielt die letzte Maschine des Verban- guay auf Lockheed T-33 ihre ersten Jet-Flüge zu absolvieren.
des mit der höchsten Kennzeichen-Nummer die Kennung der Diesem unmöglichen Zustand sollte durch den Kauf von zwei
verunglückten Panther, um die Reihenfolge der Kennzeichen doppelsitzigen Grumman F9F-8T Cougar abgeholfen wer-
lückenlos zu halten. Aus der 3-A-124 wurde also die neue 3-A- den. Ende 1961 wurde der Kauf mit der U.S. Navy vereinbart.
101. Die Seriennummern blieben bei diesem Verfahren aber Wichtig war dabei, dass die Cougar auch als Kampfflugzeuge
erhalten. eingesetzt werden konnten. Sie waren die ersten Flugzeuge
Schwierig war die Lage bei der Schulung der Jetpiloten. in der Region, welche die Schallmauer durchbrechen konnten
Da es keine Zweisitzer gab, rollten die Flugschüler mit offener – wenn auch nur im Sturzflug. Ferner verfügten die beiden
Cockpithaube auf dem Platz umher, während der Fluglehrer Cougar über die Möglichkeit zur Luftbetankung. Leider ver-
auf der Tragfläche stand und Anweisungen gab. Dann reisten fügte Argentinien zu dieser Zeit über keinen Lufttanker. Auch
ü
Grumman Panther und Cougar in Argentinien 65
Der Flugzeugträger
„Independencia“ bringt
im Mai 1962 zwei
doppelsitzige Cougar und
sechs Grumman Tracker aus
den USA nach Argentinien.
eine andere Einsatzmöglichkeit der Cougar blieb ungenutzt. „Roten“) wollte eine Militärdiktatur errichten, die andere die
Die Maschine konnte Luft-Luft-Lenkraketen verschießen, die Demokratie verteidigen (die „Blauen“). Nach dem der Streit
es in Argentinien nicht gab. mehrere Monate auf kleiner Flamme weiter geschwelt hatte,
Am 24. Mai 1962 trafen die beiden Cougar mit der „Inde- brach der Konflikt erneut aus. Am 2. April 1963 stellte sich die
pendencia“ ein. Mit an Bord waren sechs Grumman S-2A Tra- argentinische Marine auf die Seite der roten Kräfte und befür-
cker. Die zwei Cougar wurden mit den Seriennummern 0516 wortete einen Staatsstreich. Überflüge über Einrichtungen
und 0517 registriert und erhielten die Kennzeichen 3-A-151 der Marine wurden verboten. Auf der Basis Punta Indio wur-
und 3-A-152. Durch diese Schulflugzeuge wuchs die Zahl von den alle verfügbaren Flugzeuge an die Vorstartlinie gerollt,
Jetpiloten schnell an und über das ganz Land verteilt wurden auch die nicht flugfähigen, um für den Fall, dass ein Aufklärer
in der Folge Manöver organisiert. der Luftstreitkräfte von der blauen Seite den Flugplatz foto-
grafierte. So sollte Stärke demonstriert werden. Tatsächlich Die traurigen Überreste
Im Einsatz bei der Militärrevolte wurde die Marine-Luftstreitmacht entdeckt und die Luftwaffe der 3-A-121 nach der
Zwischen August und September 1962 wurde Argentinien plante, den Flugplatz zu bombardieren, weil vermutet wurde, Bombardierung der
durch eine ernste innenpolitische Krise erschüttert. Die Streit- die Marine-Maschinen wären für einen Angriff auf die Regie- Marinebasis Punta Indio
kräfte waren in zwei Lager gespalten. Die eine Fraktion (die rung bereitgestellt worden. am 3. April 1963.
ü
66 Grumman Panther und Cougar in Argentinien
Eine der beiden Grumman Am Morgen des 2. April flogen Marineflugzeuge Aufklä- kehren. Als Reaktion auf diesen Beschuss schickte die Marine
Cougar kurz nach der Ankunft rung, um sich über Bewegungen von „blauen“ Streitkräften F4U-5 Corsair und SNJ-5 Texan Propellerflugzeuge zu der
in Argentinien. Die Maschi- ein Bild zu machen. Auf der Basis Tandil waren Gloster Meteor Kaserne, die Bomben abwarfen und im Sturzflug ungelenkte
nen sollten als Trainer und zusammengezogen worden und die Marine versuchte her- Raketen abfeuerten. Der Angriff richtete erhebliche Schäden
als Kampfflugzeuge auszubekommen, ob sich deren Piloten neutral verhalten an und es gab zahlreiche Verluste. Die Sherman-Panzer des
genutzt werden. würden. Ein Aufklärer wurde zur nahen Kaserne eines Pan- Regiments waren vorsorglich in einem nahen Wald versteckt
zerregiments entsandt. Dort warf er Flugblätter ab, die zum worden und nur zwei wurden beschädigt. Eine Corsair wurde
Anschluss an den Militärputsch aufforderten. Doch die Pan- abgeschossen und zwei Panther mit den Seriennummern 0422
zersoldaten hatten sich offenbar schon anders entschieden. und 0424 gingen verloren. Die Jets stürzten allerdings nicht
Die Maschine wurde von heftigem Flakfeuer empfangen und bei Kampfhandlungen ab, sondern kollidierten in der Luft,
erlitt Beschädigungen, konnte aber nach Punta Indio zurück- als sie Stärke über dem Krisengebiet demonstrieren sollten.
ü
Grumman Panther und Cougar in Argentinien 67
0416 2-A-20, 2-A-101, 3-A-101 1965 Am 3. April 1963 auf der Basis Punta Indio zerstört.
Am 3. April 1963 auf der Basis Punta Indio beschädigt.
0417 2-A-21, 2-A-102, 3-A-102 1968 Konnte nicht flugfähig wiederhergestellt werden. Diente dann an der Marinefliegerschule
der Schulung von Technikern. Im Jahr 1967 verschrottet.
0418 2-A-22, 3-A-103 1971 Ab 1969 nicht mehr flugfähig und schließlich verschrottet.
0419 2-A-23, 3-A-104 1971 Ab 1969 nicht mehr flugfähig und schließlich verschrottet.
0426 3-A-116 1971 Ab 1969 nicht mehr flugfähig und schließlich verschrottet.
0427 3-A-117 1971 Ab 1969 nicht mehr flugfähig und schließlich verschrottet.
Am 3. April 1963 auf der Basis Punta Indio beschädigt.
0447 3-A-123 1971 Nach Reparatur wieder einsatzbereit. Am 9. Juni 1971 ausgemustert und schließlich ver-
schrottet.
0448 3-A-115 1971 Am 9. Juni 1971 ausgemustert und schließlich verschrottet.
0449 3-A-124, 3-A-101 1966 Bei einem Unfall im Jahr 1964 zerstört.
0450 3-A-118 1965 Am 3. April 1963 auf der Basis Punta Indio zerstört.
0452 3-A-111 1971 Am 9. Juni 1971 ausgemustert. Stehtjetzt alsDenkmal auf der Marineflieger-Basis Punta Indio.
0453 3-A-124, 3-A-118 1971 Am 9. Juni 1971 ausgemustert. Ist als Denkmal im Museo Naval de Tigre erhalten.
0457 3-A-121 1965 Am 3. April 1963 auf der Basis Punta Indio zerstört.
0516 3-A-151 1971 Am 9. Juni 1971 ausgemustert. Wurde dem Marinefliegermuseum übergeben.
Am 9. Juni 1971 ausgemustert und an einen privaten Eigner in den USA verkauft. Bei einem
0517 3-A-152 1971
Unfall im Jahr 1991 zerstört.
ü
68 Grumman Panther und Cougar in Argentinien
Allerdings meldeten mehr als 50 Panzer und Flakgeschütze Juli 1963 war es dann endlich soweit: Als erster Jet landete die
des Regiments die Jets als von ihnen zerstört. Panther 0453/3-A-119 auf der „Independencia“. Capitain Mar-
Der Militärputsch war in den Mittagsstunden des 2. April tinez Achaval fing das Haltekabel auf dem Landedeck gleich
gescheitert, aber die Soldaten auf der Marinebasis Punta beim ersten Versuch. Er hatte am 8. Juni 1959 mit einer Texan
Indio hatten dies nicht mitbekommen und hielten noch zu auch die erste Trägerlandung Argentiniens vollbracht. Einige
den Putschisten. Am frühen Morgen des 3. April bombardier- Zeit vorher waren Landeanflüge mit den Jets geübt worden,
ten deswegen Flugzeuge der Luftstreitkräfte die Basis. Ein ohne dass die Räder tatsächlich das Deck berührten.
Verband aus zwei Avro Lancaster, zwei F-86 F Sabre und zwei Die Katapulte waren immer noch nicht stark genug, um
Gloster Meteor warfen Bomben ab. Dabei wurden mehrere eine Panther in die Luft zu bekommen. So sah das Einsatz-
Gebäude zerstört oder beschädigt. Vier Panther wurden bei konzept der Marine vor, die Panther sollten im Kriegsfall von
dem Angriff zerstört, zwei weitere beschädigt. Schäden tru- ihrer Basis an Land aus starten, ihr Ziel über See anfliegen und
gen auch einige Corsair und eine Tracker davon. Dann rückten dann auf dem Träger landen. Dies würde die Reichweite der
Truppen der Armee vor und besetzten den Marinestützpunkt, Jets über Wasser vergrößern. Die Maschinen müssten danach
die rebellierenden Marinesoldaten kapitulierten. Die Armee auf dem Träger bleiben, bis dieser einen Hafen anlief. Per Kran
nutzte die Einrichtungen des Flugplatzes solange für sich, würden die zerlegten Panther auf Tieflader verladen werden
bis die durch den Angriff der Marineflugzeuge beschädigten und auf einem Flughafen wieder montiert werden. Diese ver-
eigenen Gebäude wieder aufgebaut waren. zweifelte Notlösung war natürlich nicht der Zweck gewesen,
für den Argentinien einen Flugzeugträger gekauft hatte.
Kein Trägereinsatz Da nun feststand, dass die Panther nicht von der „Independen-
Die Marine arbeitete verstärkt daran, die Grumman Panther cia“ aus eingesetzt werden konnten, musste Argentinien wohl
von ihrem Flugzeugträger aus operieren zu können. Am 27. oder übel nach einem neuen Flugzeugträger suchen. In den
ü
Grumman Panther und Cougar in Argentinien 69
Niederlanden wurde die Marine fündig. Diese verkaufte ihre Letztlich wurden die Panther und Cougar durch den klei-
„Karel Doorman“, die ehemalige „Venerable“ der britischen nen italienischen Jet Aermacchi MB-326 ersetzt. Acht Flugzeu-
Royal Navy. Als dieser neue Träger 1969 als „Veinticinco de ge trafen am 30. April 1968 in Argentinien ein. Eine Zeit lang
Mayo“ in Argentinien eintraf, war die Marine gerade dabei die setzte die argentinische Marine beide Muster zusammen ein.
Panther außer Dienst zu stellen. So kam es dazu, dass nie eine Am 3. März 1970 erfolgte schließlich der letzte Start einer Pan-
argentinische Grumman Panther von einem Flugzeugträger ther. Endgültig wurden die Maschinen am 9. Juni 1971 aus dem
aus eingesetzt wurde. Flugzeugregister gelöscht. Von den 24 Grumman Panther die
Seit 1967 waren noch acht der vorhandenen 15 Panther Argentinien erworben hatte, gingen sieben durch die Ereig-
flugfähig. Es hatte einige kleinere Unfälle mit diesem Flug- nisse der Revolte im April 1963 verloren, zwei weitere Maschi-
zeugtyp gegeben, aber kein Pilot verlor sein Leben während nen wurden bei Unfällen zerstört. Zehn Flugzeuge wurden
er in einer Panther saß. Obwohl bei weitem nicht mehr den verschrottet und eines an einen privaten Eigner in den USA
Anforderungen an ein Kampfflugzeug entsprechend, waren verkauft. Vier blieben in Argentinien erhalten, je eine Panther
die argentinischen Panther immer noch die einzigen Marine- als Denkmal auf den Marinebasen Puerto Belgrano und Punta
Jets in Lateinamerika. Als erste Maßnahme zur Ablösung wur- Indio. Zwei Flugzeug kann man heute in Luftfahrtmuseen des
den 17 Propellerflugzeuge North American T-28 in Frankreich Landes besichtigen. Von den beiden Cougar wurde eine in
gebraucht gekauft. Die Bestellung wurde bald auf insgesamt die USA verkauft und dort bei einem Unglück am 31. Oktober
53 Maschinen erhöht, von denen 14 in Argentinien für den 1991 zerstört. Die zweite Cougar steht noch im Museum der
Trägereinsatz umgerüstet wurden. Marineflieger.
ü
70 Die Spielregeln des Kalten Krieges
Die Spielregeln
des Kalten Krieges
Foto: U.S. Air Force
ü
Die Spielregeln des Kalten Krieges 71
Das jahrzehntelange Wettrüsten der beiden Supermächte USA und UdSSR verlief
nicht planlos, sondern folgte einer inneren Logik. Nicht nur das Streben nach
immer wirkungsvolleren Waffen bestimmte den Ablauf der Konfrontation, auch
wirtschaftliche Strategien führten letztlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion.
Uwe W. Jack
ü
72 Die Spielregeln des Kalten Krieges
Zukunftsfilm „Shape of waren so verwüstet, dass es unmöglich schien, dass hier wie-
Things to come“ kontrolliert der Kulturnationen existieren könnten. Deutschland war 1945
eine technisch und moralisch vollständig durch Truppen der Siegermächte besetzt und in
hochstehende Macht die Erde Zonen geteilt, in denen das Recht der jeweiligen Besatzungs-
nach einem zerstörerischen macht galt. Die Machtverhältnisse der Welt und die Einstellun-
Weltkrieg mittels riesiger gen der beiden großen Kriegsteilnehmer USA und UdSSR zur
Nurflügelbomber. Kriegeri- Zukunft hatten sich entscheidend geändert. England konnte
sche Nationen werden durch die Vorkriegsstellung als globale Macht nicht mehr ausfüllen.
Abwurf von Betäubungsgas Frankreichs Position als starke Kontinentalmacht mit großen
gewarnt und zum Umdenken kolonialen Besitztümern befand sich in der Auflösung. Deutsch-
gebracht.
ü
land gab es nicht mehr – Europa hatte die über 500 Jahre lang
Die Spielregeln des Kalten Krieges 73
unangefochtene Führungsposition auf dem Planeten verloren. die USA vom Krieg verschont wurden. Also musste man sich
In Moskau und Washington sah man sich jetzt in der Pflicht, ständig bereit halten für einen zukünftigen Krieg, gegen wen
die Nachkriegswelt neu zu ordnen. Natürlich sahen sich beide auch immer. Hier gingen die Meinungen über die zukünftige
Nationen als beispielhaftes Erfolgsmodell an, welches in andere Sicherheitspolitik der amerikanischen Streitkräfte aber stark
Länder exportiert, dort den zukünftigen Wohlstand und Frie- auseinander.
den garantieren würde. Eine Variante war die Schaffung einer Flotte von Langstre-
In den USA traten zunächst innenpolitische Belange in den ckenbombern, die mit globaler Reichweite jeden Angriff auf
Vordergrund. Amerikanische Truppen hatten, im Vergleich zu die USA in kürzester Zeit mit einem Atomschlag in voller Härte
anderen Kriegsteilnehmern, mit etwa 400 000 Toten nur gerin- gegen den Aggressor beantworten konnte. Die USA, die nie ein
ge Verluste hinnehmen müssen. Das Land selbst wurde nicht stehendes Heer benötigt hatten, brauchten sich so auch keine
mit Kriegshandlungen überzogen, es gab keine zivilen Opfer. festen Truppen im Ausland zu leisten, die Flotte konnte stark
Nach der großen Depression und den Einschränkungen wäh- reduziert werden. Was bei der britischen Royal Navy jahrhun-
rend des Krieges forderte die Bevölkerung jetzt eine Erhöhung dertlang die Doktrin der „Fleet in Being“ war, die Einschüchte-
des Lebensstandards ein. Die Truppen wurden demobilisiert, rung eines Gegners durch bloße Stärke der Flotte, würden im
die auf Hochtouren laufende Industrie stellte sich auf Kon- 20. Jahrhundert für die USA mehrere Fernbombergeschwader
sumgüter um. Der Krieg hatte zur Vollbeschäftigung und zu übernehmen. Das Elegante dieses Planes war die Reduzierung
steigenden Löhnen geführt. Präsident Harry S. Truman fasste der Militärausgaben auf ein nie gekanntes Minimum und die
dementsprechend die Lage der USA so zusammen „Wir sind Freiheit, sich aus den Konflikten der anderen Länder heraushal-
aus diesem Krieg als die mächtigste Nation der Welt hervor- ten zu können. Einflussreicher Fürsprecher dieser Politik war der Heute hat der Stealth-
gegangen – vermutlich als die mächtigste Nation aller Zeiten.“ Flugzeugkonstrukteur Alexander P. de Seversky. Der gebürtige Bomber Northrop Grumman
Damit meinte er nicht nur die militärische Situation Amerikas Pole hatte unter anderem das Jagdflugzeug P-47 Thunderbolt B-2 die Rolle des Trägers
als einzige Nuklearmacht mit der größten Luftflotte der Welt, entworfen und galt als Vordenker der Luftstrategie. In seinem der konventionellen und
sondern vor allem die wirtschaftliche Stärke. 1945 produzierten weitverbreiteten Buch „Entscheidung durch Luftmacht“ popu- nuklearen Bewaffnung für
die USA trotz hochgefahrener Waffenfertigung unglaubliche 50 larisierte er unmittelbar nach dem Krieg genau den Gedanken weltweiten Einsatz
Prozent aller Konsumgüter der Erde. einer in Bereitschaft stehenden nuklearen Luftflotte als Garant übernommen.
Der Überfall auf Pearl Harbor hatte die Einstellung der ame-
rikanischen Militärs zur Verteidigungssituation und möglichen
Offensivstrategien entscheidend geändert. Zum Einen wollte
man sich nie wieder einem überraschenden Angriff ausgesetzt
sehen. In Zeiten der Atombombe war der Schaden, den meh-
rere Flugzeuge einem Land zufügen können, ungeheuer. Auch
die geringste Möglichkeit eines nuklearen Pearl Harbor war für
die USA nicht hinnehmbar. Die Ozeane hatten ihre Funktion als
Schutzbarriere verloren. Moderne Kriege würden jetzt als Luft-
kriege ausgefochten werden. Bomber mit interkontinentaler
Reichweite konnten die USA von überall auf der Welt erreichen.
Landesverteidigung musste jetzt global gesehen werden. Also
mussten alle Länder, von denen eine Gefahr ausgehen könnte,
sorgfältig überwacht werden. Am besten auch befreundete
Nationen, denn die politischen Systeme auf dem Planeten
Foto: U.S. Air Force
ü
Die Spielregeln des Kalten Krieges 75
entstehende Röntgenstrah- zungszonen Deutschlands unterbrach man am 24. Juni 1948 die
lung durch Metallröhren auf Zufahrtswege nach Berlin-West, wo inmitten der sowjetischen
gegenerische Sprengköpfe Zone Amerika, Großbritannien und Frankreich einen Teil der
gelenkt werden. ü ehemaligen Hauptstadt besetzt hatten. Eine Blockade ist ein-
Die Spielregeln des Kalten Krieges 77
deutig ein kriegerischer Akt. Zwei Millionen Menschen waren Diese größte Versorgungsaktion aller Zeiten durch Flugzeuge
von allen Lieferungen abgeschnitten, die Stadt produzierte der drei Westalliierten erwies sich als großes Marketing-Desas-
selbst keine Lebensmittel, eine humane Katastrophe drohte. ter für Stalin. Die Westmächte wandelten sich in den Augen der
Die Westmächte zogen es ernsthaft in Betracht, den Zugang westdeutschen Bevölkerung von Besatzern zu Helfern und die
mit militärischen Mittel wieder herzustellen. Die Welt stand mächtige Sowjetunion hatte vor der ganzen Welt im eigenen
am Rande eines Krieges zwischen den USA und der UdSSR. Die Einflussbereich kleinbei geben müssen.
dann als Alternative in Gang gebrachte Luftbrücke versorgte Nach der Berlin-Krise gab es keinen Zweifel mehr, die USA
die Stadt bis zum 12. Mai 1949. Ununterbrochen flogen Trans- und die UdSSR standen auf entgegengesetzten Seiten der
porter zu den drei Flughäfen im Westteil Berlins, und sogar Was- Front. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auf einander geschos-
serflugzeuge lieferten Lebensmittel auf den Berliner Seen an. sen wurde. Dies geschah etwa ein Jahr nach Ende der Berlin-
ü
78 Die Spielregeln des Kalten Krieges
der Systeme ewig weitergehen. Ziel konnte jetzt nur ein Angriff Berichte über die Milliarden, welche von der Regierung für „Star Um die eigenen Raketen vor
auf die Wirtschaftskraft der Sowjetunion sein. Wars“ ausgegeben würde. Keine der angepriesenen neuen einem Überraschungsangriff
Man wusste, dass die UdSSR einen gewaltigen Anteil ihrer Waffen ist bis heute entstanden, viele Gelder flossen in bereits zu schützen, setzte
Staatsausgaben in das Militär stecken musste. Für den Wohl- bestehende andere Programme, etwa zur Entwicklung von die UdSSR auf mobile
stand der Bevölkerung blieb wenig übrig. In diese Schwach- Systemen der Künstlichen Intelligenz. Startrampen. Diese TOPOL-
stelle konnte eine vereinte wirtschaftlich-militärische Strategie Heute wird allgemein bezweifelt, dass die angegebenen Feststoffrakete mit 11 000 km
erfolgreich einwirken. Neue Waffen sollten nicht nur den mili- Summen überhaupt aufgewendet wurden und damit, dass das Reichweite wird aus ihrem
tärischen Erfordernissen genügen, sie sollten auch bei modera- „Star Wars“-Programm jemals ernst gemeint war. Die Wirkung Transportbehälter heraus
ten Kosten in den USA enormen Aufwand für die Sowjetunion auf die Sowjetunion war jedoch katastrophal. Wenn ihre Atom- gestartet.
bedeuten. Damit würde die Schere zwischen dem gewünschten schlagkraft ausgeschaltet wäre, hätte sie de facto ihren Status
und dem tatsächlich verfügbaren Lebensstandard der Bevöl- als Weltmacht verloren und wäre darüber hinaus einem ameri-
kerung in der UdSSR immer weiter auseinandergehen. Irgend- kanischen Erstschlag hilflos ausgeliefert. Gewaltige Summen
wann, so hoffte man, würden sich die Bürger das nicht mehr mussten in Forschungsprogramme gepumpt werden, nur um
gefallen lassen und das kommunistische Regime hinwegfegen. festzustellen, dass die amerikanischen Pläne nicht umsetzbar
Die Marschflugkörper sind eine solche Kombi-Waffe. Als waren. Die ökonomische Krise in der UdSSR verschärfte sich so
Weiterentwicklung von ähnlichen Vorgängern war sie zu ver- weiter. Eine Fernsehansprache und ein Trickfilm waren die neue
tretbaren Kosten zu haben. Die Sowjetunion musste zur Abwehr Superwaffe im Wirtschaftskrieg.
der tieffliegenden kleinen Flugkörper ihre lange Landesgrenze Die sowjetische GR-1 Scrag
mit neuen, sehr teuren Spezial-Radargeräten ausrüsten. Die Transportmittel für Atombomben gesucht wird hier in den frühen
Kosten für diese Radarüberwachung und die dafür notwendige Die wirtschaftliche Auseinandersetzung mit der UdSSR war ein 1960er-Jahren auf der
neue Infrastruktur überstiegen die Kosten der Cruise Missile um Verfahren, welches auf jahrzehntelange Dauer angelegt war, Siegesparade in Moskau dem
ein Vielfaches. zuerst sollte den kommunistischen Strömungen im Westen der Volk gezeigt. Großraketen
Ähnlich verhält es sich mit den Stealth-Flugzeugen, die Nährboden der Wirtschaftskrise entzogen werden, dann konn- sind auch ein Mittel, um
einen enormen Aufwand zur Abwehr erzeugten und zusätzlich te man weiter sehen. In US-Studien vom Anfang der 1950er-Jah- innenpolitisch Werbung für
bei jedem Flackern auf einem Radarschirm die Unsicherheit re ging man davon aus, dass eine atomare Auseinandersetzung das eigene System zu machen.
aufkommen lassen, ob sich da vielleicht eine Flotte von Stealth-
Bombern nähert.
Auf die Spitze getrieben wurde diese Taktik mit dem „Star
Wars“-Programm von Präsident Ronald Reagan. Der kündigte
seiner Bevölkerung bei einer Fernsehansprache am 23. März
1983 an, man würde jetzt darangehen, ein Schutzsystem zu
schaffen, das kein sowjetischer Bomber oder Sprengkopf
durchdringen könne. Die sogenannte „Star Wars“-Initiative
(SDI) würde fortschrittliche Waffen im Weltraum stationieren
und von dort alle sowjetischen Atomraketen abschießen. Der
Erfinder der Wasserstoffbombe Edward Teller trat auf und
Foto: Militärbilddienst
Foto: Militärbilddienst
mit der Sowjetunion in den nächsten zwei Jahrzehnten fast Westeuropa aus waren einige wichtige Städte erreichbar, aber
unausweichlich war. Es kann kein Zweifel bestehen, dass dies nicht alle Zentren. So mussten die USA notgedrungen einen
in Moskau ähnlich gesehen wurde. Kranz von befreundeten Nationen um die Sowjetunion herum
Den Zweiten Weltkrieg hatten die USA hauptsächlich aus aufbauen, von denen aus die eigenen Bomber im Ernstfall
der Luft und mit der Flotte geführt. Auch wenn die Analysen der starten konnten. Da es keine lange Vorbereitungszeit für einen
angerichteten Bombenschäden in Deutschland ernüchternd Atomschlag geben würde, musste eine aufwendige nukleare
waren – die Industrieproduktion war durch Bomben nur margi- Infrastruktur in fremden Staaten geschaffen werden, mit Flug-
nal gesenkt worden – sah man sich in den USA als erfolgreiche plätzen, Atombombenlagern und Truppen. Dieses kostete nicht
Luftmacht. Die Atombombe hatte die Einsatzstrategie der nur immense Gelder, sondern war auch politisch gefährlich. Die
Bomber aber entscheidend geändert. Machten sich im Welt- Gastgeberstaaten sahen sich als Stützpunkt von Atombom-
krieg bis zu tausend Bomber mit der gleichen Zahl Begleitjäger bern selbst einem sowjetischen Atomschlag ausgeliefert oder
auf den Weg zum Gegner, konnte heute ein einzelner Bomber konnten sich darüber hinaus nach einem Umsturz gegen die
mehr Zerstörung verursachen. Deutschland lag, von England USA wenden.
aus betrachtet, in der Reichweite viermotoriger Propellerbom- Politisch wünschenswert waren also Bomber, die vom
ber. Bei einem Krieg gegen die UdSSR sah das anders aus. Von Mutterland aus die Sowjetunion erreichen und wieder nonstop
zurückkehren konnten. Diese Flugzeuge würden die bisher nur
Juri Gagarin, der erste theoretisch existierende Funktion einer Weltpolizei ermögli-
Mensch im Weltall, startete chen. Bis zur Indienststellung eines solchen globalen Bombers
am 12. April 1961 mit einer war man also gezwungen, Bomberverbände und Atombom-
modifizierten und durch eine ben im Ausland vorzuhalten, mit all den damit verbundenen
kleine Oberstufe erweiterten politischen und finanziellen Risiken. Ein Atombomber, der
R-7-Interkontinentalrakete. sich aufmacht, eine sowjetische Stadt zu vernichten, flog aber
Der propagandistische Effekt nicht ungefährdet. Radar würde schon frühzeitig den Einflug
auf die Motivation der sowje- melden und schnelle Düsenjäger den Bomber abfangen. So
tischen Bevölkerung setzte jetzt ein technologisches Wettrüsten um höhere Flug-
war enorm. geschwindigkeit und Gipfelhöhe für den Bomber ein sowie
um elektronische Gegenmaßnahmen zur Störung des Radars,
bis hin zu kleinen Täuschkörpern, die vom Bomber ablenken
sollten. Sogar im Bombenraum verstaubare, mitgeschleppte
eigene Jagdflugzeuge zum Schutz des Bombers wurden ent-
wickelt. Als deutlich wurde, dass die Wahrscheinlichkeit des
erfolgreichen Eindringens der Bomber durch bessere Abwehr-
maßnahmen immer geringer wurde, sollten die Atombomben
durch vom Bomber aus gestartete Fernflugkörper allein tiefer
Foto: Archiv FliegerRevue
und so die Bomberflotte schon am Boden vernichten. Dieses Eroberer einen dicken Forschungsbericht des österreichischen
Risiko schaltete man in den USA dadurch aus, dass ein Teil der Raketenpioniers Eugen Sänger entdeckt. In der Arbeit „Über
Atombomber mit scharfer Bewaffnung ständig in der Luft war. einen Raketenantrieb für Fernbomber“ entwickelte Sänger das
Mehrere Verbände flogen auf festgelegten Rundkursen und Projekt eines raketengetriebenen Bombers, der, mit Hilfe einer
wurden in der Luft betankt, bis nach 24 Stunden die Ablösung Startrakete von einer Schienenbahn aus gestartet, interkonti-
startete. Der Rundkurs führte die Bomber bis an den Polarkreis. nentale Reichweite haben sollte. Die intensive Suche nach Sän-
Dieses Verfahren, genannt „Headstart“ (Vorsprung), garantierte ger in Stalins Auftrag konnte diesen aber nicht auftreiben. Ein
das Überleben und die schnelle Einsatzfähigkeit eines Teils der anderes deutsches Projekt eines Staustrahl-getriebenen unbe-
amerikanischen Atommacht. Im Falle eines Alarms gingen die mannten Flugzeugs, welches mit Raketenhilfe gestartet, nach
Bomber auf Angriffskurs Richtung Sowjetunion und kreisten den Sternen navigierend, 4000 km Reichweite haben sollte,
dann an einer imaginären Haltelinie „Fail Safe Point“ auf halbem wurde als Projekt Burya in Angriff genommen. Doch die ersten
Weg zum sowjetischen Luftraum, bis sie zurückgerufen wurden. Versuchsflüge verliefen nicht erfolgreich. Den Raketenantrieb
Diese Linie durften die Bomber nur nach Erhalt eines mehrfach einmal ins Auge gefasst, schienen die deutschen Pläne für eine
gesicherten Flugbefehls mit Zielvorgabe in Richtung UdSSR große Rakete, die Amerika erreichen konnte, den Ausweg aus
überschreiten. der sowjetischen Bombermisere zu weisen.
Aus dem Selbstverständnis heraus, eine Luftmacht zu
sein, nahm der Versuch in den USA, die Überlebensfähigkeit Fernraketen Die Technikgläubigkeit ging
der Bomber zu erhalten, skurrile Formen an. Ab 1960, als nach Die Ursprünge der heutigen Interkontinentalraketen liegen in den 1960er-Jahren so weit,
dem Abschuss eines amerikanischen U-2-Aufklärers über der weiter zurück, als man vermuten möchte. Die Geschichte der dass man allen Ernstes diese
UdSSR durch eine Boden-Luft-Rakete klar war, dass es mit den modernen Raketen beginnt mit dem kleinen Buch „Die Rakete mit Röhren-Transistoren,
Zeiten des Wettlaufes zwischen Bomber und Jäger vorbei war, zu den Planetenräumen“ des rumäniendeutschen Hermann einem Antrieb, einer Lampe
versuchte die U.S. Air Force trotzdem, sich mit phantastischen Oberth. Dieses hatte er 1923 auf eigene Kosten in kleiner Aufla- und Fotozellen versehenen
Hyperschallprojekten wie etwa der 3300 km/h schnellen North ge herausgebracht. In dem Buch entwickelte Oberth die Pläne Mini-Fahrzeuge als Vorform
American B-70 eine Bomberkapazität zu sichern. Nicht etwa für Höhenraketen und auch für bemannte Raumfahrt, nebenbei des künstlichen Lebens ansah.
der Absturz des Prototyps bei einer Pressevorführung, son-
dern die enormen Kosten stoppten das Projekt. Die seit den
1930er-Jahren geltende Luftkriegsdoktrin „Der Bomber kommt
immer durch“ hatte ihre Gültigkeit verloren. Die amerikanische
Luftwaffe musste erkennen, bemannte Bomber hatten keine
Chance auf Erfolg mehr.
In der UdSSR war der Aufbau von strategischen Bom-
berkräften im Krieg nur halbherzig und wenig erfolgreich
durchgeführt worden. Die sowjetische Luftfahrtindustrie war
offenbar nicht in der Lage, die hohen Anforderungen an solche
Bomber zu erfüllen. Der Bedarf nach einem Trägermittel für
die in der Entwicklung befindliche eigene Atombombe ließ
auf in der UdSSR gestrandete vier amerikanische Bomber B-29
zurückgreifen. Aber der Versuch, die Maschinen nachzubauen
scheiterte. Die Flugzeuge, als Tupolew Tu-4 bezeichnet, wurden
nie wirklich einsatzfertig. Eine Atommacht, die ihre Bomben
nicht transportieren kann, ist eigentlich keine. Die Schaffung
von eigenen Atombombern würde etliche Jahre dauern, man
musste sich also nach Alternativen umschauen. Im deut-
schen Raketenzentrum Peenemünde hatten die sowjetischen
ü
82 Die Spielregeln des Kalten Krieges
Gegenseitiges Misstrauen
führt zu Fehlinterpretatio-
nen. Da diese Attrappe von
Gagarins Wostock-Kapsel für
eine Propagandavorführung
am Helikopter ein Leitwerk
für den stabileren Flug erhal-
ten hatte, glaubten westliche
Analysten darin den Vorläufer
eines Orbitalbombers erken-
Abbildung: Taschenbuch der Flugkörper, Raketen und Satelliten, 1964
nen zu können.
Ebenso waren sich die sow-
Abbildung: Spacecraft and Missiles of the World, 1962
Oben: Ein Atomschlag gegen nicht mehr stattgefunden. Die Sowjetunion hatte sofort nach
amerikanische Raketenstel- Kriegsende begonnen, alles erreichbare Material und Perso-
lungen würde das halbe Land nal der deutschen Raketenentwicklung zu sammeln und die
mit radioaktivem Fallout V2 nachzubauen. Die Amerikaner taten dies zwar auch, doch
überziehen. (Computer- sahen sie die Zukunft des Atombombentransports im Flugzeug
simulation des Verteidungs- und ließen so die Raketenentwicklung nur auf kleiner Flamme
ministeriums) köcheln. Anders in der UdSSR, Raketen waren der einzige gang-
bare Ausweg aus der Bombermisere herauszukommen. Stalin
Foto: Militärbilddienst
Foto: U.S. Air Force
plosion. Bei Entwicklung und Fertigung von Großraketen zählt gesamte Einsatzstrategie einer Atommacht. Waren in den Links: Die Zwei-Mann-
wirklich jedes noch so kleine Detail. vergangenen konventionellen Kriegen Mobilmachungs- und Startcrew in einem Titan-Silo
Wenn man die Besten ihres Faches für die Raketen-Entwick- Aufmarschzeiten von Wochen nötig, so hatte sich dies bei in den USA der 1960er-Jahre.
lung verpflichtet, kann man immer noch scheitern – arbeitet Atombombern in ständiger Bereitschaft auf wenige Stunden Nur beide Techniker gleich-
man aber nur mit der zweiten oder dritten Garde, wird man verkürzt, bei Atomraketen lag die Zeitspanne jetzt im Bereich zeitig können den Startbefehl
sicher scheitern. So kann sich eine Nation, die sich aufmacht, unter einer Stunde, bis hinunter zu 30 Minuten zwischen Start- erteilen.
große Raketen zu bauen, keine politischen, religiösen oder entscheidung und Einschlag der Sprengköpfe.
sonst welche Vorbehalte gegen Spezialisten leisten. Damit war der übliche militärische Managementprozess Rechts: Das sowjetische
Der Motor der Raketenentwicklung in der Sowjetunion ausgehebelt. Es konnten keine Diskussionen in Stäben mehr Gegenstück eines Startbun-
war Sergei Pawlowitsch Koroljow. 1938 wegen angeblicher stattfinden, keine Diplomaten konnten Gespräche führen. Es kers ist ebenfalls mit zwei
Attentatspläne gegen Stalin verhaftet und in ein Arbeitsla- war nicht einmal mehr möglich, eine genaue Fehlerprüfung Technikern besetzt.
ger verschleppt, wurde er für kriegswichtige Arbeiten 1944 durchzuführen. Waren die Meldungen, die zur Auslösung eines
unter Auflagen wieder entlassen. Die UdSSR verdankt diesem Atomschlags führten echt oder nur falsch interpretiert? Men-
„Staatsfeind" die erste Interkontinentalrakete der Welt, die schen waren zu einer umfassenden Einschätzung der Lage nicht
R-7, und ein überaus erfolgreiches Raumfahrtprogramm. Die mehr fähig. Die Lösung des Entscheidungsdilemmas boten die
Rakete R-7 wird fast 60 Jahre nach ihrem ersten Flug immer sich ab Mitte der 1950er-Jahre rasant entwickelnden Computer.
noch eingesetzt. Eine unglaubliche Leistung für ein Hochtech- Die damalige Bezeichnung für diese Maschinen, „Elektronen-
nologieprodukt. Der egomanische, das genaue Gegenteil des Computer-Simulationen
„neuen kommunistischen Menschen“ verkörpernde Koroljow des US-Verteidigungsminis-
prägte die Raketentechnik wie nur wenige Menschen. Beim Bau teriums von 1967 für acht
von Raketen ist der freie Austausch von Daten und eine offene verschiedene Erstschlag-Sze-
Diskussion unabdingbar. Bei so großen Raketenindustrien, wie narien und den folgenden Ge-
sie sich in den 1960er-Jahren in den USA und der UdSSR her- genschlag. Viermal führt die
ausbildeten, hatten staatliche Regulierungsversuche nur noch UdSSR, viermal die USA den
wenig Einfluss. So entstanden gesellschaftliche Freiräume, die Überraschungsangriff aus.
sich oft im Gegensatz zur offiziellen Doktrin befanden. Egal, Jeweils wurden verschiedene
was ein großer Führer will, zu welchem Gott man betet oder Angriffs- und Verteidigungs-
welche Hautfarbe man hat, bei Raketenleuten zählen nur fach- systeme untersucht. Die
liche Fähigkeiten. Verluste der US-Bevölkerung
Das mussten auch die USA erfahren. Die Firma Grumman sind in den Balken unten mit
gewann mit ihrem Entwurf den Wettbewerb für den Bau der den Toten und darüber mit
Mondlandefähre. Mitte November 1962 wurden die führenden den Verletzten angegeben.
Ingenieure von Grumman zur NASA nach Houston eingeladen, Die USA würden nach diesen
um mehrere Wochen lang Details des weiteren Vorgehens und Computerzahlen am Besten
technische Aspekte abzusprechen. damit fahren, selbst den
Die NASA-Zentrale lag in einer der größten Städte der Erstschlag zu führen.
USA in Texas – und zwei der Topleute von Grumman waren
schwarzer Hautfarbe. Kein Hotel in Texas war bereit, einen
schwarzen Gast aufzunehmen. Erst persönliches Eingreifen
der NASA-Führung brachte dann das Sheraton-Hotel dazu, die
ungeschriebenen Gesetze der südlichen USA in den 1960er-
Jahren zu durchbrechen und das komplette Grumman-Team
unterzubringen. Wernher von Braun war von diesem Vorfall
so außer sich, dass er ein Programm zur Heranführung von
begabten jungen Menschen aus den Minderheiten an die
Ingenieurwissenschaften anstieß.
Bei Erreichen der festgeleg- hirne“, zeigt gleich das grundsätzliche Problem der damaligen
ten Endgeschwindigkeit wird Entscheidungsfindung. Man traute den Rechenmaschinen zu
der brennende Festtreibstoff viel zu. Heute lächelt man über die riesigen Schränke, welche
der Endstufe durch Auf- ihre Befehle über Lochkarten oder –streifen erhielten und eine
sprengen von Schub-Stopp- Speicherkapazität hatten, die man heute keinem Telefon mehr
Öffnungen gelöscht. zumuten würde.
Computer wurden von Computerspezialisten bedient, deren
Wissen Außenstehenden völlig unverständlich war und die sich
kryptischer Programmiersprachen bedienten. Ehrfurchtsvoll
wurden Ergebnisse mit dem Prädikat „durch Computer errech-
net“ versehen, diese waren somit über jeden Zweifel erhaben.
Egal, was diese Rechenmaschinen für Ergebnisse erzeugten,
die Fähigkeiten, diese dann den Menschen mitzuteilen, waren
sehr eng begrenzt. Bildschirme konnten nur riesige Zeichen in
endlosen Folgen darstellen, meist wurden Plotter als Ausgabe-
geräte benutzt, also gesteuerte Stifte, die auf großen Blättern
Linien zeichnen konnten. Die Fehlertoleranz der Programme
Nach dem Ausbrennen der war gering, die Ausfallwahrscheinlichkeit der elektronischen
ersten beiden Stufen der Bausteine war hoch. Und dennoch war man damals der festen
Minuteman zündet die Überzeugung, den halben Weg zur künstlichen Intelligenz
letzte Raketenstufe und die schon zurückgelegt zu haben. Es herrschte die Meinung vor, ein
Nutzlastverkleidung über den Computer, der einen nationalen Schachmeister schlagen kön-
Sprengköpfen und dem Bus ne, sei intelligent. In dieser maschinengläubigen Zeit legte man
wird abgeworfen. also die Entscheidung über den Fortbestand der Menschheit in
die Hände von Elektronenhirnen. Zwar musste in Washington,
wie auch in Moskau, noch der oberste Befehlshaber den Start-
befehl für die Atomraketen geben, die Analyse, ob ein gegne-
rischer Angriff vorliegt, wurde aber von Computern erstellt.
Grundlage der maschinengenerierten Entscheidungsfin-
4 Grafiken: U.S. Air Force
beide Spieler, muss die Polizei beide frei lassen – die optimale
Lösung. Gestehen beide, werden sie zu langjährigen Haft-
strafen verurteilt. Gesteht einer und der andere schweigt, gilt
Wer möchte den gegneri- den Finger des großen Diktators und den roten Knopf zu schie- der Aussagende als Kronzeuge und kommt mit einem kurzen
schen Atombomben schon ben, einen eigenen Wert. Gewissermaßen wurde die Kriegs- Gefängnissaufenthalt davon. Der schweigende Spieler geht als
schutzlos ausgeliefert sein? entscheidung von politischen Gesichtspunkten abgekoppelt, Haupttäter lange in Haft. Ohne die geringste Information über
Bei einem Test jagen zwei diesem unpolitischen Maschinen-Puffer konnten auch keine den anderen Spieler ist jeder der beiden in seiner Entscheidung
amerikanische Spartan einem Intrigen unterstellt werden. auf sich selbst gestellt. Die Chance, die persönliche positive
Minuteman-Sprengkopf ent- In den USA sah man sich als technische Führungsmacht Lösung zu erreichen ist kleiner als zu verlieren.
gegen, um ihn abzufangen. der Welt, hier mussten die modernsten Mittel einfach genutzt Die Lehre für die Atommächte aus dem Gefangenendilem-
werden, sonst lief man Gefahr, den erreichten Vorsprung zu ma ist einfach: Ohne Informationen über den Gegner kann man
Rechts: Wegen der kurzen verlieren. So lagen die Startentscheidungen vom Beginn der nur Fehler machen. Egal, wie sehr man den Gegner vernichten
Flugzeit schwieriger zu be- Stationierung der Interkontinentalraketen im entscheidenden möchte, ein Minimum an Kommunikation und Information ist
kämpfen und darum als de- Bereich der Bedrohungsanalyse (auf beiden Seiten) in Händen für beide überlebenswichtig. Das brachte Präsident Truman
stabilisierend eingestuft sind von Computerspezialisten und ihren Maschinen. 1955 dazu, den Vorschlag „Offener Himmel“ an die UdSSR zu
Mittel- oder Kurzstrecken- richten. Danach sollten beide Nationen dem Gegner Aufklä-
raketen wie diese Pershing. Bitterer Ernst: die Spieltheorie rungsflüge über ihrem Territorium gestatten. Darauf wollte sich
Die Beschäftigung mit computergeführten Strategien rückte die Sowjetunion aber nicht einlassen.
eine mathematische Disziplin ins Blickfeld der Militärs, die bis- Die Regeln der Spieltheorie wurden in Computerprogram-
her nur ein Schattendasein an Universitäten geführt hatte: die me integriert, die verschiedene Szenarien eines atomaren
Spieltheorie. Diese untersucht mit den Mitteln der Logik und Schlagabtausches simulierten. In klimatisierten Computerräu-
Wahrscheinlichkeitsrechnung Entscheidungssituationen und men wurde jahrelang fleißig bei beiden Gegnern mit virtuellen
die Abfolge von Handlungen, um ein bestimmtes Ziel zu errei- Atomsprengköpfen und Millionen Toten hin und her jongliert,
chen. Ausgangspunkt war die Untersuchung und Herausbil- um eine optimale Kriegsführung herauszuarbeiten. So schnell
dung von Strategien für Gesellschaftsspiele. Schnell wurde klar, wie sich die Militärs der Spieltheorie bemächtigt hatten, so
dass derartige Strategien auch für Vorgänge im realen Leben schnell verschwand diese nach einigen Jahren wieder aus dem
herangezogen werden können, etwa für Verhaltensmaßregeln Lehrplan für Stabsoffiziere.
beim Aktienhandel.
Wichtige Auswirkungen für die Strategie im Kalten Krieg Wie führt man einen Atomschlag?
der 1950er-Jahre hatte die als „Gefangenendilemma" bekann- Unabhängig, ob der Gegner einen Angriff durchführt, Gegen-
te Grundsatz-Parabel der Spieltheorie: Die Polizei verhaftet stand vieler Überlegungen auf beiden Seiten war die Frage
zwei Verbrecher, ohne jedoch stichhaltige Beweise gegen nach der Durchführbarkeit eines Erstschlages. Wenn man sicher
ü
Die Spielregeln des Kalten Krieges 89
ü
Die Spielregeln des Kalten Krieges 91
Foto: Tupolew
2017 wurde eine moder- Als Erklärung bleibt einerseits die wenig erfreuliche sehen in Russland noch immer ihren Hauptgegner. China ist
nisierte Maschine des Erkenntnis, der Atomkrieg ist nicht als „Fortsetzung der Politik als dritter Spieler mit zur Weltmacht aufgestiegen und ver-
russischen Schwenkflügel- mit anderen Mitteln“ gedacht, sondern hat sich in den mili- kompliziert diese Situation zusätzlich. Neue Generationen von
bombers Tupolew Tu-160M tärischen Planungen verselbständigt. Andererseits könnte Waffensystemen bringen das Gleichgewicht der Kräfte wieder
ausgeliefert. Die Maschine die Atomkriegsplanung eine moderne Auslegung der alten ins Wanken.
dient als Träger für Strategie der „Fleet in Being“ sein. Man hofft, die unglaubliche Besondere Gefahr entsteht aus dem Streben von besonders
Lenkflugkörper. Anhäufung von Vernichtungspotenzial würde jeden Gegner so militanten Nationen, sich eine nukleare Schlagkraft aus Groß-
abschrecken, dass es nie zu einem Schlagabtausch kommt und raketen und Atombomben zu schaffen. 2012 gingen in der Ukra-
demzufolge auch kein Gedanke an die Zeit danach verschwen- ine zwei nordkoreanische Spione für acht Jahre ins Gefängnis,
det werden muss. die versucht hatten, sich die Pläne für die Interkontinentalra-
kete SS-18 zu beschaffen. Nordkorea steht auch im Verdacht,
Der Kalte Krieg ist zu Ende, die Atombedrohung bleibt Raketeningenieure für strategische Waffensysteme aus den
Nach offizieller Lesart ist der Kalte Krieg mit dem Ende der ehemaligen Sowjetrepubliken rekrutiert zu haben. Waren in der
Sowjetunion 1991 zu Ende gegangen. Doch noch immer stehen Vergangenheit bei den Supermächten diverse Sicherungen vor
in den USA und in Russland hunderte von Atomsprengköpfen den roten Knopf geschaltet, so kann bald ein größenwahnsinni-
bereit zur gegenseitigen Vernichtung. Nach Meinung des ger „Großer Führer“ auf die Idee kommen sich für eine Schmach
Autors geht der Kalte Krieg aber unter anderen Voraussetzun- zu rächen, oder ein religiöses Oberhaupt könnte den nuklearen
gen weiter. Russland fährt eine ähnliche Politik wie zuvor, nur Glaubenskrieg ausrufen. Vor 75 Jahren löschten Atombomben
entkleidet des ideologischen Deckmantels des Kommunismus. zwei Städte aus, diese Gefahr ist auch heute nicht gebannt, nur
Die USA, die vorgaben, gegen den Kommunismus zu kämpfen, dass die Waffen jetzt viel wirkungsvoller sind.
ü
AUSGABE VERPASST?
Foto: pif.kitchen
pvmedien.de
Viele weitere Jahrgänge unter www.p
Jetzt nachbestellen! #
q JA, ich bestelle die angekreuzten Ausgaben der fliegerrevueX. Bitte senden Sie mir folgende Ausgaben (nur solange Vorrat reicht):
q frX 74 je 12,80 v q frX 75 je 12,80 v q frX 76 je 12,80 v
Ich bestelle die angekreuzten Ausgaben der FliegerRevueX einmalig wie gekenn-
q frX 77 je 12,80 v q frX 78 je 12,80 v q frX 79 je 12,80 v
zeichnet frei Haus (bei Versand innerhalb Deutschlands, ansonsten zzgl. Versandkos-
q frX 80 je 12,80 v q frX 81 je 12,80 v q frX 82 je 12,80 v
ten). Es entstehen für mich keine weiteren Verpflichtungen. Bitte Coupon einsenden
an: FliegerRevueX, PPVMEDIEN, Postfach 57, 85230 Bergkirchen oder faxen an: q nr.
08131-5655-965 oder telefonisch unter 081315655-65. Meine Zahlweise:
q per Bankeinzug (nur Inland)
Meine Adresse:
Kreditinstitut
Name
E-Mail
FRX 82
FliegerRevueX ist ein Magazin der PPVMEDIEN GmbH, Postfach 57, 85230 Bergkirchen
94 Bücher
Der Rückentext des kleinen Büchleins lässt Um den Strahlbomber von Junkers mit vier Die Messerschmitt Me 262 ist sicher eines
Vorfreude aufkommen: Ein Wirtschaftshisto- oder sechs Triebwerken aus den Jahren 1944 der bekanntesten Kampfflugzeuge der Welt.
riker und Firmenberater hat sich durch die und 1945 ranken sich etliche Halbwahrheiten Unzählige Bücher, Artikel und Fernsehdoku-
Originalunterlagen der Raketenfertigung im und Gerüchte, die meist über das Internet mentationen sind über den ersten eingesetzten
Harz gearbeitet und legt seine Ergebnisse vor. verbreitet werden. Da die bisher über dieses Strahljäger erschienen – aber alle haben um die
Endlich einmal eine neue Facette unter den Flugzeug erschienenen Publikationen bereits Darstellung der Fertigung dieses einmaligen
zahllosen Publikationen zur V-2-Rakete! seit langem vergriffen sind, kommt Manfred Flugzeugs einen großen Bogen geschlagen.
Die Enttäuschung lässt aber nicht lange auf Franzke zu dem Schluss, es sei an der Zeit, das Nun, genau 75 Jahre nach Einstellung der Pro-
sich warten. Große Schrift, nach jedem Satz ein Thema wieder zu beleuchten – recht hat er. duktion der Me 262 Anfang April 1945 wird
Absatz mit Zwischenraum und jeder Satz endet Die Junkers Ju 287 sollte es als Bomber der diese Lücke geschlossen.
auch bei banalem Inhalt mit einem in Klammern Luftwaffe ermöglichen, wieder Ziele in den Alexander Kartschall hat Unmengen Material
stehenden Quellenhinweis. Derartige Platzschin- Ländern der Gegner anzugreifen. Die veralteten zusammengetragen, dies wird schon beim flüchti-
derei verhindert nicht nur ein flüssiges Lesen, sie Propeller-Maschinen konnten dies nicht mehr gen Blättern im Buch deutlich. Obwohl dem Inhalt
nervt erheblich. Zieht man noch die zahlreichen leisten. Junkers wählte nicht nur Strahltriebwer- nach eher für hartnäckige und gut informierte
eingestreuten Biografien von mehr oder weniger ke, um das Flugzeug schnell zu machen. Bewusst 262-Liebhaber gedacht, beginnt das Buch dann
am Geschehen beteiligten Personen ab, bleibt ein wurden hier erstmals gründliche Analysen und aber mit einer Einführung in die Geschichte des
Text übrig, der gerade einen Zeitschriftenartikel Windkanalversuche mit Pfeilflügeln durchge- deutschen Strahlantriebs und der Messerschmitt-
ergeben hätte. führt. Junkers entschied sich für einen vorwärts werke. Ein Blick auf die Produktionssituation im
Da es sich wieder einmal um ein Raketen- gepfeilten Flügel, der gegenüber dem rückwärts Flugzeugbau gegen Ende des Krieges leitet dann
buch eines technikfremden Autors handelt, sei- gepfeilten Vorteile versprach. über auf die Darstellung der Untertageverlage-
en die manchmal peinlichen Technikfehler hier Um die Windkanal-Ergebniss mit dem echten rung. Diese hauptsächlich von Zwangsarbeitern
ignoriert. Die verwendeten Abbildungen sind Flügel zu vergleichen, wurden zwei Vor-Proto- gegrabenen Höhlenwerke oder unter riesigen
nur wenig beeindruckendes Beiwerk – eher auf typen gebaut, die neben der echten Tragfläche Betondecken geschützten Fertigungsstätten neh-
Wikipedia-Niveau. einen Rumpf aus Baugruppen anderer Flugzeu- men dann auch den meisten Platz im Buch ein. Wie
Und was ist jetzt mit der Wirtschaft? Auf den ge erhielten. Der eigentliche Prototyp war bei bei den folgenden Abschnitten über die Waldwer-
letzten Seiten des Büchleins zeigt Jürgen Mayer, Kriegsende im Bau. Die Amerikaner schleppten ke werden viele Dokumente und Fotos angeführt.
dass es möglich ist, dem Raketen-Thema doch alle Unterlagen ab, der Prototyp fiel den Sowjets Die Fotos sind fast alle von schlechter Qualität,
noch neue Inhalte abzugewinnen. Er stellt die in die Hände. Die fanden die Ju 287 so interes- sie bereichern dennoch die Darstellung, da sie
Geldgeschäfte und Bilanzen der als Firma organi- sant, dass sie die Maschine von deutschen Spe- die Situation vor Ort, ergänzend zum Text, zeigen
sierten Raketenproduktion dar. Seine Analyse hät- zialisten in der UdSSR weiter entwickeln ließen. und einige davon noch niemals veröffentlicht wur-
te aber ausführlicher ausfallen können. Er streut Das Heft zeigt sich randvoll mit Fotos, Doku- den. Dieser Text ist höchst sachkundig und lässt
zwar hin und wieder Sätze mit kurzen Wertungen menten und Zeichnungen. Beim ersten Hinein- sich flüssig lesen. Die als Faksimile wiedergegeben
ein, bleibt aber meist allgemein. blättern scheint es mehr ein Bildband zu sein. Es Dokumente sind von unterschiedlicher Deutlichkeit.
Interessant ist etwa die Erkenntnis aus der ist wirklich erstaunlich, was Manfred Franzke da Teils sind sie halt sehr alt, teils werden interessante
Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Mittelwerk zusammengetragen hat. Die Qualität der Abbil- Lagekarten oder Fertigungspläne so klein abge-
GmbH. Wären die eingesetzten Häftlinge und dungen variiert stark. Wer die Originale kennt, druckt, dass selbst mit einem Mikroskop keine Infor-
Zwangsarbeiter bezahlt worden wie die normalen weiß aber, dass dies nicht zu vermeiden war. Der mationen zu erkennen sind. Eine weitere Schwäche
Angestellten, hätte die Firma an diese Menschen Text tritt dagegen etwas zurück. Zwar wird die der Gestaltung sind die hässlichen Tabellen, die um
65 Millionen Reichsmark auszahlen müssen, statt Geschichte der Ju 287 erzählt. An manchen Stellen jedes Feld einen dicken Rahmen haben.
der acht Millionen, die tatsächlich als Löhne scheint dies aber mit der heißen Nadel gestrickt Trotz dieser kleinen Schwächen ist hier ein
gezahlt wurden. worden zu sein. Werk erschienen, welches das Kapitel Me-262-
Ein greifbares Gesamtergebnis der Untersu- Für einen moderaten Preis erhält der Neuling Produktion endlich ausführlich beleuchtet. Für
chung fehlt dann aber zum Schluss. Es ist nur eine und auch der schon erfahrene Leser in Sachen Luft- besonders an dem Strahljäger Interessierte ein
extrem kurze Darstellung der Mittelwerk GmbH fahrtgeschichte einen reichhaltigen Überblick über Muss, für diejenigen, die sich allgemein mit dem
mit wenigen starken Stellen. Damit bleibt der eines der einflussreichsten Flugzeuge überhaupt. Luftkriegsgeschehen von 1939 bis 1945 befassen,
Inhalt so wie das ganze Buch: dünn. Eine wirkliche Bereicherung jeder Sammlung. eine wertvolle Ergänzung im Bücherschrank.
Uwe W. Jack Uwe W. Jack Uwe W. Jack
Matthias Steinbruch: X81, Deutsche in der UdSSR nach einem Jagdflugzeug, das in diesen Höhen noch voll aktionsfähig ist, das
Zu dem Artikel über die Nachkriegstätigkeit der deutschen Luftfahrtspezialis- heißt, dass es eine Mindestgipfelhöhe von ungefähr 20 km und eine Maximal-
ten in der Sowjetunion sende ich Ihnen als Ergänzung zwei Artikel von 1957 geschwindigkeit von Mach 1,5 bis 2,0 haben sollte.
über das Triebwerk 022 und die Tupoew Tu-95.
Ferdinand Brandner hielt im Februar 1957 in Zürich einen Vortrag über die
Arbeiten des deutschen Triebwerksteams in der Sowjetunion. Die damalige
Zeitschrift „Flugwelt“ veröffentlichte einen ausführlichen Bericht über den
Vortrag. Danach wurde im Jahr 1948 die zuerst durchgeführte Entwicklung des
Triebwerks Jumo 012 abgebrochen.
„Für die nächste Aufgabe, Entwicklung eines Propellerturbinentriebwerks
mit einer Leistung von 6000 PS, mussten indessen vorerst wieder neue Prüf-
stände und Wasserbremsen zur Messung der mechanischen Leistung errichtet
werden. Nach zwei Jahren stand auch dieses Triebwerk, das die Bezeichnung
022 erhielt, auf dem Prüfstand. Obwohl man den deutschen Spezialisten
nach Vollendung dieses Auftrages die Rückkehr nach Deutschland mitsamt
ihren Angehörigen versprochen hatte, erhielten sie einen weiteren Auftrag
zur Entwicklung eines Propellerturbinentriebwerkes mit doppelter Leistung,
also 12 000 PS. Zuerst versuchte man die Lösung in der Vereinigung zweier
nebeneinander liegender, unveränderter 6000-PS-Triebwerke zu finden, was
jedoch nicht vollständig gelang, sodass dieses Triebwerk nur dank besonderer
Maßnahmen seinen 100-Stundenlauf durchzustehen vermochte. Doch das
12 000-PS-Triebwerk wurde nicht fallen gelassen, sondern die Forderung viel-
mehr noch höher geschraubt, indem innerhalb von drei Monaten Angaben für
ein einwelliges Triebwerk abgegeben werden mussten.“
2 Abbildung: Sammlung Matthias Steinbruch
Schnittzeichnung des Turboproptriebwerks 022 aus dem Vortrag von Ferdinand Brandner von 1957 Die (1957 meist errechneten) Leistungsdaten der Tupolew Tu-95 beindruckten den Westen.
Wolfgang Zähle: X82, PZL M-18 Dromader Warbirds bei Flugshows im Flug gezeigt werden können. Ein weiterer Punkt
Hier noch eine Ergänzung zum Motor der PZL M-18, dem ASch-62: im Artikel war die angeblich schlechte Ausbildung der deutschen Piloten.
Ausgangspunkt des Motors war der 9-Zylinder-Sternmotor Wright-Cyclone Haben Sie dazu Hinweise, die dies belegen?
SGR-1820 F-3 mit 630 PS am Boden. Nach zweijährigen Verhandlungen gab
es 1932 ein Abkommen zum Lizenzbau des Motors in der UdSSR, verbunden
mit dem Kauf eines kompletten Motorenwerkes. Er erhielt die Bezeichnung
M-25. Dabei wurden die zölligen Maße auf metrische umgestellt. Das Moto-
renwerk entstand in der Stadt Perm am westlichen Fuß des Uralgebirges
an der Kama als Werk Nr.19. Die anfängliche Laufzeit von nur 100 Stunden
konnte schon bald auf 350 Stunden gesteigert werden. Dieser Motor wurde
als M-25A in der Startleistung auf 730 PS, als M-25B auf 750 PS, als M-62 auf
920 PS und als M-63 bis auf 1100 PS gesteigert, durch erhöhte Verdichtung
(5,1/6,4/7,2), zweistufigen Lader und höhere Oktanzahl (mindestens 92
Oktan für 1000 PS). Mit dem Konstrukteur-Erlass im März 1942 erhielt der
M-62 den Namen des Konstrukteurs. ASch steht für den Flugmotorenbauer
Arkadi Dmitrijewitsch Schwezow (1892 bis 1953). Dessen erster Erfolgsmo-
tor war der in großen Stückzahlen gebaute 5-Zylinder-Sternmotor M-11.
Ein Sternmotor ASch-62 in der Li-2 Neben der oben abgebildeten Auswertung gibt es ähnliche Tabellen, die
zeigen, dass ein Flugschüler bei der Luftwaffe ab dem Sommer 1944 nur ein Drit-
Der ASch-62 fand Verwendung in der Lisunow Li-2, in der An-6, als polni- tel der Flugstunden vor seinem ersten Einsatzflug aufweisen konnte, wie seine
scher Lizenzmotor Kalisch-K9 in der Antonow An-2 (wovon die meisten in Gegner bei den englischen oder amerikanischen Lufstreitkräften. Dabei spielte
Polen und nicht in der UdSSR gebaut wurden), in dem Agrarflugzeug PZL der wachsende Mangel an Flugbenzin und auch an doppelsitzigen Schulflug-
M-18 „Dromader“ und in China als HS-5. Ein weiter Weg für einen erfolg- zeugen eine große Rolle. Bis zum 31. Dezember 1944 hatte die Luftwaffe 22 928
reichen Motor, denn er läuft immer noch. Wright vergab übrigens weitere gemeldete Tote im Einsatz und 19 575 ohne Feindeinwirkung (hauptsächlich bei
Lizenzen des Wright-Cyclone R- 1820, so um 1937 an Nakajima in Japan, und der Schulung) zu beklagen (Angaben nach Horst Boog, Deutsche Luftwaffen-
des R-1820-F nach dem WK-2 an die spanische Firma ENMA. führung 1935-45). Mit dem Tod eines unerfahrenen Flugzeugführers im Einsatz
ging immer auch ein Flugzeug verloren. Kein Wunder also, dass die deutsche
Produktion nicht mit den Alliierten Schritt halten konnte.
Wilhelm Göbel: X82, Focke-Wulf „Langnase“ Frank Möller: X82, Focke-Wulf „Langnase“
Die Focke-Wulf Fw 190 D-13 „gelbe 10“ mit der Werknummer 836017 In meinen Unterlagen habe ich ein Foto der Focke-Wulf Fw 190 D-9 gefunden,
gehörte zuletzt zum JG 26 und war die Maschine des Kommodore Major die auf den Seiten 26 und 27 fünf Mal abgebildet ist. Die Maschine mit der
Franz Götz. Sie wurde nach dem Krieg mit anderen Flugzeugen, die den Werknummer 500570 soll in Fürth auf dem Flugplatz Atzendorf gelandet sein,
letzten Stand der deutschen Flugtechnik repräsentierten, durch die Gruppe als Amerikaner den Platz schon besetzt hatten. Das würde die Szene auf dem
Watsons Whizzers der USAAF von der RAF in Flensburg übernommen und Foto erklären. Der deutsche Pilot ist scheinbar gerade gelandet und wird jetzt
in die USA gebracht. „gefilzt“, das heißt, ihm werden alle Wertsachen und Ehrenzeichen, wie auch
Flog nach Kriegsende noch zweimal mit Luftwaffenpiloten: die „gelbe 10“ des Jaggeschwaders 26. Die 8. JG 6 lag bei Kriegsende in Kummer (in der Mitte zwischen Görlitz und Prag) war dort
dem Gefechtsverband des Stukafliegers Oberst Hans-Ulrich Rudel unterstellt.
Vor der Übergabe Mitte Juni 1945 wurde die Maschine noch zweimal
unter RAF-Aufsicht geflogen und zwar durch Major Heinz Lange, Kommodore seine Dokumente gestohlen. Diese dienen dann als Andenken. Nach Angaben
JG 51, in einem Flug gegen eine Tempest und dann durch den Gruppenkom- im Internet, die ich nicht nachprüfen kann, soll die „schwarze 12“ oder auch
mandeur OLT Günter Josten. Nach der Erprobung durch die USAAF wurde die „blaue 12“ zur 8. Staffel des JG 6 gehört haben.
Maschine einer Technischen Schule in Georgia übergeben. Weitere Eigentü-
mer folgten. 1972 wurde die Maschine von Dough Champlin gekauft, wieder
nach Augsburg in Deutschland, später Günzburg zu Art Williams gebracht, der
Neu
mit Unterstützung von Professor Tank die Maschine restaurierte.
persönlicher Beratung direkt aus dem Fachhandel.
Über 450.000 Spielbände, Methoden und Musikbücher mit
OrigiNell
TraNspareNT
eiNzigarTig
Die „Langnase“ des Flying Heritage and Combat Armor Museums in den USA ist eine seltene Variante
Fw 190 D-13. Sie verfügt über je eine 20-mm-Kanone in den Flügelwurzeln und eine im Motor.
Zurück in den USA fand sie eine neue Heimat im Champlin Fighter Muse-
NOTeN
um in Mesa, Arizona. Dort führte Dough Champlin eine zweite Restaurierung
durch. Die Suche nach Originalteilen umfasste mehrere europäische Länder
und Teile wurden von Sammlern gekauft. Das USAF-Museum stellte die Ori-
ginalflügel, die fälschlicherweise an eine andere Fw 190 angebaut waren,
im Austausch gegen die vorhandenen zur Verfügung. Nach Abschluss der
Arbeiten im Mai 2004 wurde die Maschine nach Seattle gebracht, wo sie im
Museum of Flight gezeigt wurde. Jetzt ist die „gelbe10“ seit 2007 im Flying
Heritage and Combat Armor Museum in Paine Field zu sehen.
Ich habe damals eng mit meinem Freund Doug Champlin und Dave Goss,
der die letzte Restaurierung durchführte, zusammengearbeitet. Dave Goss
dürfte über die beste Dokumentation über die Fw 190 verfügen. Ich habe alles
was an Dokumentation/Unterlagen verfügbar war und auch viele Ersatzteile
besorgt, Übersetzungen durchgeführt und die Restaurierung des Propellers
mit Hoffmann-Propeller abgesprochen.
ü
98 Vorschau
www.fliegerrevueX.aero
x@fliegerrevue.aero
aviation media
PPVMEDIEN GmbH
Postfach 57, 85230 Bergkirchen
Telefon +49 (0) 8131/56 55-0, Telefax +49 (0) 8131/56 55-10
REDAKTION
Ehrig-Hahn-Str. 4, 16356 Ahrensfelde, OT Blumberg
E-Mail: x@fliegerrevue.aero
Chefredakteur (verantwortlich für den redaktionellen Teil)
Lutz Buchmann, lutz.buchmann@fliegerrevue.aero
Redaktion Uwe W. Jack, Christoph Beckert, Rainer Schmid
Die in Warnemünde gegründete Firma spezialisierte sich in den 1920er-Jahren auf Wasserflug- Anzeigenverkauf
Stefanie Richter, sales@fliegerrevueX.aero
zeuge, schuf dann im Zweiten Weltkrieg aber mit der Ar 234 den ersten Düsenbomber der Welt. Anzeigenabwicklung/Produktion
Gesa Wünscher
dispo@fliegerrevue.aero
Büro USA&Kanada Iconic International Communications,Inc.
Guy Holroyd
1992 Commerce Street (Suite 314)
Yorktown Heights, NY 10589-0314, USA
Phone +1 914 205 2355
Fax +1 914 734 9617
contact@iconicinternational.com
Büro Japan JMT Co., Ltd.
4th Floor, Gakki-Kaikan, 2-18-21
Soto-kanda, Chiyoda-ku, Tokyo 101
Phone +81 3 32 51 74 91
Fax +81 3 32 51 87 44
Büro China Melanie Xu
MICE CULTURAL DIFFUSION (Shanghai) Co. Ltd.
12 F, 15Fl. Yongtai Rd. Pudong, Shanghai, CHINA
Phone: +86 18 12 12 12 826
olivia126@126.com
Foto: public domain
PREISE | INFORMATIONEN
Copyright bzw. Copyright-Nachweis für alle Beiträge bei der PPVMEDIEN GmbH.
Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Vervielfältigungen jeglicher Art nur mit
schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangte Einsendungen über-
nimmt der Verlag keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
nicht unbedingt die Meinung des Verlags wieder.
Einzelbezugspreis 14,90 EUR
Jahresabonnement Inland 75,90 EUR (12,65 EUR pro Heft)
Jahresabonnement Ausland 83,70 EUR
Schüler- und Studentenabo 52,90 EUR
Schüler- und Studentenabo Ausland 60,70 EUR
Kombi-Abo 12 Ausgaben FR und 6 Ausgaben FRX pro Jahr Inland: 129,90 EUR.
Der Preis enthält die gesetzliche Mehrwertsteuer und die Versandkosten.
Foto: Thuer/Desens/Zähle
18. Jahrgang
Auch heute noch sind Exemplare des „Stieglitz“ bei Piloten heiß begehrt.
Jetzt bestellen!
FliegerRevue kompakt 13
Sowjetische Jagdflugzeuge
im Zweiten Weltkrieg
ISBN 978-3-95512-178-5
19,90 EUR
www.ppvmedien.de
Jetzt bestellen ü
Telefon: +49 8131 565568 | Fax: +49 8131 5655968
PPVMEDIEN GmbH | Postfach 57 | 85230 Bergkirchen
ü