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Pseudoregelmäßigkeiten
„Fibonacci-Beispiel“
Wir verspü ren eine starke Neigung, Regelmä ßigkeiten auch dort zu entdecken, wo
objektiv keine Zusammenhä nge existieren. Wie hartnä ckig Personen an vö llig
bizarren Hypothesen festhalten, demonstrieren die Experimente von Wright und
Bavelas:
„Vielarmiger Bandit“: Bis zum Knopfdruck 250 ertö nt der Summer in zufä lliger
Reihenfolge, dann 50 mal gar nicht, und von Versuch 301 bis 325 bei jedem
Tastendruck.
Die Versuchsperson weiß sich mit einer scheinbar korrekten Lö sung am Ziel, sie
glaubt eine bislang verborgene Regelmä ßigkeit im Mechanismus aufgefunden zu
haben. Ist „Irren menschlich“, so ist es offenbar noch menschlicher, mü hsam
errungene Irrtü mer trotz aller widerstreitenden Tatsachen zu verteidigen.
Erwartungsabhängige Beobachtung
Jaruzelski, ein polnischer General war 1981 bei einer Rede ü ber die Verhä ngung des
Kriegsrechts im Fernsehen zu sehen. 3 von 4 erwachsenen Polen erinnern sich an
die dunklnen Brillen, die der Mann getragen hatte. Interessanterweise aber ist die
„Kollektiverinnerung“ falsch. Jaruzelski hatte bei seiner Rede keine Sonnenbrille
aufgesetzt. Das Bild des Generals mit Brille hat sich offenbar so stark eingeprä gt,
dass diese Erwartung nachträ glich die Wahrnehmungsinhalte verzerrt hat.
Dieses Beispiel wirft nicht nur ein Licht auf die Qualitä t mancher Zeugenaussagen,
sondern macht auch darauf aufmerksam, in wie starkem Maß Alltagsbeobachtungen
von Vorurteilen und Erwartungshaltungen ü berlagert sein kö nnen.
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Durchmesser von Geldmü nzen, im Vergleich zu neutralen Objekten wie
Pappscheiben, eher ü berschä tzt.
Asch (1951) konnte nachweisen, dass der Konformitä tsdruck einer Majoritä t die
Wahrsccheinlichkeit von Fehlurteilen bei einer einfachen, ansonsten leicht lö sbaren
Aufgabe stark erhö ht:
„Schä tzen der Lä nge von Linien“: Als die als Versuchspersonen getarnten Mitarbeiter
ü bereinstimmende Fehlschä tzungen abgaben, lieferten nur 13 von 50 Personen
fehlerfreie Schä tzungen, in der Kontrollgruppe ohne Konformitä tsdruck war die
Fehlerrate minimal (2 von 37).
Ist schon ein starker Einfluss von Erwartungen, Werten und sozialer Konformitä t auf
die Abschä tzung physikalischer, objektiv messbarer Grö ßen nachweisbar, so ist
davon auszugehen, dass die Effekte hypothesengesteuerter Wahrnehmung bei der
Beobachtung sozialer Aktivitä ten eine ungleich grö ßere Rolle spielen.
Selektive Wahrnehmung
„Uri Gellers psychische Krä fte“: Via Fernsehen bis in die Kü chenschubladen der
Zuseher. Vermutlich hat jeder dritte oder vierte Haushalt irgendwo eine verbogene
Gabel liegen.
Das ‚Geheimnis‘ prä kognitiver Trä ume ist durch ein ä hnliches Prinzip wie Gellers
Suggestionstrick erklä rbar: selektive Wahrnehmung und große Zahl. Werden nur
‚bestä tigende‘ Trä ume wahrgenommen, dann ist die Wahrscheinlichkeit ü ber Jahre
gerechnet, sehr hoch, dass eine zufä llige Ü bereinstimmung von Traum und spä terem
Vorkommnis mindestens einmal registriert wird.
z.B. Kö nig (1973) berichtet ü ber die Auseinandersetzung ü ber Studien von Redfield
und Lewis ü ber eine mexikanische Gemeinde. Beide waren im Wesentlichen mit den
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gleichen Verhä ltnissen konfrontiert. Nur hat der erste Beobachter von vornherein
eine Wunschhaltung eingenommen, der konfliktträ chtigen Industriegesellschaft ein
Gegenbild vor Augen zu fü hren.
Der Wunsch steuert steuert die Aufmerksamkeit und filtert die Beobachtungen:
„Fehler des ersten Blicks“.
Bestätigungsbias
Das Problem selektiver Wahrnehmung ist bei der Prü fung von Zusammenhä ngen
deshalb von besonderem Gewicht, weil bevorzugt jene Wahrnehmungen registriert
werden, die Vorurteile und Hypothesen bestä tigen.
Kognitive Dissonanz
Diese Theorie liefert eine Erklä rung fü r die bevorzugte Aufnahme bestä tigender
Informationen. Widersprü che zwischen Ideologien, Vorurteilen und Hypothesen
einerseits sowie den Wahrnehmungen sozialer Vorgä nge andererseits werden als
dissonant und unangenehm empfunden. Eine der gebrä uchlichsten Methoden der
Dissonanzreduktion ist die selektive Wahrnehmung bestä tigender und die
Ignorierung oder Uminterpretation falsifizierender Beobachtungen:
Ehrlich, Guttmann, Schö nbach, Mills (1957): „Autokauf“: Nach einem Autokauf
werden viel hä ufiger Prospekte und Berichte zur Kenntnis genommen, die die
Kaufentscheidung in einem gü nstigen Licht erscheinen lassen.
Treten bestimmte Ausprä gungskombinationen relativ hä ufiger auf als andere, dann
kann von einem Zusammenhang zwischen den Variablen gesprochen werden, und
ab einem definierten Schwellenwert, eine Hypothese als bestä tigt angesehen
werden.
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Wenn sich also zeigt, dass einzelne Felder relativ hä ufi ger oder seltener besetzt sind,
dann ist dies eine Eigenschaft der Daten und nicht der Methode.
Deduktionsfehler
Zahlreiche Beispiele zeigen („Aids-Test“), dass das intuitive Denken insbesondere
bei Annahmen, die sich auf Wahrscheinlichkeiten beziehen, sehr hä ufig zu
irrtü mlichen Schlussfolgerungen fü hrt. Gerade die Schä tzung von
Wahrscheinlichkeiten spielen aber in der empirischen Sozialforschung (Ziehung von
Stichproben und statistische Datenanalyse) eine recht große Rolle. Glü cklicherweise
existiert ein mä chtiger Apparat zur Kontrolle von Deduktionsfehlern und zur
Ableitung korrekter Schlü sse: Logik und Mathematik.
Das vorlä ufige Fazit einer Diskussion ü ber den „Einfluss von Gewaltszenen in den
Medien auf die Kriminalitä t Jugendlicher“ lautet: Wie haben es mit drei Hypothesen
zu tun, die sich aus logischen Grü nden wechselseitig ausschließen:
Auf welche Weise kö nnte hier empirisch zwischen den drei Hypothesen
diskriminiert werden? Bei der Untersuchung zweier Gruppen, wobei sich Gruppe 1
durch hä ufigeren Konsum von „Horrorvideos“ auszeichnet, wird auch eine
durchschnittlich hö here Aggressionshä ufigkeit nachgewiesen. Hier kö nnte es der
Fall sein, dass Jugendliche mit hö herer Aggressionsneigung bevorzugt Horrorvideos
konsumieren, also genau der umgekehrte Kausalzusammenhang besteht ->
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Selbstselektion.
(Gefä hrlichkeit von Betten. Die meisten menschen sterben im Bett.)
Doppelblindversuch
Abhilfe dagegen kann mittels Doppelblindversuch geschaffen werden, wo die zu
prü fenden Hypothesen weder dem Versuchspersonen noch dem Versuchsleiter
bekannt sind.
Absolute und endgü ltige Sicherheit ü ber die „Wahrheit“ oder „Falschheit“ eine
Hypothese gibt es nicht. Ein Ö konom z.B. kann nicht die Geldmengenpolitik der
Nationalbank versuchsweise fü r eine Experimental- und Kontrollgruppe von
Unternehmern unterschiedlich variieren. So stellt sich bei nichtexperimentellen
Studien immer das Problem mö glicher Einflü sse von „Drittvariablen“. Die
Konsequenz kann eine stark verzerrte Interpretation der tatsä chlich bestehenden
kausalen Relationen sein. Ein extremer Fall ist die „Scheinkorrelation“, bei der ein
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nichtkausaler Zusammenhang zwei Merkmalen X und Y durch eine dritte Variable Z
kausal produziert wird.
Z
Y
Es gibt eine Vielzahl methodischer Finessen, aber sie kosten ihren Preis und
erzeugen manchmal neue Fehler, die nicht immer geringer sein mö gen („Einfä ltige
Leute machen immer die gleichen Fehler, kluge Sozialforscher machen neue!“). Ein
Großteil der Methodenforschung, z.B. zu Versuchsleitereffekten,
Interviewereffekten, Stichprobentechniken usw., versucht ü berhaupt, mö gliche
Fehlerquellen zu identifizieren und Strategien zur Beseitigung oder Abschwä chung
eventueller Verzerrungen zu entwickeln.
Eine einzelne wissenschaftliche Untersuchung kann also unmö glich alle denkbaren
Fehlerquellen gleichzeitig unter Kontrolle bringen. Wer das bedenkt wird
wissenschaftliche Untersuchungsberichte genauer einschä tzen und beurteilen
kö nnen!
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