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Gliederung:
5.1. Penicilline
5.2. Cephalosporine
5.3. Lincosamidantibiotika
5.4. Imidazole
5.5. Gyrasehemmer (=Chinolonantibiotika)
5.6. Makrolide
5.7. Tetrazykline
Antibiotika gehören zu den am meisten verordneten Medikamenten in der zahnärztlichen Praxis. Unter
Antibiotika versteht man solche Arzneimittel, die das Wachstum von Mikroorganismen, wie Viren, Bakterien,
Pilze, Parasiten hemmen oder diese abtöten. Verabreicht man Antibiotika, sollte streng zwischen einer
prophylaktischen und einer therapeutischen Gabe unterschieden werden. Eine prophylaktische Applikation
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
kommt insbesondere bei der perioperativen Prophylaxe in Frage. Hier gilt es, in Geweben, die während der
Operation möglicherweise kontaminiert werden, einen Antibiotikaspiegel aufzubauen. Dieser soll verhindern,
dass sich Mikroorganismen anheften, oder vermehren und kontaminierende Erreger sofort abtöten. Viele
Studien belegen, dass eine solche Prophylaxe kurzzeitig, also im Sinne einer einmaligen oder zweimaligen
Gabe des Antibiotikums, erfolgen kann (klinisches Beispiel Endokarditisprophylaxe).
Sind dagegen eine Infektion im Sinne einer Anheftung, Invasion, oder Vermehrung des Erregers sowie die
immunologische Reaktion des Wirtes bereits eingetreten, müssen Antibiotika therapeutisch eingesetzt werden.
So ist z.B. bei einem Logenabszess neben der chirurgischen Sanierung die antibiotische Therapie sinnvoll. In
aller Regel stehen zur initialen Therapie keine mikrobiologischen Befunde zur Verfügung, die den gezielten
Einsatz eines Antibiotikums nach Antibiogramm ermöglichen. Daher muss initial in diesen Fällen meistens
eine kalkulierte Therapie erfolgen. Sie ist entsprechend der Infektlokalisation, der Schwere des Infekts, der
Besonderheit des Patienten sowie der möglichen unerwünschten Wirkungen und Kosten auszuwählen und hat
sich gegen die wahrscheinlich zu erwartenden Keime zu richten. Bei Infektionen im Bereich des Kopfes und
des Halses muss demzufolge unter anderem auch an anaerobe Keime als mögliche Infektionsursache gedacht
und dies bei der kalkulierten Therapie berücksichtigt werden.
Antibiotika sind indiziert bei Infektionen, bei denen eine bakterielle Genese gesichert oder zumindest
wahrscheinlich ist, wenn eine lokale Sanierung des Infektionsortes nicht möglich oder nicht ausreichend ist
(z.B. durch Trepanation des schuldigen Zahnes oder Abszessinzision). Insbesondere ist die Verordnung eines
Antibiotikums dann erforderlich, wenn bei dentogenen Infektionen eine Ausbreitung oder Generalisierung
droht. Zeichen einer Ausbreitung sind z.B. Allgemeinsymptome (Fieber, Weichteilschwellungen, Lidödem
oder eine Kieferklemme).
Therapeutische Indikationen sind insbesondere das dentogene Weichteilinfiltrat, die fortgeschrittene Dentitio
difficilis (vor allem mit Kieferklemme), die dentogene Sinusitis, die Sialadenitis und die akute nekrotisierende
Gingivostomatitis.
Keine Indikation für Antibiotika sind Virusinfektionen, Schmerzen oder Schwellungen unklarer Genesen wie
z.B. auch Tumore, sowie submuköse einfache parodontale und chronische Abszesse.
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Sinnvoll für eine Antibiotikatherapie sind Erregernachweis und Resistenzbestimmung vor der Erstgabe.
Ausgenommen sind hiervon akute Infektionen, die einen sofortigen Therapiebeginn erfordern, sowie ein
typisches erregerspezifisches Krankheitsbild mit weitgehend konstantem Resistenzverhalten des vermuteten
Erregers. Dies trifft für dentogene Infektionen in der Regel zu, so dass eine Erreger- und
Resistenzbestimmung meist nicht erforderlich ist. Die Verordnung eines Antibiotikums erfolgt entsprechend
den vermuteten Erregern unter Beachtung der Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen. Auf eine
ausreichende Dosierung und Therapiedauer ist zu achten (Therapiedauer mindestens 5 Tage und zugleich
etwa 2 Tage über die akute Symptomatik hinaus; bei Streptokokkeninfektionen wegen der postinfektiösen
Komplikationen, z.B. an Herz oder Niere, mindestens 10 Tage).
Für die Antibiotikatherapie steht eine Vielzahl von Substanzen zur Verfügung. Die Rote Liste 1998
verzeichnet über 600 Antibiotikafertigarzneimittel. Diese Flut ist mittlerweile auch vom Fachmann nur
schwer zu überschauen. Es ist daher hilfreich, die Antibiotika in Klassen einzuteilen, die nicht nur über die
chemische Grundstruktur einer Substanz, sondern auch über ihre weiteren Eigenschaften (z.B. die
Verträglichkeit und die Kosten) Auskunft geben. Allerdings gibt es auch innerhalb der einzelnen
Antibiotikaklassen zum Teil erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Wirkspektrums und der Wirkintensität
der einzelnen Substanzen.
Das Wirkspektrum eines Antibiotikums umfasst alle diejenigen Mikroorganismen, die aufgrund des
Wirkmechanismus prinzipiell von der Substanz erreicht werden können. Es werden Antibiotika mit breitem
Spektrum, mit Wirkung z.B. auf gramnegative und grampositive Bakterien, auf Kokken, auf Stäbchen, sowie
auf anaerobe und aerobe Mikroorganismen von Antibiotika mit schmalem Wirkspektrum wie z.B. mit
Wirkung nur auf grampositive Mikroorganismen abgegrenzt. Je nach Wirkungsmechanismus werden
bakterizide und bakteriostatische Antibiotika unterschieden. Die antibakterielle Aktivität wird in vitro durch
die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) und der minimalen bakteriziden Konzentration
(MBK) bestimmt. Die MHK ist diejenige Konzentration des Antibiotikums, die benötigt wird, um das
Wachstum eines Stammes zu hemmen. Die MBK ist diejenige Konzentration des Antibiotikums, die
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Jedes Antibiotikum hat ein charakteristisches Wirkungsspektrum. Keimarten, die außerhalb dieses Spektrums
liegen, sind resistent. Der Begriff Resistenz wird jedoch insoweit relativiert, als Keimarten auch dann als
resistent bezeichnet werden, wenn sie nur mit in vivo nicht erreichbaren Antibiotikakonzentrationen abgetötet
werden könnten (Unterschied zwischen mikrobiologischer und klinischer Wirksamkeit).
Antibiotika werden nach oraler Gabe in unterschiedlichem Ausmaß resorbiert, teilweise in Abhängigkeit von
der Nahrungsaufnahme. Die Eliminierung erfolgt entweder durch renale Ausscheidung oder durch
Metabolisierung in der Leber.
Das Dosierungsintervall wird durch die Eliminationshalbwertszeit bestimmt und beträgt bei den meisten
Antibiotika 8 oder 12 Stunden, entsprechend 2 bis 3 Einzeldosen pro Tag. Antibiotika können allergische,
toxische und biologische Nebenwirkungen haben. Allergien auf Antibiotika (insbesondere Penicillin) sind
nicht selten (bis zu 10%). Das Risiko einer Allergisierung ist bei der lokalen Applikation am Größten, bei der
oralen Gabe am Geringsten. Allergische Reaktionen zeigen sich in der Regel in der Form von kutanen
Reaktionen (Erytheme, Exantheme, Ödeme). Differenzialdiagnostisch sind hiervon Effloreszenzen durch die
Infektion selbst abzugrenzen. Anaphylaktische Reaktionen sind insgesamt selten und treten bei oraler
Anwendung praktisch nicht auf. Toxische Nebenwirkungen können bei absoluter Überdosierung auftreten
oder durch eine Kumulation bei gestörter Metabolisierung oder Ausscheidung. Aufgrund der großen
therapeutischen Breite ist das Risiko einer Intoxikation bei den meisten Antibiotika sehr gering.
Unter biologischen Nebenwirkungen versteht man die Beeinträchtigung bzw. Verschiebung der
physiologischen Keimflora (Mundhöhle, Darm), dabei kann es zu Superinfektionen, einer Candidamykose
oder einer pseudomembranösen Kolitis kommen. Diese biologischen Nebenwirkungen treten insbesondere bei
Langzeitbehandlungen mit Breitspektrum-Antibiotika auf.
4. Erregerspektrum
In der Mundhöhle findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Mikroorganismen, die zur lokalen Infektion im
Bereich der Mundhöhle, aber auch zu Infektionen anderer Organe im Sinne einer Focuserkrankung (z.B.
Endokarditis) führen können. Bei dentogenen Infektionen finden sich überwiegend aerobe und anaerobe
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Keimgemische, die zum Teil aus mehr als 10 verschiedenen Erregerarten zusammengesetzt sind. Dabei
erreichen die Anaerobier eine bis zu 105 größere Keimzahl als die Aerobier. Sie übertreffen diese auch
hinsichtlich der Artenvielfalt beträchtlich. Nicht zur physiologischen Standortflora des Mundes gehörende
Keime, wie Escharichia coli , Proteus mirabilis, Streptokokkus faecalis oder Clostridium spezies, machen nur
einen sehr geringen Anteil aller nachgewiesenen Bakterienstämme aus. Dies legt den Schluss nahe, dass
Infektionen im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich mehrheitlich durch physiologisch vorhandene, fakultativ
pathogene Keime des Oropharynx verursacht werden und nicht hämatogen oder exogen bedingt sind.
Da anaerobe Keime im mikrobiologischen Nährmedium oft schwer anzuzüchten sind, ist ihr Nachweis nicht
immer möglich, so dass der Verdacht oft nur klinisch erfolgt und der mikrobiologische Nachweis nicht
geführt werden kann.
Im Folgenden werden für die zahnärztliche Praxis relevante Gesichtspunkte oral applizierbarer Antibiotika
besprochen.
5.1. Penicilline
Penicilline werden mehrheitlich als Antibiotika der ersten Wahl beim Einsatz im
Mund-Kiefer-Gesichtsbereich und in der zahnärztlichen Praxis angesehen. Es werden Penicilline mit
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
schmalem Wirkungsspektrum und Penicilline mit breitem Wirkungsspektrum unterschieden. Penicillin V und
Propicillin besitzen ein schmales Wirkungsspektrum, das sich vor allem auf grampositive Erreger erstreckt,
wobei auch zahlreiche Anaerobier erfasst werden (im Gegensatz zu vielen anderen Antibiotika).
Oralpenicilline sind gut verträglich (auch in der Schwangerschaft und bei Kindern). Die
Schmalspektrumpenicilline wirken bei über 90 % der Keime einer anaeroben Mischinfektion im Mund
bakterizid. Penicilline mit breitem Wirkungsspektrum (Aminopenicilline) sollten in der zahnärztlichen Praxis
nur bei solchen Infektionen eingesetzt werden, bei denen Keimarten beteiligt sind, die gegen
Schmalspektrumpenicilline resistent sind (gramnegative Keimarten). Staphylokokken sind gegenüber den
genannten Penicillinen meist resistent.
Der gravierende Nachteil von Penicillin V liegt in seiner fehlenden Wirksamkeit gegen Betalactamasebildner.
Diese sind im aeroben Spektrum vorwiegend bei den Staphylokokken und im anaeroben Bereich bei einzelnen
Bakteroidesspezies zu finden. Weitere Wirkungslücken bestehen bei Enterokoken und bei Pseudomonas
aeruginosa. Das oral wirksame Antibiotikum Amoxicillin weist im Vergleich zu Penicillin V ein erweitertes
Spektrum auf, das auch gramnegative Enterobakterien, Listerien und Hämophilus influenza zum Teil mit
einschließt. Durch Kombination mit einem Betalaktamasehemmer z.B. Amoxicillin mit Clavulansäure in dem
Wirkpräparat Augmentan oder Ampicillin mit Sulbactam im Unacit wird das Wirkspektrum auf die
betalaktamase-bildenden Keime ausgedehnt.
Wirkungstyp bakterizid
Überempfindlichkeitsreaktionen gastrointestinale
Nebenwirkungen
Störungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle)
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Eigenschaften von
(Amoxycillin)
Aminopenicillinen
Wirkungstyp Bakterizid
Spektrum (breit)
Kombination aus Amoxycillin und Clavulansäure auch wirksam
gegenüber penicillinasebildenden Staphylokokken und
Enterobacteriaceae
Kontraindikationen Überempfindlichkeit
Dosierung
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
3x625mg/Tag
5.2. Cephalosporine
Die Cephalosporine haben prinzipiell ein ähnliches Wirkspektrum und einen ähnlichen Wirkmechanismus wie
die Penicilline. Sie zeichnen sich durch ein breites Wirkungsspektrum mit Lücken im Bereich der
Enterokokken, mancher Anaerobier und bei Pseudomonas aeruginosa aus. Die nur parenteral verfügbaren
Cephalosporine der sogenannten ersten Generation wirken vor allem auf grampositive Kokken und nur
schwach gegen gramnegative Keime. Die nur parenteral applizierbaren Cephalosporine der zweiten
Generation haben eine bessere Wirkung gegen gramnegative Keime. Bei den parenteralen Cephalosporinen
der dritten Generation ist das Wirkungsspektrum im gramnegativen Bereich noch breiter, die Wirkung auf
grampositive Kokken jedoch geringer. Die Cephalosporine der vierten Generation wirken auch gegenüber
Pseudomonas.
Anmerkung: Die Zuordnung einzelner Cephalosporine zu den verschiedenen Klassen wird nicht immer
einheitlich in der Literatur gehandhabt. Eine Einteilung nach pharmakologischen Kriterien ist sinnvoll.
Cephalosporine können wie auch die Penicilline durch betalaktamasebildende Bakterien inaktiviert werden.
Hieraus resultieren auch primäre und sekundäre Resistenzentwicklungen.
Bei den Cephalosporinen gibt es eine Reihe von oral verfügbaren Präparaten
Wirkungstyp bakterizid
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Kontraindikationen
Paragruppenallergie (nur Panoral*-Saft und Zinnat* - Trockensaft),
Kreuzallergie zu Penicillin
Alkoholunverträglichkeit
5.3. Lincosamidantibiotika
Clindamycin kann als Lincosamidantibiotikum sowohl intravenös, als auch oral angewendet werden. Es
umfasst vom Keimspektrum fast alle bei dentogenen Infektionen bedeutenden Aerobier und Anaerobier. Die
Gewebegängigkeit ist sehr gut, insbesondere im Knochen werden hohe Konzentrationen erreicht. Das
Wirkungsprofil ist je nach Konzentration bakteriostatisch bis bakterizid. Als sehr seltene Nebenwirkung kann
es bei längerfristiger Clindamycinanwendung zu einer Überwucherung mit Clostridium difficile im Darm mit
der Folge einer pseudomembranösen Enterokolitis kommen.
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Überempfindlichkeit
gastrointestinale Störungen
5.4. Imidazole
Metronidazol wirkt bakterizid gegen Anaerobier. Die Substanz kann sowohl intravenös als auch oral
angewendet werden. Sie schließt eine Wirkungslücke des Penicillins und wird daher in Einzelfällen mit
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Wirkungstyp bakterizid
Kinetik Resorptionszeit 2h
Ciprofloxacin wirkt auf fast alle grampositiven und gramnegativen Bakterien, wobei eine Wirkung im
gramnegativen Bereich meistens stärker ausgeprägt ist. Eine sekundäre Resistenzbildung tritt bei
Staphylokokken, Streptokokken, Pseudomonas und Klebsiellen auf. Die Substanz ist sowohl oral als auch
parenteral verfügbar.
Wirkungstyp bakterizid
grampositive + gramnegative
Spektrum
Keime
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Reservemedikament; nach
Indikation
Abstrich
Ciprofloxacin (Ciprabay)
Dosierung
2-3x500mg/Tag
5.6. Makrolide
Wirkungstyp bakteriostatisch
Überempfindlichkeit
´
schwere Leberfunktionsstörungen
Kontraindikationen
Laktation (alle Makrolide)
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
5.7. Tetrazykline
Bei den Tetrazyklinen handelt es sich um gelb- bis braunfarbige, im UV-Licht fluoreszierende Verbindungen.
Die Tetrazykline sind sowohl parenteral als auch oral verfügbar. Die Gewebegängigkeit der Tetrazykline ist
gut. Die Tetrazykline lagern sich durch Chelatbildung mit Kalzium vor allen Dingen am Knochen und
während der Mineralisationsphase auch an den Zähnen an. Dies führt unter Umständen zu Schmelzdefekten
mit gelblich brauner Zahnverfärbung und zu Schmelzhypoplasien mit erhöhter Kariesanfälligkeit.
Ihr Wirkspektrum ist bakteriostatisch. Sie sind wirksam gegen Hämophilus und gegen intrazelluläre
Infektionen wie z.B. Infektionen durch Chlamydien, Mykoplasmen und Rikettsien. Ein Nachteil ist die
zunehmende Resistenzentwicklung unter gramnegativen Stäbchen und grampositiven Kokken.
Wirkungstyp bakteriostatisch
Kontraindikationen Schwangerschaft
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Bei einer Infektion im Bereich der Mundhöhle handelt es sich fast immer um eine aerob- anaerobe
Mischinfektion. Die Keime müssen in Bezug auf Prophylaxe und kalkulierte Therapie durch das verabreichte
Antibiotikum erfasst werden. Diese Anforderung erfüllen im wesentlichen die Penicilline. Bei
Penicillinallergie kann auch Clindamycin als Antibiotikum der zweiten Wahl empfohlen werden. Beim
Clindamycin muss eine Wirkungslücke im Bereich der gramnegativen Keime in Kauf genommen werden.
Hier kann durch Kombination mit Ciprofloxacin die Wirkungslücke geschlossen werden. Auch die weiter
oben erwähnte Kombination aus Penicillin und Metronidazol hat sich als wirksam erwiesen.
Generell gilt weiterhin der chirurgische Grundsatz, dass Abszesse grundsätzlich chirurgisch durch Inzision zu
behandeln sind. Eine zusätzliche antibiotische Therapie ist nur bei Logenabszessen erforderlich oder wenn
Zeichen einer Ausbreitung gegeben sind (z.B. Fieber, Schluckbeschwerden, Kieferklemme, Ödeme).
Das dentogene Infiltrat ohne eitrige Einschmelzung wird primär antibiotisch behandelt.
Bei der Perikoronitis (Dentitio difficilis) ist neben der Lokalbehandlung nur dann eine antibiotische Therapie
erforderlich, wenn Begleitsymptome vorliegen.
Präparate
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
(z.B.) (Erwachsene)
3-4x1,2
Penicillin V Isocillin*
Mega
Präparate
2. Präferenz
Alveolarfortsatznahe Abszesse werden chirurgisch eröffnet (Inzision und Trepanation des ursächlichen Zahns)
und drainiert.
Wenn sich Eiter entleert, ist eine antibiotische Therapie nicht indiziert. Antibiotika sind jedoch zu
verabreichen, wenn sich die Infektion zusätzlich in die angrenzenden Weichteile ausgedehnt hat. Symptome
dafür sind Fieber, Schluckbeschwerden, Kieferklemme und Ödeme. Besondere Vorsicht ist beim Vorliegen
einer Wangeninfiltration mit Druckschmerzhaftigkeit im Gebiet der Vena angularis geboten, da dann eine
Ausbreitung der Infektion in den Sinus cavernosus eintreten kann.
Tritt nach einer Inzision kein Eiter aus, ist davon auszugehen, dass eine nicht abgekapselte Infiltration des
Gewebes vorliegt. Auch hier sollte wegen der möglichen Ausbreitung bis 2 oder 3 Tage nach Abklingen der
klinischen Symptomatik ein Antibiotikum verabreicht werden. Nach Besserung der akuten Entzündung ist die
Ursache für die Infektion zu beseitigen. Für einen ggfs. erforderlichen Eingriff mit Knochenbeteiligung
empfehlen wir zur Vermeidung einer Osteomyelitis zumindest eine One-Shot-Prophylaxe. Bei der Dentitio
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
difficilis ist neben der Lokalbehandlung dann eine antibiotische Therapie indiziert, wenn Begleitsymptome
wie Fieber, Schluckbeschwerden oder eine Kieferklemme vorliegen.
Die eitrige Sialadenitis entsteht bei Speichelstau (z.B. infolge eines Speichelsteines) und wird durch
Streptokokken, Staphylokokken und Anaerobier verursacht. Als Antibiotika sollten daher nur
staphylokokkenwirksame Antibiotika eingesetzt werden.
Präparate
2. Präferenz
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Die akute dentogene Sinusitis maxillaris wird durch Streptokokken, Pneumokokken, Haemophilus,
Staphylokokken verursacht; bei chronischer Sinusitis finden sich auch Anaerobier. Aufgrund des breiten
Erregerspektrums und der Beteiligung gramnegativer Keimarten wird zur Therapie primär Amoxycillin
empfohlen.
Präparate
Handelsnamen(z.B.) Tagesdosis(Erwachsene)
1. Präferenz
Präparate
2. Präferenz
Die Eröffnung der Kieferhöhle ist eine häufige, prinzipiell nicht fehlerhafte Komplikation
zahnärztlich-chirurgischer Eingriffe im oberen Seitenzahngebiet. Im Gegensatz zur Schleimhaut von Mund,
Nase und Rachen besitzt die Kieferhöhlenschleimhaut keine residente Schleimhautflora und ist physiologisch
als steril anzusehen. Voraussetzung hierfür sind die suffiziente Belüftung und die zum Foramen naturale
gerichtete Flimmerbewegung des respiratorischen Epithels. Nach artifizieller Eröffnung gilt eine Kieferhöhle
nach 48 – 72 Stunden als infiziert, selbst wenn weder im Röntgenbild noch antroskopisch eine Entzündung
festgestellt werden kann. Der primär plastische Verschluss nach Rehrmann führt in den Fällen mit
histologisch nachgewiesener Entzündung trotz Verzichts auf eine antibiotische Therapie und ohne Anlegen
eines nasoantralen Fensters in 97 % zur Heilung. Aus den genannten Gründen ist der sofortige plastische
Verschluss einer iatrogenen oroantralen Verbindung anzustreben, bei Fehlen einer ausgeprägten Entzündung
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
auch noch bis 48 Stunden nach der Eröffnung. Neben einer Therapie mit abschwellenden Nasentropfen für 2 –
3 Tage halten wir die Verabreichung von Antibiotika bei plastischer Deckung auch innerhalb der ersten 24
Stunden dennoch für indiziert.
bei Mund-Antrum-Verbindungen
Präparate
2. Präferenz
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
(z.B. enossale Implantate, Hydroxylapatit, Kollagen)Werden enossale Implantate gesetzt, erübrigt sich die
Applikation von Antibiotika. Treten jedoch intra- oder postoperativ Komplikationen auf, oder dauert der
Eingriff bei multiplen Implantationen sehr lange, kann im Einzelfall die Verordnung eines Antibiotikums
diskutiert werden. Dieses sollte dann für mindestens 5 Tage eingenommen werden. Gerade bei solchen
elektiven Eingriffen spielen auch forensische Überlegungen – dies insbesondere in der Praxis – eine
maßgebliche Rolle, so dass im Zweifelsfalle die Verabreichung von Antibiotika eher großzügig gehandhabt
werden kann. Damit soll einer folgenschweren Infektauswirkung, wie sie der Verlust von Implantaten
darstellt, vorgebeugt werden. Nach Exstirpation ausgedehnter Zysten bringen wir zur Stabilisierung des
Blutkoagels im Knochendefekt Kollagenflies ein. In diesen Fällen, insbesondere aber wenn erwartet werden
muss, dass der Nervus alveolaris inferior frei liegt, führen wir eine perioperative Kurzzeitprophylaxe, die in
einzelnen Fällen ausgedehnt wird, durch.
Eluxierte Zähne die reimplantiert werden, sind kontaminiert und bedingen einen Keimeinsatz in die Alveole.
Daher muss zumindest eine perioperative Kurzzeitprophylaxe, bei längerer extrakorporaler Verweildauer eine
Therapie erfolgen.
Alveolarfortsatzfrakturen sind beim Bezahnten immer als offene Frakturen einzustufen. Dies bedingt oftmals
eine höhere Infektionsgefahr als beispielsweise bei außerhalb der Zahnreihe verlaufenden geschlossenen
Unterkieferfrakturen. Wir raten daher zu einer antibiotischen Therapie von 5 Tagen.
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Es ist der berechtigte Wunsch des Chirurgen, durch prophylaktische Maßnahmen postoperative Infektionen zu
verhüten. Am besten gelingt dies durch aseptisches, rasches und sicheres Operieren.
Ob eine Antibiotikaprophylaxe sinnvoll ist oder nicht, richtet sich nach Art und Ort des Eingriffs und der zu
erwartenden Infektionsrate. Nach einer Standardklassifizierung werden chirurgische Wunden im Hinblick auf
das zu erwartende postoperative Infektionsrisiko in 4 Kategorien eingeteilt:
• Sauber
• sauber/kontaminiert
• kontaminiert
• verschmutzt
Den Begriff "saubere" Wunde gibt es nur in der elektiven Chirurgie mit Primärnaht und ohne Eröffnung des
Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltraktes. Die bei derartigen Eingriffen zu erwartende
Infektionsrate liegt unter 5 %. Bei "sauber/kontaminierten" Wundsetzungen kommt es zu einer Kontamination
mit Keimen des Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltraktes. Das zu erwartende Infektionsrisiko
liegt bei etwa 10 %.
Die Kategorie der "kontaminierten" Wunden umfasst hauptsächlich frische Traumen sowie Operationen mit
Unterbrechung der Sterilität. Die zu erwartende Infektionsrate liegt bei dieser Art von Eingriffen bei etwa 20
%.
Die Kategorie der "verschmutzten" Wunden beinhaltet Traumen mit devitalisiertem Gewebe, Fremdkörpern,
fäkaler Kontamination, verspäteter Behandlung sowie Eingriffe, bei denen zur chirurgischen Eröffnung von
Abszessen der Durchtritt durch gesundes Gewebe erforderlich wird. Bei kontaminierten oder schmutzigen
Wunden ist immer mit der Anwesenheit von pathogenen Keimen zu rechnen und die Notwendigkeit einer
Antibiotikaprophylaxe oder in diesem Fall besser Antibiotikatherapie ist heute unumstritten.Die
Antibiotikaprophylaxe wird nach Zeitpunkt und Dauer der Gabe unterteilt:
• Langzeitprophylaxe mit Beginn 24 – 2 Stunden präoperativ und über mehrere Tage postoperativ.
• Kurzzeitprophylaxe mit Beginn 1 – 2 Stunden präoperativ und maximal 48 Stunden postoperativ.
• Ultrakurzzeitprophylaxe 1 – 2 Stunden präoperativ beginnend bis maximal 24 Stunden postoperativ.
• One-Shot-Prophylaxe mit einer präoperativen Gabe.
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Grundsätzlich ist beim Gesunden eine Antibiotikaprohylaxe bei Fehlen weiterer Risikofaktoren und bei
unkomplizierten zahnärztlich chirurgischen Eingriffen nicht notwendig.Eine Begründung einer
Chemoprophylaxe betrifft eine nach zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen vorkommende transitorische
Bakterämie. Die Häufigkeit nachgewiesener Bakterien im Blut liegt in den einzelnen Untersuchungen
zwischen 10 – 86 %. Zur Vermeidung lokaler Wundheilstörungen oder einer bakteriellen Endokarditis wird
eine antimikrobielle Prophylaxe bei folgender Gruppe von Risikopatienten gefordert:
Diabetes mellitus
Hämophilie
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Dialyse
AIDS
Nierentransplantierte
Zur perioperativen Prophylaxe werden dieselben Antibiotika empfohlen, die auch zur Behandlung der
dentogenen Infektionen eingesetzt werden. Die Dosierung entspricht der therapeutischen Dosis. Die
Prophylaxe wird erst 1 bis 2 Stunden vor dem geplanten Eingriff begonnen und für 48 (- 96) Stunden
durchgeführt.
Prophylaxedauer 48 Stunden
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Präparate
2. Präferenz
Die Frage nach der optimalen Dauer einer solchen Antibiotikaprophylaxe ist immer noch umstritten. In der
neueren Literatur wird die One-Shot-Prophylaxe bevorzugt. Da aber eine intraorale Wunde erst frühestens mit
Beginn der reparativen Phase, d.h. erst nach etwa 4 Tagen zuverlässig verschlossen ist, kann es im Einzelfall
sinnvoll sein, die Antibiotikaprophylaxe evtl. über diesen Zeitraum von 4 Tagen durchzuführen.
Beispielhaft soll eine aktuelle Studie aus Rostock (Prof. Gundlach, MKG-Chirurgie) zitiert werden.
Prospektiv wurden bei Gaumenspaltverschlüssen verglichen:
• keine Prophylaxe
• One-Shot-Prophylaxe mit Cephalosporinen zu Beginn der Narkose
• 96 stündige Sequenzprophylaxe mit Cephalosporinen (intraop. i.v. , dann oral)
Streptokokken 87 34%
Staphylokokken 78 30%
H. influenzae 18 7%
E. coli 18 7%
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Enterokokken 18 7%
Neisseria 17 7%
Klebsiella 9 3%
Sporenbildner 8 3%
Actinobacter 5 2%
Patientenzahl 22 30 24
6.8. Endokarditisprophylaxe
Obgleich eine transitorische Bakterämie (während ca. 15 Minuten) nach Zahnsteinentfernung, PA-Therapie,
Zahnextraktion, Endodontie, usw. häufig ist, resultiert daraus nur selten eine bakterielle Endokarditis. Für eine
Gruppe von Risikopatienten wird wegen der sehr hohen Letalität der bakteriellen Endokarditis (10 – 20 %)
eine perioperative Prophylaxe gefordert. Hierbei wird eine Gruppe mit mäßigem Risiko von einer Gruppe mit
hohem Risiko unterschieden. Bei den Patienten mit mäßigem Risiko genügt die prophylaktisch periorale
Einzeldosis eines Antibiotikums.
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Bei hohem Endokarditisrisiko wird eine Kurzzeitprophylaxe über 6 Stunden gefordert. Transitorische
Bakterämien infolge zahnärztlich-chirurgischer Eingriffe werden meist durch Streptokokus viridans
hervorgerufen. Aufgrund der invitro-Empfindlichkeit sind bei Viridansstreptokoken Penicillin oder
Amoxycillin und alternativ Clindamycin oder Erythromycin die Antibiotika der Wahl.
Rheumatische Klappenfehler
Mitralklappenprolaps/Mitralinsuffizienz
Klappenprothesen
Kongenital-zyanotische Vitien
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Endocarditisprophylaxe
bei Penicillinallergie
6 Stunden nach dem Eingriff (nur bei hohem Risiko, siehe oben)
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Antibiotikatherapie im zahnärztlichen Bereich
Hämophilie-Patienten wird für diese Risikogruppe eine Chemoprophylaxe über 48 Stunden empfohlen.
Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Hämophilie-Patienten sollten kieferchirurgischen Fachabteilungen
vorbehalten bleiben.Bei Nichtrisikopatienten scheint die perioperative Prophylaxe im Rahmen der
zahnärztlichen Chirurgie keine Reduktion der Infektionsrate zu bewirken. Verschiedene Studien belegen
ähnliche Komplikationsraten mit und ohne Prophylaxe. Positive Ergebnisse über die Wirkung einer
perioperativen Kurzzeitprophylaxe liegen bei Kiefer-Gesichtsverletzungen sowie bei
kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Operationen vor. Diese Ergebnisse betreffen jedoch ausschließlich
Patienten im stationären Bereich mit einem von der Praxis unterschiedlichem Erregerspektrum und
Resistenzverhalten.
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