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TIBULL I I 5 UND D I E A E N E I S
Andere 1 dachten ζ. B. für die Weissagung der Sibylle 2 an eine gemeinsame Quelle, andere
wiederum leugnen den Einfluß der Aeneis überhaupt 3 .
Eine Klärung vermag nur eine genauere Interpretation zu bringen. Dabei
sollen die Ausführungen mit der eben genannten Weissagung der Sibylle
(2, 5, 39—64) beginnen, deren erstaunlich starke Ähnlichkeit mit Aen. 8,
36—65 (Weissagung des Tiberinus an Aeneas) bisher nicht in Erwägung
gezogen worden ist. Es wird zweckmäßig sein, dabei die Fäden, die in der
Darstellung der Weissagung durch die Sibylle zur übrigen Aeneis laufen,
in den Vergleich mit einzubeziehen.
I
Die Anrede an Aeneas :
Impiger Aenea, volitantis jrater Amoris,
Troica qui profugis sacra vehis ratibus (2, 5, 39f.)
der Berührungen geboten hat; vgl. ferner SMITH, Komm. S. 449; A. KURFESS, Würzb.
Jbb. 3, 1948, 402; F. DORNSEIFF, Die sibyllinischen Orakel in der augusteischen Dichtung,
in: Römische Literatur der Aug. Zeit, Berlin 1960, 46; F. SOLMSEN, Hermes 90, 1962, 300.
An Kenntnis des sechsten Buches der Aen. glaubt B. CARDAUNS, Hermes 89, 1961, 364.
1
So NORDEN, K o m m , zu VI 4 148; R . MERKELBACH, MUS. Helv. 18, 1961, 85.
2
Unsere Interpretation wird zeigen, daß Tibull gerade für diese Weissagung von einer
ganz anderen Stelle der Aeneis ausging.
3
Vgl. E. BURCK, Gnomon 20, 1944, 31 f.; B. RIPOSATI, L'Elegia a Messalino di Albio
Tibullo (115), Milano 1942, 54, bes. 93—95; ders., Introduzione allo studio di Tibullo,
Milano 1945, 216FF.; J . H . WASZINK, Mnemos. 1, 1948, 49, ANM. 17.
4
Die, wie wir sehen werden, im wesentlichen der vergilischen Version folgt.
5
Vgl. auch V. 41 f., 45f. Zur Frage, ob die kumäische Sibylle hier weissagt, s. unten
S. 117, Anm. 3.
Götter 1 rettet, d.h. nach Italien bringt. Zur inhaltlichen wie strukturellen
Übereinstimmung gesellt sich auch eine des wörtlichen Anklangs : Troica ...
vehis ~ Troianam . . . reveláis2. Ferner spielen beide in der Anrede auf die
göttliche Abkunft des Aeneas an 3 .
Gemeinsam ist bei beiden ferner die sich unmittelbar anschließende
Versicherung, daß Aeneas schon jetzt Land und Wohnsitz sicher sei;
vgl. Tib. 2, 5, 41 f.:
Decken sich also auch hier Aufbau, Aussage und wörtlicher Anklang, so ist
doch noch wichtiger, daß Tibull den gedanklichen Hintergrund der vergilischen
Konzeption übernimmt. Daß Italien die Trojaner mit offenen Armen und von
1 Zur Rettung der Penaten s. unten S. 116, Anm. 2 zu 2, 5, 20; zum Verständnis von
vielfältiger Übereinstimmung seine Selbständigkeit wahrt und das Vergilische seinen eigenen
Tendenzen unterordnet (s. grundsätzlich M. SCHUSTER, Tibullstudien, Wien 1930, bes.
65ff.); vgl. ζ. B. revehis bei Vergil, wo es eine feste Funktion hat (vgl. V. BUCHHEIT, Vergil
über die Sendung Roms, Heidelberg 1963, 151 — 172, bes. 162), bei Tibull in dieser Form
aber nicht erforderlich ist; er setzt das Simplex vehis·, vgl. auch folg. Anm.
3 Dabei hat Tibull auf das geschickteste geändert. E r konnte die hohe Tonlage Vergils
im Zusammenhang seiner Elegie, die er auch mit diesem Gedicht schreiben wollte (darüber
zuletzt sehr aufschlußreich W. WIMMEL, Tibull I I 5 und das elegische Rombild, Gedenk-
schrift G. Rohde, Tübingen 1961, 227 — 66), nicht brauchen. Mit einer eleganten Verände-
rung des vergilischen sate gente deum in volitantis frater Amoris hat er die bisher im epischen
und historischen Bereich beheimatete Aeneassage für seinen Zusammenhang gewonnen.
Gleichzeitig ist die Verbindung innerhalb des Gedichts nahtlos gelungen, so daß hier eine
Lücke nicht anzunehmen ist (richtig zuletzt WIMMEL, a. a. O. 246, Anm. 35; vgl. noch
E. BURCK, Gnomon 20, 1944, 27). Interessant jedoch ist, daß Tibull mit großer Wahr-
scheinlichkeit die Vergilstelle unter Benutzung einer anderen umgeformt hat, nämlich
durch Aen. 1, 663. 667, wo Amor als aliger und als frater Aeneae bezeichnet wird (vgl.
schon HEYNE, SMITH, LENZ u. a. zu Tib. 2, 5, 39). Wäre Vergil tatsächlich benützt, so
würde die eben angedeutete Veränderung der Tonlage durch Tibull erst recht erkennbar,
denn bei Vergil wird Amor so bezeichnet, bei Tibull jedoch Aeneas. Eine Bezeichnung des
Aeneas als Brüder Amors ist m. W. nicht mehr belegt, doch wird Amor nochmals von
Ovid Bruder des Aeneas genannt: Am. 3, 9, 13, offensichtlich von unserer Tibullstelle
beeinflußt, vgl. schon MUNARI z. St.; Epist. 7, 31; Pont. 3, 3, 62. — Wichtig ist noch,
daß aliger in volitans umgeformt ist (dazu richtig RIPOSATI, a. a. O. 80: più plasticità di
movimento) und die Junktur volitans Amor erstmals hier zu belegen ist.
Auch Tiberinus sagt Aeneas den Sieg voraus ( . . . expedías victor, 8, 50),
da ja die Götter ihren Zorn aufgegeben hätten (8, 40f.). Die Funktion dieses
Hinweises ist also auch in diesem Punkt die gleiche. Erwähnung verdient
auch, daß Vergil als erster die Metapher fessas . . . naves verwendet, und
zwar jeweils auf die Schiffe der Trojaner bezogen (1, 168; 5,29), dabei
stets im Akkusativ wie Tibull, naves am Versende und fessas in 5, 29 an
gleicher Versstelle wie in Tib. 45 1 . Wenn Tibull statt naves das gleich-
bedeutende puppes setzt, so paßt dies in seine ständig zu beobachtende
Tendenz, Übernommenes freimütig abzuwandeln.
Die Vision der Sibylle wird fortgeführt mit einem Blick auf die kommenden
Kämpfe mit Turnus:
Ecce mihi lucent Rutulis incendia castris:
iam tibi praedico, barbare Turne, necem (47f.).
Gerade für dieses Geschehen konnte Tibull in der dichterischen Tradition
gewiß nicht auf Naevius und Ennius zurückgreifen, bei denen diese Kämpfe
fehlen 2 . Dagegen ist wiederum der Einfluß der Aeneis anzunehmen. Nur
darf man sich nicht mit den bisherigen Interpreten zu eng an den Wortlaut
von Rutulis . . . castris klammern und behaupten, Tibull beschreibe den
Brand eines Lagers, von dem in der sonstigen Tradition nichts bekannt
sei 3 . Der Zusammenhang bei Tibull lehrt, daß zwei entscheidende Voraus-
setzungen für den Sieg des Aeneas angegeben werden: Vernichtung der
Feste (Stadt) der Feinde und der Tod des Turnus. Nichts aber ist in. der
zweiten Hälfte der Aeneis mit größerem Nachdruck durch Prophezeiungen
(vgl. Tibull 48 praedico, barbare Turne, necem) hervorgehoben und bereitet
auf das Ende des Epos so eindringlich vor wie der Tod des Turnus; man vgl.
die Ankündigung durch Latinus, nachdem der verblendete Turnus ihm den
Krieg abgetrotzt h a t 4 :
Oktavian nach Aotium Münzen hat prägen lassen, auf denen eine Victoria auf dem Schiffs-
vorderteil erscheint und den Siegeskranz reicht; vgl. J . LIEGLE, J b . Deutsch. Arch. Inst.
56, 1941, 99f. Da in Tib. 2,5 mancherlei auf Augustus weist, wie ich in einem weiteren Bei-
trag zu diesem Gedicht zu zeigen hoffe, ist ein beabsichtigter Hinweis auf diese Prägung
nicht ausgeschlossen.
1 Daran darf festgehalten werden, auch wenn Prop, in 3, 21, 19f. von fessa . . . vela
spricht, einem ähnlichen und doch verschiedenen Bilde, da eine solche Metapher weniger
gewagt wirkte. Überdies ist der Zusammenhang bei Properz ein anderer als der bei Vergil
und Tibull. 2 Vgl. BUCHHEIT, a. a. 0 . 41. 43. 182, A n m . 38.
3 Man hat die verschiedensten Erklärungen versucht. H E Y N E (Komm. z. St.) zieht
Ον., Met. 14, 573 — 75 heran, wo im Anschluß an den sicher von Tib. 2, 5, 45f. beeinflußten
Vers 572 von dem Untergang Ardeas berichtet wird, und postuliert eine weitere Erzählung
von der Zerstörung des Rutulerlagers. S M I T H (Komm. z. St.) hilft sich mit der sicher
falschen (durch incendia sowie geläufiges Verlesen oder besser Nichtverstehen eines Namens
verursachten) Lesart rutilis; vgl. ferner CARTAULT, a. a. O. 126f.
4 Dazu vgl. BUCHHEIT, a. a. 0 . 9 9 f .
1
Daß Naevius und Ennius in diesem P u n k t ausscheiden, ist schon betont worden.
2
Die Einzelheiten bei HEINZE, Ep. Techn. 4 172f.; weitere Lit. oben S. 107, Anm. 1,
sowie W. E H L E R S , R E 7 A 1 4 0 9 - 1 3 .
3
Vgl. noch zu barbare als Beiwort des Turnus in Tib. 2, 5, 48 W. E H L E R S , R E 7 A 1413.
4
Dabei ist Rutulis bezeichnend genug f ü r den entscheidenden Teil der feindlichen Seite,
zumal Turnus ja den Kampf mit der Begründung f ü h r t , als der rechtmäßige Anwärter auf
Lavinia zu gelten; auch h a t er ja von der Laurentinischen Burg (8, 1) das Zeichen zum
Kriegsbeginn gegeben. Überdies ist doch sehr bezeichnend, daß Vergil den Turnus mit dem
Brand von L a u r e n t u m derart konfrontiert, daß er den Turm in Flammen aufgehen sieht,
quam eduxerat ipse / subdideratque rotas pontisque instraverat altos (12, 674f.). U n d wenn
Tibull von castra, Vergil dagegen von urbs, moenia, teda bei der Schilderung des Brandes
spricht, so sei daran erinnnert, daß auch Vergil die erste Ansiedlung der Aeneaden teils
castra (7, 159. 522; 8, 56; 9, 801; 10, 68. 260; 11, 99), teils urbs (9, 8. 48. 473. 639. 729)
n e n n t ; im einzelnen vgl. J . CARCOPINO, Virgile et les Origines d'Ostie, Paris 1919, 409.
416ff.; vgl. ferner B. REHM, Das geographische Bild des alten Italien in Vergile Aeneis,
Philol. Suppl. 24, 2, Leipzig 1932, 42f. Schließlich sei noch einmal daran erinnert, daß
Tibull nicht blind imitiert, sondern schöpferisch umgestaltet.
und überträgt diese bedeutsame Aussage Vergils über die Gründung La-
viniums in der hier ständig beobachteten selbständigen Arbeitsweise auf
die Gründung Roms, die in seiner Weissagung den Höhepunkt darstellt.
1 Zur Problematik von V. 46 gleich anschließend. Es wird in der heftigen Diskussion, die
um diesen Vers und den Zusammenhang entbrannt ist, meist übersehen, wie grundlegend
Vergil die Tradition sowohl hinsichtlich der Lokalisierung der ersten Ansiedlung des Aeneas
als auch der Funktion des Sauprodigiums verändert hat. Bei näherem Zusehen stellt sich
nämlich heraus, daß nicht Vergil sich in Widersprüche verwickelt, sondern daß die Inter-
preten seine Intentionen nicht verstanden haben.
2 Wahrscheinlich hat Tibull in V. 49 mit Laurens Castrum die erste Ansiedlung des
Aeneas (7, 157f.; 10, 635. 671; s. auch Liv. 1, 1, 4; Dionys. H., Ant. 1, 63) eingeflochten;
dazu vgl. D I S S E N , Komm. z. St. ; S M I T H , Komm. z. St. ; G. N E M E T H Y , Albii Tibulli car-
mina, Budapest 1905, z. St.; B. R E H M , a. a. 0 . 40FF.; B. T I L L Y , Vergils Latium, Oxford
1947, Iff. 83ff. Dadurch erreicht er eine sehr geschlossene Reihe der einzelnen Gründungen
(Laurens Castrum — Lavinium — Alba Longa), die er betont enden läßt in der Gründung
Roms (56ff.).
3 C A R T A U L T , a. a. O. 125 verweist auf die Berührung mit Aen. 1, 258f. 267f., hat aber
die viel engere Beziehung zum achten Buch übersehen. Nur hier sind beide Ereignisse un-
mittelbar aufeinander folgend dargestellt, von der Übereinstimmung im Wortlaut ganz
abgesehen.
1 Damit ist natürlich vereinbar, daß die im folgenden angekündigte Gründung von Alba
Longa durch die weiße Farbe der Sau und der Zwischenraum bis zur Gründung durch die
30 Frischlinge vorbedeutet ist. Falsch A . GERCKE, Die Entstehung der Aeneis, Berlin
1913, 56. Die Form des Sauprodigiums, wie sie Vergil übernimmt, war ihm deshalb so will-
kommen, weil er sie in der alleinigen Funktion für Alba Longa nicht so hätte verarbeiten
können, da die Gründung von Alba Longa außerhalb der Aeneis lag.
2 Das Aition der Gründung von Lavinium, das die Origo gentis (12, 5) für Catos Origines
postuliert, wäre eine A r t Vorläufer des Vergil. Mir scheint jedoch, daß es aus Vergil heraus-
gesponnen ist; anders W . EHLERS, MUS. Helv. 6, 1949, 270.
3 Vgl. BUCHHEIT, a. a. O. 178FF. Man sollte sich endlich dazu durchringen, Vergil da
und dort eine selbständige Veränderung übernommener Traditionen zuzutrauen. Der Wider-
spruch bei Vergil gegenüber der vorvergilischen Lokalisierung Laviniums ist hier insofern
Wir haben gesehen, daß Tibull in der originellen Übernahme der Weis-
sagung unmittelbar hintereinander die gleiche Abfolge der Stadtgründungen
bringt: Lavinium und Alba (2. 5, 49f.). Würde dies allein schon für das Vor-
handensein von Vers 46 in der Vorlage, die Tibull benutzte, sprechen, so
erbringt er durch ein regelrechtes Zitat den endgültigen Beweis. Oben ist
bereits angedeutet worden, daß Tibull die erste Hälfte des Vergilverses
gegen Ende der Prophezeiung durch die Sibylle nahezu wörtlich auf die
Gründung Roms überträgt 1 . Dabei ist von großem Gewicht, daß Tibull
2, 5, 56 hic verwendet, wie Aen. 8, 46, und nicht is, wie der Vers in Aen. 3,
393 einhellig nach allen Handschriften beginnt. Gerade die feine Nuance
in hic (8, 46) gegenüber is (3, 393) spricht grundsätzlich auch für die Ur-
sprünglichkeit von 8, 46. Nur in 8,46 ist hic2 am Platz, denn an der Stelle,
an der Tiberinus weissagt, trifft dann auch das Prodigium ein.
Es kommt hinzu, daß auch Ovid den Vers im 8. Buch vorgefunden hat.
Denn auch er zitiert dieselbe Vershälfte gleich zweimal, und zwar so, daß
stets an ein Zitat aus dem achten und nicht aus dem dritten Buch der
Aeneis zu denken ist. Das leuchtet ohne weiteres ein für Fasti 2, 280:
hic, ubi nunc urbs est, tum locus urbis erat.
Da in dem Vers vorher von Euander die Rede ist, kann es sich nur um eine
Reminiszenz aus Buch 8 handeln. Auch klingt die erstmals von Vergil 3
entwickelte Antithese „Einst-Jetzt" dabei an 4 . Nicht auf den ersten Blick
erkennbar ist dieses Zitat in Met. 15, 18 hic locus nobis erit. Es steht wie bei
Vergil am Versanfang und gibt, wie ja auch die Fasten und Tibull, hic
(statt is in Aen. 3, 393). Entscheidend jedoch ist, daß der Halbvers in einem
Zusammenhang auftaucht, der der ersten Hälfte des achten Buches der
Aeneis nachgebildet ist. Im achten Buch ging Aeneas im Auftrag des
Tiberinus zu Euander, bei dem Hercules Gastfreund war (86 ff. 102 ff.
362ff.). Dort erfährt er die Geschichte von Hercules, der mit seinen Rindern
vom Abenteuer mit Geryoneus gekommen war (bes. 8, 201 — 04), und das
Aition von der Gründung der Ara maxima 5 .
gering, als Vergil in Buch 8 weder den N a m e n nennt, noch auch sonst zu genauen Angaben
darüber gezwungen ist, weil ja die Gründung dieser Stadt nicht mehr in den Rahmen der
Aeneis fällt; das Parallelmaterial zum Sauprodigium s. bei J . COLLART, Ausg. u. Komm,
zu Varrò, De Lingua Lat. V, Paris 1 9 5 4 , 1 4 4 . 2 3 7 ; W . E H L E R S , MUS. Helv. 6 , 1 9 4 9 , 1 6 6 - 7 5 .
1
Da diese Übereinstimmung auf dem so erstaunlich breiten Hintergrund, der beiden
Autoren in den interpretierten Weissagungen gemeinsam ist, a u f t r i t t , darf man ohne
Zögern von einem Zitat sprechen. Eine zufällige Übereinstimmung scheint ausgeschlossen.
2
Zur Differenzierung von is und hic vgl. LEUMANN-HOFMANN-SZANTYR, L a t . Syntax
3
u. Stil, 18f. 185f. ; K Ü H N E R - S T E G M A N N I 4 6 2 1 . Dazu unten S. 115.
4
B Ö M E R Z. St. verweist nur auf Tib. 2, 5, 56, was natürlich mit anklingen kann, da Ovid
dieses Gedicht nachweislich auch sonst verwertet h a t ; vgl. nur oben S. 108, Anm. 3.
5
Zum Hintergrund vgl. BUCHHEIT, a. a. O. 116ff.
Mit deutlicher Anspielung darauf inszeniert Ovid den Besuch des Numa
in Kroton samt dem Be icht, durch den Numa von der Gründung Krotons
erfährt :
Dives ab Oceano bubus love natus Hiberis
litora felici tenuisse Lacinia cursu
jertur, et armento teñeras errante per herbas
ipse domum magni nec inhóspita tecta Crotonis
intrasse et requie longum relevasse lab o rem
atque ita discedens ,,aevo" dixisse ,,nepotum
hic locus urbis erit"; promissaque vera fuerunt (15, 12—18).
Man achte vor allem auf Vers 12 und Vers 16: in requie longum relevasse
lab o rem wird nicht nur auf den ganz ähnlichen Aufenthalt des Hercules
bei Euander angespielt 1 , sondern es klingt auch die zweite Hälfte von
8, 46 (requies ea certa laborum, ebenfalls zweite Hälfte des Verses bei Ovid)
an. Schließlich folgt bei Ovid (19ff.) eine Erscheinung des Hercules, der dem
erwählten Gründer im Traum die Aufforderung zur Gründung gibt. Auch
das ist als Parallele zu der Weissagung des Tiberinus an Aeneas in Buch 8
zu verstehen. Ovid hat den Vers, ähnlich wie Tibull, von einem Faktum
auf das andere übertragen.
Damit scheint mir erwiesen, daß 8, 46 von Anfang an zum Text der
Aeneis gehört hat 2 und auch nicht von Varius eingefügt worden ist. Weiter-
hin ist erneut gesichert, daß Tibulls Weissagung der Sibylle wesentlich
vom achten Buch der Aeneis, wie von der Aeneis überhaupt, beeinflußt
worden ist.
1 Dabei klingen Züge mit an, die Vergil nicht direkt betont hat, die jedoch bei Livius
1, 7, 4 f . greifbar sind; vgl. Met. 15, 13. 15. Vgl. Ovid selbst Fasti 1, 545f. sowie noch Dionys.
H., Ant. 1, 39, 2 ; Prop. 4, 9, 4.
2 W. SCHMID, der — u. a. auch im Hinblick auf die Bemerkungen beiCoNiNGTON-NETTLE-
SHLP zu 8, 46 — vom sekundären Eindringen des Verses ziemlich fest überzeugt ist, weist
darauf hin, daß diese Frage nicht isoliert, sondern im Rahmen anderer problematischer
Iterationen von Versen in der Aeneis betrachtet werden sollte. Das ist gewiß zu beherzigen,
doch darf ich darauf verweisen, daß ich — entgegen der bisherigen Forschung — durch
eine Reihe von Untersuchungen zu einem weit günstigeren Eindruck von dem originalen
Bestand und der abschließenden Gestaltung des Aeneis-Textes durch Vergil selbst komme,
als er vielfach vorzuherrschen scheint. Einiges ist oben S. i l l , Anm. 4, verzeichnet, weiteres
über das Verhältnis von Buch 3 zu 7—8 und die gerade an der angeblichen Verschieden-
heit der Weissagungen sich zeigende Einheitlichkeit der Konzeption, ferner zur Text-
geschichte im engeren Sinne an Hand der Aeneis-Zitate bei Quintilian soll folgen. E s scheint
mir, daß den textkritischen und textgeschichtlichen Problemen samt der ganzen Frage
von den sogenannten Widersprüchen erst einmal eine werkimmanente Interpretation
vorausgehen sollte. So ist auch hier zunächst versucht worden, den Vers im engeren und
weiteren Zusammenhang genauer als bisher zu verstehen. Auch sei noch einmal auf fol-
gende Fakten verwiesen: Der besagte Vers taucht geradezu als Zitat sowohl bei Tibull
II
als auch bei Ovid (gleich zweimal) in einem Zusammenhang auf, der engste Berührungen
mit dem Anfang des achten Buches der Aeneis aufweist. Da drängt sich dem Philologen,
so scheint mir, mit Recht der Sehluß auf, daß der Vers bereits unmittelbar nach Vergils
Tode an seinem Platz gestanden hat. Nun könnte natürlich Varius selbst den Vers ein-
gefügt haben. Sollte dies aber nicht durch die oben bei der Interpretation des Verszusammen-
hanges angeführten Argumente ausgeschlossen werden?
1
Vgl. schon S M I T H z. St.; C A R T A U L T , a. a. O. 126.
2
Dabei gelingt es dem Elegiker Tibull vortrefflich, den epischen Ton Vergils f ü r seine
Belange umzuformen, wie wir dies auch f ü r 2, 5, 39 beobachten konnten; man vgl. die
Verse Tibulls nur einmal mit Ennius, Ann. fr. 35 —51 VAHLEN2; Vergil, a . a . O . ; Ovid,
F. 3, 9 ff. und achte besonders auf placitura, concubitusque furtim, cupidus. — Mit ein-
wirken könnte auch Aen. 7, 659 ff. : quern Rhea sacerdos / furtivum partu sub luminis edidit
oras, / mixta deo mulier.
3
Vgl. Aen. 6, 781 ff. 850 ff.
4
Dies gegen R I P O S A T I (ZU 2 , 5 ) 9 3 f . , der an geläufige Vorstellungen denkt; s. jedoch
CARTAULT, a . a . O . 1 2 4 .
5
Auch Prop. 3, 9, 49 : celsaque Romanis decerpta Palatia tauris kann nicht ins Feld
geführt werden, da der Gedanke nicht in Antithese zur Jetztzeit gesetzt ist. Insofern ist
W. W I M M E L S (Kallimachos in Rom, Wiesbaden I960, 262. 280) Bezug von Prop. 3, 9, 49
auf Tib. 2, 5, 25 nur mit Einschränkung berechtigt. Seine Annahme, Properz 3, 11 sei im
ganzen von Tib. 2, 5 angeregt, wird auf dem Hintergrund unserer Beobachtungen ohnehin
fragwürdig, es sei denn, man bricht mit der geläufigen Vorstellung, das dritte Properzbuch
sei um 22—20 v. Chr. veröffentlicht. Dagegen macht Properz zu Beginn von 4, 1 (zur
bei Prop. 4, 1, Iff. sehr eindringlich und bei Ovid sehr oft auf 1 . Tibull h a t den gleichen Ge-
danken schon bei der Einleitung der Sibyllenprophezeiung ausführlicher vorgetragen
(23ff.), in einem Zusammenhang, der ebenfalls Anklänge an die Aeneis verrät 2 .
Abschließend noch ein letztes Beispiel für den Einfluß der Aeneis auf
unser Gedicht. Es handelt sich hierbei um eine sprachliche Berührung:
Ipse triumphdli devinctus tempora lauro,
dum cumulant aras, ad tua sacra veni (2, 5, 5f.).
Die J u n k t u r cumulare aras ist im Umkreis des Tibull erstmals bei Livius
8, 33, 20f. : arae sacrificiis fument, honore donis cumulentur, und Vergil, Aen.
8,284 dona ferunt cumulantque oneratis lancibus aras
12,215 eripiunt cumulantque oneratis lancibus aras
zu belegen. Nun ist einigermaßen wahrscheinlich, daß Vergil diesen Aus-
druck über Livius gewonnen hat. Gerade im achten Buch der Aeneis ist
Vergil sicher von Livius beeinflußt worden 3 . Auch aus chronologischen
Datierung zuletzt G. LUCK, Gnomon 33, 1961, 370), also nach der Publikation der Aeneis,
nachdrücklich davon Gebrauch.
1
Vgl. R. HEINZE, Ovids elegische Erzählung, Sb. Akad. Lpzg. 70, 4, 38 = Vom Geist
des Römertums 3 , S t u t t g a r t 1960, 335; J . PFEIFFER, Untersuchungen zur Komposition
und Erzählungstechnik von Ovids Fasten, Diss. Tübingen 1952, 112 — 17, wo jedoch
manches a u f t a u c h t , was nicht hierher gehört. Belege f ü r Ovid bei B Ö M E R zu Ον., F . 2, 280.
2
Vgl. etwa Tib. 19f. postquam ille parentem . . . eí raptos sustinuisse Lares und V. 40 ~
Aen. 1, 378; 5 , 6 3 2 und bes. 6, 11 Of.; Tib. 21 f. cum maestus ab alto / Ilion ardentes
respiceretque déos ~ Aen. 5, 3 — 7 (s. schon TESCARI, a. a. O. 207) und bes. Aen. 3, 2 — 11
(erstmals von H . D E H M E R beobachtet); gerade das Motiv vom brennenden Troja h a t
Vergil in einer Fülle von Beispielen durchgespielt; vgl. H. JOHNSTONE, H e r m a t h e n a 11,
1901, 3 4 3 — 5 2 ; HEINZE, E p . T e c h n . 4 27 u n d BUCHHEIT, a . a . O. 171 A n m . 92, w o d a r a u f v e r -
wiesen ist, wie auch Horaz, C. saec. von Vergil angeregt ist; vgl. ferner Tib. 23f. Romulus
aeternae nondum formaverat urbis / moenia, consorti non habitanda Remo ~ Aen. 1,
276 — 79 (Romgründung und Weissagung der aeternitas) u. Aen. 1, 292 (Remus; z. Verständ-
nis s. BUCHHEIT, Gnomon 36, 1964, 48). Die wörtliche wie gedankliche Ähnlichkeit ist groß.
H i n z u k o m m t , daß die Weissagung J u p p i t e r s mehrfach in Tib. 2, 5 anklingt. Außerdem
h a t Vergil als erster römischer Dichter in 1, 278f. die Ewigkeit Roms betont (von griechi-
scher Seite schon Melinno v. Sardes). Da beide Dichter davon in direkter Verbindung mit
der Gründung Roms sprechen, darf man den Einfluß der Aeneis postulieren, trotz Liv.
4, 4, 4 : quis dubitat, quin in aeternum urbe condita, in immensum crescente nova imperia . . .
instituanturì, wozu m a n C. KOCH, R o m a aeterna, in: Religio, Nürnberg 1960, 168, ver-
gleiche, wie den Aufsatz ü b e r h a u p t . - · Tib. 65f. hält etwas zu rasch f ü r Reminiszenz aus
Aen. 6, 48 DORNSEIFF, a. a. O. 46, da es sich um eine geläufige Vorstellung handelt (vgl.
S M I T H ZU 6 5 , 6 6 ) .
3
U n d vor allem f ü r die Geschichte von Hercules und Cacus, der einer der Belege f ü r die
J u n k t u r e n t s t a m m t , ist diese Abhängigkeit erwiesen; vgl. besonders A. SANTORO, I pro-
blemi della composizione dell'Eneide, Livio fonte di Virgilio, Altamura 1938, 8ff. ; B U C H -
HEIT, a. a. O. 117, Anm. 489, mit weit. Lit. Dabei ist zu beachten, wie stark Vergil gerade
in der Aeneis mit der Historiographie rivalisiert und wie ü b e r h a u p t zwischen Historio-
Gründen ist eine Kenntnis des achten Buches des Livius für Vergil vor
Abschluß der Aeneis nicht ausgeschlossen 1 .
Tibull konnte also auch von Livius angeregt sein. Nach unseren bis-
herigen Beobachtungen wird man jedoch eher an eine Übernahme aus der
Aeneis glauben. Sie läßt sich in der Tat beweisen. Dabei ist von geringerem
Gewicht, daß Tibull gerade die Bücher 8 und 12 der Aeneis auch sonst
intensiv in 2, 5 verwertet hat und daß ein versus iteratus an sich eine Auf-
nahme erleichtern konnte. Entscheidend ist, daß Tibull im Hexameter des
gleichen Distichons eine weitere Junktur verwendet, die erstmals bei Vergil
zu finden ist, und zwar zwei Verse hinter dem zitierten Beleg aus Aen.
8, 284, in 286:
tum Salii ad cantus incensa altaría circum
populéis adsunt e ν indi tempora ramis.
Vergil bringt evinctus in der Bedeutung „bekränzt mit" viermal (5, 269.
494. 774; 8, 286), davon in der Verbindung mit dem Akkusativ tempora
außer an unserer Stelle nur noch in 5, 269, und zwar beide Male an der
gleichen Versstelle. Bei Tibull nimmt nun diese Junktur dieselbe Stelle im
Vers ein. Daß er dabei e-vinctus statt de-vinctus sagt, spricht eher für als
gegen die Übernahme, denn eine gewisse Eigenständigkeit in der Imitatio
haben wir in unserem Vergleich ständig beobachten können 2 . Der Anklang
an Vergil wird auch gesichert durch eine Statistik des Wortgebrauchs
(vgl. ThesLL δ, 1, 859 u. 5, 2, 1041). Die Junktur fehlt in der Dichtung vor,
um und nach Vergil — Tibull. Catull kennt nur devinctus lumina somno
(64, 122), in Weiterbildung von Lucr. 4, 453. 1027, Ovid evinctus lediglich
mit comas (Amor. 3, 6, 58) bzw. crines (Met. 15, 676) 3 verbunden.
III
trojanische nicht gemeint sein kann, halte ich nach der Situation, in der die Sibylle weis-
sagend vorgeführt wird (s. oben S. 105), ebenfalls für unwahrscheinlich. Ob man aber mit
Sicherheit an die kumäische Sibylle denken darf? Zwar spricht einiges dafür, so ζ. B. die Tat-
sache, daß bei Vergil als erstem die dem Aeneas weissagende und die mit den sibyllinischen
Büchern liierte Sibylle in der kumäischen verbunden sind; vgl. W. H O F F M A N N , Wandel
und Herkunft der sibyllinischen Bücher in Rom, Diss. Leipzig 1 9 3 3 , 1 1 ff. ; G. R A D K E ,
Gymnas. 6 6 , 1 9 5 9 , 2 1 8 ; C A R D A U N S , a. a. O. 3 6 3 F . ; oder die Erwähnung der Quindecimvirn
schon in Aen. 6, 73 f. Aber erstaunlich bleibt, daß Tibull in dem, was die Sibylle spricht,
nicht auf Aen. 6, 83 ff. (Weissagung durch die Sibylle) zurückgreift, sondern auf die Weis-
sagung des Tiberinus, verbunden mit der Juppiters. Auch wenn Tibull inhaltlich nur wenig
für seine Zwecke hätte aus Aen. 6, 83ff. verwenden können, so würde man den einen oder
anderen Anklang doch erwarten. Die Situation, in der die Sibylle bei Tibull weissagt,
paßt auch weniger nach Cumae als eher auf den Zeitpunkt, als Aeneas mit den Seinen be-
reits am Tiber gelandet ist und Fuß zu fassen beginnt. Mindestens muß man sich fragen,
warum Tibull den Ort so verschleiert, wenn er an die kumäische Sibylle denkt. Oder war
es nach Erscheinen der Aeneis so selbstverständlich, daß nur die kumäische Sibylle gemeint
sein konnte?
1 Vgl. auch H. T R Ä N K L E , Die Sprachkunst des Properz . . ., Wiesbaden 1960, 53.
2 Ob Tibull ein solcher war, ist ohnehin nicht bekannt.
3 Vgl. Suet. 6 2 R E I F F . ; Vita Don. 1 0 4 f f . B R U M M E R .
4 Auf das umstrittene Problem, wie weit schon Properz in die entstehende Aeneis Ein-
Das Gedicht auf Messalinus muß demnach später als bisher 1 angesetzt
werden.
Vergil ist im September 19 gestorben. Es hat sicher mehrere Monate
gedauert, bis die von Varius und Tucca im Auftrag des Augustus heraus-
gegebene Aeneis vorlag. Bis Tibull mit ihr so verwachsen war, wie er es in
I I 5 zeigt, dürfte auch noch eine Weile verstrichen sein. Vor Mitte des
Jahres 18 wird man daher das Gedicht kaum ansetzen. Nun ist Messalinus
mit Sicherheit bereits an der Säkularfeier des Augustus Quindecimvir
gewesen 2 . Demnach läßt sich das Gedicht in das knappe J a h r von Mitte 18
bis Mitte 17 datieren. Vermutlich verkürzt sich diese Spanne noch, da I I 5
mit großer Wahrscheinlichkeit u. a. als Beitrag des Tibull zur Säkularfeier
zu verstehen ist 3 .
Haben wir recht, so ist jetzt auch mit Sicherheit das Todesjahr des
Tibull später als 19 anzusetzen.
Man hat also mit Recht in jüngster Zeit daran gezweifelt, ob das Grab-
epigramm des Domitius Marsus die Annahme rechtfertige, daß Tibull im
gleichen J a h r wie Vergil gestorben sei 4 .
Weiterhin erweist sich die These 5 als unrichtig, Tibull habe in der Weis-
sagung der Sibylle unabhängig von Aen. VI eine gemeinsame Quelle be-
nützt.
Von entscheidender Bedeutung ist schließlich zu sehen, welch markanten
Einschnitt das Erscheinen der Aeneis in der römischen Literatur gesetzt
hat. Gleichsam mit dem Tage der Publikation ist sie zum Maßstab geworden,
an dem man sich messen mußte und auch gemessen hat. Wie man sich den
Griff des Tibull nach dem national-römischen Stoff nun entschieden als
unter dem Einfluß der Aeneis stehend vorzustellen hat, so ist sicher auch
für Properz der entscheidende Anstoß zu den römischen Elegien durch die
1
R. HANSLIK Z. B. datiert es um das J a h r 24 (RE 8 A 134, 20); A. KURFESS, Wiirzb.
J b b . 3, 1948, 402 gegen 21/22; G. RADKE, R E 24, 1146 vor 19; über neuere Versuche
s. oben S. 104, Anm. 3.
2
C I L 6, 3 2 3 2 3 = 5 0 5 0 DESSAU; v g l . d a z u T H . MOMMSEN, E p h e m . E p i g r a p h . 8, 1 8 9 1 ,
241 = Ges. Sehr. V I I I , Berlin 1913, 585f.; vgl. noch M. W. HOFFMANN, The College of
Quindecimviri . . . in 17 B. C., Amer. Journ. Phil. 73, 1952, 289—94. Nicht zugänglich
war mir der Beitrag der gleichen Verfasserin, in : Papers and Monogr. Amer. Acad, in Rome
16, 1 9 5 5 , 87 ff.
3
Die genauere Begründung soll in einem Beitrag „Tibull I I 5 und Augustus" gegeben
werden.
4
Vgl. oben S. 104, Anm. 3. Sc. MARIOTTI weist brieflich mit Recht darauf hin, daß je-
doch die Aussage des Epigramms nur sinnvoll ist, wenn der Tod des Tibull nicht viel
später als der Vergils erfolgt ist. MARIOTTI denkt an eine Spanne von höchstens zwei Jahren,
womit sich unsere Auffassung gut vorträgt.
5
Nach ED. NORDEN, Komm. Aen. VI 4 148 (dagegen J . H. WASZINK, Mnemos. 1, 1948,
4 3 — 5 8 ) ; R . MERKELBACH, MUS. H e l v . 18, 1 9 6 1 , 8 5 f .
Aeneis erfolgt 1 . Horaz hat schon im Carmen saeculare dem großen Epos
seines Freundes ein Denkmal gesetzt 2 , Ovids Dichtung lebt, selbst dort,
wo sie thematisch andere Wege geht, von der täglichen Begegnung 3 mit dem
Werk,
quo nullum Latió clarius exstat opus.
Gießen
1
Andere Elemente wie der Einfluß der Aitien des Kallimachos oder der Impetus seitens
Maecenas-Augustus treten dahinter zurück.
2
Vgl. BUCHHEIT, a. a. O. 149, Anm. 640 u. 171, Aran. 92 (mit weit. Lit.).
3
Der Aufweis im einzelnen ist noch zu leisten; Ansätze bei E. J . KENNEY, Nequitiae
poeta, i n : Ovidiana, P a r i s 1958, 201—09; F. BÖMER, G y m n a s . 66, 1959, 268—88; ROSA
LAMACCHIA, Maia 12, 1960, 310 — 30; wenig befriedigend MARGARETE STITZ, Ovid und Ver-
gile Aeneis, Interpretation Met. 13, 623 — 14, 608, Diss. Freiburg/Br. 1962.