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Lehrbuch
des

Gemeinen Delltschen Strafrechts


Besonderer Teil
Von

Dr. Karl Binding


ordentlichem Professor der Rechte in Leipzig

-------

Erster Band

Zweite stark vermehrte und umgearbeitete Auflage

I
-------~,-------

\-
Leipzig G\
Verlag von Wilhelm Engelmann
r"L':1
1902
., ; .

Meinen lieben Freunden

den Professoren

Dr. W. von Rohland Dr. L. Oppenheim


in London
in Freiburg i. Br.
Alle Rechte. besonders das der Uebersetzung, sind vorbehalten.

Dr.Fr. Oetker Dr. A. Finger


in Würzburg
in Marburg

,.
{

m dankbarer Erwiderung.
Vorwort zur ersten A.uflage.

Meinen Zuhörern von jetzt und früher und Allen, die sonst zur '
Annahme bereit sind, übergebe ich statt einer einfachen Fortsetzung
des Grundrisses den Anfang eines Lehrbuchs, das den besonderen Teil
des gemeinen deutschen Strafrechts wesentlich in der Beschränkung
auf das Strafgesetzbuch darstellen will. Auf des Reiches Sonder-
gesetze bin ich nur eingetreten, wo ich diefs zur Ergänzung für
lillumgänglich hielt.
Zwei ganz verschiedene Bedürfnisse drängten mich zu dieser
Arbeit. Ueber das eine habe ich mich lange hinweggetäuscht. Will
ich den allgemeinen Teil in meinem Handbuche so fördern , wie es
meine wissenschaftliche Natur verlangt, so mufste der besondere Teil
mir vorher noch viel mehr zu eigen werden, als er es mir vorher
schon gewesen war.
Aber auch der akademischen Jugend gegenüber empfand ich das
Bedürfnis, ihr grade diesen fast überreichen besonderen Teil, der in
der Vorlesung zu kurz kommen mufs , gedruckt in die Hand zu
geben, - und zwar nicht in der allzu knappen Form des Heftes,
das die Zweifel bannt, das Verwickelte umgeht, die Schwierig-
keiten einzuebnen sucht.
Diese Darstellullgsart ist das glückliche Vorrecht des mündlichen
Vortrages. Ein Buch soll Anderes und mehl' geben. Mehr: nemlich
nicht nur das Einfache, sondern auch das Verwickelte, nicht nur den
anscheinend sicheren Besitz , sondern auch die Aufdeckung seiner
Unsicherheit. Anderes: nicht an erster Stelle den Stoff, sondern die
individuelle Anschauun~ seines Darstellers.

Um Ueberlastung zu vermeiden , wurde auf eine Auseinander-


setzung mit dem ga n zen literarischen und kasuistischen Material
verzichtet, diese vielmehr auf eine Auswahl beschränkt.
Vorwort zur zweiten Auflage. Vorwort zur zweiten Auflage. VII
VI
. Besondere Berücksichtigung fand naturgemäfs die Rechtsprechung Einarbeitung, neue Fragen von gröfster Tragweite verlangten Berück-
des Reichsgerichts~ Zu ihr habe ich freimütig Stellung genommen,- sichtigung, und das inzwischen in Kraft getretene Bürgerliche Gesetz-
dankbar für die reiche Anregung und Belehrung, die sie mir und buch mufste in seinen Rückwirkungen auf das Strafrecht so weit ver-
uns Allen gewährt, aber meine Bedenken nicht verschweigend, wo folgt werden, als diefs jetzt schon möglich erscheint. Eine grofse Zahl
ich von ihr den rechten Weg verlassen glaubte. Je gröfser die feinerer Rückbeziehungen aufzudecken wird freilich erst der Zukunft
Macht des Präjudizes ist, je gefährlicher das Vorgehen unseres vorbehalten sein. Grade dieser Stoff erwies sich als 'besonders spröde.
höchsten Gerichtshofes wirkt, durch die Art seiner Publikation statt Mehr als' irgend ein anderes grofses Reichsgesetz hat sich das Bürger-
der Entscheidung den vielleicht vom Fall ganz absehenden ,den liche Gesetzbuch auf den Isolirschemel gestellt: Ignorirung des öffent-
"erratischen" Entscheidungsgrund zum Machthaber zu erheben, lichen Rechts überhaupt, Ignorirung der hundertfältigen Zusammen-
desto dringender ist die Pflicht der Wissenschaft , gegen das falsche hänge zwischen dem bürgerlichen und dem Strafrechte insbesondere, -
Präjudiz und den unschlüssigen oder mehrdeutigen Grund den Kampf das ist seine bequeme Devise! Die Folgen davon sind eben so un-
aufzunehmen. erquicklich als ihr Nachweis! Je älter das Preufsische Landrecht
wird, um so höher steigt unsere Bewunderung für die Weite seines
Blicks und den Mut, das Ganze als Ganzes zu sehen und zu packen.
Leipzig, den 12. Juli 1896. So bot sich neuer dogmatischer Stoff genug, und ich bin ihm
nicht aus dem Wege gegangen l • Der früher schon behandelte aber
hat sich - wenigstens zu sehr grofsem Teile - eine gründliche
Durcharbeitung gefallen lassen müssen. Ich habe mich bemüht, Neues
V orwort zur zweiten .Auflage. zu lernen, um Besseres zu -lehren!
Besonderen Dank schulde ich diefsmal nach zwei Seiten: zunächst
wieder der Verwaltung der Bibliothek des Reichsgerichts: man kann
Die erste Auflage dieses Lehrbuchs ist als Fortsetzung der sich eine bessere Unterstützung nicht wünschen! Dann aber hat
fünften Auflage meines Grundrisses des gemeinen deutschen Strafrechts Herr Assessor Dr. Nagler von hier nicht nur eine Korrektur des
zu Leipzig in den Jahren 1896 und 1901 erschienen. Es war diefs Buches gelesen, sondern auch aus dem reichen Schatze seiner Kennt-
ein Fehlgriff. Denn das Buch geriet dadurch in äufsere Abhängigkeit nisse - besonders auch des Bürgerlichen Gesetzbuches - manche
von einem anderen, das in Anlage, Ausführung und Zweckbestimmung sachlich wichtige Bemerkung zu ihm beigesteuert und die mühevolle
sich von ihm wesentlich unterschied. Arbeit der Registeranfertigung übernommen.
Leider schon vor Vollendung des ganzen Werks - das fünfte
Leipzig, den 15. März 1902.
Buch, das die Verbrechen wider den Staat enthalten soll, steht noch
aus - machte sich eine neue Auflage seines ersten Teiles nötig. Dr. Karl Binding.
Deren nächste Aufgabe mufste sein, das Buch auf eigene Füfse zu
stellen. Nur daran war wie bisher fest zuhalten, dars die Behandlung 1 Ganz neu sind die §§ 1. 3. 4. 5. 6. 15. 26. 56. 73. 83. 87. 104. 109. 116
der Fragen des allgemeinen Teiles vorausgesetzt wurde: sie lassen (14 Paragraphen).
sich in einer Darstellung des besonderen Teiles nicht bei jedem ein-
zelnen Verbrechen wieder aufnehmen und noch weniger im Vorbei-
gehen erledigen.
Schon durch die Verselbständigung d~s Werkes ward seine
Ergänzung nötig: die architektonischen Grundzüge der Verbrechens-
tatbestände ~edurften hellerer Beleuchtung.
Aber bei diesem Ausbau konnte es nicht bewenden. Eine nicht
geringe Zahl neuer Strafsondergesetze des Reichs forderte die
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort . V-VII
Verzeichnis der Abkürzungen XIV-XVI

Einleitung.
§ 1. 1. Die Aufgabe . . . . . . . . . 1- 4
§ ~ Ir. Die Anlage. . . . . . . . . . 4- 8
II!. Die Architektur der Verbrechenstatbestände 8-19
§ & 1. Der Hauptgegensatz der Formen 8- 9
§ ~ 2. Das einfache Verbrechen . . . . . 9-15
§ ~ 3. Das zusammengesetzte Verbrechen. . 15-19
§ ~ IV. Der fragmentarische Charakter des Stoffs und seine Rück-
wirkung auf die Gesetzesauslegung . . . . . . . 20-22

Erstes Buch. Die Verbrechen wider den Einzelnen und


die Familie.
Erstes Kapitel. Die Verbrechen wider Leben .und Gesundheit.
1. Die Tötung des geborenen Menschen. 22-36
§ 7. 1. Das Gattungsverbrechen . 24-28
§ 8. 2. Die geschärften Tötungen . 29-31
3. Die privilegirten Tötungen. 31-36
§ 9. a. Der Kindsmord . 31-33
§ 10. b: Die Tötung Verlangender 33-36
§ 11. 11. Die Tötung des ungeborenen Menschen (Abtreibung). 36-40
IU. Die Körperverletzu!1g . 40-58
§ 12. 1. Das Gattungsverbrechen 41-46
§ 13. 2. Seine Arten 46-51
§ 14. 3. Versuch. Verfolgung. Burse . . Retorsion 51'-53
~ 15. Anhang. Körperverletzung und ärztlicher Eingriff 53-58
IV. Die Gefährdungsverbrechen 58-78
§ 16. 1. Die Vergiftung 58-61
§ 17. 2. Die Aussetzung 61-64
§ .18. 3. Der Zweikampf 64-74
x Inhaltsverzeichnis. Inhaltsverzeichnis. XI
Seite
§ 19. 4. Die Beteiligung an Schlägereien mit tödlichem oder ge- Seite 1. Der Leichenraub und die Gräberschändung . . . . • 184-187
sundheits-verletzendem Ausgange · . . . . . . . . . 74- 7[3 2. Die Verunglimpfung Verstorbener . . . . . . . • 187-188
§ 20. V. Die U eherh'etungen überwiegend zum Schutz von Leib und In. Die Verletzung des geschlechtlichen Anstandsgefühls. S.
Leben aufgestellt. . . . . . . . . . . . . . . . 78- 79 unten § 57 . . . . . . 188
§ 47. IV. Der beschimpfende Unfug an Menschen, besonders der
Zweites Kapitel. Die Verbrechen wider Willen und Freiheit. grobe Unfug. . . . . . . . . . . ." . . , 188-192
§ 2I. Einleitung. . . . . . . . . . 80- 87 § 48. V. Das ärgerliche Quälen von Tieren . . .. 192-193
§n I. Die Nötigung 87- 96
Fünftes Kapitel. Die Verbrechen wider die Geschlechtsehre.
§~ Die Einsperrung insbesondere 96-101
193-194
§U H. Die Bedrohung. . . . . . 102-105 §ß Einleitung. • . . . . . . . . . . . . . . . . . .• .
§~ IU. Der Menschenraub . . . . 106-110 §~
I. Die einfache Unzucht des früheren gemeinen Rechtes und
Der Sklavenraub und der Sklavenhandel insbesondere. 110~114 ihre Ueberreste . . . . . . . . . . . . . . . • 194-196
§~
§n IV. Der sog. Kinderraub . . . . . . . . . . . . . . 115-116 §M. ll. Die "unzüchtigen Handlungen" mit besonders zu respek-
V. Die Entführung. . . . . . . . . . . . . . . . 116-119 tirenden Personen . . . . . . . . . . . . 196-199
§~
Ill. Die gewaltsame Unzucht, besonders die Notzucht 199~202
§~ VI. Der einfache Hausfriedensbruch und die Heimsuchung. 119-125 §~
§~ IV. Die unfreiwillige Schwächung 202-203
§~ VII. Der Verrat von Privatgeheimnissen. Die Verletzung des
Urkundenverschlusses . . . . . . . . . . . . . 125-131 §~ V. Die Sodomie 203-204
§~ VI.-Die Kuppelei . . . . . . 204-210
Drittes Kapitel. Die Verbrechen wider die Ehre. §~ VII. Die Zuhälterei. . . . . . 210-213
§ 3I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . 132-135 §~ VIII. Erregung öffentlichen Aergernisses durch unzüchtige Hand-
§. 32. I. Das Gattungsverbrechen der Beleidigung . . . . . . 135':""156 lungen. Verbreitung unzüchtiger oder das Schamgefühl
n. Seine Arten . . . . . .' -. . . . . . . . 157-161 gröblich vel"letzender Schriften oder Darstellungen. • • 213-219
§ 33.
§ 34. III. Verfolgung. Burse. Retorsion. Recht .zur Veröffentlichung
des Urteils . . . . . . . . . . . . Sechstes Kapitel. Die Verbrechen wider die Ehe und die Familie.
161-164
IV. Gesetzlich hervorgehobene Unterarten des früheren und § 58. I. Der Ehebruch . . . . 219-223
des heutigen gemeinen Rechtes 164-176 § 59. II. Die Doppelehe. . . . . . . . . . . 223-228
Vorbemerkung . . . . . . . . . . 164 .§ 60. Ill. Die Blutschande (Incest) . . . . . . . 228-230
§ 35. 1. Pasquill und Schmähschrift. . . . 164-165 § 6I. IV. Die Verbrechen gegen den Personenstand 230-235
§ 36. 2. Die Qualifikationen des GB §§ 186 u. 187 165-166 § 62. V. Die Uebertretungen überwiegend zum Schutze der Fa-
§ 37. 3. Die Beleidigung der Eltern 166-169 milienpfiichten aufgestellt . . . . . . . . . . 235-236
\
§ 38. 4. Die sog. Majestätsbeleidigung des früheren gemeinen
Rechts. . . . • . . . . . . . . . . 166-169
§ 39. 5. Die Beleidigung des Kaisers, der Fürsten, der Regenten, Zweites Buch. Die sogenannten Vermögensverbrechen.
der Mitglieder fürstlicher Häuser und der Gesandten § 63. "Vermögen" und "Vermögensverbrechen" . 237-246
nach heutigem Rechte • . . . . . . . . . . . . 169-174 I. Die Verbrechen gegen das Eigentum 246-317
§ 40. 6. Die sog. Beleidigung der .Amtsehre. . . . . . . . 175-176 § 64. Vorbemerkung . . . . . . 246
§ 41. 7. Die Behörden- und Beamtenbeleidigung des GB § 196. 176 A. Die Beschädigung und die Gefährdung von Sachen 246-253
§ 65. 1. Die Sachbeschädigung. . . . . . . . . . . 246-252
Viertes Kapitel. Die Verbrechen wider das Glau~ens- und 2. Die Gefährdung von Schiffen durch Waarenverheim-
§ 66.
Empfindungsleben. lichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 252-253
§ 42. Einleitung. . . . . . . . . . 176-177 B. Die widerrechtlichen Aneignungen fr-emder Sachen. • 253-315.
I. Die sog. Religionsverbrechen 177-184 § 67. 1. Ihr gescbichtliches und ihr dogmatisches Verhältnis
Vorbemerkung . . . . . 177 zu einander. . . . ......... . 253-255
§ 43. 1. Die Blasphemie und die Beschimpfung der Religions- 2. Das Gattungsdelikt der vorsätzlichen Zueignung
gesellschaften . . . . . . . . . . 178-181 fremder Sachen 255-274
§ 44.' 2. Die St5rung des Gottesdienstes. Die Entweihung der § 68. a. Sein Begriff. . . . . . . 255-257
Kirchen. Die Sonn- und Festtags-Entheiligung . . . 181-184 § 69. b. Die fremde Sache . . . . 257-263
II. Impietät gegen Tote, ibre Gräber, ihre Angehörigen, ihr § 70. c. Die rechtswidrige Aneignung 264-273
Andenken . . , .... .........•. 184-188 § 71. d. Die Schuldseite . . . . . 273-274
XII Inhaltsverzeichnis. Inhaltsverzeichnis. XIII
Seite Seite
3. Die Arten des Gattungsdeliktes . . . . . . . 274-315 IX. Die strafbaren Verletzungen der Urheber- und Erfinder-
§ 72. a. Die Unterschlagung. . . . . " . . . . . 274-281 rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461-498
' g:
§ 73. Die geschärfte Veruntreuung des Depotgesetzes v. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 463-469
§. 107.
5. Juli 1896 insbesondere und die ihr zur Seite ge- A. Der Nachdmck und die ihm verwandten Verbrechen 470

I
stellten Tatbestände. '. . . 281-284 § 108. 1. Der Nachdruck und die unbefugte Auffühmng nach
§U b. Der einfache Diebstahl . . . . . . . . 285-294 dem Gesetze v. 11. Juni 1870 . . . . . . . . 470-478
§~ c. Die geschärften Diebstähle. . . . . . . . . 295-305 2. Die Verletzungen der Urheberrechte nach dem Ge-
§ 109.
§~ d. Die privilegirten Diebstähle und Unterschlagungen 305-311 setze v. 19. Juni 1901 . . . . . . . . . . . 478-489
§n e. Der Raub . . . . . . . . " ... 311-315 B. Die strafbare Nachbildung . . . . . . . . . . 489-493

I
§~ C. Die widerrechtliche Enteignung. Die Verringerung von 1. Die Nachbildung von Werken der bildenden Kunst 489-491
§ 110.
Immobilien. . . . . . . . . . . . . . . . 316 § 1U. 2. Die Nachbildung von Photographien . . . . 491-492
§~ D. Der sog. Futterdiebstahl als Verbrauchsanmafsung. 316-317 3. Die Nachbildung von gewerblichen Mustern und
§ 112.
n.
.
§m Die Pfandkehr . . . . . . . . . . . . . 317-321 Modellen . . '. . . . . . . . . . . . 492-493
§~. IH. Die Gebrauchsanmafsung. . . . . . . . . . . . 321-'322 C. Die strafbaren Verletzungen der Erfinderrechte 494-498
§~ IV. Die Verbrechen wider fremde Okkupationsrechte . . . 322-HH3 § H3. 1. Die Patentverletzung . . . . . . . . . . 494-497
§~ V. Die Verletzungen ausschliefslicher Verbrauchsrechte an ~ 114. 2. Die Benutzung von Gebrauchsmustern . . . 497-498
Energieen : die Entziehung elektrischer Arbeit. . . . . 334-337 X. Die Verbrechen wider Güter wirtschaftlichen Vermögens-
VI. Die Verbrechen gegen das Eigentum und die übrigen Ver- -wertes . . . . . . . . . . . . . . . . . : . 499-516
mögensrechte 337-413 1. Die Kreditgefährdung . . . . . . . . . . . . . 499

tU
A. Der Betl'Ug. . . . . . . . . . . . . . . . .
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . .
337-371
338-339
I § 115.
§ 116. 2. Der Verrat und die Verwertung voil Betriebsgeheim-
nissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 499-504
§~ 1. Der einfache, der geschärfte u. der gemilderte Betrug 339-·367 - :I § 117. 3. Die sog. Verbrechen des unlauteren Wettbewerbes 505-516
§~ 2. Der sog. Versicherungsbetl'Ug . 368-369
§~ 3. Der Kursbetrug 370-371
§~ B. Die Erpressung 371~381
I. Quellenregister . 517-523
C. Die Hehlerei . . 381-395 H . Sachregister 524-545
§ ~ Einleitung . . . 381-382
§ ~ 1. Die sog. Personenhehlerei 383-385
§ m. 2. Die sog. Sachenhehlerei 385-395
§~ D. Die Untreue . . . . . . 395-404
§~ E. Die Vermögensgefährdung durch Glücksspiel 404-413
VII. Die Verbrechen wider obligatorische Pflichten . 413-445
§ u Die Voraussetzungen ihrer Strafbarkeit 413-415
§ ~ A. Der Bruch des He uervertrags. . . . . 415-416
§ 9~ B. Die Vereitel,ung der Zwangsvollstreckung 416-420
C. Der Bankrott und die Konkursverbrechen , 420-445
§ 97. Einleitung . . . . . . . '. . . . . 421-425
§ 98. 1. Der betrügliche und der einfache Bankrott 425-441
§ 99. 2. Die Gläubigerbegünstigung . . . 441'--443
§ 100. 3. Die Fallitenbegünstigung 444
§ 101. 4. Der Stimmverkauf des Konkursgläubigers 445
VIII. Die Ausbeutungs verbrechen. . . 445-461
§ 102. Vorbemerkung............. 445-446
S 103. 1. Die Ausbeutung Minderjähriger . . . . . 446-448
§ 104. 2. Die Ausbeutung durch Verleitung zu Börsenspe kulationen 448-449
§ 105. 3. Der Wucher. . . . ' . . . . . . . . . . . . . 450,- 460
§ 106. 4. Die Uebertretungen der §§ 360 n. 12 u. 367 n. 16 des
StrGB's und das Vergehen des Art. 4 des Wucher-
gesetzes v .. 19. Juni 1893. . . . . . . . . . . . 460~461
·:3:36 § 83. Die Entziehung elektrischer Arbeit.
Einleitung zum Betruge. 337
widerrechtliche Verbrauch der Energie durch elie ordnungsmäfsigen
Leiter straflos, also beispielsweise die Verwendung fremder elektrischer von 3 M. bis 1000lVl. oder auf Gef. von 1 T. bis zu 2 J. zu erkennen 1.
Kraft zu Heilzwecken unter Benutzung der Elektroden des Verbrauchs- Versuch straflos. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
berechtigten \ ebenso wie die Benutzung fremder elektrischer Lampen Die Absicht mufs dahin gehen, den Verbrauchsberechtigten durch
und der Verbrauch durch Verwendung von Transmissionen, die an Zerstörung oder Abspeicherung der Energie ohne Verwendung der-
elektrisch betr~ebene Maschinen angebracht werden. Ja, auch Der- selben um sein Verbrauchsrecht zu bringen. Die Absicht einer Schä-
jenige geht straflos aus, der wider den Vertrag fi.ber Entnahme eines digung in ökonomischem Sinne wird nicht verlangt 2.
bestimmten Quantums jener Energie gegen eine Pauschalsumme das Höchst auffällig erscheint hier das Verlangen, die Handlung müsse
mehrfache Quantum auf ordnungsmäfsigem Wege entnimmt. Auch in der Absicht der Schädigung begangen werden. Wenn Jemand elek-
die Zerstörung vorhandener Energie durch Kurzschlufs, der anders trische Kraft ableitet lediglich aus Scherz oder Mutwillen, er die
als durch einen ordnungswidrigen Leiter herbeigeführt wird, trifft das Rechtswidrigkeit der Ableitung noch so klar einsieht und die Masse
. Gesetz nicht 2. abgeleiteter Energie noch so grofs ist, - soll er straflos bleiben?
So unvollständig schützt das Gesetz seiner falschen Analogie mit Ich halte diefs für unzulässig und identifizire Absicht mit Vorsatz,
dem Diebstahl zu Liebe. messe also der Absicht hier eine etwas andere Bedeutung bei als
unter 1.
5. Das Delikt verlangt Vor s atz. Der Täter mufs wissen, Ein Meisterstück ist das Gesetz v. 9. April 1900 nicht geworden.
dafs er rechtswidrig fremde elektrische Arbeit entzieht. Auf das
Erfordernis, dafs die Entziehung durch einen nicht ordnungsmäfsigen
Leiter geschieht, braucht sich die Wissenschaft aber nicht mit zu VI. Die Verbrechen gegen das Eigentum und die übrigen Ver-
erstrecken. Diefs Strafbarkeitsmerkmal steht unabhängig von der mögensrechte.
Ansicht des Täters.
Ä.. Der Betrug.
H. Wird nun diese Entziehung seitens des Täters "i n der Ab-
sie h t" begangen, GB ~§ 263~265. Vgl. §§ 275 n.3. 276. 352. 353. 363, 1 u. 2. 364. Ges., betr.
die Erwerps- und Wirtschaftsgenossenschaften, Fassung v. 20. Mai 1898, ~ 152
1. um "d i e e lek tri s ehe Ar bei t sie h I' e eh t SIV i cl I' i g Abs. 2 u. 3. Invalidenversicherungsgesetz, Fassung v. 19. Juli 1899, §§ 182, 2.
zuzuei gn en", so tritt Gef. v. 1 T. bis 5 J. Ull d Geld von :3 M. 183. - Vgl. auch BGB § 123. - l:)ch 96. 97. M 94. 95. WV 150-153. Li 139.
bis 1500 M. oder eine dieser beiden Strafen ein. Neben Gef. ist Ehr- 140. HIl S. 333-i:l85. HZ II 67-76. Me 125. - Köstlin*, Abh. S. 119ff.-
verlust zulässig.. Der Versuch ist strafbar. § 13. Merkel * bei RH S. 750 ff.; IV S. 432 ff.; ders. bei HRLex I S. 345 ff. -
Cucumus, Ueber das Verbrechen des Betrugs. Würzburg 1820.,--- Stel'nberg,
Wie das Wort "fremd", so wird auch das Wort "zueignen" hier De crim. stellionatus. Diss. Dorpat (?) 18i:18. - Es ehe r, Die Lehre von dem
in vollständig anderem Sinn gebraucht als bei Unterschlagung, Dieb- strafbaren Betruge und von der Fälschung. Zürich 1840. - Gei b, ANF 1840
stahl und Raub, und zwar in zwei ganz verschiedenen Bedeutungen. S. 97 fr.; 195 ff. - T e m m e, Die Lehre vom strafbaren Betruge nach Preufs.
Die Absicht der Zueignung bedeutet hier die Absicht, die elektrische Rechte. Berlin 1881. - Kästlin, Z f. Civilr. u. Prozefs. N. F. XIV. XV (1857)
S. 294ff., 46 ff. - Ortloff, Lüge, Fälschung und Betrug. Jena 1862. - Freund,
Energie nicht notwendig zu gleichem Zwecke wie der Verbrauchs- Lug und Trug unter den Germanen 1. Berlin 1863. - Me r k e I *, Die Lehre
berechtigte , aber doch zur Leistung von Arbeit zu verwenden, ob vom strafbaren Betruge. 1. Abth. Leipzig 1867. - Gr y z i e ck i, Studieu über
freilich zur Arbeit im eigenen oder in fremdem Interesse, erscheint den strafbaren Betrug. Lemberg 1870..- v. Ziegler, Ueber den Betrug beim
gleichgültig, oder aber die elektrische Energie aozuspeichern, Ulll sie Vertragsabschlufs. München 1870 (wesentl. ci vilistischl. - P fi zer, StrHZ 1873
S. 273ff. - Ders., Betrug beim Spiel, GS 1889 S. 3i:17 ff. - Möller, Gründer-
eventuell zur Verwendung an Dritte zu überlassen. prozesse. 2. Auf!. Berlin1876. - Haager, GS 1ti7.5 S. 561 ff. - Zimmermann,
Das Vergehen vollendet sich wie das unter 2 mit dem Augen- GS 1877 S. 120 ff. - Feige, GA XXVI (1878) S. 303 ff. - Waag, GS 1879
blicke, in welchem die Energie sich von der Anlage oder Einrichtung S. 241 ff. - v. Spesshardt, Der· Versichernngsbetrug~ im RStrGB. Würzburg
trennt. 1885. - Kohler, Treue und Glauben im Verll:ehr. .tlerlin 1893. - Rommel,
Der Betrug. Leipzig 1894. - Rimpau, Ueber die Strafbarkeit des Betrugs nach
Wird aber gelt. Rechte bei Mangel der Identität des Getäuschten und des Geschädigten.
2. die Entziehung inder Absicht begangen, "einem r Diss. Tübingen 1892. - Friedsam, Der Begriff der Thatsache im § 263 des
Reichsstrafgesetzbuchs. Diss. München 189i:1. - G u m bel, Der Betrugs-
Andern rechtswidrig Schaden zuzufügen", so ist auf Geld p'a,ragl'aph u. seine Ergänzung durch das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren
Wettbewerbes. Diss. Tübingen 1897. - Fuld, Betrug und Betriebsschädigung;
1 Richtig Kohlrausch, a. a. O. S.501, gegen Kahl, D. Jur.-Ztg. V S. 33. R
GS LVI 1899 S. 206 ff. - Mi ehe l, Der strafbare Betrug im Civilrecht. Breslau
2 Gut über diese ganze Lücke Ko hlra us eh a. a. O. S. 500 ff. l~1
:1 Auch diese Absicht der Zueignung ist etwas wesentlich Anderes als 1 Die übermäfsige Differenz der Strafen sub 1 und 2 dürfte wieder auf die
die Zueignungsabsicht bei den Aneignungsverbrechen. Denn letztere bedeutet falsche Analogie mit Diebstahl und Sachbeschädigung zurückzuführen sein.
nichts als den Aneignungsvorsatz. Hier aber wird ein Absehen auf ein Ziel 2 Das Gegenteil wäre strafrechtlich schwer erträglich. Wird mehr Energie
verlangt, welches jenseits der Vollendung liegt, und diese Absicht murs die erzeugt als geJjraucht -- und diefs kommt nicht selten vor, wenn starke Wasser-
Entziehungshandlung ausgelöst haben. kräfte zu ihrer Erzeugung zur Vel'fligung stehen -, so bedeutet der widerrecht-
liche Verbrauch keinen ökonomischen Schaden.
Binding,~Strafrecht. Besonderer Teil. 1. 2. Aufi. 22
338 § 84. Einleitung zum Betruge. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 339
1898. - Raschke, Der Betrug im Civilrecht. Berlin 1900. - Rotering, GA
XLVII 1900 S. 416 ff. - Gross, Der Raritätenbetrug. Berlin 1901. !- Ueber sehr bald pafste man das Objekt dem Mittel an und konstruirte ein
gewinnsüchtige Absicht s. auch Birkmeyer bei HRLex II S. 180 ff.; über den Recht auf Wahrheit, das die Täuschung verletze. Erst
Vorsatz Binding, Normen II S. 559 ff.; über den Versuch Thomsen, Z f. StrRW üie Erkenntnis der Undenkbarkeit eines solchen Rechtes führte zu
XVI 1896 S. 751 ff.; über die Vermögensbeschäd. Stenglein, GS XL 1888 S. 81 ff.; richtigerer Erfassung des spezifischen Angriffsobjekts für den Betrug
Referate (von v. Spiefs und Kienitz) GS XLIII 1890 S. 321 ff.; Schlesinger, und gab den Anstofs zu seiner Trennung von d.en mit ihm gar nicht
Vermögensschädigung bei Betrug. Diss. München 1894 (wenig förderlich I): über
die Unterdrückung- wahrer Tatsachen H ei 1b ro nn e 1', Der tiegriff der "Unter- verwandten Fälschungen.
drückung wahrer Thatsachen" beim Betruge, Diss. München 1898; . über die Be- 11. Da die eee über Betrug fast nichts enthielt, war die frühere
handlung der falschen Angaben u. der Verschweigungen im Lebensversicherungs- gemeinrechtliche Theorie und Praxis wesentlich auf das römische Recht
vertrag K ö ni g unter diesem Titel. Bem 1889; über die angeblich b.etrügeriscbe gewiesen. Soweit Tatbestände, die heute Betrug darstellen, nicht auf
Benutzung von Retourbilletfln de Jonge, Die Unübertragbarkeit der Retour-
billete. :F'reiburg i. Br. 1888; dagegen v. Bar, GS XL 1888 S. 481 ff.; dagegen den Titel des crimen falsi oder des furtum verfolgt werden konnten,
de Jonge, Retourbillet und kein Ende. Berlin 1889; über neue Betrugsformen wurden sie in der Kaiserzeit mit dem crimen extraordinarium stellio-
Hilse, GS XLVI 1892 S. 118 ff.; über blinde Passagiere Westrum, Mag. f. d. natus verfoJgbar (TD 47, 20). Diese Strafklage war die kriminalisirte
R. VII (1887) S. 222 ff. j Zw i tz e r s, Der blinde Passagier. Diss. Gött. 1896; actio doJi, sie griff also Platz weg e n alle rar g 1ist i g her bei-
C on tz en, Die strafrecht!. Behandlung des. blindeu Passagiers. Diss. Hildesheim
1899; über die Stellung der Defraudation zum Betrug Weiske, RLex s. v. geführten rechtswidrigen Benachteiligungen Anderel;
Defraudation IU S.264ff.; Meisel, Jur. Blätter. Wien 1881 N. 47; Schwaiger, a,n ihre.m Vermögen, aber nur, insoweit dieselben nicht
GS XLIX 1894 S. 401 ff.: Ho n e m an n, Defraudation und Betrug. Berlin 1894; andere Strafklagen begründetenI. Die Behandlung dieses
Behr, GS LIV 1894 S. 220 il; Kaulla, Die reehtliche Natur der Defraudation crimen extraordinarium in den Quellen ist aber die denkbar dürftigste.
öffentlicher Abgaben. Diss. Stuttgart 1897; Web er *, GS LVIII 1901 S. 1 ff.
161 ff. - Vgl. auch Thümmel, Der Begriff des Schmuggels, Z f. StrRW XII IH. Die Erweiterung des Betruges auf den täuschenclen Angriff
1892 S. 784 ff. wider alle möglichen Rechte, wie sie sich in manchen unserer früheren
,; 1.
§ 84. Einleitung. Strafgesetz bücher findet, hat glücklicherweise für uns nur noch ge-
schichtliche Bedeutung 2.
1. Zwei wesentlich verschiedene Verbrechensgruppen hat die
römische wie die germanisch-deutsche Gesetzgebung ungenügend zu § 85. 1. Der einfache, (ler geschärfte uml der gemilderte Betrug 3 •
scheiden gewufst und defshalb mit einander verwirrt: den Be t r u g
und die F ä I s ch u n g sv erb I' e ch en. In dem zur Scheidung der Betrug ist die vorsätzlich rechtswidrige Schädigung
Verbrechenstypen so unfähigen römischen Strafrechte kann das nicht fremder Vermögensrechte durch Täuschung eines Ver-
überraschen, in dem deutschen fäHt es auf. Aber auch in ihm ist die füg u n g sb e r e c h t i g t e n i n der A b s ich t r e c h t s w i cl I' i ger
Verwirrung hartnäckig. Sie :findet sich nicht nur in eee A. 113, wo
unter dieselbe Strafe gestellt wird, wer "höfslicher und geverlicher 1 S. Gr, 1 § 5 a. E. - U 1p. in 13 § 1 D Stellion. 47, 20: Stellionatum autem
weiss mass, wag, gewicht, specerey oder ander kauffmannschaft felscht", obici posse his, qui dolo quid fecerunt, sciendum est, scilicet si aliud crimen non
sie reicht vielmehr tief bis in die Gel'\etzgebung des 19. J ahrhunclerts sit quod obieiatur: quod enim in privatis indiciis est de dolo actio, hoc in crimi-
llibus stellionatus persecutio; ubicumque igitu1" titulus criminis deficit, illi'c stelli-
hinein, u n cl z war er sc he i n t der wen i gau s g e prä g t e Be t r u g onatus obiciemns. S. auch Rofshirt., Gesell. u. Syst. d. deutsch. Strafrechts III
meist als ein Anhängsel der gewichtigeren Fälschungs- 8.48 ff.; Ortloff a. a. 0., bes. H. 166 ff. (zum Teil bedenklich).
fäll e. Diese geschichtliche Verwirrung führte zur dogmatischen Ver- 2 Noch 0 r t 10 ff a. a. O. S. 889 ff. spricht sich energisch gpgen die Be-

schmelzung. Der Fälschung wie dem Betruge gemeinsam ist das schränkung des Betrugs auf die Vermögensrechte aus und stützt seine Ansicht
mit der Autorität von sechs deutschen Strafgesetzbüchern. Vgl. auch Scllle-
Mittel der ab sie h t li ehe n W a h I' he i t s u nt erd I' Ü c k u n g, der
Täuschung. Es dient beim Betrug zur Vermögensbeschädi- ,~ singer, Vermögensschädigung, bes. S. 15 ff., und Grofs, Raritätenbetrug, bes.
S. 156 ff. Sehr übel S. 157. 160. 161. Vgl. den~. S. li:l8: "Der Betrug ist kein
gun g, bei den Fälschungen angeblich zum Angriff "auf die Grund- Paragraph im Strafgesetz, Cl' hildet ein Kapitel in demselben." Wir wollen
lagen der pubJica :fides" . oder, um an Stelle dieser Phrase einen hoffen, dafs wir auf die alte "Kapitel"-Auffassung nie mehr zurückgreifen!
3 Der $rOf8e wissenschaftliche Fortschritt in der Erkenntnis des Betrugs ist
Gedanl{en zu setzen, auf die Echtheit oder den Wahrheits- vor Allen Köstlin und M.erkel zu dankeil. Leider hat sich nachher die Auf-
gehalt von Beweismi tteln oder BegJaubigungszeichen 1 • fassung wiedc'; sehr abgeflacht. Das Wesen des widerrechtlichen Ver-
Grade bei der Fälschung aber war das Angrifl'sobjekt schwer zu fassen, mögensvorteils - besonders von Merkel klargestellt - ist in nicht zu er-
das Mittel dagegen augenfällig. Sahen die Italiener das Wesen des wartendem Maafse verkannt und verwischt worden, im Anschlufs daran auch
die Natur der Handlung des Getäuschten, deren unmittelbar schädigende IÜ'aft
falsum in einer dolosen veritatis mutatio (ursprünglich immitatio 2) aufgegeben wurde; in demselben Augenblick war die relative Identltät des Ge-
in praejudicium alterius, so erkannte das endende 18. Jahrhundert, täuschten und des Geschädigten nicht mehr haltbar, und die feste Grenze zwischen
dafs die Fälschung eine Benachteiligung Dritter nicht erfordere, und dem Betrug und den Aneignungsverbrechen, besonders der Unterschlagung, geriet
ins \VH.nken. Es sind diefs ebensoviel Rückschritte von dem Ziel, das Merkel
erreicht h:tt. Dazu kommt aber ein ·Weiteres. Die treffliche Schrift von Hart-
1 8. darüber Lehrbuch 1. Auf!. Ir 1 S. 102 ff. mann, Deber den rechtlichen Begriff des Geldes (ßrallnschw. 18tl8) , worin der
2 S. Weismann, Z f. StrRW XI S. 56 Note 138. Verf. besonders auch gegen v. Savignys Lehre über diesen Gegenstand (Oblig.
22*
11&7"0"------------.. .

340 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug.
§ 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte . Betrug. 341
Bereicherung des Täters oder eines Dritten. So auch
genau GB § 263; Strafe: Gef. von 1 T. bis 5 J. und fale Geld von ErpI'essung! Sie gehen in deI' Tat aufRechtsraub aus: der
3 M. bis 3000 M. wie Ehrverlust; bei MU kann ausschliefslich auf Betrogene oder Genötigte soll sein Recht verlieren,
die Geldstrafe erkannt werden. Der Betrug gegen Angehörige (GB der Betrüger oder Erpresser will es erwerben oder
§ 52, 2), Vormünder oder Erzieher ist nur auf Antrag zu verfolgen. wenigstens sein8'r Pflicht ledig werdeni. Mögen jener
Der Antrag ist rücknehmbar. Die Bestimmung des § 247 Abs. 3 gilt Rechtsverlust und dieser Rechtserwerb anfechtbar sein, so ist trotzdem
analog auch für den Betrug 1. ~' . zunächst ein Rechtszustand geschaffen, der dem früheren widerspricht
Träte bei dem Betrug und der ihm nahe verwandten. Erpressung und doch formell besteht 2.
heute noch wie nach früherem gemeinem Rechte die Vollendung erst 1. Die Betrugshandlung ist als Mittel T ä u s ch u n g, als Ursache
mit Erlangung des rechtswidrigen Vermögensvorteils ein, so würde der ersten Wirkung Sc h ä d i gun g, als Ursache der zweiten Be-
die Gleichheit im Aufbau des Tatbestandes bei diesen Verbrechen re ich e run g. Sie hat drei Objekte, zwei, die sie angreift, ein drittes,
einerseits, bei Unterschlagung, Diebstahl und Raub andrerseits noch das sie auf Kosten des zweiten vermehren will.
schärfer hervorleuchten. 1. Sie greift an fremdes VermÖgen, einerlei, wem es ge-
Ihrer aller Wesen besteht in der strafbaren Vermögens- hört, aber nicht gefafst als formlose Wertmasse, auch nicht als Ein-
umkehrung 2 • An einer Stelle heben sie den rechtlichen Vermögens- heit aller Vermögensrechte desselben Inhabers, noch weniger als die
zustand auf, um aus der Substanz dieses rechtswidrigen Schadens Summe der Vermögenswerte, die er faktisch beherrscht. "Vermögen"

J
anderwärts einen rechtswidrigen Nutzen zu schaffen. Defshalb liegt bezeichnet die Summe aller Vermögensrechte derselben Person, und
bei allen der Nachdruck auf der "widerrechtlichen Bereiche- nur einem oeler mehreren bestimmten davon gilt der
r u n g". Sofort wird klar, dafs es sich um die Grundeigenschaft aller be t r ü g e ri s c he All griff. Diese Rechte können sein private oder
dieser Delikte und nicht um das unbedeutende Strafbarkeitsmerkmal öffentliche 3, Eigentum, jura in re aliena, Rückbehaltungs- oder Forde-
des gewinnsüchtigen Motives handelt. Diefs würde auch vorliegen, ,,-~o.\

rungsI'echte 4: für elen Betrug hat diese Unterscheidung gar keinen


wenn Jemand gegen Lohn verbräche 3 ; wer aber für Lohn einen
Andern täuscht und schädigt, betrügt nie 4-. Sonach wäre weit rich- 1 Grade defshalb ist Merkei, Abh. II S. 246, nicht beizustimmen, wenn
tiger, das GB liefse bei Betrug wie Erpressung die Vollendung des er durch den Hinweis auf die formelle Respektirung des Willens des Geschädigten
Vergehens mit der des Delikts in der Erlangung des rechtswidrigen seinen Satz begründen will, unter den gewinnsüchtigen Verbrechen repräsentire
Vennögensvorteils für den Täter oder einen Dritten zusammenfallen. der Betrug "a? und für ..sic~ die nie~rigste ~h:fe der Strafbarkeit". Das Mittel /
Dennoch darf eine fundamentale Verschiedenheit innerhalb (liesel' .des Betruges 1st das gefahrhchste, seme schadlgende Kraft umspannt das ganze'
Gebiet der Vermögensrechte, und er wandelt den Rechtsbestand am ti efsten um.
strafbaren Vermögensumkehrungen nicht übersehen werden: bei Unter- Wenn Me y er, 4. Auf!. S. 697 n. 7, sagt, auch beim Betruge handle es sich nur
schlagung, Diebstahl und Raub, sowie bei der Erpressung, soweit sie "um die rechtswidrige Erlangung eines tatsächlichen Vortheils", so liegt darin eine
widerrechtliche Aneignung durch Nötigung ist, bleibt das Recht des schwere Verkennung diesel' Verbrechensart. V gl. 5. Aufi. S. 576. Ganz vereinzelt
Eigentümers bestehen, und die Bereicherung des Diebes, des Erpressers kann einmal eine tatsächliche Bereicherung !l'enügen. S. unten S. 352.
2 Höchst bedcnklichRG III v. 27. AprIl 1889 (E XIX S. 190): "Dafs aber
ist nur eine tatsächliche: der juristische Besitz der fremden aus einem Delikt der Delinquent Vermögensrechte erwirbt, in deren Besitz ihm
Ei gen turn so b j e k t e. Ganz anders beim Betrug und dem Rest der strafrechtlicher Schutz zu Teil wird, widerspricht den obersten Rechtsgrundsätzen."
8 Zum Beweise dafür, dars das Strafrecht den Begriff der Vermögens-
schädigung dem Civilrechte zu entnehmen habe, behauptet Schlesinger a. a. O.
R I S. 403 ff.) siegreich ankämpft, bemerkt (S. 2), der Grund der Ungena.uigkeit S.44 ganz falsch, diefs sei unumstöfslich, ;,weil es eine civilrechtliche Handlung
und des Zweifels in dieser Lehre liege hauptsächlich darin, "dars bei diesem zur. Strafbarkeit erhoben habe". Man könne sich absolut keinen aufserhalb des
Berührungspunkte von Nationalökonomie und Jurisprudenz gar leicht einem all- 1f "'l~< Privatrechts liegenden Betrugsfall konstruiren. S. freilich S, 5617. Dieser Ansicht
gemeinen Zuge der Zeit gemäfs nationalökonomische Begriffe und Gesichtspunkte folgt Grofs S. 126. Schon Kohler, Treue und Glauben S. 47. 50, hatte be-
auf das Rechtsgebiet übertragen und ohne Weiteres als juristische behandelt hauptet, dafs Täuschungen und Uebervorteilungen auf dem Gebiete des öffent-
werden". Dieser Satz könnte als Motto über die heutige Behandlung der Begriffe lichen Rechtes - also aueh des Straf- und Civilprozesses - nicht den Charakter
"Vermögensschaden und -Vortei 1 beim Betruge" in Theorie wie Praxis gEjsetzt des Betrugs hätten: K 0 h I e l' s Hauptbeleg bildet die Defraude. Allein, jene Be-
werden: die juristische Behandlung des Verbrechens ist durch die ewige Unter. hauptung steht ganz in der Luft. Gewifs erduldet der Defraudant die Strafe der
schiebung oft ganz vager wirtschaftlicher Schätzung an Stelle derUntersuchung, Defraude und nicht des Betrugs. Allein, der Beamte beispielsweise, der durch
ob ein Vermögensrecht verletzt ist, schwer beeinträchtigt. Es wird Zeit, diefs Täuschung die Staatskasse bestimmt, ihm einen höheren als den ihm gebührenden
Joch der Mode endlich abzuschütteln! Gehalt zu za hlen, betrügt zweifellos ; der Verdächtige , der seine Kaution zur
1 So auch Olshausen zu § 263 n. 57 Abs. 5 und die dort Angeführten. Entlassung aus der Untersuchungshaft in falsehen Papieren stellt, desgleichen.
2 Pür die strafbaren Aneignungen verkannt noch in den Normen II S. 560 • Die Schädigung des Fiskus d urc h T ä us c h ung d er ihn vertretenden
n.814. Beamten seiten s der Steuer- oder Zollpfli e htigen, um sich ihrer
8 So auch RG IV v. 23. März 1888 (EXVII S. 264 ff., Fall ungenügend mit- Pflicht rechtswidrig zu entziehen, trägt alle Merkmale des Betrugs an
geteilt); gebilligt von Rommel S. 92. sich. Es ist nicht richtig, dars die sog. Defraude, deren Tatbestand aber
4 Richtig Merkei, Abh. II S. 117. 118 und in guter Motivil"Ung RG III positivrechtlich weit über den eben bezeichnet e n Betrugstat-
v. 21. Dez. 1881 (E V S. 277 ff.). be s t an d hin aus l' e ich t, Ommissivdelikt und schon defsbalb kein Betrug sei.
Für die Defraude als betrügerische Erlangung einer Rückvergütung
342 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 343
Wert! Sie brauchen, wie das Eigentum an Andenken, gar keinen Geldwert zu besitzen 1. Aber wo kein Recht, da kei'n Be-
t r u g 2. U nta ugliche Objekte des Betrugs sind also
für schon gezahlte Steuern läfst sich die Form des Begehungsdeliktes gar a. die r e c h t los enD e t e n tor e nun d j u r ist i s ehe n
nicht verkennen. Aber auch die regelmäfsige Defraude durch Verheimlichung
zollpflichtiger Waaren, durch falsche Deklaration u. s. w. ist als Schädil4ung Besitzer als solches. Dem Dieb kann die gestohlene,dem Wil-
staatlicher Forderungsrechte stets kommissiver Natur; ja, selbst wenn der Rei- derer·, der Eigentum weder für sich noch für den Jagdberechtigten
sende gar nichts tut, als daf,; er das Mitführen zollpflichtiger Dinge verschweigt erworben hat, die gewilderte Beute nicht abbetrogen werden; .
und die untersuchenden Beamten nicht auf sie aufmerksam macht und so erreicht, r.. b. die Inhaber von nichtigen Rechten, einerlei, von
dafs er ungerupft durchkommt, wird diefs nicht anders: er führt zollpflichtige
Waaren unverzollt ein. (Dagegen nicht glücklich Weber, GS LVIII S. 188). wannen diese Nichtigkeit stammt. Wer den Kuppler um seinen
Konkurrirt bei der Defraude, was wol mögIich ist, keine Täuschung - wie wenn Kuppelpelz prellt, wer eine Dirne benutzt in der Absicht, ihr den
der Fuhrmann, der die gewöhnliche Zollstrafse fährt, an der Zollstätte keinen versprochenen Lohn nicht zu bezahlen 4, der Beamte, der Bestechungs-
Beamten vorfindet, oder wenn der Schmuggler unter den Augen der Grenzwächter gelder nimmt, die Absicht eine Pflichtverletzung zu begehen aber nur
bepackte Hunde über die Grenze jagt -, so entfällt der Betrug schon um d'efs-
willen. Bildet die Täuschung aber das Mittel, so fehlt für das Auge des Juristen vorspiegelt, betrügt ebenso wenig wie Derjenige, der einen Verbrecher
kein Merkmal des Betrugs. Nicht so für das A-uge des Laien! gegen Lohn gedungen hat mit eIer Mentalreservation, ihn darum zu
Für eine selbständige und zwar mildere Behandlung der Defraude, auch hringen 5;
soweit sie begrifflich Betrug ist, spricht, dafs der Defraudant die Handlung c. die I n hab e I' von K und s c haft e n, S 0 fe I' n 's i e s ich
anders zu sehen pflegt wie der Staat. Jener denkt meist nicht zu schä- diese nicht vertragsmäfsig gesichert haben. Kein Kauf-
digen, sondern nur eine einseitige Bereicherung des Fiskus auf
Pnvatkosten zu hindern und empfindet es als Unbill, dafs er glf'ichsam mann hat sonst ein Recht auf seine Kunden oder gar an ihnen. Das
sein eisner Ankläger bei der Steuer- oder Zollbehörde werden sol!. Er fühlt sog. betrügerische Abspannen einer Kundschaft ist ein Fall der con-
sich, WIe Ortloff, Lüge S. 433, sich ausdrückt, in der Defensive, nicht in der
~1
currence deloyale, nicht des Betrugs 6;
Off e n s i v e. Auch kann sein Verhalten sehr wol statt durch Gewinnsucht durch -p d. ehe Inhaber von Aussichten auf künftige Rechte 7 •
Bequemlichkeit motivirt sein. So erscheint die Behandlung der Defraude
als eines delictum sui generis durchaus gerechtfertigt. Ein Teil
dieses Delikts bildet aber einen Ausschnitt aus dem Tatbestande des Betruges. risiren". - Der Betrug ist aber echtes Begehungsdelikt und kann defshalb in
Soweit die Defraude Betrug ist und doch unter Sondergesetz des Reichs oder d('r einem echten Unterlassungsdelikt nicht enthalten sein.
Staaten steht, so weit wird nach EG ~ 2 Abs. 2 das GB § 263 in seiner Anwend- I Bisher ward das Gegenteil angenommen, weil der Betrug nicht auf die
barkeit sowol durch das Sonderrecht des Reichs als der Staaten ausgeschlossen. rechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Werte bezogen wurde. So z. B.
S bes. Web er a. ·a. O. S. 195 ff. Aber nur insoweit! Stehen betrügerische Be- MerkeI, Abh. II S. 120. . .
nachteilil'ungen des Staates in seinen Rechten auf Zölle und Steuern nicht unter 2 S. MerkeI, Abh. Ir S. 101/2; Hälschner II S. 256; Schütze S.470,
der Strafe der Defraude, so müssen sie dem § 26!l unterstellt werden. obgleich Vgl. auch RG UI v. 27. April 1889 (E XIX S. 186 ff., bes. S. 191'. Verkehrt
das zu grofsen Unbilligkeiten führen kann. So HG Verein. Strafsen. v , 4. April Gryziecki, Betrug S. 40 fi·.; Meyer, 4. Aufl. S. 700; 5. Aufl. S. 584.
1881 (E IV S. 50 ff.). Richtig auch Meyer S. 587; Weber a. a. O. S. 198 ff.; 8 Etwas anders Me r k e I bei HH III 8. 764. Ganz '-verkehrt die Polemik
Olshausen, zu § 263 s.3". Dagegen zu Unrecht Hälschner, System II bei Wagner, Objekte S. 77/8, gegen Merke!.
S. 359 n. 2; Honemann a. a. O. S. 40; Kohler a. a. O. S. 48. 4 RG I v. 20. Juni 1895 (E XXVII S. 300 ff.).
Selbst die neuere Gesetzgebung über die Defraude aber leidet noch unter 5 S. bes. 1\<1 erkel, Abh. Ir S. 101 ff. Wenig förderlich die Polemik Gry-
der rücksichtslosen, alle Grundsätze gerechter Bestrafung mifsachtenden Habsucht zieckis, Betrug 8 .. 94 ff. Der Eigentümer natürlich ist umgekehrt um sein
der Staatskasse. Auch der Fiskus dürfte sich allmählich mit den Ideen des Eigentum zu betrügen. Wenn er es aber aufgiebt für Erlangung oder Befriedigung
Rechtsstaates befreunden! Uebrigens ist die Rechtsnatur der Defraude, ins- einer ihm als nichtig bekannten Forderung, . schädigt er sich selbst--~WlrC!
besondere ihr Verhältnis zum Betruge, sehr bestritten. Für die Betrug3natur der nicht geschädigt. Dann kann er aber auch nicht dadurch betrogen werden, dafs
durch Täuschung verübten Defraude, wenn auch natürlich für ihre Sonder- die Entstehung oder die Geltendmachung der nichtigen Forderung als solche
bestrafung, z. B. Ortloff, Lüge etc. S. 430 ff.; Köstlin, Abh. 144. 145; Gry- I vorgesriegelt wird. Wer einem Antiquar anbietet, ihm gegen Zahhmg von
ziecki, Betrug S. 35 ff.; MeyerS. 587; v. Liszt S. 458. 642; Honemann a. a. O. .\ ', 1000 1\0. für 5000 M. gestohlene Noten liefern zu wollen, versucht den Betrug
S. 9 ff.; Behr, GS LIV S. 221; teilweise auch Kaulla a. a. O. S. 17 ff.; das RG ebenso wenig wie der Bandit, der für den nicht verübten Mord seinen Lohn
in verschiedenen Erkenntnissen (s. Olshausen zu Abschn~ 22, Vorbemerkung fordert. S. RG I v . ~~'~o~"1890 (E XXI S. 161 ff.). VgI. auch Merkei, Abh. II
n.3 a). - Schwaiger, GS XLIX, bes. S. 430 ff., tritt nicht nur für ihre Betrugs- S. 22Ilff.; Olshausen zu § 263 n. 18; Kohler, Treue nnd Glauben S. 4415.
natur, sondern sogar für ihre Be ~trafung als Betrug ein und will die Sonder- S. schon Esr.her, Betrug S. 132 ff. ,
strafe der Defraude nur für den Rest vorbehalten (s. bes. S. 447). Mit Recht 6 Richtig Hälschner II S.257 n. 1; Frank zu § 263 V 1; Bay. Kass.-Hof
steht Schw. mit dieser Ansicht allein! - Geo-en ihre Betrugsnatur Escher, v. 12. Febr. 1874 (Stenglein, Z In S. 360/1); Preufs.OTr. v. 23. April 1879
Betrug S. 235 ff. (die Defraude sei Staats-, der I3etrug Privatverbrechen; ähnlich (0 XX S. 223 ff.). A. M. RG II v. 28. Febr. 1882, 1II v. 22. Okt. 1894 (E VI
Koh.ler; s. oben S. 341 N. 3) ; Merkei, Abh. Ir S. 108/9 (Ominissivdelikt, also S. 75 ff.; XXVI S. 227 ff.); Olshausen zu § 263 n. 28; Meyer S. 584/5; Rommel,
Polizeivergehen); ders., bei RH III S. 762; Hälschner [[ S. 257/8; Berner Hetru~ 8. 74. Der richtigen Ansicht entspricht es dann, dafs auch· die Absicht,
S. 585; Schütze S.472 n. 9. - In der guten Abhandlung über die Defraude sich ellle Kundschaft zu erhalten oder zu verschaffen, nicht Absicht auf Erlangung
von Weber, GS LVIII S. 1 ff., scheint mir ein Widerspi'uch zu herrschen. rechtswidrigen Vorteils ist. Ein einfachster Betrugsfall seltsam mifsdeutet in
Web er sieht in der regelmäfsigen Defraude ein echte3 Unterlassullgsdelikt. RG I v. 7. April 1881 (RSpr. III S. 202/3: der Betrug lie/$"t in der Forderung des
S. S. 25. 26. 186.189. Dennoch sagt W. S. 19617: die Defraude "ist ein cleI. sui Geldes für nicht gelieferte Waaren und nicht . inder AbSIcht, sich die Gunst der
generis, das Handlungen oder U}iterlassungen in sich schliefst, die sich bald Hofköche zu erhalten).
als versuchter, bald als vollendeter Betrug, bald aber als Nichtbetrug charakte- 7 RG III v. 12. Okt. 1885 (E XIII S. 8 ff.).
044 § 85. Der einfache, der geschärfte und. der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 345
Dagegen sind betagte oder bedingte Vermögensrechte mifsbraucht, ist gesetzlich nicht ausgezeichnet. - Dagegen ruht es
taugliche Objekte für den betrügerischen Angriff schon auf Verkennung vom Wesen des Betrugs,
v 0 I' dem Ein tri t t cl e s die s 0 der der co n die i 0 1. Bei den d. auch Den als taugliches Angriffsobjekt zu bezeichnen, der
bedingten Rechten ist freilich Eintritt der Bedingung dann Voraus- über ein fremdes Vermögensstück tatsächlich verfügen kann 1. Sein
setzung eintretender Schädigung, und ihr Ausbleiben bedeutet einen Wille ist für das rechtliche Schicksal dieses Stückes gleichgültig, also
untauglichen Versuch 2. 1
unta ugliches Veh~,e~ des Betrugs.
So ver an rder Betrug Identität des Getäuschten
2. Das dem Betrug Charakteristische ist sein
Mit tel, den Will enD es sen, der übe I' jen e Ver m ö gen s - und Benachteiligten, sei's absolute, sei's relative in
rechte disponirt, durch Täuschung zum Bundesgenossen dein Sinne, dafs der Getäuschte ein Recht der Disposi-
des B e tr ü ger s zum ach e n 8. Der Betrüger schädigt, indem er tion über Vermögensrechte des Benachteiligten oder
beispielsweise den Eigentümer bestimmt, sich selbst zu schädigen, uncl die rechtlich anerkannte Möglichkeit, ilm zu ver-
er bereichert sich oder einen Dritten, indem er ihn zugleich bestimmt; pflichten, besitzen mufste 2 • Hatte er diese nicht, dann kann
sich seines Eigentums an den Betrüger oder diesen Dritten zu ent- ein anderes Vermögensverbrechen, besonders eine Unterschlagung oder
äufsern. Dieser Wille, den der Betrüger in seinen Dienst nimmt~ ist ein Diebstahl, aber kein Betrug vorliege!},
a. regelmäfsig derWille des Berechtigten selbst 4 • 3. Durch die Handlung des Getäuschten erhält der Betrug seine
Dann bestimmt ihn der Betrüger zur Vornahme eines nachteiligen rückläufige Bewegung - und zwar meist nach seinem Urheber zu -,
Rechtsgeschäfts. Diefs läfst sich auch so denken, dafs der Testator welche den Schaden des Einen in die widerrechtliche Bereicherung
durch Täuschung zu einer letztwilligen Zuwendung an den Täuschen- des Andern verwandeln soll. Doch ist nicht nötig die Identität
den bestimmt wird; des Betrügers und des Bereicherten. Auch braucht Letzterer
b. der Wille des gesetzlichen oder gewillkürten am Betruge nicht teilzunehmen, doch mufs auch für ihn der Vorteil
S tell ver t I' e tel' s, der des Vormunds, des Bevollmächtigten, des ein rechtswidriger sein. Nicht ausgeschlossen ist, wenn Getäuschter
Handlungsgehülfen, die das Recht haben, über Rechte des Mündels, und Benachteiligter a useinan der fallen, dafs der Betrüger dem Ge-
cles Vollmachtgebers, des Prinzipals zudisponiren. D an n fallen täuschten den Vorteil zuwenden will. Nur darf dann der nötige V01'-
der Getäuschte und der Geschädigte auseinander. satz nicht fehlen!
c. Er kann endlich - und zwar mit gleicher Wirkung der II. Die Handlung verlangt im Einzelnen:
Rollenspaltung - der Will e ein e I' S t a at sb e hör desein, sofern 1. ein aktives, auf Irreleitung des zu Täuschenden
diese Behörde das Recht hat, obrigkeitlich zu entscheiden oder ein- bewufst angelegtes BenehmenS. Täuschung widerWillen, ver-
zugreifen über oder in das Vermögen des Einen zu Gunsten des Andern. llieintliches Vorspiegeln des Falschen, während es in Wahrheit beruht,
Getäuscht sind dann vielleicht der Richter oder der Gerichts- hewufste Vorenthaltung der Wahrheit, rein passives Verhalten reichen
voll z i ehe 1', geschädigt ist die nicht schuldende ParteP. Dieser nicht aus. Doch borgt die aktive Täuschung gern den Schein passiven
frechste Betrug, wodurch der Betrüger die Staatsgewalt schamlos Irrenlassens 4. Es giebt eine Täuschung durch konkludentes Nicht-
reden. Wer die Offerte zu einem Rechtsgeschäft macht, erklärt damit,
1 Wenig klar Köstlin, Abh. 8.143. So umfafst die betrügerische ScMdigun o.
die Voraussetzungen desselben in seiner Person und in der Sachlage
das lucrum cessans nur dann, wenn auf dessen Erwerb schon ein Recht bestancf. seien vorhanden; wer ein Pfand zum Verkauf anbietet, erklärt damit,
Hälschner II S. 257 n. 1; Olshausen zu § 263 n. 21; Frank zu S 263 V 1.-
BGB § 252 kommt strafrechtlich gar nicht in Betracht. ;, ~ :)
2 S. das interess. RG III v. 20. Dez. 1883 (E X S. 11 ff., bes. S. 20ff.). , 1 S. RG S. bes. RG III · v. 12. April 1894 (E XXV S. 244 ff.). Danach auch
3 Nicht unbedenklich spricht R tilschn er II S. 249 auch hier von "Zwang". Rommel , Betrug S. 64. S. dIe folg Note.
4 Zu eng T e mme, Betrug S. 90 , und KÖRtlin , Abh. S. 153, der Irrende 2 Diesen wichtigen Punkt in klares Licht geetelltzu haben ist das grofse
müsse stets der Verletzte sein. Prinzipiell für die gleiche Ansicht, aber mit un- Verdienst Köstlins, bes. aber Merkeis. S. oben S. 839 Note 3. Nur von
klarer Einschränkung Ortloff a. a. O. S. 471/2. 8ehr gut Merl;'el, Abh. II diesem Standpunkte ist eine saubere Abgränzung des Betrugs von den übrigen
S. 203 fr·. Ganz flach die Polemik Gryzieckis, Betrug S. 106 ff.; besser die Vermögensverbl'cchen möglich. Leider wird die Bedeutung des Requisites wieder
von Rimpau, Strafbarkeit des Betrugs u. s. w. S. 25ff., der aber den Kern des verkannt selbst .von Hälschner II S. 269; Berner S ..584: Meyer S. 585/6;
Betrugs nicht erfafst, besonders weil er die Bedeutung der Detentionserlangung Olshausen zu§ 263 n. 16. Bei v. Liszt wird S.4.54 Identität gefordert; S.457
dur~h Täuschung 111l.d dam.it .die Abgränzung von. !3etrug und. Dnterschlagt~ng wird sie für unnötig erklärt. Nach Schütze S 472 n. 10 mufs der Gettiuschte
völlig verkennt. Seme BClsplele gegen das IdentJtatserforderDls S. 18-20 smd stets .der Beschädigte, braucht aber nicht der allein Geschädigte zu sein. Wer,
lauter Beispiele relativer Identität; das wechselrcchtliche auf S. 36. 37 aber ent- wie Olshausen zu § 263 n. 26, die Handlung des Getäuschten als "rechtliche
hält gar keinen Betrug. Disposition übel' Vermögenswerthe" bezeichnet , dürfte diese Identittit nicht in
5 S. RG II v. 12. Nov. 1880, 17. Okt. 1882; III v. 23. Febr. 1881; IV v. Frage ziehen.
Nov . 1890 (E II S. 436 ff.; III S. 392 ff.; VII S. 133 ff.; XXI S.239). Deber den 3 Vgl. bcs. Merkei, Abh. II S. 136 ff., bes. auch S. 149 ff.; dens., bei
25. D
5. ez. HH III S. 752 ff.
Betrug im Prozesse s. unten S. 350 n .. 2. 4 Vgl. z. B. RG III v. 13. März 1880 (E I S. 309 ff.).
346 § 85. Der einfache, der ß"eschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und 'der gemilderte Betrug. 347
er sei zum Verkauf berechtigt; der Kellner, der einem Gaste Bier gehen, dafs sich das Pfand gut verkaufen, dafs der Kurs steigen
bringt, behauptet damit, es sei diefs dem Fafs entnommen _ und kein werde -, oder einer Ho ffn u n g ist das Gegenteil der 'fatsachen-
Tropfbier 1; wer Waaren in einer Verpackung verkauft, die auf eine vorspiegelung. Wer versichert, er werde zur Zeit der Wechselfällig-
bestimmte Herkunft der Waare schliefsen läfst, täuscht durch sein keit zahlungsfähig sein, behauptet, er habe Ursache, auf Grund der
Schweigen, wenn die Waare diesen Ursprung nicht hat 2; der Juwelier, gegenwärtigen Tatsachen diesen Schlufs auf die Zukunft zu ziehen.
der in seinem Laden dem Kunden wortlos falschen Schmuck unter Istclie Versicherung bewufst falsch, so liegt in ihr Vorspiegelung
echtem vorlegt, erklärt damit auch den letzteren für echt; wer Waaren falscher Tatsachen der Gegenwart, also auch der Zukunft, selbst wenn
auf Kredit bestellt, erklärt Wille und Fähigkeit zur künftigen Zah- der Täter auf einen ungewissen Glücksfall hofft Eine der wichtigsten
lungS 4. - Und zwar soll Tatsachen im rechtsgeschäftlichen Leben ist die Absicht der Parteien:
2. der Getäuschte über "Tatsachen" in Irrtum ver- grade über die· seine wird der Betrüger mit Vorliebe und mit Erfolg
setzt werden. Tatsache ist Alles, was gewufst werden täuschen 12. ./
k a n n, einerlei, ob es der Aufsenwelt angehört oder eine Erfahrungs- Diese Täuschung . über Tatsachen - die Inkongruenz zwischen
tatsache des Innenlebens ist, ob es in die Vergangenheit, die Gegen- der Annahme des Getäuschten und der Wirklichkeit - kann nur
wart oder die Zukunft fä1It56. Auch dafs etwas nicht geschehen, ist bewirkt werden durch Vorspiegelung falscher Tatsachen 84 •
Tatsache. Eine Tatsache behaupten heifst nichts als ihre Wissen- Der Täter behauptet eine Wissenschaft von Geschehnissen oder Nicht-
schaft behaupten 7. Die Vorspiegelung eines GI a u ben s , dafs etwas Geschehnissen, von denen er weifs, dafs sie sich nicht zugetragen, oder
geschehen sei oder geschehen werde - etwa dafs die Wirtschaft gut von denen er nicht weifs, ob sie sich zugetragen haben 5, oder von
Eigenschaften einer Sache, von denen er weifs, dafs sie nicht VOl"-
t Fall in RG I v. 2. Juli 1896 (E XXIX S. 35 ff.) nicht ganz klar. Ich
möchte glauben, dars Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgelegen hat. S. auch 1 Es ist defshalb schwer begreiflich, wie diese Täuschung, weil sie nicht
I v. 8, Febr. 1897 (E XXIX S.369170). Tatsachen betreffe, als zum Betrug nicht ausreichend , bezeichnet werden kann.
2 S. Kohler, Treue und Glauben S. 13.
So von Köstlin, Abh. S. 146; Merkei, Abh. Ir S. 237 ff., bes. S. 239; den.,
S Nicht unbedenklich RG III v. 7. April 1880; I v. 19. Juni 1893 (E II bei HH III S. 753/4. 767 ff. (auf S. 767 behauptet M er kel dann konsequent, die
S. 5 ff.; XXIV S. 21617).
Existenz einer "realisirbaren Forderung" schliefse die Schädigung, also auch den
4 K 0 h I er macht a. a. O. S. 18 ff. richtig darauf aufmerksam, dafs nicht nur Betrug aus. Diefs ist doch nur dann richtig, wenn auch der Realisirungswille
der "Austauscher", soudern auch der "Eintauo'cher" durch Schweigen täuschen vorhanden ist); Gryziecki, .ßetrug S. 43/4; Meyer S. 581. - Hälschner II
kann, In der Beurteilung der Fälle weiche ich etwas ab. Wenn der Kollekteur S. 262 leugnet nicht die Tatsachenqualität der Absicht, aber die Vorspiegelung
Jemandem ein Loos zum Kauf an bietet, von dem Letztel'er weifs, dafs es schon solcher Tatsachen reiche zum Betruge nicht aus. Richtig 0 I s hau sen zu ~ 263
mit Gewinn gezogen worden ist. und er kauft es, so würde ich keinen Betrug n.9 (bedenklich wegen. des ZahlungsversJlrechens n. 6); Friedsam a. a. O. S.2$,
annehmen, A. M. auch Heilbronner a. a. O. S. 37. Denn es ist Sache der bes. aber S. 72 ff.; Heilbronner a. a. O. S. 12 ff.; Frank zu § 2fi3 Ir 1.
.Lotterieverwaltung, zu wissen, ob die Loose noch zu begeben sind oder nicht.
2 Bezüglich des Tatsachenbegriffs nimmt RG a. richtig an, dafs Absichten
Wer dagegen einen Bekannten um 150 M. Darlehn bittet und schweigt, obgleich
er merkt, dafs der Gebetenf! ihm statt dreier Fünfzig-Mark-Scheine drei Scheine Tatsachen sind; s. bes. I v. 8. März 1880; II v. 14. Nov. 1893 (E I S. 305; XXIV
zu Hundert gegeben hat, der betrügt ihn: denn er erklärt damit implicite, dafs S. 407); b. prinzipiell an, dafs die Tatsache nie etwas, Künftiges, sondern etwas
er nur 150 M. erhalten, und untel'hält dadurch den Irrtum des Gebenden. Vergangen es oder Gegenwärtiges sei: RG III v. 6. Febr. 1881 u. Y. 28. N ov. 1889
5 Merkei, bei HH III S. 753, de~nirt Tatsache als "ein äufseres und der
(E III S. 332/3; XXS. 143); das Gericht führt diesen i3latz aber nicht strikt durch.
Gegenwart angehöriges Verhältnifs"; Hälschner II S. 261 als "Alles, was ge- So wird die Zusicherung des Wechselschuldners , er werde allemal in der Lage
schehen ist, darum als Gegebenes feststeht"; Olshausen zu § 131 n. 2 als "etwas sein, den Wechsel zu decken, in III v. 6. Febr. 1881 als Vorspiegelung falscher
Vorhandenes oder Geschehenes, d. h . Alles, was der Gegenwart oder Vergangen- Tatsachen richtig angesehen.
heit, nicht aber, was der Zukunft angehört". So wesentlich auch schon Ortloff 3 Diese kann die Maske der Wahrheit tragen. Nennung des eignen Namens
a. a. O. S. 475. S. auch Friedsam a. a. O. S. 4$ /4; Frank zu§ 263 Ir 1. kann Betrug sein, wenn der Namensträger als ein anderes gleichnamiges Indivi-
6 Letzteres wird meist geleugnet: die zukünft.ige Tatsache sei eben noch duum erscheinen will. Rommel, Betrug S. 25. Wer wissentlich eine im Hypo-
keine Tatsache. A. M. Rommel , Betrug S. 18 ff. Dafs aber am 21. Sept. jeden thekenbuch richtig an dritter Stelle eingetragene Hypothek im Hypothekenbrief
Jahres die Sonne fast genau um 6 Uhr auf- und untergeht, ist ebenso Tatsache, als zweite bezeichnet und diesen veräufsert, kann dadurch wol betrügen. Vgl.
wie dafs die Schwangerschaft mit dem 9. Monat endet. Wenn also der von der RG rn v. 23. Febr. 1881 (E III S. 392).
SchwanS"ern konsultirte Arzt, trotzdem er feststellt, die Schwangerschaft dauere 4 Wer ein Geschickspiel für ein Glückspiel ausgiebt, täuscht also über eine
schon VIer Monate, ihr vorspiegelt, die Entbindung werde normaler Weise erst Tatsache (RG IV v. 10. Okt. 1890; E XXI S. 107/8); wer die Chancen eines
in sieben Monaten erfolgen, so ist diefs Vorspiegelung einer falschen Tatsache. Geschickspiels gröfser erscheinen läfst, als sie sind, täuscht nicht: so bei dem
Man könnte hier sagpn wollen, er spiegele die Tatsache vor, dafs die Schwanger- berüchtigten "Kümmel-Blättchen". A. M. wol RG I v. 23. März 1896 (E XXVIII
schaft erst zwei statt vier Monate alt sei. Das. ist möglich ,allein nicht nötig. S. 283 ff.).
Wenig gewichti&, ist, was Friedsam a. a. O. S. 47/8 dagegen vorbringt. UJI- 5 So auch RG IV v. 22. Okt. 1889 (E XX S. 3/4); vgI. IV v. 25. April 1893
richtie; auch Hellbronner a. a. O. S. 6.16. (E XXIV S. 144 ff.) u. 01 s hau sen zu § 263 n. 10. - In RG IV v. 18. Febr. 1896
I Davon, dafs der kriminelle Betrug mehr als das Behaupten der falschen (E XXVIII S. 189 ff.) wird m. E. ganz unnötig mit dem dolus eventualis operirt .
. Tatsache, nemlich den Versuch ihrer Erhärtung fordert - ,so Kohl er, Treue Wer behauptet, eine Kuh sei gesund, während er für sehr möglich hält, dafs sie
und Glauben S. 23, und nach ihm Frank zu § 263 Ir -, weifs unser geltendes tuberkulös ist, behauptet ganz direkt eine falsche Tatsache: seine Ueberzeugung
Recht nichts. Richtig Olshausen zu § 263 n. 10. von der Gesundheit.
1
i

§ 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 340
348 §85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug.

liegen, oder nicht weifs, dafs sie vorliegen 1. Wenn das GB in § 263 der Gläubiger ist: denn bei diesem Rechtsgeschäft gerirt er sich als
Vorspiegelung falscher die Entstellung und die Unter- Gläubiger und profitirt nic.ht nur untätig von fremdem Irrtum, sondern
spielt die falsche Rolle, die jener Irrtum ihm zuweist, uncl die mit-
drückung wahrer Tatsachen zugesellt, so ist das nur eine bestimmend ist für die Handlung des vermeintlichen Schuldners 1.
scheinbare Vermehrung der Mittel. Denn die entstellte wahre Tat- InKonsequenz dieser Ansicht würde ich auch Betrug annehmen, wenn
sache ist eine falsche, und die Unterdrückung einer wahren Tatsache Jemand einen früher absichtlich erregten Irrtum später bei anderem
ist die Vorspiegelung ihres Nichtgeschehenseins, also wieder die Vor- .>~~ Anlasse geflissentlich benutzt, um den Getäuschten auszubeuten 2 •
spiegelung einer falschen Tatsache, im Gewande der unterlassenen
Mitteilung der wahren 2. Treffend hebt defshalb Olshausen zu 3. Die Vorspiegelung falscher Tatsachen mufs die
§ 263 n. 13 hervor, dafs die Frage, wann Jemand durch Unter- Erzeugung oder elie Fortdauer eines Irrtums über diese
drückung wahrer Tatsachen täuschen könne, sich allein nach den Tatsachen bei dem zu Täuschenden bewirkt haben 3 • Das
Grundsätzen der Kommissivdelikte durch Unterlassung beantworten Gesetz spricht richtig von Erregen oclerUnterhalten cles
lasse a. Ganz falsch wäre, zu sagen, wenn er die Rechtspflicht der I I' I' t ums. Letzteres ist mehr als Bestärken unb besteht in dem
Mitteilung hatte 4. Diese murs vorhanden sein 5, reicht aber nicht tätigen Abhalten von der Erkenntnis des richtigen Sachverhaltes.
aus 6. Der Zeuge, der sich des Zeugnisses weigert, damit der Richter Wenn also das wahrheitswidrige Verhalten auf keines Anderen Vor-
sein Wissen nicht zur Entscheidung verwerte, täuscht denselben nicht, stellung gewirkt hat, so fehlt jede Möglichkeit der Betrugsannahme 4.
auch nicht durch Unterdrückung wahrer Tatsachen. Wol aber täuscht 1 Man vergegenwärtige sich nur, dafs der Empfänger _l'egelmäfsig jiber den
er ihn, wenn er die ganze Wahrheit zu sagen versprochen hat und Empfang seiner Schuld quitt.iren wird. Richtig K ö s tl in, Z XIV S. 416 ff. i
nun wichtige Tatsachen verhehlt; nicht minder täuscht - anscheinend dagegen Merkei, Abh. II S 183.184; ders. bei HH HI S. 756; wol auch
durch Verschweigung der Mängel -, wer diese verdeckt und sie da- Hälschner II S. 267. Zutreffend RG Iv. 15. März 1880; ferner - nur nicht
durch unerkennbar macht, selbst wenn er diefs noch vor Fassung des ?- ~ bezüglich des Vorteils - RG Irr v. 18. März 1889 (E I S. 314/5; XIX S. 161 ff.).
betrügerischen Vorsatzes getan hat 7; defsgleichen, wer wissentlich Nicht einwandfrei IV v. 26. Jan. 1894 (E XXV S. 9.5 ff.).
2 A. M. RG IV v. 21. Juni 1898 (E XXXI S. 208 ff., bes. S. 210 unten). S.
ein indebitum annimmt, ohne zu sagen, dafs er nicht oder nicht mehr aber z. B. den Fall bei Grors , Raritätenbetrug S. 246. - Der Versuch Heil-
bronners a. a. 0., bes. S. 28 ff., aus der "Entstehungsgeschichte" des Preufs.
StrGB § 241 u. des RStrGB § 263 u. aus den "Motiven" den Beweis zu führen,
1 S. den hübschen Fall bei G r 0 f s, Raritätenbetrug S. 35, wo ein Kauf- dafs der Betrug des § 263 stets eine näufsere TätiO'keit" im' Gegensatz zum
lustiger bei einer Auktion einer wertvollen chinesischen Vase durch einen Blei- "blofsen Schweigen" verlange, ist zurückzuweisen. 'Der ganze Gegensatz ist
stiftstrich einen Sprung anfälscht. m. E. falsch gedacht. Olme> täuschendes Handeln kein Betru0'. Wie weit aber
2 Defshalb ist eine scharfe 8cbeidung zwischen Vorspiegelung falscher und jene Täuschung die Maske der Untätigkeit annehmen kann, darüber sagt § 263
Unterdrückung wahrer Tatsachen ganz unmöglich. Letztere mufs sich. stets auch keine Silbe. Der Motivenkultus erreicht hier seinen Höhepunkt; "Nachdem aber
als erstere auffassen lassen. So z. B., wenn eier Offizial- sich als Wahlverteidigor die Motive selbst ein solches Erfordernis aufstellen, darf davon .n ie und nimmer
gerirt. RG I v. 28. April 1881 (E I V S. 227 fi'.). Wer in der Absicht, elen Gläu- abgegangen ... werden." (!) Die Entscheidungen, die nachher H. selbst S. 32 ff.
biger über elie Person des Schuldners zu täuschen, nicht mitteilt, dars er es sei, trifft, sind meist. richtig. · .
der das Darlehn erhalten hat, spiegelt vor, dafs er Nichtschuldner sei, will damit 3 Vgl. Merkei, Abh. II S. 174ff. Der Betrüger kann sich natürlich zur
frei werden von einer Rechtspflicht auf Kosten des Gläubigers und versucht Tüuschullg eines Schuldigen oder Getäusehten als einer Mittelsperson bedienen.
diesen jedenfalls zu betrügen .. Fehlgehend trotz der apodiktischen Redeweise S. auch RG I v. 25. Sept. 1884 (E XI S. 249). .
RG III v. 10. Okt. 1892 (E XXIII S. 244 ff.; richtig die erste Instanz). Gradezu ~ Wer durch Täuschung des Schaffners' oder eines sonstigen Kontrolbeamten
eine Apotheose der Illoialität ist der Satz: "Der Schuldner ist rechtlich nicht ver- mittels eines falschen oder abgelaufenen oder auf einen andern Namen lautenden
pflichtet, das Bestehen der Schuld einzugestehen; er ist befugt, vom Gegner Billets als Fahrgast die freie odcr zu billige Fahrt erlangt, begeht zweifellos
Beweise zu erwarten und bis zu deren Erbringung zu leugnen." Betrug. Hat er sich schweigend unter die Fahrgäste gesetzt, so liegt darin gegen-
3 Ders. Ans. Fr a n k zu ~ 263 II 3.
4 So lautct die regelmäfsi$e Antwort, auch die des RG. Richtig dagegen \ über dem.revidirenden Schaffner die stillschweigende Versicherung, er sei mit
dem nijtigen Billet versehen. Hat er sich unter der Bank des Wagens verborgen,
Merkei, Abh. rr S. 138; GryzIecki, Betrug, bes. S. 48; Hälschner II S.259. und findet eine Revision der Fahrgäste im Wagen statt, so hat er
5 Ist sie noch nicht begründet, so kann Schweigen noch nicht als Unterdrückung den Kontrolbeamten in den falschen Glauben gesetzt, es sei Niemand sonst im
wahrer Tatsachen betrachtet werden. RG IV v. 5. Febr. 189.5 (E XXVII S. 1 ff.). -Wagen, der mitfahren wolle, und Betrug ist verübt. Wenn aber gar keine
G Fälschlich liirst Rom m e 1, Betrug S. 38. 43, jede rechtliche und sogar jede Täuschung konkurrirt _ unrichtig behauptet Friedsam a. a. O. S. 68 ff., sie
moralische Pflicht der Mittcilung genügen. konkurrire nie! ,der Schaffner etwa im Einverständnisse ist, oder der blinde
7 Gut Me l' k e1. Abh II B. 158 unten: "Die Lüge des Objekts ist daher Passagier sich unbemerkt auf die Puffer des 'Wagens setzt oder in einen leeren
im Zweifel zugleich Li~ge Dessen, der dasselbe, den verborgenen Mangel dolos Kohlenwagen legt, so fehlt Betrug. Richtig v. Liszt S. 455; Contzen,Die
verschweigend, veräufscrt." Beachtlich RG III v. 28. Nov. 1889 (E XX H. 144 ff.). strafrechtliche Behandlung des blinden Passagiers. Hilclesh. 1899; Fr a n k zu
Die wissentlich vertragswidrige Leistung ist Betrug, wenn ihre Kontrakt- § 263 V 5; im Wesentlichen auch Zwitzers, Der blinde Passagier. Gött. 1896;
märsigkeit behauptet oder der Defekt absichtlich verdeckt ist (zu weitgehend zu allgemein 01 s hau sen zu § 263 n. 2 a und die dort Angeführten, sowie n. 26
R omm el, Betrug S. 24). Sieht die falsche der echten Leistung an siCh zum Abs. 3. Ygl. auch Itommel, Betrug S. 45 ff., wo Falsches und Richtiges sich
Verwechseln. ähnlich, so murs die Behauptung der Kontraktmäfsig~eit hinzu- mischt. Ganz unrichtig die Behandlung der Frage bei Schlesinger, S. 80. 81.
kommen. DIese kann aber auch durch Fordern der vollen GegenleIstung ge- Unrichtig auch der Ausgangspunkt Kohlers, Treue und Glauben S. 50. Die
schehen. S. einerseits RG I v. 10. Jan. 1887 (RSpr IX S. 15) und andererseits Judikatur des RG ist zu gleichgültig gegen das Fehlen des Täuschungsmomentes.
RG III v . 5. Juli 1886 (E XIV S. 310 ff.).
'I
350 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 351
Da[s der Irrtum schwer zu vermeiden war, ist nicht von Nöten, viel- 4. Der Irrtum des Getäuschten mufs - entsprechend
mehr genügt jeder Kausalzusammellhang zwischen der des Betrügers Willen - , sei' s alle in, sei' s als ein erd e l'
täuschenden Handlung und der vorhaudenen Täuschung!. ausschlaggebenden Fakto ~ren, ihn zu einem Handeln
War der Getäuschte verpflichtet, sich nicht täuschen zu lassen - wie mi t verm ö g en sre c h tl i ch er Wir k ung be stimm t haben.
Der Be t I' U ger f 0 r 0. e I' t Kau s a 1z usa m m e n h a n g z w i s ehe n

'.
beispiels weise der Proze[srichter dem einseitigen Partei vorbringen
meist den Glauben versagen mufs -, war er aber säumig in jener dem Irrtum des Getäuschten und seiner Handlung .
Pflicht, so hat er ehen die Irrtum verursachende Kraft der Täuschung Dieser und mit ihm der Betrug entfällt, wenn die Handl ung
gewähren lassen, statt sie zu coupiren, und grade durch die pflicht-
. zwar dem Willen des Täters entspricht, aber
widrige unterlassung dem Betrüger die Herstellung des Kausal- a. g a n z u n a b h ä n gig g e s tell t ist von cl e m vi elle ich t
zusammenhangs ermöglicht 2. erzeugten Irrtum. So in den tausenrl Fällen, wo Jemand, ohne
auf die Lügen der Bettler, Marktschreier, Wahrsager u. s. w. zu achten,
Vgl. RG I Y. 20. Juni 1881; II Y. 13. März 1888; IV Y. 20. Okt. 1893; III v. ihnen Geld giebt, um sie los zu werden 1 oder um sich ein Vergnügen
11. Juni 1894 (EIV S.295ff.; XVII S.217ff.; XXIV S.318ff.; XXVS.412ff.).- zu machen oder um seine Neugierde zu befriedigen, wo Jemand den
U ebrigens murs man sich daI'über klar werden, daf~ sich hier die Wege scheiden. Kauf geschlossen oder das Darlehen gegeben hätte, auch wenn er dem
Wer zum Betrug . eine ökonomische Schädigung fordert, wird das Mitfahren deI.' lügnerischen Vorgeben keinen Glauben geschenkt hätte. "Es hat auch
blinden Passagiere für irrelevant erklären: Post oder Eisenbahn wären doch
gefahren, und Ihre Betriebskosten sind durch die Mitfahrt ja kaum erhöht. Nur einen Reiz, auf eine witzige Weise geprellt zu werden" 2;
wer in der Verletzung des Forderungsrechts - auch abgesehen vom ökonomischen h. oder ihren Grund zwar hat in einem Irrtume
Erfolge - schon eine Schädigung erblickt, darf hier auf Betrug zukommen. des Handelnden, den aber der Täter weder erzeugt
1 "Weder für das Strafrecht noch für das Civilrecht gilt der Grundsatz, no c h u nt e l' halt e n hat. Wer den bestehenden Aberglauben nur
dars der dolus des Verletzenden durch die culpa des Verletzten purgirt werde" :
Merkei, Abh. II S. 261. ausbeutet, wie die[s die Wahrsager, Kartenschläger , Zeichendeuter,
2 Die Frage, wie weit durch Täuschungen im Prozesse ein Betrug verübt die Händler mit sog. Sympathiemitteln III eis t tun, betrügt nicht, ob-
werden kann, ist ungem ein streitig. S. darüber auch Friedsam a. a. O. S. 48 ff. gleich das Eintreten auf den fremden Wahn diesen wol bestärken wird 8.
und neuerdings Mich e I, Der strafbare Betrug im Civilrecht. Breslau 1898. D enkt Der Betrug entfällt des Weiteren, wenn die schädigende Handlung
man zunächst an den Civilprozefs, so ist unbestritten, dars die eine Partei durch
täuschende Vorspiegelung der andern zu einem Vergleiche, Verzichte oder zu des Getäu.schten gar .nicbt durch den Willen des nachher Bereicherten
nachteiliger Anerkennung bewogen und so betrogen werden, kann .. Der Streit ausgelöst worden ist, sei's, dafs dieser getäuscht hat, ohne
beginnt, wenn der Richter als getäuscht und die Partei als benachteiligt erscheint. es zu wollen, in Folge davon vom Getäuschten Vermögensobjekte
Köstlin, Abh. S. 149. 150, leugnet die MöO'lichkeit eines Betl'Ugs im Prozesse übertragen erhalten und nachdem beschlossen hat, davon zu profitiren,
durch Täuschung des Richters überhaupt, sel~st wenn die Partei falsche Beweise
vorlegt. Ebenso Kohler, Treue und Glauben S. 50. - Merkel , Abh. Ir S. 18516 sei's, dafs 0. erG e t ä u sc h t e sie h 0 h n e Zu tun des s p ä t e l'
u. 283 ff. , erkennt sie an und ganz besonders, wenn falsche Beweismittel benutzt
sind. Ebenso offenbar Hälschner II S. 207/8 Durchaus richtig auch Meyer die Täuschung diese Wirkung übt, so sehe ich nicht ein, was am Betruge fehlen
S . 583. Ungenau Gryziecki, Betrug S. 77 ff. Die konstante Praxis des RG soll. Es ist nicht wahr, dafs durch die Pflichtwidrigkeit des Richters, zu glauben,
lehnt die Annahme einer Täuschung des Richters durch einseitiges Partei- was er nicht glauben sollte, der Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und
vorbringen ab, - in sehr. achtungswertel' Betonung der Richterpflicht, aber wol Irrtum unterbrochen wird. Auch ist nicht wahr, daCs der Richter einseitigem
in Verkennung der richtigen Auffassung des Kausalzusammenhangs und jedenfalls Parteivorbringe'n stets nur pflichtwidrig glauben könnte. Warum dürfte das
in scharfem Widerspruch zu der vom RG selbst adoptirten falschen Kausalitäts- Schöffengericht dem Privatkläger nicht glauben, der, um möglichst grofse Burse
theorie. Denn daCs das falsche Parteivorbringen eine Bedingung der richterlichen herauszuschlagen, Schmerzen simulirt, die er nie erlitten hat? Mir will scheinen,
Täuschung' bilden, diese also" verursachen" kann, dürfte nicht zu leugnen sein . diese Ansicht würde bereitwilliger aufgenommen, wenn erst einmal der Begriff'
Uebrigens handelt es sich nicht entfernt allein um Richter oder der B eweisa ussage schärfer herausgearbeitet und sie insbesondere auch aus dem
andere Beamten, auch Private können die Rech tspflich t haben , weiten Kreise der Parteivorbringen klarer ausgesondert worden wäre. S. Lehr-
sich nicht täuschen zu lassen. Wie RG so v. Liszt S. 458; Olshausen buch II IS. 109 ff.
zu § 263 n. 40. 41; beachtlich dagegen Rommel, Bet.rug S.55. 56. S. auch Frank Wie man sich aber auch zu dieser Frage stellen mag, interessant bleibt
zu § 263 V 3. - Vgl. RG III v. 25. }<'ebr. 1880; II Y. 8. Juni 1880; III v. 23. Febr. be.im Betruge durch Täuschung der Richter die Bestimmung der Vollendung.
u. v. 30. Dez. 1881; I v. 26. Sept. 1887; I v. 12. Mai 1880; IV v. 5. Jan. 1897; II v. Regelmäfsig tritt sie mit der Rechtskraft des Urteils ein. So auch Mi c hel
24. J an. 1899 (E I S. 227 ff.; II S. 91 ff.; III S. 392 ff·.; V S. 321 ff.; XVI S. 193 ff.; a. a. O. S. 42. Ist das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt, dann aber mit
XX S. 391 ff.; XXIX .S. 291 ff.; XXXII S. 1 ff.). - Wol aber erkennt RG die dieser Vollstreckbarkeit und nicht erst mit vollzogener Leistung. S. aber
Möglichkeit betrügerischer Täuschung des Richters durch falsche Bescheinigungs- Michel S. 42. .
oder Beweismittel und durch echte Beweismittel unwahren Inhaltes an : RG Ir v. • 1 Dagegen ist das Betteln unter kausaler Vorspiegelung von Not oder Ge-
8. Juni 1880; . IIr Y. 18. Dez. 1880; II v .. 28. Dez. 1886; I v . 26. · Sept. 1887 (E II brechen natürlich Betrug. RG I Y. 4. Juli 1881; III v. 26. Mai 1882 (E IV.
S. 91 ff.; IU S. 169 ff.; XV S. 132; XVI S. 193 ff.). Diesen Standpunkt vertret.en S. 352/3; VI S. 360/1). .
im Wesentlichen auch Friedsam a. a. O. S. 48 ff. und Michel, Der strafbare 2 So treffend Merkel, Abh. II S. 232. - Nicht uninteressant RG IV v.
Betrug im Civilproz efs, s. bes. S. 16, der aber den RG v. 25, Febr.1880 und 22. Mai 1896 (E XXVIII S. 38617).
v. 31. Dez. 1881 entgegentritt. - Ich selbst schliefse mich durchaus Merkel, " Ortloff, a . a. O. S. 251, möchte hier seheiden, ob der Kartellschläger den
Hälschner und Meyer an. W'enn ein Partei vorbringen darauf angelegt ist, Kunden aufsucht oder dieser jenen. Sehr abweichend B ayr. S tr. G.B. v. 1813
den Hichter zu täuschen und zum nachteiligen Urteile zu bestimmen, und wenn A. 263 VI.
352 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug.
§ 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 353
Bereicherten getäuscht und sich dadurch bewogen gesehen
hat, diesem Vorteile zuzuwenden. Wer einen alten Schimmel Schädigung einem Dritten zu Gute kommen soll, darf sie nicht ein-
für einen wertvollen Araber ansieht und dafür eiben übertriebenen fache Sachbeschädigung, sie murs vielmehr nachteilige Ver-
Preis bietet, den betrügt der Verkäufer nicht, wenn er den Preis äu[serung oder Aufgabe von Rechten (nicht auch von
nimmt und ihm dafür da/! Pferd giebt.
5. Diese Handlung des Getäuschten murs sich als rechtliche Aneignung, also regelmäl'sig eine Unterschlagung der-
unmittelbare Schädigung seiner eignen oder der seiner selben, falls nicht der Verkauf nur die Konsequenz einer früher schon volle
zogenen Aneignune; zieht.
Verfügungsgewalt unterworfenen Vermögensrechte dar- 2. Gerirt SIch der Nichteigentümer bewufst als Eigentümer,
stellen, und diese Schädigung murs erin Folge seines so wird er den Käufer über sein Recht der Uebertragung reo-el-
I I' l' turn s ver k e n n e n 12. So bedarf der Betrug Ka usalzusammen_' mäfsig täuschen. Ja, wir wollen uns einen so gewissenhaften Käufer den'ken,
hangs zwischen der vorhandenen TäUSchung und der dafs er auf das Geschäft nie eingetreten wäre, hätte er auch nur geahnt, dafs
. der Verkäufer mit fremden Sachen handle. Er glaubt nun, des Verkäufers Sache
schädigenden Handlung. Wenn der Getäuschte die Handlung zu kaufen. Er wird dann - von § 935 einstweilen abo-esehen -
bewu[st vornimmt auch für den Fall, da[s sie ihn oder den Vertretenen a. Eigentümer, wenn er in dem Augenblic'ke, wo er das Eigentum
eventuell schädigen wird, so ist dieser Kausalzusammenhang unter- erwerben würde, guten Glaubens ist und den Besitz von dem Veräufserer erlangt
brochen, und der vollendete Betrug entfällt 84. SoUte diebetrügJiche . hat. Dann erscheint er nicht geschädigt: denn ihm ist der Vertrag erfüllt. Der
Verkäufer aber hat auch keinen widerrechtlichen Vermögensvorteil erlangt: denn
Täuschung statt zum Nachteil des Getäuschten zu dessen Vorteil aus- der Kaufpreis ist ja Aequivalent für den Eigentumserwerb, den der Käufer dem
schlagen, sollte sie vieI1eicht seinen guten Glauben erzeugen und iHn Verkäufer daIlkt. Daran wird auch durch BGB § 816, bez. § 823 Abs. 1, wonach der
so in den Stand setzen, Eigentum an fremder Sache zu erlangen, so bisherige Eigentümer den Kaufpreis herausverlangen kann, nichts geändert. Denn
fehlt nicht nur vollendeter, sondern auch versuchter Betrug 5. Da die der Verkäufer und nicht der frühere Eigentümer hat den Anspruch auf den Kauf-
preis. Es liegt also kein Betrug vor, - auch kein solcher, bei dem der
Geschädigte und der Getäuschte auseinanderfallen. Nur verschärft sich der
1 Gut RG UI v. 22. Jan. 1888 (E VIII S. 13): Zum Betrug gehört, "dafs die Schaden des früheren Eigentümers. Erst hatte er ledi&"lich den Besitz, jetzt hat
Handlung des Getäuschten, welche dire1;:t oder indirekt (?) dem Betrüger Gewinn, er auch das Eigentum verloren. - Der Käufer aber WIrd .
dem Betrogenen Schaden vermitteln soll, sich als eine Disposition über Ver- b. Ni eh te i gen t ü m er, wenn die Täuschung so durchsichtig war, dafs
mögensrechte
werte an Stelle darstellt".
der Rechte. Sehr oft aber treten anderwärts die Vermögens_ sein Irrtum auf grober Fahrlässigkeit beruht. Dann ist er natürlich ge-
schädigt, - dann liegt Betrug vor. BGB §§ 932.933.934.
2 Der Vereinfachung der Darstellung halber gehe ich im Folgenden vo n c. Diese beiden Entscheidungen sub a u. b treffen auch dann zu, wenn
dem Normalfall der Selbstschädig'ung aus. Uebrigens ist zu beachten, seitbns des Uebertragenden Geld oder Inhaberpapiere übertragen werden,
dafs der Getäuschte auch handlungsunfähig , seine Tat also auch nichtig sein die ihm nicht gehören, und die dem Eigentümer gestohlen, verloren oder
kann. Ist ein Wahnsinniger geschädigt und durch die TäUschung zur Vornahme sonst abhanden gekommen sind, SOWIe wenn verlorene und gestohlene
der Veräufserung, die er in ihrer :finanziellen Nachteiligkeit erkennt, bestimmt Sachen im Wege öffentlicher Versteigerung veräufsert werden. BGB
worden, so schliefst die Einwilligung des Verletzten den Betrug nicht aus. Es § 935. Anders aber fäIlt die Entscheidung,
sind diefsS.die
genügt. oben S. 341 Fälle,
seltenen Note 1.Worin zum Betrug eine tatsächliche Bereicherung d. wenn anderweite Sachen, die dem Eigentümer "gestohlen worden,
verloren gegang·en oder sonst abhanden gekommen", veräufsert werden. Denn
8 Diefs eventuelle Wollen der Selbstbeschädigung ist etwas ganz Anderes als dann verschafft auch der gute Glaube des Erwerbers diesem nicht das Eigentum.
das Bewufstsein Von der Möglichkeit der Unwahrlieit des Vorgespiegelten. Trotz Er ist also geschädigt, und Betrug liegt vor, - natürlich nur unter der
dieses Zweifels
Rommel, liegt
Betrug I::l. Betrug
62. vor, wenn der Irrtum bestimmend wirkt. S. auch Voraussetzung täuschenden Verhaltens des Veräufserers. BGB ~ 935.
Freilich, dill regelmäfsige Deutung dieser Ausnahmebeatimmung mufs dem
4 Analog sind die Fälle zu beurteilen, wo der Getäuschte noch nicht ge- Kriminalisten die gröfsten Bedenken erwecken, selbst wenn der Besitzverlust
leistet hat, nun die TäuSchung erkennt und doch leistet, statt . die ihm nach Civil- o hn e Willen des unmittelbaren Besitzers dem w i d er seinen Willen gleich ge-
recht zuständigen Mittel zur Abwendung des Schadens zu gebrauchen. Beachtlich steIlt, wenn die freiwillige Besitzaufgabe seitens des geschäftsunfähigen und
Gryziecki,
von Betrug S. 129. Für die Bestimmung der Vollendung ist dieser Punkt
Wichtigkeit! bescbränkt geschäftsfähigen Besitzers als Nichtaufgabe, die durch Nötignng oder
Erpressung erlangte Besitzübertragung als Nichtübertragung desselben betrachtet
5 Zu BGB §§ 932-935. Es ist hier die Stelle, die strafrechtliche Rück- wird. Vgl. BGB § 123 und Planck, Kommentar zu § 935 (Sachenrecht S. 188.
wirkung des BGB §§ 932-935 in Kürze zu beleuchten. (Doch sei zuvor darauf 189). M. E.wi1'd lüe1' dem ganz äufserlichen Moment der freiwilligen Aufgabe
hingewiesen, dars was zu diesen Paragraphen gesagt wird, analog gilt auch für des faktischen Habens eine Bedeutung beigelegt, die ihr nicht zukommen sollte.
BGB §§ 405 ff.; 1032; 1207 und HGA § 366.) Frülier beging Der einen Betrug, Es ist ja nicht wahr, dars diese Besitzaufgabe stets eine freiwillige ist. Ich
der wissentlich eine fremde Sache als seine eigene verkaufte oder vertauschte und mufs beispielsweise meine Sachen dem Handwerker zur Reparatur geben, - ich
in Folge davon dem getäuschten Teile Eigentum nicht übertrug. Soweit nach dem mag wollen oder nicht; ich m u Cs vor meiner Reise meine Papiere auf die Bank
frÜheren HGB A. 306 der bona :fide Erwerbende Eigentum erlangte, so weit lag bringen, weil ich sonst ihre diebliehe Enteignung zu fürchten habe. Und wenn
aber kein Betrug Vor. InZWischen hat der Grundsatz des HGB A. S06 durch BGB nun Handwerker und Bank sie unterschlagen, so sollen die Sachen dem Eigen-
§ 932 in seinem Geltungsß"ebiet eine bedeutende Erweiterung erfahren. Ich lasse \ tümer nicht wider Willen abhanden gekommen sein? Hat er den unmittelbaren
in der .Folge alle die Fälle aufser Betracht, wo der Tmdent Eigentümer zu sein
glaubt, und fasse nur die ins Auge, wo er weils, dafs er es nicht ist. Der Ein- -I Besitz nicht wider seinenWilIen verloren? Das einzig Billige und Ver-
nünftige wäre, die unterschlagenen Sachen den 9:estohlenen gleich
fachheit halber erlaube ich mir aUch, nUr vom Verkaufsgeschäfte zu sprechen. zu stenen. Und icb hane die Auslegung d .e s BGB § 9S.5 in diesem
Nun liegt 1. in dem wissentlichen Verkauf einer fremden Sache Sinne für durchaus zulässig. Das Citat "Hand wahre Hand!" imponirt
- Bofem er nicht ausnahmsweise rechtlich gestattet ist _ stets eine wider- mir nicht. Der alte Satz ist in absolut andersartigen Verhältnissen entstanden
und darf eine widerstrebende Gegenwart nicht zwingen wollen. Der Kriminalist

I Binding, Strafrecht. Besonderer Teil. I. 2. Aufi. 23


§ 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 355
354
"Werten") oder Nichtgeltendmachung derselben oder Be- geliehene Uhr ihm selbst zurückzubringen -, so wird er erst dadurch
lastung mit Pflichten sein l2 • Der Getäuschte braucht die geschädigt, dafs der Detentor sich die Sache aneignet, und ob dieser
juristische Natur seiner Handlung nicht zu erkennen (er wird z. B. das tun wird, ist zur Zeit selbst dann noch zweifelhaft, wenn der
ohne sein Wissen bewogen, ein Wechselaccept oder einen Schuldschein t Empfänger den Besiti zu diesem Zweck erschlichen hat I. Es läge
zu schreiben), aber meist wird er es tun: wesentlich ist nur, dafs nahe, bei Inhaberpapieren wenigstens die Uebertragung der Detention
er ihre schädigende Wirkung verkennt und sie ohne schon als Schädigung des bisherigen Besitzers zu betrachten. Allein,
die sen Irrt u m u n t e rl ass e n h ä t t e. genauere Betrachtung zeigt auch hier, dafs die Schädigung erst ein-
Genauester Betrachtung bedarf cliefs Merkmal der Schädigung tritt, wenn der Detentor sich das Papier aneignet.
bei den bewufsten Akten der Veräufserung (einschliefslich des Erlasses Soll Jemand durch Täuschung zum Abschlufs und zur Erfüllung
von Forderungen) und der Belastung: bei beiden ist sich der Handelnde eines Vertrages bewogen werden, so bedeutet natürlich schon der
ja über die Vermögensminderung im Klaren. S 0·11 erd 0 eh üb er Abschlufs und nicht erst die Erfüllung den Eintritt des Schadens 2.
deren Nachteiligkeit irren , so mufs die Handlung not- Schon durch ihn ist das Vermögen wesentlich belastet. Daran ändert
wendig vorgenommen werden gegen in Aussicht ge- die Anfechtbarkeit des Vertrages (J3G B § 123) gar nichts.
no m m e n e A e q u i val e n t e , die sie haI s sol c~h e na c h her b. Der Schaden mufs sein ein Schaden im Rechts-
nicht ergeben. Und zwar mufs sich grade das Aequivalent als sinne (s. auch sub c). Handelt es sich um Schädigung von Privat-
illusorisch erweisen, gegen welches veräufsert wurde. Dieser Aequi- rechten, so kann insbesondere das Strafrecht keine Vermögensverletzung
valente giebt es zwei Arten: das ideale der geleisteten Woltat, des annehmen, die das mafsgebende bürgerliche Recht leugnet a. Defshalb
geförderten guten Zweckes, der befriedigten Neugier und das re ale wird auch für die Begränzung des strafrechtlichen Betrugs der Satz
des in Aussicht gen ommenen Vermögenserwerbs. bedeutsam: vigilantibus jura sunt scripta '. Im Rechtsverkehr stehen
Bezüglich diesesS eh ade n s ist Folgendes zu beachten: die Interessen der Verkel;ll'Slustigen einander meist scharf gegenüber:
a. er mufs eintreten unmittelbar durch die Hand- jeder hat die seinen zu wahren und die dazu nötige diligentia zu
lung des Getäuschten 8 • Ueberträgt dieser dem Täter nur De-
tention - etwa mit dem Auftrag , das Geld einem Dritten oder die I
If i
prästiren. Die Lügen, die ihren Zusammenhang mit dem Partei-
interesse nicht verleugnen, hat Jeder zu nehmen als das, was sie sind:
als Empfehlungslügen. Glaubt er ihnen, so ist das sein eigener Schade 5 •
weifs, dafs die Unterschlagung den Hauptbestandteil jedes Diebstahls bildet, dafs
sie vom Diebstahl in concreto nur sehr schwer geschieden werden kann, und
nun soll das Gattungsdelikt der widerrechtlichen Aneignung derart geschieden 1 RG sieht in der Entziehung des Besitzes stets Schädigung, in seiner Er-
werden,dafs ein Teil desselben zwar dem U ebergan~e des 'Eigentums der ent- langung durch Täuschung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil. S. bes. RG III
wandten Sachen auf den gutgläubigen Erwerber femdlich entgegensteht, der v. 10. Jan. 1880 (E I S. 55 ff.). Man denke aber doch einmal Rn das einfache
andere Teil ihn aber nicht zu nindern vermag! Sieht man denn nicht ein, dafs nechtsgeschäft des depositum! Wird denn der Deponent dadurch geschädigt
diefs zugleich eine grofHe Ungerechtigkeit wider den durch das Verbrechen schon und der Depositar bereichert? Das ganze Geschäft dient allein dem Interesse
schwer getroffenen Eigentümer und eine sehr häfsliche Begünstigung des Delin- des Deponenten! - In einem Falle, in dem ich Verteidiger war, hatte ein
quenten bedeutet? Kann der Urheber der Unterschlagung, kann sein Hehler Agent verschiedentlich als angeblicher Bevollmächtigter der Gläubiger Gelder
Eigentum übertragen, so hat dieser oder jener einen Re c h t s anspruch auf den bei deren Schuldner erhoben - jedesmal in der Absicht, sie für sich zu be-
Erlös: man sichert ihnen also die Vorteile ihrer Tat. Das wäre doch halten - , hatte sie aber allemal, aufder im letzten Falle, aus Sorge vor Ent-
aber eine des Gesetzgebers in der Tat unwürdige Rolle! So wäre eine ver- deckung den Gläubi~ern überbracht und sich als ihren negotiorum gestor gerirt.
nünftig ausdehnende Auslegung des BGB § 935 dringend geboten. Wo liegt die Schädigung? Für die richtige Gränzlegung .zwischen Betrug und
Wird sie abgelehnt, dann hat Sich die Praxis m. E. so zu stellen: der Unterscblagung K ö s t I in, Abh. S. 154; Me I' k e I, Abh. II S. 106. 196 ff. (vgl. .
wiss·entliche Verkauf einer unterschlagenen Sache stellt keinen dens. bei HHIIl S. 764); Gryziecki, Betrug S. 92 u. S. 110ff.; HälschnerII
Betrug dar, da das Eigentum auf den bona fide Erwerbenden übergeht, es sei S. 268/9. Dagegen Meyer ::i. 697; Olshausen zu § 263 n. 29; Rimpau
denn die Sache durch Fundunterschlagung oder dadurch erlangt, dafs der Besitz S. 31 ff.; Rommel, Betrug S. 73.
de~ unmittelbaren Besitzer wider .dessen Willen, aber damals ni~ht i~ Aneignungs- 2 Grundsätzlich a. M. Goltdammer, Mot. LI S. 547; Schlesinger S. 54/5
abSicht entzogen wurde: dann hegt doch Betrug vor! Fur diese funda- (wenig klar); vgl. S. 74/5.
mental verschiede·ne kriminelle Behandlung absolut gleichartiger .,... a In seiner Besprechung der 1. AufL dieses Buches in der KrVJSchr XLIII
I
Fälle fehlt aber jeder innere Grund! S.448 weist Finger darauf hin, dafs das Strafrecht das Chikanirverbot des BGB
1 Defshalb geht die übliche Definition des Schadens, er sei "jede ungünstigere § 226 kaum ignoriren könne. Diefs entspricht auch durchaus meiner Ansicht. Wenn
Gestaltung der Vermögenslage" , so völlig fehl. So das Reichsgericht in vielen also Jemand beispielsweise die chikanöse Ausübung eines Rechts durch Täuschung
Entscheid.; s. z. B. RG I v . 6. Dez. 1880 (E III S. 142 ff.). Die schlechte Definition des Berechtigten erfolgreich abwendet, so würde ich natürlich keinen Betrug
des Preufs. Landrechts I 6 § 1 : "Schade heifst jede Verschlimmerung des annehmen, da insoweit "die Ausübung des Rechtes" unzulässig ist, das Dasein
Zustandes eines Menschen in Ansehung seines Vermögens· hat uns kriminell des Rechts also insoweit ignorirt werden mufs. Aber den EinRufs der Chikane
schwer geschädigt. in ihrer Begränzllng. des Betrugsgebietes hier weiter durchzuführen, hiefse eine
2 Das Recht auf Looserneuerung gegen eine Lotteriedirektion ist ein echtes sowieso schon komplizirte Materie weiter kompliziren.
Vermögensrecht. RG II v. 16. Febr. 1900 (E XXXIII S. 193 ff.). 4 S. I 24 i. f. D quae in fraudem 42, 8.
3 Defshalb allein liegt in dem interessanten Fall RG III v. 11. April 1892 5 VgL 1 16 § 4 D de minor. 4, 4; 122 § 3 D locati 19, 2; 1 19 pr D aedi1.
(E XXIII S. 53 ff.) kein Betrug vor. ed. 21, 1. Pe d i u s tr,ifft den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt (l 19 pr D cit.):
23*
356 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 357
Anders, wenn die erlogenen Sacheigenschaften vertragsmäfsig zu- _der unter einer zutreffenden VoratLssetzung schenkt, wo lab er Der,
gesichert und dafür besondere Aequivalente gefordert und versprochen dem nicht geleistet wird, worauf er für seine Gegen-
sind 1. Handelt es sic.h bei Kauf oder Tausch um unsichtbare Fehler, I,' leistung einen Rechtsanspruch hat. Die Veräufserung von
die der Verkäufer nicht erst verborgen hat, so hat sich der Käufer Vermögensrechten gegen ideale Aequivalente ist also stets - aber
danach zu erkundigen 2. Das regelmäfsige Symptom civiler Schädigung auch nur dann - Schädigung, wenn diese sich als illusorisch erweisen.
ist das Recht des Geschädigten zur Civilklage. Ist~ ihm aber als einem ß. Wird aber veräufsert gegen ein anderes Vermögens recht
Unwürdigen die Klage versagt 3, so hat das Strafrecht den Schaden oder gegen Befreiung von einer Last - liegt somit ein sog. zweiseitiger
doch anzuerkennen: denn die Strafe ist nicht der Ersatzverbindlichkeit Vertrag vor - , so ist wie der De r ge s c h ä d i g t, cl ern ich t
subsidiär 4. erhält, was er von Rechts wegen beanspruchen kann 12 •
c. Der Schaden wird meist auch ein wirtschaftlicher sei n,
allein nötig ist cHefs nicht: die wirtschaftliche Schädigung 1 Stets handelt es sich um . ein Minus im Rechtssinne. Er erhält beispiels-
allein reicht nicht aus, und ihr Fehlen hebt den juris- weise kein Geld, obgleich er Baarzahlung zu fordern hat, oder keinen zahlungs-
tischen Schaden nicht aufö. willigen oder zahlungsfähigen Schuldner (man denke an Wechsel mit gefälschten
a. Genügte die Minderung des Vermögenswertes als solche Accepten), oder statt einer· ersten eine zweite Hypothek (RG III v. 23. Febr. 1881;
E III S. 392 ff.), oder statt eines gut vermietheten ein schlecht vermiethetes und
zum Schaden, so würde jede Veräufserung von Vermögenswerten gegen statt eines Hauses mit feststehenden ein solches mit schon gekündigten Hypotheken
ideale Aequivalente und jede Erwerbung von geldunwerten Sachen gegen (m. E. fehlgehend RG II v. 29. April 1881; E IV S. 117 ff.; richtig die erste
Geld einen solchen darstellen, - und zwar ganz einerlei, ob Instanz), statt eines Stadthauses ein Landgrundstück (auch wenn slCh Sc h 1 e-
das Aequivalent einkäme oder nicht. Wer einem Bettler singers Silberlager, S. 65. 66, darin befinden sollte!), oder statt Weines sog.
Kunstwein (RG I v. 20. Okt. 1881; E V S. 137 ff.), oder statt eines angebliCh
drei Mark schenkt, wird wirtschaftlich ganz gleichmäfsig um diesen gröfseren Grundstücks dasselbe nach Abzug einiger Parzellen (m. E. fehlgehend
Betrag ärmer, mag der Bettler ein Preller oder ein sehr bedürftiger RG Il v. 6. Nov. 1880; E IX S. 362 ff.); sein Inserat erscheint nicht, wie ver-
Mann sein. Die Täuschung würde also für den Schaden gar nicht sprochen, in einem Blatt .von 10000, sondern nur von 500 Exemplaren (RG IV v.
kausal, denn dieser träte ein, auch wenn die vorgespiegelte Not in 27.0kt. 1896; E XXIX S. 124/5); der Fiskus erhält statt der höheren Gebühr die
niedere (RG III v. 24. Jan. 1884; EX S. 48 ff.); der Patient statt eines sach-
Wahrheit bestünde. Wer eine angebliche Locke . seines verstorbenen \t) verständigen Rates und geeigneter Medikamente Hat und Mittel eines Kurpfuschers
Vaters für 20 M. ersteigerte, der verlöre 20 M. für ein paar Haare, (RG III v. 16. Mai,vgl. I v. 17. Febr. 1887; E XVI S. 93 ff.; 315 ff.); der Gläu-
die grade so wertlos sind, wenn sie von dem Vater, als wenn sie von biger statt einer heute fälligen Forderung ein erst in drei Monaten fälliges
einem Dritten herstammen. Juristisch aber ist Der nicht geschädigt, Forderungsrecht (wegen der durch Täuschung bemäntelten mora des Schuldners
dürfte in RG III v. 15. März 1883, E VIII S. 164 ff., vollendeter Betrug an-
zunehmen sein); der Käufer statt der versprochenen trächtigen Kuh eine nicht-
multum interest, commendandi servi causa quid dixerit, an vero praestaturum se trächtige (RG I v. IR Mai 1893, E XXIV S. 17112, führt richtig aus, es komme
promiserit, quod. dixit. U eber diesen ganzen Punkt trefflich Me r k e I, Abh. II gar nicht darauf an, ob der Käufer die Gewährschaftsklage besessen habe oder
S. 254 ff. Gut schon Klien, NA I S 154ff. Sehr lebhaft gegen die Verwendung nicht). - Der V p.rschiedenheit von Kunden- und Nichtkundenwechsel möchte ich
dieses Gesichtspunktes tritt L am m a s c h, Schweiz. Z f. Strafr. IX S. 50617 ein. als solcher aber keine Bedeutung beilegen. A. M. RG LU v. 25. Juni 1885 (E XII
1 N ach diesen Grundsätzen ist auch der mit Täuschung und Betrug durch 8. 395 ff.: zum Teil recht bedenklich), rektifizirt durch III v. 14. Mai 1891 (E XXII
und durch versetzte Antiquitäten- und Raritätenhandel zu beurteilen. Interessantes S. 20 ff.). Vgl. auch IV v. 5. März 1895; I v. 28. Jan. 1897 (E XXVII S. 75 ff.;
Material bei G r 0 f s, Raritätenbetrug (s. oben S. 338). XXIX S. 349 ff.). Ebenso liegt kein Minus vor, wenn der Versicherungsnehmer
2 Vgl. RGI1 v. 9.Nov. 1880 (E Ir S. 430 ff.): Verschweigung des "Krippen. sich bei einer bestimmten Gesellschaft versichern will und durch den Agenten
setzens" beim Pferde. bei einer andern, grade so verläfslichen Gesellschaft zu gleichen Bedingungen
3 S. BGB § 762-764. versichert wird: RG I v. 16. April 1896 (E XXVIII S. 310 ff.). - Ueber die Be-
4 "Wo immer unser gemeines Civilrecht dem Geprellten die civilen Schutz- stimmung des andern Ehegatten zur Eheschliefsung durch falsche
mittel versagt, da ist auch eine Kriminalklage wegen der vorliegenden Ver- Vorspiegelung über die Vermögensverhältnisse s. RG IIIv. 22. Jan.
mögensbeeinträchtigung als solcher nicht zu erheben": Merkei, Abh. II S. 226 1883 (nicht unbedenklich); II v, 21. Mai 1886; I v. 10. Jan. 1901 (E VIII S. 12 ff.;
(de lege ferenda). A. Ans. ders. , de lege lata bei HH III S. 759. Nicht richtig ! XIV S. 137ff.; XXXIV S 85ff.). Will ein KäUfer au;sschliefslich Waaren
Hälschner Ir S. 265: "Der strafbare Betrug hat in allen Fällen den civilrecht- bestimmten Ursprungs, und erkliirt er das, der Verkäufer giebt ihm aber
lich zu verfolgenden Anspruch zur Voraussetzung." Vgl. Köstlin, Z f. Civilr. 4; , trotzdem andere gleicher Güte, so liegt der Betrug auch dann vor, wenn die
u. Prozefs N. F. XV S. ö13-321. Richtig Schlesinger S. 73/4. - Kohler, gelieferte und die geforderte Waare gleiche Preise hatten oder jene wenigstens
Treue und Glauben S. 43, will den Betrug beim Spiel nicht gestraft wissen. preiswürdig war. A. M. RG III v. 10. März 1880 (E I S. 266 ff.). Gar nicht selten
Aber unser Gesetz weifs davon nichts. Richtig RG IV v . 10. Okt. 1890 (E XXXI aber dient die Bezeichnung der Ursprungsstätte nur als solche der Qualität, öder
S. 107/8). . . der Verkäufer fafst sie so auf, oder der Käufer drückt damit nur den Wunsch
5 Defshalb mufs ich die Schadensdefinitionen in der Art, wie z. B. Schi e- möglichst billigen Kaufes aus (er will aus einer Konkursmasse kaufen), - dann
singer S. 50 sie giebt, für durchaus irrig halten. Schlesinger führt dieselbe fehlt Betrug. Vgl. RG I v. 20. Sept. 1883 (E IX S. 171 ff.). Bezüglich des
ziemlich konsequent durch und kommt . defshalb vielfae.h zu unannehmbaren Kreditbetrugs s. unten S. 361.
Resultaten. Ganz unzutreffend auch v. Li s z t S. 456: "Vermögensbeschädigung 2 Ein Papier als Inhaberpapier ausgeben und es mit dem Vermerk "Un-
liegt vor, wenn der Geldwert des Vermögens durch die That verringert wird." übertragbar" versehen ist eine protestatio facto contraria, wie sie schlimmer
Anders S. 457, wo wieder die individuelle Lage des Getäuschten für bedeutsam nicht gedacht werd~n kann. Defshalb schädigt der Fahrgast die Bahn nicht, der
erklärt, also der rein rechnerische Standpunkt aufgegeben wird. ein von ihm nicht gelöstes Retourbillet benutzt. Wer soll denn verpflichtet
i 358 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 359
In schwer begreiflichen Gedankengängen gelangt das Reichs- geschädigten Recht, sondern an dem Monstrum des Gesamtwertes.
gericht, welches sich in seiner Praxis bezüglich des Betrugs mit Vor- Schaden ist ihm einfach eine Differenz zwischen dem
liebe auf den Standpunkt des Werttaxators stellt 12, zunächst zu einer Gesamtwert desselben Vermögens zu zwei Zeitpunkten:
fundamental andern Auffassung des Sc ha den s, dann zu einerm. E. ist dieser Wert nach einem bestimmten Ereignis - sagen wir nach
in keiner Weise zu rechtfertigenden Bestimmung desselben grade bei einem Vertragsabschlufs - kleiner wie vorher, so liegt Schaden vor,
den zweiseitigen Verträgen 3. Es mifst den Schaden nicht am sonst nicht. Daraus wird die Notwendigkeit verschiedener Behandlung
des Betrugs bei Ab s chI u f s des Ver t rag sund bei E rf ü 11 u n g
werden, nicht zu übertragen? Diese Verpflichtung in blanco ist nichtig, und es desselben gefolgert!. Angeblich hat der Paciscent vor Abschlufs
ist in hohem Maafse zu beklagen, dafs die Praxis und ein Teil der Theorie diesen cl e s Ver t l' a g s noch gar kein Recht wider die Gegenpartei: er er-
kleinlichen Bestrebungen, alle Vorteile der Inhaberpapiere zu geniefsen, aber wirbt solches erst durch den Vertrag. Erweist sich nun sein Vertrags-
keinen ihrer Nachteile in den Kauf nehmen zu wollen, Vorschub .leistet. So RG I
v. 7. Febr. 1887 (RSpr. IX S. 114 ff.); d e J 0 nge a. a.O., der freilich nicht sowol recht ungünstiger, als er erwarten durfte, macht er also nicht "den
die Unübertragbarkeit der Billets als die gleich unrichtige Unteilbarkeit der erwarteten Gewinn", so ist er angeblich doch dann nicht geschädigt,
Leistung behauptet; Olsh ausen zu !l 263 n.33 1; Con tzen, Blinder Passagier wenn die ihm gewordene Gegenleistung keinen geringeren Wert hatte
S. 24. _. Dagegen v. Jhering, Jahrb. f. Dogmat. XXII S. 327 ff.; v. Bar, GS als die von ihm gemachte: der Schaden läfst sich hier also nur be-
1888 S. 481 ff.; ]'riedsam a. a. O. S. 57 ff., und mit wenig guten Gründen
Schlesingcr 8. 82 ff. stimmen durch sorgfältige Taxirung der Gegenleistung. Wird aber
1 Es kommen hier besonders in Betracht RG III v. 17. März 1880; Ir v. Jemand bei E rf ü 11 u n g des Ver t rag s geschädigt, also durch eine
29. April 1881 u. v. 6. Nov. 1883; III v. 9. Juni 1887 u. v. 11. April 1892 (E I von der versprochenen abweichende Leistung, so liegt der Schaden
S. 318 ff.; IV S. 117 ff.; IX S. 362 ff.; XVI S. 161 ff.; XXIII S. 55 ff.); bezügli("h auch dann vor, wenn die Minderleistung rechnungsmäfsig das volle
der durch Täuschung bewir.kten Versicherung auf Gegenseitigkeit
mit Nachschufspflicht statt auf feste Prämie RG Ir v. 2. Okt. 1885; Aequivalent für die Leistung des Gegners bildet: denn dieser hatte
Iv. 29. ApriI1886;Plen.-Beschl. v. 20. April 1887 (E XII S. 392ff.: XIV S. 229ff.; ja durch dert Vertrag ein Recht auf die Mehrleistung erhalten.
XVI S. 1-14). Die beiden Referate z. Plen.-Beschl. s. GS XLIII 1890 S. 321 ff. Ebenso richtig wie die letzte These, ebenso falsch ist die erste.
Die Fälle sind ungenügend mitgeteilt. Nach m. Ansicht hat die Frage- Denn nicht erst durch· den Vertrag erwerben die Parteien Rechte
stellung von Anfang an den entscheidenden Punkt umgangen. Wie
die Frage gestellt ist, kann sie juristisch gar nicht beantwortet werden. Dennoch gegen einander, sondern schon durch die Vorberedungen: und diese
ist das erste Referat eine Arbeit von sehr hohem vVerte! - Dagegen steht fest gehen dahin, dafs sie den Vertrag so schliefsen, wie er beredet ist,
auf dem Boden juristischer Betrachtungsweise RG III v. 12. Okt. 1885; IV v. dafs insbesondere der Verkäufer kontraktmäfsig die Leistung über-
2. Juni 1896 (E XIII S. 6 ff.; XXVIII S. 394 ff.). nehme, die er gegen den offerirten Kaufpreis zu übernehmen ver-
2 Frei von diesem Fehler ist auch Merkel nicht. S. Abh. TI S. 107. 231;
ders. bei HH IU S. 766. 767. Ganz auf falschem Boden stehen Hälschner II sprochen hat. Es geht nicht an, dafs der Verkäufer eines Grundstücks,
S. 249 ff. (s. bes. S. 251n. 2. 252); Gryziecki, Betrug, bes. S. 107 ff.;Berner der den Käufer durch die Lüge, es gehörten gewisse an der Land-
S. 573; v. Li szt S. 457; Schi esinger a. a. 0, bes. S. 74tf.; wol auch R. S chm id t, strafse gelegene, zu Baustellen geeignete Parzellen zu dem Kauf-
D. Jur.-Ztg. 1900 S. 151, der die Praxis des RG in diesem Punkte m. E. doppelt objekte, zum Vertragsabschlufs bewogen hat, beim Richter Gehör
unrichtig "gesetzestreu und gesund" nennt. Ko hier, Treue und Glauben S.28. 29,
läfst eine "individuelle Schädigung" zur Begründung civilistischer Haftung aus- findet mit' dem frivolen Einwande, er habe zwar durch diese Lüge
reiehen, während zum kriminellen Betruge "ltllgememe ökonomische Vermögens- den Käufer "gemacht", aber betrogen habe er nicht, denn der Kauf-
einbufse" zu fordern sei. Worauf K. diese Unter~eheidung gründet, ver~irst er preis sei auch so noch ein angemessener 2! - Gewifs hat Niemand
zu sagen. Am freisten von jenem Fehler ist Meyer, 4. Aufl.., S. 689. ö98. 711 ein Re c h t, durch Kauf einen Profit zu machen. Aber durch die
(freilich nicht sehr klar). Vgl. 5. Auf!. S. 577. Auch Rommel meidet ihn an
entscheidenden Stellen, S. 126/7. 144 fl·. Vorberedungen des Kaufs kann Jemand ein solches für den Fall
3 In dem Plen.-Beschl. d. RG v. 20. April 1887 (E XVI S. 1 ff.; vgl. das des Kau fa b s c h 1 u s ses erlangen. Und somit kann er auch durch
Referat des ersten Referenten GS XLIII S.325/6) werden eine su bj e kti v e und den Kaufabschlufs darum betrogen werden.
eine 0 b j ek ti v e Theorie der Schädigung einander gegenübergestellt. Erstere
nehme stets l:lchädigung an, wenn der Getäuschte eine vorteilhafte oder nach- Juristen nicht um Wert gegen Wert, - welche Anschauung stets dazu treibt,
teilige Verfiigung nicht getroffen hätte, wäre er nicht durch Täuschung dazu dafs Leistung und Gegenleistung den gleichen Wert haben sollten; vgl. dal!iegen
bewogen worden; letztere nur dann, wenn die Verfügung das Vermögen Dessen, die gesunde I 22 § 3 D locati 19, 2: Quemaclmodum in emendo et venClendo
dem sie gelte, "objektiv beeinträchtigt habe". Dieser ganze Gegensatz naturaliter concessum est quod pluris sit minoris emere, guod minoris sit pluris
samt seiner irreführenden BezeIchnung ist abzulehnen. Wer nicht vendere et ita invicem se circumscribere, ita in locatiombus et conductionibus
gekauft hätte, falls ergewufst, zu welchem Schleuderpreis ihm ein in Not befind- juris est -, sondern nur Leistung gegen Leistung. Wenn der Eine die
licher Künstler seine Statue anbietet, ist noch von Niemandem in der Welt für volle, der Andere nur die halbe in Aussicht genommene Leistung vertragsmäfsig
betrogen angesehen worden. Die einzig mögliche Scheidung der Standpunkte ist übernommen, der Eine voll, der Andere nur halb geleistet hat, so ist eben jener
die, ob über den Schaden und sein Maafs juristische oder zwar juristisch rechtlich geschädigt. Auf seine übrigen Vermögensverhältnisse kommt dann nichts
angehauchte, aber in der Tat wirschaftliche Anschauungen - ich an: der Schaden bestimmt sich nicht, wie RG in konsequenter Feststellung seines
lasse dahingestellt, ob sie ri,chtig oder falsch sind - entscheiden Standpunktes wiederholt ausführt, durchaus individuell. - Gut über diesen
sollen. Diese Frage hat sich auch der Plen.-Beschl. nicht scharf gestellt, und Punkt Gumbel a. a. O. S. 2 ff.
jedenfalls steht er .- nur mit :Mühe das Gleichgewicht haltend - auf dem 1 S. die Abhandlung der Verein. Strafsenate (E XVI S. 10).
falschen Standpunkte. Bei den zweiseitigen Verträgen handelt es sich für den 2 S. RG II v. 6. Nov. 1883 (E XVI S. 362 ff.).
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360 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 361
Es ist also ohne jede Rücksicht auf den Wert der Gegenleistung Aber leicht wird von rechnerischem Standpunkte aus für Gefährdung
geschädigt, wer ein Bauerngut statt eines Wirtshauses, ein Solinger erklärt, was rechtlich Schädigung ist, so der Kr e d i t b e t r u g 1, ins-
statt eines englischen Messers u. s. w. u. s. w. gekauft hat, - stets '('i' besondere die Z ec h p l' elle l' e i. Der Wirt schliefst mit dem Zechenden
unter der Voraussetzung, dafs die Vorspiegelung der falschen Eigen- ein Zug-um-Zug-Geschäft, und ihm wird nicht die sofortige Bezahlung,
schaft bestimmend oder mitbestimmend für den Abschlufs des Vertrags also ist er geschädigt: ihm wird der Zeit nach nicht, was er zu fordern
gewirkt hat 1. Wer sich gegen Hagelschlag auf eine einmal im Jahre hat, auc.h wenn der Preller Willen und Mittel hat, ihn später zu
zu zahlende feste Prämie versichern will und durch die Täuschung befriedigen 2 3.
des Agenten bewogen wird, einer Gesellschaft auf Gegenseitigkeit bei- g. .Wie die ganze Betrugl:lhandltl.llg so m u fs au c h die s e
zutreten, die aufseI' der Prämie auch noch Nachschüsse fordert, ist Vermögensbeschädigung zum rechtswidrigen Vorsatze
durch den Agenten geschädigt: denn er hat das Recht, zu verlangen, zur e ehe nb ars ein. Das Bewufstsein der Möglichkeit ihres Ein-
dafs die Gesellschaft das ganze Risiko gegen die feste Prämie über- trittes genügt nicht 4, wol aber der sogenannte eventuelle Vorsatz der
nehme; sie hat sie aber nur gegen zwei Verpflichtungen des Ver- Schädigung. .
sicherten, die zur Zahlung der Prämie und die. zur Zahlung des h. Der Be t l' U g, obgleich er mehr ist als nur vorsätzliche
Nachschusses, übernommen 2. Schädigung durch Täuschung, vollendet sich de lege lata mit
Wird Jemandem aber Anderes geleistet, als er zu fordern hat, cl er Schädigung. Diese tritt ein bei der Aufgabe von Forderungen,
etwa .Efsfett" statt Schmalz, er erkennt und behält es, so genehmigt bei der Uebernahme von Schulden, bei der Veräufserung gegen illu-
er die Leistung und ist dann nicht geschädigt. Es wird sich diefs oft sorische ideale Aequivalente mit dem Rechtsgeschäft selbst, selten
ereignen bei einem Kaufmann, der gute Gelegenheit zum Verkauf der später, wenn sich nämlich das Aequivalent nicht sofort als illusorisch
falsch gelieferten Waare weifs. Aber diese Möglichkeit, ja sogar der erweist 5. Bei den zweiseitigen Rechtsgeschäften aber ist zu scheiden.
Vollzug des günstigen Verkaufs beweist allein nichts gegen den ent- Soll der Getäuschte zu einem für ihn nachteiligen Vertrage bestimmt
standenen Schaden, sondern nur für seine Aufhebbarkeit, also für die werden, so bedeutet der Abschlufs des Vertrags auch den Eintritt
Möglichkeit, Ersatz zu schaffen B. ZU diesem Mittel zu greifen ist des Schadens: denn er verschafft dem Geschädigten weniger Rechte
aber der Benachteiligte nie verptlichtet. . I( oder mehr Pflichten, als er erwarten darf; ebenso, wenn der Vertrag
d. Der S eh ade n b l' aue h t k ein d aue l' n der sei n z u ü!haltlich nicht ungünstig ist, aber der eine Teil von vornherein nicht
sollen 4. Die Absicht späterer Ersatzleistung schliefst den Betrug zu leisten beabsichtigt 6. Soll aber der Gegenteil erst durch minder-
nicht aus.
e. Der Schaden mufs nach den Grundsätzen des Strafbeweises I Sehr wenig befriedigend Schlesinger a. a. O. S. 77ff.
in Gewifsheit gesetzt sein. Wahrscheinlichkeit desselben genügt nicht 2 Will sich Jemand durch Täuschung ein Darlehn verschaffen, und täuscht
zur Verurteilung wegen Betruges. er nicht über seinen Willen und seine Fähigkeit zur Rückzahlung, so fehlt selbst
f. Eine Vermögensgefährdung läfst den Rechts- dann Betrug, wenn letztere hinterher unmöglich wird und .der Entleiher diefs
bestand in takt und stellt defshalb keine S chäd i gun g dar 5 • hätte voraussehen können. Merkei, Abh. I! S. 124/5; ders. bei HH IU S. 762.
S Wer sich durch Täuschung des Gläubigers die Stundung seiner Schuld
erschleicht, wird frei von einer heute drückenden Verpflichtung und erwirbt
1 Bei den Tauschgeschäften über G.rundstücke kommt es dem Tauschenden, prinzipiell damit auf Kosten des Gläubigers einen Vorteil, auf den er kein Recht
der sich auf dem bieherigen GnlJldstücke nicht halten kann, oft nur darauf an, hat (s. auch RG .IH v. 2. Febl'. 1881; E III S. 332/3), er leistete denn dem
ein gleichwertiges Grundstück zu erhalten: die Qualität ist ihm sonst gleich- Gläubiger für die Prolongation das von diesem verlangte Aequivalent. Die
gültig . . Die Täuschung über die Natur des eingetauschten Grundstücks kann Schädigung des Gläubigers besteht in der Aufgabe eines fälligen Rechtes gegen
dann bedeutungslos werden. einen ganz oder teilweise solventen Schuldner. Ist dieser zur Zeit der Prolongation
2 Seine Zustimmung zu diesen Darlegungen hat Lammasch, Schweiz. Z ganz mittellos, so ist der Schaden des GläubiO'ers schon vorher vorhanden, also
f. Strafr. IX S. 507, erklärt. ' durch sie nicht verursacht, und somit fehlt J3etl'ug; ja, die Prolongation kann
a Gut RG I v. 20. Okt. 1881 (E V S. 137 ff.). . geschehen in stillem Hinblick auf künftige Zahlungsfähigkeit, also grade nicht
4 Richtig K ö s t I in, Abh. S. 156. S. auch RG I v. 20. Okt. 1881 (E V in betrügerischer Absicht. Ist der Schuldner aber zurZeit der Stundung nicht
&~ . .; mittellos, so liegt in der ohne Aequivalent erlangten Stundung stets eine Schä-
5 Richtig im Prinzip Olshausen zu § 263 n. 18 a. E. A. Ans. Köstlin, digung des Glänbigers, sowie eine rechtswidrige Bereicherung des Schuldners,
Abh. S. 152 fi·.; M el' kel, Abh. Ir S. 242 ff., der aber den Kreditbetrug vom Be- und der Betrug setzt durchaus nicht den Nachweis voraus, "dafs .durch die
truge scheiden und unter selbständige Strafdrohung ziE}hen möchte. De IE}ge lata Stulidung die Zlll' Zeit ihrer Erteilung noch vorhandene Einbringlichkeit der
etwas schwankend ders., bei HH III S. 762/3. - Gryzi ecki, Betrug S. 104 ff., Forderu!1~ vereitelt oder vermindert oder beziehentlich in höherem Grade ...
verneint, dafs der Kreditbetrug Betrug sei; er sei blofs Gefährdung, nicht Schä- gefährdet s~i". A. M. RG II! v. 9. Juni 1887 (E XVI S. 160).
digung. Hälschner l! H. 252 ff. will nur die Gefährdung, welche eine Wert- 4 Unrichtig RG I v. 6. Dez. 1880 und v. 25. Sept. 1884 (E III S. 144; XI
minderung bedeutet, als ausreichend ansehen, findet aber eine solche im K!'edit- S. 247). Richtig RG II! v. 21. Dez. 1881; Il v. 29. März 1889 und y. 8. Dez. 1893
bet.rug nicht. 0 I s hau sen dagegen (ZU § 263 n. 20) sieht in diesem echt'ln (Eventualdolus genüO't). S. E V S. 277 ff.; XIX S. 90 ff.; XXV S. 5 ff.
Betrug, wenn "in der Tat eine den Wert der Forderung mindernde Gefährdung r, Es wird kolle'ktirt für ein Concert, was der Künstler vielleicht halten will,
derselben eingetreten ist". So auch RG I!r v. 22. Febr. und v. 8. Nov. 1883 vielleicht auch nicht.
(E VIII S. 68 ff.; IX S. 168 fi'.). S Hier ist aber wie in manchen andern Fällen die Möglichkeit
~

§ 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 363
362 § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug.
er ein Recht hat, oder wer befreit wird von einer Pflicht
wertige Leistung geschädigt werden, dann tritt der Schaden durch trotz geschehener Unterleistung. Geldwert braucht
definitive Annahme der Leistung ein. Hat jedoch der Getäuschte, der Vorteil nicht zu haben!.
bevor er seinerseits leistete, die Anfechtbarkeit des Vertrags wegen -< b. Der V 0 I' t eil bi I d e t das G e gen teil ab ge w an d t e n
dolus der Gegenseite erkannt und doch geleistet, so hat er sich selbst
geschädigt, und es fehlt vollendeter Betrug. Nachteils2. Denn Nachteil ist Rechtsverlust oder Pflichten-
6. Der Schaden des Geschädigten. soll sich - rich- vermehrung, - aber freilich nur für Den, der keine Rechtspflicht zu
tiger der Getäuschte soll ihn - nach "Absicht" des ihrer Erduldung hatte 8. Andernfal1s sinel sie ja nur Rechtspflicht-
Täters in einen rechtswidrigen Vermögensvorteilfür erfüllung, und diese bedeütet nie einen Nachteil. Ver wundersam
den Täter oder einen Dritten (s. oben I 3) verwandeln!. erscheint die Behauptung, es sei die Absicht des Berechtigten, sich
Sonach entfällt der strafbare Betrug, wenn der Täter dieser Absicht einen Prozefs zu sparen, auf Erlangung eines Vorteils gerichtet. Die
ermangelt, es also bei der Schädigung durch Täuschung bewenden tatsächliche Notwendigkeit desl Prozefsgangs ist ein Unglück, seine
lassen will. So, wenn falsche Autografen, Manuskripte, Antiken ge- Vermeidung etwas Anderes wie ein Vorteil' . .Wer ein gutes Recht
fertigt werden, lediglich um Kritiker zu vexiren. hat, das er im Prozefs schwer beweisen kann, sichert sich durch
a. Vor t eil ist je der ein sei. ti ge Er wer bei n e s Erlangung "on Beweisurkunden - auch wenn er sie durch Täuschung
Rechts und jede einseitige Befreiung von einer Rechts.., erlangt -- nur gegen einen Nachteil, nicht aber gewinnt er einen
pflicht 2. Nicht entfernt stellt sich jede Verbesserung Vorteil. Erstreitet er doch nur gerichtliche Anerkennung seines
der Vermögenslage und nur sie als Vorteil im Rechts- Rechtes! Ganz anders, wenn das Recht nach Bestand oder Umfang
si n n e da r. Mag ich Pfandrechte oder Bürgschaften für gute oder zweifelhaft ist und sein Inhaber diefs weifs und sich nun doch durch
schlechte Forderungen gewinnen, so wird mir im Rechtssinne ein Täuschung volle aufserprozessuale Befri.edigung oder Beweisurkunden
Vorteil; werde ich darum gebracht, so habe ich in beiden Fällen für den ganzen Umfang der Forderung verschafft. Dann liegt Betrug vor,
Schaden. Bessern sich die Verhältnisse meines Schuldners, so dafs .fal1s das Recht nicht oder nicht im geltend gemachten Umfange bestand.
ich, hoffen kann, die ihm geliehenen 1000 M. wieder zu erhalten, so c. Der Vorteil murs "rechtswidrig", d. h. vom ob-
mindert i:\ich mein Risiko: ich gewinne ökonomisch, aber nicht j),uistisch ~. jektiven Vermögensrechte mifsbilligt sein. Nicht das
einen Vorteil. Wird mir durch Täuschung des Pflichtigen geleistet, Mittel der Erlangung macht ihn je rechtswidrig, sondern er ist diefs
worauf ich ein gutes Recht habe 8, so gewinne ich keinen Vorteil 4 ; objektiv und macht seinerseits das Mittel ' zu einem verbotenen.
zahle ich, was ich schulde, so erdulde ich keinen Nachteil. V 0 it eil Nichts ist verkehrter als die Behauptung, jeder Vor-
aber trägt davon, wem mehr geleistet wird, als worauf teil sei rechtswidrig, auf den der Erlangende kein
Recht habe 5 • Niemand hat ein Recht, beschenkt zu werden; ver-
gegeben, durch tatsächlich bewährte Sinnesänderung ein voll- pflichtet sich ihn} aber Jemand zur Schenkung, so erhält er einen
endetes Verbrechen unsichtbar zu machen. - In den häufigen Fällen Vorteil; nicht minder, wer jagdfreie Tiere okkupirt oder ein ihm vom
der Aufgeldprellereien, in welchen sich Jemand als Dienstbote vermiethet in der Schu1dner für eine schon bestehencl.e Forderung angebotenes Pfand
Absicht, nicht anzutreten, vollendet sich der Betrug mit Zahlung des Mieth- annimmt. In allen diesen Fällen wird der Vorteil, obg1eich ein
pfennigs, einerlei, ob der Preller seinen rechten Namen genannt oder verschwiegen
hat (a. M. Olshausen zu ~ 263 n. 39). subjektives Recht darauf nicht besteht, mit voller Billigung des
1 Grade bei Handhabung dieses Requisites zeigt sich die Verflachung der Gesetzes erworben: er ist ein rech tmäfsiger. Etwas anders beim
richtigen Betrugsauffassung. Weitaus am tiefsten hat es M er k e I gefafst. S. Hurenlohn, bei der Beute des Bettlers, des Hazardspielers. Jener wird
Abh. II S.90ff.; sehr gut auch Hälschner Il S. 273ff. und Olshausen zu
§ 263 n. 45; im Prinzip richtig auch D Ö r r, Ueber das Objekt ... S. 76 ff.;
sehr verkannt ist es von Gryziecki S. 139 fl'. wie von Rommel, Betr. S.65ff. 1 Die gegenteilige Ansicht darf als die herrschende bezeichnet werden.
Falsch auch Meyer, 4. Aufl., S. 697 n. 7. Bei v. Liszt, 6. Aufl., S. 442, stand 2 Auch das wird in kaum glaublicher Weise verkannt. S. z. B. Rommel,
wirklich der für v. L. so ungemein charakteristische Satz, "rechtswidrig" sei auch Betrug S. 70. 76.
"die ganze überaus grofse lind praktisch hochwichtige (!) Gruppe der dem Recht fY 3 Mög!ich ist, dafs der Täter einen Nachteil von sich abwenden will, indem
gleichgültigen Vermögensvorteile" . Er ist jetzt weggefallen! Ganz unklar er eine zu Unrecht - etwa auf Grund eines Meineides - ih:n auferlegte Leistungs-
Simonson, Vorteil S. 38 ff. pflicht abzuwenden sucht. RG II v. 12. Nov. 1889 (E XX S. 56 ff.).
2 Es sei mir diese abgekürzte Bezeichnung für Erwerb und Befreiung ohne 4 Beachtlich RG III v. 80. April 1881 und v. 11. Dez. 1882 (E IV S. 167 ff.;
Gegenleistung oder Leistung gestattet. . VII S. 378 ff.).
S Im Gegensatz zu einem anfechtbaren, mit Defekt behafteten. 5 Das ist auch die ständig wiederholte, ihm viel zu oft nachgesprochene
4 In einer guten, bei uns eingereichten, aber ungedruckt gebliebenen Dis- Definition des RG. S. z. B. UI v. 17. Dez. 1881 (E V S. 352 ff.). Der Versuch in
sertation (Engelmann) war mir eingewendet, ich betrachte es demgemäfs nicht RG I v . 7. Jan. 1895 (E XXVI S.354), sie zu rechtfertigen, ist völlig mifslungen.
als Vorteil, wenn ich durch Täuschung dahin wirke, das Vermögen meines Mitten in der Deduktion wird der Begriff des subjektiven Rechts mit dem des
Schuldners zu vermehren,. damit er mich bezahlen könne, ich bezeichnete ihn objektiven vertauscht. Jeder "Vermögenserwerb, dem das (seil. objekt.) Recht die
z. B. als kreditwürdigen Menschen und verschaffte ihm dadurch ein Darlehn. Anerkennung versagt", läuft gegen dieses; aber eine grofse Anzahl von Rechts-
Allein ich gewinne hier Zahlung durch Täuschung und Schädigung des Darlehns- erwerben wird gemacht, ohne dafs ein (subjekt.) Recht auf den Erwerb bestünde.
gebers : gegen diesen aber fehlt mir alles Recht!
I:.

364 § 85. Der einfache, der geschärfte und · der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 365
ohne das Recht, aber nicht wider es erworben; der Ertrag des Bettels 7. für die Sch uldseite des Betrugs: sie besteht in dem
wird durch verbotene Handlung, aber doch zu vollem Rechte erworben; Vorsatze rechtswidriger Bereicherung mittels Täuschung
die Beute des Spielers ist l:echtswidrig, denn er mufs sie herausgeben: und nicht aus dem Vorsatze rechtswidriger Schädigung, zu dem eine
und grade das ist das wichtigste Symptom des rechtswidrigen Ver~ weitergehende Absicht tritt 1. Auch sie ist ganz einheitlich und nicht
.mögensvorteils, da[s das Gesetz einen Anspruch auf seine Aufhebung dua-listisch. Da die rechtswidrige Bereicherung mittels Täuschung
gewährt J. Defshalb liegt aber auch in der durch List oder Nötigung nur durch die Schädigung geschehen kann, sos c h 1i e ft der Vor-
erlangten Erfüllung einer Naturalobligation nie ein rechtswidriger satz der Bereicherung den der Schädigung notwendig
Vermögensvorteil. ins ich. Mehr aber als diesen Vorsatz und etwa zu verlangen, die
Bei Betrug wie E r p l' e s s u n gc h ara k t~ r i sir t sich der Sucht nach dem Vorteil müsse das alleinige oder hauptSächliche Motiv
rechtwidrige Vermögensvorteil durch das Doppelte: er der ganzen Handlung gebildet haben, ist vom Gesetz nicht geboten
wird vom Bereicherten erlangt ohne Recht und zugleich und unrichtig, weil zu schweren Ungerechtigkeitel1 führend 2. Danach
auf Kosten der rechtlich anerkannten Vermögenslage würde straflos bleiben, wer lediglich zu dem Zwecke, einen angeblichen
eines Andern, durch Verwandlung des rechtswidrigen Kenner zu blamiren, ihm eine meisterhaft gefälschte Handschrift als
Schadens in rechtswidrigen Nutzen 2 • Daraus erhellt: im echt für teures Geld verkaufte. Das aber wäre tief bedauerlich 3!
Vorteil des Einen murs enthalten sein, worum der Andere gekommen Die Absicht des Täters, die ihm durch den Betrug erwachsende
ist. Man kann clie[s Erfordernis als das der S toff gl eie h h e i t von civilistische Verbindlichkeit dauernd zu vereiteln, welche sich etwa
Schaden und Nutzen bezeichnen 8. durch Angabe eiiles falschen Namens oder Domizils, durch Vorspiege-
d. Die se l' l' e c h t s w i d l' i g e V 0 l' t eil b l' aue h t w e der lung nicht vorhandener Solvenz, durch Erzeugung eines kaum erkenn-
vom T ä t ern 0 c h vom D r i t t e n er I a n g t zu sei n. Wird er es . baren Irrtums betätigt, ist kein Essentiale des Betrugsvorsatzes 4 5.
aber, so setzt sicht der Betrug bis zu diesem Zeitpunkte des voll~
endeten Delikts fort. Der vollendete Betrug stellt sich de lege lata IH. Unter geschärfter Strafe steht der Betrug im wiederholten
als ver s u c h t e r e eh t s w i d l' i g e B e r eie her u n g dur c h v 0 11- Rückfall. Ihn trifft Zhs von 1 J. bis 10 J. und zugleich obligatorisch
endete rechtswidrige Schädigung dar. Geld von 150 M.bis 6000 M., bei MU Gef. von 3 Mon. bis 5 J.,
e. Diese Erkenntnis führt auch zur rechten Deutung der woneben fak. Geld von 3 M. bis 3000 M. - GB· § 245 findet hier
vom Gesetz geforderten Absicht. Sie ist gerichtet auf Voll- analoge Anwendung.
endung des Bereicherungsdelikts und bedeutet nichts
Anderes wie den Vorsatz desselben 4 • Es wäre eine ganz 1 Völlig verkannt von Ortloff, Lüge, Fälschung und Betrug S. 442 ff.
falsche Auffassung, den Betrug des § 263 als durch die Bereicherungs- 2 S. auch RG- III v. 13. Mai 1895 (E XXVII S. 217 ff.).
.absicht qualifizirte Vermögens beschädigung zu betrachten~ Er ist a Welche Infamieen bei der ge_genteiligen Auffassung straflos ausgehen,
durchaus einheitlich und zwar als Bereicherungsverbrechen gedacht. dafür höchst lehrreich RG IV v. 28. Sept. 1886 (E XV S. 9 ff.). Die begründete
Daraus ergiebt sich Revision ward verworfen! .
~ A. M. Me r k e 1, Abh. II S. 280 ff.; recht bedenklich der s. auch bei HH
III S. 767 ~ 771. Me r k e 1 mufs auf diesen Punkt grofses Gewicht legen wegen
1 K atz, GS 1879 S. 443, definirt: "Rechtswidrig ist der Vermögensvortheil, smner Lehre von der Subsidiarität des Strafzwanges gegenüber dem Civilzwange.
dessen Objekt man nicht auf civilrechtlichem Wege durch Klage erlangen kann"; Der sog. kriminelle Betrug mufs also ein Plus über den sog. Civilbetrug hinaus
Frank zu § 253 IV 2, vgl. zu !\ 263 IV 3 c, rechtswidrig sei er erst dann, "wenn enthalten. Allein auch hier scheitert diese Lehre wieder. Uebrigens ist Merkel
er von dem Gewährenden im Wege des Rechts zurückvedangt werden kann". an diesp.mPunkte stark beeinflufst von .Escher, Betrug S.153ff., der das. auch
Letztere Bezeichnung ist besser, da sie die civilprozessuale Klage eliminirt. lehrt , die Strafe dürfe nur eintreten, wo "b. die civilrechtlichen Mittel nicht
2 Erlangt Jemand einen Vorteil wider das Recht, etwa eine Transport- ausreichen, den Lädirten schadlos zu halten", und der die betriigliche Absicht
leistung, die ihm wegen der Gefährlichkeit der Waaren ganz hätte versagt werden auch darauf gehen lassen wjll, "den Andern an seinem Vermögen so zu be-
sollen, aber gegen bezahlte Fracht, so bereichert er sich nicht aus fremdem einträchtigen, dafs er vom Civilrichter nicht schadlos gemacht werden kann".
Schaden. S. den interessanten Fall RG I!I v. 8. Nov. 1883 (E IX S. 168 tl·.). 5 Grofse Zweifel sind darüber entstanden, wie weit der Betrug mit andern
a Merkei, Abh. II S. 118, verlangt, die Objekte von Nachteil und Gewinn Verbrechen , welche gleich ihm auf Erlangung eines rechtswidrigen Vermögens-
·müfsten identisch sein. Geleugnet von RG I v. 7. April 1881 (RSpr. S. 202/3), vorteils gerichtet sind oder des Mittels der Täuschung sich zu bedienen pflegen,
wo diese Ident.ität grade vorhanden ist, von RG IV v. 23. März 1888 (E xvn idealiter konkuniren kann. Olme auf diese zum Teil sehr schwierige Frage
S. 266). Dem Gerichte beistimmend RommelS. 93. näher einzutreten, öemerke ich, dafs ich für möglich halte ideale Konk u rr e nz
~ Vgl. darüber Normen I S. 218 ff.; II S. 596ff. Olshausen zu § 263 n.49 des Betrugs mit o-ewinnsüchtiger Urkundenfälschung des GB § 268,
erkennt die terminologische Zu lässigkeit dieser Deutung an, will aber doch die mit der Münzfälsc\ung der §§ 146.147.150, mit dem Bettel des §361 n.4,
Absicht hier im Sinne des Motivs nehmen. Durchaus treff·end bezeichnet O. als dagegen für unmöglich halte eine solche mit Unterschlagung, Erpressung,
pra~tis.ches Resulta~ seiner Auffassung:. den Ausschlufs des sog. e:ventuellen Dolus Versicherungsbetrug, der Ausgabe falschen, als echt empfangenen
bezughch der Bereicherung. Daran halt auch RG !II v. 13. -Mal 1895 (E ]L'CVII Geldes (§ 148), der Gebührenüberhebnng des § 352, aber auch mit dem
S. 219) fest. S. aber gleich unten S. 365 Note 2. . Ebenso RG und natürlich v. Li s z t täuschenden Feilhalten verdorbener, nachgemachter und ver-
S.456. Richtig Geyer, Grundrifs II S.59, wol auch Merkel bei HH III fälschter Nahrungsmittel nach § 10 n. 2 des Gesetzes v. 14. Mai 1879. Vgl.
S. 772 n. 1. mein Lehrbuch (1. Aufl.) II 1 S. 285/6.
366 § 85. Der einfacne, der geschärfte und der gemilderte Betrug. § 85. Der einfache, der geschärfte und der gemilderte Betrug. 367

IV. Erheblich milder als selbst der einfache Betrug - nemlich Nun ist ein Doppeltes möglich:
nur mit Geld von 1 M. bis 150 lVI. - wird nach dem Ge setz, be t r. 1. Der Arbeitgeber unterläfst die Verwendung aus
die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Fassung L ä s si g k e i t. Er verschleppt die Zahlung. Hier fehlt ihm nicht das
v. 20. Mai 1898§ 152, 2 u. 31, Derjenige bestraft, der Bewufstsein, dafs er zur Zeit die Arbeiter schädigt und sich widerrechtlich
1. als Nichtmitglied einer solchen Genossenschaft die Legitima- bereichert: er beschwichtigt sich aber mit seiner Absicht, die Zahlung
tion eines Mitgliedes zu unbefugter Waarenentnahme aus dem Konsum- nachzuholen. Diesem Tatbestande vor Allem gilt die Strafdrohung (Geld
verein benutzt oder "auf andere Weise zu unbefugter Waarenausgabe von 3 M. bis 300 M. oder Haft, "falls nicht nacll anderen Gesetzen eine
zu verleiten unternimmt"; höhere Strafe verwirkt ist") im I n val i den ver sie her u n g s g e set z
2. als Mitglied einem Dritten seine Legitimation zum Waaren- § 182, 1;
kauf in solchem Verein zum Zwecke unbefugter Waarenentnahme 2. in der Absicht, es definitiv zu unterlassen. Damit
überläfst. Eine zur Täterschaft erhobene Beihülfehandlung ! ist aber die Absicht, die Arbeiter sowie den Versicherer zu schädigen,
unauflösbar verbunden, ebenso zugleich die Absicht, sie h einen rechts-
Es handelt sich hier meist um kleine Schädigung des Vereins widrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, auch wenn er vielleicht den
und kleine rechtswidrige Bereicherung seitens des Käufers 2. Willen hat, diesen einem Dritten zuzuwenden. Denn zu seinen. Gunsten
An h an g. Ein dem Betrug nah stehendes Bereicherungsdelikt ent- haben ja die Arbeiter auf einen Teil ihres verdienten Lohnes verzichtet.
halten das Krankenversicherungsgesetz, Fassung v. 10. April 1892, Ich kann defshalb die Fassung der beiden Gesetze: "in der Absicht, sich
§ 82\ und das Invalidenversicherungsgesetz, Fassung v. 19. Juli oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen,
1899, § 182: die Einbehaltung von Lohnabzügen, die der ode l' die berechtigte Gemeinde-Krankenversicherung oder Krankenkasse zu
Arbeitgeber zu Versicherungszwecken gemacht hat. Nach schädigen" (Ges. v. 10. April 1892 § 82 b), "oder die Versicherungsanstalt
beiden Gesetzen sollen die Arbeitgeber auch die Versicherungsbeträge für oder die Versicherten zu schädigen" (Ges. v. 19. Juli 1899 §182, 2)
ihre Arbeiter ·vorleisten, sind aber dann berechtigt, bei· den Lohnzahlungen nicht ganz korrekt finden.
den Arbeitern den auf sie entfallenden Versicherungsbetrag in Abzug zu Beide Gesetze drohen Gef. von 1 J. bis 5 J. und fak. Geldstrafe von
bringen. Die Arbeiter also sind beitragspflichtig, der Arbeitgeber aber soll 3 M. bis 3000 M. und fak. Ehrverlust. Bei MU kann nach § 82 bund
ihre Zahlung an den Versicherer vermitteln (s. RG Iv. 17. Juni 1897; m ufs nach § 182, 2 allein auf die Geldstrafe erkannt werden. Die Strafe
E XXX S. 161 ff.). Nur auf diesem Wege dürfen die Arbeitgeber den ist in dem älteren Gesetze ganz, in dem jüngeren fa~t ganz die des Be-
auf die Versicherten entfallenden Betrag wieder einziehen. Wenn sie nun truges (s. oben S. 340). Bezüglich des nach dem Ges. v. 19. Juli 1899
aber die abgezogenen Beträge nicht zu Versicherungszwecken ·verwenden, strafwürdigen Subjektes s. auch § 183 desselben Gesetzes.
sondern für sich behalten, so begehen sie keine Unterschlagung, weil, sel 1)st Die erforderte Absicht ist hier wie beim Betruge identisch mit dem
wenn sie die Beträge baal' in der Kasse haben, diese ihr Eigentum bilden. rechtswidrigen Vorsatze. S. RG II v. 26. Jan. 1894 (E XXV S. 104 ff.).
Sie schädigen aber widerrechtlich die Arbeiter dadurch, dafs sie ihnen einen Wer diers anerkennt, murs zur Verurteilung nach den einschlagenden Ge-
Teil des wolverdienten Lohns abziehen und sie nicht dafür versichern; sie setzen auch dann kommen, wenn der Arbeitgeber aus Mangel an Baar-
bereichern sich widerrechtlich durch diesen Schaden, und sie schädigen den mitteln die Verwendung der Beträge zu Versicherungszwecken definitiv
Versicherer, indem sie dessen Anspruch auf Zahlung des Versicherungs- unterläfst. S. auch Ges. v. 10. April 1892 § 53 Abs. 3; v. 19. Juli 1899
betrages nicht erfüllen. Der Tatbestand der Erlangung eines rechtswidrigen § 142 Abs. 4. Diers ist auch der konsequent festgehaltene Standpunkt des
Vermögensvorteils durch Schädigung Dritter ist also gegeben. RG. S. II v. 20. März 1894; IV v. 26. Nov. 1895; Iv. 17. Juni 1897
Nun kann der Arbeitgeber schon bei der Lohnauszahlung die Absicht (E XXV S. 194 ff.; XXVIII S. 5 ff.; XXX S. 161 ff.).
haben, die abgezogenen Beträge nicht ihrem Zwecke gemäfs zu verwenden.
Wenn der Arbeitgeber durch Täuschung des Arbeiters in der Absicht
Ueber diese Absicht wird flr meist schweigen. Da aber die Arbeiter ver-
pfli eh tet sind, sich diese Abzüge machen zu lassen, so wird die stillschweigend rechtswidriger Bereicherung diesen bestimmt, sich höhere als die gesetzlich
gemachte Vorspiegelung, dars der Einziehende die Gelder zu Versicherungs- berechtigten Abzüge machen zu lassen, so be t r ü g t er (Ges. v. 10. April
t 1892 § 82 und Ges. v. 19. Juli 1899 § 181 n.1 finden wegen ihrer Sub-
zwecken benutzen werde, nicht kausal für ihr Verhalten. Der s haI b li e g t
selbst dann kein Betrug .vor. Noch weniger, w.enn er erst nach sidiarität darauf keine Anwendung). Verbindet sich damit die Absicht, die
gemachtem Abzug beschliefst, diese Summe nicht für ihren Zweck zu ver- rechtmäfsig gemachten Abzüge einzubehalten, so dürfte Konkurrenz von
wenden. Es e II tf ä 11 tal so bei die s e r w i der I' e eh t 1ich e n Be- Betrug und verbotener Einbehaltung anzunehmen sein.
1'eicherung die Täuschung als das notwendige Mittel. Wird die Untreue ihrem Wesen nach gesetzgeberisch
ausgebaut, so dürfte diese ELnbehaltung als zu ihrem Ge-
biete gehörig erscheinen: der Arbeitgeber mifsbraucht
1 GBI. 1898 S. 84314.
2 Ueber einen hervorgehobenen Fall des einfachen Betrugs im Börsengesetz seine Stellung als Bevollmächtigter.
v. 22. Juni 1896 § 91 s. unten § 92 a. E. S. 404.

.1\
368 § 86. Der sog. Versicherungsbetrug. § 86. Der sog. Versicherungsbetrug. 369

§ 86. 2. Der sog. Versichernngsbetrng. gewillt ist, die Forderung geltend zu machen unter der
täuschenden Vorspiegelung, er sei der Berechtigte
GB § 265. S. die Literatur vor § 84 und Meves, StrRZ S. 405 ff.
oder fordere als dessen Vertreter: also durchaus nicht nur
Nach Vorbild allein. des preufsischen Strafgesetzbuchs hat das der Versicherte 1 2.
deutsche den sog. Versichernngsbetrng nicht zur Brandstiftung, U. Schitl'sversichernngsbetrng. Sein Objekt ist jedes See-
sondern zum Betrug gestellt, - freilich in einer Weise, die viel oder Binnenwasser-Schiff, das als solches oder in seiner Ladung oder
Zweifel ungelöst läfst. ' seinem Frachtlohn versichert ist.
Das Verbrechen begeht, wer in betrügerischer Absicht 1. Die Tat besteht in dem vorsätzlich rechtswidrigen Sinken-
eine gegen Feuersgefahr versicherte Sache in Brand oder Strandenmachen des Schiffs.
set z tod e r ein S chi ff, we 1ehe s seI bs t 0 cl erd e s sen Lad u n g 2. Bezüglich der Ab sie h t und des T ä tel' s gilt das zn I 3
oder Frachtlohn versichert ist, sinken oder stranden und 4 Gesagte.
m a c,h t. Strafe: Zhs von 1 J. bis 10 J. und obligo Geld von 150 IVI. IU. Mag , der eine oder andere Tatbestand verwirklicht sein,
bis 6000 IVI., bei MD Gef. von 6 Mon. bis 5 J. und fakult. Geld von regelmäfsig stellt er sich als eine stritfbare Vorbereitungs-
3 M. bis 3000 IVI. Versuch natürlich s.trafbar. Das Gesetz h an d lu n g zum Be tr u g dar 3 • . Indessen kann die Täuschung des
ist ein Mischgesetz, doch können seine beiden Tatbestände sich mit Agenten durch den Brandstifter schon begonnen haben, während
Bezug auf dasselbe Objekt - das versicherte Schiff; vg1. HGB §§ 778. letzterer seine Branderregung noch fortsetzt 4. Beachtet man nun,
779 - in einer Handlung verbinden: dann liegt nicht Konkurrenz, dafsdie §§ 306. 308 U. 323 zu § 265 im Verhältnisse der Alternativität
sondern' nur ein Verbrechen vor. stehen (s. Gr. I § 25 und Handbuch I S. 350. 352), dafs also § 265
I. Brandversichernngsbetrng. trotz seiner schweren Strafdrohung nur die leichteren Fälle · der
1. Objekt ist jede gegen Feuersgefahr formell Brandstiftung und der Schiffsstrandung trifft, dafs ferner der Ver-
gültig versicherte Sache, einerlei, wem sie gehört, bei wem sicherungsbetrug dem echten Betrug im Gesetz unmittelbar folgt und
sie zu ihrem wahren oder vielleicht übertriebenen Werte versichert mit ihm unter der Deberschrift des Betrugs steht, so dürfte der
ist, und ob an ihr auch echte Brandstiftung (§§ 306 U. 308) begangen Schlufs gerechtfertigt sein, dafs, wie sonst wol die Strafdrohung an
werden kann. Ist das Objekt auch gegen Explosion versichert, wie das versuchte Verbrechen, sie cliefsmal schon an die Vorbereitungs-
denn die Brandversicherungs - Gesellschaften die Gasexplosion dem handlLmg geknüpft sei,- aber in der Absicht, dafs sie mit~
Brande gleich achten, so steht der Annahme nichts im Wege, die gelten solle auch dem später folgenden versuchten
Gleichstellung des § 311 solle nach dem Willen des Gesetzes auch oder vollendeten Betruge. Nur dann ergiebt _sich ein ver-
auf die Fälle des § 265 Anwendung finden. Sollte der Gegenstand nünftiges Verhältnis von Betrug und Versicherungsbetrug: die Strafe
nur gegen Explosion versichert sein, so schiede er zur Zeit noch aus des letzteren enthält die des ersteren für den Fall seiner Begehung mit 5.
dem Kreise der tauglichen Objekte des Versicherungsbetruges aus.
2. Die Ta t be s t e h tin vor s ä tz li ehr e eh t s w i d I' i ger 1 Dieser Punkt wird meist ungenau behandelt. Fftr den Versicherten als
In br a n d set z u n g, welche auch durch Erregung einer Explosion alleiniges Subjekt V. Spefshardt a. a. O. S.36. Weiter gehend Kohler,
erfolgen kann, am Objekte S. 1 und vollendet sich ' nach Analogie der Studien I S. 130, der auch den Gehftlfen (s. folgende Note) z,um Täter rechnet.
Brandstiftung. Sie mufs verübt sein Ebenso wol Meyer, 4. Aufi., S. 714. Richtig V. Liszt S. 460; Olshausen zu
§ 265 n. 4.
3. in betrügerischer Absicht. Diese Absicht bestimmt 2 Wer im Auftrag des Forderungsberechtigten den Brand legt, um ihm den
sich generell nach § 263, speciell nach § 265 als die Ab sie h t des Betrug zu ermöglichen, ist nicht Täter, sondern Gehiilfe zum Verbrechen des
. Täters, durch bewufst rechtswidrige Geltendmachung ~ 265. Wenig genau RG IV v. 9. Dez. 1892 (E XXIII S. 352 ff.); falsch I V.
der Versicherungsforderung den Versicherer zu schä- 30. Jan. 1893 (das. S. 426 ff.): auch der Gehiilfe zum Betrug besitze »betrügerische
Absicht". Die besitzt er grade nicht!
digen und sich oder einen Dritten rechtswidrig zu be- \II~I 3 Da sie zum selbständigen Verbrechen erhoben ist, kann sie auch strafbar
reichern. Die Absicht bedeutet hier ·nur den Vorsatz künftiger versucht werden.
Begehung eines Betrugs, dem die Brandstiftung als Mittel dienen 4 Wer den Betrug durch die Strafe des § 265 nicht als mitgetroffen ansieht,

soll. Daraus erhellt hätte in diesem Falle nicht Real-, sondern Idealkonkurrenz zwischen Betrug und
dem Tatbestand des§ 265 anzunehmen.
4. T ä tel' k a n n nur Der sei n, der zur Z e i t der Tat 5 So auch Merkel bei HH III S. 780. 781 und ausführlicher Hälschner II
bel' e eh t i g t ist, die Ver sie her u n g s summ ein e i g n e m 0 der S.279. Richtig auch Frank zu § 2651. A. M. (für Realkonk.) Meier S. 588;
des von ihm Vertretenen Namen einzufordern, oder V. Spefshardt a. a O. S. 67 ff.; Olshausen zu § 265 n.6 U. RGI V. 21. Jan.
1888 (E XVII S. 62 ff.). - Ich würde dann aber unbedenklich folgern, dafs, wenn
richtig erwartet, cliefs nach der Tat zu werden!, und aus § 265 wegen vollendeten oder versuchten Betrugs gestraft wird, diefs Rück-
fall im Sinne des § 264 begründe. Ist eine Brandstiftung des § 306 oder eine
1 Der Erbe des totkranken Versicherten steckt das Haus an, um später das Strandung des § 323 zu betrügerischen Zwecken verübt und der Betrug nachher
Geld zu erheben. begangen worden, so konkurrirt er mit jenen Verbrechen realiter.
Binding, Strafrecht. Besonderer Teil. I. 2. Aufi. 24
'>

370 § 87. Der Kursbetrug. § 88. Die Erpressung. 371

§ 87. 3. Der Kursbetrug. Dritten einen durch den künstlichen Kursstand ermöglichten rechts-
widrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Absicht ist auch hier
Börsengesetz v. 22. Juni 1896 §§ 75 1• 76. Li 140. S. S te n g lei n, N eben- nur der Vorsatz künftiger Begehung eines Betruges 1. Am nächsten
gesetze. 2. Aufl. Supplement S. 47 ft.
liegt der Gedanke, dafs der Täter durch An- oder Verkauf der mit
I. Dem Versicherungsbetrug zum Teil analog, zum andern Teil künstlichem Kurs ausgestatteten Papiere Verkäufer oder Käufer
sehr verschieden von ihm ausgestaltet ist der Kursbetrug des schädigen und sich bereichern will. Es ist aber auch möglich, dafs
,Börsengesetzes v. 22. Juni 1896 § 75. , er durch Verpfändung der Papiere sich ein gröfseres Darlehen oder
Ihn beg e h t , wer i n b e tr ü g e ri s c her A b sie h tau f der Aktiengesellschaft, deren Direktor er ist, neue Aktienzeichner
Täuschung berechnete Mittel anwendet,' um auf den gewinnen will.
Börsen- oder Marktpreis von Waaren oder Wertpapieren 3. Auch hier taucht wie beim Versicherungsbetruge die Frage
einzuwirken. ~trafe: Gef.von 1 T.bis 5J. und zugleich Gela von auf, wie diese Vorbereitungshandlung zum Betruge sich zu diesem
3 1\'1. bis 15000 M. Ehrverlust fakultativ. Bei MU kann auf die selbst verhält, wenn sie bis zu ihm fortschreitet. Mir scheint, sie sei
Geldstrafe allein erkannt werden. § 75, 1. u. 2. hier anders zu beantworten. Es handelt sich hier um eine Vor-
1. Den Kern des Delikts bildet anders wie beim Versicherungs- bereitungshandlung, die sich als eine Gefährdung des ganzen Markt-
betrug nicht eine Sachbeschädigung im w. S., sondern ein e T ä u- oder Börsenverkehrs in den künstlich beeinflufsten Waarenoder Wert-
sch un g s h andl un g zu ganz b esonde rem Z we cke. Denken papieren darstellt. Der Versicherungsbetrug bereitet eine einzige
wir uns den Tatbestand des § 75, der sich als ein coupirtes Erfolgs- Schädigung vor: die des Versicherers. Diese individuelle Beziehung
verbrechen darstellt 2, zu Ende, so gestaltet er sich zum v 0 I' sät z- fehlt dem Kursbetrug. Er läfst ganz unbestimmt, wer und wie viele
lich rechtswidrigen Steigen- oder Fallenmachen oder seinem Urheber zum Opfer fallen sollen. Er erscheint defshalb nicht
Behaupten des Börsenkurs- oder Marktpreisstandes von ,~ 'l
entfernt in dem gleichen Maafse als Vorbereitung ein es konkret
Waaren oder Wertpapieren durch Täuschung. Wenn das bestimmten Betruges, in dem er nachher aufgehen könnte. Es können
Gesetz die Anwendung "auf Täuschung berechneter Mittel" verlangt, ja Dutzende betrogen werden. Und so steht der Kursbetrug
so ist diefs pleonastiRch: die Handlung mufs sich stets in der Gestalt zu den durch ihn vorbereiteten, nachher wirklich zum
der Vorspiegelung falscher Tatsachen 1. w. S. vollziehen a. Es können Vo llz u g e ge ko rom enen Betrügereien im V erhäl tni s de I'
diefs konkrete Tatsachen sein, um bestimmte Papiere in falschem Lichte realen Konkurrenz.
erscheinen zu lassen; es sind aber auch solche allgemeiner Natur 11. Dem Kursbetrug an Strafbarkeit gleich gestellt wird durch
tauglich - Kriegs- oder Friedensgerüchte , Nachrichten von Nieder- § 75, 3, wer in betrügerischer Absicht wissentlich un-
lagen, VOm Tode eines Monarchen - , die den Kursstand überhaupt wahre Angaben iri Prospekten der in § 38 bezeichneten
beeinflussen. Art oder in öffentlichen Kundgebungen macht, durch
Mit der Täuschung aber zu dem Zwecke, ihr eine Einwirkung welche die Zeichnung oder An- oder Verkauf vO ,n Wert-
auf den Kursstand zu verschaffen, ist de lege lata das Vergehen schon papieren he.rbeigeführt werden soll. Es liegt hier die An-
vollendet. Sei n e n Ver s u c h hat das Ge set z mit S t I' a fe fertigung einer echten Privaturkunde unwahren Inhaltes in betrüge-
verschont. Der Redakteur des Blattes, der wissentlich die un- rischer Absicht vor . Versuch straflos 2.
wahren Mitteilungen in sein Blatt aufnimmt, kann Täter oder Mit-
täter des Kursbetruges sein, wenn auch er in betrügerischer Absicht § 88. B. Die Erpressung.
handelt. Fehlt ihm diese, so macht ihn die Kenntnis der Unwahrheit I.:.,
derselben und ihrer vermutlichen Wirkung noch nicht zum Gehülfen : GB §~ 253-256. Vgl. § 339. Vgl. BGB § 123. - Sch 94. M 94. 96. WV
er mufs aufserdem wissen oder annehmen, dafs der Einsender in be- 140. 141. Li 141. H!I S, 532-537. H2 II 110. 111. Me 123. - Merkel bei
RH!II S. 724ff.;IV S. 416ff.- Köstlin, Abh. S. 407ff. - Wahlberg bei
trügerischer Absicht handelt. HRLex I S. 743. 744. - Glaser, Abh. I S. 148 ff, - Hartmann, Lehre von
2. Dieses Kerndelikt mufs jedoch "in betrügerischer der Erpressung. Dorpat 1859. - Villnow, Raub und Erpressung. , Breslau
Ab s ich t" begangen sein, d. h. in der Absicht, sich oder einem 1875. -:- v. Wächter, GS 1875 S. 161 ff. -- v. Buri, GS 1877 Beilageheft
S. 55 ff. - DerB-, GS 1878 Beilageheft S. 3 ff. - Kat z, GS 1879 S. 424 ff. -
Glasenapp, Ueber den metus accusationis, Arch. f. civil. Praxis LXV (1882)
1 Die Bestimmung des § 75 ist eine Erweiterung des HGB A. 249 d s. 2 in S. 258 ff. - Clotterboke, Afpersing u. Afdringing. Utrecht 1888. - Siegel,
der Fassung v. 18. Juli 1884: "Mit Gef. bis zu einem Jahre und zugleich mit
Geldstrafe bis zu 10000 M. wird bestraft: 2. wer in betrügerischer Absicht auf
Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Kurs von Aktien einzuwirken." 1 S. oben S. 365.
Ehrverlust zulässig. Bei MD ausschliefslich Geldstrafe. Diese Bestimmung des 2 Die interessante Kursgefährdung durch übermäfsig bezahlte Beeinflussungen
alten RGB's ist aber durch das Börsengesetz § 81 v. 1. Jan. 1897 an aufgehoben. des'Börsenpreises seitens der Presse in § 75 dieses Gesetzes darf nicht Täterscliaft
2 S. oben S. 12. oder Beihülfe zum Kursbetrug sein, sonst würde § 76 anwendbar. Grade defs-
3 S. oben S. 345 ff. halb liegt sie aufserhalb des Kursbetruges und bleibt hier zur Seite.
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