Das vorliegende Prüfungsprogramm soll dir als Leitfaden für deinen zukünftigen Karateweg bis zum
1. Kyu dienen. Nicht nur die technischen Anforderungen steigen mit deinem Fortschritt, sondern auch
die formulierten Erwartungen des geistigen Fortschritts der jeweiligen Kyu-Stufe entscheiden darüber,
ob du die nächste Stufe erreicht hast.
Grundsätzlich sind alle Bestandteile für frühere Kyu-Grade auch Bestandteil deines aktuellen
Prüfungsprogramms. Du kannst Formen also niemals als „erledigt“ betrachten. Dein Lehrer kann
darüber entscheiden, ob er von der Prüfungsordnung abweicht, dich höhere Formen (für einen
späteren Kyu) zeigen lässt, auf Elemente verzichtet oder es aus seiner Sicht andere Faktoren gibt,
um dir einen höheren Grad zu verleihen. Du solltest daher dein Prüfungsprogramm nicht als
auswendig zu lernenden Lehrstoff missverstehen.
In einer Prüfung musst du dein tatsächliches Verständnis und Vermögen in einer Stresssituation
unter Beweis stellen. Die technischen Anforderungen sind für jede Graduierung in drei Bereiche
gegliedert: "Grundlegende Techniken" (Kihon), "Allein auszuführende Formen" (Hitori gata) und "Zu
zweit auszuführende Formen" (futari gata). Die Anzahl der Wiederholungen legt der Prüfer während
der Prüfung fest.
Anmerkung: Das vorliegende Prüfungsprogramm wurde von Hendrik Felber zusammengestellt und wird in
ähnlicher Form in der Kampfkunstschule Fūryū verwendet.
9.Kyū
Weißer Gürtel mit einem gelben Streifen
Die erste Prüfung ist ein erster Meilenstein auf deinem Karate-Weg. Du beginnst, dich in die Abläufe unseres Dōjō einzufinden:
pünktlich und regelmäßig kommst zu deinen Trainings. Rechtzeitig meldest du dich bei deinen Übungsleitern ab, wenn du einmal nicht
erscheinen kannst. Du beachtest die Grundsätze für den Ort der Wegübung (Dōjōkun) und fängst an zu verstehen, dass dieser Ort
durch die Verwirklichung der Regeln seine Atmosphäre gewinnt. Die ersten Übungsmonate lassen dich ahnen, dass es viel zu lernen
gibt. Am einfachsten gelingt dies, indem du den Erfahrenen aufmerksam zusiehst, zuhörst und höflich Fragen stellst.
• Age uke • Tsuki waza • Tsuki waza (Teil 1-3: Age-, Gedan- & Uchi
uke)
• Gedan uke • Heishu waza (Teil 1 & 2: sieben
Fauststöße: Choku zuki, Mawashi • Heishu waza (Teil 1 & 2 mit Pratzen)
• Uchi uke zuki, Ura zuki)
• Tegumi: Annehmen, Überleiten und
• Mae geri ke komi & ke age (gegen Neutralisieren eines Angriffs, danach Konter
Pratze)
a) mit Gyaku mawashi zuki
• Ukemi: Sturz aus dem Sitzen bzw. b) mit Gyaku choku zuki
aus dem Kniestand c) Gyaku ura zuki (kurze Version)
a) vorwärts
b) seitwärts
c) rückwärts
8.Kyū
Weißer Gürtel mit zwei gelben Streifen
Inzwischen hast du die zentrale Methode unserer Kunst kennen gelernt: Kata. Diese Übungsformen aus festgelegten
Bewegungsfolgen dienen dazu, unser kämpferisches Vermögen zu erweitern. Lass dich nicht entmutigen, wenn du nicht alles sofort
so umsetzen kannst, wie es vorgezeigt wird, oder wenn du nicht alles sofort verstehst, was erklärt wird. Entscheidend ist nicht, dass
du etwas schnell vermagst oder einsiehst, sondern dass du dich ausdauernd und lernbereit bemühst. Gib dir also Zeit und habe
Geduld mit dir selbst. Wiederhole und verbessere beharrlich deine Kata. Noch einmal. Noch einmal. Und noch einmal. So schreitest
du voran.
• Age uke - Jōdan choku zuki • Heishu waza (komplett) • Tsuki waza (komplett)
• Gedan uke - Gedan choku zuki • Shiho uke 1 (nur Uke in vier Richtungen) • Heishu waza (auch mit Pratzen)
a) vorwärts
b) seitwärts
c) rückwärts
7.Kyū
Gelber Gürtel
Die gelbe Farbe deines Gürtels zeigt dir, aber auch allen anderen im Dōjō, dass du kein Anfänger mehr bist. Demnach stehst du am
Beginn und Ende eines Trainings nicht mehr ganz hinten in der Reihe, was dich mit Freude erfüllt. Viele Übungsstunden liegen bereits
hinter dir, deine technischen Fähigkeiten haben sich verbessert. Denke jedoch daran, dass sich Fortschritt nicht nur dadurch erweist,
mehr und bessere Techniken ausführen zu können als Anfänger. Er zeigt sich vielmehr darin, ob du den Anfängern auch in anderer
Weise, z.B. bei der Verwirklichung der Dōjōkun, ein Vorbild bist. Hilf ihnen, ihren Weg zu finden, so wie man früher dir geholfen hat.
• Soto uke - Tetsui uchi • Shiho uke 2 (Uke & Konter mit Arm) • Taisabaki ōyō 1-6 (ohne zu Boden bringen)
• Kake uke - Otoshi teisho zuki • Ukemi gata • Keri tachi waza [Zielübungen für Tritte]
• Shutō uke - Kokō zuki • Tegumi: Hände einhaken & Abhärtung mit Uke
Waza
• Mawashi geri (gegen Pratze)
• Tegumi: Annehmen und Kontern mit Jun tetsui
• Ura mawashi geri (gegen Pratze) uchi oder uraken uchi
6.Kyū
Gelber Gürtel mit orangefarbenen Streifen
Im Übergang zur Orangegurt-Stufe eröffnen sich dir neue technische Bereiche: du lernst, dass ein in aufrechter Position entstandener
Kampf am Boden fortgesetzt werden kann, dass man Angriffen nicht nur mit Stößen oder Tritten, sondern z.B. auch mit
Gelenkmanipulationen begegnen kann. Ebenso übst du dich in subtileren Dimensionen im Miteinander der Übenden: du entwickelst
z.B. mehr Gespür dafür, wann es notwendig oder sinnlos ist, zu helfen, wann man bei einem Gegenüber mit eigenen Fragen
willkommen ist oder stört, oder welche Fragen der Anfänger du selbst beantworten kannst und bei welchen du sie besser an die
Lehrer verweist.
• Ushiro geri (gegen Pratze) • Shiho uke 3 (Uke & Konter mit • Uke waza
Bein/Arm)
• Kote gaeshi [Handgelenk-Wurf] als • Ne keri waza (zwei mögl. Anwendungen)
Ausgang aus einem Tegumi (Hände • Ne keri waza
einhaken, Druck ableiten oder Choku • Tegumi: Kyūsho ate
zuki)
• Tegumi: Enpi-Kansetsu waza
Direkt im Anschluss:
5.Kyū
Orangefarbener Gürtel
Du hast die Gelbgurtstufe verlassen und erkennst allmählich, dass das Formensystem zwar umfangreich ist, jedoch viele
Querverbindungen enthält, die dir das Lernen neuer Kata erleichtern. Deinem tieferen Einblick in das Techniksystem des Karate
entspricht das tiefere Verständnis für das Geben und Nehmen innerhalb der Kampfkunstgemeinschaft, deren Teil du bist und die für
dich inzwischen echten Wert besitzt. Daher bringst du dich in diese ein, wo es sinnvoll und dir möglich ist, sei es in Gesprächen, sei
es bei der Erfüllung von Aufgaben oder einfach, indem du auch dann ins Training kommst, wenn du einmal keine Lust haben solltest.
• Hikkomi gaeshi [Überkopf-Wurf] als • Taisabaki jōdan, gedan, chūdan dai • Taisabaki ōyō 1 - 3 (mit zu Boden bringen)
Ausgang zu einem Tegumi (Mawashi ichi
zuki oder Ura zuki) Æ aus Mount jūji • Tegumi gegen Gyaku ura zuk (lange Version)
jime [Kreuzwürge im Sitzen] • Kaishu waza
• Kaishu waza
Anwendungen der Taisabaki gata:
Da du inzwischen fast alle Grundtechniken beherrschst, weiter hingebungsvoll übst und als erfahrener Schüler den Anfängern in
vielerlei Hinsicht geduldig und freundlich zur Seite stehst, bist du für diese ein Vorbild. Achte darauf, auch weiterhin ein Gleichgewicht
zwischen deinem Streben, selbst voranzuschreiten, und deinem Bemühen, die Gemeinschaft mit deinen Stärken zu fördern,
herzustellen. Wenn du beides verwirklichst, werden dir die Lehrer früher oder später anbieten, bei der Anleitung der Anfänger direkt
mitzuwirken. Nutzt du diese Chance, wirst du bald bemerken, dass das Lehren eine neue, viel tiefgründigere Form des Lernens ist.
• Angriff Mawashi geri Æ O uchi gari • Taisabaki chūdan dai ni, kaishu dai • Taisabaki ōyō 1 - 6 (komplett)
[große Innensichel] ichi / ni
+ Tate akiresuken hishigi gatame • Tegumi Gyaku mawashi zuki mit
• Keri waza ai uchi und Fortsetzungen
• Angriff Mawashi geri Æ Durchlaufen
lassen + Ryō ashi dori [beide Füße • Keri waza
wegziehen] von hinten
3.Kyū
Grüner Gürtel
In deinem ersten Karate-Training bist du sinnbildlich durch ein Tor geschritten (jap.: nyūmon), ohne dass du genau wusstest, was dich
hinter ihm erwartet. Nach vielen Monaten der Übung hast du die Nyūmon-Phase absolviert und gehst nun durch ein neues Tor. Du
wirst in den alten, überlieferten Kata unterrichtet und erfährst dabei mehr über die historische Entwicklung des Karate. Ebenfalls neu
ist, dass du mehr Freiraum erhältst, deinen Fortschritt zu gestalten. Dass dies sowohl interessanter als auch schwieriger ist als zuvor,
wirst du bald bemerken. Allein von deiner Bereitschaft und Initiative hängt es nun ab, ob du den Weg zum Schwarzgurt betreten wirst.
• Aus Tegumi gyaku mawashi zuki • Taisabaki de luxe • Taisabaki ōyō als Ausgänge aus Uke waza
(Variante Zurückgleiten + futari geiko
Mitnehmen) O goshi [großer Hüftwurf] • Kamae waza
Æ direkt im Anschluss: • Kamae waza
• Kesa gatame + Kesa garami • Auswahl aus allen Tegumi mit Links-Rechts-
[Schärpen-Haltegriff am Boden + Wechseln
Armhebel]
Du hast die Entscheidung gefällt, dich auf den Weg zum Schwarzgurt zu machen. Aus deiner Übung des Karate ist inzwischen weder
das Streben nach persönlichem Fortschritt noch das Bemühen nach einem harmonischen Miteinander mit deinem Lehrer und deinen
Mitübenden wegzudenken. Gleichwohl hast du inzwischen erfahren, dass beides - auch angesichts sonstiger Verpflichtungen und
Interessen - nicht immer gleich gut zu realisieren ist. Du erlebst Zustände der Unlust und Mutlosigkeit zwar seltener, aber intensiver
als früher. Die Art, wie initiativ du solchen Disharmonien begegnest, ist ausschlaggebend dafür, ob du dein Ziel verwirklichen kannst.
• Weitere 3 Stand-Boden-Übergänge
nach dem Prinzip: Angriff – Konter -
Gegenkonter
1.Kyū
Brauner Gürtel
Nicht nur an deiner Gürtelfarbe bemerken die Mitübenden, dass du ein wirklich Fortgeschrittener bist. Sie erkennen es an deiner
starken Trainingsmotivation, die dich auch Zustände der Unlust überwinden lässt, sie erkennen es an deiner Souveränität, wenn du
Formen demonstrierst oder erklärst, sie erkennen es an deiner Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, aber auch an deiner Bestimmtheit
ihnen gegenüber. Vor allem jedoch erkennen sie es daran, dass du trotz bzw. gerade wegen des Freiraums, der dir eingeräumt wird,
das Verhältnis zu deinem Lehrer aus eigenem Antrieb intensiv pflegst. So zeigst du dich für den Weg des Schwarzgurts bereit.