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https://doi.org/10.1007/s00115-018-0625-y
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Lernziele
Nach Lektüre dieses Beitrags ...
4 kennen Sie die wichtigsten epigenetischen Mechanismen und ihre Funktionsweise,
4 haben Sie einen Überblick über bisher bekannte epigenetische Veränderungen bei
verschiedenen psychischen Erkrankungen,
4 kennen Sie die aktuellen Befunde zur Rolle epigenetischer Mechanismen und ihrer
Interaktion mit Umweltfaktoren im Risiko-Resilienz-Spektrum,
4 ist Ihnen der aktuelle Forschungsstand zu epigenetischen Mechanismen in der
Therapie psychischer Erkrankungen bekannt.
Hintergrund
Phänotypische Heterogenität, eine individuelle lebensgeschichtliche Verankerung und ein häufig
fluktuierender Krankheitsverlauf in Episoden oder Phasen kennzeichnen die meisten psychischen
Psychische Erkrankungen zeichnen Erkrankungen. Diese plastischen Charakteristika sprechen gegen einfache, wenige und statische
sich durch komplexe Gen-Um- Risikofaktoren in der Pathogenese dieser Erkrankungen. Tatsächlich zeichnen sich psychische
welt-Interaktionen im Sinne eines Erkrankungen in ihrer Entstehung durch komplexe Gen-Umwelt-Interaktionen im Sinne eines
Vulnerabilitäts-Stress-Modells aus Vulnerabilitäts-Stress-Modells aus [1].
Etliche Fragen in diesem Vulnerabilitäts-Stress-Modell psychischer Erkrankungen sind aller-
dings noch offen:
1. Bis heute gelang es Kandidatengenstudien und genomweiten Assoziationsstudien nicht, die
aus Zwillingsstudien für die jeweiligen Erkrankungen errechneten Heritabilitäten mit der
entsprechenden Zahl von Risikogenen zu unterlegen („missing heritability“).
2. Das „Wie“ der Interaktion zwischen genetischen Risikofaktoren und Umwelteinflüssen ist
nicht ausreichend verstanden. Über welche Mechanismen fungiert Stress als fluider Auslöser
psychischer Erkrankungen vor dem Hintergrund statischer genetischer Risikofaktoren?
3. Umgekehrt ist noch unzureichend geklärt, über welche Prozesse wirksame medikamentöse
oder psychotherapeutische Behandlungsverfahren in das Vulnerabilitäts-Stress-Modell
eingreifen, um eine komplexe Risikofaktorkonstellation in Richtung Resilienz zu modifizieren.
Die vergleichsweise junge Forschungsrichtung der Epigenetik kann hier möglicherweise zur
Klärung beitragen.
Keywords
Epigenetic markers · DNA methylation · Histone modifications · Gene-environment interaction ·
Resilience
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C6 N3
N1 C2
DNA-Hydroxymethylierung
Ac Ac Ac Ac
Ac
Imipramin
Amitriptylin
Ph Fluoxetin
Ketamin
Me Clozapin
H3 HDAC HAT Amisulprid
H4 Valproat
H2A Lithium
H2B
EKT
Nukleosom Histonacetylierung
DNA-Methylierung
Unter dem Begriff der DNA-Methylierung versteht man die Anlagerung einer Methylgruppe (CH3 ) Bei der DNA-Methylierung werden
an Cytosin-Basen in der DNA-Sequenz, vermittelt durch DNA-Methyltransferasen (DNMTs). Die Methylgruppen an Cytosin-Basen
DNMT1 („maintenance methyltransferase“) ist dabei für die Übertragung bereits bestehender angelagert
Methylierungsmuster auf neu synthetisierte DNA-Bereiche zuständig. DNMT3a und DNMT3b
sind für die de-novo-Methylierung nichtmethylierter, naiver DNA-Sequenzen verantwortlich.
Die DNA-Demethylierung erfolgt indirekt über Enzyme der sog. Growth-arrest-and-DNA- Die DNA-Demethylierung erfolgt
damage-45(Gadd45)-Proteinfamilie mittels einer Basenextinktionsreparatur (BER), die methy- indirekt u. a. über Enzyme der
lierte durch unmethylierte Cytosin-Basen ersetzt. Alternativ erfolgt durch „Ten-eleven-translo- Gadd45-Proteinfamilie mittels
cation“(TET)-Proteine eine Oxidation der Methylgruppe in eine Hydroxymethylgruppe (CH2- einer Basenextinktionsreparatur
OH), wodurch hydroxymethylierte Cytosin-Basen (5hmC) entstehen. Diese werden anschließend
ebenfalls durch die BER erkannt und durch unmethylierte Cytosin-Basen ersetzt (. Abb. 1).
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Histonmodifikationen
Histonproteine (H2A, H2B, H3, H4) ermöglichen die Kondensierung des 2 m langen DNA-
Stranges in den Zellkern, welcher einen Durchmesser von lediglich 6 μm aufweist, über eine
Die N-terminalen Enden der Wicklung der DNA um Komplexe aus Histonproteinen („Nukleosom“). Die N-terminalen Enden
Histone sind Angriffspunkt für der Histone bilden den Angriffspunkt für epigenetische Modifikationen wie Acetylierung, Methy-
Modifikationen wie Acetylierung, lierung und Phosphorylierung, die funktionell hochrelevant sind. So macht z. B. eine Acetylierung
Methylierung und Phosphorylie- der Aminosäure Lysin („Lys“; „K“) im N-Terminus der Histone durch Histonacetyltransferasen
rung (HATs) die DNA für andere Proteine zugänglich, wodurch die Genexpression oder Replikation
des betroffenen Bereiches ermöglicht werden. Eine Entfernung der Acetylgruppen durch His-
tondeacetylasen (HDACs) hingegen führt zu einer Inaktivierung der Genexpression durch die
Herstellung einer geschlossenen, kondensierten Chromatinstruktur (. Abb. 1).
Nichtkodierende RNAs
Nichtkodierende RNAs haben Nichtkodierende RNAs sind RNA-Moleküle, die zwar keine Informationen für die Bildung
eine wichtige Funktionen bei der eines Proteins tragen, aber wichtige Funktionen bei der posttranskriptionalen Expressionsre-
posttranskriptionalen Regulation gulation erfüllen. Unter diesen nichtkodierenden RNAs fungieren microRNAs (miRNAs) als
der Genexpression posttranskriptioneller Regulator der Genexpression, indem sie durch das Binden an spezifische
Erkennungssequenzen in Ziel-mRNAs die Translation in ein funktionelles Protein verhindern
können.
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Epigenetik
Genetik
z.B.
Risiko
ACTH
DNA-Methylierung,
Histonmodifikationen,
miRNA Cortisol
Resilienz
Abb. 2 8 Epigenetische Mechanismen im Spektrum von Risiko und Resilienz. ACTH Adrenocorticotropes Hormon,
CH3 Methylgruppe, miRNAs microRNAs
(Epi)Gen-Umwelt-Interaktionen im Risiko-Resilienz-Spektrum
Umwelteinflüsse wie stressbehaftete Ereignisse oder Traumata, aber auch Sport, Ernährung,
Konsumgewohnheiten, Umweltnoxen, soziale Interaktionen, soziodemographische Faktoren etc. Epigenetische Veränderungen
können auf molekularer Ebene zu epigenetischen Veränderungen führen. Solche Veränderun- stellen einen dynamischen, zeitlich
gen sind jedoch nicht statisch, sondern stellen vielmehr einen dynamischen, zeitlich flexiblen flexiblen und damit potenziell
und damit potenziell reversiblen Prozess als Reaktion auf die individuelle Umwelt dar (siehe reversiblen Prozess dar
[12, 13]). Diese Dynamik in der Reaktion auf Umwelteinflüsse verdeutlichen vor allem Befunde
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Dr. Katharina Domschke, MA (USA)
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät,
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Hauptstraße 5, 79104 Freiburg, Deutschland
katharina.domschke@uniklinik-freiburg.de
Interessenkonflikt. C. Ziegler, M.A. Schiele und K. Domschke geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Teilnahme am zertifizierten Kurs auf CME.SpringerMedizin.de
- Der Teilnahmezeitraum beträgt 12 Monate, den Teilnahmeschluss finden Sie online beim CME-Kurs.
- Fragen und Antworten werden in zufälliger Reihenfolge zusammengestellt.
- Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort zutreffend.
- Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen 70 % der Fragen richtig beantwortet werden.
? Welche Prozesse werden unter dem ? Welche Aussage zur Genetik und Epi- ◯ DNA-Methylierungsmuster sind analog
Oberbegriff Epigenetik zusammenge- genetik psychischer Erkrankungen zu genetischen Varianten nicht gewebs-
fasst? trifft zu? oder zellspezifisch.
◯ Die DNA-Methylierung, die Histonmo- ◯ Die Heritabilität psychischer Erkran-
difikationen und die Regulation durch kungen ist bereits durch genetische ? Von welcher Theorie geht man nach
miRNAs Veränderungen vollständig aufgeklärt. aktuellem Erkenntnisstand hinsicht-
◯ Die Veränderung der DNA-Sequenz ◯ Epigenetische Veränderungen werden lich der Vermittlung der Interaktion
durch die Basenaustauschreparatur zwar beschrieben, spielen jedoch auf- zwischen Genen und Umwelt aus?
◯ Veränderungen der DNA ausschließlich grund ihrer statischen Eigenschaften ◯ Bestehende genetische Veränderungen
in peripheren Geweben eine unbedeutende Rolle bei der Krank- bedingen allein das Risiko für die Entste-
◯ Mutationen der DNA heitsentstehung. hung psychischer Erkrankungen.
◯ Stressinduzierte Veränderungen in der ◯ Epigenetische Mechanismen könnten ◯ Positive Lebensereignisse können eine
Zelle einen „missing link“ im Vulnerabilitäts- zuvor bestehende Gen-Umwelt-Risiko-
Stress-Modell psychischer Erkrankungen konstellation nicht wieder umkehren.
? Wie wird die Methylierung von Cyto- darstellen. ◯ Resilienz kann nicht erworben werden.
sin-Basen der DNA vermittelt? ◯ Genetische Risikomuster sind determi- ◯ Es gibt kein Spektrum zwischen Risiko
◯ Durch Demethylasen nistisch und kommen immer unabhän- und Resilienz.
◯ Durch die Replikation von DNA-Strängen gig von der Umwelt zum Tragen. ◯ Epigenetische Veränderungen könnten
◯ Durch DNA-Methyltransferasen ◯ Es ist im Detail bekannt, welche epige- in Reaktion auf umweltbezogene Stres-
◯ Durch Deacetylasen netischen Veränderungen auslösend für soren durch Kortisol vermittelt werden.
◯ Durch die Translation verschiedene psychische Erkrankungen
sind. ? Ein Patient fragt Sie nach dem aktu-
? Die Acetylierung ist eine Histonmodifi- ellen Stand der epigenetischen For-
kation. Welche Aussage trifft zu? ? Bezüglich epigenetischer Alterationen schung bei der Diagnostik und The-
◯ Diese Modifikation betrifft die Amino- bei Patienten mit psychischen Erkran- rapie psychischer Erkrankungen. Für
säure Lysin im N-Terminus der Histone kungen trifft folgende Aussage zu: welche Aussage entscheiden Sie sich?
und führt zu einer Aktivierung der Gen- ◯ Trotz vielfältiger Bemühungen gibt es ◯ Epigenetische Marker könnten in der
expression. keine Hinweise auf die Beteiligung ver- Zukunft als biologische Marker für das
◯ Sie wird durch Histondeacetylasen ver- änderter DNA-Methylierungsmuster an Therapieansprechen dienen.
mittelt und ist nicht reversibel. wichtigen Kandidatengenen psychi- ◯ Im Bereich der Pharmakotherapie psy-
◯ Diese Modifikation ist laut aktuellem scher Erkrankungen. chischer Erkrankungen ist es bereits
Kenntnisstand die einzige bekannte ◯ Es existieren vielversprechende Ansät- klinisch etabliert, epigenetische Muster
Histonmodifikation. ze auf Kandidatengenebene sowie die gezielt zu verändern.
◯ Die Histonacetylierung verändert zwar Möglichkeit der Bestimmung genom- ◯ Psychotherapeutische Interventionen
die Chromatinstruktur, hat jedoch keine weiter DNA-Methylierungsmuster. sind – anders als Psychopharmaka –
Auswirkungen auf die Transkriptionsrate ◯ EWAS (epigenomweite Assoziationsstu- nicht in der Lage, epigenetische Muster
von Genen. dien) konnten bislang keine veränderten zu verändern.
◯ Die Acetylierung gilt als wichtigste Vo- DNA-Methylierungsmuster bei Patien- ◯ Es gibt eindeutige Befunde zur Wirk-
raussetzung für die Kondensierung des ten mit Depression feststellen. weise therapeutischer Interventionen in
DNA-Stranges. ◯ DNA-Methylierungsmuster werden Bezug auf epigenetische Veränderun-
beim Menschen ausschließlich direkt gen.
in Zellen des Gehirns bestimmt.
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◯ Es können ausschließlich die Methylie- ? Ein Patient wünscht nach der ersten
rungsmuster an der DNA selbst durch Psychoedukationssitzung zunächst ei-
therapeutische Interventionen verän- ne Aufklärung seines genetischen und
dert werden. epigenetischen Risikoprofils, um die
Behandlung zu optimieren. Wie be-
? Warum nehmen epigenetische Me- gegnen Sie diesem Wunsch und wie
chanismen eine Scharnierfunktion verfahren Sie weiter?
zwischen Genen und Umwelt ein? ◯ Es erfolgt eine Blutentnahme und die
◯ Sie verändern die Sequenz der DNA Weiterleitung des Patienten an die ent-
und können somit genetische Varianten sprechenden Stellen zur Abklärung des
„ausbessern“. genetischen und epigenetischen Risiko-
◯ Sie ermöglichen einem Organismus die profils psychischer Erkrankungen.
Wahl einer geeigneten Umwelt. ◯ Nach Bestimmung dieses Profils kann
◯ Sie senken aktiv den Stresslevel eines der Patient in ein darauf zugeschnittenes
Organismus. Therapieprogramm vermittelt werden.
◯ Sie beeinflussen die Genexpression und ◯ Sie erklären dem Patienten, dass es
sind dynamisch durch Umwelteinflüsse nach derzeitigem Forschungsstand im
veränderbar. Rahmen eines komplex-genetischen
◯ Sie verändern das Erleben einer be- Entstehungsmechanismus kein deter-
stimmten Umweltkonstellation. ministisches Risikoprofil für psychische
Erkrankungen gibt.
? Was sollte bei der Interpretation epige- ◯ Sie bestärken den Patienten in seiner
netischer Befunde bei der Entstehung Entscheidung und weisen ihn auf die
und Therapie psychischer Erkrankun- Vererbbarkeit epigenetischer Risikopro-
gen unbedingt beachtet werden? file hin.
◯ Die funktionelle Relevanz in der Pe- ◯ Sie verwenden einen validierten epige-
ripherie gemessener epigenetischer netischen Schnelltest, um die Diagnose
Veränderungen bleibt noch ungeklärt. des Patienten zu bestätigen und für
◯ Gewebs-, zell- und genspezifische Sub- ihn eine geeignete Therapieoption zu
stanzen, welche gezielt epigenetische finden.
Mechanismen targetieren, werden kli-
nisch bereits breit eingesetzt.
◯ Eine transgenerationale Vererbung epi-
genetischer Risikomuster findet aus-
schließlich über die mütterliche Keim-
bahn statt.
◯ Es existieren nur wenige, hinreichend
definierte DNA-Methylierungsmuster,
welche an der Krankheitsentstehung
psychischer Erkrankungen beteiligt sind.
◯ Rauchen, BMI und Sport haben keinen
Einfluss auf epigenetische Prozesse.
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