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Erlösung1
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik
Universität Kassel
Institut für Philosophie
Vorbemerkungen
Einführendes zu Leben und Werk
Der Stern der Erlösung
I. Die Elemente oder die immerwährende Vorwelt
II. Die Bahn oder die allzeiterneuerte Welt
1. "Schöpfung oder der immerwährende Grund der Dinge"
2. "Offenbarung oder die allzeiterneuerte Geburt der Seele"
3. "Erlösung oder die ewige Zukunft des Reichs"
III. Die Gestalt oder die ewige Überwelt
Literaturhinweise
Vorbemerkungen
In einem Brief vom Januar 1923 schrieb Franz Rosenzweig
an Rudolf Hallo über die künftige Rezeption seines
glaubensphilosophischen Hauptwerks Der Stern der
Erlösung die geradezu prophetischen Sätze: "Und der Stern
wird wohl einmal und mit Recht als ein Geschenk, das der
deutsche Geist seiner jüdischen Enklave verdankt,
angesehen werden. [...] Unsere Arbeit wird uns von
Deutschland höchstens posthum honoriert, aber darum tun
wir sie doch, solange wir sie in Deutschland tun, für
Deutschland. [... J]e jüdischer wir sind, um so realer
können wir sein und um so schwerer wiegen wir. Dieses
Gewicht aber fällt in die Wagschale Deutschlands." (GS I,
887)
Trotz der klaren Trennbarkeit der drei Bände ist Der Stern
in seiner Argumentationsbewegung und seinem
Darstellungsverlauf ein Werk aus einem Guss, das
insgesamt als ein philosophisches bezeichnet werden muss.
Rosenzweig selbst hat sein Philosophieren 1925 als "neues
Denken" umschrieben, das ihm aus Gesprächen mit seinen
Freunden - Hans Ehrenberg und Eugen Rosenstock,
Rudolf Ehrenberg und Viktor von Weizsäcker - erwachsen
ist (GS III 151), zu dem aber auch unabhängig von ihnen
Martin Buber und Ferdinand Ebner vorgedrungen sind -
wenig später hätte er auch noch auf Gabriel Marcel und auf
Eberhard Grisebach hinweisen können.
Auch der erste Band des Stern der Erlösung setzt dieses
existentielle Selbstverständnis des Denkens voraus, obwohl
erst der zweite Band hierfür die Grundlagen nachliefern
wird. Gleich in den ersten Sätzen der Einleitung "Über die
Möglichkeit, das All zu erkennen - in philosophos!" macht
Rosenzweig diesen existentiellen Standort des Denkens an
der Erfahrung des Todes deutlich: "Vom Tode, von der
Furcht des Todes, hebt alles Erkennen des All an. [...] Aber
die Philosophie leugnet diese Ängste der Erde. [...] Und es
ist der letzte Schluß dieser Weisheit: der Tod sei - Nichts.
Aber in Wahrheit ist das kein letzter Schluß, sondern ein
erster Anfang, und der Tod ist wahrhaftig nicht, was er
scheint, nicht Nichts, sondern ein unerbittliches, nicht
wegzuschaffendes Etwas. [... Diese] nicht aus der Welt zu
bannende Wirklichkeit des Todes, die sich an dem nicht zu
schweigenden Schrei der Opfer verkündet, sie macht den
Grundgedanken der Philosophie, den Gedanken des einen
und allgemeinen Erkennens des All zur Lüge, noch ehe er
gedacht ist." (GS II 3 ff.)
Dass das Ich, das wir je selber sind, nicht aus sich selbst,
sondern nur vom Anderen her angesprochen und auf den
Anderen hin antwortend sich existentiell selber zu finden
vermag, wird von Rosenzweig zum zentralen Gedanken
seiner Grundlegung unseres existentiellen und dialogischen
in der Sprache-Seins. Rosenzweig erläutert dies im Stern
gleichnishaft an der Namensrufung des Menschen durch
Gott: Wo bist Du Adam? Erst ihr gegenüber vermag der
Mensch - eigentlich erst seit Abraham -, das existentiell
bewusste und entschiedene: "Hier bin ich" zu antworten.
Dieses Angerufenwerden ist kein einmaliger Akt, sondern
ereignet sich in allem Sprechen, in allem Sinngeschehen.
Es geht Rosenzweig hier um das Wunder des "wirklich
Gesprochenwerdens der Sprache" (GS II 194), um das
gesprochene, gehörte und erwiderte "wirkliche Wort".
Aber das jüdische Volk muss für seine Treue zum Bund mit
Gott, durch den es ewiges Leben erlangt, seit fast zwei
Jahrtausenden schon mit dem Ausschluss aus der
Weltgeschichte bezahlen. Dieses Volk besitzt als Volk kein
eigenes Land, keine eigene Sprache, kein eigenes Gesetz
mehr. Die Juden wohnen verstreut unter den Völkern in
fremden Ländern, nur in ihrem Herzen brennt die
Sehnsucht nach ihrem "heiligen Land", sie sprechen die
Sprachen fremder Völker, nur in der Thora und ihrer
Auslegung lebt ihre "heilige Sprache" fort, sie fügen sich
den Gesetzen fremder Staaten, nur in ihren intimsten
Lebensbereichen halten sie an ihrer "heiligen
Gesetzeslehre" fest.
1
Vortrag, gehalten zum 70. Todestag von Franz Rosenzweig
(10.12.1929) in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische
Zusammenarbeit am 14.12.1999 in Kassel; später gekürzt und
überarbeitetet erschienen Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, "Franz
Rosenzweig - Der Stern der Erlösung", in: Joachim Valentin, Saskia
Wendel (Hrsg.): Jüdische Traditionen in der Philosophie des 20.
Jahrhunderts, Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt 2000;
inzwischen erneut überarbeitet abschnittweise aufgenommen in:
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Rosenzweig im Gespräch mit
Ehrenberg, Cohen und Buber, Alber Verlag, Freiburg/München 2006.
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Literaturhinweise:
Die Schriften Rosenzweigs werden falls nicht ausdrücklich anders
vermerkt nach
Franz Rosenzweig, Der Mensch und sein Werk. Gesammelte Schriften
I-IV, Den Haag 1976 ff. zitiert.
Bd. I: Briefe und Tagebücher (zwei Teilbände)
Bd. II: Der Stern der Erlösung (seitenidentisch mit der
Taschenbuchausgabe, Frankfurt a.M. 1988)
Bd. III: Zweistromland. Kleinere Schriften.
Bd. IV: Sprachdenken im Übersetzen (Teil 1: Hymnen und
Gedichte des Jehuda Halevi; Teil 2: Arbeitspapiere zur
Verdeutschung der Schrift).
Franz Rosenzweig, Hegel und der Staat (1920), 2 Bde., Aalen 1962.
Franz Rosenzweig, Büchlein vom gesunden und kranken
Menschenverstand (1922/1953), Königsstein/Ts. 1984.
Franz Rosenzweig, Die "Gritli"-Briefe. Briefe an Margrit Rosenstock-
Huessy, hrsg. von Inken Rühle und Reinhold Mayer, Tübingen 2002.
Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber in Zusammenarbeit mit
Franz Rosenzweig, 4 Bde., Heidelberg 1954 ff.