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68 BLINDTEXT Deutsch perfekt X  /   2017

WIE GEHT ES EIGENTLICH DEM …

Deutschen Alpenverein?
Der größte Bergsportverein der Welt wird 150 Jahre alt. Wirtschaftlich ist er
inzwischen stärker als so manche große Firma. Das merkt aber kaum jemand.
Von Simone Boehringer
SCHWER PLUS

E
s ist kalt an diesem Morgen in Dass es so gut den Berg hinaufgeht,
der Schl“tten, -  aufwärmen  
Oberaudorf. In dem kleinen liegt vor allem an Christian Berghofer. , hier: Sportgerät zum ,  (wieder) warm machen
Ort in Bayern hat es geschneit, Bevor der erste große Schneefall kam, Fahren auf Eis und Schnee
ausbessern 
ideal für die Schlittenstrecke hat er Schilder neu gemacht und Stufen aufsteigen  ,  ≈ reparieren
vom Brünnstein hinab in die ausgebessert. Er hat das Wegenetz rund , hier: auf einen
der Wegereferent, -en 
Berg gehen
Mühlau. Das Aufsteigen zur Hütte unter um „seinen“ Berg für den Winter vorbe- ,  Mann, der sich in einem
dem 1600 Meter hohen Gipfel wärmt auf, reitet. Berghofer ist Wegereferent beim die H•tte, -n  Verein um die Infrastruktur
,  kleines einfaches der Wege kümmert
die Wegbeschreibung passt. Der Weg ist Deutschen Alpenverein in Rosenheim, Haus aus Holz; hier:
die Sektion, -en 
klar markiert, man kann sagen: Der Berg bei einer von 356 Sektionen im größten Berggasthaus
, hier: ≈ Verein innerhalb
ist gemacht. Zwei Stunden soll es dauern Bergsportverein der Welt mit bald 1,3 der G“pfel, -  , höchste des Alpenvereins
bis zum Brünnsteinhaus. Millionen Mitgliedern, den alle nur kurz Stelle eines Bergs
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ehrenamtlich   das Fördergeld, -er 


DAV nennen. Gemeinsam mit einem Die bayerische Landeshauptstadt ist ,  ohne Bezahlung ,  Geldsumme, die zur
Kollegen kümmert sich Berg­hofer eh- Hochburg für den Alpenverein. Allein unterh„lten 
finanziellen Unterstützung
gegeben wird
renamtlich um 400 Kilometer Wander- die beiden größten Sektionen, München , hier: finanzieren, organi-
wege rund um den Brünnstein und den und Oberland, haben zusammen etwa sieren und pflegen das Darlehen, - 
,  ≈ Kredit
Hochries, beides beliebte Ausflugsziele, 170 000 Mitglieder und Jahresbudgets der Einnahmegarant, -en 
die – genauso wie die Hütten – von der von rund zehn Millionen Euro. Das reicht ,  Garant für Geld, das die Sp¡nde, -n  
man bekommt ,  Geld oder Gegenstände,
Sektion Rosenheim unterhalten werden. für mehr als zum Unterhalt der 16 Hütten die man anderen schenkt,
„bzüglich 
„Es muss alles passen, damit Wanderer der Sektionen. So finanzierte die Sektion ,  so, dass man einen
um zu helfen
und Bergsteiger sicher unterwegs sein München vor drei Jahren mithilfe von Betrag von einer Summe der Neubau, -ten 
können“, erklärt der 51-Jährige, der im Fördergeldern, Darlehen und Spenden wegnimmt , hier: neues Gebäude,
das ein älteres Gebäude
Hauptberuf Helikopterpilot ist. den 5,5 Millionen Euro teuren Neubau die W¡rtschöpfung, -en 
ergänzt
,  ≈ wirtschaftliche
Das rund 30 000 Kilometer große We- der Höllentalangerhütte auf dem Weg
Leistung; ≈ Summe der der Ausbau, -ten  
genetz und die insgesamt 322 Hütten des zur Zugspitze. Für 2019/20 ist zusammen Einnahmen, die in einzelnen , von: ausbauen = hier:
DAV in den Alpen sind so etwas wie „die mit mehreren Sektionen der bis zu sechs Wirtschaftsbereichen mehr bauen
erreicht werden
heiligen Kühe des Alpenvereins“, sagt Millionen Euro teure Ausbau des größten einen Überblick bek¶m-
Berghofer. Neben den Mitgliedsbeiträ- europäischen Kletterzentrums in Mün- die P„cht, -en  men über  
,  ≈ Miete , hier: ein zusammenfas-
gen sind die Hütten mit 800 000 Über- chen-Thalkirchen geplant. sendes Bild bekommen von
nachtungen im Jahr Einnahmegaranten Da die Sektionen als regionale Vereine vierstellig  
,  mit vier Ziffern die H•ttenbaumaßnah-
für den Verein. alle einzeln Buch führen, ist es schwer, me, -n 
die B¡ttenpauschale, -n  
Wie Berghofer sind mehr als 26 000 einen Überblick über alle DAV-Aktivi- ,  bestimmte Geldsumme,
,  Handlung zum Bau
von Hütten
Mitglieder ehrenamtlich für den Ver- täten zu bekommen. Dass die beiden die man für Übernachtun-
ein aktiv. Sie arbeiten fast zwei größten Sektionen München gen bekommt einbringen  
, hier: mitbringen
Millionen Stunden pro Jahr und Oberland Millionenetats das Auskommen 
und bringen dem Verein verwalten, überrascht nicht. ,  genug Geld zum Leben die Sektionsvorsitzen-
de, -n 
abzüglich der Kosten eine Kein anderer Aber auch eine mittelgroße hergeben 
, hier: Frau, die eine
, hier: erlauben
„Wertschöpfung von fast nationaler Sektion wie die in Rosenheim Sektion leitet
28 Millionen Euro“, wie sie in Bergsport­verein kommt mit 10 000 Mitgliedern die Hochburg, -en  
r•ckvergüten 
,  ≈ Zentrum
der Zentrale in München aus- hat so viele auf Beitragseinnahmen von , zurückzahlen
allein  
gerechnet haben. Mitglieder: 400 000 Euro.
, hier: nur
der D„chverband, ¿e 
,  Organisation, zu der
Auch Yvonne Tremml 1,3 Millionen. Insgesamt hat der DAV in
sich mehrere Gruppen oder
reichen  
schätzt die Ehrenamtlichen. den letzten zehn Jahren allein , hier: ausreichen; Vereine verbunden haben
Mit ihrem Mann Sepp führt die 40-Jäh- für Hüttenbaumaßnahmen 103 Millio- genug sein
die Schulung, -en  
rige ganzjährig das Brünnstein­haus, das nen Euro ausgegeben, heißt es im Sek- der }nterhalt  ,  Kurs zu einem
dem DAV gehört. Das heißt: Sie zahlt eine tions-Magazin Alpinwelt-Extra zum Bau , hier: Pflege und bestimmten Thema
Reparatur(en)
„faire Pacht“, wie sie sagt, einen monatlich der neuen Höllentalangerhütte 2016.
vierstelligen Betrag. Inklusive der Betten- Seitdem sind weitere Projekte hinzuge-
pauschale vom DAV pro Übernachtungs- kommen. Die genehmigte Gesamtbau-
gast „haben wir schon unser Auskom- summe im DAV für 2017 lag bei knapp
men“, sagt sie und fragt: „Wieso fragen Sie 15 Millionen Euro. Hinzu kamen knapp
nach Geld? Schauen Sie doch, wie es hier neun Millionen Euro für Kletteranlagen,
aussehen kann!“ Die Wirtin nimmt einen dem zweiten starken und seit Jahren boo-
Posterkalender von der Wand. „Vom Kai- menden Bereich. Rund 200 Anlagen sind
Foto: DAV/Silvan Metz; Illustation; iStockphoto/iStock.com

sergebirge bis zum Großglockner und inzwischen in Betrieb, pro Jahr kommen
Großvenediger können Sie sehen, wenn etwa zehn hinzu. In den letzten rund 20
es das Wetter hergibt.“ Diese Momente Jahren hat der Boomsport dem Alpenver-
bestätigen ihr immer wieder, dass es rich- ein 300 000 neue Mitglieder eingebracht.
tig war, auf die Hütte zu ziehen. Franz Knarr, der Rosenheimer Sekti-
50, 100, am Wochenende auch mal onsvorsitzende, rechnet die Ehrenamts-
bis zu 300 Gäste kommen am Tag in das stunden seiner Leute mit der Zentrale ab,
Brünnsteinhaus. Bis zu 60 Ausflügler „wir bekommen dann Beiträge rückver-
können dort pro Nacht schlafen. Auf dem gütet vom Dachverband“. Das Geld in-
Brünnstein, nur eine Stunde von Mün- vestiert er dann wieder in Hütten, Wege,
chen entfernt, ist meistens viel los. Schulungen und Veranstaltungen.
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das St„mmgeschäft, -e  der W¡ttbewerb, -e  


So funktioniert das Stammgeschäft des Natur. Denn der DAV ist Naturschutz­ , Hauptgeschäft ,  eine Art Kampf, um den
Alpenvereins. Neben den Bereichen organisation und Sportverein. Seit Neues- das St„ndbein, -e 
Besten zu finden
Berg­sport, Ausbildung und Klettern ist tem ist er auch betreuender Dachverband ,  einer von mehreren erweitern  
es mehr als nur ein Standbein. „Die Hüt- für eine olympische Sportart: Der Wettbe- Bereichen, mit dem man , hier: größer machen
Geld verdienen kann
ten sind die wichtigsten Identifikations- werb im Klettern wird 2020 zum ersten erschl¶ssen 
flächen für den Verein. Da fließt so viel Mal eine olympische Disziplin. Da fließt so viel H¡rzblut , hier: so dass man etwas
hinein.  gut bereisen kann
Herzblut hinein, die Bedeutung kann 2019 wird ein großes Jahr für den DAV. , m Da wird mit so
die Zus„mmenlegung, -en 
man wirtschaftlich gar nicht messen“, Vor 150 Jahren, 1869, wurde er gegrün- großem Enthusiasmus
, von: zusammenlegen = 
gearbeitet.
erklärt Olaf Tabor, seit gut sechs Jahren det, mit dem Zweck, die Kenntnisse von hier: zu einem machen
DAV-Hauptgeschäftsführer. Der 47-Jäh- den Deutschen Alpen zu erweitern und der Hauptgeschäftsfüh-
das Engagement, -s franz.  
rer, - 
rige leitet die Zentrale in München. das Reisen in den Bergen einfacher zu , hier: Manager, der den
, hier: starke Aktivität
Auch im Bundesverband gibt es einiges machen. So entstanden die ersten kom- Hauptsitz einer Organisa- fr¢chten  
zu berichten, zum Beispiel über die Zen- fortableren Hütten. Heute gelten die tion leitet ,  nützen; helfen

trale: „Das Wachstum hat dazu geführt, Alpen als ausreichend erschlossen. Vie- der B¢ndesverband, ¿e  die Skischaukel, -n 
,  Organisation für ganz ,  touristische und
dass wir bald aus den Nähten platzen“, le Mitglieder wollen nun das Erreichte
Deutschland verkehrstechnische
sagt Tabor. Etwa 5000 neue Mitglieder schützen und eine weitere Kom- Verbindung verschiedener
das W„chstum 
kommen jedes Jahr dazu. Für 2020 merzialisierung, wie sie etwa mit ,  das Wachsen
Skigebiete
ist deshalb ein Umzug geplant, der Zusammenlegung verschie- der K¢rs 
führen zu  
im Norden Münchens entsteht dener Skigebiete versucht wird, , hier: verursachen
, hier: Richtung und Ziel

die neue Zentrale. verhindern. aus den Nähten pl„tzen  


die Ausein„ndersetzung,
Die Kosten: mehr als 20 Millionen Im Kleinen hat das Engagement -en 
, m hier: extrem
, hier: Streit; Kampf
Euro. Eine Summe, die man sich ohne gefruchtet. Auf Druck vieler Umwelt- voll werden
naturbelassen 
die vielen Mitglieder sicher schützer, auch aus dem DAV, Braucht's das? 
,  in seinem natürlichen
Der Verein ist , m Braucht man das
nicht leisten könnte. Tabor hat die Bayerische Regierung Zustand
wirklich?
und seine etwa 100 Kolle- Naturschutzor- die Pläne für eine Skischaukel Vorrang geben  
s“ch „bsegnen l„ssen 
gen in der Zentrale arbeiten ganisation und am Riedberger Horn im Allgäu ,  sich die Erlaubnis
,  Vorteile vor anderen
hauptberuflich für den Al- Sportverein – gestoppt. Dabei wird in der geben lassen für
geben

penverein. Der Bau der neuen das kann sich jährlichen Hauptversammlung die {bhut 
schwærmen  
,  mit Enthusiasmus von
Zentrale wird mehr als jede widersprechen. und in den regionalen Mitglie- ,  Schutz und Pflege
etwas sprechen
Hüttenrenovierung kritisiert: dertreffen aber oft stark um
„Braucht's das?“, hört man in Gesprächen den Kurs gestritten. „Auseinanderset-
mit Mitgliedern. Auf solche Reaktionen zungen zwischen Naturschützern und
hatten sich die Chefs wahrscheinlich Bergsportlern sind bei uns so alt wie der
schon vorbereitet. Sie haben sich das Pro- Verband selbst“, sagt Tabor. Lokale Ski-
jekt von der Hauptversammlung und da- vereine zum Beispiel wollen möglichst
mit von allen Sektionen absegnen lassen. ortsnah gute Trainingsgebiete, die Kom-
Der DAV ist in ganz Deutschland ver- munen legen oft mehr Wert auf naturbe-
treten, nicht nur in Alpennähe. Auch in lassene Naherholungsgebiete.
Duisburg oder Hamburg sitzen große Für 2019 hat sich der DAV entschieden,
Sektionen. Zuletzt sind viele Ostdeutsche dem Naturschutz Vorrang zu geben. „Die
Mitglied im Alpenverein geworden. Dort Alpen sind schön. Noch. Es lohnt sich, da-
wurden 2017 neue Kletterzentren eröff- für zu kämpfen“, heißt der Slogan, mit
net. Viele Sektionen haben auch mindes- dem er die Bevölkerung mobilisieren will.
tens eine Hütte in der Obhut. Nicht weni- Brünnstein-Wirtin Tremml muss sich
ge davon sind nach der Sektion benannt, mit solchen Themen nicht beschäftigen.
die sie gebaut hat – so gibt es ein Kölner Auf ihren Berg führt kein Lift. Es ist nach-
Illustration: thedafkisch/iStock.com

Haus und eine Potsdamer Hütte. mittags halb vier, als sich plötzlich die
„Es gibt viele unterschiedliche Moti- Wolkendecke öffnet. Der Blick, von dem
ve, die die Menschen zu uns führen“, sagt Yvonne – am Berg oberhalb 1000 Meter
Geschäftsführer Tabor. Wandern, Skitou- ist man per Du – so geschwärmt hatte, ist
ren gehen und Klettern gehören genauso plötzlich live, der Großglockner ist gut zu
dazu wie der Wunsch nach Ausbildung erkennen. „Und da fragst noch, warum Dies ist eine einfachere Version eines Texts aus
im Bergsport oder einfach die Liebe zur wir hier bleiben?“ der Süddeutschen Zeitung.

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