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Ungewöhnliche Fakten über die Berliner Philharmonie und das

Konzerthaus des Architekten Hans Scharoun.


20.10.2016, 15:31 

Am 15. Oktober 1963 wurde die Berliner Philharmonie eröffnet


Foto: Amin Akhtar
 
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1. Die erste Philharmonie war eine Rollschuhbahn


Nachdem die Philharmoniker 1882 gegründet worden waren,
fanden sie in einer ehemaligen Rollschuhbahn in Kreuzberg
ihre erste Heimstatt. 1888 wurde das Gebäude von dem
renommierten Architekten Franz Heinrich Schwechten zu einer
Philharmonie umgebaut, zu einem bestuhlten Konzertsaal.

2. Die teuersten Plätze sind nicht unbedingt die


besten
Wo ist das Zelt der Philharmonie am höchsten? Über dem
Orchester: Dort werden 21 Meter gemessen. Seine Länge: 60
Meter. Seine Breite: 55 Meter. Die Höhenunterschiede bei den
Sitzplätzen sind relativ gering: Die untersten Plätze liegen nur
etwa 13 Meter tiefer als die höchsten. Weiter oben finden sich
spezielle Emporen, die Platz für zusätzliche Orchester und
Chöre bieten. Im C-Block gibt es sogar Stehplätze.

3. Oboist Christoph Hartmann hat eine eigene


Fahrradmarke
Der Oboist Christoph Hartmann hat neben der Musik noch eine
weitere Leidenschaft: Das Fahrrad. Mit "Pasculli" hat er
gemeinsam mit einem Freund eine eigene Fahrradmarke.

Foto: dpa / DPA

4. Nicht jeder war mit dem fünfeckigen Grundriss


glücklich
Der Grundriss des Gebäudes zeigt drei ineinander verschränkte
Pentagone. Die Philosophie Hans Scharouns, des Architekten
der Philharmonie, bestand darin, den Menschen, den Raum
und die Musik zu verbinden - deshalb die Zahl 3. Die Musik
sollte im Mittelpunkt stehen. "Dieser Entwurf scheint mir
deswegen so glücklich zu sein, weil außer den akustisch sicher
sehr günstigen Anordnungen der Wände ein Moment
besonders hervorgehoben wird, und das ist die restlose
Konzentration der Zuhörer auf das Musikgeschehen", sagte Ex-
Chefdirigent Herbert von Karajan. Kritik dagegen kam von
vielen Seiten. So sagte Hans Knappertsbusch sogar ein
Konzert ab: "Das fehlte noch, wenn Hunderte von Zuhörern mir
ins Gesicht schauen." Dirigent George Szell nannte das Haus
"eine Missgeburt". Die drei miteinander verbundenen Fünfecke
bilden auch das offizielle Logo der Philharmonie.

Wilhelm Furtwängler dirigiert die Philharmoniker im Titania-Palast

5. Nach dem Krieg spielte das Orchester in einem


Kino
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Berlin in Trümmern.
Brauchbare Konzertsäle waren schwer zu finden. Die
Philharmoniker waren deshalb auf Ausweichquartiere
angewiesen: Oft fanden die Konzerte im Titania-Palast statt, die
Dahlemer Jesus-Christus-Kirche wurde für
Schallplattenaufnahmen genutzt.

6. Die heute goldene Fassade war früher


ockerfarben
Was viele nicht wissen: Die berühmte goldschimmernde
Fassade aus speziell bearbeiteten Aluminiumplatten wurde erst
nach der Eröffnung in den Jahren von 1978 bis 1982
angebracht. Die Betonfassade war zu Beginn in einer
ockerbraunen Farbe angestrichen.

7. Kein Platz ist weiter als 30 Meter von der Bühne


entfernt
Am Standort des Dirigenten schneiden sich zwei Fluchtpunkte:
Es ist der Scheitelpunkt der Mittelachse und der breitesten
Ausdehnung des Gebäudes. Das Publikum ist so nah am
Orchester wie nur irgend möglich: Kein Zuschauer ist weiter als
30 Meter von der Bühne entfernt. Hans Scharoun hatte eine
urdemokratische Vorstellung von der Sitzplatzverteilung: Er
bringt die Gäste im Rollstuhl und die Ehrengäste
nebeneinander auf dieselbe Ebene und lässt sie denselben
Aufzug benutzen.

8. Die Mauer drängte die Philharmonie an den


neuen Stadtrand
Die Grundsteinlegung fand am 19. September 1960 statt. Die
politische Weltlage hatte sich dramatisch gewandelt, als gut ein
Jahr später, im Dezember 1961, das Richtfest für das Gebäude
gefeiert wurde. Hatte die Philharmonie in der ungeteilten Stadt
noch relativ zentral gelegen, so verlief nur einen Steinwurf vom
Konzerthaus entfernt seit August 1961 die Mauer. Die
Philharmonie sah sich an den Rand gedrängt, auf ein
verstepptes Gelände des südlichen Tiergartens. Geplant war
sie übrigens ursprünglich an der Bundessallee, wo sie in einem
bestehenden Gebäude untergebracht werden sollte. Der Bau in
Tiergarten kostete 17,5 Millionen D-Mark, ein damals
spektakulärer Betrag.

9. Versteckte Räume in der Philharmonie


Öffentlich sind in der Philharmonie natürlich der Konzertsaal,
die Garderobe und die Foyers. Aber es gibt viele halb oder
ganz versteckte Räume, darunter die Instrumentenlager und die
Regieräume der Digital Concert Hall. Nicht zu vergessen der
"Kamera- und Mikrofon-Keil", den jeder Besucher vom
Konzertsaal aus sieht, aber kaum jemals betreten haben dürfte.

10. Die Sitz-Polsterung beeinflusst die Akustik


Die Klappsitze der Philharmonie sind auch auf der Unterseite
gepolstert. Der Konzertsaal wurde auch als Aufnahmestudio
geplant. Wenn die Sitze hochgeklappt sind, dämpft das
zusätzliche Polster. Akustisch ist kaum ein Unterschied zum voll
besetzten Saal zu spüren.

11. Die Ehrenloge


Aber: Ausgerechnet in der Ehrenloge ist der Sound am
schlechtesten. „Da zeigt sich, wie demokratisch das Haus ist“,
sagt Elisabeth Hilsdorf, die Pressesprecherin der Berliner
Philharmoniker. Richard von Weizsäcker war der musikalische
Genuss in der Philharmonie viel wichtiger als eine
herausgehobene Sitzposition. Deshalb mied er in seiner
Dienstzeit als Regierender Bürgermeister von Berlin den
Sonderplatz. Insgesamt 2440 Sitzplätze bietet der große Saal,
der Kammermusiksaal weitere 1180 Sitzplätze.
Bundeskanzler Konrad Adenauer tritt am 15. Oktober 1963 zurück

12. Konrad Adenauer trat am Eröffnungstag zurück


Am Tag der Eröffnung der Philharmonie (15. Oktober 1963) trat
Konrad Adenauer nach 14 Jahren als Bundeskanzler zurück,
eine politische Ära ging zu Ende, eine künstlerische Ära
begann. Übrigens: Planung, Vorbereitung und Bau der
Philharmonie dauerten die ganze Ära Adenauer - 14 Jahre.

13. Mit der Philharmonie begann das unvollendete


Kulturforum
Als das Gebäude Anfang der 60er-Jahre entstand, war es der
erste Bau des Kulturforums. Danach kamen Ludwig Mies van
der Rohes Neue Nationalgalerie (1968) und die ebenfalls von
Scharoun erbaute Staatsbibliothek (1967–1978) hinzu. 1987
folgte der Kammermusiksaal. Hans Scharoun konnte leider
nicht mehr selbst miterleben, wie sein Konzept des
musikalischen Ensembles am Potsdamer Platz verwirklicht
wurde. Zur Philharmonie kamen das Musikinstrumenten-
Museum und der architektonisch zwillingshafte
Kammermusiksaal hinzu. Der ehemalige Mitarbeiter Scharouns,
Edgar Wisniewski, vollendete auch die Staatsbibliothek auf der
gegenüberliegenden Seite der Potsdamer Straße.

14. Scharouns Baukonzept steht sogar in


Australien
Viele Stars der Architekturszene haben sich von Hans
Scharoun inspirieren lassen. So diente die Philharmonie
unteranderem als Vorbild für das Opera House in Sydney, das
Gewandhaus in Leipzig, den Parco della Musica in Rom, die
Walt Disney Music Hall in Los Angeles, die Philharmonie in
Paris und die Elbphilharmonie in Hamburg.

Öffentlich sind in der Philharmonie natürlich der Konzertsaal, die


Garderobe und die Foyers. Aber es gibt viele halb oder ganz versteckte
Räume, darunter die Instrumentenlager und die Regieräume
Foto: dpa

15. Akustische Tests wurden mit Pistolenschüssen


durchgeführt
Mit Revolverschüssen wurde noch in der Woche vor der
Eröffnung der Konzertsaal akustisch durchgetestet. Die
Messungen, bei denen in schneller Folge fünf Schüsse
hintereinander abgegeben wurden, sollten die Nachhallzeit im
Konzertsaal verbessern helfen. Laut dem Tonmeister Hans-
Ludwig Feldgen war "der Klang des Orchesters bei den Proben
unmittelbar vor dem Eröffnungskonzert unbefriedigend und
nicht ausbalanciert. Karajan schimpfte." Die Wende kam erst,
als das Orchesterpodium erhöht, und die zehn Reflektoren über
dem Orchester abgesenkt wurden. "Das brachte enorme
akustische Verbesserungen", so Feldgen.

16. Der Nachhall darf nur zwei Sekunden dauern


Wie lange bleibt der Klang im Raum stehen? Als ideal gilt eine
Nachhallzeit von zwei Sekunden. Ist der Nachhall länger,
verkümmert der Ton. Ist er kürzer, geht dies auf Kosten des
musikalischen Effekts. Um ihn perfekt zu gestalten, braucht es
komplizierte Mathematik: Man muss den Luftraum pro Person
berechnen, um die Nachhallzeit zu steuern. In der Philharmonie
ergab sich ein nötiges Volumen von 26.000 Kubikmetern. Die
Decke musste dafür eigens angehoben werden, auf 25 Meter
vom Dirigentenpult aus gemessen.

17. Die Orgel kann von der Bühne aus


ferngesteuert werden
Sie erklingt eigentlich viel zu selten. Die Firma Schuke fertigte
1965 eine viermanualige Orgel, die 1992 renoviert und 2012
komplett überarbeitet wurde. Sie verfügt zusammen mit der
Chororgel über 88 Register und kann von der Bühne aus von
einem mobilen Spieltisch angesteuert werden.

 Am 20. Mai 2008 brannte das Dach der Philharmoniker


Foto: MS CS**FK** / AP

18. 2008 bekam die Berliner Feuerwehr ein


Dankeskonzert
Am 20. Mai 2008 brach, verursacht durch Schweißarbeiten
unterhalb des Metalldaches, ein Feuer aus. Es blieb beim
Schreck. Die Innenräume wurden kaum beschädigt, so dass
schon ab dem 2. Juni 2008 wieder Konzerte in der
Philharmonie stattfinden konnten. Die Berliner Feuerwehr
wurde als Dankeschön zu einem Konzert in die Waldbühne
eingeladen. Simon Rattle: „Vielen Dank! Ohne Sie hätten wir
jetzt keine Philharmonie mehr“. Applaus von den rund 18.000
Besuchern für die Rettungskräfte. Die Feuerwehr selbst spricht
von einer "heißen Vorstellung im 'Zirkus Karajani'".
19. Auch der Sony-Chef dirigierte die
Philharmoniker
Als 2000 das Sony-Center am Potsdamer Platz eröffnet wurde,
erfüllte sich der mittlerweile verstorbene Sony-Chef Norio
Ohga einen Traum: Er dirigierte die Philharmoniker. Auf dem
Programm stand Beethovens Neunte. Ohga soll sogar seine
frühere Vermieterin aus Berliner Studientagen zu dem Konzert
eingeladen haben.

Die Innenarchitektur hat etwas eigenartige Folgen


Foto: Amin Akhtar

20. Abendkleid trifft auf Trenchcoat


Die Innenarchitektur hat etwas eigenartige Folgen. So gibt es
für die Gäste zwei Garderoben. Sie liegen allerdings direkt
übereinander. Kommt der Besucher von rechts, so muss er
noch in Straßenkleidung die Treppe hinaufgehen. Dort trifft er
auf die Besucher der linken Seite, die ihre Mäntel bereits unten
an ihrer Garderobe abgegeben haben. So trifft manches
Abendkleid auf manchen Trenchcoat.

21. Selbst die Telefonzellen sind denkmalgeschützt


Der grüne Teppich ist denkmalgeschützt, ebenso die
Telefonzellen im Foyer. Der Boden des Foyers wurde aus
verschiedenen Natursteinen komponiert. Ihn gestaltete der
Bildhauer Erich Fritz Reuter. Der Designer Günter Ssymmank
entwickelte die kugelförmigen Leuchten, in denen die kleinen
Fünfeckflächen motivisch wiederkehren.

Alexander Camaro wurde beauftragt vier farbige Glaswände zu entwerfen


Foto: Amin Akhtar

22. Viele Künstler bauten an der Philharmonie mit


Die Philharmonie trägt bei weitem nicht nur die Handschrift
Hans Scharouns. Ihm war es wichtig, dem Gebäude die Spuren
zeitgenössischer Kunst einzuprägen. So wurde Alexander
Camaro beauftragt, vier farbige Glaswände zu entwerfen. Die
runden Bausteine aus Glas sind in Beton eingefügt. Im
Eingangsbereich findet sich eine Plastik aus Aluminium mit dem
Titel „Auftakt 63“, die der Bildhauer Bernhard Heiliger
geschaffen hat. Spaziert man ins obere Foyer, so findet man
dort Plastiken, die die Dirigenten des Philharmonischen
Orchesters porträtieren.

Chefdirigent Simon Rattle


Foto: pa/dpa

23. Rattle übernimmt die Kontrolle mit gespreizter


linker Hand
Chefdirigent Simon Rattle führt als Rechtshänder den
Dirigentenstab in der rechten Hand, wodurch seine
Handbewegung deutlich sichtbar nach vorne verlängert wird.
Mit der gespreizten linken Hand, die leicht erhöht ist, will Sir
Simon in leidenschaftlichen Momenten wieder die Kontrolle
übernehmen.

24. Philharmonie im Livestram erleben


Die Philharmoniker erfreuen sich weit über die Stadtgrenzen
hinaus großer Beliebtheit. Wenn die Fans nicht herkommen
können, wissen sie Abhilfe: Auf dem Fernseher, Computer,
Tablet oder Smartphone kann man die Berliner Philharmoniker
live oder immer wieder im Archiv bestaunen und hören.

25. Konzerte sind auf der Kino-Leinwand zu sehen


Einige besondere Konzerte sind live im Kino zu erleben, in High
Definition und mit Surround-Sound.

26. Loriot leitete als Klavierträger das Orchester


Der Humorist Loriot alias Vicco von Bülow war dem Orchester
familiär verbunden: Hans von Bülow, der erste Chefdirigent, war
ein entfernter Verwandter von ihm. Vicco von Bülow „dirigierte“
das Orchester bei zwei Anlässen: 1979 beim Kanzlerfest sowie
1982 beim humoristischen Festkonzert zum 100. Geburtstag
des Orchesters.

27. Die Philharmonie wird auch "Zirkus Karajani"


genannt
Berliner lieben Spitzenamen. Viele Gebäude in Berlin haben
einen. Und Herbert von Karajan war 34 Jahre Chefdirigent der
Philharmoniker und damit nicht nur untrennbar mit dem
Orchester, sondern auch mit der Philharmonie verbunden.
Wegen seiner zeltartigen Form und in Anspielung auf Herbert
von Karajan soll der Berliner Volksmund das Gebäude
angeblich „Zirkus Karajani“ nennen.

Herbert von Karajan


Foto: DPA

28. Karajan-Nachfolger Abbado war eine


Überraschung
Karajan starb im Jahr 1989. Zur großen Überraschung vieler
wählten die Philharmoniker Claudio Abbado zum Nachfolger,
der in Vielem das genaue Gegenteil von Karajan war. Abbados
offener Führungsstil, der sich so deutlich von der patriarchalen
Art Karajans unterschied, provozierte hin und wieder
Widerspruch unter den Musikern. Unter Abbado senkte sich der
Altersdurchschnitt des Orchesters spürbar nach unten. In dieser
Zeit kamen mehr als die Hälfte der heutigen
Orchestermitglieder neu ins Ensemble.
29. Sir Simon Rattle dirigiert von 2002 bis 2018
Im Jahr 2002 übernahm Sir Simon Rattle die künstlerische
Leitung der Berliner Philharmoniker von Claudio Abbado. Im
Januar 2013 kündigte er an, seinen Vertrag, der 2018 ausläuft,
nicht mehr verlängern zu wollen.

30. Jedes Jahr gibt es ein Pfeifkonzert


Eine Besonderheit ist seit vielen Jahren das Abschlusskonzert
jeder Saison: Es findet vor etwa 20.000 Zuhörern in der
Waldbühne statt und wird im Fernsehen übertragen. Für das
Ende gilt "Same procedure as every year": die Berliner Luft (aus
Paul Linckes "Frau Luna"). Das Publikum feiert den Berliner
Klassiker begeistert.

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