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Die Schlacht bei Hastings

1066 (Normannische
Chronik, 15. Jh.)
HÄNDLER & STAATSGRÜNDER

Vom Piratentrupp zum reichen, perfekt organisierten Beamtenstaat –


diese Kulturleistung ist den Nachfahren der Wikinger
gleich zweimal gelungen: in der Normandie und in Süditalien.

Siedler, Söldner, Souveräne


Von JOHANNES SALTZWEDEL

eder Ort noch Da- worden sein soll, von wo aus er mit ei- Frankreichs neuer König Rudolf von

W tum des Treffens


sind präzise überlie-
fert. Aber zumindest
beim Jahr haben
sich die Historiker auf 911 geeinigt – für
eine der faszinierendsten Integrations-
leistungen Europas. Karl III., Herrscher
nem Trupp waghalsiger Dänen an der
südlichen Kanalküste zu räubern be-
gann.
Solch bunt-verwegene Geschichten
wurden allerdings erst Jahrhunderte
später aufgezeichnet; ob sie wahr sind,
weiß keiner. Entscheidend bleibt, dass
Burgund die Herrschaft über die west-
lich gelegenen Provinzen Bayeux und
Maine. Rollo alias Robert schien es auch
ernst zu meinen mit dem Christentum:
Der Bischofssitz von Rouen blieb erhal-
ten, ja er bekam reiche Stiftungen. Früh-
zeitig baute der gewesene Pirat seinen
des Westfrankenreichs, kam nach vielen fortan immer seltener wilde Horden aus Sohn Wilhelm, später „Langschwert“ ge-
Reibereien mit dem Wikinger-Führer Piratennestern über die Bauern des nannt, zum Nachfolger auf. Kurz nach
Rollo überein, dass die Nordmän- Seinetals herfielen. Rollos königlich be-Rollos Tod um 932 konnte Wilhelm
ner im Seinetal, von der Stadt Rouen glaubigte Führungsstärke zähmte die un- dann auch das Avranchin und das Co-
bis zur Kanalküste, siedeln dürften. Ein- tereinander keineswegs einigen Wikin- tentin, die westlichsten Teile der noch
zige Bedingung: Taufe heute „Normandie“ ge-
und Treue. nannten Region, seinem
Was durch dieses Ab- Grabmal Rollos in der Hoheitsbereich anfügen.
kommen – angeblich Kathedrale von Rouen Bis zur Bucht von
geschlossen in Saint- Mont-Saint-Michel, wo
Clair-sur-Epte zwi- auf einem Insel-Berg
schen Rouen und Paris christliche Eremiten haus-
– in Gang kam, konnten ten, hatten die Norman-
die damaligen Unter- nen ihr Gebiet nun ausge-
händler nicht ahnen. dehnt. Eine antifränki-
Immerhin: Karl war sche Rebellion erstickte
eine große Sorge los. Wilhelm ebenso souve-
Lange hatte der nach- rän, wie er die durch
geborene Karolinger, Krieg und Elend dar-
den böse Zungen später niederliegende Abtei Ju-
„den Einfältigen“ nann- mièges und anderes Kir-
ten, mit Konkurrenten chengut restaurieren ließ.
und mächtigen Adels- Doch dann wurde ihm
cliquen ringen müssen, sein Ehrgeiz, als Landes-
bis er einigermaßen sicher auf dem ger um Rouen („Nordmanni de Rodome herr im nachkarolingischen Reich mit-
Thron saß. Indem er nun zuließ, dass foedus“) nach und nach zu einer Art zumischen, zum Verhängnis: Arnulf der
BRITISH LIBRARY / AKG (L.); TED SPIEGEL / CORBIS (R.)

aus zähen Eindringlingen, die Nord- Stammesverband, auf den halbwegs Ver- Große, Graf des benachbarten Flandern,
frankreich durch ihre Raubzüge in Angst lass zu sein schien. ließ ihn bei einer vorweihnachtlichen
hielten, legitime christliche Siedler wur- Während Karl der Einfältige schon Einladung 942 heimtückisch ermorden.
den, versuchte er einen Unruheherd 923 die Macht wieder einbüßte und nur
durch Konzessionen zu befrieden. sechs Jahre später als Häftling des Gra- Wilhelms Sohn und Erbe Richard war
Rollo andererseits, nun offiziell Graf fen von Vermandois endete, festigte der erst zehn Jahre alt und hatte die nordi-
Robert, durfte sich mit seinen skandina- neue Gefolgsmann seine Basis – nicht sche Sprache nachträglich lernen müssen;
vischen Gefolgsleuten erstmals als Herr zuletzt durch gewaltsame Übergriffe auf seine Mutter war eine bretonische Ne-
im ruhmreichen Land der Franken füh- benachbarte Gebiete im Osten und Sü- benfrau. Dennoch konnte der junge
len. Nicht übel für einen, der als Göngu den, bis nach Noyon, Arras und Amiens. Mann sich schließlich gegen alle Über-
Hrólfr („Rolf der Vagabund“) aus Nor- Bei Nachbarn hinterließ das den er- griffsversuche der Nachbarn behaupten.
wegen auf die Orkney-Inseln verbannt wünschten Eindruck. 924 übertrug ihm Von 950 an weitete Richard konsequent

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Die Insel-Abtei
Mont-Saint-Michel mit
gotischer Kirche
aus dem Hochmittelalter

seine Macht aus: Er verband sich mit dem dem Mont-Saint-Michel) und war weit- die fast unentwegt aufsässigen Barone.
kommenden Herrscherhaus der Kapetin- hin geschätzt, beim Papst wie beim Dä- Dass es ihm gelang, beweist neben enor-
ger, nannte sich „marchio“ (Markgraf ) nenkönig. Noch 1021 trat ein skandinavi- mem Glück vor allem Wilhelms überra-
und ließ zur Freude der Kleriker an sei- scher Sänger an seinem Hof auf. Bis ins gende Begabung im Haifischbecken
nem Geburtsort, der Küstenstadt Fécamp, Sinai-Kloster trugen fromme Spenden hochmittelalterlicher Adelsrivalitäten.
die große Abtei wiederherstellen. die Kunde vom Friedensherrscher, der Aber der so erstarkte Regent hatte
Als um 960 neue Wikinger-Scharen um 1025 in der Stadt Bernay eine weitere noch weit höhere Ziele. Als der angel-
in der aufblühenden Region eintrafen, große Abtei bauen ließ. sächsische König Eduard der Bekenner
verschaffte sich der Herrscher mit Stren- Nur die Erbfrage machte Schwierig- erbenlos gestorben war, setzte Wilhelm,
ge, aber auch Verständnisgesten Respekt. keiten. Richard III., 1026 auf den Thron der Ansprüche anmelden konnte, alles
Widerspenstige mussten den „ullac“ gekommen, hielt sich kaum ein Jahr; auf eine Karte. Im September 1066 lan-
fürchten, einen Rechtsakt, der Verban- später munkelte man, seinen Tod habe dete er mit einem Heer in Britannien,
nung und Konfiszierung des Besitzes vor- der Bruder und Nachfolger Robert mit um dort König zu werden.
sah; innerhalb des Hoheitsgebiets waren Gift beschleunigt. Schon 1034 begab Sein Sieg über den Rivalen Harald
Raubzüge verboten. Andererseits bewies sich Robert, ein sprunghafter Taktierer, von Wessex, den eben gekrönten König
Richard Stammes-Sympathie, indem er als Pilger nach Jerusalem und kehrte Englands, in der Schlacht bei Hastings
eine Frau namens Gonnor aus skandina- nicht mehr zurück. und die Krönung in Westminster Abbey
vischer Sippe heiratete. Während im ent- Trotzdem konnte sein damals noch sind zu Urszenen der britischen Ge-
stehenden Frankreich Hugo Capet 987 minderjähriger legitimierter Bastard- schichte geworden: Im Handstreich war
zur Königswürde aufstieg, erhob sich die sohn Wilhelm das aus Seeräubernestern der Regent einer Provinzialmacht zu
Normandie, wie ihr Name nun fast regel- bis zu beneidetem Wohlstand aufgestie- europäischem Format aufgestiegen.
mäßig lautete, zum Herzogtum. gene „Regnum“ (Reich) allein zusam- Binnen kurzer Zeit übernahmen Nor-
Bei Richards Tod 996 fiel dem gleich- menhalten – dank eiserner Härte gegen mannen alle Führungsposten auf der In-
namigen Sohn ein nahezu vorbildlich sel. Strafaktionen und ein wie
gegliedertes Staatswesen zu. Von zuvor daheim knall-
Rouen und Fécamp aus steuerte hart durchgezo-
der Erbe umsichtig sein Fürs- genes Lehnsregi-
tentum. Richard II. verheira- ment brachen den
tete seine Schwester Emma Widerstand der
an den angelsächsischen angelsächsischen
König Ethelred, ließ den Herren.
agilen Klosterreformer Als Wilhelm
Wilhelm von Volpiano auch noch Wali-
GETTY IMAGES (O.); AP (U.)

Abteien organisieren sern und Schot-


(unter anderem auf ten in Kriegszü-
gen seine Schlag-
Ein Band des kraft bewiesen
„Domesday Book“ hatte, ließ er,
von 1086 der selbst ver-

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mutlich niemals gere, nicht erbberechtigte Söhne –, die sina. Mühelos konnte er die Stadt ein-
Lesen und Schrei- Kampferfahrung suchten. Schon 1030 nehmen: Sein Angriff bei Tag machte
ben lernte, einen wird einer aktenkundig, dem der Auf- nur einem größeren, im Schutz der Dun-
akribischen Katas- stieg gelingt: Rainulf Drengot, geboren kelheit weiter südwärts gelandeten Nor-
ter über allen nahe der Kanalküste, bekam vom neapo- mannentrupp unter Roger den Weg frei.
Landbesitz in Eng- litanischen Herzog die umkämpfte Graf- Ähnlich listig spielten die Brüder später
land anlegen. Die- schaft Aversa zu Lehen; acht Jahre bei der Eroberung Palermos einander in
ses zweibändige darauf erkannte der römisch-deutsche die Hände: Diesmal war es Robert, der
„Domesday Book“ Kaiser Konrad II. diese Herrschaft an. durch ein heimlich geöffnetes Stadttor
(„Buch für das Epoche machen aber sollte eine Fa- den Verteidigern in den Rücken fiel.
Jüngste Gericht“), milie, die sich geradezu mustergültig wi-
das erste erhalte- kingischer Herkunft rühmen konnte. Trotz solcher Kniffe dauerte es ins-
ne Großdokument Aus dem Cotentin, jener Landschaft der gesamt über 30 Jahre, bis die Norman-
seiner Art in Eu- westlichen Normandie, wo ein Jahrhun- nen die Sarazenen von der Herrschaft
ropa, dient Histori- dert zuvor besonders viele skandinavi- in Sizilien vollständig verdrängt hatten
kern seit langem sche Siedler neues Glück gesucht hatten, und so zur Vormacht der Region gewor-
als unschätzbare traf neben anderen Abenteurern eine den waren. Robert Guiscard überstand
Quelle – damals Brüderschar ein, die anfangs für Byzanz einen päpstlichen Bannfluch ebenso
schrieb es die aner- focht, dann aber mit erstaunlicher Ener- wie herbe Zerwürfnisse unter den Brü-
kannten Rechte gie in Süditalien die Macht an sich riss. dern. Erst mit Feldzügen gegen Byzanz
und so die nor- Fast zwei Jahrhunderte lang errichtete bis nach Dalmatien, bei denen sein
mannische Hoheit sie ein Regiment, wie es für die Region Sohn Bohemund (siehe Seite 121) das
fest. einzigartig bleiben sollte. Landheer führte, überspannte er den
Bis 1204 sollten England und die Nor- Hauteville, lateinisch Altavilla, nann-
mandie gemeinsame Herrscher behalten, te sich die Sippe. Zum Unmut der ge-
schließlich sogar in Verbindung mit dem knechteten Apulier folgten den beiden
Aprutium
Rom Benevent
Anjou und Aquitanien. Noch lange be- ältesten, Wilhelm Eisenarm und Drogo,
dachten die Könige jene Abteikirchen mindestens fünf weitere Brüder nach. Adria
Trani
der Normandie, wo ihre Ahnen begraben Darunter war einer der kühnsten Erobe- Neapel MelfiApulien
lagen, mit Schenkungen; das Großreich rer des Mittelalters: Robert Guiscard. Capua
wurde zum Kernland ritterlicher Zivili- Geschickt nutzte er ein Kastell, das Salerno
sation. Wikingische Ursprünge brauch- Drogo ihm eher widerwillig überließ, als Tarent
ten Wilhelms Nachfolger und die politi- Stützpunkt; von dort aus begann er Ka- Salerno
sche Führungsschicht des anglo-norman- labrien, die strategisch wichtige Stiefel- Kalabrien
nischen Königreichs nun nicht mehr zu spitze Italiens, unsicher zu machen. 1053
beschwören: Mischehen, Handel und schlugen die verbündeten Normannen Das norman-
geistlicher Austausch hatten sie kulturell den mit Heeresmacht herbeigeeilten Palermo nische Reich
in Süditalien
zu einem neuen Ganzen vereinigt. deutschstämmigen Papst Leo IX. und Messina
In kaum zwei Jahrhunderten waren setzten ihn sogar für neun Monate ge- Sizilien bis ca. 1060
bis ca. 1070
aus ehemaligen Piraten gewiefte Verwal- fangen. Nun war kein Halten mehr: Zug
bis ca. 1090
tungsprofis und stolze Ritter geworden um Zug brachte Robert Kalabrien an Grenze 1154
– und das offenbar nicht bloß durch eine sich; als 1057 sein älterer Bruder Hum-
Laune des historischen Schicksals. An fred starb, fiel dessen reiches Erbe in Bogen. Im Sommer 1085 starb der rast-
einer ganz anderen Ecke Europas gab es Apulien ebenso an den jungen Warlord. lose Draufgänger fern jeder Art von
nämlich einen erstaunlichen Parallelfall. Papst Nikolaus II. blieb nichts anderes Heimat, auf der ostgriechischen Insel
übrig, als die Fakten anzuerkennen – was Kefalonia.
Kurz nach dem Jahr 1000 waren er mit einem klugen Schachzug verband. Graf Roger, sein Bruder, war der klü-
Grüppchen von Normannen im südli- Er belehnte 1059 Robert Guiscard, der in- gere Staatsmann. Die mühevolle Einnah-
chen Italien erschienen. Angeblich lock- zwischen den Herzogstitel führte, nicht me Siziliens hatte ihn gelehrt, Muslime
te sie das Heiligtum des Erzengels Mi- bloß mit Apulien und Kalabrien, sondern nicht gewaltsam zu bekehren, sondern
chael auf dem Gargano-Vorgebirge, am auch mit der bislang gar nicht anvisierten tolerant ihr Können zu nutzen. Im stetig
Sporn des italienischen Stiefels. Doch Kornkammer Sizilien. Die Rechnung ging ausgebauten Beamtenstaat regierten
bald fanden die Pilger weniger fromme auf: Nun hatte Robert, in Abstimmung zum Beispiel Provinzgouverneure mit
Beschäftigung: als Söldner in Diensten und immer wieder auch Rivalität mit sei- dem Titel „ammiratus“, was vom arabi-
unteritalienischer Fürsten und Grafen nem Bruder Roger, ein neues Ziel. Ge- schen „Emir“ abgeleitet ist und später
von Capua, Neapel, Salerno oder Bene- meinsam machten die Hautevilles nicht zu „Admiral“ wurde. In Urkunden be-
vent, die untereinander im Zwist lagen, nur Byzantinern und benachbarten Gra- zeichnete sich Roger ohne weiteres als
aber auch die alte Vorherrschaft Kon- fen das Leben schwer, sondern fingen Sultan. Und aus Rom, wo die Päpste ganz
stantinopels in ihrer Region zurückdrän- tatendurstig an, den muslimischen Sara- andere Sorgen hatten, kam Rückende-
gen wollten. zenen Sizilien zu entreißen. ckung dafür, dass der Normanne die ho-
Es waren keine Trupps, sondern eher Schon im Mai 1061 schiffte Robert hen Kirchenämter Siziliens mit Leuten
mutige Einzelgänger – häufig wohl jün- Guiscard über die Meerenge nach Mes- seines Vertrauens besetzte.

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Enorm stabil war da- Monarch seinen Erb- Ruhmesglanz: Er hätte eine byzantini-
her das Staatsgefüge, sohn Wilhelm zum Mit- sche Prinzessin heiraten können, nahm
das der Eroberer bei sei- regenten. Mehr hätte dann aber 1177 die Tochter König Hein-
nem Tod 1101 hinter- sich der Sohn eines richs II. von England zur Frau. Im
ließ: Elf Jahre lang Haudegens von der Ka- prunkvollen, neu gestifteten Klosterdom
konnte Gräfin Adelheid nalküste in den kühns- Monreale oberhalb von Palermo ließ
die Regentschaft füh- ten Träumen nicht aus- sich Wilhelm, dem Chronisten ein be-
ren, bis ihr Sohn, der zumalen vermocht. sonders gutes Aussehen und muslimisch
Thronerbe Roger II., Sein Tod am 26. Feb- verfeinerten Lebensstil bescheinigen,
volljährig war. Sein ruar 1154 brachte dann auf einem Mosaik gleich neben dem Al-
Name steht für eine der alles Erreichte in Ge- tar verewigen.
glanzvollsten Perioden fahr. Nicht bloß einige Erst mit seinem frühen Tod 1189
der hochmittelalterli- Grafen muckten auf: dämmerte das Ende der normannischen
chen Geschichte. Papst Hadrian IV. und Eigenständigkeit in Süditalien herauf.
1129 sicherte sich beide Kaiser – in By- Aus Vorsicht hatte der kinderlose Re-
der junge Herrscher die zanz Manuel I., auf gent seine Tante Konstanze an den Stau-
Nachfolge im zuvor um- Krönung Wilhelms II. deutscher Seite der jun- fer Heinrich VI. verheiratet. Nun lebte
kämpften Normannen- Mosaik im Dom von Monreale ge, ehrgeizige Friedrich tatsächlich kein legitimer männlicher
herzogtum Apulien und Barbarossa – lehnten Hauteville mehr. Konstanze war Erbin
bündelte auf diesem Weg den größten Wilhelm als Nachfolger ab. In Afrika rüs- – aber war sie auch stark genug?
Teil Süditaliens in seiner Hand. Weih- teten die Muslime. Zudem geriet der als Jahrelang konnte sich der entfernt
nachten 1130 krönte er sich mit Billigung „Emir der Emire“ eingesetzte Maio von verwandte Provinzführer Tankred von
des Gegenpapstes in Palermo zum Kö- Bari in die Schusslinie der sizilianischen Lecce durch die Gunst mächtiger sizi-
nig. Bald war er auch Herr von Capua Provinzadligen. lischer Barone auf dem Thron halten;
und des Herzogtums Neapel. Als prak- der Usurpator nahm gar die frisch zur
tisch alleiniger Lehnsherr und Souverän Aber wieder einmal half das Glück: Kaiserin gekrönte Konstanze, deren
vereinigte Roger die Vorteile fränki- Friedrich Barbarossa mochte dann doch Gatte samt Heer gen Sizilien unterwegs
schen und byzantinisch-kaiserlichen Re- nicht bis Sizilien ziehen. Nach der Er- war, gefangen und hielt sie monate-
giments, so dass er nahezu absolute mordung Maios durch adlige Verschwö- lang fest. Erst nach Tankreds Tod 1194
Macht ausübte – nicht tyrannisch, son- rer 1160 strafte König Wilhelm – den gelang es Heinrich doch noch, in Paler-
dern durch neueste Rechtssätze und missgünstige Historiker später „den Bö- mo einzuziehen und die Krone zu emp-
den effizientesten Beamtenapparat sei- sen“ nannten – die Abtrünnigen und fangen.
ner Zeit. schwor die Verwaltung noch strenger Im selben Jahr brachte Konstanze auf
„Man muss dem Hauteville zugeste- auf seine Person ein. Abgesehen vom der Rückreise nach Norden einen Sohn
hen, dass er ein ausgesprochener Glücks- Verzicht auf die afrikanischen Küsten- zur Welt, den sie Friedrich nannte. Als
pilz war“, resümiert die Bonner Norman- städte hinterließ er seinem gleichnami- Kaiser Heinrich schon 1197 starb, sicher-
nen-Expertin Alheydis Plassmann. Auch gen Erben ein gefestigtes Reich. te die kluge Nachfahrin der Eroberer ih-
sie kann letztlich nur staunen, wie Roger Niemanden schien es jetzt zu stören, rem Kind sogleich die Krone Siziliens.
seine Gegner ausmanövierte und Zorn dass dieser Sohn wieder erst ein Söhn- Friedrich II., von Vaterseite Staufer und
erst spüren ließ, sofern sich einer bockig chen war. Milde lenkte die Regentin mütterlicherseits ein Hauteville, sollte
zeigte. Der letzte Versuch des Papstes Margarete von Navarra den Staat, bis durch überlegene Strategie, kühne Kul-
Innozenz II., im Bund mit der kaiserli- Wilhelm II. Ende 1171 die Macht über- turvisionen und pragmatische Ent-
chen Macht Roger zu demütigen, endete nehmen konnte. Sein Regiment verlieh schlossenheit zum wahren Erben der
1139 nach der Schlacht von San Germano dem süditalienische Reich nochmals großen Normannenherrscher werden.
damit, dass der Heilige Vater als
Gefangener dem Nachfahren der
Wikinger zähneknirschend alle
Macht bestätigen musste.
Selbst an der Küste Nordafri-
kas konnte Roger nun wichtige
HERBERT KRAFT / BPK (O.); DE AGOSTINI PICT. / AKG (U.)

Handelsstädte besetzen. Sein


Reich wurde zum Kulturzentrum,
das die Koryphäen seiner Zeit an-
zog, von arabischen Dichtern und
dem Geografen al-Idrisi über by-
zantinische Theologen bis zu Ka-
thedral-Architekten aus Italien.
1151 erhob der allseits geachtete

Papst Nikolaus II. belehnt 1059


Robert Guiscard mit Süditalien
Chronik um 1350, Florenz

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