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Autorisierte Übersetzung aus dem Schwedischen


Die Geschichten erschienen zuerst im Verlag
Bengt Forsbergs Förlag AB, Malmö
Umschlagbild: H. Vierow
Umschlagtypographie: Manfred Waller

Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH,


Reinbek bei Hamburg, November 1983
Copyright © by Bengt Forsbergs Förlag AB, Malmö
Alle deutschsprachigen Rechte beim Gala Verlag, Hamburg
Copyright © 1982 by Gala Verlag, Hamburg
Satz Garamond (Linotron 404)
Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany 580-ISBN349915268 1

Scan: jojox

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Inhalt

Bengt Anderberg
Wie Erling das Glück fand
5

Rune Olausson
Ich lachte gestern
27

Svante Foerster
Eva Martensson
53

Annette Kullenberg
Peter Mansson kommt nach Hause,
schafft ein beschwerliches
Problem aus der Welt und taucht
wieder unter
89

Bernt Rosengren
Um der guten Sache willen
110

Sam Lidman
Sex
131

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Bengt Anderberg

Wie Erling das Glück fand


Erling hieß ein Junge. Er war ein echt schwedischer
Junge von zwanzig Jahren und hatte gerade die Volks-
hochschule beendet. Seine besten Fächer waren kultu-
reller Tanz und die Muttersprache. Er war ein Halbjahr
lang in der Schulküche gewesen, auf besonderen
Wunsch von Fräulein Bergström, die es gern hatte,
ihm die Kochmütze abzunehmen und ihm übers Haar
zu streichen, wenn sie ihn zurechtwies.
«Es kitzelt in meinem Rückgrat, wenn Sie das ma-
chen», sagte Erling.
Da bekam Fräulein Bergström rote Wangen und ging
hastig aus der Küche.
Und alle Mädchen versammelten sich um Erling. Auch
sie hatten sehr rote Wangen, und ihre Zähne glänzten.
Erling bemerkte mit Interesse die schuppige Haut auf
ihren mehligen Unterarmen.
«Du kannst doch heut abend mit uns auf den Boden
gehen!» baten sie.
«Und der schwarzen Katze ein bißchen Sahne schla-
gen!»
«Und der Eichhörnchenmama etwas Grütze kochen!»
«Und Frau Lindblom ein Breichen rühren!»
«Leider muß ich heute abend meine alten Volkstanz-
hosen stopfen», sagte Erling. «Sie sind im Schritt ge-
platzt, und ich wollte sie mit Pechfaden reparieren.»
«Wir können sie dir nähen», riefen alle Mädchen mit
seltsamem Eifer.

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Aber im gleichen Augenblick war zu hören, wie Fräu-
lein Bergström auf der Toilette spülte, und kurz darauf
kam sie herein. Jetzt waren ihre Wangen nur noch hell-
rosa. Sie sah streng aus. Die Mädchen hasteten auf ihre
Plätze, jedes an seinen Herd.
Fräulein Bergström rückte ihren Gürtel zurecht und
sagte ernst zu Erling, in seiner Soße seien Klumpen.
«Das wird sich nicht wiederholen», sagte Erling und
sah ihr weich in die Augen.
Nach einer Weile, in deren Verlauf sie ihre Augen
nicht von seinen lösen zu können schien, obwohl ihre
Augenlider zitterten, begann Fräulein Bergström heftig
die Mädchen auszuschimpfen. Keine machte es ihr
recht! - Und den ganzen Tag über dauerte die Ver-
stimmung in der Schulküche an. Aber all das war
schon lange her. Jetzt war der feierliche Abschluß ge-
kommen, mit einer Rede des Rektors und Ermahnun-
gen des Unterpfarrers sowie mit Tanzvorführungen im
Turnsaal. Mädchen in Nationaltracht hatten Kaffee aus
riesigen Kupferkannen serviert, jeder tauchte sein
Stück Kuchen in den Kaffee und kleckerte Zucker aufs
Knie, die blau-gelbe Fahne hatte draußen auf der Stan-
ge vor der Büste des Gründers geknattert. Oh, das war
eine Stimmung von Erinnerungen gewesen, die sich
sammelten und still die Hände schüttelten. Die Kühle
der Abschiedsstunde begann unter dem hellblauen
Himmel spürbar zu
werden.
Am Nachmittag hatte Erling seine Tasche gepackt.
Und wehmütigen Sinnes stand er am Fenster und sah
über den Park hinaus.

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Der Wind war abgeflaut. Die breiten Sandwege lagen
verlassen zwischen Rosenbeeten, Fliederbüschen und
Jasmin in der ersten Blüte. Fußabdrücke hatten die
gleichmäßigen Ränder ausgelöscht, die der Gärtnerge-
hilfe mit seiner Harke bei der Morgenarbeit gezogen
hatte. Über den Rasenflächen ruhten die Schatten der
Laubbäume Seite an Seite, und aus dem grünen, sehn-
suchtsvollen Dunkel war jubelnder Vogelgesang zu
hören. Ganze Schwärme glücklicher Insekten glitzer-
ten im Gegenlicht.
Erling seufzte. Er wollte die Schule nicht verlassen und
sich
ins Ungewisse Leben hinausbegeben ...
Er hörte zwei Stimmen aus dem Zimmer nebenan.
Seiner langjährigen Gewohnheit treu, legte er sein Ohr
fest an die Wand.
Es war der Sohn des Großbauern Rike-Persson, der
wieder eines seiner merkwürdigen Gespräche mit der
Jungmagd Katrin führte.
Katrin: Nein, du darfst nicht! Ich sag's dem Rektor! Ich
sag's meinem Vater!
Persson: Aber Klein Katrin, ich will dich doch nur küs-
sen. Und dann am Examenstag! Ich darf doch, ja?
Katrin: Küß mich ein bißchen, ganz leicht, dein Mund
schmeckt so gut. Aber du darfst nicht wieder alles an
mir aufknöpfen, versprich mir das!
Persson ÄÄm (gemeinsam):Schmatz, Schmatz,
Schmatz...
Katrin: Ei, wie stark du bist! Du drückst mich ja kaputt!
Persson: Kann nichts dafür, Kleines. Kann ich dafür,
daß deine Brüste so schön sind?

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Katrin: Nein, habe ich gesagt! Nicht aufknöpfen! Du
mußt draußen bleiben, das muß dir genügen - draußen
bleiben, draußen! Oh, ich sag's dem Rektor und ihr,
der Leiterin! Die Bluse hat 30 Kronen gekostet!
Persson: Die bezahlt mein Vater! Wieviel Haken und
Ösen habt ihr Frauen eigentlich überall!
Katrin: Waren's 200 Morgen, die dein Vater hatte?
Persson: Und 40 blanke Kühe. Und alt ist er. Ich will
hier an der roten Spitze lutschen, Mädchen.
Katrin: 40 Kühe ... Nein, küß mich erst wieder auf den
Mund, du, Persson, wart, nicht so ungebärdig. Ja, du
darfst auch drinnen anfassen, wenn es unbedingt sein
muß. Zieh mir den Rock aus, ich hab's so gern, wenn
du hinten draufklopfst. Und küß mich wieder, es ist
mir egal, egal, alle Onkels!
Persson & Katrin (gemeinsam): Schönste in der Welt,
mmmm...
Katrin: Zieh mich nackt aus und hiev mich dann aufs
Bett da. Wir spielen, daß ich das kleine Tier im großen
Strom bin, ja, beißt es an, Persson? Spreiz mich, Pers-
son!
Persson: Ich werde dir helfen, Püppchen, so, so, das
Höschen kommt in die Hölle, das Schiethöschen,
Gottchen, bist du hübsch, nein, nein, ich trau mich ja
kaum, dich anzufassen.
Katrin: Komm, ja, schön dein Höschen aufknöpfen, ja
bersten muß es, schön so. Jesses, hast du eine schwar-
ze Perücke zwischen den Beinen, Junge. Aber der da,
der Fahnenmast, der Arme hat ja eine Glatze. Heb
mich hoch, Persson!

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Persson: Herr Jössus, die Sonne scheint auf das Futt-
chen dein, es leuchtet wie Mohn auf dem Weizenfeld.
Katrin: Naaaiüin, da sollst nicht, nicht küssen, ich werd
ja ganz verrückt, o selig in der Höhe!
Persson: Schönster Geschmack an dir, der sitzt da, zwi-
schen diesen rosa Lippen da.
Katrin: Oh! Oh! Oh! Mach meine Beine breit, sag ich!
Ich hab ihn ja gesehen, den großen Schwanz da, er
starrte mir genau in die Augen, her mit ihm, ich will
ihn haben, den Riesen!
Persson: Hier hast du ihn.
Katrin: Ja, fühl ihn, fühl ihn. Lieg jetzt still und laß ihn
grasen. Das schöne Pferdchen mit dem blanken Muli.
So ja, so ja. Das hat er gern, da unten. Pemo.Oh!Oh!
Katrin: Sachte, still, langsam, hab ich gesagt. Jetzt sag
dem Futtchen schön guten Tag, Schwanzemann. Ihr
seid doch alte Freunde? Schieb ihn ein bißchen tiefer
ein.
Persson: Ich kann mich nicht mehr halten, Kindchen.
Katrin: Halt, wart auf mich, Junge! Die erste Ladung
will ich haben, wenn's bei mir geht, verstanden, Pers-
son, Persson...! Warte! Ich bin jetzt auf dem Weg berg-
ab, ich hol dich gleich ein! Lange Stöße, lange Stöße.
Ich will dich beißen, bis das Blut spritzt...
Persson: Oh! Oh! Oh!
Katrin: Die Hände! Die Hände! Halt meinen Arsch
hoch!
Persson: O Kindchen, Süße bll fll mrrr. Eine Weile war
jetzt nur noch Geschnaufe zu hören wie von zwei tra-
benden Pferden, dann kam das wohlbekannte Schwei-
gen danach.

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Erling nahm sein Ohr von der Wand und schüttelte
den Kopf. Das waren merkwürdige Sachen! Noch
merkwürdiger war vielleicht, daß sein Mannsglied im-
mer so groß und steif wurde, wenn er ihnen zuhörte.
Er seufzte wieder. Aber da klopfte es an die Tür, und
der Rektor kam in sein Zimmer.
«Jaja, mein lieber Lieblingsschüler», sagte er. «Jetzt
stehst du also vor dem Ernst des Lebens.»
Erling konnte nichts finden, womit er antworten könn-
te. Es sauste in seinen Ohren und auch an der anderen
Stelle. Aber der Rektor räusperte sich und fuhr fort:
«Was hast du für Zukunftspläne, mein lieber Junge?»
«Ich wollte in die Hauptstadt fahren und dort mein
Glück suchen», brachte Erling heraus.
«Recht so, mein Junge! Das ist wacker gedacht! Aber
sag mir, wie hast du dir die Möglichkeiten dazu vorge-
stellt?»
Erling antwortete schüchtern, daß er sich zwei Wege
ausgedacht hatte. Da seine besten Fächer Schwedisch
und kultureller Tanz waren, wollte er in erster Linie bei
einem großen Verlag vorsprechen und darum bitten,
etwas schreiben zu dürfen, vielleicht würde er dann
Redakteur oder Schriftsteller. Und wenn dieser Plan
schiefging, dann wollte er sich beim Nalen bewerben
und Tanzkünstler werden.
Der Rektor war so ergriffen, daß er seine Hand auf die
Schulter des Jungen legte. Oh, du herrliche Jugend!
dachte er. Und er versprach auf der Stelle, zwei Emp-
fehlungsschreiben für Erling aufzusetzen, eins für den
großen Verlag und eins für Nalen -oder «Nationalen»,
wie der alte Ehrenmann sich ausdrückte. Er kannte

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nämlich eine bedeutende Verlagsredakteurin, und er
hatte einmal einen unvergeßlichen Abend in dem gro-
ßen Tanzpalast zugebracht. Es war zwar viele, viele
Jahre her; aber er glaubte bestimmt, daß sich das Per-
sonal an ihn erinnern würde.
«Aber in diesem Zusammenhang», fügte der Rektor
hinzu, und seine Augen bekamen einen träumerischen
Glanz. «In diesem Zusammenhang will ich dir eine
Warnung geben. Sag mir, mein lieber Junge, wo hast
du dein Zahnputzglas?»
Er holte eine Pulle selbstgebrauten Sherry hervor, die
er an den Abschlußtagen immer mit sich herumzu-
schleppen pflegte. Sie war immer noch halbvoll. Er bot
Erling ein Glas an, Erling fand, es schmeckte nach
Feigen. Dann goß er sich selbst eins ein und leerte es.
Sofort waren seine Augen voller Tränen, und eine
kleine rote Ader zeichnete sich im Augenwinkel ab wie
ein Bach, der traurig durch eine Wiese auf das sumpfi-
ge Dreieck einer Meeresbucht zufließt. Er warf den
Kopf nach hinten, und einige kraftvolle dunkle Haare
streckten sich aus den Nasenlöchern heraus, wie die
Blitze auf einem Telegrafenwappen.
«Erling! Ich kann dich nicht genug vor den Damen in
der Hauptstadt warnen! Ach, diese schönen Damen!
Nach meiner Erfahrung sind sie wie Samt und Seide,
aber gleichwohl auf eine verführerische Weise natür-
lich - was gerade die Gefahr ist, die Gefahr! Pah, ich
kann dir von Mann zu Mann sagen, wenn sie es erst
mal geschafft haben, die Hand des Mannes ganz un-
merklich an der Kante des Seidenstrumpfes vorbeizu-
lotsen und seinen Mittelfinger in das kleine Spitzenhö-

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schen hineingeschmuggelt haben, dann haben sie ihn
in der Gewalt.»
«Oh, welch liebliche Herrschaft!»
Gedankenvoll leerte er ein weiteres Glas bis auf den
Grund und ermahnte Erling, diese Mahnung nie zu
vergessen, worauf er die beiden Empfehlungen
schrieb. - Und Erling verbarg die Worte in seinem
Herzen.
Zwei Tage später stand er im Zimmer der Verlagsre-
dakteurin und betrachtete ehrerbietig das kühne Schat-
tenspiel in ihrem Dekollete, während sie das Empfeh-
lungsschreiben des Rektors las. Er gab sich Mühe, so
leise wie möglich zu atmen. Schließlich hob sie den
Blick und sah ihn genau an, von oben nach unten, von
unten nach oben.
«Ich mag Ihre Augen», sagte sie. «Sie haben diesen kla-
ren Blick, stark und klar, aber mit einer Spur unserer
nordischen Schwermut darin - als ständen Sie gerade
da und dachten an ein Mädchen, das weit, weit weg ist.
Tun Sie das? Nicht? Ich bin auch ein einsamer und
schwermütiger Mensch im tiefsten Innern, Herr Er-
ling. Kommen Sie, wir setzen uns hierher und plaudern
ein bißchen.»
Sie führte ihn zu einem breiten dunkelblauen Sofa und
setzte sich dicht neben ihn. Ihre Beine berührten seine.
Er dachte in aller Heimlichkeit an ihre Strümpfe und
Höschen. Er fragte sich, ob der Rektor mit seiner
Warnung sie gemeint hatte, wischte
diese Vermutung aber sofort zur Seite. Sie roch wun-
derbarer als Rosen und Veilchen.

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«Sie machen einen so gespannten Eindruck», sagte sie
und legte die Hand auf sein Knie. «Sie sind sicher sehr
jung? Ach ja, zwanzig ... Nun, wollen Sie so nett sein
und mir Ihre Arbeitsproben zeigen?»
Es sauste in Erlings Kopf herum, und er fühlte, wie
die Muskeln seiner Beine anschwollen. Verlegen mur-
melte er, er habe leider keine Arbeitsproben, das einzi-
ge, was er habe, sei sein Schulzeugnis. Und er versuch-
te, es aus der Innentasche herauszuziehen.
«Wie Sie zittern», sagte sie lächelnd und strich ihm ü-
ber den Schenkel.
«Haben Sie das Zeugnis hier», sagte sie und führte
langsam ihre Hand in seine Innentasche, wobei er den
ganzen Druck ihres Busens gegen seinen Oberarm
spürte. Ihm schwindelte, als er zwischen die hellen
Brüste sah, die kräftig nach rechts gepreßt wurden,
während sie sich bei ihren gleichmäßigen, tiefen, ruhi-
gen Atemzügen hoben und senkten. Endlich nahm sie
das Zeugnis hoch und lehnte sich von ihm weg. Er
fand, sein Arm wurde ganz kalt, als er sie nicht länger
spürte. Oh, dies sind die feinen Tricks der Damen von
Welt! dachte er. So bringen sie uns dazu, sie zu vermis-
sen!
Sie sah vom Zeugnis hoch.
«Ich sehe, daß Sie gut in Schwedisch sind», sagte sie.
«Und in kulturellem Tanz, Sie und ich müssen unbe-
dingt einmal tanzen gehen ... Aber jetzt, finde ich, ge-
hen Sie besser nach Hause und schreiben etwas, kom-
men Sie morgen damit wieder her und lassen es mich
ansehen, damit ich sehen kann, was Sie taugen. Auf
Wiedersehen, bis dann, Herr Erling!»

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Er verbeugte sich und verließ ihr Zimmer, ihm war
ganz wundersam zumute. Und als er daran dachte, daß
er sie binnen kurzem in einem schnellen Schottis wür-
de herumwirbeln können, wurde ihm abwechselnd
warm und kalt, und er spürte, wie das Herz gegen die
Rippen trommelte.
Aber in seinem Pensionszimmer fegte er solche Ge-
danken gleich beiseite und begann zu schreiben. Er
hatte sich schon für das Thema entschieden: Ein Früh-
lingstag auf dem Lande. «Es ist ein Frühlingstag auf dem
Lande», schrieb er. «Eine zärtliche Stimmung liegt über
der Natur, denn die Sonne hat wieder die schlum-
mernden Gefühle aufgeweckt. An der Südwand der
Scheune können wir sehen, wie die jungen Fliegen ihre
alten Eltern auf dem Rücken tragen, ja, bisweilen un-
ternehmen sie sogar eine Lustwanderung mit ihnen
durch die Lüfte. Auch sie, die kleinsten unserer Brüder
und Schwestern, scheinen etwas von der Botschaft der
Zärtlichkeit ergriffen worden zu sein. — Aber was
sollen wir denn von dem stattlichen Hahn dort hinten
berichten, der auf dem Hühnerhof stolziert? Seht, wie
er sich spreizt und auf dem Rücken der Henne getra-
gen werden will! Er stellt sich auf sie und kneift sie mit
dem Schnabel in den Nacken. Sie federt mit den Bei-
nen und spreizt die Schwanzfedern. Offenbar hat sie
nicht die Kraft, ihn länger zu tragen, was er auch ein-
zusehen scheint, denn er steigt gravitätisch ab. «Gack-
Gack!» bricht das Huhn erleichtert aus. Man kann kei-
ne Zeichen von Schwäche am stolzen Gang des Hahns
entdecken - ganz sicher war es reiner Hochmut, der
ihn gelockt hatte, auf das Huhn heraufzuklettern, und

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es tat recht daran, den überheblichen Passagier abzu-
weisen.
Wenden wir unseren Blick jetzt der immergrünen Wie-
se zu, sehen wir, wie die beiden Hirtenhunde umein-
ander herumsausen und miteinander spielen. Maja rollt
ihren Schwanz auf den Rücken und bietet sich an, Ur-
ban zu tragen. Urban läßt sich das nicht zweimal sa-
gen! Sie trägt ihn eine lange Weile, was ihr nicht leicht-
zufallen scheint, denn sie verhält sich nicht still, son-
dern bewegt sich ständig hin und her. Hei, wie lustig
die Schatten der beiden Hunde übers Gras tanzen!
Auch die großen, stattlichen Kühe wetteifern darin,
einander ihre Dienste anzubieten. Majros sucht auf
Gullas Rücken heraufzuklettern und Stjärna auf Wan-
das. Aber es wird ihnen sehr schwer, besonders mit
Rücksicht auf das Euter, und sie können sich nicht
lange halten.
Lächelnd kehren wir nun zum Hof zurück. Wir gehen
in die Scheune und hören, wie fleißig die Mägde und
Knechte dort oben auf dem Boden arbeiten. Bums-
Bums-Bums tönt es unaufhörlich von dort oben, und
man kann auch hören, wie sie keuchen und schnaufen
und nach Luft schnappen bei ihrer mühsamen Be-
schäftigung. Nach einer Weile kommt Britta-Greta die
Treppe herunter. Sie scheint Säcke auf ihrem starken
Rücken getragen zu haben, denn ihr Kleid ist an dieser
Stelle ganz zerdrückt und zerknautscht und voll von
Ähren und Spreu. Einige Knöpfe scheinen sich da
vorn auch gelöst zu haben, denn sie hält den Schlitz
mit einer Hand zu. Sie sieht zwar müde aus, aber sie
bewahrt ihre gute Laune und begrüßt uns mit einem

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breiten Lachen. Nach einer weiteren Weile kommt
Karl-Oskar die Treppe herunter mit seinem stämmi-
gen, breiten Gang. Er scheint ganz ausgepumpt zu sein
und hat nicht einmal ein Lächeln für uns übrig. Beina-
he wütend versucht er, zwei große Flecke auf den
Knien wegzubürsten. Ein komischer Kauz!
Wir lenken unsere Schritte zur Gutsküche. Dort drin-
nen herrscht ein stiller Friede. Die Leute machen ihre
mittägliche Ruhepause. Man hört das leichte Schnar-
chen von Mutter Anna und Vater Anders aus der
Kammer. Dann wird es plötzlich still. Und nach einer
Weile hört man Mutter Annas freundliche Stimme:
«Bist du verrückt? Am hellichten Tag?» Vater Anders
antwortet: «Jaja, und ob! So verrückt bin ich!» Mutter
Anna erwidert: «Au!“ - «Oho!» nimmt Vater Anders
den Faden wieder auf.
«Ich darf doch wohl wenigstens den Rock ausziehen !»
sagt Mutter Anna bittend. «Bewilligt!» brummt Vater
Anders. «Wenn es schnell geht.» - «Ruhig, du verrück-
ter Kerl!» lacht Mutter Anna. Und nun senken die bei-
den ihre Stimmen und flüstern ganz vertraulich mitein-
ander, eine lange, lange Weile, bis sie wieder lauter
werden und eifrig, beinahe schnaufend zu sprechen
beginnen. Jetzt reden sie so heftig miteinander, daß
man nicht mehr verstehen kann, was sie sagen. Ja, sie
rufen einander sogar etwas zu; aber plötzlich ver-
stummen sie. Und schlafen wieder ein.
Wir sitzen lange und dösen in der sonnigen Küche und
denken daran, wie wunderbar die Natur an einem
Frühlingstag auf dem Lande sein kann.

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Erling war ziemlich zufrieden mit diesem Stück. Er
entschloß sich, die Signatur Observator zu verwenden,
die er einmal in der Schülerzeitung gebraucht hatte.
Darauf ging er zu Bett, um am folgenden Tag richtig
ausgeschlafen zu sein. - Aber bevor er einschlief, holte
er seinen Taschenspiegel hervor und sah sich lange in
die Augen.
Er war etwas nervös, als er am Tag danach an die Tür
der Redakteurin klopfte. Sie hat vielleicht nicht den
gleichen literarischen Geschmack wie ich, dachte er
unruhig. Vielleicht liebt sie mehr die großstädtische
Richtung?
«Herein», ließ sich ihre Stimme vernehmen.
Er holte tief Luft und ging hinein, blieb aber sofort auf
der Schwelle stehen.
«Machen Sie die Tür zu!» sagte sie.
Sie befand sich in einer eigenartigen Situation. Sie
stand tief über ihren Schreibtisch gebeugt. Diesmal
hatte sie nur die Bluse an. Hinter ihr, dicht an ihrem
Popo, stand ein Herr, den Erling nicht kannte. Er war
seinerseits auch nur im Hemd. Erling war völlig kons-
terniert. Zunächst hatte er sich überhaupt nicht vor-
stellen können, daß die Redakteurin überhaupt einen
Popo hatte wie gewöhnliche Menschen. In seinen Ge-
danken war sie über derlei Gewöhnliches hinausge-
hoben.
Aber sie lächelte ihm zu und sagte: «Sie kennen einan-
der sicher nicht?»
Der Herr hinter ihr streckte eine Hand vor und sagte:
«Lindblom, ich bin von der Werbeabteilung.»
«Erling, ich bin mit Arbeitsproben hier.»

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Er sah hinunter. Ach, wie breit und rund sie war. Er
erbebte in seinen Grundfesten. Herr Lindblom legte
die Hände wieder auf ihre Hüften.
«Ja, mach weiter jetzt, Lindblom», sagte die Verlagsre-
dakteurin. «Herr Erling, Sie nehmen vielleicht einen
Augenblick Platz und warten ein bißchen, wir sind
gleich fertig.»
«Wo waren wir stehengeblieben ?»
Diese Frage richtete sie an ein junges Mädchen, das
Erling erst jetzt bemerkte. Sie saß auf einem Stuhl an
der anderen Seite des Tischs mit einem Stenogramm-
block auf dem Schoß.
«Seine kräftigen Hände glitten befehlend über ihren
Körper, und sie fühlte sich so lieblich schwach», las sie
vor.
«Gut. Weiter im Text.»
Herr Lindblom begann, sich zu bewegen, und ein ei-
genartiges, schmatzendes Geräusch war zu hören. Die
Verlagsredakteurin glitt ein wenig vor und zurück,
mitunter mußte sie sich mit beiden Händen an der
Tischkante festhalten. Aber sie diktierte mit fester
Stimme, und das junge Mädchen mußte sich richtig
Mühe geben, um folgen zu können.
«Sie war sein mit jeder Faser ihres Körpers... Gut,
Lindblom, etwas härter jetzt, so, ja. Sie kam ihm ent-
gegen wie die Rose der starken Hummel. Bebend spür-
te sie, wie ihre Sinne endlich erweckt wurden. Herrlich,
herrlich. Oh, Lindblom, wie tüchtig. Bebend spürte sie,
oh, das haben wir, oh, oh. Zum erstenmal hatte ein
Mann sie gelehrt, was Liebe war. Sie öffnete sich ihm
ganz, und die samtweiche Nacht schien voller Mai-

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glöckchen und Veilchen zu sein. Ihre Lippen waren
weich unter seinen rauhen. Beiß mich in den Nacken,
Lindblom, ich brauche mehr Stimmung. Gut. Oh, das
war aber zu spüren. Die langen Schauer der Leiden-
schaft begannen sie zu durchfluten. Sie hatte schon seit
langem jeden Widerstand aufgegeben. Seine Umar-
mung wurde immer heißer und fordernder. Oh, Boy,
jetzt kommt es. Sie war sein Eigentum, seine Sklavin,
seine - ja, das müssen wir später einfügen. Jetzt, jetzt.
Nach einigen schwindelnden - schwindelnden - durch-
glühten - Sekunden - wurde sie in ein All - hinausge-
schleudert - ein All roter Flammen, Flammen, Flam-
men ...! Sie hatte endlich das Wunder-Wun-Wun-
Wunder der Liebe erleben ... können... MM! Schluß.
Haben Sie alles mitbekommen?»
Das Mädchen mit dem Stenogrammblock nickte.
«Na, dann haben wir den Fortsetzungsroman ge-
schafft», sagte die Verlagsredakteurin. «Vielen Dank,
Herr Lindblom, Sie waren eine große Hilfe.»
«Keine Ursache, es war mir ein Vergnügen», erwiderte
Herr Lindblom. Und er trennte sich von ihr und zog
eilig Unterhose und Hose an. «Auf Wiedersehen», sag-
te er, «wir sehen uns später. »
Und dann ging er.
Sie richtete sich auf, streckte die Arme über den Kopf
und ging etwas im Zimmer umher. Erlings Blick war
wie festgenagelt an ihr, aber gleichzeitig sah er sie wie
durch einen Vorhang. Sie ist nackt! dachte er. Aber er
konnte es nicht sehen. Sie machte allerdings keine An-
stalten, sich wieder anzuziehen.

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«Es war schön», sagte sie. «Das wäre also die Leiden-
schaft in Schwarz. — Sie verstehen, Herr Erling, hier in
diesem Verlag halten wir fest am Grundsatz der Wahr-
haftigkeit in der Kunst. Wir drucken nichts, was nicht
erlebt worden ist.»
«Ich habe schon in der Schule gelernt, daß man realis-
tisch sein soll, das sagte unser Schwedisch-Lehrer»,
antwortete Erling.
«Das ist wirklich ein ausgezeichnetes Prinzip. Manch-
mal kann es natürlich gewisse Schwierigkeiten bereiten,
aber die Arbeit lohnt sich, das kann ich bestätigen,
Herr Erling. Aus Erfahrung.»
Sie setzte sich ins Sofa, und jetzt begann Erling, eine
klarere Vorstellung davon zu gewinnen, wie sie aussah.
Sie hatte zwei lange Beine, geheimnisvoll in Linien ein-
gefaßt, denen nichts von dem glich, was er bisher ge-
sehen hatte. Er war bleich, all sein Blut war im Herzen
zusammengeströmt, es klopfte und hämmerte so, daß
er glaubte, nicht mehr aufrecht stehen zu können. Die
Sonne schien durch das offene Fenster herein. Jetzt
sah er immer mehr und mehr.
Er sah, daß das schwarze Haar zwischen ihren Beinen
in der Sonne glänzte. Und es warf einen kleinen Schat-
ten auf die Innenseite ihres linken Schenkels.
«Wo starren Sie hin?» fragte sie. Langsam legte sie die
Hand davor.
Erling vermochte nichts zu antworten. Wie in einem
Traum hörte er die Stenotypistin fragen, ob sie gehen
könne.
«Ja», war die Antwort, «Sie können gehen. Ich vermute
natürlich, daß es bei dem neuen Fortsetzungsroman

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auch einiges zu diktieren gibt, aber das dauert sicher
noch eine Weile. Ich rufe an, wenn ich Sie brauche. Bis
dahin können Sie das niederschreiben, was Sie bereits
haben.»
Jetzt waren Erling und sie allein. Er stand in sehr un-
bequemer
Stellung da, er hatte so lange Zeit gestanden, aber er
konnte sich nicht rühren. Er vermochte nicht einmal
den Blick von ihrer Hand da unten abzuwenden.
Genauso langsam, wie sie vorhin die Hand heraufge-
legt hatte, nahm sie sie jetzt wieder fort. Und noch
langsamer nahm sie die Beine auseinander.
«Sehen Sie mal», sagte sie. «Sehen Sie hin, soviel Sie
wollen. Sagen Sie, daß ich schön bin.»
Er fühlte, wie seine Kniesehnen zu zittern begannen.
Aber er konnte kein Wort hervorbringen.
«Es ist ja schrecklich, was Sie jetzt wieder zittern», sag-
te sie. «Finden Sie mich nicht schön? Aber warten Sie,
ich weiß, was Sie wollen, gestern haben Sie ja versucht,
auf meine Brüste zu gucken. Kommen Sie und helfen
Sie mir mit der Bluse, dann werden Sie sehen.»
Sie legte sich auf den Bauch. Auf der Rückseite ihrer
Bluse gab es eine lange Reihe von Knöpfen. Und diese
Reihe führte den Blick nach unten. Jetzt brauchte Er-
ling zwar das bemerkenswerte dunkle Haar nicht mehr
zu betrachten; aber nun war statt dessen der runde,
breite Hintern seinen Blicken freigegeben, und die
Sonne beschien ihn nicht minder verzaubernd. Plötz-
lich wollte er lachen. Aber es wurde nur ein trockenes
«Hehe!» daraus, und sie sah ihn erstaunt an.
«Helfen Sie mir jetzt!» sagte sie.

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«Hehe!»
Und das half. Er wurde aus seiner eigenartigen Läh-
mung erlöst. Er kletterte aufs Sofa hinauf und stellte
sich rittlings über sie. Natürlich zitterte er immer noch,
aber es gelang ihm dennoch, Knopf auf Knopf zu öff-
nen. Er breitete ihre Bluse aus und entblößte ihre
Schultern und ihren Rücken. Das geht ja galant! dachte
er.
Sie stemmte sich hoch und glitt aus der Bluse heraus.
Aber gerade als sie sich umdrehen wollte, fuhr ihm
gewissermaßen ein Satan in jede Hand. Sie glitten um
sie herum und umfaßten ihre Brüste, ob er's nun woll-
te oder nicht. Er hatte noch nie etwas Vergleichbares
gespürt. Es war geschmeidig und weich und überquel-
lend auf einmal, und er hatte das Gefühl, ein Feuer
laufe an seiner Wirbelsäule hinunter, vom Nacken bis
zum Hintern und umgekehrt wieder hinauf. Ohne es
zu wissen, fiel er mit seiner ganzen Schwere auf sie
hinab.
«Nein, aber Herr Erling», sagte sie. «Wie stark Sie
sind.»
Er knutschte und knutschte. Auf unerfindliche Weise
hatte er sein rechtes Bein zwischen ihre hineinbekom-
men. Die drei Glieder begannen zu kämpfen. Im glei-
chen Augenblick spürte er ihren Nacken an seinem
Mund, er war so kühl. Jetzt wurde sie ganz still. Sie
atmete kaum noch. Er spürte ihre Beine und ihren Po-
po und ihren Rücken und ihre Brüste und ihren Na-
cken. Ich will mich nie mehr bewegen! dachte er.

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Aber wie es sich traf, gelang es ihr, sich umzudrehen,
so wie die Damen von Welt es tun. Sie hielt ihn etwas
auf Abstand.
«Sagen Sie jetzt, daß ich schön bin», flüsterte sie.
«Sie sind schön», sagte ich aufrichtig.
«Zeigen Sie mir jetzt Ihre Arbeitsproben», flüsterte sie
und lächelte ihm zu.
Erling hörte nicht genau, was sie sagte. Er war damit
beschäftigt, zu sehen, wie seine Hände ihre Brüste
knutschten. Aber schließlich begriff er dennoch, was
sie gesagt hatte, und ihm war ganz wunderlich zumute.
Er war nicht der Ansicht, dies sei der rechte Augen-
blick, um Arbeitsproben vorzuzeigen. Seine Courage
sank ihm in die Hosen, und er zog sich von ihr zurück.
«Ich habe es hier in der Tasche», sagte er. «Ich habe
mich Observator genannt. Es geht um einen Frühlings-
tag auf dem Lande.»
«Idiot», erwiderte sie. «Ziehen Sie sich aus, Sie Idiot.»
Erling verstand nichts. Aber er hatte davon gelesen,
wie launisch Frauen sein konnten.
«Es ist vielleicht am besten, wenn ich gehe», sagte er
leise. «Ich muß dann eben versuchen, beim Nalen eine
Anstellung zu bekommen.»
Sie lachte.
«Komm her, mein kleines Lamm. Mutti wird ihren
kleinen Jungen ausziehen.»
«Ich lasse mich nicht so behandeln.»
«Und ob Sie das tun. Machen Sie jetzt kein Theater.
Welch
feine Haut Sie haben - beinahe wie ein Mädchen. Seien
Sie still jetzt.»

23
Er konnte sich nicht bewegen. Ich zerspringe! dachte
er. Ich komme um!
Endlich bekam sie seine Unterhose herunter. Sie be-
trachtete ihn aus schamloser Nähe.
«Jetzt wollen wir mal Ihre Arbeitsprobe betrachten,
Herr Schwanz», sagte sie und beugte sich vor und küß-
te ihn schnell, den Schwanz.
Dann brauchte Erling nichts mehr zu tun. Alles ging
wie von selbst. Sie ließ ihn nicht los. Sie umarmte ihn
mit Armen und Beinen und lutschte ihn in einer hal-
ben Sekunde in sich hinein. Sie flüsterte die wunder-
lichsten Dinge in sein Ohr.
«Pfui Teufel, was bin ich wieder geil, es scheint über-
haupt nicht aufzuhören.»
Ohne daran zu denken, begann Erling, sich zu bewe-
gen. Er meinte zu schweben und zu fliegen. Aber
gleichzeitig spürte er ihren Bauch und ihren Busen.
Wie heiß sie war! Wie sie sich wand! Immer höher und
höher flog er hinaus. Er hörte eine Stimme, sie stöhnte
so eigenartig, sie flüsterte und keuchte. Dann begann
es, in seinen Kniekehlen zu kitzeln, dies Gefühl setzte
sich an seinen Schenkeln fort. Ein anderes Kitzeln be-
gann in seinem Hinterkopf. Es wanderte nach unten.
Wann würden sie sich begegnen? Es war bestimmt nur
noch ein Zentimeter übrig! Jemand faßte ihn um die
Hoden! Er streckte seine Beine aus! Ein Ruck kam!
Und dann kamen unglaubliche Rucke, gewaltige! Es
wollte überhaupt nicht aufhören!
«Oah!» war eine Stimme zu hören.
Er sank in sich zusammen.

24
«Oah!» sagte die Stimme wieder. «Das war keine
schlechte Ladung. Auch wenn es für mich etwas zu
schnell ging. Lieg still jetzt, damit ich auch fertig wer-
de.»
Erling lag still und fuhr gleichsam hin und her. Er hat-
te das große Geheimnis des Lebens kennengelernt.
Und während die Verlagsredakteurin ihn ruhig und
überlegt vögelte, um ihren ersehnten Orgasmus zu
erreichen, wuchsen in ihm Kraft und Mut. Als sie fer-
tig war, nahm er einen zweiten Anlauf. Ich glaube, den
Sinn dieses Tuns zu verstehen, dachte er. Ach, wie
kann es nur so herrlich sein! Ich will nie aufhören!
Und er brauchte noch lange nicht aufzuhören, denn -
es dauerte eine lange, lange Zeit, bevor die beiden Lie-
benden gleichzeitig die Höhen der Wollust erreichten,
bei denen die Flammen um sie herum aufloderten und
sie alles vergessen ließen. Der ganze Arbeitstag ver-
ging. - Aber als die Uhr fünf schlug, erklärte die Ver-
lagsredakteurin, mit der Arbeitsprobe zufrieden zu
sein. Und Erling schlief auf dem Sofa ein, während sie
aufstand und sich an die Schreibmaschine setzte und
den Titel des neuen Romans tippte. Er sollte Das blonde
Glück heißen.
Erling träumte schöne Dinge. Sie hatte ihn gelehrt, was
Liebe ist. - Und davon hatte Erling später im Leben
sowohl großen Nutzen als auch Vergnügen. Denn in
der Hauptstadt kann man mit Hilfe der Leidenschaft
weit, weit kommen. Er wurde allmählich Chef des
ganzen großen Verlages. Und einmal lud man ihn bei
seiner alten Schule ein, einen Vortrag zu halten über
das Thema: Die Kunst, Erfolg zu haben.

25
«Man muß seine Unschuld so lange wie möglich be-
wahren», sagte Erling.

26
Rune Olausson

Ich lachte gestern

Alles war still.


Er blies zum Tisch hin, aber kein Staub wirbelte hoch.
Tüchtiges Mädchen, dachte er.
«Warum pustest du?» sagte sie.
Er drehte sich um und sah sie an; sie lag auf dem Rü-
cken und schloß die Augen.
«Es ist nichts. Ich habe nur gepustet.»
«Ich hab's gehört.»
Er lehnte sich gegen sie, pfiff schwach und blies gegen
ihren Hals.
«Nein», sagte sie. «Jetzt nicht.»
Er hörte auf.
«Wie spät ist es?» flüsterte er nach einer Weile.
Sie sah hoch und lächelte ihn an.
«Das weiß ich nicht!» sagte sie laut und kletterte aus
dem Bett und stellte sich auf den Fußboden, drehte
ihm den Rücken zu und wickelte sich ein Badelaken
um den Körper.
Und ohne sich umzudrehen und ohne ihn anzusehen,
ging sie aus dem Zimmer.
Komisch, dachte er, als er hörte, wie sie die Toiletten-
tür abschloß, es ist komisch, daß sie sofort etwas über-
ziehen muß, wenn sie aus dem Bett kommt. Sie hat ja
keinen Grund, schüchtern zu sein. Nicht sie, nach all
diesen Jahren!

27
Er lachte leise und setzte sich aufrecht hin und beugte
sich zu der Hose vor, die über die Stuhllehne hing,
holte eine Zigarettenpackung und ein Feuerzeug her-
vor. Er legte ihr Kopfkissen auf seins und lehnte sich
zurück und zündete eine Zigarette an. Und rauchte
und hörte, wie sie das Wasser laufen ließ. Jetzt duscht
sie, dachte er. Sie hat ein hübsches Badezimmer. Sie
braucht nicht zu singen, um es zu ertragen. Wenn man
ein kleines Badezimmer hat, singt man, wenn man
duscht oder badet, denn dann glaubt man, daß man
sich wohl fühlt. Verdammt, das hier ist wenigstens
etwas! Das ist eine Idee. Wann werden alle Badezim-
mer bekommen, in denen man nicht zu singen
braucht? Wunderbar! Ich darf das nicht vergessen, das
kann man sicher anwenden. Wir kriegen vielleicht so-
gar einen neuen Kunden damit!
Als er sie die Tür schließen hörte, drehte er sich auf die
Seite. Sie kam herein, und er lächelte ihr zu. Sie sah
zum Fenster und ging mit langsamen Schritten aufs
Bett zu. Sie nahm das Badelaken nicht ab, als sie sich
neben ihn legte.
«Hier ist es kalt», sagte sie und nahm seine Zigarette.
Sie lag auf dem Rücken und blies Ringe in die Luft. Als
er sie neulich kennen gelernt hatte, hatte er auch ver-
sucht, Rauchringe zustande zu bringen, aber es war
ihm nicht gelungen.
«Soll ich die Decke hochziehen?» fragte er.
Sie machte drei kleine Ringe kurz nacheinander.
«Ja», sagte sie dann.
Er zog die Decke hoch, die am Fußende in einem
Haufen zusammengeknüllt lag.

28
«Mach sie für mich aus, bitte», sagte sie und gab ihm
die Zigarette.
«Es war meine Zigarette», sagte er und nahm einen
tiefen Zug, bevor er sie ausdrückte.
Sie kroch dicht an ihn. Sie sagte nichts.
Er blies den Rauch sacht gegen ihre Schultern und
ihren Hals; es war so still im Zimmer, daß der Rauch
beinahe wie ein Schal um ihren Nacken herum ste-
henblieb.
«Nein, jetzt rieche ich doch nach Rauch!» sagte sie und
sah zuerst wütend aus.
Aber dann lächelte sie ihm zu. Und er berührte mit der
Hand ihre Lippen.
«Ich will den Rauch wegküssen», sagte er und beugte
sich hinunter und küßte sie mit kleinen, schnellen Küs-
sen auf Schultern, Hals und Brüste.
«Was tust du?» sagte sie lachend.
Und er küßte.
Er zog mit dem Mund um die Brust herum; seine Au-
gen waren halb geöffnet, und er sah, daß seine Lippen
einen feuchten Rand hinterließen. Er beugte den Na-
cken und setzte die Nase unter ihre Brüste, er atmete
übertrieben laut und hörte, daß sie kicherte.
«Es kitzelt», flüsterte sie.
Du sollst nicht lachen, du sollst geil werden, dachte er.
Und dann schnappte er nach der Brustwarze und biß
vorsichtig hinein. Gleichzeitig nahm er mit den Fin-
gern die andere Brust und drückte sie.
Und dann lutschte er. Zuerst langsam und dann härter
und härter, und die ganze Zeit bewegte er seine Unter-
lippe.

29
Bald, dachte er.
«Mach keine Flecke», flüsterte sie da.
«Du weißt, daß ich das nicht tue!» sagte er schnell und
erhob sich halb und stützte sich auf die Ellbogen. «Nie
mehr, nicht seitdem ich damals...»
«Nein, ich weiß!» unterbrach sie. «Du darfst nicht böse
sein, daß ich das gesagt habe, aber ich muß immer dar-
an denken, wie ich aussehe. Das verstehst du doch,
mein Freund?»
Und sie liebkoste ihn über die Schulter und dann über
den Bauch hinab zu den Schenkeln. Sie spitzte die
Lippen und nahm seinen Beutel in beide Hände und
drückte ihn vorsichtig.
Da lächelte er und ergriff ihren einen Ellbogen.
«Wie ist es dir heute ergangen?» fragte sie.
Er sah ihr Haar an und folgte mit dem Zeigefinger
einer langen Strähne, die sich eine halbe Umdrehung
lockte. Er drehte mit dem Finger herum und versuch-
te, die äußersten Haare zu einer Locke zu rollen.
«Wie meinst du?» sagte er, als sie ihn anstieß.
«Es tut mir weh im Haar, wenn du das machst», sagte
sie leise und küßte ihn auf die Wange.
«Verzeih mir, aber ich konnte es nicht lassen. Dein
Haar ist so schön, richtig schön.»
«Du bist süß», sagte sie.
«Süß?» sagte er übertrieben laut.
«Ja, ja, ich weiß! Aber ich kümmere mich nicht darum,
wenn ich dich süß finde, dann bist du es eben.»
«Ich ergebe mich in mein Schicksal», sagte er und setz-
te sich aufrecht hin und verneigte sich tief.

30
«Dir bleibt auch gar nichts anderes übrig», sagte sie
und lachte und nahm die Hände von seinem Beutel
und gab ihm einen harten Klaps auf die Wange.
«Nein», sagte er.
«Gibst du's zu?» sagte sie und lachte noch mehr.
«Sei nicht dumm jetzt», sagte er. «Das habe ich nicht
gemeint. Ich habe gesagt, weil du deine Hände wegge-
nommen hast.»
«Hast du es gemerkt?» sagte sie.
Und dann faltete sie ihre Hände und drückte sie ans
Kinn.
«Was glaubst du?» sagte er.
Sie antwortete nicht.
Nach einer kleinen Weile begann sie, eine Revuemelo-
die zu summen.
«Du», sagte er.
Sie sah ihn an, hörte aber nicht auf zu singen.
«Du, wir brauchen doch nicht...»
«Nein, das finde ich nicht!» unterbrach sie und küßte
ihn auf die Wange.
Er sah sie fragend an, sagte aber nichts.
Sie summte vor sich hin.
«Ich wünschte, wir könnten uns öfter treffen», sagte er
nach einer Weile.
«Wir würden uns dann vielleicht nur bald satt haben»,
trällerte sie.
«Hör auf zu singen.»
«Ja», sagte sie.
Und tat es.
«Ich würde dich nie satt bekommen!» sagte er und lä-
chelte.

31
«Nicht?» sagte sie und schloß die Augen.
«Niemals.»
«Das kann man nie wissen.»
Sie hielt immer noch die Augen geschlossen.
«Jetzt ist alles gut, ich fühle mich wohl», sagte er.
«Fühlst dich wohl?»
«Ja, ich fühle mich wohl! Das ist doch gut ausgedrückt!
Sag es, dann fühlst du, wie gut es ist!»
Aber sie schüttelte nur den Kopf.
«Sag es, wohl fühlen!» sagte er.
«Ein anderes Mal.»
«Wenn du allein bist?»
«Allein?»
«Ja, allein.»
«Vielleicht. Ja, vielleicht dann.»
«Denk an mich, wenn du es sagst!»
Sie sagte nichts.
«Magst du mich gern?» fragte er.
«Ja», sagte sie, ohne die Augen zu öffnen. «Du bist
gut.»
«So soll es sich anhören! Glücklich soll man sein!»
Er lachte und strampelte mit den Füßen, so daß die
Decke von ihnen herunterglitt.
«Nein», sagte sie. «Tu das nicht, mich friert.»
«Komm, dann werde ich dich wärmen!»
Er beugte sich zu ihr hinüber und steckte die Hände
unters Badelaken und legte sie auf die Innenseite ihres
Schenkels. Sie spreizte die Beine ein wenig.
Er lehnte den Kopf gegen ihren Bauch und wartete
darauf, daß sie ihn über den Nacken streichelte, aber
sie lag vollkommen still.

32
Er bewegte die Hände langsam zu den Kniekehlen
hinunter und dann nach oben. Und ihm fiel ein, was
ihm schon mehrere gesagt hatten: Daß die geilsten
Frauen am wenigsten feucht, beinahe trocken sind.
Wenigstens im Anfang.
Wußte man das so genau?
Er führte die eine Hand unter ihren Popo und strich
mit der anderen leicht über ihre Schamlippen hin; dann
preßte er vorsichtig die untere Hand nach oben und
drückte gleichzeitig nach innen. Gerade als er den an-
deren Mittelfinger nach unten führte, drehte sie sich
um und legte sich auf die Seite.
«Nicht jetzt, warte ein bißchen», sagte sie und versuch-
te, das Badelaken wieder um den ganzen Körper zu
wickeln.
«Wie du willst», sagte er und zog die Decke hoch und
stopfte sie auf ihrer Seite fest unter die Matratze.
«Danke», sagte sie und sah ihn an.
Und er hatte Lust, demonstrativ an seinen Mittelfin-
gern zu riechen, ließ es aber sein.
«Kennst du keine lustige Geschichte?» sagte er.
«Hast du denn Humor?»
«Was glaubst du?»
«Ich weiß nicht.»
«Erzähl was, dann wirst du sehen!»
«Kennst du die von dem großen und dem kleinen
Schwulen?»
«Kennst du nur solche Geschichten?»
«Ich glaube nicht, daß du Humor hast», sagte sie.
«Verzeih mir», sagte er. «Sei so lieb und erzähl!»

33
«Du bist selbst schuld daran», sagte sie. «Es war also
einmal ein großer Schwuler, der auf der Straße einen
kleinen Schwulen traf, und der kleine Schwule sah
schrecklich traurig aus. Warum siehst du so traurig aus,
mein kleiner Freund? sagte der große Schwule. Ja, sag-
te der kleine Schwule, als ich hier durch den Park ging,
kam ein Lümmel an und war böse zu mir. Was hat er
denn mit dir gemacht? fragte der große Schwule. Er
hat mich getreten, sagte der kleine Schwule. Wohin hat
er dich getreten? fragte der große Schwule. Mitten in
die Votze! sagte der kleine Schwule. Mitten in die Vot-
ze? sagte der große Schwule. Ja, sieh selbst! sagte der
kleine Schwule und öffnete den Mund und zog an sei-
ner Unterlippe.
«Wer hat dir die erzählt?» sagte er und lächelte.
«Du hast nicht gelacht», sagte sie.
«Ich kannte sie schon. Wer hat sie dir erzählt?»
«Ich weiß nicht mehr!»
«Doch, das tust du!»
«Meine Mama vielleicht!»
«Das ist aber nett», sagte er.
«Jetzt bist du dran», sagte sie.
«Nein, ich kann jetzt nicht», sagte er.
«Dann laß es sein.»
«Was hast du gestern gemacht? » fragte er und sah in
ihre Augen.
«Du weißt, was ich dienstags mache», sagte sie und
erhob sich und küßte ihn auf die Nase.
«Ach ja, natürlich!» sagte er und wurde gleichzeitig rot,
als er zu lächeln versuchte.
«Du wirst rot?» sagte sie. «Das ist aber lieb von dir!»

34
«Das macht dir Spaß, was?» sagte er.
«Was ist mit mir?» sagte sie und lächelte.
«Jetzt genießt du aber!»
«Was machst du denn, wenn du hier bist?»
Er lachte.
«Eins zu null für dich!» sagte er und küßte sie auf den
Mund.
«Was wolltest du wissen?» sagte sie und gab ihm einen
Klaps auf die Wange.
«Was du gestern gemacht hast, mitten am Tage, meine
ich. Warst du draußen zum Essen?»
«Ja.»
«Wo denn?»
«Bei Park.»
«Allein?»
«Rate mal!»
«Ich rate, du warst, nein, laß mich hier mal sehen! »sag-
te er und nahm ihre Hand und tat, als lese er ihr aus
der Hand.
«Siehst du was?»
«Die Lebenslinie macht einen Bogen, die Liebeslinie
verläuft da, macht auch einen kleinen Bogen, hier ist
die Glückslinie», murmelte er und zog mit seinem Zei-
gefinger über ihre Handfläche.
«Nun?»
«Ich glaube, daß du allein zum Essen warst!»
«Du hast recht! Wie tüchtig du bist!»
Und dann lachten sie alle beide, er hielt ihre Hand, und
sie beugte sich über ihn und legte den Kopf an seine
Brust. Ihr Badelaken löste sich und rutschte sacht her-

35
unter. Er ließ ihre Hand los und streichelte ihren Rü-
cken. Sie lag ganz still.
«Wie platt deine Brüste sind, wenn du liegst», sagte er
nach einer Weile.
«Findest du?» sagte sie und nahm die eine in die Hand.
«Heb sie nach oben», sagte er. «Drück sie nach oben.»
Sie tat wie ihr geheißen.
«Nimm auch die andere Hand», sagte er. «Und liebkose
dich selbst, dann werde ich sehen!»
Sie bewegte ihre Hände nicht.
«Nun», sagte er.
Da nahm sie die Zeigefinger und kreiste mit ihnen um
ihre Brustwarzen; aber sie wurden nicht steif.
«Es geht nicht», sagte sie.
«Denk daran, dann geht es!»
Sie antwortete nicht, aber sie schloß die Augen und
fuhr fort, die Zeigefinger zu bewegen.
«Sie werden nicht größer», sagte er. «Es hilft vielleicht,
wenn ich dir was erzähle, meinst du nicht auch?»
Sie lächelte und machte wieder die Augen zu.
«Soll ich?» sagte er.
Sie nickte.
«Also», sagte er. «Stell dir vor, du bist auf einem gro-
ßen Essen mit vielen Leuten. Ihr sitzt da und eßt und
habt die Servietten auf den Knien, und alles ist feier-
lich und fein. Dann plötzlich entdeckst du, daß der,
der rechts von dir sitzt, seinen Schwanz unter der Ser-
viette hervorgucken läßt und daß seine Tischdame die
Hand um ihn hält, die schauen sich beide nicht an,
sondern sitzen wohlerzogen da und essen und machen
Konversation quer über den Tisch. Du guckst dann

36
und wann zu seinem Knie herunter, und das ist kein
Fehler, denn er hat einen prachtvollen Ständer, und die
Frau neben ihm streichelt seinen Schwanz. Du weißt
nicht, was du tun sollst, du findest es herrlich, obwohl
du gleichzeitig eine Spur verlegen bist, du kannst ja
niemandem davon erzählen, das könnte einen Skandal
geben. Dein Kavalier hat nichts gemerkt, er redet ab
und zu mit dir, aber du antwortest nur zerstreut und
versuchst die ganze Zeit zu sehen, wie das Paar rechts
von dir sich anstellen will, wenn dem Mann einer ab-
geht. Und dann denkst du, wenn du so ganz nebenbei
deinen Tischkavalier dazu bringen könntest, auf das
Treiben der beiden aufmerksam zu werden, dann wäre
es seine Sache, etwas dagegen zu
unternehmen. Du nimmst also deine Serviette und tust
so, als fiele sie dir herunter. Aber als du dich bückst
und absichtlich sein Knie berührst, damit er sich um-
dreht und über deinen Rücken hinwegguckt und ent-
decken kann, daß die Frau zwei Stühle weiter dabei ist,
ihrem Nachbarn einen zu wichsen, da fühlst du plötz-
lich, daß dein Kavalier deine Hand mit einem festen
Griff festhält und versucht, sie nicht wieder loszulas-
sen. Du streckst langsam deinen Rücken und ver-
suchst, deine Hand zurückzuziehen, aber sie sitzt fest!
Und der Mann neben dir sieht nur geradeaus, er stellt
sich, als würde er deinen Arm nicht streicheln. Bevor
du etwas sagen kannst, führt er deine Hand zu seinem
Hosenschlitz hinauf, der unter der Serviette aufge-
knöpft ist, und dann spürst du, wie er deine Hand an
seinen Schwanz legt, der allmählich zu wachsen an-
fängt. Er hält immer noch dein Handgelenk mit einem

37
festen Griff, und du hast keine Chance, deine Hand
mit einem Ruck zurückzuziehen. Du siehst ihn an, a-
ber er spricht die ganze Zeit mit den Leuten, die auf
der anderen Seite des Tischs sitzen.»
Er sah sie an, sie hielt immer noch die Augen ge-
schlossen, und ihre Brustwarzen hatten angefangen zu
wachsen; sie hielt sie mit dem Zeigefinger und dem
Daumen und rollte sie langsam.
«Jetzt kommen sie», sagte er. «So ist es gut. Soll ich
noch mehr erzählen?»
Sie erwiderte nichts.
«Noch ein bißchen?» sagte er.
«Ich schlafe nicht», sagte sie.
«Gut», sagte er und lachte. «Also, du sitzt da und hältst
seinen Schwanz, und dann schielst du nach rechts und
siehst, daß die beiden anderen immer noch bei der
gleichen Beschäftigung sind. Du ißt mit der rechten
Hand und lehnst dich nach vorn und sprichst mit dem
Mann, der dir gegenübersitzt, und dann merkst du, daß
er auf deinen linken Arm starrt, und da errötest du.
Aber er sagt nichts dazu, und ihr fahrt fort, über Essen
und Kleider und so was zu sprechen. Plötzlich bückt
der von gegenüber sich hinunter, es sieht aus, als ob er
seine Schnürsenkel zubindet, und er lächelt, als er wie-
der oben ist. Und nur einige Sekunden später fühlst du
einen bloßen Fuß, der an deinem Bein entlang streicht,
übers Knie hinauf zum Schenkel. Und der von gegen-
über hat sich ein wenig tiefer in seinen Stuhl rutschen
lassen. Du spreizt die Beine, und sein Fuß kommt zwi-
schen den Schenkeln herein, und er krümmt alle Ze-
hen bis auf die große Zehe, die er unter der Hosenkan-

38
te hereinzuquetschen versucht. Du kannst nichts ma-
chen, und du fühlst, daß du immer geiler und geiler
wirst, und ganz nebenbei sagst du zu deinem Neben-
mann, daß er deine Hand loslassen kann, denn du ha-
best nicht die Absicht, deine Hand zurückzuziehen. Er
lächelt und tut, was du sagst. Und dann rutscht du so
weit nach vorn auf der Stuhlkante wie irgend möglich,
so daß der Fuß in deinem Schoß weiter reinkommen
kann. Du legst deine Gabel hin, und vorsichtig hilfst
du mit, die Hosenkante hochzuheben, so daß die Zehe
das Haar berührt. Die ganze Zeit ziehst du weich und
langsam mit der linken Hand. Und du bewegst sacht
deinen Hintern, damit die Zehe dann und wann or-
dentlich gegenstößt, und du versuchst dich so zu dre-
hen, daß sie ein kleines Stückchen hineinkommen
kann.»
Er sah sie an; sie bewegte die ganze Zeit über ihre
Hände.
«So, ja», sagte er nach einer Weile. «Jetzt sind sie gut.
Langsam und fein. Nimm jetzt nur die Fingernägel,
dann wird es noch besser.»
Sie tat es.
«Ich hab einen Steifen gekriegt», sagte er und versuch-
te, sie aufs Ohr zu küssen.
Aber er kam nicht ran.
«Bist du zufrieden?» sagte sie.
«Magst du es denn nicht, wenn ich es kriege?»
Sie antwortete nicht.
«Antworte!» sagte er.
Sie schwieg.
«Verzeih mir», sagte er.

39
Sie nahm ihre Hände fort. Und dann lag sie still mit
dem Kopf an seiner Brust.
«Du bist schwer», sagte er. «Dein Kopf ist schwer.»
«Was haben sie gemacht, als es ihnen abging?»
«Ich weiß es nicht. Kannst du nicht deinen Kopf weg-
nehmen?»
«Magst du es nicht, wenn ich so liege?» sagte sie.
Er zögerte.
«Na?» sagte sie.
«Doch, na klar mag ich's, das weißt du doch. Aber
wenn du dich nur ein wenig anheben könntest, dann
wird es ...»
«Ja, ja», unterbrach sie.
«Werd jetzt nicht wütend», sagte er und faßte sie um
die Schultern.
Sie seufzte.
«Bist du müde?» sagte er.
«Nein, jedenfalls nicht sehr.»
«Warst du heute Morgen müde?»
«Nein, wieso?»
«Ich fragte nur.»
«Warum?»
«Ich hab mich nur gefragt, wie du es gestern hattest
und so. Ob du Alpträume gehabt hast oder schlecht
geschlafen. Oder ob es gestern spät geworden ist.»
«Ich träume nie», sagte sie.
«Nein, natürlich nicht, das brauchst du ja auch nicht,
du hast ja mich!» sagte er und lächelte.
«Ja, das habe ich.»
«Und darüber bist du glücklich? Du hast es doch gut
zusammen mit mir?»

40
«Was glaubst du?» sagte sie.
«Kannst du nicht lachen?» sagte er.
«Ich lachte gestern!»
«Gestern abend?»
Sie sah ihn an, antwortete aber nicht.
«Ist er jung?» sagte er nach einer Weile laut.
Sie setzte sich auf die Knie und löste das Badelaken
ganz und gar und warf es auf den Boden.
«Oder ist es einer, der sehr alt ist?» sagte er.
Sie kratzte sich am Knie.
Er sah auf ihre Brüste und erhob sich halb, legte sich
aber schnell wieder hin.
«Oder ist es eine Frau?» sagte er.
«Eine Frau?»
«Ja, dienstags!»
«Was meinst du?»
«Das verstehst du doch! Ich habe mich immer gefragt,
wie zwei Frauen es anstellen. Küssen sie sich nur? Wie
lecken sie? Ich meine, eine Frau weiß ja genau, wo die
richtigen Stellen sind und wie man an sie rankommt?
Und wie macht man es, damit man eine Schwanzatt-
rappe nicht als kalt empfindet?»
«Daß du das fertigbringst», sagte sie und bückte sich
nach dem Badelaken.
«Laß es liegen!» sagte er und packte ihren Arm ganz
fest und zog sie zu sich hinunter.
«Laß mich los», sagte sie.
«Verzeih mir!» sagte er. «Kannst du mir verzeihen? Ich
hab's nicht böse gemeint.»
Sie nickte.
«Danke», sagte er.

41
«Sag nicht danke», sagte sie. «Küß mich lieber.»
Und dann steckte sie ihre Zunge heraus und biß selbst
hinein.
«Du bist wie eine Blume, eine Blume in tausend Far-
ben mit nur einem einzigen lieblichen Duft», flüsterte
er und bekam plötzlich Angst, sie könnte ihn ausla-
chen.
Aber sie lächelte nicht einmal. Ihr Gesicht war ruhig,
und er fand, daß ihre Hände sich ruhig und besänfti-
gend anfühlten.
«Ich bin glücklich», sagte er.
Und dann streichelte er ihr den Bauch um den Nabel
herum und herunter zu den Schenkeln.
«Ich mag deine Schenkel», flüsterte er. «Sie sind so
weich, und sie haben auch nicht so viele Haare. Das
mag ich gern.»
Sie legte sich auf den Rücken nieder und spreizte die
Beine, und er kroch hinab zwischen sie und begann
ihre Schenkel zu küssen. Er hielt mit den Händen ihre
Hüften fest und hob ihren Unterkörper hoch, so daß
er die Unterseite der Schenkel erreichen konnte.
Sie liebkoste seinen Nacken und drückte ihn dicht an
sich. Er zog mit der Zunge um ihren Schritt herum
und spürte, wie der Geschmack immer salziger und
salziger wurde; er bekam ein
Haar in den Mundwinkel, und er versuchte es abzu-
trocknen, indem er mit der Wange gegen ihren Popo
strich.
«Nicht dort», flüsterte sie.
Er nahm die Hände von ihren Hüften und hob ihre
Knie hoch. «Ist es unbequem?» sagte er.

42
Sie antwortete nicht; er gab ihr einen Klaps auf die
Knie, und sie hielt die Beine in der gleichen Stellung,
als er mit beiden Daumen vorsichtig ihre Schamlippen
klemmte. Er preßte sie gegeneinander und bewegte sie
dann langsam nach oben und nach unten. Dann nahm
er seine Hände fort; und die Lippen saßen hart gege-
neinandergepreßt. Aber dann begannen sie, sich zu
bewegen, sie öffneten sich von selbst und schienen ein
wenig dicker zu werden. Er sah, daß sie feucht waren,
und er faßte mit dem Zeigefinger zwischen sie. Er
krümmte den Finger und bewegte den Knöchel von
oben nach unten. Und ohne den Finger wegzuneh-
men, beugte er sich dann hinunter und küßte die eine
Lippe; sie fühlte sich größer an, als sie auszusehen
schien.
«Soll ich beißen oder lutschen?» fragte er leise.
Sie sagte nichts.
Er hielt den Zeigefinger und den Mittelfinger der rech-
ten Hand gegeneinandergedrückt und führte sie lang-
sam ein. Sie drehte sich etwas zur Seite. Er hielt die
Finger still. Und nach einer Weile spreizte er sie; es
fühlte sich dick und schwer an, und ihm war, als be-
wegte er sie im Zeitlupentempo. Er drehte sich herum,
und sie stöhnte, als er sich hinunterbeugte und mit der
Zunge den Punkt oberhalb der Stelle berührte, an der
seine Finger hineinglitten.
Ihr einer Fuß streckte sich langsam nach seinem Bein;
ihre Schenkelmuskeln spannten sich, und die Haut
ihrer Leiste schien heller zu werden, je weiter sie den
Fuß nach oben bewegte. Mit den Zehen berührte sie
seinen Beutel.

43
Und er zog mit der linken Hand langsam von hinten in
der Furche entlang, den ganzen Weg nach vorn, bis er
auf seine eigene Hand stieß, da führte er sie wieder
zurück, zu ihrem Rücken hinauf. Er berührte mit sei-
nen Nägeln ihren Hüftknochen, und er spürte, daß sie
eine Gänsehaut bekam; da drückte er sie oberhalb der
Hüfte und zog gleichzeitig seine Lippen zurück, so daß
seine Zähne sie berührten, als er die Zunge ein- und
ausführte.
«Jetzt», sagte sie und zog vorsichtig an seinen Nacken-
haaren.
Er hob den Kopf und sah sie an, dann beugte er sich
schnell hinunter und biß vorsichtig in beide Schamlip-
pen hinein.
Dann drückte er sich zu ihr hoch.
Sie streckte die Beine gerade und legte die Hände auf
seinen Rücken und zog sein Gesicht an ihren Hals
herunter. Er küßte sie, und sie fuhr mit den Nägeln
leicht über Beutel und Schwanz hin; mit dem kleinen
Finger koste sie ihn dicht unterhalb der Eichel und
folgte ihr unter der Kante ganz herum.
«Nun?» sagte sie.
«Schön», sagte er.
Sie zog ihre Beine so weit hoch, daß ihre Fersen bei-
nahe ihre Schenkel berührten.
Er lehnte sich gegen sie, und sie half ihm hinein.
«Ja!» sagte sie und schloß die Augen.
Er atmete einmal laut auf, aber sie öffnete die Augen
nicht. Er bewegte sich ein paarmal gerade nach vorn,
dann lehnte er sich auf die Seite, so daß er sehen konn-
te, wie sie sich ihm jedesmal entgegenhob. Er zog sich

44
langsam nach hinten und preßte dann schräg nach o-
ben, das machte er dann noch ein paarmal. Dann lehn-
te er sich auf die andere Seite und machte dort genau
das gleiche.
«Halt die eine Hand auf meinem Rücken», sagte er und
legte sich gerade hin und stemmte sich mit den Zehen
ab.
Sie nickte.
Er drückte sich nach vorn, so daß es jedesmal in ihm
spannte, wenn er hineinstieß; er wußte, daß er sich
dann größer anfühlte.
«Faß ihn jetzt an!» sagte er.
Sie nahm seinen Beutel in die Hand und drückte ihn
weich, und sie bewegte sich gleichzeitig mit kleinen
Stößen ihrer Hüften.
«Jetzt!» sagte er.
Und als es bei ihm kam, preßte sie die Hände um sei-
nen Beutel; zog ihn vorsichtig nach unten und dann,
etwas härter, nach
«Drück alles raus», sagte er.
Danach erhob er sich auf die Knie, nahm ihr Gesicht
zwischen die Hände und küßte sie auf die Augen.
«War es schön?» fragte er.
«Ja.»
«Ich fand es wunderbar», sagte er.
«Gut», sagte sie.
«Das ist schön, das hier.»
«Vielleicht», sagt sie und sah zur Decke.
«Es ist jedenfalls etwas, was man nicht zu verkaufen
braucht!»
«Wie bitte?» sagte sie und fuhr hoch und starrte ihn an.

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«Versteh mich nicht falsch! Ich meine nur, man
braucht den Leuten nicht die Idee zu verkaufen, daß
sie miteinander schlafen sollen, so hab ich's gemeint.»
Sie lächelte.
«Du verstehst, was ich meine?» sagte er.
«Man wird vielleicht mal dazu gezwungen», sagte sie.
«Wozu?»
«Die Idee zu verkaufen, natürlich. Hast du es nicht so
gesagt?»
«Dann entwerfe ich die Anzeigen!» rief er aus und ges-
tikulierte. «Was für Texte, was für Bilder, das wird
wundervoll!» Und er lachte sehr laut.
«Warum lachst du?» sagte sie ernst.
«Ich kann es nicht erklären! Du bist in der Werbung
nicht zu Hause, deswegen hat es gar keinen Sinn, daß
ich es überhaupt versuche», sagte er und lachte immer
noch.
«Macht es Spaß, in der Werbung zu arbeiten?» sagte
sie.
«Ja, ja!» lachte er. «Es ist wundervoll!»
«Hör jetzt auf, sei so lieb», sagte sie mit leiser, aber
hörbarer Stimme. Er verstummte unmittelbar.
«Bekomme ich eine Zigarette?» sagte sie.
Er beugte sich vor und nahm zwei Zigaretten aus dem
Päckchen, zündete beide auf einmal an und zog den
Stuhl näher ans Bett. Er nahm einen Zug und gab ihr
die eine.
«Danke.»
«Der Aschenbecher steht auf dem Stuhl», sagte er.
Sie blies einen Rauchring aus, der langsam zur Lampe
empor stieg. Er zögerte ein wenig vor der Wahl, den

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Rauch entweder wie gewöhnlich auszublasen oder ei-
nen Rauchring zu probieren. Bevor er sich entscheiden
konnte, bekam er den Rauch in den Hals und mußte
husten.
«Brauchst du ein Taschentuch?» fragte sie.
Er schüttelte den Kopf und hielt die Hand vor dem
Mund geschlossen; er hatte Tränen in den Augen vor
Husten und Rauch. - «Ich weine», sagte er und lächelte.
Sie blies langsam einen neuen Ring aus, der sich vor-
sichtig vom Bett hochhob; sie folgte dem Ring mit der
Hand und durchschnitt mit den Fingern den Rauch.
«Warum zerstörst du ihn?» sagte er.
«Weil ich jederzeit einen neuen machen kann, wenn
ich will!»
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, bereute es
aber und hustete wieder.
«Verträgst du keinen Rauch?» sagte sie.
«Sag lieber was Ulkiges», sagte er.
«Nicht schon wieder», sagte sie.
«Doch!»
«Was denn?»
«Irgendwas.»
«Vögeln.»
«Nein», sagte er.
«Hab ich dich verwirrt?»
Er sah zuerst zur Decke hoch, dann sah er sie an und
lächelte. «Wenn man dich ansieht, glaubt man gar
nicht, daß du solche Sachen sagen kannst», sagte er.
«Dann mach die Augen zu!» sagte sie.
«Du bist wunderbar, ich kenne keine Frau, die so
schön ist wie du», sagte er und lachte.

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«Bleibst du heute nacht hier?» fragte sie und drückte
ihre Zigarette aus.
«Nein, leider, ich kann nicht, wir haben morgen Kon-
ferenz. Morgen ganz früh.»
«Ist es wichtig?»
«Ja, alle Konferenzen sind wichtig.»
«Geht es jetzt wieder um einen neuen Kunden?»
«Nein, er ist nicht direkt neu. Wir wollen eine Kam-
pagne für den Verkauf von Freizeitkleidern bespre-
chen, die ...»
«Lange Serien und langweilige Modelle!» unterbrach sie
ihn. «Und blaugefrorene Modelle in den Anzeigen.
Hast du noch eine Zigarette?»
Er steckte eine an und gab sie ihr. Sie setzte sie wie
eine Zigarre in den Mundwinkel; sie schaukelte lang-
sam auf und nieder.
«Es ist kein Fehler mit der Konfektion», sagte er. «Es
muß auch solche Kleider geben.»
Sie sah ihn lange an.
«Nimm es nicht so persönlich», sagte sie dann, ohne
die Zigarette aus dem Mund zu nehmen.
Er lachte.
«Ich bin nie eingeschnappt», sagte er und küßte sie auf
die Wange.
«Das ist gut. Nimm meine Zigarette und drück sie aus,
damit ich dich küssen kann!»
Er lächelte und drückte sie aus.
Sie hielt seinen Kopf mit beiden Händen und küßte
ihn lange. «Alles in Ordnung?» sagte sie dann.
«Wunderbar», sagte er.
Sie blinzelte ihm zu.

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«Ich will, daß du's gut hast», sagte sie.
«Es ist immer schön bei dir», sagte er.
«Jedesmal?»
«Immer.»
Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brust.
«Ich denke an dich an den Tagen, an denen ich nicht
hier bin», sagte er und faßte mit der anderen Hand um
ihren Schenkel.
Sie nahm die Beine langsam auseinander. Und er beug-
te sich über ihren Bauch herunter, änderte aber seinen
Entschluß und erhob sich schnell wieder.
«Nein», sagte er. «Ich muß jetzt gehen.»
«Meinetwegen nicht», sagte sie und zog das eine Knie
hoch und strich sich mit den Händen über Schenkel
und Bauch.
Er stellte sich auf dem Fußboden hin.
«Nicht?» sagte sie und wiegte sacht den Unterleib.
«Wir sehen uns ja am Sonntag wieder», sagte er.
«Jeden Mittwoch und jeden Sonntag», sagte sie und
legte sich auf die Seite.
«Ja, genau das.»
Er begann sich anzukleiden.
«Du», sagte sie nach einer Weile.
«Ja.»
«Ja, du», sagte sie langsam.
«Ja, was ist?»
«Ja, nein übrigens, es war nichts.»
«Sag jetzt, was los ist», sagte er und drehte sich zu ihr
um und knotete den Schlips fest.
Sie sah ihn an.
«Sitzt der Knoten gut?» fragte er.

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Sie nickte.
«Nun?» sagte er.
Und da lachte sie und nahm ihre Brustwarzen und zog
sie nach oben.
«Findest du, daß ich sie anmalen sollte?» sagte sie.
Er sagte nichts, aber er lächelte.
«Welche Farbe magst du am liebsten?» sagte sie. «Rot?
Rosa? Willst du, daß ich sie knallrot anmale?»
«Du bist gut», sagte er.
«Oder weiß? Glaubst du, daß Weiß sich gut machen
würde? Hast du schon mal solche in Weiß gesehen?»
«Nein», sagte er. «Aber das war es nicht, wovon du
sprechen wolltest, sag jetzt, was es ist, so daß wir sie
ein anderes Mal gemeinsam anmalen können!»
«Nein», sagte sie.
«Beeil dich jetzt!»
«Nein, ich glaube nicht, daß ich es sagen kann», sagte
sie und hielt die Hände um die Schultern.
«Schämst du dich?» sagte er und lachte.
«Dürfte ich das denn nicht?» sagte sie schnell und setz-
te sich hoch.
«Natürlich, verzeih mir! Ich meinte nichts Böses, das
verstehst du doch?»
Sie zog die Schultern hoch, nickte und legte sich wie-
der hin.
«Meinst du Geld?» fragte er und zog sein Jackett über.
«Ja», sagte sie.
«Wieviel?»
«Es ist ja alles so teuer geworden.»
«Ich weiß. Wieviel?»
«Dreißig Kronen mehr muß ich schon haben.»

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«Dreißig?»
«Ja, wenn du nicht findest, daß...»
«Das ist aber dann für beide Tage in der Woche?» sag-
te er.
«Ja, natürlich!»
Er holte seine Brieftasche hervor.
«Ich möchte so gerne, daß wir den Mittwoch und den
Sonntag nur für uns haben», sagte sie und setzte sich
wieder aufrecht hin.
«Was anderes kommt überhaupt nicht in Frage!» sagte
er. «Kein anderer darf mir an den Tagen in die Quere
kommen.»
Sie nahm das Geld entgegen.
«Meine Glückstage», sagte er und griff hastig nach ih-
ren Brüsten.
Sie lachte. Und er beugte sich über sie und küßte sie
auf die Wange. Und sie raufte ihm das Haar.
«Nein, jetzt muß ich mich ja kämmen!» sagte er und
ging zu ihrem Spiegel.
«Ist man nicht wohlgekämmt, hat man keinen Erfolg!»
sagte sie und lachte.
«Die Anzeigen stammen nicht von uns», sagte er.
Sie warf ihm eine Kußhand zu.
Er holte Mantel und Hut.
«Küßchen», sagte sie.
«Hej, paß auf dich auf.»
«Ja», sagte sie.
«Wir sehen uns», sagte er.
«Am Sonntag», sagte sie und winkte.
Er winkte zurück und ging.

51
Im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten pfiff er vor sich
hin, und als er auf die Straße hinauskam, fühlte er, daß
es warm in der Luft war, und entschloß sich, zu Fuß
nach Hause zu gehen. Ich kann mir eben die Schau-
fenster in der Kungsgatan ansehen, dachte er. Viel-
leicht gibt's da was, was mich auf eine Idee bringt!
Und als er um die Ecke zum Götaplatz bog, sah er ein
riesenhaftes Plakat, auf dem mit großen Buchstaben
stand: Das weißeste Weiß Ihrer Träume!
«So ist's richtig», sagte er halblaut. «Man erzählt den
Leuten, daß sie sich was erträumen und daß man dann
in der Lage ist, ihre Träume zu erfüllen. Dann werden
sie glücklich. Und dankbar. Das ist gut.»
Und er summte leise eine Melodie, als er auf die
Kungsgatan hinauskam.

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Svante Foerster

Eva Märtensson
- Ein Abschnitt aus einem größeren Zusammenhang -

Am Morgen hatte er sie auf der Steuerbordseite der


Kommandobrücke genommen. Sie lag ausgerechnet
auf einem schwarzen Regenmantel aus Kunststoff.
Hinterher sagte sie, daß es normalerweise Zwillinge
würden von so viel.
Sie waren am vorhergehenden Nachmittag einige
Stunden vor Einbruch der Dunkelheit zu dem Wrack
herausgekommen. Sie hatten die Nacht dort verbracht,
und als sie miteinander gelegen hatten, schlief er allzu
dankbar tief, als daß er jemals herausbekommen wür-
de, ob es wirklich gewittert hatte. Am Morgen fand er
sein Motorboot wieder, und als er es an dem gestran-
deten Schärendampfer Ina II der Bergman-Linie fest-
gemacht hatte, schlief er also wieder mit Frau Märtens-
son. Und das war das erste Mal, daß er in einer ver-
traulichen Art mit ihr lag.
Die Familien waren seit neun Sommern auf Fimmelö
nebeneinander eingemietet. In der Stadt waren sie
Nachbarn im gleichen Haus, jeder mit eigenem Ein-
gang. Robert Steins Eltern verkehrten mit Eva Mär-
tensson und ihrem Mann, einem faltigen und senti-
mentalen Prokuristen, der gern über seine Erfolge bei
Frauen log.
Das Haus lag in der Fatbursgata an der Ecke der
Timmermansgata. Es lag gegenüber vom Südbahnhof,

53
der von einem Architekten namens Dahlberg entwor-
fen worden war, als er einmal zu Besuch aus den USA
kam: «Ich muß gleich wieder fort, aber vorher kann ich
ja einen Bahnhof für euch Bauerntölpel entwerfen.»
Anfang Juni pflegte man in die Schären zu ziehen. Ina
II war dieses Jahr gestrandet, schon am 3. Mai. Das ist
der alte Nationalfeiertag Polens, aber davon wußte
Robert nicht das geringste, und man soll ihm deswegen
auch keine Vorwürfe machen. Der einzige Pole, der
sich auf Ina II befand, war ein Herr namens Tadeusz
Wyborowski, Delegierter auf einem Philatelistenkon-
greß, und er hatte auf Ehrenwort nichts mit dem
Schiffbruch zu tun. Es brach keine Panik aus, alle
wurden gerettet. Das Schiff lag jetzt mit dem Achter-
schiff unter Wasser fest auf Grund.
Robert Stein pflegte das Wrack zu besuchen, wenn er
mit seinem merkwürdigen kleinen Motorboot, das er
auf den Namen Star getauft hatte, unterwegs war. Erst
hatte er erwogen, es Royal Oak zu nennen nach einem
bei Scapa Flow versenkten Schlachtschiff.
Er war achtzehn Jahre alt und hatte noch keine Ah-
nung davon, daß er etwa zehn Jahre später als Schrift-
steller debütieren sollte. Vorläufig glaubte er vielmehr,
daß er ein strahlend erfolgreicher Maler werden würde,
etwa im Stil von Juan Gris. Sein engster Freund folgte
dagegen mehr dem Stil Derains. Wie dem auch sein
mochte, es war die Epoche des heroischen Kubismus.
Dieser Freund, der einige Jahre älter war als er und
kein unübler Bandy-Tormann, hieß Jöran. Übrigens
war er der Sohn Eva Märtenssons, der Frau, auf die er
seit Monaten einen gewaltigen Hunger hatte.

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Es war ebensosehr ihre Idee wie seine gewesen. Das
Wrack von Ina II lag ja sowieso fast am Wege zum
Holm, wo man Post und Zeitungen holte. (Das wich-
tigste an Lebensmitteln konnte man dagegen auf Fim-
melö kaufen.)
Eva Märtensson hatte auf der Veranda gesessen und
Radio gehört. Es war ein Programm über Abraham
Lincolns Debatte mit Stephen A. Douglas, dem Urhe-
ber der Sklavengesetze. Bei schlechtem Wetter wäre es
ein wichtiges Programm gewesen. Sie war eine gebilde-
te Frau. Sie war eine Frau, die Ernst und Lebensfreude
in sich vereinigte. Ihre Lebensfreude stand meist unter
guter Kontrolle, besser aber noch Mißmut, Trostlosig-
keit und Leid, wenn sie einmal auftauchten.
Herr, mein Gott, welche Beine, dachte er, als er mit
Star an Märtenssons Strand vorüberfuhr. Kräftige Bei-
ne, aber nicht plump, schöne Proportionen auf der
ganzen Linie. Ich kann beinahe ihre Schenkel sehen.
Schon früher war sie gelegentlich zum Holm mitgefah-
ren, wenn es auch meistens Robert war, der für beide
Familien die Post abholte. Als er vorschlug, an Bord
von Ina II zu gehen, war sie sofort einverstanden. Es
nahm nicht mehr als eine halbe Stunde Zeit, sagten sie
sich, höchstens eine Dreiviertelstunde.
Welche Situationen könnten entstehen? überlegte er:
wenn sie betrunken wäre, wenn Onkel Edvard sie
scheußlich betröge, wenn alle erwachsenen Männer im
Kriege wären, wenn sie läge und schliefe und ihn nicht
hindern könnte, bevor er da wäre und es für sie schon
allzu schön sein würde, wenn man tausend Lappen
hätte und ihr geben könnte (aber sie würde zu stolz

55
sein, oder sie würde allzu vorsichtig sein, was soll ich
antworten, wenn Edvard fragt, wovon ich den neuen
Pelz gekauft habe? - wenn man überhaupt für tausend
Lappen einen Pelz bekommt, aber vielleicht im Som-
mer).
«Bedrückt dich etwas?»
«Ja», antwortete er ehrlich.
«Es ist mächtig warm hier auf Deck. Die Sonne
brennt. Die Planken sind glühend heiß.»
Sie trug ein dünnes, modernes, batikgemustertes
Sommerkleid, das eine aufregende Idee zu kurz war,
um so eng zu sein. Orthopädische Sandalen, kräftige,
nackte braune Beine. Manchmal hatte sie die Zehennä-
gel lackiert, aber nicht heute.
Ihr Gesicht war breit, ruhig und harmonisch mit be-
tontem Kinn und kräftigen, aber sensiblen Lippen.
Er stand da und blickte auf ihr Gesäß.
Er trat vor und wollte es eben berühren und dann vor
Scham sterben oder vom Schlag getroffen werden, da
ging sie weiter und bückte sich nach einem kleinen
Metallpfriem, der auf dem Deck lag. Wie sie so da-
stand, den Körper schön gespannt, vornübergebeugt,
wehrlos, wollte er sich auf sie stürzen und ihr einen
verpassen, ganz egal, in welchem ihrer Löcher die
Stange landete. Sie warf den Pfriem über Bord. Sie
drehte sich nach ihm um und sagte, daß sie auf Entde-
ckungsfahrt in die Hütten gehen wollte.
Er selbst ging ohne Ziel und Plan zur Landgangsluke,
wo er Star festgemacht hatte.
Das Boot war weg!
Gestohlen. Sein Boot.

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Es mußten Wrackplünderer gewesen sein, das Ge-
räusch, das er gehört hatte, das Geräusch, von dem er
glaubte, daß der Wind eine Tür aufgeworfen hätte.
Die Trauer des Besitzers! Der Kummer des Sparers,
des Opfernden.
Alle die Arbeitsstunden, die er daran gewendet hatte,
um aus einem Haufen wasserkranker Bretter ein
Traumboot zu schaffen.
«Verflucht», schrie er, «verflucht, verflucht, verflucht!»
Er weinte ein bißchen.
Die Arbeit eines ganzen Frühjahrs. Alle Ersparnisse.
Alle Extraarbeiten, alle Phantasien und alle Wünsche.
Verflucht.
Die Wolken ballten sich dunkel zusammen, Regenwol-
ken, aber was hatte das jetzt schon zu sagen?
Die hätten doch wohl zumindest ihr eigenes Boot als
Ersatz dalassen können. Es wäre der schlechteste
Tausch der Welt gewesen, aber immerhin etwas.
Wie sollte er nun hier wegkommen? Es waren mehrere
Kilometer bis zum nächsten Ufer.
Und er mußte an Eva denken. Sicher würde sie hyste-
risch werden, das werden Frauen gerne. Sicher war
keine Hilfe vor morgen früh zu erwarten. Eine ganze
Nacht mit einer hysterischen Frau auf einem Wrack.
Und natürlich würde sie ihm für alles die Schuld ge-
ben.
«Aber mein Verlust ist ja viel größer als deiner!» schrie
er. Aber sie war nicht da, und er machte eine Runde
auf Deck, um sich zu überzeugen, daß Star wirklich
weg war, außer Sichtweite, verloren. Er holte tief Luft
und schlenderte zum Achtersalon hinunter, um so ru-

57
hig und vernünftig wie möglich der Mutter seines Ka-
meraden, der Freundin seiner Mutter, der beherrschten
und attraktiven Nachbarin das Unglück zu berichten.
«Ich hatte es erst vierzehn Tage», wiederholte er wieder
und wieder. «Nur vierzehn Tage. Nur vierzehn Tage.»
Es hatte lange gedauert, es fertig zu bauen, seetüchtig
zu machen, seetauglich.
«Ich habe beinah alles selbst gemacht. Ich hatte keine
Hilfe. Ich wollte keine Hilfe haben. Ich habe es nur
vierzehn Tage gehabt.»
Eva war nicht im Achtersalon, als er hinkam.
Er suchte sie in der Küche und dann im Rauchsalon.
Danach suchte er im kleinen Salon erster Klasse hinter
der Kommandobrücke.
Sie kam aus der Steuermannshütte mit einer Ampel,
einer Wasserkanne und einer leuchtend feuchten Pe-
largonie.
«Ich bin Wrackplünderer», lachte sie. «Wrackwächter,
das klingt vielleicht besser. Ich achte darauf, daß die
gestrandeten Blumen Wasser bekommen. Ich bin
selbst eine gestrandete Blume. Warum siehst du so
düster aus?»
«Na ja», sagte Robert.
Und dann berichtete er.
Sie biß sich in die Lippen. Sie stand bleich vor ihm und
stellte im Vorbeigehen die Wasserkanne, die Pelargo-
nie und die Ampel auf ein zu schmales Fensterbrett.
Die Kanne fiel herunter, und das Wasser lief auf den
rauhen, verblichenen Teppich. Niemand kümmerte
sich darum.
«Aber Robert», sagte sie mehrere Male.

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Die Dämmerung war hereingebrochen und ein kräfti-
ger Südostwind aufgekommen. Er zauste in ihren Haa-
ren und ihren Kleidern. Ihr Körper wurde in explosi-
ver Nacktheit herausmodelliert.
«Gehen wir nach unten in den Achtersalon», sagte er
geniert.
Er hob die Ampel und die anderen Sachen auf und
ging voran. Er streckte seine Hand nach hinten, und
sie nahm sie und hielt sie fest.
«Du Armer», sagte sie plötzlich, «mein armer, armer
Junge. Bist du sehr betrübt? Setz dich zu mir.»
Er biß die Zähne zusammen. Er fror am ganzen Kör-
per.
Sie strich über seinen gespannten Nacken. Plötzlich
war er dem Weinen nahe. Sie streichelte seine Wangen,
und noch immer hielt er ihre Hand fest.
«Na ja», sagte Eva, «das ist nicht meine und deine
Schuld. Und auf jeden Fall sind wir nicht weit von be-
wohnten Gegenden. Morgen finden sie uns bestimmt.
Ich werde versuchen, etwas zu Essen zu machen. Ich
glaube, es gab da ein paar Konservenbüchsen und ei-
nige Teebeutel. Du Süßer! Du wirst sehen, die Sache
wird sich ganz natürlich aufklären. Der Wind hat das
Boot losgerissen. Wir werden es morgen schon finden
und die Leute uns. Niemand hat ja Schaden genom-
men. Nur die Post wird eben einen Tag älter, und das
macht nichts, wenn man Urlaub hat.»
Nun darf ich nichts mehr sagen, meinte sie zu sich.
Nun habe ich ihn beruhigt. Rede ich noch mehr, so
zerrede ich seine Ruhe. Dabei ist es ein Glück, daß er
kein hysterischer Typ ist, ein Glück, daß ich auch kei-

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ner bin. Auf irgendeine Weise wird sich ja auch alles
klären. Sie küßte ihn auf die Wange und ging zur Kü-
che. Er holte sie ein und umschlang sie von hinten. Sie
drehte sich um.
Er sagte: «Du bist so tüchtig.» Er duzte sie zum ersten
Mal. Ihr fiel ein, daß er es seit mehreren Wochen ver-
mieden hatte, zu ihr «Tante» sagen zu müssen. Es war
sehr schön, wie er sie so umfaßt hielt. Er duftete frisch
nach Salzwasser und Wind und erschrecktem, jungem
Mut. Er streichelte so zart er nur konnte über ihre
Wange, und sie schloß die Augen und dachte an nichts
mehr. Sie war weder bekümmert noch müde oder mu-
tig oder verlegen oder aktiv. Er sah lange in ihr ruhi-
ges, gereiftes Gesicht, und sie fühlte, wie sein Gesicht
ihr nahe kam. Und das war ja wohl nicht verboten.
Er sagte: «Sieh mich an.»
Und sie tat es. Die ganze Zeit hielt er sie vertraulich
umschlungen, aber auf eine Art, die sie weder als ero-
tisch noch als kindlich, ängstlich oder beruhigend oder
tröstend auffaßte.
«Sprich das hier nach», sagte er, «mach die Augen zu
und sprich das nach.»
Jetzt hatte er plötzlich die Autorität eines alten Philo-
sophen. Das sollte sie den Rest ihrer Tage verblüffen,
diese plötzliche Autorität. Sie schloß die Augen.
«Sprich nach, kleine Eva. Mybert Moberg ist es gelun-
gen, in der Oxtorgsgata ein Kontor zu bekommen.»
Willenlos begann sie nachzusprechen:
«My...»
Da küßte er sie, als ihre Lippen am gespitztesten wa-
ren.

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Immer noch hielt sie die Augen geschlossen. Sie stand
ganz still. Noch einmal versuchte sie nachzusprechen,
wo dieser Mybert Moberg sein Kontor hatte. Was für
ein Kontor?
«My...»
Und wurde geküßt.
Sie spürte eine leise Verwunderung wie einen vorbei-
ziehenden Duft, als er sie so zart küßte. Sie glaubte,
daß Jugend Verlangen und Hunger war. Sie hatte ver-
gessen, daß Jugend oft Zartheit ist. Sie lernte es von
neuem. Sie stand unbeweglich. Seinen zweiten Kuß
beantwortete sie mit halbgeöffneten Lippen. Er hielt
sie mit einer Hand an den Schultern und mit der ande-
ren um die Taille. Sie umfaßte wieder seinen Nacken
und hielt die ganze Zeit die Augen geschlossen.
Später am Abend nahm der Wind zu.
«Das war ein gutes und merkwürdiges Mittagessen»,
sagte Eva. «Ich glaube, wir brauchen nicht abzuwa-
schen. Es gibt Massen von Porzellan, Silber und Glä-
sern.»
«Die Bergman-Reederei ist eine gastfreie Gesellschaft.»
«Ich wollte auf Holm außer der Post auch Zigaretten
holen. Meine Bill sind bald alle.»
«Hier. Ich fand zwei Zwanziger-Packungen Boston auf
der Brücke. Ich nahm sie als gute Prise. Hoffentlich
kannst du sie rauchen. Streichhölzer habe ich auch
mitgenommen.» Er fügte hinzu: «Sie sind trocken.»
Dabei dachte er an Robinson Crusoe und den Schwei-
zer Robinson, an die Meuterei auf der Pitcairn und die
einsame Insel Giovanni Giomazzas. «Wir können wohl
hier im Achtersalon schlafen. Es scheint hier bequem

61
zu sein. Wie komisch, aber es ist tatsächlich feuchter
an den anderen Stellen, die über Wasser liegen.»
«Das wird sich alles ordnen, wenn es soweit ist. Aber
wir sollten nicht im selben Raum, Verzeihung, Salon!
schlafen. Wir haben ja ein ganzes Schiff für uns. Du
bist mein Steuermann und mußt in der Steuermanns-
hütte schlafen. Steuerleute schlafen dort, da bin ich
ganz sicher.»
«Wir sollten wohl die Reservebeleuchtung sparen.»
«Wir können sie ja eine Zeitlang ausmachen. Auf der
Anrichte dort neben der Tür steht ein Talglicht, da in
dem Kerzenständer aus Neusilber. Bring es mit, wenn
du das Licht ausmachst.»
Zehn Minuten später bewunderten sie den monumen-
tal aufgetürmten, ganz verdunkelten Himmel über den
Schären. Der Wind brüllte und heulte nicht, er grollte
dumpf. Er hielt sie umschlungen, als sie an der geneig-
ten Reling standen. Zurück in den Achtersalon ge-
kommen, setzte er sich ganz selbstverständlich neben
sie, und als sie ihre letzte Bill ausdrückte, fragte sie
nach Decken und Kissen. Und da küßte er sie, und
diesmal versuchte sie, sich loszumachen. Es gelang ihr,
und sie bemäntelte es, indem sie ihm mit der Hand
über die Lippen strich. Sie sagte, daß wohl alles gutge-
hen würde.
Ich weiß nicht, wie man jemanden vergewaltigt, dachte
er. Aber, mein Gott, wie wahnsinnig gern möchte ich
sie umlegen. Ich habe so weit ausgeschnittene Schlüp-
fer, dachte sie. Die sind so praktisch, wenn man allein
liegt und sich sonnt. Ich weiß aber, wie erregend sie
wirken können. Sie markieren das da so stark. Und ich

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bin mir beinahe sicher, daß er mit mir will. Aber ich
gehöre nur Edvard. Das Küssen muß jetzt ein Ende
haben. Aber es war schön. Es tut mir nicht leid. Wenn
die Küsserei jedoch weitergeht, werde ich mich über
alles von Anfang an ärgern müssen.
Hoffentlich gibt es Gewitter, dachte er. Man sagt, daß
sie dann williger werden. Das habe ich sowohl bei
Schade als auch bei Saroyan gelesen.
«Das geht hier ja alles recht gut», sagte Eva, nur um
etwas zu sagen.
«Ich hoffe nur, daß es kein Gewitter gibt.»
Hoffen kann man ja immer, dachte Robert Stein, acht-
zehn, mit einer Bitterkeit, die salziger als Jod schmeck-
te.
«Denn in Romanen pflegt es ja Gewitter zu geben,
wenn man auf einem Wrack eingeschlossen ist. Oder?»
«Sicher», sagte er, «sicher gibt es ein unbeschreibliches
Gewitter mit großem Wetterleuchten und blendenden
Kugelblitzen. Das ganze Meer wird aufgewühlt sein
von haushohen Wogen.»
«Und ich werde große Angst haben, nicht wahr?»
«Du würdest mutiger sein, wenn du allein wärst», pa-
rierte er und traf das Richtige.
Sie war erregt und unruhig. Die, die sagen könnten,
daß sich das hier nicht gehörte, waren ja nicht hier und
würden es auch nie erfahren.
«Werde ich sehr ängstlich sein?»
Robert wurde mit jeder Antwort erfahrener: «Mit Ma-
ßen ängstlich. Du bist eine beherrschte Frau, die nie-
mals außer sich sein wird vor Angst. Aber gerade des-

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halb denkst du vielleicht, daß es einmal schön sein
könnte ...»
Er zögerte.
«Was?»
Er wollte sagen «es zu werden», aber es wurde «es zu
sein». «In Grenzen ängstlich zu sein, zusammen mit
jemandem, dem du vertraust.»
Weil er zärtlich ist, dachte sie, weil er ruhig ist, weil er
gewissermaßen in seiner Reife wächst, je mehr wir die
Situation akzeptieren. Ich fühle mich wohl, dachte sie
dann. Aber was hat das damit zu tun? fragte sie sich
und wußte die Antwort.
«Küß mich», wisperte sie so schwach, daß nur er in der
ganzen Welt es hören konnte. «Aber nur einmal und
ganz zart und nett.»
Er küßte sie dreimal, und keiner der Küsse war nur
nett, und so sollte es auch sein.
«Wie schlafen wir?» fragte er und bereute es sofort.
«Du in der Steuermannshütte und ich hier!»
Sie fragte ihn nach Decken und Kissen. Er verschwand
und kam mit einem Armvoll zurück.
«Ich bin eine sehr anständige Frau. Ich könnte deine
Tante sein, wenn deine Mutter und ich Schwestern
wären, und Inzest ist verboten. Küß mich nie mehr.»
Seine Vernunft gebot ihm zu sagen, daß sie ihr Kleid
ausziehen sollte, damit es nicht zerknitterte. Seine Ver-
nunft sagte ihm aber auch, daß das jetzt ein Dialog
war, eine Debatte, und daß seine kümmerliche Bemer-
kung als Argument angesehen würde. Er riskierte, sich
lächerlich zu machen. In diesem Augenblick lebte er
ein reiches, inneres Leben. Robert Stein als erotischer

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Schären-Philosoph am Anfang einer Nacht, in der es
Gewitter geben konnte.
Und dann dachte er daran, daß man in der Regel nie
gewinnt, weil man zu jung ist oder zu schüchtern oder
zu feige oder zu eifrig. Beinahe alles, was man ist und
was man tut, ist etwas, das einen vom Ziel entfernt.
Man ist dem Traum näher, wenn er nur Traum ist.
Und der Traum ist am wirklichsten, ehe man ihn als
Aufforderung, Herausforderung nimmt. Versucht man
ihn zu verwirklichen, verliert man. Ich habe mehr
Frauen und Mädchen getroffen, mit denen ich hätte
vögeln wollen. Aber es ist nie etwas daraus geworden:
entweder darum, weil ich zeigte, daß ich wollte, oder
weil ich nicht zeigte, daß ich wollte.
Hier: seine Wahrnehmung, daß er plötzlich viel schneller
denkt. Vorher war alles so schwerfällig. «Als ich jung
war, dachte ich nur in Stimmungen. Ich war in der
Mitte einer Landschaft, nicht am Anfang eines Weges.»
«Woran denkst du?»
«Ich denke einfach. Und reife. Ich denke klarer als frü-
her.» Mit einer Aufrichtigkeit, die zur Hälfte echt war,
sagte er mit dem Mund an ihrem Hals so leise und
deutlich er konnte: «Bei dir wird alles klarer. Frage
nicht wie. Da zerstöre ich alles dadurch, daß ich zu
antworten versuche auf das, was ich noch nicht beant-
worten kann.»
Er fühlte dunkel, daß sein ständiges Erlebnis der Ein-
samkeit von den frühesten Jahren der Kindheit an,
seitdem seine Schwester starb, gerade in diesem Au-
genblick half, ihn zu erlösen.

65
Eva hielt seine Hand. Die Decken und Kissen lagen
auf dem Tisch. Sie nahm eine neue Zigarette. Die erste
aus der Boston-Schachtel des Kapitäns. Er gab ihr
Feuer. Man soll an etwas anderes denken, sonst geht es
zu schnell für den Mann. Das ist dann nicht schön für
die Frau, hatte er gehört. Wenn, dachte er, wenn,
wenn, wenn. Ich kann ja an Stockholms Schlittenklub
denken, von dem Onkel Axel immer erzählte.
«Woran denkst du?»
«Liebling», antwortete er, «eigentlich ist das ein Ge-
heimnis.»
«Bergsteiger und Schiffbrüchige haben keine Geheim-
nisse voreinander. Denkst du an Liebe?»
«In gewisser Weise.»
Er erzählte vom Stoßschlittenklub. Davon, daß es On-
kel Axel war. Davon, daß es Anfang des Jahrhunderts
war und daß der Onkel Mitglied war. Davon, daß die
klassische Strecke Stockholm-Södertälje war und daß
der Rekord auf 2 Stunden und 35 Minuten stand.
Sie verstand recht gut, warum er hiervon sprach und
wie er darauf gekommen war.
Sie hatte in solchen Zusammenhängen über Handball
und Fußball und Buchführung sprechen hören, aber
niemals über Stoßschlitten. Sie stellte sich vor, daß für
die dickbäuchigen Herren, die mit grogfeuchten
Schnurrbärten auf dem Sofa saßen und über willige
Dienstmädchen sprachen, der Stoßschlittenklub ein
Strohhalm gewesen sein mußte. Nein, dachte sie dann
ohne Rücksicht auf soziale Aspekte, diese Herren wa-
ren wohl niemals besonders rücksichtsvoll. Sie hatten

66
das ihre als Gentleman getan mit der Lobeshymne auf
die Frau.
Ich habe nichts zu gewinnen, gewiß. Aber vielleicht
kann ich nicht gewinnen. Aber, dachte er, zu verlieren
habe ich auch nichts. Nichts habe ich zu verlieren. In
dieser Situation gibt es bereits etwas, was nur ihr und
mir gehört. Etwas, was sie nicht gern wird erzählen
wollen, wenn wir nach Hause kommen.
Und er wußte, daß es mehr war als die fünf - sechs -
sieben Küsse, und küßte sie.
Er lächelte dabei, als er an das Wort «Remis» dachte.
Seine Lippenbewegung beim Lächeln erregte sie und
brachte sie auf den Gedanken, daß er vielleicht Erfah-
rung hatte trotz allem und daß einer mit Erfahrung
gelernt hat, taktvoll zu sein. Er wurde erwachsener für
sie, und die Situation verlor dadurch etwas von ihrer
Unsinnigkeit.
«Du darfst es nicht mißverstehen, wenn ich mein Kleid
ausziehe. Ich habe übrigens einen Unterrock an. Aber
wenn das Unglück es will, zerknautscht es. Ich will
nicht ungepflegt wirken, welche Frau will das. Ich bin
sehr müde. Hoffentlich gibt es kein Gewitter. Wenn es
Gewitter geben sollte, komme ich zu dir in die Steu-
ermannshütte und schlage vor, daß wir Sechsundsech-
zig spielen. Gibt es Karten an Bord?»
«Sollte es wohl geben», sagte er, nahm ihr das Kleid ab
und hängte es ordentlich und schön auf. Irgendwoher
hatte er einen Bügel gezaubert.
«Leg dich hin, dann decke ich dich zu. Am besten, du
ruhst dich aus. Der Tag ist für dich anstrengend gewe-
sen.»

67
Aber das habe ich doch gesagt, dachte sie, war aber
nicht sicher, ob sie es gesagt hatte. Hauptsache, du bist
vorsichtig, dachte sie und wußte, daß es ihre Sache
war, daß er vorsichtig war. Er hatte so schöne, aufrich-
tige Augen. Das ist das Schönste an ihm. Und dann
der bestimmte Zug um den Mund. Der Arme, was für
ein Verlust mit dem Boot. Ich habe ja gehört, ich weiß
ja, wie er dafür lebte. Er ist sehr lieb zu mir.
«Zieh auch den Unterrock aus.»
Sie erhob sich und gehorchte ihm.
Sie lag und starrte an die Wand. Ein feuchter Fleck war
da, der wie ein Drachenhaupt aussah, wenn ich mich
aber ein wenig drehe, sieht er aus wie eine Landschaft
bei Rimini. Sie erzählte ihm, was sie sah, und sie wuß-
te, daß er sich auszog. Sie war überrascht, daß er die
Unterhose anbehielt. Nein, Herrgott, er ist ja ein Jun-
ge. Das war eine Badehose. Mein Schlüpfer, der so
hoch ausgeschnitten ist.
«Wie braun du bist», sagte er und strich über ihre
Schenkel.
Sie hielt sie fest geschlossen.
«Mach das nicht», sagte sie leise.
Weint sie? Nein, sie weint nicht. Aber sie lacht auch
nicht.
Er nahm ihren Büstenhalter ab.
Sie fühlte, wie sein Körper fest geworden war.
Er strich über ihre Brust, zart und ganz neutral.
Wenn er nur nicht endlich sagt, dann werfe ich ihn über
Bord. Dann mögen alle Gewitter dieser Welt kommen.
Er wollte «endlich» sagen, konnte aber mit ihrer Brust
im Mund kein Wort herausbringen.

68
«Zieh dich aus», sagte sie. «Jetzt, sofort. Ich befehle
es», setzte sie hinzu, aber es glückte ihr nicht, trotzdem
sie lächeln wollte, ihre klare Stimme dabei zu behalten.
«Du», sagte er, «ich will, daß du es machst, meine Ge-
liebte.»
Sie zogen sich gegenseitig aus.
«Herrgott, wie ich dich liebe», murmelte er.
Wenn sie ich auch sagt wie die Gänse in der Schule,
dann bringe ich sie um und hänge mich in der Steuer-
mannshütte auf.
«Schöner, junger, schöner, kleiner, netter, armer, muti-
ger, tüchtiger Robert. Es ist so schade um dein Boot.
Leg dich zu mir, dicht heran. Laß uns dem Meer lau-
schen. Laß uns wie zwei Kinder sein, die das Meer
schützt.»
Er steckte seine Nase in ihre Scheide und schnüffelte
wild.
«Nicht», schrie sie und zappelte.
Er sah auf, sah erstaunt auf ihren Mund und ihre Au-
gen über dem Venusberg, der Wölbungen des Bauchs
und den Brüsten. Sie hatte sich auf einen Ellbogen
gestützt. Sie mußte lachen, als sie sein junges, erstaun-
tes Gesicht in dem flackernden Licht der Kerze sah.
«Liebling», sagte sie beruhigend. «Ja. Das war schon
schön und gut. Aber das - wie sagt man -, das kam so
plötzlich. Übrigens hat nicht mal Edvard das jemals
auf die Art gemacht.»
«Ich habe das auf die Art auch noch nie gemacht»,
antwortete Robert halblaut, der Wahrheit entspre-
chend und gezwungen. Das hier, dachte er in seiner
spekulativen Phantasie, das hier war vielleicht das erste

69
Mal in der erotischen Geschichte der Welt, daß das
geschah ... natürlich aber nicht. Es wäre jedoch schön,
mit einem der erste zu sein. Aber macht man es richtig
mit dem anderen, so ist es doch jedesmal das erste Mal
in der Geschichte, daß es geschieht. Der junge Balzac
hatte auch eine erwachsene Geliebte. Das scheint sehr
entwickelnd zu sein. Noch so spät wie 1830 wurde ein
Luchs im Humlegärd geschossen. Ich könnte das er-
zählen, vielleicht.
«Mein Luchs», sagte er.
«War ich so schrecklich? Verzeih mir, du Lieber, Klei-
ner.»
«Du bist kleiner, du bist mein kleines Kaninchen. Ich
presse meine Nase an dich.»
Er schnüffelte über ihrer dichten, immer mehr duften-
den Öffnung, die sich in blitzschnellen Zuckungen
bewegte. Sie flüsterte etwas, murmelte etwas. Plötzlich
war eine aufpeitschende, schüttelnde Hitze in seinem
ganzen Körper, von innen heraus bis unter die Haut.
«Darf ich dich trinken? Ich bin ein Wanderer, der in
der Wüste durstig geworden ist.»
«Nein, das würde zu intim sein. Du, all das hier ist
wirklich schön.»
«Das kannst du laut sagen», antwortete er in Erinne-
rung einer Sprache, die er bereits überwunden hatte,
und im nächsten Moment hoffte er, daß sie es nicht
gehört hatte.
«Aber gleichzeitig ist das nicht sehr vernünftig, wie?
Sagst du das auch laut?»
«Aber du willst wohl immer noch?»
«Habe ich eine andere Wahl?»

70
Sie wirkte leicht anklagend. Ein gestrandeter Wal,
schoß es ihm durch den Kopf.
Er lachte, und sie zuckte zusammen. Er merkte, daß er
nicht aufhören konnte zu lachen, aber er mußte es so
freundlich, so lieb und so vertraulich wie nur möglich
klingen lassen.
«Nein, du hast keine andere Wahl. Das Schicksal hat es
so gewollt. Das Schicksal führte uns hierher, damit ich
mit dir kleine Kinder mache. Glaubst du an das
Schicksal?»
«Ich friere», murmelte die Frau, deren Körper er mit
seinem bedeckte.
Er strich mit beiden Händen über ihre Wangen, die
Seiten des Halses, die Schultern, die Brüste, den ge-
wölbten Bauch hinunter zu den Hüften. Ihre Haut war
glatt und trocken, weder warm noch kalt, gleichmäßig
gebräunt und heller an den Brüsten und der Scham.
Ihre Schenkel waren stark und muskulös unter seinen.
«Brich auf, meine Blume», flüsterte er, «öffne dich.»
Wäre er ein paar Jahre älter gewesen, hätte er kaum so
reden können.
Wäre sie verängstigter gewesen, unwilliger, gespannter,
hätte er das nicht sagen können. Da hätte die Stim-
mung ihn bereits gewarnt, daß sie böse werden würde,
wenn er literarisch würde.
Sie öffnete ihre Schenkel.
Sie begann seinen Rücken in langen, weichen Bewe-
gungen zu liebkosen. Zu Beginn halb gewohnheitsmä-
ßig, anonym, konventionell und dann mit einem ge-
schickten Hervorrufen von Wärme.

71
Er küßte sie, biß in ihre Unterlippe, küßte sie wieder,
bezwang mit seiner Zunge ihre.
«Mhm. Robert.»
«Eva...»
«Komm, mein Junge.»
Sie hob seine Hüften an und griff mit der einen Hand
nach seinem Glied. Er stand gebückt zwischen ihren
Beinen. Mit Daumen und Zeigefinger der anderen
Hand öffnete sie ihre Schamlippen und strich ein
paarmal mit der Seite des Daumens über ihre Klitoris
und half ihm dann hinein.
«Bleib bei mir. Bewege dich zuerst langsam. Dann
schneller, aber nicht zu schnell. Und nicht grob.
Komm in mich, sei in mir, ja, so ist das schön.» Er
kam gleich tief in sie, er lag hoch auf ihr und fühlte die
Reibung der Klitoris.
Sie umfaßte seinen Hintern.
«Mhm, du. Oh, ja, das ist schön. Mach es nun auch
schön für dich, ja?»
Sie lag unter ihm in einem Schwärm kleiner, wogender,
weicher Bewegungen. Sie war da mit einer Wärme und
Dichte, die ihn nach Luft schnappen ließ. Sie küßte ihn
lange. Ihre gespreizten Finger glitten über seinen Na-
cken, seine Schulterblätter zum Kreuz. Dann umfaßte
sie ihn härter, preßte ihn an sich, er fühlte ihre Brüste,
ihren langsam hastiger werdenden Atem, ihren schwa-
chen, säuerlichen Schweißgeruch. Sie hielt ihre Augen
halb geschlossen, es schien ihm, als wenn sie lächelte.
Sie hatte drei schmale Falten am linken Mundwinkel,
aber nur eine am rechten. Mit ihrer Zungenspitze fuhr
sie über die Falte unter seiner Unterlippe.

72
«Ist es schön für dich?»
Er konnte nur nicken als Antwort.
Seine Hände tasteten ihre Brüste, ihren Nacken, ihre
Schulter entlang. «Nur zart», flüsterte sie, «so, ja, genau
so. Denk nicht an mich. Es ist schön so.»
Er bewegte sich und hatte gleichzeitig das Gefühl, ge-
tragen zu werden. «Du, kleine Eva.»
Sie lächelte ihn still an, lächelte von weit her:
«Nur flüstern.»
«Ja...»
Da ballte sich in ihm alles zusammen. Der Sack wie ein
Muskelknoten, eine Faust, er keuchte, sie begann sich
hastiger unter ihm zu bewegen, unregelmäßig. Sie flüs-
terte ununterbrochen. Es verdichtete sich um ihn; ihre
Veränderungen.
«Komm nun, mein Geliebter.»
Ohne daß es ihm bewußt wurde, begann er härter zu
stoßen, wollte er tiefer herein. Er atmete jetzt heftig
wie beim Laufschritt.
«Geliebte, Geliebte», murmelte er.
Jetzt waren ihre Augen ganz geschlossen. Jetzt hielt sie
ihn hart und fest und in einem Griff ohne Liebkosun-
gen, ohne Zeit für Liebkosungen.
«Das ist schön», wiederholte sie mehrere Male. «Das
gefällt mir so. Einmal heute hatte ich Angst, daß du
dich auf mich stürzen könntest. Heute am Tage. Daß
du es mit Gewalt versuchen würdest. Ich ahnte ja, daß
du wolltest. Aber so ist das schön.»
«Eva, ich kann es nicht länger zurückhalten.»
«Halt nicht zurück, komm jetzt, ich komme auch. Ja!»

73
Und er klang aus in ihr, Stoß für Stoß. Er leerte sich in
ihr, er schluchzte, warf den Kopf hin und her, preßte
sich tiefer in sie, küßte sie überall im Gesicht, rief ihren
Namen. Bis alles vorbei war und er an ihre Schulter
sank:
«Eva...»
Sie lagen vollkommen still. Er auf ihr, in ihr. Dann
küßte sie ihn und machte sich behutsam von ihm los.
Sie trocknete seinen Schweiß und sein Sperma.
«Komm in meinen Arm. War es schön für dich? War
es schön mit einer erwachsenen Frau? Du hast es so
fein für mich gemacht, geliebtes kleines Pferd.»
Er lächelte und schluchzte und küßte sie, und seine
Lippen waren die trockensten im ganzen Küstengebiet.
Sie lagen und sprachen mehr als eine Stunde. Ab und
zu kam Regen in dichten, trommelnden Schauern. Sie
empfanden eine große Geborgenheit.
«Ich weiß ja, daß er kaum klarkommen würde ohne
mich», sagte sie von ihrem Mann. «Das weiß er auch
selbst.»
Die Vertraulichkeit wirkte erregend auf Robert:
«Aber Eva, weißt du, was ich so schätze an dir... Er
braucht dich, und du machst kein Aufhebens davon!
Du korrigierst ihn nicht vor anderen. Mama verbessert
Papa fast unaufhörlich, unterbricht ihn, wenn er
spricht, erzählt seine Geschichte zu Ende. Er schnauft
nur, wird immer finsterer und ist am Ende still wie ein
totes Haus.»
«Tja, das ist vielleicht ein bißchen gedankenlos. Aber
sonst ist deine Mama eine reizende Frau, sehr patent in
ihrer Art, finde ich.»

74
Robert sah verlegen aus.
Mit dem ruhigen Geschick einer erfahrenen Wirtin
brachte Eva Märtensson das Gespräch in eine andere
Bahn. Aber für sein Alter kann man recht vernünftig
mit ihm sprechen, dachte sie und fragte ihn, ob seine
Eltern ihm beim Bau von Star geholfen hätten; gerade
deshalb, weil sie wußte, daß er es so gut wie allein ge-
macht hatte.
Mit warmem Gesicht erzählte der Junge von seinem
Boot.
«Wir werden es sicher wiederfinden», sagte Eva und
wußte, daß es manchmal wichtig ist, «wir» zu sagen.
«Meinst du wirklich?» Er küßte sie beinahe dankbar.
«Ja, wir brauchen ja etwas, um die Post zu holen!»
Er wurde neugierig auf sie.
«Erzähl mir etwas Fröhliches und Heiteres», sagte die
Frau, mit der er gelegen hatte. «Erzähl mir eine lustige
Geschichte, wenn du kannst. Ich will fröhlich sein,
wenn ich mit dir zusammen bin.»
Wie nett sie ist. «Wenn ich kann, ja.»
Er dachte nach. Nein, ihm fiel nichts ein. Das letzte,
was er gehört hatte, konnte er natürlich nicht erzählen,
auch wenn sie so intim zusammen waren. Sie war ja
eine Dame.
Das war die von dem Grafen und dem Diener, der
eine sehr abgenützte Frau in das Schlafzimmer des
Grafen brachte, worauf der Graf ausrief: «Aber, Jean,
ich wollte für 10 Kronen Süßigkeiten haben!»
«Es gibt eine Geschichte, die ich auf englisch gelesen
habe. Aber ich bin noch nicht so sicher im Engli-
schen.»

75
«Erzähl sie schwedisch», sagte sie.
«Ich dachte auch. Ein Mann und ein Mädchen lagen
auf dem Sofa und hatten Geschlechtsverkehr. Da sagte
der Mann: Ich bin der erste Mann, mit dem du Um-
gang hattest? Das Mädchen sah ihn aufmerksam an
und sagte: Das ist möglich. Du kommst mir recht be-
kannt vor.»
«Nicht noch mehr Geschichten.»
«Wenn man ein Mädchen hinreichend lange küßt, ge-
steht sie, daß sie naß im Schlüpfer wird. Manchmal
beklagt sie sich. Jetzt hast du mich wieder so weit ge-
bracht, daß ich naß im Schlüpfer bin, sagt das Mäd-
chen. Nun kann ich ja kalt werden. Werden auch Da-
men naß in ihrem Schlüpfer?»
«Das passiert», sagte die Mutter seines Freundes, die
nackt an seiner Seite lag.
«Ich finde, daß du schöne Brüste hast», flüsterte er im
Dunkeln. «Ich habe sie schon immer so schön gefun-
den.»
«Hast du sie schon früher streicheln wollen?»
Sie fand, daß es dumm war, auf diese Art zu fragen,
aber gleichzeitig fühlte sie sich frei genug dazu.
Er freute sich, daß sie fragte. Dadurch hatte es den
Anschein, als wäre das Ganze auch etwas für sie, nicht
nur eine Situation, die man zu überleben versuchte,
indem man nachgab.
«Oft», antwortete Robert. «Vor allem in diesem Som-
mer. Ich hatte mir selbst versprochen, zu versuchen,
an sie heranzukommen. »
«Du bist unheimlich. Wie an sie heranzukommen?»
«Ich weiß nicht, sag selbst.»

76
«Zufällig, das wäre das einzig Vernünftige gewesen. Du
hättest sie aus purem Zufall berühren sollen, so, daß
du merktest, wie sie sich anfühlen, und so, daß ich
nicht mißtrauisch werden konnte.»
«Aber du hättest dir wohl auf jeden Fall dein Teil ge-
dacht?»
«Ja, mir ist ja manchmal aufgefallen, wie du mich an-
gucktest.»
«Hast du das wirklich gemerkt?»
Ich fühle mich immer noch ertappt, dachte er.
Nach dem hier dürfte ich nicht mehr nach Hause ge-
hen können, dachte sie. Warum sagt er nichts?
«Wir sind schon weg», sagte er leise. «Wir sind schon
geflogen. Wir sind in See gegangen mit dem Schären-
boot Heimlichkeit. »
«Das klingt ja gut», sagte sie kühl und drehte sich zur
Wand. Er drehte sie zurück und zog sie dichter an sich.
Obgleich ihre Müdigkeit und ihre Unlust, ihre Angst
und ihr Wille ihren Körper so schwer wie möglich
machten, zog er sie ohne Anstrengung an sich. Ihre
Furcht konnte ihm nicht widerstehen. Er küßte ihr
Halsgrübchen, wo sie, das hatte er gemerkt, besonders
empfindlich war. Sie merkte nicht, daß sie seufzte oder
daß sie ihre Augen geschlossen hatte.
«Sprich weiter», sagte er.
Ich sollte nicht, dachte sie. Aber sie sprach schon.
«Es hat mir gefallen, mit dir zusammenzusitzen und zu
sprechen. »
Aber jetzt liegen wir, dachte er ohne jede Bosheit.
«Vor einer Weile war ich in einer eigenartigen Stim-
mung, Robert. Weil ich nämlich seit langem geahnt

77
habe, daß das hier passieren würde. Aber du darfst
nicht denken, daß ich es wollte. Du darfst nicht den-
ken, daß ich oft daran gedacht habe. Vielleicht hin und
wieder.»
Das hatte er nicht erwartet.
«Und vor allen Dingen», fuhr sie fort, «du darfst nicht
denken, daß ich unglücklich verheiratet bin. Edvard ist
ein sehr feiner Mensch.»
«Ich will dich noch einmal. Knie dich hin.»
«Nein! Keine solche schrecklichen Barbareien! Das ist
ja wie bei den Tieren. Man soll sich so lieben, daß man
sich danach noch ansehen kann. Nein, das darfst du
auf keinen Fall! Hörst du nicht, was ich sage.»
Er hatte ihren einen Fuß über den anderen gelegt und
drehte sie so herum, wie er es bei Krankenschwestern
gesehen hatte. Sie rollte auf den Bauch, und nach einer
Weile erhob sie sich auf die Knie.
«Dann komm, vielleicht wird es schön.»
Jetzt war er ängstlich. Er hatte das vorher nicht emp-
funden. Die Angst, daß jemand kommen könnte. Die
Angst, daß er vielleicht nicht konnte. Die Angst, daß
sie sich ihm plötzlich verweigern könnte. Die Angst,
daß vielleicht doch jemand kommen könnte, obwohl
er keinen Laut außer den Wellen gehört hatte. Aber
vielleicht war man draußen trotz Regen und Nacht und
suchte sie, und jemand meinte, daß man auch das alte
Wrack da untersuchen müsse.
Die Frau stand ganz still.
«Wir haben viel Zeit», flüsterte sie.
Da konnte er.
«Au, nicht so schnell, nicht so hart.»

78
Er hielt ihre Hüften umfaßt.
Er hält mich, als wenn ich ihm gehörte.
Er preßte sie dicht an sich.
Der feste Druck ihres Hinterns ist Geborgenheit für
mich. Er bewegte sich langsam.
«O Robert, das ist so schön.»
«Geliebte, wie ich mich danach gesehnt habe.»
«Aber jetzt bist du da. Jetzt bist du in mir. Jetzt ist es
richtig, und du sollst in mir bleiben. Jetzt hast du das,
wonach du dich gesehnt hast.»
Alle, die sich vergeblich sehnen. Daß das wahr wurde!
Sein Mund war voll von Worten, dankbaren Worten,
erregten, erstaunten Worten, ein paar rohen Worten
und vielen, die wahrscheinlich sehr kindlich klingen
würden. Er glaubte die Zähne zusammenzubeißen, um
sie einzuschließen. Tatsächlich bediente er sie mit
halbgeöffneten Lippen, und sein stoßweise kommen-
der, reiner Atem blies über ihren Nacken. Sie liebte
diese Berührung.
Kann ich wirklich drinbleiben? dachte er. Aber sie sagt
es ja.
Die hellgoldige Sonnenbräune ging wie eine breite
Zunge bis zu ihrem Kreuz. Sie war gewohnt, sich in
einem Badeanzug, der hinten weit ausgeschnitten war,
zu sonnen. Sie wußte, daß sie einen schönen Rücken
hatte: weich, gerade, stark und lang, der Rücken einer
jungen Frau. Er berührte ihn, so zart er konnte, strich
mit beiden Händen darüber.
Er faßt mich an, als wäre ich ein Pferd. Er ist mein
Reiter.

79
Er streichelte sie mit den Fingerspitzen, ließ sie tanzen,
suchen, Muster zeichnen. Er empfand wannen Stolz
ohne Triumph, als sie unter ihm bebte wie der Wind.
Ich glaube, der Wind ist eine Frau. Er ist eine Frau, die
endlich will.
Rhythmisch umschloß sie ihn.
Dann begann sie ihren ganzen Unterleib zu bewegen.
Sie war sehr naß, und er hatte das Gefühl, daß sie lief,
daß sie lief wie ein Weinschlauch, der leckte. Er hatte
niemals einen Weinschlauch gesehen. Er riß sie an sich
mit leidenschaftlichem Griff. Er stieß hart in sie hin-
ein.
Sie schrie, einmal, zweimal. Er wollte, daß sie mehr
schreien sollte. Sie murmelte etwas Undeutliches, er-
starrte, war steif vor ihm, unter ihm:
«Oh, ich weiß nicht, es kommt und kommt, nein ...»
Er legte sich über sie, die eine Hand um ihre Brüste
und die andere unter ihren weichen Bauch haltend.
Er wollte nur so tief wie möglich hinein, er wollte sich
in ihr begraben.
Der nasse Laut bei seinen letzten Bewegungen.
Der Schweiß, der auf ihren Lenden glänzte.
Mein Pferd, meine Stute.
Ihr scharfer Geruch, der den Raum erfüllte, rein und
gleichsam süßer jetzt.
Ihr Haar hing über das Gesicht. Sie stützte sich auf
den rechten Ellbogen. Der Nacken leuchtete schmäler,
als er erwartet hatte.
«Jetzt, Eva!»
«Ja, komm in mich.»

80
Mit einer Bewegung, die er als schwindelnd schön
empfand, einer Geste des Schmerzes und des Sieges,
hob sie ihre linke Hand und zog seinen Nacken herun-
ter. Während er seinen Samen in die Grotte, die in
Freude und Leid einem anderen Mann, einem Erwach-
senen, angehörte, leerte, fuhren ihre Finger wie Wiesel
über seinen Hals.
Er mußte hinterher geschlafen haben.
Er erwachte, und nur ein paar Minuten später war ihre
Zunge in seinem Mund. Ihre Zunge war weich, süß,
zuckend und voller Speichel. Sie bewegte sich anders ...
woher hat sie ihre Erfahrungen ... Edvard ist wohl
nicht so anziehend ... ich will nicht an die beiden zu-
sammen denken.
«Bist du munter?»
«Und verliebt.»
«Dann ist alles gut. Gefällt es dir, wenn ich dich küs-
se?»
«Ich melde dich bei der Lotsenverwaltung an, wenn in
diesem Sommer ein einziger Tag vergeht, ohne daß du
mich küßt.»
«Wie küssen die jungen Mädchen heutzutage?»
«Die müssen noch viel lernen.»
«Gerade jetzt gefällt mir der Gedanke nicht sehr, daß
du es ihnen beibringen wirst.»
«Wenn die mit der Zunge küssen, ist es mechanisch
und verschüchtert und ein bißchen erschreckend, es ist
so, als wenn sie Ansprüche hätten. Die stecken einem
die Zunge wie einen Pfahl in den Mund, und besten-
falls fahren sie damit ein bißchen herum. Deine Zunge
ist viel weicher. Sie schnüffelt eigentlich. Sie huscht

81
umher zwischen Lippen und Gaumen, unter meiner
Zunge, an den Eckzähnen. Sie ist überall und weich
wie ein kleines Maul oder eine Hundenase. Und sie
duftet und schmeckt und erregt. Ich wußte nicht, daß
eine Zunge so weich sein kann.»
«Du machst mich stolz und verlegen.»
«Wie fühlst du dich?»
«So, als wenn ich fliegen könnte. Es ist lustig und na-
türlich, sehr natürlich, und ich fühle mich so erleich-
tert. Du müßtest dich eigentlich schwer fühlen. Ich
rede vielleicht jetzt Unsinn, aber ich bin noch ein biß-
chen durcheinander.»
«Ich bin aber schwer von allem, was du mir gegeben
hast. Wir sollten jetzt schlafen. Es ist schon tiefe
Nacht. Leg deine Hand zwischen meine Beine, und
dann schlafen wir.»
«Machen wir es morgen früh auch? Ich will mit einem
Finger in dir schlafen.»
«Wenn ich dir morgen früh gefalle, so machen wir es
dann auch. Wenn ich deine Begierde wecken kann.»
«Ich muß in deine Brüste beißen dürfen. Ich mache es
auch ganz vorsichtig.»
«Die sind empfindlich. Das ist das erste Mal seit vielen
Jahren. Es gefällt mir sehr, wenn du sie anfaßt, aber
manchmal bist du zu hart.»
«Wenn du nicht verheiratet wärst.»
«Still jetzt.»
«Und wenn ich ein bißchen älter wäre.»
«Wir sollten jetzt schlafen, Robert.»
«Aber ich sollte auf jeden Fall ...», murmelte er schon
halb schlafend.

82
Sie streckte die Hand aus und stopfte die Decke an
seiner Seite fest.
Kühlend strich sie den Schweiß von seiner Stirn. Klei-
ner Junge, dachte sie, kleiner Mann. Hoffentlich haben
wir nur keinen gekränkt.
Aber warum sollte ich es nicht sagen dürfen? Jetzt zu-
mindest, wo ich allein bin. Allein in der Nacht, dem
Regen und dem Sommer auf einem alten, merkwürdi-
gen Wrack sollte ich sagen dürfen, daß ich ihn liebe.
Küß mich von den Fußsohlen an aufwärts. Ich will
deinen dunklen Kopf zwischen meinen Beinen haben.
Ich will deine Zunge in mir spüren. Ich will dich ha-
ben. Ich will deinen Schwanz haben. Ich will es mit dir
treiben, oft. Ich will deine Hände an meinen Hüften
spüren. Ich will mit dir liegen, bei dir, um dich. Ich will
dich einhüllen. Ich liebe dich. Das darf ich wohl sagen?
Jetzt gerade, trotz allem?
Zweimal hörte man in der Nacht Gewitter. Und beide
Male erwachte sie, aber nicht er. Das zweite Mal kroch
sie dicht an ihn und schlief mit dem Gesicht in seiner
Achselhöhle wieder ein. Sie träumte von weißem und
blauem Flieder.
Er erwachte zuerst.
Die Morgendämmerung brach herein, Geschrei von
Seevögeln. Eine leichte Brise strich über die Seiten des
Schiffs.
Er wickelte sich aus den Decken und stand eine Weile
auf dem für alle Ewigkeit leicht feuchten Linoleum-
teppich des Achtersalons. Er stellte sich auf die Ze-
henspitzen und machte ein paar gymnastische Übun-
gen, um die Starre und die graue Morgenkühle aus sei-

83
nem Körper zu vertreiben. Er hatte gut geschlafen.
Herrgott, wie schön sie war. Am schönsten aber war
sie, wenn sie schrie vor Lust.
Er hob die Decke an und betrachtete sie lange. Nach-
dem er sie wieder zugedeckt hatte, schlich er fort,
machte seine Morgentoilette und ging anschließend,
immer noch nackt, zur Küche. Er setzte Teewasser
auf, nahm Zwieback und Kekse und für jeden eine
Tasse. Zuerst dachte er daran, auf der Brücke zu de-
cken. Aber sicher war in einer Stunde heller Sonnen-
schein - und es konnte jemand kommen. Er beschloß,
im Achtersalon zu decken.
Als er wieder zu ihr hereinkam, schlief sie immer noch.
Aber jetzt lag sie auf dem Bauch. Er hob noch einmal
die Decke hoch und sah, daß sie wach gewesen war,
denn sie hatte ihren weißen, weit ausgeschnittenen
Schlüpfer an.
Er weckte sie.
«Du bist unrasiert», sagte sie und strich über die ein
bißchen mehr als sonst flaumigen Wangen. «Ein biß-
chen unrasiert, gerade richtig. Hast du gut geschlafen?»
«Wie ein Klotz.»
«Wie schön. Wo sind meine Sachen? Ich muß aufste-
hen und mich zurechtmachen.»
«Du bekommst sie, wenn du dich zurechtgemacht
hast. Küß mich erst.»
Er strich über ihre Schenkel und Brüste, aber sie war
ganz passiv. Er zog ihr den Schlüpfer wieder aus. Sie
ließ es zu. Ihr Schweigen war ungerührt. Und unbe-
rührbar.

84
«Es ist zum Verrücktwerden, daß ich immer so früh
am Tage zu rauchen anfange. Willst du mir einen Ge-
fallen tun? Als mein Liebhaber einen Gefallen tun? Es
hat nichts mit meinen Kleidern zu tun, aber willst du
so nett sein und einen Moment hinausgehen? Du ver-
stehst, ich muß mich ein bißchen sammeln. Du kannst
ja nach deinem Boot sehen. Vielleicht hat es sich wie-
der eingefunden, vielleicht ist es gar nicht gestohlen
worden, sondern hatte sich bloß losgerissen, so wie es
briste!»
Als er auf die Back kam, sah er es. Es tauchte gerade
bei der Untiefenmarkierung auf, die zwei Strich falsch
lag. «Herrgott, mein Boot!»
Eva stand hinter ihm. Sie stieß einen Ruf der Freude
und Überraschung aus. Sie umarmte ihn:
«Robert, du mußt hinausschwimmen.»
Natürlich, dachte er, es ist ja, verflucht noch mal, mein
Boot. Außerdem kann man nicht sein ganzes Leben
auf einem Wrack wohnen. Oder kann man?
Er war übermütig: «Mein Boot!»
«Wie, wenn ich mich weigere, Star nachzuschwimmen?
Wenn wir uns entschließen würden, auf ihn zu pfeifen
und uns stattdessen hier häuslich niederlassen würden?
Auf einem Wrack wohnen. Möchtest du das? Stell dir
vor, wir bekämen Kinder. Kleine Wrackkinder, die so
früh schwimmen wie gehen lernen würden.»
«Du bist nicht gescheit. Ich habe mich schon ent-
schlossen», sagte sie und lächelte wie der Wind in den
Birken am Strand.
«Küß mich erst. Faß gierig um meinen Sack und küß
mich und werde ein bißchen naß.»

85
«So darfst du beinahe nicht reden!»
Sie küßte ihn. Er legte ihre Hand zurecht. Sie ließ sie
liegen. Sie bewegte einen Finger etwas. Er wurde
warm.
«Versprichst du, mit mir zu schlafen, wenn ich das
Boot hole?»
«Du willst wohl genauso gern nach Hause wie ich?»
«Versprichst du, mit mir zu schlafen?»
«Ja.»
Sie sah ihn lange an. Er wußte bereits da, daß er sie so
in Erinnerung behalten würde, vielleicht so lange er
lebte. Sie stand einen Meter entfernt. Sie war ein biß-
chen größer als er und war kräftig gewachsen. Sie trug
einen Regenmantel aus Kunststoff bis oben zuge-
knöpft, und nur er allein in der Welt wußte, daß sie
darunter nackt war. Die Südostbrise zauste in ihrem
noch schwarzen, dicklockigen und reichlich halblangen
Haar. Ihre Augen waren grau wie Rauch, und sie blin-
zelten ein wenig durch die Sonne. Die Treppe zur
Kommandobrücke fing links unten hinter ihrem Fuß-
gelenk an und endete rechts neben ihrer Schulter.
Würde er sie einen reichlichen Zentimeter zurückdrü-
cken, so würde sie mit dem Rücken an der Treppe leh-
nen, und küßte er sie dann, könnte sie sich nicht weh-
ren. Und er küßte sie. Sie lächelte noch während des
Kusses und hinterher. Sie hatte drei kleine Falten am
linken Mundwinkel, aber nur eine am rechten. Er wür-
de sich immer so an sie erinnern, mit der Sonne, dem
Duft des Wassers und der singenden Brise. (Für einen
Augenblick durchzuckte ihn eine Versuchung, eine
Spekulation, und es war wegen dieser Art zu träumen,

86
daß er später Schriftsteller wurde, die Versuchung hi-
nauszuschwimmen zu Star, an Bord zu klettern und
abzufahren, fort von Eva- genau auf den Horizont
zuzufahren.)
«Ja, Geliebter. Ich verspreche, dich zu lieben, sobald
du wieder da bist. Das ist des Siegers Lohn. Du sollst
Sieger sein. Ich verlange, daß du mich nimmst. Das ist
dein Recht. Ich werde dir die ganze Zeit, die du mit
den haushohen Wogen kämpfst, unverbrüchliche
Treue halten.»
Sie bückte sich, und der schwarze Regenmantel ra-
schelte und schlug Falten. Ihre großen, ruhigen Lippen
schlössen sich um seinen Schwanz, und sie saugte sehr
lange an ihm. Nach einer Weile begann sie zu murmeln
und ihn härter zu nehmen. Er keuchte.
«Aber nun beeile dich!»
Robert tauchte.
Ich werde sie nie erschrecken, aber sie soll nicht glau-
ben, daß ich von ihr lassen werde.
Sie wußte natürlich, daß sie keine Kinder mehr bekam.
Der Motor geht wie eine Uhr. Alter, guter Star, was
hast du in der Nacht angestellt?
Die Morgensonne schien blank wie eine Klinge. Sil-
bermöwe und Heringsmöwe waren zu hören. Eine
Turmschwalbe flog schräg über sie weg.
«Geliebte, mein kleines Pferd», sagte er mit ihren Wor-
ten. «Kleine, verrückte Knorpelkirsche, meine Apriko-
se», sagte er mit seinen eigenen Worten, «feige von dir,
Schlüpfer anzuziehen, während ich draußen auf dem
weiten Meer war.»

87
Er schob seine Hand zwischen das glatte Nylon und
ihren Bauch. Mit den Fingerspitzen spürte er ihr
Schamhaar. Sie machte eine unbestimmte Bewegung,
riß sich halb los und sah fort.
«Nein, Robert. Nicht doch. Jetzt nicht mehr.» Er kam
nicht auf den Gedanken zu sagen: aber du hast es mir
doch versprochen. Das wäre kindisch gewesen, und
das war er nicht mehr seit gestern nachmittag. Aber es
erstaunte ihn doch, als er sie lächeln sah und gleichzei-
tig ein paar vereinzelte Tränen in ihren langen, dichten
Wimpern, als er sich auf sie legte auf dem schwarzen
Regenmantel.

88
Annette Kullenberg

Peter Mänsson kommt nach Hause,


schafft ein beschwerliches
Problem aus der Welt und taucht
wieder unter
Es liegt ein Mann in einer Badewanne und betrachtet
sich zufrieden. Er hat einen Spiegel an die eine
Schmalseite der Wanne montiert, und wenn er den
Kopf zurückbeugt und singt «Ach, ich hab sie ja nur
auf die Schulter geküßt» (was er am meisten liebt),
kann er bis zu seinem Zäpfchen, einem kleinen roten
Kegel mitten im Schlund, in seinen Mund sehen. Er ist
ziemlich untersetzt gebaut und hat im Nacken recht
kurzes, beinahe stoppliges Haar. So wird er also nicht
besonders naß, wenn er auf diese Art den Kopf zu-
rücklegt.
Er ist ein recht kindlicher Mann, und er pflegt tatsäch-
lich manchmal zu spielen, daß er ein Seehund ist, und
dann wälzt er sich in der Wanne hin und her. Direkt
neben der Wanne ist jedoch ein Ablauf, wo das Was-
ser, das er herausplanscht, abfließen kann. Wenn er
Seehund ist, hat er die Wasserhähne voll geöffnet. Er
hat die fixe Idee, daß Seehunde das Wechseln des
Wassers sehr lieben. Allerdings hat er seinen Schnurr-
bart aus dem Frühling abrasiert, und so hat er keine
«Schnurrhaare» mehr, um das Wasser hindurchzusprü-
hen. Er spielt jetzt deshalb Seelöwe. Er hat darum
auch einen Kinderball mit in die Wanne genommen,

89
den er gegen den Spiegel prallen läßt und mit der Stirn
aufzufangen versucht.
Weil er ganz allein in der Wohnung ist, steht die Tür
zum Bad offen, und es kümmert ihn nicht, daß Wasser
in den Korridor spritzt. Zuletzt klopft er sich kräftig
ab und hört auf zu singen und Ball zu spielen. Er prus-
tet stattdessen und murmelt: «Ich bin nicht richtig. Hol
mich der Teufel, ich glaube, ich bin verrückt. »
Sagen wir, daß er Peter Mansson heißt, daß er einen
kleinen süßen Fettwanst hat, der unmittelbar unter
dem Nabel einsetzt, und daß seine ganze Brust behaart
ist. Das Haar wächst bis auf die Schultern hoch, und er
pflegt es manchmal mit einem kleinen rosa Babykamm
zu kämmen, den er einem seiner Kinder gemaust hat.
Weiter: gebräunte, muskulöse Arme, breite Finger.
«O Gott, was bin ich doch männlich», piepst Peter im
Falsett. Er steht vor dem Spiegel und rasiert sich.
«Und was würde ich in mich verliebt sein, wenn ich ein
Mädchen wäre.»
Er albert immer mit sich vor dem Spiegel. Er ist nicht
unbegabt. Es ist nur das, daß er behaart ist, gebräunt,
stark (oh!) und 38 Jahre alt oder vielleicht auch 40.
Er hat ein Bild von Phantom über sein Bett geklebt,
und er hat immer ein kleines Idolbild von Clark Gable
als jungem Mann mit sich, das er in einer alten Pastil-
lenschachtel fand, die er kaufte, als er sich einmal in
Smäland verfahren hatte.
Peter hat zwei Frauen, eine Frau, die wohl Anne-Marie
heißt, und eine Freundin, Betty. Er hat mit jeder der
beiden zwei Kinder und, Gott sei Dank, sie sind jetzt
auf dem Lande. Er hatte eine Bude für sie an einer

90
Landungsbrücke erwischt, gab ihnen ein bißchen Ta-
schengeld, telefonierte nach einem Lastauto und wurde
den ganzen Laden in zwei Stunden los.
«Den ganzen Laden, siehste», sagte Peter zu seinem
nächsten Bürochef Bill Persson, der sich scheiden läßt
und deshalb nicht zu Hause wohnen darf.
«Einfach adieu!»
«Ja, verflucht», sagt Bill. Er wagt nicht weiter zu fragen,
obgleich er sich ja manchmal gewundert hat, wenn
Peter nach Arbeitsschluß sagte: «Ja, jetzt sollte man
also nach Hause zu Betty, was sage ich, Anne-Marie
natürlich ...»
Bill ist mehr der graue Beamtentyp. Zunächst, wenn
man ihn kennenlernt, ist er nicht so lustig. Aber eigent-
lich hat er eine Menge Qualitäten.
Peter steht jetzt in einem der beiden Schlafzimmer des
Hauses und kramt wie ein Verrückter in dem Schrank-
fach nach seiner Sonnabendunterhose, auf der I love you
steht - in sechzehn Sprachen.
An den Sonnabenden soll man das Leben genießen,
und es passiert oft, daß Peter seine Hose aufknöpft
und seine Unterbüxe demonstriert, die mit kleinen
Herzen geschmückt ist.
Es ist passiert, daß er irgendein kleines Mädchen (18
Lenze) hat um sich herumtraben lassen, und sie mußte
lesen und lesen, bis er verrückt geworden ist und diese
Sonnabendhose heruntergezogen hat und dann da-
stand und das Mädchen bis zu Tode erschreckte.
Einmal hatte er eine Donna (Bibi) in einen Schrank
geschmissen und sich auf sie geworfen. Es lag da ein

91
alter Plastikumhang auf dem Boden, der beinahe an
ihrem Rücken kleben blieb.
Obgleich er jetzt die Sache bereut, falls er mal zufällig
daran denkt.
«Ich bin eigentlich nicht gewalttätig», sagte er dann.
«Aber das ist ja klar, alles hat seine Grenzen.»
Im Fach gibt es keine Sonnabendhosen, die liegen im
Plättschrank. Peter pfeift darauf, daß sie zerknautscht
sind.
In einigen Minuten ist er fertig. Er wirft die Tür hinter
sich zu und hat alles vergessen: Die Badebälle für die
Kinder, die Einkaufsliste, die Mückensalbe, die Flasche
mit Petroleum, die Antibabypillen für Betty und Anne-
Marie (wo er extra ein Taxi genommen hat, um sie in
der Kaffeepause unmittelbar vor der Konferenz beim
Generaldirektor zu holen).
Es ist ganz klar, er soll aufs Land. Er hat zwei Frauen.
Das sind seine, und mehr dazu braucht er nicht.
Manchmal macht er eine Kontrollrunde durch die
Schreib zentrale, um nachzusehen, welche neuen Ty-
pen die hereinbekommen haben. Peilt sozusagen die
Lage im Ganzen. Aber so oft wird das nicht mehr.
Er hat Betty und Anne-Marie. Er läuft halb zur Garage
hinunter und hält am Stadtausgang an einem Tabakge-
schäft. Unter anderem kauft er zehn kleine Kinder-
kämme.
«Man kann ja nie wissen», murmelt er mystisch. Aber
das ist nur sein übliches schlechtes Gewissen. Warum
kann er auch nicht die Sachen der Kleinen zufrieden-
lassen. Warum muß er immer alles klauen. Jetzt reicht
es auf jeden Fall für alle.

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Schon ehe er startet, hat er natürlich den ersten Kamm
ausgepackt, goldmeliert, und den Schopf im Rückspie-
gel in Ordnung gebracht.
«Man ist ja eigentlich zu verrückt», sagt er zufrieden
und 1 trommelt einen kleinen Wirbel auf dem Rad.
Und dann fährt er i so schnell, wie er nur kann.
An der Einfahrt steht «Talludden». Auf dem Rasen vor
dem Haus sitzen Anne-Marie und Betty und machen
Stachelbeeren sauber.
«Frage mich gerade, was er diesmal vergessen hat»,
sagte Anne-Marie, eine rundhüftige Volkswirtschaftle-
rin, so etwa 35 Jahre alt.
«Er hat Sonnenöl, Öl, Mehl, Milch, die Shorts für Jan
und Shampoo vergessen», sagt Betty, die einen Körper
wie ein Sofia-Mädchen hat, total durchtrainiert.
Die Stimmung Peter gegenüber ist nicht ganz positiv.
Er spürt das, als er auf den Hof fährt und sein Spezial-
signal tutet. Nicht ein einziger Mensch kommt mit of-
fenen Armen gelaufen.
Und er geht langsam um das Auto zum Kofferraum
und hebt einen Kasten Bier und eine Tüte mit
Schnapsflaschen heraus. Er wirft seine ewigen Bälle
heraus, die über das Gras und die Steine davonsprin-
gen.
Betty und Anne-Marie stehen auf dem oberen Balkon
und betrachten ihn.
Ein tiefer Seufzer läßt ihn hochsehen.
«Hier bin ich», sagt er.
Anne-Marie nimmt langsam eine Klammer von der
Wäscheleine und wirft sie ihm nach. Peter wirft sich in
das Gras, und beide Frauen bombardieren ihn. Er

93
merkt, wie ihn die meisten Klammern an Kopf und
Hals treffen.
Dann kommen ein paar Kinder und schreien: «Papa,
hast du die Shorts? Hast du das Badekissen mit? Wo
sind die Erdbeeren?»
Er zieht sich zum Auto zurück, erwischt die Tüte mit
den Kämmen und schüttet sie über die Kinder. Dann
flüchtet er ins Haus.
Spät am Abend, als die Kinder, außer einem, der mit
einem Freund im Zelt wohnt, in ihre Betten gekrochen
sind und nur ab und an ein Surren oder Säuseln in der
Natur zu hören ist, geht er in die Küche und stellt sich
hinter Anne-Marie, die am Herd steht und den A-
bendkaffee kocht. Er legt seine Hände auf ihre Hüften
und reibt sie an sich und leckt ein wenig ihr Genick.
Sie schmeckt nach Salz. Sie hat keinen BH an, und er
fängt an, ihren Rücken zu streicheln. Die ganze Zeit
hält er die Augen geschlossen. Sie wartet, bis alles
Wasser durch den Melittafilter gelaufen ist. Dann dreht
sie sich um und sieht ihn schwer an (wie er glaubt, es
aufzufassen). Ihr Mund ist halb geöffnet, und sie beugt
sich vor und beißt hart in sein linkes Ohr.
Er glaubt, daß vom Ohr nichts mehr übrig ist, und vor
Schreck fängt er an, auf einem Bein herumzuhüpfen.
Er hinkt in das große Zimmer und hält mit beiden
Händen das Ohr.
Bis Betty, die erste Verkäuferin ist, anfängt zu kichern.
Später kommt Anne-Marie mit dem Kaffeetablett und
sagt feierlich:
«Peter, wir müssen mit dir reden.»
«Betty», sagt Peter, «komm jetzt, du und ich, ja, du.»

94
Er bemerkt plötzlich, daß Betty ihn anstarrt, als wäre
er ein wildfremder Mensch.
«Wir sind dich nämlich müde», sagt Anne-Marie. «Wir
sind zu dem Schluß gekommen, daß du kein richtiger
Kerl bist. Du willst bloß haben und haben. Aber was
gibst du dafür? Du hast deine Angewohnheiten, und
wir haben uns danach gerichtet. Aber du kümmerst
dich nicht um uns. Wir sind in deinem Leben zu In-
ventarien geworden, und wir glauben nicht, daß du uns
noch liebst.»
«Lieben ist ein albernes Wort», sagt Betty. «Aber es ist
absolut etwas in der Art. Nichts weiter zu tun, als sich
fast jeden lieben Tag in der ganzen Woche hinzulegen.
Was hat man davon?»
«Potenz ist nicht dasselbe wie Männlichkeit», sagte
Anne-Marie und betont jeden Buchstaben.
«Ach, paßt es nicht, dann paßt es nicht», sagt Peter und
wirkt wie ein störrisches Kind. Er drückt das Bild von
Clark Gable, das er in der Tasche hat.
Dann gibt er sich einen Ruck:
«Nee, Mädchen, jetzt werden wir einen Cognac trin-
ken. Was sagtet ihr übrigens?» Er hinkt zum Schrank
hinüber (aber auf dem Wege dorthin sieht er ein, daß
es keinen Grund gibt, zu hinken, und so hört er sofort
auf). Er spürt ihre Blicke im Rücken, schraubt den
Verschluß der Flasche auf und gießt sich einen soliden
ein.
Betty steht auf, geht in die Küche und holt Gläser.
«Habt ihr ein paar Bücher gelesen oder so?» fragt Pe-
ter.
«Denk bloß, wir haben nicht», sagt Anne-Marie.

95
«Vielleicht haben wir dafür etwas im richtigen Leben
erlebt», sagt Betty.
Betty hat blondes langes Haar, das sie leider zu sehr
sprayt. Er hat versucht, sie davon abzubringen, aber im
Allgemeinen hat sie sich geweigert. Jetzt ist aber der
Spray zu Ende (und er hat ja vergessen, neuen mitzu-
bringen), und so hängt ihr Haar lang und gerade auf
die Schultern. Er starrt sie an und bekommt heftige
Schmerzen im Bauch.
Sie hat ein Frotteekleid mit Reißverschluß vorn in der
Mitte an. Er geht zu ihr und steckt den Zeigefinger in
den Ring des Reißverschlusses und bläst sie leicht an.
«Betty, du sollst ja erzählen», sagt Anne-Marie.
«Ja, das war so», sagt Betty. «Hier kamen zwei Kerle
her, einer, meine ich. Im Anfang war es einer, der den
Zähler in Ordnung bringen sollte oder was da nun war.
Es war ein kleiner Kerl mit langem dunklem Haar,
ungeschnitten, oder, Anne-Marie? Ja, und dann. Wir
luden ihn zu einem Bier ein und saßen und erzählten
ein bißchen. «Bald kommt unser Kerb,» sagten wir.
«Habt ihr bloß einen?» sagte er.
«Ja, das ist aber auch zu wenig“, sagte Anne-Marie.
Und wir lachten alle. Er nahm seine Pfeife heraus und
stopfte sie, und wir starrten ihn blöde an. Er stopfte
fünf Minuten an dieser Pfeife -und keiner von uns sag-
te ein Wort, hörst du, Peter, fünf Minuten. Dann ging
er einfach. Wir waren ganz ordentlich, ja, das waren
wir wirklich. Aber später vergaßen wir ja das Ganze
wegen der Kinder und so. Und außerdem wollten wir
die Fenster putzen. Am Abend kam er mit seinem
Bruder wieder. Ja, es war sein Bruder. Er war ein biß-

96
chen größer. Sie waren sich schrecklich ähnlich. Es
muß wahr gewesen sein, daß es sein Bruder war, ob-
gleich wir es anfangs nicht glauben wollten. Und wir
saßen und redeten und tranken Kaffee. Die hatten eine
halbe Flasche mit, und wir tranken und...
Ja, und dann gingen wir nach unter an den Strand und
badeten, und dann haben sie uns zum Haut getragen.
Gott, wenn die Kinder erwacht wären!
Dann legten sie uns auf das Doppelbett da oben und
montierten einen Spiegel davor. Beide waren so unra-
siert. Sie leckten uns die ganze Zeit, und das kratzte so,
oder, Anne-Marie? Und die wollten wissen, wer von
uns am saftigsten war. Die leckten uns bloß in sich.
Wir schrien die ganze Zeit, auf jeden Fall versuchten
wir es, aber die legten Kissen auf uns und lachten.
Dann tauschten sie. Wir wußten gar nichts. Die waren
sich ja so gleich. Ich glaube, ich hatte meistens den, der
Sixten hieß, den, der zuerst am Tage gekommen war.
Er hatte eine Taschenlampe mit und leuchtete in mich
und schmeckte eine Menge, und dann leuchtete er
wieder ein bißchen und hielt einen Spiegel hoch, einen
kleinen Taschenspiegel, und sagte, daß ich mich vorn-
über beugen sollte. Dann bekam ich allen Samen ins
Gesicht, und er fing an, mich einzuschmieren. Ich be-
kam es in die Nase und den Mund und wie eine Haut
über die Augen. Dann drehte er mich um, und ich
glaube, daß sie wieder tauschten, daß es der andere
war, wie hieß er doch gleich? Ja, doch, Svenne. Du
verstehst, was er machte, was. Er nahm einfach meine
Schinken mit seinen großen, klotzigen Händen und
drehte sie nach außen und preßte sich in mich. Ich

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schrie wahnsinnig. Das tat so weh. Er drehte sich in
mir und schob die Hände darunter rein und die Dau-
men in meine Weichen. Ich hörte nur, wie er grunzte
und grunzte. Dann wurden die Kinder munter, und ich
hörte Anne-Marie gellend schreien. Und da hörten sie
beide auf und sagten, daß wir die Kinder beruhigen
sollten. Gewiß hörten sie da auf, Anne-Marie.»
«Ja, sie hörten auf. Sixten sagte zu mir auf schonisch,
daß ich mich um das Mädchen kümmern sollte. Es war
Sixten, den ich da hatte. Er sagte zuerst, ich hätte keine
Taille, bis ich wütend wurde. Aber dann sagte er, daß
er mir eine Taille machen würde. Weißt du, was er
machte? Weißt du das? Er sagte, daß er es das nächste
Mal mit dir machen wolle und daß ich vorher nichts zu
dir pagen solle, sonst bekämst du bloß Angst.»
«Das nächste Mal», sagte Peter, und es klang sehr hei-
ser.
Er dachte fieberhaft dies und das. Ich bin ein moder-
ner Mensch, dachte er. Ich lebe mit zwei Frauen zu-
sammen. Die müssen natürlich das Recht haben, sich
ab und zu ein bißchen Abwechslung zu verschaffen.
Das Dümmste, was ich machen kann, ist mit ihnen
Streit anzufangen. Am besten ist, man tut so, als wenn
nichts passiert wäre. Sixten und Svenne, Elektriker, un-
tersetzt und mit Spiegeln und Taschenlampen ausge-
rüstet, verschaffen sich Zugang zu meinem Haus.
«Peter», sagte Anne-Marie sehr zart. «Wir finden, daß
du müde aussiehst. Leg dich auf den Fußboden, und
wir ziehen dich aus.»
Sie beugten sich über ihn und zogen ihm alles aus. Ü-
ber seine Sonnabendunterhose kicherten sie ein biß-

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chen aus Gewohnheit. Plötzlich kam er sich so albern
vor. Er ertappte sich bei Gedanken wie: Ich bin im-
merhin Bürochef, und das sind ja gebildete Frauen.
Dann wurde er plötzlich erregt, beinahe ohnmächtig,
und streckte die Arme nach ihnen aus. Er murmelte:
«Betty, Anne-Marie.» Er schloß die Augen und war so
heiß, daß er keuchte.
Als er aufsah, waren sie weg. Er hörte ein leichtes Tap-
sen auf der Treppe, eine Tür, die zugeschlagen und
verriegelt wurde. Und er stürzte nach oben und schrie:
«Was wollt ihr, was wollt ihr? Huren, Luder, verfluchte
Weiber.»
Sie steckten einen Zettel unter der Tür durch, und er
machte in der Halle Licht und las: «Sei still. Wir wuß-
ten, daß Du entsprechend der üblichen Ordnung brül-
len würdest. Wir haben nicht die Absicht, länger auf
diese Art mit Dir zu verkehren, falls Du nicht anfängst,
uns als Individuen zu behandeln. Wir fordern Zärt-
lichkeit und Rücksicht. Wir sind es müde, als eine Art
Beweis Deiner Männlichkeit zu fungieren, damit Du
zur Arbeit gehen und jeden Tag vor Deinen Kollegen
angeben kannst. Du bist nicht der beste Liebhaber der
Welt, wie wir bislang glaubten, denn das sind Sixten
und Svenne. Und mit denen kann man auch reden. Die
reden nämlich mit uns. Sogar auch hinterher. Und
dann machen sie sich was aus den Kindern. Und nicht
ein einziges Mal haben sie vergessen, etwas mitzubrin-
gen, worum wir sie gebeten hatten. Wo hast Du die
Antibabypillen? Denn die liegen sicher auf dem Kü-
chentisch in der Stadt, was? Und unsere sind alle. So
ist es also nichts damit. Schlaf gut!»

99
Peter nahm die Angelrute, die in der Halle stand, und
ging zum Steg hinunter und setzte sich aufs äußerste
Ende. Er hatte keine Würmer und keine Brotkugeln,
aber das machte nichts. Er warf die Leine aus und
starrte hinaus in die Sommernacht.
«Jetzt bin ich impotent geworden», sagte er laut zu den
Fischen, die in der Bucht sprangen.
Dann ging er zum Haus hoch und legte sich ins Gäste-
zimmer; ein lächerlich schmales Bett, ein rosa Plastik-
topf auf einem Regal, ein Mückennetz, aber kein
Kopfkissen.
Mitten in der Nacht hörte er Lärm und torkelte die
Treppe herunter. Er stellte sich ans Fenster und sah sie
herauskommen. Anne-Marie trug ein brennendes
Licht. Sie liefen über den Rasen und setzten sich hin-
ten an das Nadelgehölz. Er sah undeutlich ihre Kör-
per. Sie saßen dort wie zwei kleine Frösche und pinkel-
ten. Die Nachthemden waren hochgezogen und wur-
den so zu gebauschten Flügeln. Anne-Marie verlor das
Licht, und sie fingen an zu kichern und erhoben sich.
Sie schüttelten sich ein bißchen, liefen zum Haus zu-
rück und stolperten auf der Treppe, wie er hören
konnte.
Am nächsten Morgen sagte Jan natürlich:
«Was ist mit Papa los?»
«Wir glauben, er ist impotent geworden», sagte Anne-
Marie.
«Impotent», sagte Kajsa, viereinhalb Jahre alt.
«Miauuu», sagte Peter. «Ich bin eine Miezekatze ge-
worden.»

100
Er hatte sich nicht rasiert, aber aus dem Zahnputzglas
einen großen Cognac getrunken. Seine Augen waren
rosablau.
Er wurde sofort mit Janne und Anna raus ins Boot
gejagt, um zu angeln. («Du kümmerst dich ja nie um
deine Kinder von eigenem Fleisch und Blut», fauchten
die Frauen vom Ufer.)
Er saß achtern und träumte und versuchte, sich zu-
sammenzunehmen und die Frauen auseinanderzuhal-
ten: Betty ist blond, wippt in den Knien, die linke
Brust ist etwas größer als die rechte, liebt Wildwestfil-
me, ist pedantisch. Anne-Marie, kleine
Nase, kräftige Beine, weißer Nagellack, quatscht immer
davon, daß man nach Italien fahren sollte.
Wie oft habe ich Betty Anne-Marie und umgekehrt
genannt, dachte er. Aber im Dunkeln. Was meckern
die eigentlich?
In seinem Innersten wußte er, daß etwas falsch war.
Die Liebe zwischen ihnen war zu unpersönlich gewor-
den. Ob er vielleicht eine Weile von zu Hause wegzie-
hen sollte, daß sie wieder nach ihm Sehnsucht beka-
men? Wie früher ... wo sie sich beinahe schlugen um...
Dann schlief er ein und träumte nichts. Keinen einzi-
gen symbolischen Traum über sein Leben hatte er. Es
war bloß ein gewöhnliches kleines Nickerchen auf dem
Achterducht an einem Sonntag.
«Papa ist dick, Papa ist dick», sagte Anna und kniff ihn.
«Was ist das Leben?» sagte Peter. «Wonach strebt man?
Was will man mit sich selbst? Was erreicht man? Wa-
rum können die Menschen nicht Frieden halten und
sich lieben?»

101
Aber es war hoffnungslos. Nach dem Mittagessen sag-
ten sie: «Wir machen einen kleinen Spaziergang. Du
paßt wohl auf die Kinder auf, was...»
Er saß im Haus und brütete. Zuletzt machte er einen
Gang zum Zähler und stand davor, starrte auf das
kleine Rad, das Umdrehung nach Umdrehung machte.
Zuletzt schaltete er den Strom ab.
«Ich halte es nicht aus», sagte er und setzte sich in den
Schaukelstuhl. Er fühlte sich mehr als je pensioniert.
Er hörte nicht, wann sie kamen. Aber als sie die
Schlafzimmertür zuschlugen, fuhr er hoch und jagte
die Treppe hinauf. Es begann zu dämmern, und er
fühlte, wie das Weinen vom Bauch hochstieg. Ver-
flucht noch mal.
«Betty», sagte er und jammerte ein bißchen versuchs-
weise. «Anne-Marie, Geliebte, darf ich hineinkommen
und ... schlafen!» schrie er plötzlich. «Ihr gehört ja mir.
Denkt daran, was wir alles zusammen gehabt haben.
Ich werde anfangen, euch auseinanderzuhalten. Ich
schwöre, daß...»
Dann kam wieder so ein verfluchter weißer Zettel un-
ter der Tür hervor geglitten: «Hau bloß ab!»
Er setzte sich an den Küchentisch und fing an, aus den
Blaubeerkörben der Kinder zu essen und sich so zu
bedauern, daß er zu frieren anfing. Er machte sich auf
die Socken und ging zum Zähler und schaltete den
Strom wieder ein. Er bekam einen Heizkörper in
Gang. Dann nahm er einen Bleistift und strich das
«Hau bloß ab!» aus und schrieb mühsam mit der Hand
(er, der es gewohnt war, in ein Diktaphon zu brab-
beln):

102
§ 1. O. k. Ich verstehe so ungefähr, was ihr meint.
§ 2. Ich gebe zu, daß ihr recht habt. Ihr habt es gele-
gentlich wohl nicht zu feierlich gehabt. Man ist natür-
lich wohl zu vermessen gewesen. Aber es ist nicht so
leicht, sich gegen die materialistischen Reklamedrives
der modernen Gesellschaft zu wehren. Ich glaube, ich
habe immer versucht, so männlich wie möglich zu
sein.
§ 3. Offenkundig ist das nicht genug gewesen, und ich
werde aus diesem Grund versuchen, eine Änderung
herbeizuführen. Ich werde mich selbst einer Prüfung
unterziehen.
§ 4. Können wir b. a. w. so weitermachen wie bisher?
Kann ohne euch nicht leben!
§ 5. Hatte vor, über alles mögliche zu reden. Fahre
gern auf eine Kulturreise nach Italien, wenn das z. B.
jemand will.
§ 6. Kommt heraus, denn ich durste in meiner Ein-
samkeit.
Euer Freund Peter.

Er schob das Papier unter ihrer Tür hindurch und hör-


te etwas schleichen und flüstern. Dann ging er nach
unten und öffnete die Tür des Kühlschranks. Er setzte
sich auf den Boden davor und versuchte, wenigstens
das Genick in den Kühlschrank zu bekommen in dem
wilden Wunsch, sich abzukühlen. Da saß er wie ein
magisch angestrahlter Buddha und wartete darauf, daß
sein Leben sich wieder ordnen sollte.

103
Sie kamen so allmählich. Er konnte sie hören, wie sie
die Treppe herunterstolperten, etwas hinter sich her
ziehend, das bumste.
Und er dachte einen Augenblick an Christoffer Robin
und Nalle. Er sah nicht in das große Zimmer, aber er
hörte, daß sie da drinnen beschäftigt waren. Nach ei-
ner Weile wurde es still.
Mit einem Ruck erhob er sich und schlug die Kühl-
schranktür zu. Das ganze Haus war auf einen Schlag
kohlschwarz.
Sie lagen dort, jede auf ihrer aufgeblasenen Gummi-
matratze. Betty auf dem Rücken und Anne-Marie auf
dem Bauch.
Der perfekte Beischlaf findet in Kürze statt, dachte er.
Aber erst macht man zweckmäßigerweise einige Auf-
lockerungsübungen. Er stellte sich zwischen die Mat-
ratzen und fing an zu flüstern, daß er solche Angst
gehabt hätte, daß sie vielleicht doch eine Chance hät-
ten, daß er danach Sehnsucht hatte, sie zu haben, und
daß er alles machen könnte, um ...
Sie hoben ihre Arme und begannen, seine Beine zu
liebkosen. Er spürte, wie sich ihre Nägel in seine
Kniekehlen gruben.
«Mmmm», sagte er und setzte sich nieder. Sie fingen
an, ihn zu beißen und ein ganz klein wenig zu kratzen.
Jeder der beiden nahm ihre Seite, und es glückte ihm,
ganz still sitzenzubleiben. Wie, zur Hölle, soll ich sie
nur auseinanderhalten können, dachte er weit hinten
im Kopf und beugte sich zu einem großen weißen
Bauch herunter und leckte ihn wie ein junges Kätz-
chen. Eine der beiden setzte sich auf sein Genick, und

104
er merkte, wie er tiefer und tiefer auf den Bauch ge-
drückt wurde, in einen tiefen Schlund abglitt. Er spürte
jenen süß-scharfen Geruch und merkte, wie er am
ganzen Hals ein bißchen naß-schleimig wurde. Gleich-
zeitig wurde er so recht geil.
«Mmmmmh», sagte er und bekam mehr und mehr
Speichel in den Mund. Er hielt den großen Bauch (Bet-
tys, was?) umfaßt und strich ihre Weichen.
Ich muß es ruhig nehmen, es muß lange, lange reichen
(dachte er vermutlich). Es gelang ihm, sich zu erheben,
und die Frau auf seinem Genick glitt von ihm ab. Er
setzte sich auf, und Anne-Marie kam auf seine Knie.
Er grub in ihr mit der einen Hand und dann in Betty
mit der anderen, bis Anne-Marie sich oben auf ihn
setzte. Er glitt in sie und fing versuchsweise ein biß-
chen zu wimmern an. Zuletzt legte sie sich hintenüber,
und Betty setzte sich auf die beiden. Er erwischte sie
und zog sie weiter nach oben und saugte in ihr weiter.
So allmählich kamen sie in einen langsamen, beinahe
betäubenden Rhythmus. Sie wiegten sich vor und zu-
rück und dachten alle an ihre Kindheit und an vergan-
gene Zeiten. Dann aalten sich die Frauen von ihm
weg, und er legte sich mit dem Kopf in jemandens
Knie, und sie tauchten alle ihre Brüste in seinen Mund.
Er wurde so durstig. Zuletzt bekam er ein bißchen
abgestandenes Sodawasser. Sie küßten ihn die ganze
Zeit, und er spritzte Wasser in ihre Ohren, und er
klapste auf ihre runden Hintern (dann dachte er ver-
wirrt: wer ist wer?).
Jemand bugsierte ihn auf die Gummimatratze. Er lag
auf dem Rücken und blinzelte in die Deckenlampe.

105
«Jetzt», sagte Betty-Anne-Marie. Sie legten ihre Köpfe
an seine Füße und bissen ihn, dann leckten sie ein biß-
chen an seinen Beinen, und er breitete sich aus. Sie
bissen ihn ganz zart in die Innenseiten der Schenkel
und nahmen jede ihre Seite des Sacks und schnappten
mit den Lippen danach. Er dachte die ganze Zeit: Ich
träume. Sie knieten hinter ihm, und er schob sie etwas
nach oben und starrte direkt in ihre weit offenen Ge-
schlechter. Dann schloß er die Augen und atmete und
atmete und sog ihren Duft ein. Er durchströmte ihn,
und er begann laut zu stöhnen. Sie wechselten sich ab,
daran zu saugen, sehr schnell. Er verschwand in ihren
Kehlen und war einmal draußen in der frischen Luft
und dann wieder drinnen wie in einem Brunnen. Die
ganze Zeit spürte er, daß eine der beiden ein bißchen
am Sack leckte. Er fühlte sich wie ein phantastischer
Liebhaber, der so lange wie auch immer warten konn-
te. Er steckte seine Finger in sie und rührte in ihnen
hin und her. Ab und an senkte sich eine der beiden
über seinen Mund, und er leckte vorsichtig darin, daß
sie zitterten. Er strich mit den Händen über sie, und
die Haut auf ihren Schenkeln zog sich zusammen. Er
bekam kleine Haare in den Mund, an denen er saugte.
«Oooooh», sagte er.
«Noch nicht», sagten sie, eine der beiden. «Bald», sag-
ten sie, irgendeine. So langsam spürte er, daß sie im
Kommen waren. Betty wurde trocken, ganz heiß, und
er hörte, wie sie sagte: «Langsam, langsam», und er
drückte ein bißchen mit dem Daumen in sie, bloß
leicht (wie er sich erinnerte). Dann glitt sie auf seinen
Bauch herunter und setzte sich auf ihn.

106
Er fing an zu lachen, denn er kam auf die Idee, daß sie
eine Art Reihenfolge vereinbart haben mußten. Er vib-
rierte in ihr. Es schmerzte ein wenig, denn sie war so
trocken. Sie saß umgekehrt, und er sah nur ihre großen
weißen Schinken.
Ich fange an zu schielen, dachte er und fing hysterisch
an zu kichern. Und da schrie sie «Iiih» wie ein Wasser-
kessel, der überkocht, und fiel vornüber.
So konnte er endlich Anne-Marie mit sich in die Kü-
che hinaus nehmen und sie auf den Abwaschtisch hie-
ven und sein altes, gewöhnliches eins-zwei-drei schrei-
en (aus der Zeit, wo er Weitspringer war und Distrikt-
meister und sich selbst mit frohen Kampfrufen anfeu-
erte). Sie saß auf der rostfreien Platte, und er hatte den
einen Fuß durch den Handgriff des Backofens gefä-
delt. So kam er tief in sie.
«Peter», sagte sie. «Nie mehr.»
«Immer, du», sagte er.
Er drehte am Hahn und spülte sie mit lauwarmem
Wasser ab. Er hielt die ganze Zeit die eine Hand über
ihren Mund, daß sie nicht schreien sollte (so, daß man
es hören konnte). Dann setzte er die Fäuste in ihre
Taille und drehte sich in sie wie eine kleine Schlange.
Ab und an nahm er ihn heraus und goß etwas Wasser
darüber. Sie stützte sich mit dem Rücken am Gewürz-
regal.
Dann bekamen sie beide zugleich den Orgasmus und
lebten glücklich ihr ganzes Leben, dachte er.
Und den bekamen sie. Dann lagen sie wie zwei tote
Heringe da, die jemand auf der Korkmatte verloren
hatte, und starrten sich mit leeren Augen an, bis Betty

107
zu neuem Leben erwachte und zwischen den Stäb-
chenstühlen angehüpft kam.
«Auf ihn, wieder», schrie sie, und endlich fuhr er hoch,
kam auf die Füße, stolperte über Annas Schildkröte,
die endlich im Zentrum des Geschehens angekommen
war, und mit dem Bruchteil einer Sekunde Vorsprung
gelang es ihm, zur Tür hinauszukommen.
«Hilfe!» schrie er, daß es zum bleichen Mond hoch-
schallte, der jetzt am zeitigen Morgen dabei war, sich
zurückzuziehen. «Hilfe, sie sind hinter mir her.»
Er setzte Kurs auf den Strand und klatschte nackt in
die See mit den Mädchen auf den Fersen. Ihre Brüste
wippten hoch und runter wie seine Sommerbälle.
Auf dem Steg saß Janne, der mit seinem Kumpel aus
dem Zelt hierhergekommen war, um in aller Ruhe zu
fischen.
«Papa, du erschreckst die Fische», schrie er und ballte
die Fäuste.
Aber da war Peter schon ins Wasser getaucht und war
dabei, ins Meer hinauszukraulen, gefolgt von Betty und
Anne-Marie im Bruststil in würdigem Takt. Sie schau-
kelten hoch und runter wie zwei verirrte Galionsfigu-
ren. Bald verloren sie ihn aus der Sicht.
Als er bis hinter Perssons große weiße Boje gekommen
war, fing er an, sich zu wälzen, zu wälzen.
Ich bin ein Seehund, dachte er. Ein glücklicher, befrie-
digter Seehund. Er tauchte unter und versuchte, sich
ein bißchen tiefer Freunde zu verschaffen.
Ich frage mich, ob die eigentlich so verflucht individu-
ell sind, Betty und Anne-Marie, dachte er. Nach acht
Jahren mit mir, nach all der Anpassung, die sie ge-

108
zwungen waren, zu durchgehen, damit alles wirklich
funktionieren konnte. Es ist wohl so, daß sie die Idee
bekommen haben, daß sie so verflucht persönlich sind.
Aber man versucht natürlich mitzumachen, man
nimmt Rücksicht. Und so nimmt man...
Aber dann reichte die Luft nicht weiter. Er sauste nach
oben an die frische Luft und sah seine Frauen in weiter
Ferne schaukeln.
Er winkte ihnen lässig zu, ehe er sich auf den Rücken
legte und das Wasser ausblies.
«Das war auf jeden Fall vielleicht nicht so dumm mit
Sixten und Svenne. Das brachte ja ein bißchen Extra-
fahrt in die Mädchen», sagte er.
Dann machte er einen neuen Schlag und tauchte wie-
der in den Wogen unter.
Im Herbst läßt man sich wohl am besten einen Bart
wachsen, sonst wäre man ja dumm, dachte er und lä-
chelte verschmitzt, bevor er nach unten zum Meeres-
boden verschwand auf dem Weg zu neuen Abenteu-
ern.

109
Bernt Rosengren

Um der guten Sache willen


Vier Hände, die ihre nackte, heiße Haut überall lieb-
kosten, vier Hände, die immer kühler werden, und sie
selbst, sich immer herrlicher ausgeliefert fühlend; sie
schließt die Augen und geht leicht in die Brücke, den
Liebkosungen entgegenkommend. Sie schließt die Au-
gen wegen der Sonne und weil sie nicht recht un-
terscheiden will, wer welches tut; jetzt ist es er, der
ihren Mund küßt, und sie antwortet mit eifriger Zun-
genspitze, konzentriert sich auf den Kuß, klammert
sich fest in einem erregenden langen und unbändigen
Kuß, während eine von den vier Händen wieder bei
ihrer Spalte angelangt ist, und diesmal verweilt die
Hand, und zwei Finger, drei Finger gleiten hinein, und
sie windet sich und zuckt im Rhythmus der Finger, die
in ihrer nassen, weitgeöffneten Grotte aus- und einfah-
ren.
Die elektrische Schreibmaschine hämmert, röchelt,
rasselt und klappert eifrig. Maritas Finger fliegen über
die Tasten. Es gibt viel zu tun heute. Der freie Sonn-
abend wird mit Freitagshetzerei bezahlt. Die Nerven
werden vom Radau der Schreibmaschinen, schrillen
Telefonzeichen, dem bösen Brummen der Suchanlage
gepeinigt. Aber morgen fängt ihr Urlaub an.
«Marita?»
«Mm.»
«Wo zum Teufel ist das Angebot von Nilsson &
Svensson?»

110
«Was? Hier. Bitte.»
«Vielen Dank, kleine Marita. Auf dich könnte ich eines
schönen Tages noch scharf werden.»
«Still.»
Sven Skyndare überfliegt die Offerten, steht hastig auf
und eilt aus dem Zimmer, um den Preis mit Herrn
Larsson, drei Räume weiter, zu diskutieren. A coming
man, dieser Sven: energisch, zuverlässig, schnell, kor-
rekt, proper, repräsentabel, sprachenkundig, geschäfts-
tüchtig, intelligent, aufgeweckt, vertraueneinflößend,
verantwortungsbewußt usw. In erster Linie versteht er
es, stets den Eindruck zu erwecken, als wenn in ihm
furchtbar viel stecke. Mit anderen Worten: er ist ein
tüchtiger kleiner Karrieremacher. Er war auch in der
SSU, sozialdemokratischen Jugendorganisation. Aber
das ist schon einige Jahre her. Er betrachtet es als ver-
jährt. Jetzt nennt er sich voll Stolz einen «politischen
Idioten».
Marita ist auch in der SSU. Ihr Vater ist Bauarbeiter
und besitzt einen Volvo Amazon und ein Sommerhaus
auf Singö in Roslagen. Als Sven das Zimmer verlassen
hat, benutzt Marita die Gelegenheit, ein schnelles
Make-up zu machen. Der Lippenstift huscht über die
Lippen, ein Kamm kämpft sich hartnäckig und erfolg-
reich durch das Haar - noch einige auflockernde, magi-
sche Bewegungen mit den Händen, und das blonde,
glatte Haar schwebt wie Seegras um ihre Schultern,
sunsilk.
Im Zimmer nebenan thront Dyckert, Chef der Abtei-
lung Nagel & Schraube. Er ist Mitglied der Konserva-
tiven Partei und schon mehrmals in Medborgaren inter-

111
viewt worden, ein langer, breitschultriger Kerl in den
Vierzigern. Er ist Norrlänning und spricht auf eine
energisch langsame oder langsam energische Art; eine
tüchtige Kraft, die in kurzer Zeit zu diesem bedeu-
tungsvollen Posten aufgerückt ist. Eben beendet er ein
Telefongespräch mit London. Er lehnt sich im Stuhl
zurück und zündet sich vergnüglich ein Zigarillo der
Marke Rillo an. Es ging um ein großes Geschäft, und
die Sache scheint in Gang zu kommen. Da hat er Di-
rektor Johne etwas zu berichten. Er wird sehr zufrie-
den sein. Abteilungsleiter Dyckert fühlt sich auch da-
durch zufrieden gestellt, daß seine Tür halb offensteht.
Das bedeutet, daß sein perfektes Englisch von einer
gewissen entzückenden Marita Andersson, 17 oder 18,
und Herrn Skyndare, 23, gehört worden ist.
«Fräulein Andersson!»
«Ja.»
«Wollen Sie bitte einen Augenblick hereinkommen.»
«Moment.»
Marita klappert die letzten Worte im Brief: Hochach-
tungsvoll, Johne & Jones AB. Dann langt sie nach dem
Stenoblock und trippelt los, zieht ein paarmal an dem
ganz Kurzen, um es vielleicht ein paar Zentimeter län-
ger zu bekommen, aber vergebens.
«Diesen Brief an Johnson & Co müssen Sie aber än-
dern, kleines Fräulein. Die schreiben sich nämlich
nicht mit zwei s.»
«Ja, natürlich nicht. Ich werde es ändern.»
«Und dann, meine Süße», sagt Dyckert und lächelt so
charmant, wie er kann, und er kann es gar nicht so
schlecht, «könnte ich ein altes Angebot brauchen, und

112
zwar vom 16. August 1956. Es muß oben im Archiv
sein. Aber es wird wohl leider irgendwo unten in einer
Schublade liegen. Es ist ja schon ziemlich lange her.
Ich glaube, daß alles zusammen von vor 1950 in die
Schubladen gestopft worden ist. Aber ich brauche es,
leider.»
«Ja», sagt Marita und bekommt einen leichten Klaps
auf den Hintern, als sie sich anschickt zu gehen.
«Dann bringen Sie das also in Ordnung, Fräulein An-
dersson?»
«Aber sicher.»
Dyckert starrt ihr nach wie verhext, als sie geht, regist-
riert ihre unerhört frechen Hüftschwenkungen.
Marita schließt die Tür mit einem gewissen Nach-
druck. An und für sich hat sie nichts gegen diesen
Klaps. Aberweiche Freiheiten! Kapitalistenschwanz,
denkt sie, dieser Knilch soll sich bloß nichts einbilden.
«Ach, Svenne, ich weiß nicht, wie ich es heute schaffen
soll.»
«Immer schön ruhig, Marita. Es ist ja erst halb zwei.»
«Das nützt mir gar nichts. Ich habe Millionen von
Dingen zu erledigen.»
Und warm ist es heute, ganz verteufelt warm, trotzdem
die Fenster offenstehen. An diesem sonnigen Junitag
wird ihr Idol, Tage Erlander, 65 Jahre alt, der Gold-
junge. Das Telefon klingelt, und Sven nimmt den Hö-
rer ab. Er nimmt eine Bestellung für mehrere Millio-
nen Nägel verschiedener Sorte und Größe entgegen.
Aber es soll noch heute geliefert werden! Sven schreibt
schnell einen Begleitschein und läuft hinunter ins La-
ger. Marita tippt energisch, verschreibt sich, radiert,

113
verschreibt sich noch mal, radiert hastig, verschreibt
sich wieder, schmeißt das Papier weg, setzt einen neu-
en Bogen ein, beruhigt sich und fängt den ganzen Brief
noch mal von vorne an. Die Zeit schleicht langsam
und doch viel zu schnell dahin.
Welch munteres Geklapper! In welcher Hast die fleißi-
gen Finger über die Tasten eilen!
Sven Skyndare kommt angekeucht.
«Puh! Das wäre getan. Wie steht's, Marita, ist es bei dir
gegangen?»
«Es ist bald zum Verzweifeln.»
«Dann sollten wir eine kleine Ruhepause machen»,
schlägt Sven vor und bietet ihr eine Zigarette an.
«Danke.»
Er beugt sich vor und gibt ihr Feuer, betrachtet mit
offenbarem Wohlwollen, wie sich ihr rotes, kurzes
Kleid ein Stück nach oben geschoben hat. Wäre auf-
munternd, seine Hand da wandern zu lassen. Ich frage
mich, was sie sagen würde, wenn ich ganz einfach an
ihre Semmel faßte.
«Strumpfhosen?» fragt er.
«Natürlich», antwortet Marita.
Sie rauchen ihre Zigaretten in tiefen Zügen und sehen
dem Rauch nach, der an die Decke steigt. Ein Moment
der Ruhe und Entspannung, der trotzdem entnervend
ist, weil er jederzeit von einem Telefonanruf, einem
Klingeln des Haustelefons oder dem bösen Brummen
der Suchanlage unterbrochen werden kann.
«Hast du schon, Marita, oder sollten wir vielleicht?»
Marita seufzt. Wie soll man das wohl auslegen? (Nein,
Marita hat leider seit zwei Monaten nicht, seit sie sich

114
mit Claes-Göran verkracht hat. Er war Zimmermann
und eine Axt ohnegleichen. Sie hat nur ein paarmal im
Duschraum, aber das war nicht so wie im Bus, falls das
mitrechnet, aber das tut es natürlich nicht.)
«Na?»
«Geht dich nichts an.»
Da klingelt Svens Telefon. Marita drückt ihre Zigarette
im Aschbecher aus und fängt wieder mit ihren Briefen
an.
Herr Larsson kommt herein; ein schmächtiger Spargel
mit langen Fingern und schmalen weißen Händen. Er
stinkt nach Pomade - was heutzutage beinahe eine Ku-
riosität ist. Wenn er spricht, geschieht es sehr von o-
ben herab.
«Bringen Sie Direktor Johne diesen Brief hier, Fräulein
Andersson. Danke.»
«Tut mir leid, ich hab keine Zeit.»
«Dann müssen Sie sich die Zeit nehmen, Fräulein An-
dersson. Er muß den Brief schnellstens haben!» erwi-
dert Herr Larsson und legt einige zierlich gebündelte
Papiere vor sie hin, die von ungewöhnlich großen Bü-
roklammern zusammengehalten werden.
(Büroklammern - was für eine geniale Erfindung.)
«Ich habe doch, verflixt noch mal, schon gesagt, daß
ich keine Zeit habe! Und im übrigen bin ich nicht Ihr
Laufmädchen! Gehen Sie doch selbst!»
«Was für einen Ton Sie anschlagen! Darüber sollten
wir eigentlich mal mit dem Abteilungsleiter Dyckert
sprechen!»
«Das können wir gern! Wollen wir gleich hineinge-
hen?» fragte Marita und drehte ihren Stuhl in Larssons

115
Richtung, den indirekten Weg in Dyckerts Zimmer
anpeilend.
Larsson kommt leicht aus der Fassung, als er das sehr
kurze Kleid sieht, glotzt entflammt und schluckt ge-
räuschvoll. Er wirft sich in Positur und sagt pampig:
«Das kriegen Sie wieder!»
Damit rauscht er aus dem Zimmer und kracht die Tür
erstaunlich laut hinter sich zu. (Er stimmt immer für
die Volkspartei, ebenso wie seine liebe Mutter und
seine tüchtigen Onkel.)
«Sonnenstrahl!» zischt Marita ihm nach.
«Kümmere dich nicht um diesen Knacker», rät Sven.
«Er ist nicht ganz richtig. Er meint es sicher nicht so
böse.»
«Ach, diese Type kann mich auf die Palme bringen!
Zum Teufel, ist der blöd!»
Klappre drauflos, klappre den Ärger fort, klappre fünf
Uhr entgegen, klappre dem Urlaub entgegen, klappre
drauflos, weil es eine Erholung für die Seele ist. Es
sind gar nicht mehr so viele Briefe, und es ist erst halb
zwei. Es lichtet sich. Die Offerte!
Die kleine Petterson (Kommunistin) aus der Buchhal-
tung soll aufhören. Sie kriegt todsicher ein Kind. Man
flüstert von einem gewissen Prokuristen Lundström
(Zentrumspartei)...
«Die Offerte, Sven!»
«Was?»
«Ach, Sven...»
«Ja, kleine Sexbombe. Ja, ich will, ich will.»
«Ich muß eine alte Offerte für Dyckert suchen, Smith
& Wester, London, 16. August 1956. Sie soll da oben

116
in irgendeiner Schublade liegen. Die Schubfächer sind
so schwer. Würdest du mir vielleicht helfen ?»
«Aber sicher, bloß ...» Da klingelt das Telefon wieder.
Sven schnappt sich den Hörer und nimmt einen gro-
ßen Auftrag entgegen. In der Wartezeit schreibt Marita
ihren Brief fertig: Wir danken für Ihre Bestellung und
hoffen, auch weiterhin mit Anfragen und Aufträgen
von Ihnen rechnen zu dürfen.
«Danke, danke sehr», sagt Herr Skyndare und legt mit
zufriedener Miene den Hörer auf.
«Was hattest du gleich gesagt, Marita? Ach so, natür-
lich gehen wir auf den Boden und suchen nach einem
uralten Angebot. Aber was will Dyckert, zum Teufel,
damit? Außerdem ist gar nicht sicher, daß wir es fin-
den. Die ganzen alten Papiere sind ja nicht geordnet.
Ich weiß nicht, wer die Archivierung damals gemacht
hat. Aber wir können es ja versuchen. Und geht es
nicht, so versuchen wir es noch einmal, sagte der Junge
zum Mädchen.»
«Das ist nett von dir.»
«Ist mir ein Vergnügen. Ich werde dich nämlich dort
oben verführen, ganz oben auf dem Boden, wo keine
Polizei hinkommt. Das werde ich, so wahr ich Sven
Skyndare heiße und ein gefährlicher Sven für hübsche
Jungfrauen bin. Apropos Jungfrau ... hattest du schon
oder wie steht es damit? Ich habe nie eine richtige
Antwort bekommen.»
«Nein. Hör jetzt auf!»
«Nicht? Das paßt ja ausgezeichnet. Wo wir uns jetzt
mehrere Wochen nicht sehen werden und überhaupt.
Ich brauche eine schöne Erinnerung, mit der ich mich

117
trösten kann, während du Urlaub machst. Es ist ein
Muß für mich, mit dir!»
«Nichts gibt's, aus und Schluß», antwortet Marita aus
Spaß kindlich und bestimmt. «Komm, fangen wir an.»
«Anfangen ist das richtige Wort», meint Sven.
Er macht die Tür auf und läßt Marita vor sich die enge,
steile Treppe zum Boden hinaufsteigen, wo das Archiv
ist.
«Das war vielleicht nicht gerade wohlerzogen von mir,
aber um so smarter. So kann ich beim Steigen etwas
von deinen Beinen sehen.»
«Das sollst du gern», antwortet Marita und bereut es
sofort. Er soll sich nur nichts einbilden, gar nichts.
Svens rechte Hand wird von einer gewaltigen Lust ge-
packt, straight on the point zu gehen. Dran, drunter,
draufzu, gerade draufzu, nahe dran. Der starke Wille
wird mobilisiert, um die Erektion zurückzuhalten.
Peinlich, wenn etwas zu sehen wäre. Nein, die Hand
kann es nicht lassen. Sie huscht unter das kurze Kleid
und streichelt die Innenseite des linken Schenkels,
ganz oben, sondiert das Gelände.
«Nein, aufhören!» kreischt Marita leise und routiniert
und läuft davon. Sven kommt langsam nach. Beide
versuchen, völlig unberührt auszusehen, als sie ange-
kommen sind.
«Er müßte wohl in irgendeinem dieser Schubfächer zu
finden sein, der Schnellhefter», meint Marita und zeigt
mit der Hand auf die Regale. «Bist du so nett und
ziehst sie heraus? Stell dir vor, wenn das Angebot nun
im falschen Hefter liegt oder unter einem falschen

118
Buchstaben abgelegt ist? Dann finden wir es wahr-
scheinlich nie.»
«Eine Sache im vorweg, Marita. Erst werden wir die
Mappe suchen, in der die Offerte liegen müßte. Wie
war das gleich? Sechsundfünfzig, ausländische Offer-
ten.»
Skyndare geht ran. Die Schubladen werden aufgezogen
und zugestoßen. Er findet die, wo 66 ausl. Off. drauf-
steht. Er hebt den Kasten an und stellt ihn auf den
riesigen Schreibtisch, der an der Wand steht. Gemein-
sam fangen sie an, in der Schublade nach der gesuch-
ten Mappe zu wühlen.
Hier oben ist es ziemlich dunkel. Es gibt keine Fenster,
und die Beleuchtung ist schwach. Nur eine müde
Lampe ist an der Decke und eine Wandlampe am
Schreibtisch. An den Wänden stehen Regale mit stau-
bigen Schnellheftern, alten Zeitschriften und allem
möglichen Kram. Aber Haustelefon und Suchgerät
sind natürlich auch hier zu finden. Und das Dach hat
einen Ventilator, der sich mit leisem Brummen in
Gang setzt, als Skyndare auf einen Knopf drückt. Er
spendet ein bißchen Kühle an diesem heißen Tag.
«Wie schön. Es ist ja unerträglich warm heute.»
«Du hast zuviel an, Marita.»
«Was ? Ich habe ja kaum etwas auf mir.»
«Auf jeden Fall zu viel. Komm, ich werde dir etwas
ausziehen», sagt Sven und stellt sich hinter sie, umfaßt
sie und drückt sie an sich. Er preßt sein erstarrendes
Glied an ihren geschmeidigen kleinen Hintern. (Kein
Birnenhintern, ein typischer Apfelhintern nach der
Lars Normanschen Terminologie.) Jetzt, jetzt müßte

119
sie seine Hände wegziehen, ihn von sich stoßen, etwas
sagen, etwas tun. Aber sie tut, wie man sieht, nichts.
Sie fügt sich ruhig und gehorsam, als er sie umdreht
und küßt. Sie öffnet ihren Mund und trifft seine Zun-
ge, zuerst vorsichtig und dann immer hungriger und
hungriger. Er preßt sie fest an sich. Seine Hand
schlüpft unter das kurze Kleid, wölbt sich über ihrer
Pflaume, drückt sie einige Male leicht. Dann fährt sie
höher und sucht sich unter den Gummi der dünnen
Strumpfhose und des kleinen Schlüpfers. Sie gleitet
über den Bauch und nähert sich dem behaarten Drei-
eck. Wenig Haar, weiches Haar. Er küßt sie unun-
terbrochen, wie um sie abzulenken, während er puhlt
und puhlt. Mit zwei Fingern fährt, nein, rutscht er hin-
ein, aber da weicht sie mit einer schnellen Bewegung
zurück und kneift die Beine zusammen. Das Küssen
geht jedoch weiter, und das Spiel der Zungen wird
immer heißer. Bald nähern sich ihre Hüften wieder,
und langsam öffnen sich die Beine. Die Finger langen
tiefer hinein. Raus und rein, raus und rein. Die Pflau-
me ist herrlich feucht und heiß und weitet sich un-
glaublich.
Er dreht sie wieder um und stellt sich hinter sie. Er
zieht die Strumpfhose und den Schlüpfer bis an die
Kniekehlen herunter, rollt das kurze Kleid zur Taille
hoch und legt sie über den Tisch. Sie wehrt sich nur
zum Schein ein wenig. Sie versteckt ihr Gesicht in den
Händen, als er ihren Hintern streichelt und mit den
Fingern der einen Hand in ihre Pflaume dringt, wäh-
rend die andere den Reißverschluß seiner Hose auf-
zieht und den Inhalt hervorholt.

120
«Wenn jemand kommt», schreit sie leise, als sie seinen
Schwanz tasten fühlt.
«Ach wo», antwortet er, «ich habe zugeschlossen, und
hier hat niemand etwas zu tun. Immer schön ruhig,
Marita.»
Er fädelt sich ein, preßt sich tiefer, rutscht weit hinein,
fährt bis zur Wurzel hinein. Er umfaßt ihre Hüften
und beginnt zu stoßen, langsam - und ab und zu einen
langen Stoß (man muß richtig kosten) und dann
rhythmischer und schneller. Sie rutscht mit dem Ober-
körper etwas auf dem Tisch hin und her, beklagt sich
aber nicht. Sie atmet heftig im Takt mit den Stößen,
windet sich ein bißchen und kommt aus dem Takt. Sie
versucht es wieder, und jetzt geht es besser. Der
Rhythmus wird weich und ruhig. Es geht für sie, und
er beschleunigt das Tempo.
Nach einer Weile verlangsamt er den Takt ein bißchen,
weil er spürt, daß er kurz davor steht, und er will sie
mithaben. Er beschleunigt etappenweise. Härter, fes-
ter. Bumst bei jedem Stoß gegen ihren Hintern, ein
erregender Laut. Ihr Oberkörper fährt immer ruckwei-
ser über den Schreibtisch. Jetzt kommt es gleich,
gleich, gleich.
«Gefällt es dir?» fragt er mit belegter Stimme.
Keine Antwort. Stoß und Bums, Stoß und Bums. Sie
lauschen ihren heftigen Atemstößen. Da kommt die
Antwort:
«Ja! Jaaah!»
Und es geht für sie beide wie auf ein gegebenes Signal;
nämlich das sog. Kaffeesignal, das von der Telefon-
zentrale über die Suchanlage gesendet wird, wenn der

121
Kaffee fertig und die Zeit zur Pause ist. Ein böses
Brummen, und alle roten Lampen leuchten auf.
Im Frühstücksraum sitzen sie am selben Tisch und
trinken den leider allzu dünnen Kaffee. Vielleicht wir-
ken sie eine Idee zu unberührt. Abteilungsleiter Dy-
ckert (konservativ) sitzt einige Tische weiter neben
Direktor Johne und starrt Marita (Sozialdemokratin)
an. Ahnt er etwas? Sieht man es? Sven Skyndare ist sehr
zufrieden. Es ärgert ihn nur, daß er vergessen hat, ihre
Brüste zu kosten. Das muß wettgemacht werden, so-
fort nach der Pause. So schöne Brüste soll man nicht
unbeachtet lassen. Er stellt sich vor, wie er sie in seiner
Hand halten würde. Hölle! Hoffentlich hat sie Lust,
noch eine Nummer zu schieben. Das hat sie sicher,
denkt Skyndare. Jesus, wie schön sie ist, was für eine
goldige Pflaume sie hat, und wie geschickt sie sich in
der schwierigen Stellung bewegte. Teufel, hier sitze ich
und kriege Stand - muß an etwas anderes denken. Die
Fleischklößchen schmecken gut, aber Krautwickel sind
auch nicht übel.
Marita sitzt da und ist verwirrt über das Geschehene.
So war das gar nicht gemeint gewesen. Endlich ent-
schließt sie sich, das Ereignis als eine würdige Art, den
65. Geburtstag Tage Erlanders, des Goldjungen, zu
begehen, anzusehen. So schön war es, ehrlich gesagt,
nicht mehr gewesen seit damals, wo sie mit Claes-
Göran im Schaukelstuhl gesessen hatte. Diese bewußte
Sache. Aber er war ja ein hölzerner Bock. Ein Glück,
daß sie ihn los war. Aber warum, zum Teufel, sitzt Dy-
ckert da und glotzt? Es ist mir doch nicht etwa anzu-
sehen, daß ich ganz frisch gefickt bin? Herrgott, wenn

122
ich bloß keinen Knutschfleck am Hals habe! Nein,
kein Grund rot zu werden. Ich hätte es auf jeden Fall
gemerkt.
Und jetzt muß ich die Offerte finden. In ein paar
Stunden fängt mein Urlaub an. Herrlich.
Auf dem Wege vom Lunchraum bekommt Sven Skyn-
dare einen dringenden Auftrag von Abteilungsleiter
Dyckert - und damit verschwindet Herr Skyndare aus
unserer erotischen Novelle. Maritas Brüste sind ihm
entgangen. Marita muß allein auf den Boden steigen,
um das kaum begonnene Suchen fortzusetzen. Sie hat
kaum ein paar Schnellhefter durchgesehen, als Schritte
zu hören sind. Jemand ist auf dem Weg die steile
Treppe herauf. Svenne kommt anscheinend schon zu-
rück, fein. Nein, was soll das? Dyckert himself. War es so
eilig mit der verdammten Offerte?
«Wie steht's, Fräulein Andersson?» fragt Dyckert, geht
auf Marita zu und küßt sie mit grauenhafter Bedenken-
losigkeit. Ihr
knicken fast die Beine ein. Wie ein großes Fragezei-
chen hängt sie in seinen Armen. Dann reißt sie sich
los.
«Abteilungsleiter Dyckert...»
Aber er greift wieder zu und küßt sie solide und mit
großer Sorgfalt. Ach, zum Teufel, wo ich in ein paar
Stunden Urlaub habe und überhaupt. Sie küßt zurück,
allerdings etwas reserviert. Eigentlich nicht so übel,
dieser Dyckert, denkt sie. Seine üppige Frau Signe
würde natürlich aus der Haut fahren, wenn sie uns se-
hen könnte. Aber sie kann es ja nicht. Dyckert fängt

123
an, ihr das Kleid auszuziehen. Marita protestiert. Es
könnte ja jemand kommen.
«Ach wo, ich habe zugeschlossen, und hier hat nie-
mand etwas zu tun. Immer schön ruhig.»
«Was?»
«Arme hoch, streckt», kommandiert Dyckert, der
Rittmeister der Reserve ist. Und fort fliegt das kurze
rote Kleid. Marita steigt der Eile wegen aus ihren
hochhackigen Schuhen. Sie stand darin zu unsicher.
Dyckert zaubert mit findiger Routine ihren Büsten-
halter fort, ehe sie es überhaupt begreift. Und dann ist
er so klug, sich einige Minuten auf ihre selten
schmackhaften Brüste zu konzentrieren. Diese
stupsnäsigen Brüste, die unter seinen Händen fest
werden. Danach wird sie aus Strumpfhose und Schlüp-
fer gepellt und braucht nur noch herauszusteigen. Völ-
lig nackt, die Hände schüchtern vor das Fötzchen hal-
tend, steht Marita da - genau wie eine von den Puppen
aus dem Playboy, erinnert sich der gedächtnisstarke Dy-
ckert.
«Und der Abteilungsleiter?» fragt sie beinahe flüsternd.
«Aber ja», trompetet er, «ich komme, nur einen Augen-
blick. »
Er hebt Marita energisch hoch und legt sie auf den
großen Schreibtisch. Sie blinzelt in das Lampenlicht.
Die Schublade mit den Schnellheftern stellt er auf den
Fußboden, nimmt Maritas Kleider und legt sie oben-
auf. Dann springt er mit einem fröhlichen Hopser aus
seinen Sachen und baut sie in einem zierlichen Berg
auf das Schubfach. Er krabbelt auf den Schreibtisch,
der hält, und ist im Nu über Marita.

124
Rasches Spiel mit den Fingern, feucht und warm und
herrlich, eine junge, wunderbare Grotte. Er zieht ihre
eine Hand an seinen Harten. Es ist am besten, wenn
sie selbst steuert. Sie ergreift sein recht handfestes Ge-
rät und lenkt es hinein. Es dringt tief ein. Sein Gewicht
ist beachtlich. Sie erwidert mit weichen Gegenstößen.
«Du ißt wohl Antibabypillen?»
«Mm.»
Nach einer Weile sträubt sich Marita und zeigt dem
Abteilungsleiter die Krallen:
«Aufhören! Kapitalist! Nicht heute, wo Tage Ge-
burtstag hat, der Goldjunge. Ich will diesen Tag nicht
entweihen! Weg! Weg! Es lebe der Sozialismus!»
«Aber liebes Fräulein Andersson, jetzt können wir
doch nicht aufhören? Wir können einfach nicht!»
«Weg! Weg!»
«Aber, Liebe, Liebe. Wenn ich verspreche, das nächste
Mal die Sozialdemokraten zu wählen, na?... Und das
übernächste Mal auch?... Na? Kommen Sie doch, lie-
bes Fräulein Andersson!»
«Nun ja», sagt Marita, «um der guten Sache willen. A-
ber vergessen Sie Ihr Versprechen nicht!»
«O nein! Auf zu neuen, kühnen Zielen!»
So geschah es, daß Tage Erlander eine nicht unbedeu-
tende Rolle in der Erotik dieses Sommers spielte.
Als sie eine ganze Zeit herumgeritten und fast am Ziel
angelangt sind, fällt dem rührigen Abteilungsleiter ein,
daß die Situation eigentlich so etwas wie ein Gespräch
verlangt.
«Wo ... machen Sie Urlaub! Fräulein ... Andersson!»

125
Er hat ihre Beine hochgehoben und über seine Schul-
tern gelegt. Sie liegt also kräftig angehoben, mit den
Füßen über seinem Rücken baumelnd, den Unterkör-
per hoch herausgedrückt, und versucht, unter den wil-
den Wogen der Orgasmen eine Antwort herauszubrin-
gen:
«Si! Sing! Ö!»
Singö im Juni. Wellen, in der Sonne glitzernde Wellen.
Maritas Eltern machen Urlaub in Italien (niemals in
Spanien). Marita und
das ziemlich Jungverheiratete Paar Bosse, 22, und Le-
na, 23, Petterson (Sozialdemokratische Partei) verfü-
gen allein über ein großes Sommerhaus am Strand.
Claes-Göran sollte ursprünglich auch dabei sein, aber
daraus wurde nichts. Claes-Göran ist nach Maritas An-
sicht eine Axt, die man schon lange hätte begraben
sollen. Niemand widerspricht ihr. Das Thema ist noch
immer ein heißes Eisen. Eine Urlaubswoche ist bereits
vergangen. Sie sind alle prächtig von der Sonne ge-
bräunt. Bald ist Mittsommer. Bosse war in Herräng
und hat Schnaps gekauft. Sie frühstücken auf der Ve-
randa; Hering, Kartoffel, saure Sahne, Schnittlauch,
Knäckebrot, Butter, Käse, Bier und anderthalben
Schnaps für jedes Mädchen, zweiundeinenhalben für
Bosse. Die Mahlzeit ist leben beendet, die Stimmung
fröhlich und ein bißchen angeheilten durch Sonne,
Schnaps und Sex, oder wie man das nun ausdrücken
will. Es ist schade um die einsame Marita, weil sie kei-
nen Partner hat. Sie hat wohl gehört, wie es Bosse und
Lena fast jeden Abend trieben. Mit Decken, ein paar
Kissen und Zeitungen gehen sie hinunter an den

126
Strand; die Damen im Bikini, er im Monokini. Sie brei-
ten die Decken aus und legen sich lang.
Bosse und Lena springen bald wieder auf und laufen
Hand in Hand ins Meer, ins blaue Meer. Sie versuchen
Marita mitzulocken, aber sie will nicht. Sie blinzelt in
die Sonne. Das flimmert so rot, und sie denkt ein biß-
chen an Bosse, der sie neulich auf der Veranda ziem-
lich lange betrachtet hat. Und Lena guckte so komisch.
Oder vielleicht nicht?
Jetzt kommen sie aus dem Meer zurück, legen sich auf
die Decken und frösteln. Nach einer Weile verschwin-
den sie, laufen umher und tuscheln. Dann kommen sie
wieder auf die Decken und legen sich rechts und links
von Marita hin, reden, daß Marita ins Wasser muß, und
wenn sie Gewalt anwenden müssen, und Lena fragt
sich (sie hat es schon oft getan), warum sie Badekla-
motten tragen, hier, wo sie niemand sieht, wir drei sind
doch unter uns, höchstens vom Boot aus kann man
hier hereinsehen, daß ich einen Badeanzug trage, hat ja
seine Gründe, meinte Bosse (das hat er schon oft ge-
meint), aber daß ihr so was tragt, ist völlig idiotisch,
wie Lena nackt aussieht, weiß ich schließlich, und was
die kleine Marita unter diesem Badeanzug versteckt,
kann sie genauso gut zeigen, von mir aus also, bitte,
sagt Bosse, und geniert es euch nicht, wenn sich meine
Einschätzung eurer Schönheit sichtbaren Ausdruck
verschafft, so kann ich wohl auch nackt gehen. Aber
weiter als bis zu diesem Dialog kam man auch diesmal
nicht. Nach einer Zigarette sollte Marita ins nasse E-
lement, und wenn es mit milder und freundlicher Ge-
walt sein mußte. Sie fassen sich an den Händen und

127
laufen in das eiskalte Wasser, schreien, spritzen und
planschen und schnappen nach Luft. Wie fröhliche
junge Hunde springen sie zu den Decken zurück.
Trocknen im Nu in der Sonne. Marita liegt auch dies-
mal in der Mitte.
Plötzlich ruft Lena leicht benommen von der starken
Sonne, anderthalbem Schnaps und einem Bier, daß sie
jetzt, zum Teufel, Nudisten werden sollen! Jetzt oder
nie. Man braucht ja nur anzufangen. Tun wir es gleich.
«Ich ziehe meinen BH aus, so, hier, hurra! Und jetzt
darf Bosse aus seinem Tarzanhöschen kriechen. Beeil
dich, du Scheusal! Na, also. Mach ruhig die Augen zu,
Marita. Früher oder später mußt du sie ja doch wieder
aufmachen. Nun bist du an der Reihe - wirf den BH
weg!»
Marita macht die Augen zu, kommt aber in einer schie-
fen Brücke hoch, zaubert den BH los und schleudert
ihn von sich.
«Na also!» hört sie Lena rufen. «Jetzt steige ich aus
dem Schlüpfer, juchhe! Du allein bist noch übrig, Ma-
rita.»
Marita hat immer noch die Augen zu, schlängelt sich
aber doch aus dem minimalen Unterteil des Badean-
zugs. Dann liegt sie still, sagt nichts, horcht nur. Nie-
mand sagt etwas. Was die beiden anderen machen,
weiß sie nicht und will sie nicht sehen. Sie liegt nur
ganz still. Eine schreiende Stille (eigentlich sind es ja
die Möwen, die schreien). Da merkt sie, entdeckt atem-
los, daß Bosse sich näher an sie herangemacht hat. Sie
streifen sich, Haut an Haut. Es wirkt wie ein heftiger
Schlag. Aber er kommt immer noch näher. Sie liegen

128
Seite an Seite, ihre Haut brennt. Was denkt er sich
bloß! Und Lena? Marita weiß weder aus noch ein. Sie
liegt nur ganz still. Da merkt sie, entdeckt atemlos, daß
Lena sich näher an sie herangemacht hat. Sie streifen
sich, Haut an brennender Haut. Und Bosse dreht sich
herum und wirft sich halb über sie. Seine Hand strei-
chelt ihre sonnenwarmen Beine und öffnet sie.
Vier Hände, die ihre nackte, heiße Haut überall liebko-
sen, vier Hände, die immer kühner werden, und sie
selbst, sich immer herrlicher ausgeliefert fühlend; sie
schließt die Augen und geht leicht in die Brücke, den
Liebkosungen entgegenkommend. Sie schließt die Au-
gen wegen der Sonne und weil sie nicht recht unter-
scheiden will, wer welches tut; jetzt ist er es, der ihren
Mund küßt, und sie antwortet mit eifriger Zungenspit-
ze, konzentriert sich auf den Kuß, klammert sich fest
in einem erregenden, langen und unbändigen Kuß,
während eine von den vier Händen wieder bei ihrer
Spalte angelangt ist, und diesmal verweilt die Hand,
und zwei Finger, drei Finger, gleiten hinein, und sie
windet sich und zuckt im Rhythmus der Finger, die in
ihrer nassen, weitgeöffneten Pussy aus- und einfahren.
Die weitet sich unglaublich. Alles weitet sich.
Bosse vögelt Marita eine Weile, während er Lena mit
der linken Hand bedient; dann kriecht er hinüber auf
Lena und macht es Marita mit der rechten Hand. Son-
ne, Sand und ein frischer, leichter Wind vom Meer.
Heiße Liebkosungen, die sich immer mehr vermischen.
Jetzt legt er Marita auf Lena und bearbeitet sie eine
Weile von hinten. Das Ganze kann noch zwei Ur-
laubswochen lang variiert werden.

129
Sonne, Sand, Hering, Kartoffeln, Sahne, Schnittlauch,
Knäckebrot, Butter, Käse, Bier und Schnaps, das Meer
bei Aland, fröhliche Drüsen; Sonne, Sand usw. usw.,
Schnaps, das Meer bei Aland, nackte Haut usw. usw. -
und Sex ist Trumpf (?!)...

130
Sam Lidman

Sex
Yvonn Lindberg oder Yvonne (mit langgezogenem E),
wie sie von ihren Freundinnen während der Schulzeit
und in den Studienjahren in Uppsala genannt wurde,
Kandidat der Literaturgeschichte und der nordischen
Sprachen, war seit einem halben Jahr Bibliothekassis-
tentin am Schwedischen Institut. Es war ihr erster rich-
tiger Platz. Sie war nur eine der vielen tausend Gleich-
altrigen, die es an diesem begnadeten Hochsommer-
nachmittag in dem offiziellen oder halboffiziellen
Schweden eilig hatten, nach Hause zu kommen, um
für ein Wochenende des Landes dienstliche Gutach-
ten, Denkschriften, Memoranden, Gesetze, Verord-
nungen, Dekrete und Ukasse zu vergessen, die in den
übrigen fünf Tagen der Woche sowohl den Staat als
auch das einzelne Individuum zu neuen Zielen dirigier-
ten; Zielen, die so kühn und fern von denen waren, die
wir im allgemeinen im Auge haben, daß nicht einmal
der Staatsminister immer genau darlegen konnte, wo-
hin und auf was er eigentlich hinauswollte. Aber an
Sonnabenden und Sonntagen pfiffen des Landes Ein-
wohner auf all dieses. Man konnte da sogar die Regie-
rungsmitglieder bei einer stillen Partie Krocket auf
Harpsunds immergrünem Rasen ausspannen sehen -
wenn es gerade Sommer war wie jetzt.
In ihrer Wohnung angelangt, die aus Zimmer und Kü-
che bestand und die sie den Sommer über von einem
Studienkameraden, der ins Ausland gefahren war, hatte

131
leihen können, drehte sie sofort die Hähne zur Bade-
wanne voll auf. Sie warf ihre Kleider ab und sprang
splitternackt umher, eine ungenierte wilde Jagd bei
offenen Fenstern und mild flatternden Gardinen. Sie
lief, wie es schien, vollkommen planlos hin und her. In
einem Augenblick warf sie Brot und Butter und Milch
in den Kühlschrank, im nächsten zog sie ein Schub-
fach im Korridor auf, rannte dann zurück in die Kü-
che, wo sie ein paar Pilsner in den Brotkasten packte,
trabte weiter in die Toilette und dann zurück Jans
Zimmer, wo sie sich erst halbwegs vom Balkon zu-
rückhielt:
Das Kleid hatte zu warten, bis sie wenigstens ihre Un-
terwäsche anhatte!
Sie machte eine Kehrtwendung und verschwand wie
ein Pfeil wieder im Bad, wo es ihr im letzten Augen-
blick gelang, die Hähne zu schließen. Und ohne sich
erst die Zeit zu nehmen, die Temperatur des Wassers
zu prüfen, verschwanden der Hintern und die schlan-
ken Schenkel mit unbeschreiblich weiblichen Be-
wegungen über dem Rand der Wanne in der dampfen-
den Flüssigkeit.
Das Ganze wurde begleitet von den wie an die spitzi-
gen Brüste gerichteten entzückten kleinen Ausrufen:
«Pfui, wie heiß ... Gott, wie schön ... brrr!»
Mit dem Wasser bis an die Kinnspitze sah sie durch
das offene Fenster des Badezimmers einen Mann, der
sie von einem Balkon auf der anderen Seite der Grün-
anlage entdeckt hatte. Sicher ein Bürosekretär, Archi-
var oder dergleichen, dachte sie. Statt aber das halbe
Fenster zu schließen, winkte sie fröhlich mit der Seife,

132
setzte sich auf und begann in einem Übermaß der Le-
bensfreude ihre Arme, Schultern und Brüste einzusei-
fen.
Dabei laut summend: «Kannst mich am Hintern küs-
sen, kleiner Karlsson oder wie du nun heißt. Heute
abend gehe ich auf den Bums! Auf den Bums, den
Bums, den Bums!»
Und fuhr kurz fort: «Das Leben ist herrlich. Glaub
mir, denn ich bin ein Mädchen!»
Sie streckte ein Bein aus dem Wasser und winkte sich
mit den rotlackierten Nägeln zu, während die Seife an
Knie und Wade hin und her glitt.
Auch die häßlichsten Frauen sehen durch ein Fenster
und aus einiger Entfernung schön aus, hatte er gesagt.
Und du bist ja wirklich richtig niedlich, wenn du diese
widerlichen Kleider nicht anhast, die du glaubst, dei-
nem intellektuellen Beruf schuldig zu sein.
Nackt siehst du wie ein Backfisch im Playboy aus, alles
stimmt: Die Zierlichkeit von Armen und Beinen... die
Proportionen ... und Dimensionen ... dein gewölbter
Hintern und deine hochnäsigen Brüste. Es ist nur eine
Frage des Kamerawinkels. Kleide dich - und zieh dich
aus! - wie deine Altersgenossen in der Stadt, und du
wirst succipyramidale machen. Das hatte er zu ihr gesagt.
Zu ihr, die sich immer über alles geschämt hatte. Denn
sie war zu klein, zu dünn, zu schmächtig, zu weiß, es
gab nichts, womit sie zufrieden war.
Um sie zu überzeugen, war er gezwungen gewesen,
ihren Körper mit seiner Polaroidkamera farbig vor der
Wandbekleidung über dem roten Holzsofa in der Kü-
che seines Hauses aus dem 18. Jahrhundert zu fotogra-

133
fieren. Mit nur einer neugekauften Studentenmütze
bekleidet, die schräg auf der blonden, modernen Frisur
saß, das eine Knie auf dem zerschlissenen Sofa und
das andere Bein mit pfauengleich gespreizten Zehen
nach unten und außen auf die handgewebte Matte ge-
stützt, den kurvenreichen, wohlgenährten und doch
zarten Hintern mit seinen durch den Bikini bleichen
Partien dem blanken Kupfer des Holzherdes zuge-
wandt, das Gesicht spöttisch gegen die Kamera gerich-
tet, den Busen im Profil und die blutroten Nägel der
der Kamera abgewandten Hand auf das erbauliche und
fromme Plattstichgebet, eingerahmt von schwedischen
Fahnen, des alten Wandbehangs, weisend:
Das Resultat ihres gemeinsamen Spiels, neben das
Vorbild gelegt, hatte ihr Selbstvertrauen gegeben.
Sie entspannte sich.
Es gab nichts Schöneres als ein heißes Bad vor dem...
das sie erwartete ... am Abend. Sie sollte zu ihrem
Chef. Ihn liebte sie. Sie war schon mehrere Male bei
ihm gewesen wie auch zu Pfingsten in seinem Som-
merhaus. Aber jetzt hatten sie sich eine Woche nicht
getroffen. Er war auf einer Dienstreise in Göteborg
gewesen. Aber sie hatte Briefe bekommen. Der letzte,
den sie erst gestern erhielt, war eine Briefkarte gewe-
sen.
«Willkommen also Freitag um sieben Uhr. Ich garan-
tiere Dir eine ganz große Überraschung.»
Ihr Blick fiel auf die grüne, seidenschimmernde Ölkap-
sel, die noch oval und blank mit ihrem wohlriechenden
Inhalt vor ihr auf dem Wasser schwamm.

134
Faul langte sie danach und drückte sie leicht zwischen
Daumen und Zeigefinger. Genau wie ein Testikel,
dachte sie, ein kleiner Jungentestikel. Die Kapsel bot
denselben weichen erregenden Widerstand. Und ein
Erlebnis zog an ihren halbgeschlossenen Augen vor-
bei, ein Ereignis, das für ihr verflossenes Leben kei-
neswegs typisch war, das aber vielleicht - in gewisser
Weise - in die Zukunft wies. Es war eine jener unbe-
greiflichen Geschichten mit Repliken und einer plötzli-
chen Aktivität, die einen später fragen läßt, ob man es
selbst gewesen ist, der daran beteiligt war. Und zuletzt
ist man beinahe versucht, sich zu fragen, ob nicht das
Ganze ein Traum war.
Es war im Sommer nach dem Abitur gewesen, als sie
einen Monat Gast ihres Onkels auf Tegelön war. Der
Juli tag war flimmernd heiß gewesen. Sie saß in einer
frischgebügelten weißen Bluse und kleinkarierter Pira-
tenhose im Korbstuhl des kleinen Gästezimmers im
oberen Geschoß und las Maupassant. Sie war allein.
Die Familie war aufs Festland nach Sommarbo zu ei-
nem Besuch gefahren, als der bald dreizehnjährige
Sohn, dem es anscheinend in letzter Minute geglückt
war, sich zu drücken, in seinen blauen Jeans ins Zim-
mer gestürzt kam. Mit einem fürchterlichen Kriegsge-
schrei feuerte er eine Zündplättchenpistole direkt unter
ihrer Nase ab.
Erschrocken war sie hochgefahren, und der Junge, der
trotz des Altersunterschieds so groß wie sie war, hob
wie zur Verteidigung instinktiv die Arme. Ehe sie nur
wußte, wie es zugegangen war, begannen sie miteinan-
der zu ringen. Sie, zuerst böse und wie alle Mädchen

135
ohne jedes System, kämpfte an allen Fronten. Jungen-
haft versuchte er, erst ihren Kopf zu fassen, um sie auf
den Boden zu ziehen und ihre Schultern auf den Tep-
pich zu pressen, um sie so dazu zu zwingen, sich als
besiegt zu erklären, wie es bei Jungen üblich ist. Nach
wenigen Augenblicken merkten die beiden die plötzli-
che Veränderung der verlassenen, flimmernden Som-
merlandschaft vor dem Fenster, sie wurden sich des
Schweigens in dem kühlen Raum bewußt, der Einsam-
keit, die sie umschloß und sich in eine Ahnung des Un-
passenden verwandelte. Sie bewegten sich langsamer,
bis sie schließlich in ihr Bett purzelten und sie, nur um
ihre plötzliche Überlegenheit auszunutzen, auf die Idee
kam, ihm einen Klaps zu verpassen.
Sie zog seine Jeans herunter. Aber wie er sich auch
drehte und wand, die Vorderseite kam immer nach
oben. Und vor sich, zwischen seinen Beinen, die plötz-
lich stillagen und eine Ahnung gespreizt, sah sie sein
kleines Geschlecht, das noch ohne Pubertätshaar war.
Du mußt mir glauben, hatte sie ihm, den sie liebte,
später erklärt, ich hatte damals meinen Verlobten noch
nicht getroffen, und ich hatte noch nie die Ge-
schlechtsteile eines Mannes so nahe vor mir gesehen,
aber ich wurde mit einemmal ganz ruhig. Und der Jun-
ge mußte bemerkt haben, was in mir vorging. Er lag
ganz still, und ich starrte und starrte wie verhext, denn
da es keine Haare gab, war ja alles so gut zu sehen.
Und dann sah ich, wie meine Hand langsam, ohne daß
ich sie zu hindern vermochte, sich dem wie im Zeitlu-
pentempo näherte, um zu erfahren, wie sich das an-
fühlte.

136
Gleichzeitig veränderte sich etwas in mir, hatte sie ih-
ren Bericht fortgesetzt. Ich fühlte mich auf eine kindli-
che Weise plötzlich als Frau, unendlich mütterlich und
gut und überlegen, aber zugleich diesem kleinen
Dingsda unterworfen, das plötzlich zwischen meinen
Fingern groß und hart wurde. Ich streichelte es, kei-
neswegs so kunstvoll und erfahren, wie ich es jetzt bei
dir mache, aber die Wangen des Jungen wurden rot
wie Pfingstrosen. Und aus Schuldgefühl, Genuß oder
was es nun gewesen sein mag, legte er den Oberarm
über die Augen wie ein schlafender Endymion.
Du findest vielleicht, daß es häßlich ist, aber du mußt
verstehen, daß ich selbst geil wurde und dachte, daß es
am besten wäre, die Gelegenheit wahrzunehmen, denn
vielleicht würde ich so etwas nie wieder erleben. So
kindlich und dumm war ich, aber es war ja mein erster
Mann. Ich glitt also auf den Fußboden und stellte mich
dort auf die Knie, um dem richtig nahe zu kommen.
Er war nicht sehr groß und ziemlich dünn, aber was
mich am meisten frappierte und wovor mir zuerst
wirklich beinahe ekelte, war, daß er eine so enorm gro-
ße Eichel hatte. Ich konnte die Haut kaum zurück-
schieben, aber das war interessant, und es fing auch bei
mir zwischen den Beinen zu kitzeln an, als ich sah, wie
es darin zu zucken begann. Du weißt, so wie es einem
passieren kann, wenn man schläft und etwas richtig
Wollüstiges träumt.
Und da durchlief ich in dieser kurzen Zeit meine dritte
Verwandlung in meinem Innern. Es war mir schließ-
lich gelungen, die Vorhaut über die Eichel zurückzu-
schieben; so weit es nun ging, trotzdem sie an den

137
Rändern immer noch festsaß. Da sah ich an der Mün-
dung einen durchsichtigen Tropfen blitzen und hörte
mich im gleichen Moment sagen:
«Was für eine süße kleine Pistole du hast.»
Und damit steckte ich die Spitze in den Mund, genau
wie eine Pistolenmündung. Gleichzeitig suchte sich
meine andere Hand nach unten zu seinem Sack, als
wenn er ein Kolben gewesen wäre.
«Wo hast du denn deinen Abzug?» hörte ich mich so
deutlich sagen, wie ich konnte, und ich tat, als suchte
ich nach dem Abzug zwischen seinen Eiern. Ich kratz-
te mit den Nägeln, und da ... du verstehst... spritzte der
Bursche schneller als schnell direkt in meinen Mund.
Kannst du dir das vorstellen? Der kleine Lümmel pro-
duzierte Samen, obwohl sein Geschlecht noch bartlos
war! Ich war so erstaunt, daß ich einfach schluckte. Ich
kann dir versichern, es war ein richtiger Kübel voll, um
den sogar du ihn beneidet hättest. Dabei war der Junge
sicher noch mehr erschrocken als ich.
Nach dieser Episode hatte sie immer und immer wie-
der onaniert und machte es jetzt auch noch. Während
die Erinnerungsbilder unter den noch ungemalten Au-
genlidern vorbeizogen, hatte sie unbewußt den Körper
so gehoben, daß der gebräunte Bauch wie ein weicher,
rundgeschliffener Stein aus dem Wasser ragte und der
dunkle Haarbusch, so groß wie ein Fünf-Öre-Stück,
den sie einige Zentimeter oberhalb des Geschlechtsor-
ganes wie eine Richtmarke hatte stehen lassen, das
Fahrwasser der Finger von ihrem tiefen Nabel zur rei-
nen grotta azzura der Schenkel markierte. Sich in dieser
Erinnerung verlierend und sich zugleich angenehm

138
dessen bewußt, was sie machte, rollte sie mit den Fin-
gerspitzen die Kapsel vom Nabel nach unten zu der
rasierten Spalte. Hin und her und dabei extra genieße-
risch zögernd am empfindlichsten Punkt, um den sie
einen kleinen Kreis beschrieb. Und als sie sich daran
erinnerte, wie sie hinterher den Jungen vor dem Bett
zwischen ihren in einer Piratenhose gekleideten Beinen
stehen hatte und ihm half, das kleine Glied in die Hose
zu stecken und den Reißverschluß hochzuziehen, er-
schauerte sie:
Die Unbeholfenheit des Jungen nach dem Wunder,
das ihm gerade widerfahren war, erlebte sie als den
Höhepunkt. Sie, sie war Herr über das Geschlecht des
Mannes!
Die Kapsel zerplatzte, und ihr Körper vollführte einige
heftige peitschende Bewegungen nach den Seiten wie
ein verwundeter Tümmler. Dann sank ihr Hintern zum
Boden der Wanne nieder, und sie sah in betäubendem
Wohlbehagen, wie das Öl sich ausbreitete und zerfloß
wie die süßen, ruhigen Nachwehen in ihrem Bauch.
Ein Schein von Glück zog über ihr Gesicht, und sie
strich sich über die Brüste nach unten zur Taille,
dankbar gegen sich und die ganze Welt. Dankbar für
das, was sie erleben durfte, und das, was sie heute a-
bend erwartete und an allen kommenden Tagen.
Und mit dieser Stimmung, dem intellektuellen Abstand
zu sich selbst und der Umwelt, in Freud und Leid, die
so typisch für sie war und sie so attraktiv und doch in
ihrem Innersten unnahbar machte, deklamierte sie
plötzlich einen Vers, den sie früher am Tag in einer
Zeitung der vierziger Jahre gefunden und mit ihrem

139
Sinn für das Komische und Aparte sofort auswendig
gelernt hatte:
Silverpropp, der alte Graf, also zu den Seinen sprach:
brennt der Hunger euch im Bauch, dann - zum Henker
— spachtelt auch.
Es ist nie gut, hungrig auszugehen, dachte sie mit ei-
nem Lachen. Von neuer Unternehmungslust gepackt,
sprang sie auf und schloß das Ganze mit einer eiskal-
ten Abreibung ab. Sie trocknete sich ab und ging nackt
ins Schlafzimmer, wo sie sich auf dem schwarzen Ho-
cker vor den Spiegeln und Flaschen des Toilettentischs
niederließ.
Alle Schönheit nimmt im Innern ihren Anfang.
Es war unbeschreiblich, welche Zeit sie darauf ver-
wendete, ihren Körper in Ordnung zu bringen, diese
Frau, die noch vor einigen Monaten ein hochaufge-
schossenes und dünnes Mädchen mit einer hoffnungs-
losen Frisur und schlechtsitzenden Kleidern gewesen
war. Sicher, sie war populär unter den Kameraden und
war die Führende gewesen, aber in einem Haufen
langweiliger Mädchen, deren Tage in Bibliotheken und
Studierzimmern dahinflössen, verziert durch den einen
oder anderen Konditoreibesuch, wo ihr grelles Lachen
und Gekicher jeden Spekulanten auf ihre eventuelle
natürliche Schönheit in die Weite trieb. Yvonne war
sogar verlobt, aber mit einem bleichen Soziologiestu-
denten, der nicht nennenswert aus dem Rahmen fiel
oder die Stimmung zerstörte, wenn man im Frühling
mit gefüllten Kaffeekörben aus der Stadt bummelte,
um den Kuckuck zu hören, einen Namenstag oder
einen anderen Gedenktag zu begehen.

140
Daran und an vieles andere dachte sie, während sie
ihre Finger- und Zehennägel lackierte, ein kunstvolles
Augen-Make-up auflegte und mit dem elektrischen
Rasierapparat die Haare entfernte, die seit dem vorher-
gehenden Tag emporgesprießt waren, um die leckeren
und sinnvoll gefalteten Linien des Geschlechts zu ver-
wischen. Danach massierte sie eine wohlduftende
Hautcreme, die schnell absorbiert wurde, in die eben
behandelten Hautpartien und gab ihrer Klitoris, die
wie eine freche, rosafarbene kleine Zungenspitze stän-
dig zwischen den sinnlich blutgefüllten Lippen hervor-
kam, einen besonderen kleinen Klecks, bevor sie an-
fing, in den Fächern nach gerade den Schlüpfern,
Strumpfhaltern und Büstenhaltern zu suchen, von de-
nen sie glaubte, daß sie am besten zu ihrer zu Pfings-
ten so glücklich intensivierten Sonnenbräune passen
würden.
Ihre Verwandlung war im Nu geschehen. Sie war in
einem Hotelzimmer zustande gekommen, seinem und
ihrem, und oben in den Bergen der Kanarischen Insel,
wohin sie ohne ihren Verlobten zu einem dreiwöchi-
gen Osterurlaub gefahren war. Im gleichen Flugzeug
war auch ihr Chef gewesen. So wie Jerichos Mauern
durch einen Trompetenstoß zusammenstürzten, fiel
ihr Ideal der Treue, ja ihre ganze Lebensanschauung
vor seiner autoritativen Annäherung in Stücke.
Als er bereits am ersten «ganzen» Tag vormittags oben
in ihrer «Bergspalte» kurz unterhalb der Kuppe des
steil abfallenden Hanges, doch oberhalb der von der
Sonne verbrannten Olivenbäume und dem, so weit das
Auge reichte, klarblauen Atlantik sie mild hintenüber

141
auf den Boden legte, ihren Kopf auf seinem Jackett
und ihren Hintern über seinen Knien, und als die na-
türlichste Sache von der Welt ihren Rock hochzog und
sie von ihre Schlüpfer befreite ... und mit Daumen und
Zeigefinger der linken Hand die Schamlippen weitete,
daß die Strahlen der Sonne zum erstenmal auf sie fie-
len und in sie flössen wie Danaes Goldregen, war es,
als hätte er die Tore zu einer anderen Welt weit für sie
aufgestoßen. Und dann ... dann ... faßte er mit den
Fingern der anderen Hand, ohne die Sonne abzu-
schirmen, vorsichtig den langschmalen, freigelegten
Mittelknöppel an und dehnte ihn langsam und vorsich-
tig aus und nach unten und oben und nach den Seiten,
bis, bis ... Wie ein Federbogen schoß ihr Hintern hoch,
als es nur allzu schnell für sie ging. Ihr zierlicher Kör-
per stand in der Brücke mit dem Bauch unter seinem
Gesicht, nur auf die Schultern, den Nacken und die
Hacken gestützt. Aber er ließ nicht los. Der Hintern
sank zurück, und ihr Körper fuhr vornüber, um wie
ein Klappmesser zusammenzufallen über seinem Arm,
der nicht losließ. Und besinnungslos von den schwin-
delnden Nachwehen des Wollustkrampfs warf sie sich
ihm an den Hals, schnappte und biß wie ein Tier, wäh-
rend ihr Gesäß, seine Finger immer noch am Drücker,
auf und nieder gegen seine Knie schlug und er sie mit
der anderen Hand halten mußte, damit sie nicht herun-
terfiel.
Was für ein Unterschied zu dem monotonen Bauch-
an Bauch-Verkehr ihres Verlobten. Gewiß, er war ihr
nie schlecht bekommen, dachte sie, und war auch oft
genug vom Stapel gegangen, aber immer zu schnell

142
vorüber - um nicht zu sagen maschinell. Es war, als
wenn ein Schwanenmännchen ohne Einleitung auf
sein Weibchen gleitet, um dann einen Augenblick spä-
ter wieder ruhig ein Stück von ihr entfernt auf der
blanken Fläche zu schwimmen und seine unterbroche-
ne Beschäftigung wieder auf ... wenn nicht mehr oder
weniger, sind in einem einzigen Taschenbuch abge-
druckt, die Satzzeichen nicht mitgezählt. Eine halbe
Million!
Umgerechnet auf den Preis bedeutet das: Man be-
kommt etwa 1500 gemischte Buchstaben pro Pfennig.
Aneinandergereiht eine drei Meter lange Letternkette.
Das ist sehr preiswert, verglichen etwa mit den Buch-
staben auf einer Briefmarke.
Für die Zinsen eines einzigen Hundert-Mark-
Pfandbriefs kann man bei günstigem Kauf von Prosa
bis zu ca. 1 Million gedruckte Vokale und Konsonan-
ten erwerben, ca. zwei Kilometer Alphabetschnur. Bei
Lyrik sind die Stückzahlen entsprechend dem Versmaß
kleiner, besonders bei moderner Raumsparlyrik. zu-
nehmen: Sein eigenes Federkleid putzend, beobachtete
es unbeweglich und wachte darüber, daß kein Rivale
auftauchte und nachfeierte.
Als sie sonnengebräunt und in ihrem Auftreten voll-
ständig verändert nach den bislang glücklichsten drei
Wochen ihres Lebens, in denen die Orgasmen dicht
wie Perlen auf einer Kette gekommen waren, der eine
womöglich schöner und größer als der andere, nach
Stockholm zurückkehrte, war der Bruch mit ihm ganz
leicht gewesen. Sie ertrug es nicht länger, ihn oder ihre
Freundinnen zu treffen.

143
Bruchstücke angenehmer Erinnerungen zogen wie
Assoziationen vorüber, während sie im dunklen Glas
des Spiegeltischs den Effekt studierte, den der bour-
gognerote Strumpfhalter auf der sonnengebräunten,
schlanken Taille hervorrief und die vier langen, gefäl-
telten Strumpfbänder, die eines nach dem andern an
den ungewöhnlich langen, leicht hellgrünen und fest
gespannten Nylonstrümpfen festgemacht wurden.
«Heute spielen wir Tag der Schamlippenliebkosung»,
hatte er eines Morgens verkündet, als er hereinkam,
um sie zu einem Ausflug mit einigen anderen abzuho-
len. Und mir nichts, dir nichts zog er ihr vor der Spie-
geltür des Hotelschranks einfach den Schlüpfer aus
und steckte ihn sich in die Hosentasche wie ein Ta-
schentuch. Er ließ sie von allen Seiten ihr Bild betrach-
ten, ehe I er den weiten grünen Rock über ihre Blößen
fallen ließ. «Nur du ich wissen, wie du darunter aus-
siehst.»
Sie waren mit dem Fahrstuhl nach unten gefahren,
hatten die Portierloge passiert und die Touristen, die in
der Halle herumquirlten. Sie trafen sich mit ihrer Ge-
sellschaft. Draußen auf der sonnenwarmen Straße
schlug die Hitze wie aus einem Blasebalg kommend an
ihr hoch wie eine schamlose Berührung. Auf dem
Rücksitz schlug sie selbst spontan den frisch gebügel-
ten Rock hoch, damit er nicht zerknittern sollte. Das
war ein gefährliches Spiel, aber die anderen hatten
nichts bemerkt. Nur er. Nur sie und er wußten, daß sie
nackt mit der bloßen Haut auf dem brennend heißen
Ledersitz unter dem sittsam ausgebreiteten Rock da-
saß, während man über dies und das sprach, rauchte

144
und die rasch vorbeigleitende Wüstenlandschaft auf
dem Wege nach Mas Palomas genoß. All das schuf
eine herrliche Verbundenheit zwischen ihnen.
Sie erinnerte sich daran, wie sittlich empört ihr Verlob-
ter war, als er sie einmal ertappt hatte, wie sie sich
selbst befriedigte. Er dagegen sah gerne zu, um zu ler-
nen, wie er gerade sie zu berühren hatte. Und es konn-
te schon passieren, daß sie es auch jetzt noch tat wie
eben. Aber nicht aus denselben Gründen wie damals,
sondern so, wie man noch einmal von seinem Lieb-
lingsgericht nimmt, obgleich man satt ist, aber man
sitzt noch am Tisch, und da...
Oder:
Wie wenn man den denkbar kleinsten Miniaturradio-
apparat zwischen den Beinen hat, der, wenn man nur
an den Knopf kommt, so gut wie pausenlos - und dazu
kostenlos! - Musik spielt, die man liebt. Man empfindet
es wie Geigenklänge unter der zarten Haut, während
man mit geschlossenen Augen in sich schaut, in das
Wunderland, und dabei seine erotischen Lieb-
lingsphantasien herbeizaubert. Es ist wie Aladins
Wunderlampe, die einen, wenn man sie rieb, zum
Herrscher der Welt machte - oder zur Herrscherin.

Die ganze kleine Mädchenbande


kann's wie Alice im Wunderlande.
Na, mein kleiner Affe, du,
Mäulchen auf und Augen zu,
lutsch am geliebten Daumen. Und:
Tummetott und Slickepott
machen dich so himmlisch flott,

145
Langeman und Guilebrand
werfen dich zum Himmelsrand
kleine Vicke Vire,
hei! jetzt hat... sie ... ihre!

Er erfindet viele und lustige Verse, dachte sie zärtlich.


So. Das Wunderwerk war vollendet: Ein weinroter BH
im gleichen Ton wie der Strumpfhalter auf der son-
nengebräunten Haut und als Kontrast dazu ein mini-
maler Schlüpfer in phosphoreszierendem Lindgrün.
Mit eingezogenen Lippen, damit der Lippenstift nicht
an den Stoff kommen sollte, zog sie ihr grünes Kleid
an, das sie ungeniert vom Balkon geholt hatte. Sie
machte ein paar letzte Korrekturen, ging ins Bad, um
das Fenster zu schließen und das Licht auszumachen,
und sah dabei ein letztes Mal den Bürochef mittleren
Alters - denn es war ein quicklebendiger solcher in der
Gehaltsklasse 27 -, der immer noch am Geländer des
Balkons stand, als hätte er noch nicht ganz die Hoff-
nung auf ein zweites Bad aufgegeben. Unbarmherzig
flog das Fenster zu, und summend verschwand sie die
Treppen hinunter.
Die milde Abendluft schlug ihr entgegen, und die be-
wundernden Blicke der Männer trafen sie. Die Erinne-
rung an das, was ihr der Toilettenspiegel gezeigt hatte,
ließ sie ihren Körper unter dem dünnen Kleid als eine
schon nackte, freche Statue aus glänzendem sonnen-
braunem Marmor erleben, die in eng anliegende Un-
terwäsche gekleidet war, die ihre geschlechtlichen De-
likatessen eher entblößte und betonte als verbarg.

146
«Wohin sind diese schönen Beine heute abend unter-
wegs?»
«Ins Kino, wenn nichts dazwischenkommt.»
Der kurze Weg zwischen den beiden Wohnungen war
hinreichend lang und belebt, daß er von ihr als ein
leicht berauschender und stimulierender Aperitif erlebt
werden konnte. Sie sah, was die Männer dachten, wel-
che Vorstellungen sie in ihnen weckte. Das erfüllte sie
mit Zuversicht. Sie war eine Priesterin der Liebe auf
dem Weg zur Vollkommenheit.
Auf dem Weg, auf einem Mittagstisch der Liebe ver-
speist und genossen zu werden, nachdem sie wie ein
leckeres Schaltier geöffnet und ihrer schützenden
Schale beraubt worden ist. Die grell leuchtenden engen
Kleider aus synthetischem Material wie ihres waren in
diesem Jahr die besonderen Paarungssignale zur Liebe
bereiter junger Mädchen geworden.
Körper, Körper, Menschenkörper, dachte sie, nackt,
weiß, leuchtend und braun unter den Kleidern. Sie
waren nichts anderes als Instrumente der Wollust. Und
ihre letzte Lieblingsvorstellung kam ihr in den Kopf:
Sie sah sich selbst, durch das Sonnenlicht verherrlicht,
die tausend Stufen einer Tempeltreppe emporsteigen,
nur mit einem der leckersten Dessous bekleidet, das
alle die lustvollen, erotischen Attraktionen des Flei-
sches enthüllte. Sie schritt immer höher. Mit unkeu-
schen, herausfordernden, langsamen Schritten, wie
wenn eine Stute mit den Vorderbeinen tanzte, so stieg
sie immer höher in das Unendliche, um sich dann, o-
ben angekommen, vor den Blicken der Masse auf den
niedrigen, schmalen Altar vor dem unerbittlich harten

147
Steingesicht des Liebesgottes heben zu lassen. Sie liegt
dort, des letzten schützenden Kleidungsstücks beraubt,
bereit, sich vom Hohenpriester besteigen zu lassen.
Oh, um weit, weit unter sich das keuchende Atmen der
Volksmenge zu hören, wenn sie zum Zeugen der stell-
vertretenden Kopulation wurde und in der klaren Luft
das gewaltige Glied des ebenholzfarbenen Nubiers wie
einen schwarzglänzenden Kolben zwischen ihre wei-
ßen, zurückgebogenen, zierlichen Schenkel eindringen
sah. Die Menge wurde Zeuge, wie mit einem festen
Griff um die Fesseln und Knie sie durch vier ebenso
nackter Nubier in ihrer Stellung festgehalten wurde.
An jeder Seite standen zwei der vier mit erhobenem
Geschlecht und festen Säcken, die sie während des
Liebesaktes träumend und nahezu zerstreut abwech-
selnd liebkoste und streichelte, gleichsam auf die Art
das Gewaltige, das da unten zwischen ihren Beinen
geschah, kanalisierend.
Der Hohepriester hatte nicht so auf ihr zu liegen, daß
sie verdeckt war. Nein, er hatte so zu stehen, daß sie
seinen breiten Torso zwischen ihren erigierten Brust-
warzen und den unkeusch geöffneten Beinen sehen
konnte. Und in rhythmischen, sagenhaften Kadenzen
würde sein mächtiger Stab aus- und einfahren zwi-
schen ihren weitoffenen, lachsfarbenen inneren
Schamlippen, die bis zum Zerreißen ausgedehnt waren
und von ihrem kristallklaren Sekret des Genusses
schimmerten und widerwillig und gierig zugleich nach-
gaben. Sie umschlossen und nahmen entgegen, entlie-
ßen und nahmen auf die von heiliger Paarungslust öl-
glänzende Röhre des fremden Zyklopenauges. Lange,

148
lange würde der Akt dauern. Lange, lange. Und dann
der Ausstoß!. ..
Als sie in dem kühlen Fahrstuhl den Knopf zu seiner
Etage drückte, fuhr es wie ein Schauer der Erwartung
an der Innenseite
ihrer Schenkel unter den straffgespannten hellgrünen
Nylonstrümpfen entlang und verschwand in den wei-
ßen Stiefeln mit den flachen Absätzen. Sie sah in dem
dunklen Spiegelglas in ihr erhitztes Gesicht:
Seh ich wirklich so geil aus, dachte sie, so schamlos!
Aber es wird herrlich werden, herrlich, herrlich, mur-
melte sie im nächsten Augenblick. Ich bin gespannt,
was für eine Überraschung er sich ausgedacht hat.
Eine korrekt schwarzgekleidete Haushilfe mittleren
Alters mit einem biederen Knoten im Nacken kam
und öffnete. Sie war erstaunt und einen Moment ein
wenig enttäuscht.
Würden sie nicht allein sein?
Aus dem Salon seiner großen, altmodischen und ge-
erbten Wohnung hörte sie einen Augenblick später
Männerstimmen und Lachen.
Ihre Verwunderung und ihre Enttäuschung wuchsen:
War das eine hochoffizielle Party, in die sie kam? Die
Haushilfe verließ sie in der Tür und verschwand in der
Küche. Sie mußte allein hineingehen.
Fünf Männer erhoben sich gleichzeitig. Ihr Chef löste
sich aus der Gruppe und kam ihr schnell über den ech-
ten Teppich entgegen.
«Willkommen, Geliebte.»
Er küßte sie.

149
«Ich hoffe, du verzeihst mir, daß wir hier schon bei
einem Drink versammelt sitzen. Aber da eine schöne
Frau wie du nicht einmal das Risiko, warten zu müs-
sen, eingehen soll, hatte ich meine Freunde gebeten,
eine halbe Stunde früher zu kommen. Es ist so lustig,
weißt du, als ich gegen zwei aus Göteborg zurückkam,
wußte ich noch nicht, wen ich zu unserer Verlobungs-
feier einladen sollte.» Er zog ein Etui aus der Tasche
und streifte ihr gewissermaßen im Vorbeigehen einen
Ring auf den Finger. Sie reichte ihm ihren, der ohne
Etui auf dem Boden ihrer kleinen Abendtasche zwi-
schen Lippenstift, Zigarettenetui und dem Hausschlüs-
sel lag. Sie gaben sich einen flüchtigen Kuß, und nach-
dem diese Formalitäten erledigt waren, sagte er:
«Daß es meine nächsten Freunde sein sollten, stand für
mich natürlich die ganze Zeit fest, aber wie in aller
Welt sollte ich sie in diesem göttlichen Sommer-
Stockholm erwischen. Aber kannst du dir denken, ich
hatte fast überall Glück. Es zeigte sich, daß sie alle an
diesem Abend Strohwitwer waren und nichts Besonde-
res vorhatten. Nur Mark und Gösta konnten nicht
kommen, selbst wenn ihre Frauen sie sicher gerne aus-
geliehen hätten, aber die beiden sind in Amerika. Darf
ich dich bekannt machen...»
Ihr Blick wanderte über die vier ihr noch unbekannten
Männer, die sie, mit Sherrygläsern in den Händen, lä-
chelnd umringten, um zu gratulieren. Und sie begriff,
warum ihr ihre Gesichter so bekannt vorkamen: Kei-
ner von ihnen war ja direkt unbekannt! Da war der
berühmte Regisseur mit seinem martialischen Bart, der
Kulturredakteur der verketzerten Abendzeitung, der

150
Wissenschaftler, dessen Kommentare in Svenska
Dagbladet sie auszuschneiden pflegte, um sie in die
Sammlungsbücher des Instituts zu kleben, weil seine
Themen oft über das Nationale hinausgingen. Und da
war der liederliche Verfasser von Pornogra-
phiebüchern - von anderem einmal abgesehen -, des-
sen Begrüßungsworte an alle Mädchen, die einigerma-
ßen aussahen, lauteten, wie man sagte:
«Willst du die Freundin meines Penis werden?»
Eine Gesprächseinleitung, die ihm dem Klatsch zufol-
ge zu vielen Ohrfeigen und noch mehr Geschlechts-
verkehr verholfen hatte.
Ihr Verlobter hatte ihr oft von ihnen erzählt, und sie
hatte schon lange gewünscht, sie kennenzulernen. A-
ber warum gerade heute abend???
«Ich habe euch bereits ihre geistigen und körperlichen
Vorzüge gepriesen», fuhr er fort, den Arm um ihre
Schultern gelegt, nachdem er ihr von irgendwoher ein
gefülltes Sherryglas gereicht hatte. «Was die letzteren
angeht, so seht ihr bereits, daß ich nicht übertrieben
habe. Ich bin überzeugt, daß sie das Band werden
wird, das uns, wenn möglich, noch fester als bisher
vereinen wird. Prost, Geliebte, auf ein denkwürdiges
Verlobungsfest. Sicher erwarten wir sehr viel von dir,
aber du kannst auch viel von uns erwarten.»
Als wenn sie schon nackt vor diesen fünf Herren im
Smoking
und ihren erhobenen Sherry gläsern dastand, schlug sie
unfreiwillig errötend die Augen nieder. Ihr erstes Ge-
fühl war, vor Scham tot in den Boden zu sinken, weder
ihn noch seine Freunde je wiederzusehen und nie

151
mehr zur Arbeit zu gehen. Es war ja noch nicht so
viele Monate her, daß sie noch eine unerfahrene Stu-
dentin zwischen anderen war. Jemand, der seine meiste
Zeit in Vorlesungen, Museen, Seminaren mit anschlie-
ßendem Konditoreibesuch verbrachte.
Ich finde, so behandelt man eine DAME nicht, fuhr es
ihr durch den Kopf. Gleichzeitig fragte sie sich tief in
ihrem Innern und weit, weit weg, woher sie plötzlich
das Wort DAME nahm, ein Wort, das sie nicht einmal
im Traum für sich selbst zu gebrauchen gedacht hatte.
Ihr semantischer Sinn reagierte blitzschnell, und sie
bekam Abstand. Es gibt keine lächerlichen Situationen,
dachte sie, nur alberne Mädchen. Sie hatte nicht die
Absicht, Teufel noch mal, lächerlich aufzutreten. Im
nächsten Augenblick erweckte das Wort Dame gewisse
mit Wollust gefüllte Assoziationen in ihr. Eine DAME
und fünf HERREN. Und sie spürte das heftige Klop-
fen des Geschlechts hinter dem enganliegenden Zeug
zwischen den Beinen, als würde die Hauptschlagader
eben dort verlaufen. Sie war verraten.
Langsam kam sie wieder zu sich, wie nach einer Ewig-
keit, wie sie glaubte. Aber alle standen noch dort und
um sie herum. Und ohne ihren Blicken auszuweichen,
begegneten sie ihrem Lächeln, und sie hörte sich selbst
mit leiser, aber fester Stimme sagen:
«Meine Herren ... zu Ihren Diensten ... und zu meinen]»
Sie führte das Sherryglas an die Lippen und leerte es.
«Und jetzt zu Tisch!»
Er nahm ihr leeres Glas entgegen, die anderen stellten
ihre ab, und zwischen den eben geöffneten Doppeltü-
ren ging man in den Speisesaal, wo sie den Ehrenplatz

152
am oberen Ende der Tafel einnahm, nahe den altmo-
disch kleinen Fensterscheiben des Erkers. Er selbst saß
ihr gegenüber in der Nähe der Türen, durch welche
jetzt die Haushilfe mit einer wohlduftenden Hummer-
suppe hereinkam, in der extra große Stücke von
Krebs- und Hummerschwänzen in seliger Nacktheit
herumschwammen.
Gott, welch schöner Speisesaal, dachte sie, und ihre
Augen wanderten über die kostbaren Ledertapeten, die
Ölgemälde an den Wänden und die Graphik ... der
Triumphbogen in Rom, das Colosseum ... den schwe-
ren Renaissanceschrank an der rechten Längswand
gegenüber den noch geschlossenen Doppeltüren zur
Bibliothek, die venezianische Kristallkrone an der De-
cke...
Zuerst war sie etwas schüchtern und still, aber mit
Rücksicht auf die Haushilfe war die Konversation
neutral. Man diskutierte die letzte Beppe-Wolgers-
Premiere, Tage Danielssons und Hasse Alfredssons
Herbstpremiere im Dramaten, den Leitartikel des Ta-
ges, und natürlich auch ein gut Teil Berufsklatsch wur-
de abgehandelt. Aber da alle verschiedene Berufe hat-
ten, bestand keine Gefahr, daß man sich in Details
verlor. Sie fand das Ganze plötzlich spannend. Das
Essen war gut und die Weine ausgezeichnet, obgleich
alle, vermutlich mit Rücksicht auf das, was kommen
sollte, äußerst maßvoll tranken. Sie ertappte sich plötz-
lich dabei, daß sie sehr neugierig auf das war, was
kommen sollte. Die Burschen waren wirklich nett. Sie
vergaß ihre erste Schüchternheit und stürzte sich mit

153
Leib und Seele ins Gespräch. Herrgott, sie sprachen ja
bloß von Dingen, die sie doch auch interessierten.
Und sie hörten zu, wenn sie etwas sagte!
Sie war nicht gewohnt, bei fremden und ihr neuen
Menschen auf eine solche Aufmerksamkeit zu treffen.
Sie fühlte, daß sie sich an diesem Abend selbst über-
treffen könnte, wenn es nun notwendig wäre, Eindruck
zu machen. Aber die Gesellschaft war so leicht und
unbeschwert, als hätten sie seit eh und je zusammen
auf dem gleichen Hof gespielt.
Genau das, dachte sie, als hätten wir immer auf dem
gleichen Hof gespielt.
Vielleicht war das das Geheimnis mit ihm und seinen
Freunden, überlegte sie weiter, daß sie alles so natür-
lich nahmen. Sie kannten sich so lange, daß sie es nicht
nötig hatten, sich zu verstellen oder voreinander zu
brillieren. Außerdem hatten sie alle verschiedene Beru-
fe und brauchten sich nicht als Konkurrenten zu se-
hen. Sie tauschten ihre Erfahrungen privat aus. Und
viel-
leicht fanden sie, daß es ab und zu lustig war, gemein-
same Erlebnisse zu haben wie heute abend. Erlebnisse.
Das Wort führte sie in die Realität zurück. Wenn nicht
noch das Echo seiner Begrüßungsworte in ihren Oh-
ren klingen würde: «Sie hätten sicher gerne ihre Män-
ner ausgeliehen» und: «Wir erwarten viel von dir, aber
du kannst auch viel von uns erwarten», so hätte es jede
x-beliebige Gesellschaft sein können. Ein paar Herren
zuviel, gewiß, aber...
Ein Verdacht schlug wie der Blitz ein:

154
So ungezwungen, wie sie auftraten... vor dem, was
kommen sollte ... konnten sie wohl nicht sein, wenn sie
nicht schon früher etwas Ähnliches erlebt hatten.
Wenn nun ... sie waren ja alle verheiratet, außer ihm...
wenn nun deren Frauen ... eine nach der anderen, in
ihre Gemeinschaft aufgenommen worden waren nach
den Riten... den Riten ... die auf sie warteten. Sie hatte
zwar keine Ahnung, was es war, was sie erwarten könn-
te, aber besonders viel Phantasie brauchte man wohl
nicht, um sich auszurechnen, daß es sich um eine Art
Einweihung handeln mußte, einen verfeinerten Polter-
abend auf dem Öfvre Östermalm unter lauter Herren
im Smoking. Und nur eine einzige kleine Dame im
Minikleid.
Das Placement ließ sie plötzlich an ihre letzte Lieb-
lingsphantasie denken ... und wer war es übrigens, der
sie ihr eingegeben hatte?
Hinter sich hatte sie ... ja, und auf beiden Seiten neben
sich zwei schöne, gut gewachsene Männer und ihr ge-
genüber, über dem weißen Damasttischtuch, der breite
Torso, der breite Torso ...
Sie merkte, wie ihre Brustwarzen im BH erigierten und
überraschte sich selbst dabei, daß sie sich nach dem
Ende der Mahlzeit sehnte. Gleichzeitig konnte sie ab-
solut nicht begreifen, wie die ganze Veranstaltung mit
einer alten, dem Aussehen nach got-tesfürchtigen
Haushilfe möglich sein sollte. Aber das war wohl seine
Sache.
Als er sich beim Kaffee erhob und in die Küche ging,
dachte sie, jetzt bezahlt er sie wohl und schickt sie weg.
Weit entfernt hörte sie in der Wohnung eine Tür zu-

155
schlagen ... war das die Außentür? Sie zitterte. Schön,
dachte sie, jetzt werden sie wohl bald anfangen.
«Ja, jetzt sind wir allein», verkündete er einige Sekun-
den später aus der Tür zur Bibliothek. Er muß von der
Diele dorthin einen anderen Weg gegangen sein, fuhr
es ihr durch den Kopf. «Darf ich bitten, näher zu tre-
ten.»
Auch wenn sie sich eben noch nach einer Veränderung
des Bildes gesehnt hatte, fühlte sie sich jetzt plötzlich
schwach in den Knien, als sie sich erhob und ihr Kava-
lier ihren Stuhl zurückzog. Auf schwankenden Beinen
ging sie vor den anderen durch die geöffneten Türen.
Und schon in der Tür zog sie hastig an ihrer eben an-
gezündeten Zigarette.
Der niedrige, schmale Bibliothekstisch, den sie immer
wegen seiner schönen, aber kraftvollen Linien bewun-
dert hatte, stand nicht an seinem gewohnten Platz bei
der Sofagruppe vor dem Kamin, sondern im rechten
Winkel zu der hinteren, ganz mit Bücherregalen be-
stellten Schmalwand, wie ein Altar unterhalb der erlo-
schenen Scheibe des in die Bücherwand eingebauten
Fernsehgerätes.
Er stand bereits dort, ruhig und sicher.
«Ich sehe deinen dunklen Augen an, daß du bereits
begriffen hast, worum es geht. Du brauchst keine
Angst zu haben, Geliebte, es wird nicht weh tun.»
Sie reichte ihre Zigarette dem ihr am nächsten stehen-
den der Männer und ging ruhig an die vordere Schmal-
seite des Tischs. Die schweren Draperien vor den
französischen Fenstern zum Balkon waren zugezogen,
aber brennende Kerzen an sorgfältig gewählten Stellen

156
ließen die prachtvollen Möbel des Raums beseelt wir-
ken, Bücher, Bücher und noch mal Bücher. Und dann
diese Männer... und dieser Tisch, dachte sie. An diesem
Abend war er mit einer an allen Seiten bis zum Boden
herabhängenden schwarzen Seidendecke verhüllt.
Das letztere dachte sie, als man sie auf den Tisch hob
und sie die Knie auf die Kante des Tischs stützte. Die
Unterlage war weich, gab aber trotzdem nicht zu sehr
nach.
Dann legte man sie auf den Bauch und schob ihr ein
ebenso
schwarzes Samtkissen dicht unterhalb ihres Magens
unter. Mit der Wange lag sie auf einem kleineren Kis-
sen, und die Hände waren kindlich über dem Kopf
zusammengelegt, die Augen geschlossen, als wenn sie
schlief.
«Dieses kleine Mädchen hier», begann er und strich ihr
Kleid über den Kniekehlen zurecht, «ist 24 Jahre alt,
161 Zentimeter groß und wiegt nur 44 Kilo. Sie ist
klein und nett, und mit ihrer niedlichen Frisur erinnert
sie uns vielleicht manchmal an ein Mädchen, verkleidet
in einen Prinz Valiant des Märchens.»
Sie merkte undeutlich hinter ihrem Rücken, wie sich
die Anwesenden versammelten, ihre Lider zitterten, als
wenn sie sich öffnen wollten, aber sie blieben ge-
schlossen.
«Gerade durch ihre Zerbrechlichkeit bringt sie uns
Männer dazu, unsere edelsten Eigenschaften zu zei-
gen», fuhr er fort. «Sie weckt unsere Beschützerinstink-
te, unsere Sehnsucht zu geben und zu verwöhnen, aber
auch unsere Neugier.

157
Wie kann ein solch kleines Wunderwerk des Herrn
wohl darunter aussehen, denken wir, wenn wir sie bei
der Arbeit sehen, ganz beschäftigt, als wäre das alles
auf dieser Welt; oder wir treffen sie auf der Straße, auf
dem Weg zu irgend etwas, immer auf dem Weg, nur
auf dem Weg; gleichgültig uns gegenüber, denn sie
kennt uns nicht und kümmert sich nicht im geringsten
darum, was wir denken oder von ihr halten; oder wir
hören ihr klingendes Lachen im Kino, kurz bevor das
Licht erlöscht, und wir sehen für einen Moment ihr
feingezeichnetes Profil einige Plätze weiter, ihre Sil-
houette, ihren Hals, und wir kommen kaum dazu, zu
denken: Was ist das für ein glücklicher Knabe, dem es
gelungen ist, sie mit sich zu locken? Und unter wel-
chen falschen Vorspiegelungen? Teufel noch mal, wa-
rum haben es andere immer besser als ich! Und dann
trennt uns schon unbarmherzig die Dunkelheit, und
wir versuchen vergeblich, uns auf einen Film zu kon-
zentrieren, der uns nicht länger wichtig ist.
Wie kann ein solch kleines Wunderwerk des Herrn
wohl darunter aussehen, hörte sie ihn nach einer kur-
zen Pause wiederholen. Sie spürt, wie jemand ihren
Nacken umfaßt und wie die Hand, wem sie nun gehö-
ren mag, nach der kleinen Öse des Reißverschlusses
faßt und sie langsam über den Rücken hinabzieht, über
den schmalen, querlaufenden weinroten BH-Knopf,
wie andere Hände die Kanten des Kleides wie mit Pin-
zetten anheben und auseinanderziehen und mehr und
mehr des braungebrannten Rückens, der tiefen, längs-
verlaufenden Spalte entblößen. Weiter und weiter öff-
net sich der Reißverschluß, eilt wie ein Kitzeln über

158
den weinroten und fast ebenso schmalen Strumpf-
halter, jetzt kommt eine Wölbung, die Haut wird hel-
ler, und man ahnt bereits ein paar tiefe Grübchen, als
der Reißverschluß zu Ende ist. Sie hört sie fragen, ob
sie etwa gar keine Schlüpfer anhat, aber sie schweigt,
streckt sich nur und denkt träge: Wollen sie mich so
untersuchen, bitte sehr. Es ist, als wenn ich die ausge-
suchteste Kostbarkeit, das edelste Kleinod wäre.
Ihre Gespräche und Stimmen projizieren Bilder von
beinahe halluzinatorischer Intensität in ihren Augen.
So wie sie daliegt und spürt, wie man sich mit ihr be-
schäftigt, sieht sie gleichzeitig, wie die anderen sie se-
hen.
«Dann müssen wir es von der anderen Seite versu-
chen.»
Gleich darauf greift einer oder greifen mehrere unten
nach ihrem Kleid, ziehen es nach den Knien, daß sie
spürt, wie der glänzende Stoff über den noch dünne-
ren Schlüpfer am Hintern spannt, der durch das unter
den Bauch geschobene Kissen direkt unanständig
hochsteht. Und dann gleitet der Saum langsam an den
Schenkeln hoch unter einem gleichmäßigen, feder-
leichten Druck an die nahtlosen, hart gespannten
Strümpfe. Das geschieht mit einem behaglichen Kitzel,
daß sie beinahe sieht, wie gradweise die Entblößung
ihres Allerheimlichsten fortschreitet.
Nein, es kann nicht das erste Mal sein, daß sie so etwas
machen, dachte sie wie betäubt.
Die lockenden Linien der zierlichen Beine von der
dunkelgrünen Kante der weißen Stiefel an der Wade
werden länger und länger, die tiefen Grübchen der

159
Kniekehlen sind ebenso weit von der Kante des Rocks
wie vom oberen Rand der Stiefel entfernt, als die
Strümpfe endlich in ein immer dunkleres Grün überge-
hen, bis sie dann plötzlich die vorquellende, einen De-
zimeter breite Nacktheit des Schenkels entblößen.
Noch steht sicherlich ein Stück aus, ehe man sich ver-
gewissern kann, ob sie ohne
Schlüpfer ausgegangen ist oder nicht, aber man muß
den Griff wechseln, denn die Schenkel...
An den weinroten Strumpfbändern entlang gleitet
dann der Rock nach einer Pause weiter, langsam und
mit Mühe, denn der Zwischenraum zwischen Haut
und Stoff wird immer geringer, vorbei an der pikanten
Impfnarbe auf dem linken Schenkel; man kann bereits
weißere Partien sehen, wo die Sonne nicht durch den
Bikini dringen konnte, bis der gewölbte Hintern plötz-
lich enthüllt und besiegt freiliegt, während der Rock
sich um die schmale Taille faltet.
«Oh», ruft jemand aus. «Das ist der frechste Schlüpfer,
den ich je gesehen habe.»
Er spannte sich und war in die tiefe Spalte zwischen
den elastischen, warmen und weichen Halbkugeln ge-
glitten, wo er wie bei einer Stripteasetänzerin als
schmaler Faden zwischen den Beinen verschwand. Sie
fühlte, wie eine Hand die Finger an den Kanten ent-
langgleiten ließ, als wollte sie sie zurechtziehen. Sie
öffnete unwillkürlich die Schenkel, damit er besser
herankomme. Das war wunderschön, ja, göttlich
schön!
Ein paar andere Hände griffen gleichzeitig in die fä-
cherförmige Oberkante des Schlüpfers und zogen ihn

160
schnell und energisch herunter, wie wenn man eine
Statue enthüllt oder als wenn man seine Neugierde
nicht länger beherrschen konnte. «Ach, du hast ja
Lachgrübchen da», hörte sie eine Stimme voller Be-
wunderung ausrufen. Gleichzeitig half sie schamlos
eifrig dabei, den Schlüpfer von den Knien und Stiefeln
loszubekommen. Im nächsten Augenblick spürt sie,
wie jemand mit dem Zeigefingernagel das gleichseitige
Dreieck von Grübchen zu Grübchen auf ihrem Hin-
tern nachzeichnet und nach unten zu der Stelle, wo die
vertikale Spalte zwischen den beiden Schinken von
einem lieblichen Talgang oder einem Hochplateau in
eine steil abfallende Schlucht übergeht, und wieder
zurück. Wieder und wieder, bis sie nicht länger mehr
die verschiedenen Arten erregender Schauer, die ihren
Körper durcheilen, unterscheiden kann.
Die eine Kitzelung des Geschlechts gleitet über in die
andere, fließt zusammen, sie scheinen aus allen Rich-
tungen ihres Körpers zu kommen und sich zwischen
ihren zuckenden Schenkeln zu vereinen. Hände strei-
cheln ihren Nacken, gleiten über die Schulterblätter
nach unten auf die Brüste, nach oben über den Rü-
cken, das Rückgrat hoch und hinunter bis zwischen die
Schinken, die Waden, die Schenkel. Nein, sie hielt es
nicht aus, sie mußten etwas mit ihr machen, in sie ste-
cken, sie aufbrechen, dehnen, zersprengen, ja, was
auch immer!
Jemand mußte ihr den BH und das Kleid ausgezogen
haben, aber sie lag immer noch auf dem Bauch, nur
mit Strümpfen, Strumpfhalter und Stiefeln bekleidet.
Oh, wenn sie sich nur umdrehen durfte, schrie es in

161
ihr. Sie wollte sich vor ihnen zur Schau stellen, die
Beine aufsperren, frech und unwiderstehlich sein.
«Fühl, wie weich sie hier ist.»
«Wie glatt sie ist.»
«Seht mal, was für Gänsehaut sie auf ihren glatten
Schinken bekommt, wenn ich sie hier kitzle.»
«Ja, beinahe wie Windstöße auf der Bleiche.»
«Nein, jetzt drehen wir sie um.»
Und ehe sie das Wort richtig begriffen hatte, lag sie da,
keuchend und mit roten Wangen, auf den Rücken ge-
dreht.
Sie fand kaum Zeit, die Augen rechtzeitig zu öffnen,
um ihre Reaktion auf den Anblick ihres rasierten Ge-
schlechts zu sehen. Sie sah, wie sie stutzten und die
Hände beinahe augenblicklich dorthin fuhren, und sie
wurde von einer ungeheuren Lust erfüllt, daß sie selbst
das kleine noch vorhandene Haarbüschel ergriff und
nach oben zum Nabel zog, um so die Spalte zu verlän-
gern und Platz für mehr Finger zu schaffen. Wie ein
Muttertier lag sie auf dem Rücken mit gespreizten Bei-
nen da, wie ein Muttertier, das seine blind und gierig
schluckenden Jungen säugt, während immer lauter
werdendes Stöhnen der Zufriedenheit über ihre Lip-
pen kam, als sie spürte und hörte, wie die Finger taste-
ten und suchten und beinahe wie Ferkel im Futter her-
umstiegen. Man zog die Schamlippen auseinander und
steckte die Finger hinein, bohrte herum. Sie zog Gri-
massen und stöhnte vor Wollust, sie spreizte die Beine
und kniff sie wieder zusammen und begann den Kör-
per hin und her zu werfen.

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«Lieg still», sagte jemand. «Sonst können wir dich nicht
streicheln. »
«Nein, ich kann nicht, es ist so ... oh ... herrlich, herr-
lich ... es geht bald ... ohhh ...»
«Bist du sicher?» fragte jemand.
«Ja», keuchte sie vor Geilheit vergehend. «Ich spüre es
bis in die Fersen.»
Und einen Augenblick später: «Nein, nein, nehmt nicht
die Hände weg!»
Die Liebkosungen hatten wie auf ein Signal aufgehört.
«Warum habt ihr aufgehört?» wimmerte sie und war
dem Weinen nahe.
Aber niemand antwortete.
Stattdessen wurden ihre Hände ergriffen, und man
hielt sie zusammen und zog sie, an den Handgelenken
fassend, hinter ihrem Kopf auf den Tisch. Gleichzeitig
bog man ihre Schenkel zurück und zog den Körper
nach vorn, so daß der Hintern wie die runde Seite ei-
nes Eies gerade eben über die vordere Schmalseite des
Tischs hinausragte. Instinktiv öffnete sie die Augen,
um zu sehen, was man mit ihr vorhatte, und sie sah
ihre angewinkelten, mit Strümpfen bekleideten Beine
und die schwarzen Absätze der weißen Stiefel, die auf
den gespannten Außenseiten der nackten Schenkel
ruhten, als jemand sagte: «Du mußt die Augen zuma-
chen.»
Das tat sie und spürte, wie jemand ihre Fesseln umfaß-
te und sie anhob, so daß die Beine schräg zur Decke
hoch zeigten. Die Schenkel wurden noch mehr ausei-
nandergezogen. Und jetzt begannen die Hände aufs
Neue ihr ungeniertes Hin- und Herspiel auf der ent-

163
blößten, wehrlosen Vorderseite, ebenso plötzlich, wie
sie vorhin aufgehört hatten, aber nach einem neuen
System.
Sie wanderten von Brust zu Brust, kniffen sie leicht
und drückten sie, mal beide auf einmal, mal nur eine,
massierten sie, rieben leicht an den steifen Brustwar-
zen, von denen sie wußte, daß sie lang und rot wie Zit-
zen waren. Sie wurden so fest und bestimmt gemolken,
als wollte man aus ihr den letzten Widerstand, den es
noch gab, herauspressen. Inzwischen strichen andere
Hände von den straff sitzenden Strumpfkanten über
die entblößten Schenkel nach unten zum Geschlecht
und dann zu rück nach oben an den Leisten, feder-
leicht tastend und kitzelnd, wo immer sie hinkamen.
Nur die Klitoris berührten sie nie.
Sie begann wieder zu stöhnen, lauter und lauter, und
immer öfter ihre Lippen mit der Zungenspitze anzu-
feuchten. Aber als man merkte, daß sie stillag, wurden
ihre Handgelenke losgelassen, und man begann statt
dessen ihre Wangen zu streicheln, ihre Stirn, ihr Haar,
ihre geschlossenen Lider, ihre Ohren, ihren Nacken,
ihren Hals und ihre weichen Armhöhlen. Wie Elms-
feuer schwebten und strichen diese Fingerspitzen über
die gespannte Haut, über alle erogenen Zonen des
Körpers. Wie ein zierliches, nacktes kleines Rehkitz lag
sie zur Lust aufgebahrt da, während Zuckungen der
Süße wie Ströme unter ihrer Haut ihre Bahn zogen.
Dann, plötzlich, fand irgendwo eine Veränderung statt,
aber sie wußte nicht, wo oder worin sie bestand. Ein-
geschlossen in ihren Genuß, hat alles außer dem, was
sich in ihr zusammenzuziehen begann, keine Bedeu-

164
tung. Die fünf Männer um sie interessieren sie nicht
länger anders als die Erzeuger dieser neuen, ständig
intensiver werdenden Reizungen und Schauer in ihrem
Körper.
Der Griff der Hände um ihre Fesseln und die zurück-
gebogenen Schenkel wird fester.
Zwei Finger ziehen ihre nassen, glänzenden Schamlip-
pen auseinander, ein paar andere heben vorsichtig die
schmale Haut vom Kitzler ab, ziehen sie leicht nach
oben. Und an der weiten Öffnung ihres schamlos
bloßgelegten Geschlechts spürt sie plötzlich eine glüh-
endheiße Phallusspitze, spürt, wie sie weich in die
rechte Stellung geschoben wird, eine Weile so still ver-
bleibt und dann plötzlich wie ein Kolben in sie dringt.
«Ohhhh...»
Ein lautes, langgezogenes Stöhnen der Wollust dringt
vor Erstaunen über ihre Lippen, ebenso lang wie der
dicke Speer, der nun ihre Scheide von der Mündung
bis zum Nabel hinauf bis zum Zerbersten ausfüllt. Sie
schnappt beinahe nach Luft.
Langsam gleitet der Kolben zurück, so daß er beinahe
den Kontakt verliert, ein schwindelnder Moment, aber
dann fährt er wieder hinein. Und jedesmal in einem
schnelleren Tempo.
Sie weiß nicht mehr länger, wo sie ist. Sie vergißt sich
selbst. Man hat alle Mühe, sie auf dem Tisch festzuhal-
ten, wo sie sich windet und den Körper umherwirft,
um dem kitzelnden Glied entgegenzukommen, um es
so weit wie möglich und so lange wie möglich in sich
zu behalten. Sie liegt auf dem Altar ihrer Träume, hört
das Keuchen der erregten Volksmasse weit unter sich.

165
Greift wie im Traum ohnmächtig und wie blind nach
den Seiten und findet, was sie sucht. Sie zieht Reißver-
schlüsse auf, und ihre Hände umfassen hart zwei
fremde, steife männliche Glieder, gleichgültig welche,
und ein drittes fremdes Glied arbeitet zwischen ihren
Beinen, explodiert zum Schluß unter dem Schambein
in einer Sonne von Krämpfen, die ihren Körper sich
schütteln und wie in der Folter winden lassen. Die
Schinken schwellen wie Wangen um das dicke Glied,
das bis zur Wurzel eingedrungen ist und mit der roten
Eichel am Gebärmuttermund sich jetzt entlädt und sie
mit Sperma füllt, mit strömendem Samen, der ihr Ge-
schlecht bis zum Rand füllt. Und in den Nachwehen
des Orgasmus, wo sich der Durchmesser des Gliedes
für einige Augenblicke noch mehr vergrößert, wird der
Samen zurückgedrückt und hinaus über die Ränder in
weißen Flocken oder Tropfen, um in der Verlängerung
der Spalte hinunterzulaufen auf den Tisch.

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Sechs junge schwedische Autorinnen und Auto-
ren stellen frisch, fröhlich und frei ihre Fragen zu
dem ewigen Thema Nummer eins:
Wie ergeht es einem noch unschuldigen jungen
Mann, der sich bei einem Verlag bewirbt, in dem
erotische Bücher herausgegeben und einer sehr
praxisnahen Qualitätskontrolle unterzogen wer-
den? Kann man Liebe wirklich kaufen?
Sollte ein junger Mann die Nacht mit einer att-
raktiven Nachbarin auf einem Schiffswrack
verbringen? Was tut ein Mann, der mit zwei
Frauen lebt, wenn die sich plötzlich emanzipie-
ren? Gehören Urlaubsfreuden ins Büro?
Kann man mit fünf Männern gleichzeitig Verlo-
bung feiern? Fragen, auf die die Verfasser
manchmal ungewöhnliche, immer aber sehr zärt-
liche Antworten geben.

DM 5,80

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