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Geopolitische Perspektiven der Republik Moldau

Einführung

Die Republik Moldau liegt an der Konfluenz der drei politisch-geographischen Regionen:
Mitteleuropa, Südosteuropa und Osteuropa. Geographisch gesehen ist die Republik Moldau
praktisch in der Mitte Europas gelegen, was ihre traditionelle Einbeziehung in den
geographischen Raum Osteuropas, neben der Ukraine, Belarus und Russland nicht verhindert,
auch wenn in der letzten Zeit immer mehr Geographen sie als zu Südosteuropa angehörend
betrachten.

Die wichtigste geo-strategische Charakteristik der Republik Moldau besteht in ihre


Pufferlage zwischen den zwei politisch - militärischen Gruppen – die NATO und die militärische
Allianz der GUS. Auch wenn die Rivalität zwischen diesen Militärblöcken nicht angekündigt
wurde, ist es offensichtlich, dass sich die beiden in einem Zustand latenten Antagonismus
befinden, die letzten NATO-Erweiterungswellen nach Osten haben dies bewiesen. Eine andere
wichtige Charakteristik ist das strategische und politische Interesse für die Republik Moldau
seitens einer Großmacht – Russland, das hier seine Militärpräsenz weiterhin behält. Außerdem
unterstützt Russland politisch und spirituell den Konflikt im Osten der Republik Moldau, der
einer der wichtigsten Brennpunkte regionaler Instabilität in der Schwarzmeerregion bleibt. Diese
Tatsache weckt bei den potentiellen Gegnern Russlands (die USA, die EU, die Türkei) ein
Interesse für Chişinău. Außer den beiden bereits erwähnten Gründen gibt es weitere zwei, die aus
der geographischen Lage hervorgehen und nämlich die direkte Nachbarschaft zu einer regionalen
Macht – die Ukraine sowie zu einer Zone hoher politischer Seismizität - der Balkan. Natürlich
können diese beiden Momente bei der Analyse der strategischen Wichtigkeit unseres Landes von
den westeuropäischen militärischen Geographen und Geostrategen nicht übersehen werden.

Gleichzeitig würde zu den geostrategischen Nachteilen der Republik Moldau die


Entfernung von jedem wichtigen militärisch - geographischen Punkt zählen (die wichtigsten
Ziele in diesem Zusammenhang sind die Donaumündungen und der Odessa-Hafen, aber auch sie
können nicht als vorrangig betrachtet werden) sowie die Entfernung von jeder Zone vom
geographischen Interesse, oder das Fehlen eines direkten geo-ökonomischen Interesses an der
Republik Moldau. In einer immer mehr betonten „Ökonomisierung“ der internationalen Politik
kann dieser Aspekt nicht keine Wirkung auf das Verhalten der wichtigsten Machtzentren die
Republik Moldau gegenüber ausüben. Der Mangel „einiger positiven Momente“ für das
Interesse an unserem Land machen uns sehr verletzlich und zwingen uns zu einer vollständigen
Verwertung der „negativen Momente“ - Präsenz eines dem Westen feindlichen separatistischen
Regimes, Einbeziehung unseres nationalen Territoriums in den internationalen
Waffenschmuggel, Nachbarschaft zu einigen unruhigen Zonen, die die Sicherheit des Westens
gefährden könnten. Zu unserem Bedauern ist dem Chişinău aus „übertriebener Bescheidenheit“
nicht gelungen, wenigstens dieses geostrategische Kapital zu verwerten, aus Angst, dass die
Republik Moldau mit einem instabilen und verletzlichen Staat assoziiert wird. Infolgedessen ist
unser Land die Probleme, mit denen es sich konfrontiert, nicht losgeworden und das Fehlen ihrer
Mediatisierung brachte ihm nur Nachteile, einschließlich im Inland. In der vorliegenden Studie
werden wir den Versuch wagen, einige von den Schlüsselproblemen, mit denen sich die Republik
Moldau auf dem geostrategischen Niveau auseinandersetzt, zu analysieren und nämlich das
Grenzproblem, die transnistrische Frage und die Probleme im Süden Bessarabiens sowie einen
Überblick der wichtigsten Gefahren räumlicher Natur, die über die nationale Sicherheit unseres
Landes schweben, zu geben.

1. Das Grenzproblem in der Polemologie der Republik Moldau

Wie fast alle Länder Südosteuropas hat die Republik Moldau eine schwierige und
komplexe Horogenese mit zahlreichen geopolitischen und geostrategischen Verwicklungen.
Übrigens ist die Republik Moldau selbst eine Grenze, genauer gesagt ein Limes zwischen der
Ostlateinischen Welt und dem Ostslawentum, zwischen Südosteuropa, Mitteleuropa und
Osteuropa, zwischen der europäischen Integration und der „eurasiatischen Desintegration“,
zwischen dem euratlantischen Sicherheitsraum und der Zone direkter russischer militärischer
Interessen.

Jahrhundertelang waren die Grenzen Moldaus sehr mobil. Rechtlich gesehen, gibt es
zwischen der heutigen Republik Moldau und der Wojewodschaft Moldaus, gegründet im Jahre
1359, keine Nachfolgebeziehung. Die aktuelle Republik Moldau umfasst den Hauptteil einer
historischen Provinz - Bessarabien, welche zur Wojewodschaft Moldaus gehörte, die sie aber
1812 zugunsten des Russischen Reiches verlor. Das Verlieren Bessarabiens hat jedoch die
weitere Existenz der Wojewodschaft Moldaus nicht verhindert, sie löste sich erst im Januar 1862
auf, als sie sich mit der Wojewodschaft Munteniens vereinigt hat und Rumänien gründete. Die
dramatischen Änderungen der politischen Grenzen auf dem heutigen Territorium der Republik
Moldau fanden in der ersten Hälfte des XX. Jahrhunderts statt. Am 15. Dezember 1917, während
des Zivilkrieges in Russland ruft sich Bessarabien zur getrennten Republik aus. Die
Unabhängigkeit Bessarabiens wurde nur von Rumänien anerkannt, das im Januar 1918, auf
Forderung des bessarabischen Gesetzgebunsorganes ihre Truppen auf dem Territorium
Bessarabiens einführt. Am 9. April 1918 beschließt das bessarabische Parlament den Anschluss
Bessarabiens an das Königreich Rumänien. Laut dem Bukarester Friedensvertrag vom Mai 1918
haben Österreich-Ungarn und Deutschland den Anschluss Bessarabiens anerkannt. Am 28.
November 1920 erkennen auch die Entente-Mächte die Rechtmäßigkeit des Aktes vom 09. April
1918 an durch die so genannte Pariser Konvention.

Rechtlich gesehen ist die Republik Moldau der Nachfolgestaat der Moldauischen
Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik, gegründet von den Sowjets im Oktober 1924 im
westlichen Teil der historisch-geographischen Region Transnistrien, die damals zur sowjetischen
Ukraine gehörte. Anfangs war die Moldauische ASSR in 11 Rajons (Kreise) gegliedert und
erstreckte sich auf eine Fläche von 8 288 km² 1. Da die UdSSR den Anschluss Bessarabiens an
Rumänien nicht anerkannt hatte, legte die Verfassung der moldauischen sowjetischen Autonomie
fest, dass Bessarabien Teil der Moldauischen ASSR, einschließlich der Sowjetischen Ukraine
und der UdSSR ist. Als am 28. Juni 1940 die russischen Truppen Bessarabien annektierten,
wurde sie automatisch in die Moldauische ASSR aufgenommen. Ziehend in Betracht das
Territorium (53000 km²) und besonders die Zahl der Bevölkerung der neuen Republik, beschließt
Moskau, die Moldauische ASSR in eine Sowjetrepublik, also in ein Subjekt der Sowjetischen
Föderation, umzuwandeln. Die Behörden von Kiew, unter deren Kontrolle auch die moldauische
sowjetische Autonomie war, bestanden darauf, dass mit der „Rangerhöhung“ der neuen
sowjetischen Republik auch ihre Grenzen überprüft sind. Die Sowjetische Ukraine war damit
nicht einverstanden, dass die Territorien mit zahlreichen ukrainischen Bevölkerung im
nördlichen Teil Bessarabiens und in einigen transnistrischen Kreisen der neuen moldauischen
sowjetischen Republik zugeteilt werden. Aus diesen Gründen blieb am 2. August 1940, am Tag
der Ausrufung der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik fast 2/5 der Fläche der
ehemaligen ASSRM in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik.

Die aktuelle Republik Moldau ist direkter Nachfolger der Moldauischen ASSR und hat
auch ihre offiziellen Grenzen, festgestellt 1940 von den sowjetischen Behörden, geerbt. Als
Folge dieser Grenzen haben wir heutzutage eine Reihe von Problemen, die nicht zögerten, gleich
nach der Ausrufung der Unabhängigkeit der Republik Moldau zu entstehen. Die schwierigsten
davon sind mit den ethnischen Minoritäten, erschienen nach den Grenzänderungen, verbunden.
Etwa eine halbe Million Rumänen wohnen heutzutage in der Ukraine, insbesondere in den im
Sommer 1940 von Rumänien verlorenen Gebieten. Gleichzeitig wohnen ¼ Millionen Ukrainer in
1
Moldawskaja ASSR, in Malaja Sowetskaja Enziklopedija, Moskau, 1928—1931, B. 5,
S. 310.
den transnistrischen Kreisen, ein Territorium, dass bis zu den Experimenten der sowjetischen
Behörden der Ukraine angehört hat. Zwischen Kiew, Chişinău und Tiraspol bildete sich ein
Verdächtigungsdreieck, welches von keiner Art „diplomatischen Feingefühls“ verbirgt werden
kann. Im Jahre 2001, nach zehn Jahren gespannter Verhandlungen hat das Parlament von Kiew
und von Chişinău das Grenzabkommen ratifiziert. Dem Kiew ist es gelungen, Chişinău zu
zwingen, den nach 1940 entstandenen de-facto-Zustand zu akzeptieren. Dazu trugen mehrere
Faktoren bei, einschließlich der Druck vom Westen, der sehr empfindlich zu jeder Art
territorialer Forderungen ist sowie die komplizierte Lage in Transnistrien, die ohne
Unterstützung von Kiew nicht gelöst werden könnte und nicht zuletzt die Passivität der
rumänischen Bevölkerung in der Ukraine, die wegen sehr schwacher wirtschaftlicher Leistungen
der Republik Moldau nicht besonders begeistert von den revisionistischen Ideen einiger
politischen Kreisen in Chişinău ist.

Ein anderes Problem, das sich direkt auf die innere Stabilität der Republik Moldau
auswirkt ist das Problem der ethnischen, genauer gesagt linguistischen Grenzen. Die Republik
Moldau hat eine sehr komplizierte ethnische Geographie, was für das Südosteuropa, aber auch
für einen Limes zwischen Makroregionen, wie es der Fall unseres Landes ist, sehr spezifisch ist.
Ein für das südosteuropäische Gebiet spezifischer Moment, welcher in der Struktur der
ethnischen Grenzen der Republik Moldau auftaucht, ist das Phänomen der „Enklavierung“ und
„Diskontinuität“. Die ethnischen Areale sind gar nicht kompakt und kontinuierlich sondern
zerstreut und verflechtet. Das beste Beispiel in diesem Zusammenhang stellt die russisch-
ukrainische Bevölkerung dar. Diese beiden Gemeinschaften, die sehr schwer voneinander zu
trennen sind, bilden zusammen ein Viertel der Bevölkerung des Landes. Eigentlich werden die
Ukrainer in Bessarabien traditionsgemäß als Russen, oder als ein Subethnos der Russen
betrachtet. Obwohl die russisch-ukrainische Gemeinschaft etwa 1,1 Millionen Menschen zählt,
kann man auf keine Region hinweisen, wo sie die Mehrheit bilden würde. Eine große
Konzentration fällt in der transnistrischen Region der Republik Moldau und in Munizipien
Chişinău und Bălţi auf. „Organisierter“ ist die bulgarische und türkisch gagausische Minorität im
Süd-Westen des Landes. Die Bulgaren bilden die Mehrheit im Kreis Taraclia, indem die
gagausischen Türken seit 1994 über ihre eigene Autonomie verfügen, in der sie über 80 % der
Bevölkerung darstellen2.

Auch die rumänische Mehrheit hat keine einfache ethnische Grenze, denn sie ist auf dem
Gesamtterritorium der Republik Moldau von kleinen russisch-ukrainischen Enklaven perforiert,
während „Halbinsel“ und „Insel“ rumänischer Bevölkerung entlang der ganzen moldauischen-
2
http://www.statistica.md/recensamint/Nationalitati_de_baza_ro.xls
ukrainischen Grenze zu finden sind. Große Schwierigkeiten ethnolinguistischer Natur entstehen
auch wegen den Problemen mit nationalem Bewusstsein der Mehrheit der Bevölkerung, was ein
einzigartiges Phänomen auf europäischer Ebene darstellt. Es ist sehr kompliziert zu schätzen,
welcher Teil der rumänischsprachigen Bevölkerung der Republik Moldau sich als Rumänen
betrachten und welcher Teil sich für Moldauer halten, denn es besteht kein Zweifel, dass die
Ergebnisse der Volkszählung 2004 keine Relevanz in diesem Zusammenhang haben. Wenn wir
uns nach der Zahl deren orientieren würden, welche für die sich für die Wiedervereinigung
Bessarabiens mit Rumänien diskret aussprechende Parteien stimmen, dann hätte man schätzen
können, dass sich etwa 1/3 der rumänisch sprechenden Bevölkerung als Rumänen und 2/3 als
Moldauer betrachtet. Selbstverständlich sind die Grenzen, welche diese beiden unterschiedlichen
Identitäten trennen nicht geographischer, sondern nur sozial-psychologischer Herkunft. In der
Regel halten sich die Intellektueller, die Studenten und die jüngere Generation für Rumänen.
Daraus ist zu schließen, dass die Zahl der „Moldauer“ immer weiter sinken könnte. Auch die
Jugendlichen sind in der Regel diejenigen, die das Wiedererlangen der rumänischen
Staatsangehörigkeit beantragen, die Gründe dafür sind aber nicht sentimentaler, sondern
materieller Art und nämlich, die Möglichkeit, von dem Reisepass eines EU-Landes profitieren zu
können.

Die letzte Kategorie bilden die geopolitischen und geographischen Grenzen. Beim
Anschneiden der Probleme dieser Grenzen ist folgende Frage nicht zu vermeiden: Welche
Zukunft und welche Grenzen für die Republik Moldau, ein Land, das auf einem kleinen
Territorium alle für die post-kommunistische Welt typischen Unruhen unterbringt? Gelegen
genau zwischen den beiden großen geopolitischen Anziehungskräften im neuzeitlichen Europa –
die GUS und die EU hat die Republik Moldau nicht ausgehalten und ist in zwei Teilen
„zerrissen“. Unser ukrainischer Nachbar, der größer und konsolidierter ist, vermied diese
schmerzhafte Trennung, aber auch in der Ukraine und Belarus, wie in der Republik Moldau, sind
dieselben Tendenzen zu merken: pro-westlich und national in den westlichen Regionen und pro-
russisch (genauer: pro-sowjetisch) in den östlichen Regionen.

Auch wenn es schwer fällt, für die absehbare Zukunft irgendwelche Änderungen der
Außengrenzern der Republik Moldau zu prognostizieren, bleiben die inneren Grenzen noch
äußerst mobil, ein Beweis einer gewissen und offensichtlichen politischen Instabilität. Im Juni
2005 verabschiedete das Parlament der Republik Moldau die Grundsatzprinzipien für die
territoriale Autonomie der östlichen Region der Republik Moldau. Im größten Teil sind diese
Prinzipien identisch mit denjenigen, welche auf der Basis der gagausischen Autonomie standen.
Übrigens sind in der letzten Zeit immer mehr Stimmen zu hören, die sich für
Zusammenschließen dieser Region mit dem Kreis Taraclia aussprechen, welcher überwiegend
von den Bulgaren bewohnt ist, zu einem autonomen Bezirk Badschak. Im Herbst 2003, als man
über den „Kosak-Plan“ zur Föderalisierung der Republik Moldau diskutierte, existierte auch die
Variante, dass die tra Region neben dem Badschak (d.h. die gagausische Autonomie plus der
Kreis Taracalia) und der Hauptteil der Republik Moldau als gleiche Subjekte eines föderativen
Staates auftreten. Auch wenn bis jetzt Chişinău heftigen Widerstand gegen die
Föderalisierungsprojekte (die häufig aus Moskau kamen) leistete, gibt es immer mehr
Besorgnisse, die Entschlossenheit der Position von Präsident Voronin diesbezüglich,
insbesondere jetzt, am Ende seines zweiten Mandats. Es hegt die Befürchtung, dass obwohl die
Republik Moldau ein einheitlicher Staat de-jure bleiben werde, könnten wir entweder einem
nicht angekündigten Föderalisierungsprozess oder einer „Transnistrisierung“ des Hauptteiles der
Republik Moldau de-facto beiwohnen, durch Akzeptieren der russischen Sprache als zweite
Amtssprache und der russischen Militärpräsenz, oder sogar durch den Beitritt einer eventuellen
Föderation der ehemaligen sowjetischen Republik, so dass Tiraspol und Comrat keinen Grund
mehr haben, den „einheitlichen“ und „unteilbaren“ moldauischen Staat nicht zu akzeptieren.

2. Die wichtigsten Herausforderungen für die nationale Sicherheit der Republik Moldau

Die limitierten natürlichen Ressourcen und die Langsamkeit sozial-wirtschaftlicher


Reformen, die Lage in eine unruhige geographische Zone, sowie die Pufferlage zwischen der EU
und den unmittelbaren wirtschaftlichen, militärischen und politischen Interessen Russlands
machen die Republik Moldau ein sehr problematisches Land. Die nationale Sicherheit dieses
Landes ist bedroht von einer Reihe interner Faktoren (interne territoriale Konflikte, schwache
innere Kohäsion der Nation, Kriminalisierung politischer und wirtschaftlicher Eliten, psychische
und geistige Degradierung der Nation), Außenfaktoren (reservierte, sogar feindliche Haltung
Russlands und der Ukraine, große Abhängigkeit von den ausgeführten Energieressourcen) sowie
extra-territorialer Faktoren (Umwandlung des Territoriums der Republik Moldau in eine Zone
des Schmuggels und Transaktionen mit Drogen, Waffen und Menschenhandel).

Das ziemlich eingeschränkte Territorium der Republik Moldau unterbringt wenigstens


drei territoriale Konflikte – die transnistrische Frage, den süd-bessarabischen Konfliktnetz und
das Problem der moldauischen-ukrainischen Grenze. Ich muss zugeben, dass diese
Klassifizierung ziemlich willkürlich ist und dass sich diese Konflikte kreuzen, verflechten und
einander beeinflussen. Es ist nicht zu bestreiten, dass der süd-bessarabische Konflikt mit dem
transnistrischen Konflikt und mit dem, der aus der moldauisch-ukrainischen Grenze hervorgeht,
eng verbunden ist.
Der transnistrische Konflikt ist ein klassischer geopolitischer Konflikt. Es ist sicher, dass
er kein interethnischer und noch mehr, kein interkonfessioneller Konflikt ist. Um dies zu
beweisen, greift man oft zur Statistik. Man sagt, dass die moldauischen Rumänen etwa 32 % der
Bevölkerung der transnistrischen Region darstellen, während den Russen und den Ukrainern mit
30 % und 29 % zukommen würden3. Eigentlich haben diese Statistiken keinen Wert, denn ein
Konflikt kann interethnischen Charakter tragen, unabhängig davon, wie die ethnische Struktur
der Region aussieht. Bei der Bezeichnung eines Konflikts als interethnisch, interkonfessionell,
politisch, usw. ist in erster Linie der Konfliktgrund wichtig, erst danach kommen die Faktoren,
welche den Konflikt als aktiv oder passiv erhalten. Im Falle des transnistrischen Konflikts war
dieser Grund vom Anfang an nicht ethnisch, denn die moldauischen Rumänen haben sich mit
den Aktionen des Regimes von Tiraspol solidarisiert, bzw. die Konfrontationen zwischen den
beiden Ufern passiv miterlebt haben. Selbstverständlich - mit entsprechenden Ausnahmen.
Einige könnten behaupten, die transnistrischen Moldauer seien vom Regime von Tiraspol
gezwungen, solch ein Verhalten zu akzeptieren, dies ist aber keine Entschuldigung. In
Wirklichkeit ist die rumänisch sprechende Bevölkerung aus Transnistrien größtenteils auch
während des Konflikts 1992 mit Chişinău nicht solidarisch gewesen und sie unterstützt die
Positionen von Chişinău auch gegenwärtig nicht. Eben dieser Aspekt beweist, dass dieser
Konflikt keine ethnischen Wurzeln hat.

Es ist offensichtlich, dass der transnistrische Konflikt auch kein politischer Konflikt ist,
so wie es oft in den bessarabischen politischen Kreisen, oder in den Massenmedien aus Chişinău
behauptet wird. Ein politischer Konflikt setzt eine Konfrontation der politischen Ideen und
Doktrinen voraus. Der transnistrische Konflikt ist rein geopolitischer Natur. Russland spekuliert
mit den „materialistischen“ Nostalgien und Bedauern im Falle der transnistrischen Moldauer und
mit den idealistischen – im Falle der slawischen Gemeinschaften in der Region, zwecks
Unterstützung der transnistrischen Pseudo-Staatlichkeit. Wegen dieses passiven Konflikts hat
Moskau nicht nur einen sicheren Platzdarm für seine Interessen in der Zone zur Verfügung,
sondern die Republik Moldau selbst ist zu einem Gefangener-Staat von Kreml geworden. Es ist
offensichtlich, dass solange der transnistrische Konflikt nicht gelöst ist, wird die Republik
Moldau eine Marionette der Russen bleiben. Über eine unabhängige Außenpolitik oder eine
Annäherung an Rumänien oder an den Westen zu sprechen, ist in dieser Situation nicht banal.
Daraus ist zu schließen, dass die Botschaft von Chişinău zweideutig bleiben wird, solange die
transnistrische Frage ungelöst ist. Die transnistrische Frage ist der größte Feind der Republik

3
http://www.pridnestrovie.net/2004census.html
Moldau und solange dieser Konflikt auf der geopolitischen Charta der Region präsent bleibt,
wird die Zukunft des moldauischen Staates in Frage gestellt.

Der zweite territoriale Konflikt stellt eigentlich einen Konfliktknoten dar, welcher
mehrere Innen- und Außenfaktoren einbezieht. Es handelt sich um den süd-bessarabischen
Konfliktknoten, an dem sich drei Akteure beteiligen – die Republik Moldau, die türkisch-
gagausische und die bulgarische Gemeinschaft, sowie drei Außenakteure – Bulgarien, die
Ukraine und die Türkei. Der süd-bessarabische Konflikt hat seinen historischen Ursprung in den
Anfang des XIX. Jahrhunderts, als die russischen kaiserlichen Behörden entschieden, den Süden
Bessarabiens mit gagausischen Türken und Bulgaren zu besiedeln. Geographisch geht dieser
Konflikt aus der im Sommer 1940 markierten Grenzlinie hervor, politisch – aus der
Emanzipationsbewegung der bessarabischen Rumänen und der Ausrufung der Unabhängigkeit
der Republik Moldau. Der süd-bessarabische Konfliktknoten ist komplex und beinhaltet viele
Gefahren.

Auch wenn das gagausische Problem sowie das Problem der bulgarischen Minderheit
offensichtlich beigelegt wurden, gibt es keine Grundlage für zu viel Optimismus über die
Nachhaltigkeit der Stabilität im Süden Bessarabiens. Die beiden Gemeinschaften sind die
einzigen ethnischen Minderheiten in der Republik Moldau, die mehr oder weniger kompakt
wohnen. Aus geopolitischer Perspektive ist die Präsenz einer ethnischen Minderheit schon ein
unerwünschtes Moment für einen Nationalstaat. Die Präsenz einer ethnischen Minderheit, die auf
einem kompakten Territorium wohnt, an der Peripherie des Landes gelegen ist und einen
Schutzstaat im Außen hat, ist umso mehr gefährlicher. Leider umfasst die konfliktauslösende
Minderheiten im Süden Bessarabiens alle diese Kriterien.

Und schließlich der dritte Konflikt, der moldauisch-ukrainische, ist ein Konflikt der sich
teilweise mit dem transnistrischen und dem süd-bessarabischen überschneidet. Die offiziellen
Behörden von Chişinău bevorzugen, die Existenz eines solchen Konflikts nicht anzuerkennen,
auch wenn seine Präsenz manchmal schwer zu bestreiten ist. Der moldauisch-ukrainische
Konflikt hat seine Wurzeln in den Grenzänderungen 1940, als ein Territorium von 20,9 Tausend
km² (Norden und Süden Bessarabiens sowie die Region Balta aus Transnistrien) des
Sowjetischen Moldau willkürlich der Ukraine zugeteilt wurde. Laut der Volkszählung 1989
wohnten auf diesem Territorium noch über 200 000 Rumänen. Diese Tatsache hat Auswirkungen
auf die Beziehungen zwischen Chişinău und Kiew ausgeübt. Um das Chişinăuer Interesse vom
Problem der moldauisch-ukrainischen Grenze und der 1940 „verlorenen Territorien“ abzulenken,
unterstütze Kiew stillschweigend die Sezessionsbewegung in Transnistrien 1991-1992, indem
die Ukraine ein richtiger Rücken für die „Moldauische Dnjestr-Republik“ gewesen ist.

Ein anderes Problem, mit dem sich die Republik Moldau zur Zeit konfrontiert, stellen die
„unionistischen“ Optionen dar – sei es die Bewegung, welche für die Vereinigung mit Rumänien
plädiert, oder die Bewegung, die für die Wiederherstellung der im Dezember 1991 verlorenen
eurasiatischen Union kämpft. Obwohl die Idee des Wiederanschlusses der Republik Moldau an
Rumänien selbstverständlich ist, ist sie oft von vielen der Machtpartei nahen Experten aus
Chişinău, aber auch von einigen Beobachtern aus dem Westen, als gefährlich für die regionale
Stabilität gesehen. Gewöhnlich werden von ihnen drei Argumente vorgebracht: Fehlen der
Popularität dieser Idee bei der Mehrheit der Bevölkerung, was im Falle der Wiedervereinigung
zu einem internen Konflikt im erweiterten Rumänien führen könnte; die Idee des
Wiederanschlusses Bessarabiens an Rumänien ist von den Minderheiten im Südwesten und im
Osten der Republik Moldau abgelehnt, dies würde in einen potentiellen Konflikt Russland, die
Ukraine, die Türkei und Bulgarien einbeziehen, Länder die wichtige ethnische Minderheiten auf
dem Territorium der heutigen Republik Moldau schützen. Die EU und die USA betrachten mit
viel Umsicht jeden Versuch der Überprüfung der Grenzen im Südosteuropa. Diese Argumente
haben jedoch keinen Wert, solange Rumänien nicht das geringste Interesse für den Anschluss der
Republik Moldau zu haben scheint. Unter diesen Umständen, sind die Debatten über die Gefahr
des „rumänischen Revisionismus“ reine Spekulationen. Um die Aufmerksamkeit der
Bevölkerung von schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken, spricht die
Macht von Chişinău über die „rumänische Gefahr“.

Eigentlich ist das richtige Problem der Republik Moldau die euroasiatische und nicht die
rumänische Gefahr. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass die politischen Kräfte, die sich für
diese Option aussprechen, ziemlich gut bei den Moldauern ankommen, die „euroasiatische“
Option stellt ein Schlüsselelement des politischen Programms der Partei der Kommunisten der
Republik Moldau dar. Bei genauer Betrachtung der „geopolitischen“ Option der politischen
Kräfte von Chişinău würde man eine außergewöhnliche Situation feststellen und nämlich, dass
sich die Mehrheit der politischen Parteien (einschließlich die Mehrheit der Bevölkerung) direkt
oder indirekt für die Auflösung des moldauischen Staates ausspricht, entweder durch den
Anschluss der Republik Moldau an Rumänien oder durch ihren Beitritt zu einer euroasiatischen
Föderation. In diesen Tendenzen, die auch das kollektive Unterbewusstsein der moldauischen
Bevölkerung hervorheben, widerspiegelt sich ein Teil unserer Unvollständigkeit als Staat, denn
das Ereignis vom 27. August 1991 scheint weder von national-demokratischen noch von
nostalgischen, linksorientierten Kräften im Ernst genommen zu sein. Letztendlich ist die
Unabhängigkeit der Republik Moldau nicht anderes als ein Kompromiss zwischen diesen
antagonistischen Tendenzen, indem die beiden Seiten auf eine „katastrophale“ Lösung, die
günstig für ihre Option wäre, warten.

Unter den großen Herausforderungen für unsere nationale Sicherheit zählen, wie bereits
erwähnt, die Energie-Abhängigkeit unseres Landes vom Gas-, Öl-, Kohl- und Energieeinfuhr aus
Russland und der Ukraine. In den Zeiten der Kommunikation und Geschwindigkeit ist die
Energie-Unabhängigkeit eine von den Grundbedingungen für die Sicherung der in der Geopolitik
genannten „realen Souveränität“. Leider ist die Republik Moldau weit davon, diesen
Herausforderungen entsprechen zu können, indem sie vielleicht das verletzlichste Land in ganz
Süd-Osteuropa ist, was Energie-Unabhängigkeit anbelangt.

Die Lage im Energie-Bereich verschlechterte sich besonders nach 1991, als die Republik
Moldau unabhängig geworden ist und der Mangel an Energie-Ressourcen sowie die
transnistrische Frage zu effizienten Kontrollmitteln seitens der alten Metropole geworden sind.
Seit dem militärischen Konflikt 1992 ist die Republik Moldau zum Gegenstand ständiger
energetischer Erpressung geworden, ausgeübt zu verschiedenen Zeitspannen von Moskau, von
den separatistischen Transnistriern oder von den beiden Seiten zusammen.

Trotz dieser Situation beeilte die neo-kommunistische Regierung von Chişinău, die im
Frühjahr 1994 an die Macht kam, nicht, eine Lösung aus der entstandenen Situation zu finden.
Darüber hinaus wurden sogar die bescheidenen Versuche der vorherigen Regierungen, die
Energie-Importe aus Rumänien zu vergrößern und somit die Importquelle zu diversifizieren,
zunichte gemacht. In derselben Zeitspanne wurden auch die Vorschläge von Bukarest,
gemeinsam mit der moldauischen Seite den Bau des Kernkraftwerkes Cernavodă zu beenden,
entschlossen abgelehnt. Dieser Vorschlag stellte natürlich eine Anstrengung für den
moldauischen Haushalt dar, der Preis dieser Anstrengung wäre aber vollkommen rechtfertigt
gewesen. Als Folge machte die Republik Moldau 1994-1996 eine sichere Abbiegung nach Osten,
sowohl im politischen, als auch im wirtschaftlichen Sinne. Russland und die Ukraine lieferten
Energie zu einem ziemlich hohen Preis, ohne jedoch von Chişinău die sofortige Bezahlung dafür
zu fordern. Die neo-kommunistische Regierung, von Moskau im Zaum gehalten, machte sich ein
gutes Bild bei der moldauischen Bevölkerung, ohne sich der Sache bewusst zu sein, dass die
gesammelten Schulden schwer die Wirtschaft des Landes bedrücken werden und die nationale
Souveränität zum Null reduzieren wird. Dementsprechend übernahmen die Regierungen, die an
die Macht im Frühjahr 1998 kamen, eine mit dem PIB des Landes gleiche Außenschuld, die den
Staatshaushalt deutlich überschritt. Ein großer Teil der Außenschuld, in Höhe von 1 Milliarde
Euro4, war der Energie-Einfuhr aus dem Osten zu verdanken.

Im Moment bleibt die wirtschaftliche Lage der Republik Moldau dramatisch. Um seinen
Energie-Bedarf zu decken, soll unser Land von Russland quasi abhängig sein. Der Brennstoff,
einschließlich Öl, Gas und Kohle, stellt fast die Hälfte aller Importkosten der Republik Moldau
dar, Tendenz steigend. Auch nach 18 Jahren offizieller Unabhängigkeit bleibt die wirtschaftliche
Unabhängigkeit (genauer gesagt, die reale Unabhängigkeit) eine platonische Bestrebung der
Republik Moldau. Der Grundstein dieser wirtschaftlichen Unabhängigkeit ist natürlich die
Sicherung der Energie-Unabhängigkeit, ein neben der transnistrischen Frage ausschlaggebende
Moment für die Existenz oder für die Dauer der Agonie dieses Landes.

3. Platz der transnistrischen Frage in der geopolitischen Charakteristik der Republik


Moldau

Der transnistrische Konflikt stellt zweifellos die wichtigste Gefahr für die moldauische
Staatlichkeit dar und ist das größte Hindernis auf dem Wege zur sozial-politischen Stabilisierung
der Republik Moldau. In den letzten 18 Jahren wurde die Existenz der Republik Moldau als
unabhängiger Staat ständig von der Lage im Osten des Landes bedroht. Die transnistrische Frage
stand auf der Basis mehrerer zu bedauernden politischen Entscheidungen, wie der GUS-Beitritt,
die Verleihung der russischen Sprache des Status der offiziellen Sprache, die Förderung des
primitiven Moldovenismus und die Idee der andauernden Neutralität, auf die sogar die Staaten
mit international anerkannten Neutralität bereit sind zu verzichten. Den größten Schlag auf das
Bild der Republik Moldau im Ausland gab aber wahrscheinlich der transnistrische Konflikt.

Leider kennt man über die Republik Moldau nur wenige Sachen – dass hier bei den
Wahlen die Kommunisten siegen, dass wir vom Menschenhandel leben und uns mit einem
Konflikt im östlichen Teil des Landes konfrontieren. Die Tatsache, dass wir unsere Ostgrenze
nicht kontrollieren und ein offenes Fenster von 200 Kilometern für die uneingeschränkte
Existenz der größten Offshore-Zone anbieten, stellt eines der Grundargumente der Brüssel
gegen seine Entscheidung des freien Visaregimes und der Liberalisierung der
Handelsbeziehungen dar.

Transnistrien, die eher eine geographische, als eine geo-historische Bezeichnung ist,
würde das Territorium zwischen dem Unterlauf des Flusses Dnjestr und dem südlichen Bug
bezeichnen. Es umfasst die Gebiete der zwei historischen Regionen – Ferner Westen von
4
Datoria externă a Republicii Moldova: 1,3 miliarde de dolari, Ziarul de Iaşi, 7 august 1999.
Neurussland und Ferner Süden von Podolien. Der größte Teil Transnistriens liegt heute in der
Ukraine (die Bezirke auf dem linken Ufer des Dnjestr der Region Odessa, der Teil der Region
Nikolaew links vom südlichen Bug sowie ein kleiner Teil der Region Kirowograd westlich vom
südlichen Bug). Nur 3,7 Tausend km² befinden sich auf dem Territorium der Republik Moldau
(die „Territoriale Einheit auf dem linken Ufer des Dnjestr“ und teilweise der Bezirk Dubasari)
was 1/8 der Gesamtfläche Transnistriens ausmacht. Die Moldauer stellen etwa 1/10 der
Gesamtbevölkerung Transnistriens dar, sind auf dem moldauischen Teil konzentriert und
vertreten zirka 1/3 der Bevölkerung5. Es gibt eine große moldauische Minderheit auch im
ukrainischen Transnistrien, besonders in den Kreisen Balta, Kotowsk (Bârzula) und Ananjiw
(Anani), die bis August 1940 Teil der Moldauischen ASSR waren. Ab 1792, als Russland das
westliche Neurussland annektierte, sank die Zahl der moldauischen Bevölkerung kontinuierlich,
teilweise durch die russische und ukrainische Einwanderung, teilweise durch massive
Slawisierung der ethnischen Rumänen aus der transnistrischen Region. Dieser Prozess
beschleunigte sich in den sowjetischen Zeiten. Laut den Angaben der allgemeinen Volkszählung
der Bevölkerung der UdSSR von 1926 betrug die Bevölkerungszahl der Moldauischen ASSR
572,1 Tausend Personen, darunter Ukrainer – 277,5 Tausend (48,5 Prozent), Moldauer
(Rumänen) – 172,4 Tausend (30,1 Prozent), Russen – 48,9 Tausend (8,5 Prozent), Juden – 48,6
Tausend (8,5 Prozent), Deutsche – 10,7 Tausend (1,9 Prozent), andere (Bulgaren, Polen,
Zigeuner) – 14 000 (2,5 Prozent)6. Wenn wir die heutige ethnische Zusammensetzung der
Bevölkerung der östlichen Rayons der Republik Moldau und der Kreisen Balta, Kodyma,
Kotowsk, Krasni Okny und Ananjiw der ukrainischen Region Odessa vergleichen, Territorien,
die vor 80 Jahren zu der Moldauischen ASSR gehörten, würden wir feststellen, dass die Zahl der
Rumänen zwei Mal kleiner ist, die Juden und Deutschen praktisch verschwunden sind, und dass
sich der Prozent der Russen verdreifacht hat.

Jedoch können wir nicht bestätigen, dass die Moldauer eine ständige Präsenz auf diesen
Gebieten hatten. Die Kolonisierung der Territorien auf dem linken Ufer des Dnjestr begann vor
allem im XVI. Jahrhundert, obwohl Migrationswellen auch vorher existierten. Trotz der
Tatsache, dass Russen und Ukrainer massive Präsenz in der Region erst nach 1792 hatten, könnte
man behaupten, dass eher Moldauer als Ukrainer das historische Recht auf diese Gebiete haben.
Auch wenn Transnistrien zum politischen moldauischen Territorium erst nach 1924 geworden
ist, ist es zweifellos Teil des rumänischen ethnokulturellen Raumes mehrere Jahrhunderte lang

5
http://www.olvia.idknet.com/ol37-09-05.htm
6
Moldova. Materialurile statistice. Balta, 1928, S. 221
gewesen. Die transnistrischen Moldauer sind die Einheimischen, die nach 1792 das
Besatzungsregime und die nationale Unterdrückung des Russischen Reiches zu ertragen hatten.

Die drohende Gefahr eines Konflikts auf dem transnistrischen Teil der Republik Moldau
ist schon im Sommer 1998 klar geworden, mit der Wiederbelebung der nationalen Bewegung in
Bessarabien. Nach den ersten großen Siegen der nationalen demokratischen Kräfte in Chişinău
1989 ist die Zersplitterung der Republik Moldau entlang des Dnjestr offensichtlich geworden.
Ein Jahr später verlor der transnistrische Konflikt seinen politisch-kulturellen Charakter, den er
am Anfang trug, zugunsten eines rein geopolitischen. Dieser Charakter bestätigte sich noch mehr
nach der Ausrufung der Unabhängigkeit der Republik Moldau 1991. Wenn man über den
geopolitischen und geo-strategischen Wert des Konflikts spricht, wird ihm oft von einigen
politischen Kommentatoren aus Chişinău eine übertriebene Dimension zugeschrieben, sowohl
wenn erklärt wird, dass Transnistrien „ein russisches Messer im Rücken der Ukraine“ sei, als
auch wenn behauptet wird, Transnistrien sei „das Tor“ Russlands zum Balkan. Nicht zu
vergessen ist die Tatsache, dass die alte und metaphorische Bezeichnung Bessarabiens als „Tor
zum Balkan“ für Russland in seine geographische Konfiguration bis zum ersten Weltkrieg gültig
gewesen ist. Wenn wir die Karte Russlands und Bessarabiens 1812 bzw. 2007 vergleichen
würden, würden wir bemerken, dass sich Einiges geändert hat. Heutzutage hat Russland Zugang
zum Balkan entweder über das Meer, oder durch die Ukraine, denn der Süden Bessarabiens mit
den Donaumündungen gehört nicht mehr zur Republik Moldau.

Die Idee „Transnistrien – ein russisches Messer im Rücken der Ukraine“ ist noch
inkonsistenter. Transnistrien könnten für die Russen einen geopolitischen Wert bei den
Auseinandersetzungen mit der Ukraine nur in dem Falle haben, wenn die Republik Moldau und
Rumänien seitens Russlands wären. Wie könnten sont Russen Zugang zu Trannsitrien haben,
eine Enklave, gelegen zwischen der Ukraine und der Republik Moldau in Form eines 20
Kilometer breiten Streifens? Transnistrien ist nicht mit der Region Königsberg zu vergleichen,
die obwohl weit entfernt von Russland ist, eine breiten Zugang zum Meer hat. Geo-strategisch
betrachtet haben die Enklaven einen Wert nur dann, wenn die Verbindung mit diesen Territorien
auch im Falle einer Militärkrise aufrecht erhalten werden kann.

Transnistrien hat zweifellos einen geopolitischen Wert, der aber nicht in der Kontrolle des
Balkans oder in die Bedrohung der Ukraine besteht, sondern in der Kontrolle der Republik
Moldau selbst. Paradoxerweise hat die Republik Moldau ihr Bestehen zum größten Teil dem
transnistrischen Problem zu verdanken. Dies nicht nur weil legal, die moderne moldauische
Staatlichkeit ihre Herkunft in Transnistrien des Jahres 1924 hat, sondern auch weil wenn der
transnistrische Konflikt nicht bestanden hätte, hätte die Unabhängigkeit der Republik Moldau
nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch den Wiederanschluss Bessarabiens an
Rumänien ein Ende genommen, ziehend in Betracht die Geistesstimmung der Chişinăuer
politischen Elite im Dezember 1991.

Trotz der Tatsache, dass Transnistrien ein dominanter geopolitischer Faktor für die
Zukunft der Republik Moldau ist, könnte man auch nach 16 Jahren Unabhängigkeit bestätigen,
dass Chişinău nicht geschafft hat, einen Aktionsplan diese Frage betreffend zu erarbeiten.
Traditionsgemäß glauben wir immer noch, dass die Schlüssel zur Lösung dieses Konflikts in
Moskau seien. Die anderen vertreten die Meinung, sie seien gleichermaßen in Chişinău und in
Moskau. In den letzten Jahren wurde auch die Rolle der Ukraine überprüft, in die viele
Hoffnungen gesetzt wurden. Ich bin jedoch der Auffassung, es sei die Zeit gekommen, die
Akzente und die Methoden des Herangehens an diesem Konflikt zu ändern. Unter den
Bedingungen, dass die Behörden von Tiraspol nicht den geringsten Wunsch äußern, mit Chişinău
zu diskutieren, zusammen mit uns und unseren westlichen Partnern Lösungen zu diesem
Problem zu suchen, bedarf man dringend einer Änderung unseres Verhaltens.

Jahrelang wurden verschiedene Lösungen vorgeschlagen – föderale, autonome, regionale


Modellen, die sowohl im In-, als auch im Ausland erarbeitet wurden, Gespräche im bilateralen,
trilateralen, pentagonalen, septagonalen Format, jedoch ergebnislos. Die letzten Entwicklungen
in der östlichen Region beweisen, dass sich das Format 5+2, euphemistisch gesagt, genauso
wenig wirksam erweist, als die anderen Formate. Die Hoffnung, die wir in die Ukraine,
besonders nach dem Sieg der pro-westlichen Kräfte bei den Präsidentschaftswahlen im
Dezember 2004 gesetzt haben, erwiesen sich als falsch. Es scheint, dass Kiew und Chişinău
verschiedene Zwecke verfolgen.

Selbstverständlich können wir weiter nachgeben, eine für Chişinău in der Zeitspanne
1992-2003 typische Handelsweise. Es gibt aber bestimmte Grenzen. Wir können nicht
akzeptieren, unendlich nachzugeben. Währen die Separatisten Zoll- und Grenzposten entlang der
Demarkationslinie, welche die von ihnen kontrollierte Zone vom Restterritorium der Republik
Moldau trennt, gestellt haben, fragen wir uns, was hindert und, dasselbe zu tun? Warum sollen
wir warten, bis die Ukraine einverstanden wird, gemeinsame Zoll- und Grenzposten am
transnistrischen Grenzabschnitt der moldauisch-ukrainischen Grenze zu akzeptieren, wenn diese
Kontrolle von uns selber eingeführt werden kann.
Die Europäische Union fordert von uns, den Schmuggel zu bekämpfen und die Grenzen
zu kontrollieren. Die einzige plausible Lösung in dieser Situation wäre die Festlegung einer de-
facto Grenze zwecks Isolierens der separatistischen Zone vom Restterritorium des Landes, ohne
Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Wenn sie sich die Unabhängigkeit wünschen, dann sollen
sie diese Last tragen. Wir verstehen nicht, warum hat Chişinău bis heute diese Paradies-
Bedingungen für die Existenz des separatistischen Regimes aufrecht erhalten. Wie könnte die
Tatsache erklärt werden, dass die moldauischen Bürger beim Übergang in die von Separatisten
kontrollierte Zone an den so genannten Grenzübergangs- und Zollstellen terrorisiert werden,
indem sie gezwungen sind, jegliche Gebühren zu zahlen, während wir den Separatisten mit
einem Überschuss an Großzügigkeit einen uneingeschränkten Zugang auf dem von den
moldauischen Behörden kontrollierten Territorium gewähren?! Wir denken, Chişinău soll
Tiraspol ähnlich behandeln. Wenn sie sich ein Zollamt, eine Grenzkontrolle, Grenzgebühren
wünschen – bleibt uns nichts übrig, all dies ihnen anzubieten! Wir verstehen nicht, warum lassen
wir uns Dutzende von Millionen Lei entlaufen, die von den für Separatisten eingeführten
Zollgebühren für den Grenzübergang gesammelt werden könnten.

Diese Vorschläge setzen keine Blockade der transnistrischen Zone voraus. Der Dnjestr-
Übergang kann weiterhin ermöglicht werden, jedoch nicht unkontrolliert bleiben. Gleichzeitig
soll die Regierung von Chişinău mehr Bedeutung der Verbesserung der wirtschaftlichen und
sozialen Lage im Land beimessen. Der Erfolg der Lösung der transnistrischen Frage besteht in
der Verbesserung der Situation auf dem rechten Ufer des Dnjestr. Das transnistrische Regime
existiert solange, nicht weil in Tiraspol einen Autokraten Namens Smirnov gibt, der mit
Unterstützung der russischen Bajonetten die Macht auf einem Teil des Territoriums der Republik
Moldau usurpiert, sondern wegen der Misserfolgen der Republik Moldau auf wirtschaftlicher,
sozialer und politischer Ebene.

Wenn die Republik Moldau ein attraktives uns stabiles Land wäre, mit einer
leistungsfähigen Wirtschaft, wenn der moldauische Reisepass kein Dokument wäre, das einem
eher Probleme beim Grenzübergang bereitet, sondern ein Dokument, das den freien
Personenverkehr ermöglicht, so würden die Chancen des separatistischen Regimes, an der Macht
zu bleiben, bedeutend geringer. Was könnten wir im Moment den 600 000 Bürgern der
transnistrischen Region anbieten – patriotische Botschaften, Überzeugungen, dass wir Moldauer
sind und nicht den Anschluss an Rumänien anstreben, dass bei uns die Russen nicht verfolgt
sind, dass wir nicht in die NATO wollen, sondern in die große GUS-Familie?! Chişinău machte
bereits den Versuch, die Einwohner auf dem linken Dnjestr-Ufer damit zu verführen. Der
Versuch scheiterte, weil man an diese Botschaften nicht geglaubt hat.
Leider versuchen die moldauischen Behörden verzweifelt, die Bürger auf dem linken
Dnjestr-Ufer zu überzeugen, sich die Wiedervereinigung des Landes zu wünschen, während ein
großer Teil der Bevölkerung auf dem rechten Ufer des Flusses sich Gedanken macht, wie man
dieses Land loswerden kann. Hundert Tausende Moldauer sind im Ausland. Die
Meinungsumfragen zeigen besorgniserregenden Vertrauensmangel unserer Bürger in die Zukunft
dieses Landes. Ich weiß nicht, ob wir unter diesen Bedingungen über eine positive Motivation
der Transnistrier, seien sie moldauische Rumänen, Russen oder Ukrainer, sprechen können. Das
transnistrische Problem wird dann gelöst, wenn das Problem der Republik Moldau gelöst sein
wird. Und es wird sich im größten Teil von sich lösen – ohne Vermittler, Garantmächte und
Föderalisierungsprojekte.

Aus diesen Gründen ist meines Erachtens die Zeit gekommen, das Problem aus einer
anderen Perspektive zu betrachten. Für die offiziellen Behörden von Chişinău ist die
Wiedervereinigung des Landes zu einer Besessenheit geworden, indem die transnistrische Frage
eine Art Blitzableiter ist, der unsere Aufmerksamkeit von unseren Problemen auf dem rechten
Ufer ablenkt. Eben aus diesen Gründen ist es vielleicht notwendig, unsere Verhaltensweise im
Falle dieses Konflikts zu ändern.

Das absichtliche „Einfrieren“ des Konflikts gemeinsam mit den wirtschaftlichen


Aktionen zwecks Entmutigung des separatistischen Regimes, das Erarbeiten einer Strategie zum
Informieren der Bürger auf dem linken Ufer den Flusses und das Konzentrieren der Bemühungen
der Regierung von Chişinău in Richtung Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage
auf dem rechten Ufer des Dnjestr wurden Handlungen sein, welche die Entspannung des
Wiedervereinigungsprozesses ermöglichen könnten. Denn unser wichtigstes Problem ist im
Moment nicht die östliche Region im Einzelnen, sondern die Republik Moldau im Allgemeinen.
Von der Art und Weise, wie wir dieses Problem lösen wissen werden, hängt sowohl der Erfolg
der Wiedervereinigung des Landes, als auch die Integration des vereinten Landes in die
Europäischen Union ab.

Es bleibt das Überprüfen noch einer Möglichkeit der Lösung des Konflikts, über die in
Chişinău leise diskutiert wird und die von einigen politischen bessarabischen Führern bevorzugt
ist – es handelt sich um die Variante, die sich auf den Dialog mit Russland basiert. Diese riskante
Option besteht in der Gewinnung der Unterstützung von Moskau für das Einverständnis von
Tiraspol mit einem autonomen Rechtsstatus im Rahmen der Republik Moldau, identisch mit dem
Rechtsstatus von Gagauz Yeri. Chişinău würde Russland für diesen „Dienst“ das Recht
gewähren, Militärbasen in den transnistrischen Rayons in Besitz zu haben. Als Schadenersatz für
das Stationieren dieser Truppen würde Chişinău das Annullieren seiner finanzieller Schulden
Moskaus gegenüber anfordern.

Diese Variante scheint durch ihre Einfachheit verführerisch zu sein, sie beinhaltet jedoch
einige Risiken. Das erste Risiko ist vom unabsehbaren Verhalten Russlands verursacht, dessen
Zukunft wegen der letzten Entwicklungen des Putin-Regimes unklar bleibt. Ein anderes Risiko
würde darin bestehen, dass sich durch diese Entscheidung die Verbundenheit der Republik
Moldau an Russland bestätigen würde, was den pro-europäischen Erklärungen widerspricht. Es
ist schwer anzunehmen, dass sich die Russen beeilen werden, den von Chişinău gewünschten
Druck auf Tiraspol zu üben, im Falle wenn die Republik Moldau das Stationieren der Truppen
akzeptieren würde. Die immer wieder betonte Option von Chişinău ist pro-europäisch und
Europa wartet auf ein für sein Schicksal und sein eigenes Territorium verantwortungsvolles
Moldau.

4. Platz des süd-bessarabischen Konflikts in der geographischen Charakteristik der


Republik Moldau

Der im Jahre 2000 unterzeichnete moldauisch-ukrainische Grenzvertrag und die


Verwaltungsreform 1999 haben die Aufmerksamkeit auf die Konflikte im Süden Bessarabiens
erneut gerichtet. Neben der transnistrischen Frage hat der Konfliktknoten im Süden Bessarabiens
ein enormes Potential zur Destabilisierung der Lage, dessen Dimension noch zu wenig analysiert
wurde. Auch wenn die „Lösung“ des gagausischen Problems 1994 die Situation zu entspanne
schien, bleiben an der südlichen Grenze der Republik Moldau noch zwei potentielle
Konfliktherde – die Präsenz der bulgarischen Minderheit und die moldauisch-ukrainischen
Grenze. Eben dieses zweite Problem ist die Ursache des süd-bessarabischen Konfliktpotentials.
Trotzdem ist der lange Verhandlungsprozess über die moldauisch-ukrainische Grenze fast
unbemerkt an der Öffentlichkeit und den Massenmedien aus der Republik Moldau
vorbeigegangen, was von einer gefährlichen Tendenz zur politischen Gleichgültigkeit der
Bevölkerung und zum spektakulären Untergang des Zivilgeistes in Bessarabien zeugt. Selbst die
politische Klasse von Chişinău wurde auf das Problem von Süden Bessarabiens erst nach den
jüngsten Zwischenfällen an der Grenze im Dorf Palanca und nach dem von der bulgarischen
Minderheit 1999 verursachte Problem aufmerksam. Auf die bulgarische Frage und auf den „Fall
Taraclia“ eingehend können wir bestätigen, dass dies für Chişinău, aber auch für andere
Hauptstädte eine Lektion unter dem Motto „Die Rolle der Minderheiten in der Strategie der
Außenpolitik“ gewesen ist. Im Jahre 1992 schafften 80 000 Bulgaren in der Republik Moldau
das, was Chişinău und Bukarest in der Ukraine mit 500 000 Rumänen nicht geschafft haben und
nämlich – eine unerklärte territoriale Autonomie.

Es sei zu erwähnen, dass diese Zone aus geopolitischen Perspektiven für die Republik
Moldau wichtig ist und dass sie mehr sowohl politische als auch „akademische“ Aufmerksamkeit
verdient. Hier, an den Donaumündungen, kommen nicht nur die Bestrebungen und Forderungen
einiger Länder aus der Region zusammen, sondern kreuzen sich die Interessen der Großmächte.
Bevor wir jedoch das Problem des süd-bessarabischen Konfliktpotentials anschneiden, werde ich
versuchen, eine kurze geo-historische Skizze der Region, einschließlich der Konflikte in der
Zone, darzustellen.

Der Süden Bessarabiens, anders genannt Budschak, ist nie eine sehr stabile Region
gewesen, die Wojewodschaft Moldau übte, ganz im Gegenteil zu dem was gemeint wird, nur
eine ephemere Kontrolle auf diese Gebiete. Obwohl dieses Territorium Teil Moldaus im letzten
Jahrzehnt des XIV. Jahrhunderts geworden ist, dauerte die moldauische Herrschaft weniger als
ein Jahrhundert. Das Territorium von Budschak wurde Ende des XV. Jahrhunderts von den
Türken annektiert und ist teilweise ein rumänisches Territorium erst 1856 geworden, nach dem
Pariser Frieden. 1812 annektierte das Russische Reich diese Gebiete direkt vom Osmanischen
Reich und nicht vom Fürstentum Moldawien, wie es mit dem Zentrum und Norden des
zukünftigen Bessarabiens geschah. Nach dem Annektieren des Südens Bessarabiens von den
Russen begann Petersburg eine Politik zur Verwertung und Kolonisierung der Region, identisch
mit der auf dem Gebiet Neurussland. Die Mehrheit der Kolonisten waren deutscher, türkisch-
gagausischer, bulgarischer und ukrainischer Herkunft. Zur Zeit der Annektierung der Region
durch die Russen lebten hier selbstverständlich Rumänen, aber auch Russen-Lipowaner, Tataren,
Griechen und Armenier (die beiden letzten Ethnien lebten überwiegend in den Städten). Mitte
des XIX Jahrhunderts wurde Budschak zu einem balkanischen Dagestan. Hier lebten 5
Hauptethnien – Rumänen, Ukrainer, Deutsche, Russen, Bulgaren und gagausische Türken. Zum
ethnischen Bild kamen Tataren, Juden, Armenier und Zigeuner hinzugefügt. Die beiden
erwähnten Südbezirke Bessarabiens Ismajil und Akkerman waren, dem „Inhalt nach“, am
weniger „rumänisch“ im ganzen Gouvernement.

Am 2. August 1940 bekam die Ukraine ein Territorium von 12,4 Tausend km² im Süden
Bessarabiens, das später zur Region Ismajil wurde. Die Begründung dieser Entscheidung lag in
der ethnischen Zusammensetzung der Region. Natürlich handelte es sich in diesem Fall um einen
Vorwand und nicht um einen Grund, denn die Ukrainer waren nicht zahlreicher als die Rumänen.
Eine relative Mehrheit wurde erst nach der „Umsiedlung“ der 100 000 Bessarabiendeutschen
erreicht, die überwiegend auf den Gebieten der heutigen Kreise Tarutino, Sarata und Arzis
lebten. Selbstverständlich wurden die verlassenen Ortschaften mit Russen und besonders mit
Ukrainern aus Ostkleinrussland besiedelt. Was die anderen zwei wichtige ethnische Minderheiten
in der Zone angelangt – Bulgaren und gagausische Türken – so wurde sie folgenderweise
„verteilt“: die Mehrheit der gagausischen Türken blieben in der Moldauischen SSR, während die
Mehrheit der Bulgaren der Ukrainischen SSR anfielen. So waren laut der Volkszählung 1989 von
den etwa 190 000 gagausischen Türken aus dem Süden Bessarabiens etwa 150 000 in der
Republik Moldau und etwa 40 000 im der Region Odessa7. Die Zahl der Bulgaren betrug 320
000 Personen, einschließlich 240 000 im Gebiet Ismajil der Region Odessa und 80 000 im Süd-
Westen der Republik Moldau.

Mit dem Untergang der Sowjetunion und Beginn des Prozesses der nationalen
Wiederbelebung in der Republik Moldau kam die 1940 „friedlich“ gelöste „bessarabische Frage“
erneut auf die Tagesordnung. Selbstverständlich konnte Rumänien diese Gebiete aufgrund von
Entscheidungen des Pariser Friedensvertrags vom Februar 1947 nicht mehr anfordern.
Diejenigen, die die bessarabische Frage erneut angeschnitten haben, waren die Vertreter der
nationalen Idee in Bessarabien, die 1988-1989 nicht nur Sprache, Alphabet oder nationale
Identität, sondern auch Volkseinheit verlangten. Auch wenn seit den damaligen Ereignisse nur
ein Jahrzehnt vergangen ist, haben viele vergessen, dass die Idee der „Volkseinheit“ ursprünglich
eine andere Geographie hatte. 1988 nannten sich viele Bessarabier nur mit halbem Mund
Rumänen, viel von ihnen wagten jedoch laut zu erklären, dass das Abreißen des nördlichen und
südlichen Bessarabiens von der Moldauischen Republik im August 1940 ein Akt kolonialer
Willkür gewesen ist.

Diese „geographischen Erinnerungen“ der bessarabischen Rumänen konnten nicht


unbemerkt jenseits des Dnjestr bleiben, bei unseren ukrainischen Nachbarn, die ungeachtet ihrer
politischen Farbe, eine äußerst feindliche Position der Republik Moldau gegenüber
eingenommen haben. Natürlich hatte Moskau keine freundlichere Position uns gegenüber
gehabt, nicht zu vergessen ist jedoch, dass die direkten „Gewinner“ des Geschäftes „28. Juni - 2.
August 1940“ unsere unmittelbaren Nachbar im Osten waren. Deswegen unterstützte und
unterstützt auch heute Kiew die separatistischen Bewegungen sowohl im Osten, als auch im
Süden des Republik Moldau. Auch wenn in unseren Augen der wichtigste Angeklagte im
„transnistrischen“ und „gagausischen“ Fall Moskau ist, ist absolut sicher, dass Kiew keine
weniger negative Rolle in den beiden Fällen gespielt hatte. Denn nämlich die Konflikte im Osten
und im Süden der Republik Moldau haben die Position von Chişinău im Dialog mit der Ukraine
7
http://www.ato-gagauzia.narod.ru/istoria.htm
„flexibler“ gemacht und uns an die absurde Idee zu glauben geführt, dass die Ukraine unser
„natürlicher Verbündete“ sei.

Es ist offensichtlich, mit solch einem historischen Prolog können wir kein Vertrauen zu
den optimistischen Behauptungen haben, die uns zu überzeugen versuchen, dass durch die
Gründung der Autonomie Gagauz-Yeri, des Kreises Taraclia für die bulgarische Minderheit und
durch die Unterzeichnung des fraglichen Grenzvertrages mit der Ukraine der Konfliktknoten im
Süden Bessarabiens gelöst wäre. In Wirklichkeit haben wir, zum wievielten Mal, das Problem
verschoben, jedoch nicht gelöst. Es ist übrigens sehr kompliziert, die Zukunft dieser Zone zu
prognostizieren. Wird es uns gelingen, die beiden ethnischen Gemeinschaften zu
„naturalisieren“, dieses sehr un-rumänische unter dem Aspekt der ethnischen Zusammenfassung
Territorium im Rahmen der Republik Moldau zu behalten? Meines Erachtens ist der verliehene
Autonomiestatus der autonomen Gebietskörperschaft Gagauz-Yeri unfähig, beruhigende
Antworten in diesem Zusammenhang zu geben – zu großzügig und gefährlich waren die von
Chişinău verliehenen Rechte, damit, die „rebellische“ Autonomie irgendwann der Versuchung
ihrer Verwertung widerstehen kann. Die im Süd-Westen Bessarabiens entstandene Situation
analysierend kommen wir zur Schlussfolgerung, dass es in der Zukunft eine einzige Möglichkeit
zur endgültigen Lösung dieses Konflikts existieren könnte, denn die gegenwärtige Lage kann
keinesfalls Lösung des Konflikts genannt werden. Manchmal scheint diese Lage eher Instabilität
zu verursachen.

Diese einzige Variante würde darin bestehen, den Kreis Taraclia und die gagausische
Autonomie in einen einzigen autonomen Kreis – Budschak zusammenzuschließen, der drei
offizielle Regionalsprachen hätte – Türkisch, Bulgarisch und Rumänisch. Auch unter dem
wirtschaftlichen-geographischen, aber auch unter dem politisch-geographischen Aspekt würde
die Region viel kohärenter sein, indem sie auch den aktuellen Komplex des „kontinentalen
Archipels“ loswerden würde. So würde das Projekt einer gemeinsamen Autonomie für die beiden
Gemeinschaften vorteilhaft sein. Welche würden die Vorteile von Chişinău sein? Ich glaube, es
würde zwei geben, bei wichtig genug, um diese Variante in Betracht zu ziehen. In erster Linie
würde ein autonomer Kreis gegründet werden, der sich auf historisch-geographische Kriterien
(Budschak) und nicht auf ethnische, wie im Falle von Gagauy-Yeri, basieren werde. Die neue
Autonomie würde eine Fläche von 2 666 km² und eine Bevölkerungszahl von 200 000 Personen
haben. Wenn wir uns nach den Angaben der Volkszählung vom Jahre 2004 richten würden,
würden Gagausen 61,8 Prozent (131 400 Personen) der Gesamtbevölkerung der neuen
Autonomie betragen, Bulgaren – 18,2 Prozent (36 300 Personen), moldauische Rumänen – 6,3
Prozent (13 500 Personen), außerdem noch Russen, Ukrainer, Zigeuner, u.a.8 Es würde also eine
bi-ethnische Autonomie entstehen. Solch ein Verfahren ist rationell aus geopolitischen Gründen,
dazu greift man in schwierigen Situationen. Die Sowjets, zum Beispiel, verwendeten dieses
Verfahren 1920 und 1930 im Nord-Kaukasus, indem sie die schwierigen „Autonomien“ der
Tscherkessen und Karatschaier, der Kabardiner und Balkaren, der Tschetschenen und Inguschen
zusammengeschlossen haben. Auch das demokratische Italien schloss in eine einzige autonome
Region die deutsche „rebelle“ Autonomie des Südtirols und die Provinz Trentino, die
überwiegend von Italienern bewohnt wurde, zusammen, um das Gewicht des deutschen
Elements im Rahmen der neu gegründeten Autonomie – Trentino und Südtirol – zu verringern.
Wenn solche mächtige Länder wie die Sowjetunion und Italien solche Verfahren angewandt
haben, sehe ich nichts gegen die Möglichkeit der Gründung einer Autonomie sprechen, die den
Namen einer historischen Provinz (und nicht einer ethnischen Gruppe) tragen würde und in
welche sich einander neutralisierende ethnische Hauptkomponenten existieren würden.

Ein anderes positives Element für die Republik Moldau, der aus dieser Fusion
hervorgehen würde, würde die Möglichkeit (sogar Notwendigkeit) der Neuverhandlung des
Rechtsstatus dieser Autonomie. Das ist der einzige legale Weg, der gagausischen Autonomie
einige ihr 1994 gewährleistete Privilegien zu entziehen. Somit würde der Preis der
geographischen Erweiterung der Autonomie in die Verringerung ihrer Qualität und ihrer
Annäherung einem der Autonomen Republik Krym in der Ukraine ähnlichen politischen Status
bestehen. Im Moment bleibt aber Comrat, das sich einem breiten Autonomiestatus erfreut und
von den europäischen Organisationen, welche äußerst empfindlich bei den Fragen der ethnischen
und linguistischen Minderheiten sind, geschützt ist, eine eventuell unangenehme Überraschung
für Chişinău.

Schlussfolgerung

Die Republik Moldau trat in das dritte Jahrtausend mit dem linken Bein ein, zu der
komplizierten geopolitischen Lage kamen neue Probleme hinzu, verursacht von der „politischen
Farbe“ der am 25. Februar 2001 an die Macht gekommenen kommunistischen Regierung. Die
sieben Jahre kommunistischer Regierung zerstörten die letzten Illusionen betreffend die
Möglichkeit einer realen Annäherung der Republik Moldau an die Europäische Union. In der
Zwischenzeit ist Rumänien Mitglied der Nord-Atlantischen Allianz und ab dem 1. Januar 2007
auch der Europäischen Union geworden, was die geopolitische Ambiance unserer Region radikal
geändert hat.

8
http://www.statistica.md/recensamint/Nationalitati_de_baza_ro.xls
Die Erfolge Rumäniens machen uns Hoffnungen, dass sich auch die Lage Bessarabiens
zum Guten ändern könnte. Im Moment, bleibt aber die Situation in der Republik Moldau, trotz
den haltlos optimistischen Behauptungen der Macht, mehr als schlecht. Offensichtlicher als je ist
der Mangel an Fortschritten im Lösungsprozess des Konflikts in der östlichen Region des
Landes. Wir sind Zeuge einer erneuten Spannung der Situation im Süden des Landes, der
Abkühlung der Beziehungen mit unseren östlichen und westlichen Nachbarn, eines andauernden
Stagnierens der Wirtschaft sowie des Stoppens des Demokratisierungsprozesses der
Gesellschaft, der im April 2005 schien, wieder in Gang gebracht zu sein.

Diese Tatsachen stellen die Zukunft der Republik Moldau als souveräne und unabhängige
Einheit in Frage. Hunderttausende Menschen haben in den letzten sieben Jahren auf der Suche
nach einem Arbeitsplatz das Land verlassen. Andere hunderttausende Personen nutzten die
Möglichkeit aus, Reisepässe anderer Länder – Rumänien, Russland, die Ukraine zu bekommen.
Tausende Jugendliche, die im Rahmen verschiedener internationaler Programme ins Ausland
gereist sind, kehren nicht mehr zurück. Die besten Fachleute auf dem Gebiet der angewandten
und humanistischen Wissenschaften, aber auch Künstler sind bereits im Ausland oder
beabsichtigen, dies zu tun. Wir wohnen einem dramatischen Sinken des Lebensniveaus, der
Lebenserwartung und der Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei. Unter diesen Bedingungen ist es
logisch, uns die Frage zu stellen, in welche Richtung geht die Republik Moldau? Wird es uns
gelingen, aus dieser verzweifelten Lage selbständig herauszukommen? Die überwiegende
Mehrheit der Bevölkerung würde negativ diese Frage beantworten, was einen psychologischen
Zustand der Niederlage und des Scheiterns offenbart. Bukarest brachte seine Bereitschaft zum
Ausdruck, uns bei unserer Annäherung an Europa uneingeschränkt zu unterstützen. Leider wurde
das Geste weder verstanden noch akzeptiert. Im Gegenteil. Die Offenheit von Bukarest diente
zum unbegründeten Vorwand für die Auslösung anti-rumänischer Angriffe seitens der
moldauischen Behörden. Dies alles gibt uns Anlass zu glauben, dass sich die Dinge in absehbarer
Zukunft nicht in gute Richtung entwickeln werden, dass die Republik Moldau riskiert, einen
„weißen Fleck“ auf der Karte des alten Kontinents, eine Pufferzone zwischen dem west-
europäischen Raum, der in vollem politischen und wirtschaftlichen Integrationsprozess ist und
der eurasiatischen Zone zu bleiben, dominiert vom unvorhersehbaren Verhalten einer frustrierten
Nation, die sich mit ihrer geopolitischen Lage nicht zurechtkommen kann.

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