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31.03.

2020

Abiturvariante 1

Teil I:

Teil II:

Erläutern Sie den Begriff Dinggedicht anhand eines Beispiels Ihrer Wahl.

Beachten Sie dabei Folgendes: 1) Definition des Begriffs Dinggedicht; 2) Erläuterung anhand
eines beliebigen Beispiels; 3) Eigene Meinung zu der Gedichtform.

Der Panther von Rainer Maria Rilke (1902-1903)

"Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

so müd geworden, dass er nichts mehr hält.

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe

und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

in der betäubt ein großer Wille steht.


Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,

geht durch der Glieder angespannte Stille -

und hört im Herzen auf zu sein."

1) Definition des Begriffs Dinggedicht:

- das Dinggedicht ist eine Gedichtform, welche im Mittelpunkt ein Objekt hat;

- aus der Perspektive dieses Objekts wird das Gedicht geschrieben;

- das Ziel des Gedichts: alles so wiederzugeben, als ob das Ding über sich selbst sprechen würde
(das Objekt wird von außen und innen beschrieben, so wie das Objekt selbst das tun würde,
wenn es eine Stimme hätte);

- das Dinggedicht hat im Mittelpunkt: Objekte oder Lebewesen, welche keine eigene Stimme
haben (ein Gegenstand, ein Kunstwerk, eine Pflanze oder ein Tier);

- Beispiele von Dinggedichten: Der Panther (Rainer Maria Rilke), Auf eine Lampe (Eduard
Mörike), Das Karussell (Rainer Maria Rilke), Römische Fontäne (R. M. Rilke), Der römische
Brunnen (Conrad Ferdinand Meyer);

- ein besprochenes Dinggedicht: Der Panther von Rainer Maria Rilke.

2) Erläuterung anhand eines beliebigen Beispiels:

- Der Panther von Rainer Maria Rilke: ein Dinggedicht, welches die Gefühle des Panthers
beschreibt, denn der Panther hat selbst keine Stimme;

- das Gedicht gehört zu der Epoche des Symbolismus und wurde 1903 geschrieben;

- die ersten zwei Strophen beschreiben das Tier von außen, während die letzte Strophe die
inneren Gefühle des Tieres darstellt (das Tier betrachtet die Umwelt auf eine passive Art);

- das lyrische Ich ist trotzdem derjenige, welcher den Panther beschreibt (das lyrische Ich tritt
aber in den Hintergrund);

- als Dinggedicht bespricht dieses Werk nicht die subjektiven Erlebnisse des lyrischen Ichs (es
wird versucht, den Panther so gut wie möglich zu beschreiben).

Entstehungsgeschichte:

- Rilke ist einem Panther im Jardin des Plantes, einem botanischen Garten in Paris, begegnet (die
Begegnung beeindruckte den Autor so stark, dass er dem Tier sein Gedicht widmete).

Gedichtaufbau:

- drei Strophen mit je vier Versen;

- die Form und der Inhalt des Gedichts sind eng verbunden;

- der Kreuzreim stellt die Gefangenschaft des Tieres dar;

- der fünfhebige Jambus führt zu einem raschen Lesetempo, welches für die Unruhe und die
Bewegungen des Panthers steht;

- die betonten und unbetonten Silben und die weiblichen und männlichen Kadenzen
symbolisieren die Schritte des Tieres innerhalb des Käfigs;

- im letzten Vers verändert sich der Rhythmus (ein vierhebige Jambus ersetzt den fünfhebigen
Jambus);

- das Wort Panther finden wir nur im Titel (im Gedicht überhaupt nicht);

- zuerst eine äußere Beschreibung (dann die innere, zu der die Kreisbewegungen passen);

- das Symbol des Panthers: schwarzes Raubtier, dessen Eigenschaften die Schnelligkeit und der
Mut sind; gleichzeitig wirkt der Panther wild und gefährlich wegen seines Jagdinstinktes;

- im Gedicht sehen wir nur den Schatten von dem, was dieser Panther einst war, denn er leidet
unter der Gefangenschaft (er ist müde und willenlos; manchmal kann man seinen Wunsch nach
Freiheit spüren, so dass das Tier Mitleid weckt);

- das Symbol des Käfigs: die Gefangenschaft des Tieres oder des Individuums;

- der Kontakt zur Außenwelt wird nicht unterbrochen (die Augen);

- wegen der Gitterstäbe des Käfigs kann der Panther von den anderen zu jeder Zeit betrachtet
werden;

- der Käfig repräsentiert auch die Hoffnungslosigkeit (ohne Hilfe der anderen Menschen kann
sich der Panther nicht alleine befreien);

- der Blick durch die Gitterstäbe ermöglicht eine Verbindung des gefangenen Tieres zu der
Außenwelt;

- die Kreisbewegungen werden von der Stille von Zeit zu Zeit unterbrochen, so dass das Tier
stehen bleibt (,,Der Vorhang der Pupille'' wird gezogen und das Tier erinnert sich an sein früheres
freies Leben).
Gedichtanalyse:

- geschrieben von Rilke im Jahre 1903;

- darin geht es um einen gefangenen Panther und dessen Existenz in einem Käfig;

- jede von den drei Strophen besteht aus einem Satz, welcher sich über vier Verse erstreckt;

- 1. Strophe: die Beschreibung des ermüdeten Blicks des Panthers, welcher in einen Käfig
gesperrt wurde und aus diesem Grund nichts mehr fühlen kann (der Käfig repräsentiert nun seine
ganze Welt);

- 2. Strophe: das lyrische Ich beschreibt die Eigenschaften des Panthers (er hat einen
geschmeidigen, eleganten Gang voller Kraft; wegen des Käfigs dreht er sich im Kreis herum und
er ist wie betäubt);

- 3. Strophe: die Beschreibung der Wahrnehmung des Panthers (von Zeit zu Zeit erreichen den
Panther die Bilder, aber sie haben keine Wirkung mehr auf ihn, denn er kann überhaupt nicht
mehr reagieren);

- von außen betrachtet scheint der Panther noch energisch und am Leben zu sein, während sein
innnerer Willen gebrochen wurde.

Formale und sprachliche Mittel:

- die ersten beiden Strophen könnten von einem äußeren Betrachter stammen, aber in der dritten
Strophe wird das Innere des Panthers beschrieben (sein Innere ist von außen nicht sichtbar);

- das Versmaß des Gedichts: ein fünfhebiger Jambus (der letzte Vers ist eine Ausnahme: ein
vierhebiger Jambus, welcher sich auf die abwesende Wahrnehmung des Panthers bezieht -> das
geregelte Versmaß bedeutet eine geregelte Existenz, welche in bestimmten Grenzen gehalten ist);

- die abwechselnden Kadenzen und der Kreuzreim (abab, cdcd, efef) symbolisieren die endlosen
Bewegungen des Panthers und dessen regelmäßige Schritte im Käfig;

- das Substantiv Panther taucht nur im Titel auf (im Gedicht sind nur Pronomen und Adjektive
des Tieres zu finden);

- die Wiederholung („Stäbe“ - Verse 1, 4, 5) und die ä – Assonanz (,,hält“ - V. 2, ,,gäbe“ - V. 3)


führen zu einem langsamen Tempo des Gedichts, welches die Monotonie der Gefangenschaft
ausdrückt;

- die Personifikation der Stäbe im ersten Vers (das „Vorübergehn der Stäbe“ ist aber von der
Bewegung des Tieres abhängig) -> daraus ergibt sich, dass der Panther passiv und abhängig von
der Außenwelt ist;
- der Blick des Panthers wird personifiziert: „so müd geworden, dass er nichts mehr hält“ - V. 2
(das Tier befindet sich in diesem Zustand schon seit langer Zeit);

- die Alliteration: „Gang“, „geschmeidig“ (V. 5) -> ein Kontrast zwischen dem
Gefangenschaftszustand und der eleganten Bewegung;

- der Superlativ: „im allerkleinsten Kreise“ (V. 6) -> ein Kontrast zwischen dem Leben des
Panthers in Freiheit und einem Leben in Gefangenschaft;

- der Vergleich: „wie ein Tanz von Kraft“ (V. 7) stellt einen mächtigen Panther dar (der Tanz
repräsentiert Lebensfreude, starke Gefühle und die im Panther steckende Kraft);

- das Paradoxon: „betäubt ein großer Wille“ - V. 8 (es symbolisiert die Unterdrückung der
Lebenskraft des Panthers);

- die Metapher: „der Vorhang der Pupille“ (V. 9) zeigt, dass dem Tier das Bewusstsein im Käfig
fehlt;

- durch die Augen sollte der Panther einen Eindruck von der Außenwelt bekommen (die Augen
sind aber mit einem Vorhang bedeckt, so dass die Besucher die inneren Gefühle des Tieres nicht
entdecken können; gleichzeitig kann das Tier selbst nichts wahrnehmen, da sein Zugang zu der
Umwelt beschränkt ist);

- die Personifikation: „Dann geht ein Bild hinein“ - V. 10 (zeigt dem Leser die Passivität des
Tieres);

- die Methaper: „Herz“ - V. 12 (sie symbolisiert den ganzen Panther, in dem das Bild „zu sein“
aufhört) -> das Tier hat keine Reaktion mehr und es erfüllt seine Funktion nicht mehr;

- obwohl wir als Leser den Eindruck bekommen, dass der Panther lebendig ist und noch nicht
aufgegeben hat (von außen betrachtet mindestens), erfahren wir am Ende des Gedichts, dass das
Tier keinen inneren Willen mehr hat, dem Käfig zu entkommen.

3) Eigene Meinung zu der Gedichtform

- das Gedicht Der Panther ist stellvertretend für das Dinggedicht als Gedichtform;

- der Gefangenschaftszustand wird in dem Gedicht Der Panther von Rainer Maria Rilke sehr gut
dargestellt;

- das Tier wird zuerst äußerlich beschrieben; am Ende wird sein Inneres analysiert;

- der Panther bekommt in diesem Gedicht eine Stimme, um sich hörbar zu machen;

- das Dinggedicht bietet uns die Möglichkeit an, es auf andere Situationen zu übertragen (die
Assoziation mit der Gefangenschaft von Menschen: Gefangenschaft als Haftstrafe oder
alltägliche Zwänge und Gesetze der Gesellschaft, welche den Beruf oder das Privatleben eines
Menschen beeinflussen);

- der Leser wird dazu aufgefordert, sich von den Zwängen nicht gefangen nehmen zu lassen,
sonst wird er sich mit der Zeit innerlich leer fühlen.

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