Sie sind auf Seite 1von 14

Stefan Kottwitz Seminar Algebraische Topologie, WiSe 2005/06

Elliptische Kurven

In dieser Sitzung des ATo-Seminars wird in das Gebiet der elliptischen Kur-
ven eingeführt. In gebotener Kürze werden hier die elliptischen Kurven de-
finiert, in die Algebraische Geometrie eingeordnet und grundlegende Eigen-
schaften gezeigt.

Affine und Projektive Geometrie


Zunächst werden bekannte Definitionen aus der affinen algebraischen Geome-
trie (Vorlesung Algebra II) wiederholt, und die entsprechenden Definitionen
in der projektiven Geometrie gegeben. Absicht ist die Einordnung der ellip-
tischen Kurven als algebraische Kurven.

Definition: Als n-dimensionalen affinen Raum über dem Körper K bezeich-


net man die Menge der n-Tupel
An = An (K) = {(x1 , . . . , xn ) | xi ∈ K}.
Es bezeichnet K den algebraischen Abschluß von K.

Bemerkung: Oft betrachtet man nur abgeschlossene Körper, und beschränkt bereits die
Definition darauf. Dennoch interessiert man sich auch für Lösungen nicht algebraisch nicht
abgeschlossenen Körpern, z.B. reellwertige oder rationale.

Definition: Als affine algebraische Menge bezeichnet man eine Teilmenge


VI ⊂ An mit
VI = {(x1 , . . . , xn ) | f (x1 , . . . , xn ) = 0 ∀f ∈ I},
wobei I ein Ideal in K[X1 , . . . , Xn ] ist.

Affine algebraische Mengen sind also gemeinsame Nullstellenmengen von ei-


ner Menge1 von Polynomen. Wir werden uns im weiteren mit Nullstellenmen-
gen eines einzelnen Polynoms befassen, also mit affinen Mengen der Form
Vf = {An ∋ x | f (x) = 0, f ∈ K[X1 , . . . , Xn ]}.
1
das von dieser Menge erzeugte zugehörige Ideal bestimmt die gleiche affine Menge.

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 1


Definition: Eine affine algebraische Menge V heißt affine Varietät, wenn
das zugehörige Ideal I(V ) prim in K[X] ist.
Bemerkung: Eine affine algebraische Varietät V ist eine irreduzible algebraische Menge.
D.h. sie kann nicht als nichttriviale Vereinigung zweier algebraischer Mengen geschrieben
werden: V ist irreduzibel ⇔ für alle algebraischen Mengen X1 , X2 mit V = X1 ∪ X2
folgt X1 ⊆ X2 oder X2 ⊆ X1 .

Beispiel: V = {(x1 , x2 ) ∈ A2 | x31 − x22 + 1 = 0}


ist eine affine Varietät, Darstellung siehe Abb. 1.

In der Projektiven Geometrie:


Definition: Als n-dimensionalen projektiven Raum über dem Körper K be-
zeichnet man die Menge der n + 1−Tupel
Pn = Pn (K) = x = (x0 , . . . , xn ) | x ∈ An \ {(0, . . . , 0)} / ∼


modulo der Äquivalenzrelation



(x0 , . . . , xn ) ∼ (x′0 , . . . , x′n ) ⇔ ∃ λ ∈ K : xi = λx′i ∀ i

Der projektive Raum besteht also aus Äquivalenzklassen2 , welche mit



[x0 , . . . , xn ] := {(λx0 , . . . , λxn ) | λ ∈ K } (1)
geschrieben werden. Die Darstellungen (1) heißen homogene Koordinaten
des zugehörigen Punktes aus Pn , eine andere Schreibweise ist (x0 : . . . : xn ).

Bemerkung: Zur Einbettung der affinen Ebene A2 := A2 (R) in die projektive Ebene P2 (R):
zunächst betten wir die affine Ebene in den R3 ein, indem wir sie um 1 nach oben heben:
A2 (R) ∼= {(x, y, 1) ∈ R3 | x, y ∈ R}. Jedem Punkt (x, y) ∈ A2 entspricht genau eine Gerade
durch (x, y, 1) und (0, 0, 0). Einer Gerade im A2 entspricht genau eine Ebene durch den
Ursprung. Zwei Ebenen bestimmt durch nichtparallele Geraden g1 , g2 ⊂ A2 schneiden sich
in einer Geraden durch den Ursprung, festgelegt durch den affinen Schnittpunkt g1 ∩ g2 .
Für g1 kg2 ergibt sich als Schnitt der Ursprungsebenen eine Ursprungsgerade, die ganz in
der x, y-Ebene liegt.
P2 (R) ist gerade die Menge der Geraden des R3 durch den Ursprung, parametrisiert durch
λ(x, y, z). Dem affine Teil des P2 (R) entsprechen die Geraden mit z > 0, parametrisiert
durch λ(x, y, 1), die uneigentlichen“ (nicht affinen) Punkte sind die λ(x, y, 0).

P2 (R) kann man sich somit auch vorstellen als S2 / ∼, der Sphäre S2 = {(x, y, z) ∈
R3 | x2 + y 2 + z 2 = 1} unter Verheftung der antipodischen Punkte.

2
eindimensionalen Unterräumen des Vektorraumes K n+1

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 2


n+1
Sei f ∈ K[X0 , . . . , Xn ] ein Polynom über dem Vektorraum K . Aufgrund
der Äquivalenzklassenbildung definiert f keine Funktion auf Pn .

Definition: Ein Polynom f ∈ K[X0 , . . . , Xn ] heißt homogen vom Grad d,


wenn
f (λX0 , . . . , λXn ) = λd f (X0 , . . . , Xn )
für alle λ ∈ K gilt3 .
Ein Ideal von K[X0 , . . . , Xn ] heißt homogen, wenn es von homogenen
Polynomen erzeugt wird.

Ist f homogen4 , dann ist die Gleichung f (P ) = 0 für P ∈ Pn wohldefiniert.


Das gestattet uns die folgende

Definition: Als projektive algebraische Menge bezeichnet man eine Teilmen-


ge VI ⊂ Pn mit

VI = {P ∈ Pn | f (P ) = 0 ∀f ∈ I, f homogen},

wobei I ein homogenes Ideal in K[X0 , . . . , Xn ] ist.

Analog zur Definition der affinen Varietät erfolgt die

Definition: Eine projektive algebraische Menge V heißt projektive Varietät,


wenn das zugehörige homogene Ideal I(V ) prim in K[X] ist.

Beispiel: V = {(X1 , X2 , X3 ) ∈ P2 | X13 − X22 X3 + X33 = 0}


ist eine projektive Varietät.

Für die Betrachtung elliptischer Kurven genügt uns die projektive Ebene P2 .
Die affine Ebene A2 ist kanonisch in P2 einbettbar mittels (x, y) 7→ [x, y, 1].
Die bei dieser Einbettung verbleibende Menge {[x, y, 0]} ⊂ P2 heißt un-
eigentliche (oder: unendlich ferne) Linie, und deren Punkte uneigentliche
(unendlich ferne) Punkte.

Algebraische Kurven sind projektive Varietäten der Dimension 1. Im P2 ha-


ben genau die durch eine einzelne nicht-konstante polynomiale Gleichung

f (X, Y, Z) = 0

darstellbaren Kurven die Dimension 1.


3
das bedeutet, sämtliche Monome haben den totalen Grad d
4
sagt man nur homogen, dann meint man homogen von positivem Grad

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 3


Projektive Kurven sind vom Grad d sind algebraische Kurven gegeben durch
ein homogenes Polynom 0 6= f ∈ K[X, Y, Z] vom Grad d.

Definition: Eine projektive Kurve sei gegeben durch das homogene Poly-
nom 0 6= f ∈ K[X, Y, Z]. Ein Punkt P ∈ P2 heißt singulärer Punkt
bzw. Singularität, wenn

f (P ) = fX (P ) = fY (P ) = fZ (P ) = 0

gilt, also im Punkt P außer f auch alle formalen partiellen Ableitungen


verschwinden. Andernfalls heißt der Punkt nichtsingulär.
Eine projektive Kurve heißt nichtsingulär (bzw. glatt), wenn keiner
ihrer Punkte singulär ist.

Elliptische Kurven sind glatte projektive Kurven vom Grad5 3, die wir im
P2 betrachten.

Die Bezeichnung elliptische“ Kurven hat nichts direkt mit Ellipsen zu tun. Diese kubi-

schen Kurven betrachtet man in der Theorie der elliptischen Funktionen, diese wiederum
erhielten ihren Namen von den elliptischen Integralen, welche ursprünglich zur Berechnung
der Bogenlänge von Ellipsen angewendet wurden.
Kurven vom Grad 2 geben Quadriken, Kurven vom Grad 1 sind Geraden.

5
Bzw. vom Geschlecht 1. Nur informativ: das Geschlecht g einer glatten ebenen Kurve
f (X, Y, Z) = 0 berechnet sich als (deg f −1)(deg
2
f −2)
.

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 4


4 4

2 y 2 = x3 − 1 2 y 2 = x3 + 1

−2 2 −2 2

−2 −2

−4 −4

4 4

2 2

y 2 = x3 − 3x + 3 y 2 = x3 − x

−2 −1 1 2 −2 2

−2 −2

−4 −4

Abb.1: Beispiele elliptischer Kurven

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 5


Elliptische Kurven
Definition: Eine elliptische Kurve über dem Körper K ist eine nichtsin-
guläre kubische Kurve in P2 , welche der Gleichung
Y 2 Z + a1 XY Z + a3 Y Z 2 = X 3 + a2 X 2 Z + a4 XZ 2 + a6 Z 3 (2)
mit ai ∈ K genügt.
Die Gleichung (2) wird als Weierstraß Form bezeichnet. Die zugehörige affine
Weierstraß Form ist
y 2 + a1 xy + a3 y = x3 + a2 x2 + a4 x + a6 . (3)
(3) erhält man aus (2) mittels nichthomogener Koordinaten x := X/Z, y :=
Y /Z bzw. Setzen: Z:=1.

Die auf den ersten Blick ungewöhnliche Reihenfolge der Indizierung der
Koeffizienten wird ersichtlich, wenn wir Variablentransformationen in (3)
vornehmen.

In [Kn,II.4.] wird erläutert, aufgrund welcher geometrischer Bedingungen die


Weierstraßform (2) aus der allgemeinsten kubischen Form
f (X, Y, Z) = c1 Y 3 +c2 XY 2 +c3 X 2 Y +c4 Y 2 Z+c5 XY Z+c6 Y Z 2 +c7 X 3 +c8 X 2 Z+c9 XZ 2 +c10 Z 3
entsteht.

Insbesondere verläuft die Kurve (2) durch den Punkt O = [0, 1, 0]. Dies ist
der einzige uneigentliche Punkt der Kurve, da aus Z = 0 sofort X = 0 folgt.
Bei Betrachtung der affinen Form muß man sich bewußt sein, daß auch der
uneigentliche Punkt O zur Kurve gehört.

Für weitere Berechnung werden neue Größen eingeführt:


b2 = a21 + 4a2
b4 = 2a4 + a1 a3
b6 = a23 + 4a6
b8 = a21 a6 + 4a2 a6 − a1 a3 a4 + a2 a23 − a24

c4 = b22 − 24b4
c6 = −b32 + 36b2 b4 − 216b6
Definition: Die Diskriminante einer Kurve in Form (3) ist die Größe
∆ = −b22 b8 − 8b34 − 27b26 + 9b2 b4 b6 (4)

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 6


Isomorphismen elliptischer Kurven
Definition: Zwei elliptische Kurven in Form (3) heißen isomorph, wenn die
durch eine Transformation

x = u2 x′ + r und y = u3 y ′ + su2 x′ + t (5)

mit u, r, s, t ∈ K, u 6= 0 ineinander überführt werden können.

Projektive lineare Transformationen über K sind Abbildungen P2 → P2 der Form

[X, Y, Z] 7→ [a11 X + a12 Y + a13 Z, a21 X + a22 Y + a23 Z, a31 X + a32 Y + a33 Z]

mit invertierbarer Koeffizientenmatrix (aij ). Affine lineare Transformationen A2 → A2


entsprechen projektiven, die die uneigentliche Linie auf sich selbst abbilden: a31 = a32 = 0.
Durch Polynome f, g bestimmte projektive Kurven heißen isomorph, wenn es eine projek-
tive lineare Transformation gibt, so daß g auf die transformierten Koordinaten angewendet
ein Vielfaches6 von f ist.
Die Transformation (5) ist ein solcher Isomorphismus projektiver Kurven. Die Einträge
der Koeffizientenmatrix ergeben sich dadurch, daß der Punkt O = [0, 1, 0] sowie die un-
eigentliche Gerade (Z = 0) invariant sein sollen und die Weierstraß-Form der Gleichung
gewahrt werden soll.

Wir führen diese Transformation aus:

y 2 + a1 xy + a3 y = x3 + a2 x2 + a4 x + a6

Einsetzen:

(u3 y ′ + su2 x′ + t)2 + a1 (u2 x′ + r)(u3 y ′ + su2 x′ + t) + a3 (u3 y ′ + su2 x′ + t)

= (u2 x′ + r)3 + a2 (u2 x′ + r)2 + a4 (u2 x′ + r) + a6


Ausmultiplizieren:

u6 y ′2 + s2 u4 x′2 + t2 + 2su5x′ y ′ + 2u3 ty ′ + 2stu2 x′ + a1 u5 x′ y ′ + a1 su4 x′2 + a1 tu2 x′

+ a1 ru3y ′ + a1 rsu2 x′ + a1 rt + a3 u3 y ′ + a3 su2 x′ + a3 t


= u6 x′3 + r 3 + 3u4rx′2 + 3r 2 u2 x′ + a2 u4 x′2 + a2 r 2 + 2a2 u2 rx′ + a4 u2 x′ + a4 r + a6
Zusammenfassen:

u6 y ′2 + u5 (2s + a1 )x′ y ′ + u3 (2t + a3 + a1 r)y ′

= u6 x′3 +u4(3r +a2 −s2 −a1 s)x′2 +u2 (3r 2 +2a2 r +a4 −2st−a1 (t+rs)−a3 s)x′
+ r 3 + a2 r 2 + a4 r + a6 − t2 − a1 rt − a3 t
6
was ja die Nullstellenmenge nicht ändert

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 7


Wir erhalten eine Weierstraßform mit neuen Koeffizienten, hier in tabellari-
scher Form:
ua′1 = a1 + 2s
u2 a′2 = a2 − sa1 + 3r − s2
u3 a′3 = a3 + ra1 + 2t
u4 a′4 = a4 − sa3 + 2ra2 − (t + rs)a1 + 3r 2 − 2st
u6 a′6 = a6 + ra4 + r 2 a2 + r 3 − ta3 − t2 − rta1

u2 b′2 = b2 + 12r
u4 b′4 = b4 + rb2 + 62r
u6 b′6 = b6 + 2rb4 + r 2 b2 + 4r 3
u8 b′8 = b8 + 3rb6 + 3r 2 b4 + r 3 b2 + 3r 4

u4 c′4 = c4
u6 c′6 = c6

Tabelle 1

In Tabelle 1 kann man an den erkennen, warum die Indizes der Koeffizienten
in genau dieser Weise gewählt wurden. Der jeweilige Koeffizient mit dem
Index i muß bei der Transformation mit u−i multipliziert werden. Dabei
heißt es, dieser Koeffizient hat das Gewicht i.

Diskriminante unter Transformation (5):

u12 ∆′ = ∆ (6)
c′3 u12 c4 c34
Aus Tabelle 1 und (6) liest man ab, daß 4
∆′
= u12 ∆
= ∆
, das führt zur

Definition: Die j-Invariante einer elliptischen Kurve ist bestimmt durch

c34
j= .

Die j-Invariante ist wohldefiniert, da wegen folgendem Satz ∆ 6= 0 gilt. Sie


hat Gewicht 0 und ist invariant unter Isomorphismen.

Beispiel aus Abb.1: y = x3 − x, ∆ = 64, c4 = 48, j = 1728 = 123 .

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 8


Zunächst soll die Form (3) vereinfacht werden. Sei char(K) 6= 2, also 2 6= 0.
Dann kann man die Transformation (x, y) 7→ (x, y − a21 x − a23 ) vornehmen,
und erhält

 a1 a3 2  a1 a3   a1 a3 
y− x− +a1 x y− x− +a3 y− x− = x3 +a2 x2 +a4 x+a6
2 2 2 2 2 2
Quadratterm ausmultiplizieren:

a21 2 a23 a1 a3  a
1 a3   a
1 a3 
y2+ x + −a1 xy−a3 y− x+a1 x y− x− +a3 y− x− = x3 +a2 x2 +a4 x+a6
4 4 2 2 2 2 2
in y lineare Terme heben sich auf:

a21 2 a23 a1 a3  a
1 a3   a
1 a3 
y2+ x+ − x+a1 x − x− +a3 − x− = x3 +a2 x2 +a4 x+a6
4 4 2 2 2 2 2
Zusammenfassen der Potenzen von x:
 a2   a1 a3  a2
y 2 = x3 + a2 + 1 x2 + a4 + x + a6 + 3
4 2 4
Benutzen der b-Koeffizienten:
b2 2 b4 b6
y 2 = x3 + x + x+ (7)
4 2 4
und nach Transformation (x, y) 7→ (x, y2 ):

y 2 = 4x3 + b2 x2 + 2b4 x + b6 .

Ist zusätzlich char(K) 6= 3, dann können wir (7) noch weiter vereinfachen,
b2
mittels (x, y) 7→ (x − 12 , y):
 b2 3 b2  b2 2 b4  b2  b6
y2 = x − + x− + x− +
12 4 12 2 12 4
Ausmultiplizieren:

b32 b2 b2 b2  2 b2 b2  b4  b2  b6
y 2 = x3 − − x2 + 2 x + x + 2 − 2x + x− +
1728 4 48 4 144 12 2 12 4
Zusammenfassen der Potenzen von x, die quadratischen x-Terme fallen weg:
b
4 b22  b3 b2 b4 b6
2
y =x +3
− x+ 2 − +
2 48 864 24 4

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 9


Benutzen der c-Koeffizienten:
c4 c6
y 2 = x3 − x− . (8)
48 864
Zusammenfassend: für char(K) 6= 2, 3 haben wir eine Normalform

y 2 = x3 + px + q. (9)

Mit
b2 b6 = a21 a23 + 4a21 a6 + 4a2 a23 + 16a2 a6
und
b24 = 4a24 + a21 a23 + 4a1 a3 a4
erhalten wir
4b8 = b2 b6 − b24 . (10)
Damit schreiben wir die Diskriminante aus (4) anders:

4∆ = −b22 (b2 b6 − b24 ) − 32b34 − 4 · 27b26 + 4 · 9b2 b4 b6

= b22 b24 − b32 b6 − 32b34 − 4 · 27b26 + 4 · 9b2 b4 b6 (11)


Weiterhin

c34 − c26 = (b22 − 24b4 )3 − (−b32 + 36b2 b4 − 216b6 )2

= b62 −243 b34 −3·24b42 b4 +3·242b22 b24 −b62 −362 b22 b24 −2162 b26 +2·36b32b2 b4 −2·216b32 b6 −2·36·216b2 b4 b6

= −243 b34 −3·24b42 b4 +3·242b22 b24 −362 b22 b24 −2162 b26 +2·36b42 b4 −2·216b32 b6 −2·36·216b2b4 b6

= −243 b34 + 3 · 242 b22 b24 − 362 b22 b24 − 2162b26 − 2 · 216b32 b6 − 2 · 36 · 216b2 b4 b6

= 4322 b22 b24 − 2 · 216b32 b6 − 243 b34 − 2162 b26 − 2 · 36 · 216b2 b4 b6

= 4322 b22 b24 − 432b32 b6 − 432 · 32b34 − 432 · 108b26 − 432 · 36b2 b4 b6

= 432 · 4∆ = 1728∆ = 123 ∆,

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 10


im Ergebnis also den Ausdruck für die Diskriminante in den c-Koeffizienten:

123 ∆ = c34 − c26 . (12)

Im Fall char(K) 6= 2, 3 berechnet sich die Diskriminante für die Normalform


(9) mittels (12) als

c34 − c26 (−48p)3 − (864q)2


∆= = = −64p3 −432q 2 = −16(4p3 +27q 2 ). (13)
123 123
Die j-Invariante hat für diese Normalform die Gestalt

c34 (48p)3 2 8 3 3 p3
j= =− = 3
∆ ∆ 4p + 27q 2

Kriterium für Nichtsingularität


Satz: Die Kurve (3) ist singulär ⇔ ∆ = 0.

Aus zeitlichen Gründen sei für dieses Seminar der Fall char(K) =
6 2, 3
angenommen. Die Behandlung der Fälle char(K) = 2, 3 kann man in [Kn,
S.61/62] nachlesen.

In unserem Fall untersuchen wir also in Normalform (9) gegebene elliptische


Kurven mittels der in (13) bestimmten Diskriminante:

Satz: Die Kurve gegeben durch

y 2 = x3 + px + q

ist singulär ⇔ ∆ = −16(4p3 + 27q 2 ) = 0.

Beweis:

Betrachten wir die Kurve in homogenisierter Form:

F (X, Y, Z) = Y 2 Z − X 3 − pXZ 2 − qZ 3 = 0.

Nach Definition ist

P = [X0 , Y0 , Z0] singulär ⇔ 0 = F (P ) = FX (P ) = FY (P ) = FZ (P )

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 11


⇔ 0 = F (P ) = 3X02 + pZ02 = 2Y0 Z0 = Y02 − 2pX0 Z0 − 3qZ02
Der einzige Kurvenpunkt mit Z-Koordinate 0 ist O = [0, 1, 0], und wir haben
FZ (O) = 1 6= 0, folglich können Singularitäten nur im affinen Teil auftreten,
wir können Z := 1 setzen und haben

P = [X0 , Y0, 1] singulär ⇔ 0 = Y02 −X03 −pX0 −q = 3X02 +p = 2Y0 = Y02 −2pX0 −3q

⇔ 0 = Y0 = X03 + pX0 + q = 3X02 + p = 2pX0 + 3q,


und mit f := x3 + px + q:

⇔ 0 = Y0 = f (X0 ) = f ′ (X0 ) = 3f (X0 ) − X0 f ′ (X0 ).

Die letztere Gleichheit wird durch die vorangehenden impliziert.

Ein Punkt ist also singulär genau dann, wenn er die Form [0, X0 , 0] hat mit
X0 als Nullstelle von f und f ′ , also X0 als mehrfacher Nullstelle.

Für die Untersuchung von f auf Vielfachheit von Nullstellen verwenden


wir die Polynomiale Diskriminante, speziell hier die Diskriminante eines
kubischen Polynoms in einer Variablen.

Kleiner Exkurs: die Diskriminante eines Polynoms

f (x) = an xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0

ist eine polynomiale Funktion der Koeffizienten ai von f , und charakterisiert


den Fall mehrfacher Nullstellen von f . Hat f die Nullstellen r1 , . . . , rn , so ist
die Diskriminante definiert als
Y
D= (ri − rj )2 .
i<j

Somit ist D = 0 genau dann, wenn f eine mehrfache Nullstelle besitzt.

Die Diskriminante von f ist gleich der Resultante von f (x) und f ′ (x), und
kann über hierüber bzw. über die Determinante der Sylvester-Matrix berech-
net werden. Für den Fall deg f = 3 ergibt sich
a21 a22 − 4a0 a32 − 4a31 a3 + 18a0 a1 a2 a3 − 27a20 a23
D=
a43
und bei normiertem Polynom mit a3 = 1:

D = a21 a22 − 4a0 a32 − 4a31 + 18a0 a1 a2 − 27a20

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 12


und für die Koeffizienten p, q unserer Normalform (9)
D = −4p3 − 27q 2. (14)
Vergleich mit (13) ergibt die Behauptung.

4 4

2 2

y 2 = x3 − 3x + 2 y 2 = x3

−2 −1 1 2 −2 2

−2 −2

−4 −4

Abb.2: Singularitäten kubischer Kurven


Eine elliptische Kurve kann nicht mehr als eine Singularität haben, da
kubische Funktionen nicht mehr als eine mehrfache Nullstelle besitzen
können.

Als Singularitäten können Spitzen und Knoten auftreten, wie Abb.2 zeigt.

Bleiben wir einmal bei char(K) 6= 2, 3, und bestimmen die Lage einer Sin-
gularität: wir können dafür die kurze Weierstraßform (8) voraussetzen. O ist
ohnehin nicht singulär.

2 c4 c4
fx = −3x + , fy = 2y ⇒ x = ± , y = 0,
48 12
und mit Einsetzen in (8) q
c6 = ∓ c34 .

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 13


LITERATUR LITERATUR

Ergebnis: (
(0, 0) falls c4 = 0
(x, y) = −c6
( 12c4 , 0) falls c4 6= 0
bzw. wegen
−c6 864q 3q
= =−
12c4 12(−48)p 2p
in Koeffizienten p, q der Normalform (9):
(
(0, 0) falls p = 0
(x, y) = 3q
(− 2p , 0) falls p 6= 0

Mit (12) folgt auch ∆ = 0. Gibt es also einen singulären Punkt, so ist es der
berechnete, und die Diskriminante ist 0.
Ist umgekehrt ∆ = 0, dann verschwinden fx , fy im berechneten Punkt, der
auf unserer Kurve liegt.

Im folgenden Vortrag werden wir kennenlernen, wie die Punkte von heute
definierten elliptischen Kurven eine geometrisch definierte Gruppenstruktur
besitzen.

Literatur
[Hu] Dale Husemöller, Elliptic Curves, Graduate Texts in Mathematics, Vol.
111, Springer, 2nd ed., 2004

[Kn] Anthony W. Knapp, Elliptic Curves, Princeton University Press, 1992

[Si] Joseph H. Silverman, The Arithmetic of Elliptic Curves, Graduate


Texts in Mathematics, Vol. 106, Springer, 1986

Stefan Kottwitz, http://algebraischetopologie.de/seminar3.pdf Seite 14

Das könnte Ihnen auch gefallen