Elliptische Kurven
In dieser Sitzung des ATo-Seminars wird in das Gebiet der elliptischen Kur-
ven eingeführt. In gebotener Kürze werden hier die elliptischen Kurven de-
finiert, in die Algebraische Geometrie eingeordnet und grundlegende Eigen-
schaften gezeigt.
Bemerkung: Oft betrachtet man nur abgeschlossene Körper, und beschränkt bereits die
Definition darauf. Dennoch interessiert man sich auch für Lösungen nicht algebraisch nicht
abgeschlossenen Körpern, z.B. reellwertige oder rationale.
Bemerkung: Zur Einbettung der affinen Ebene A2 := A2 (R) in die projektive Ebene P2 (R):
zunächst betten wir die affine Ebene in den R3 ein, indem wir sie um 1 nach oben heben:
A2 (R) ∼= {(x, y, 1) ∈ R3 | x, y ∈ R}. Jedem Punkt (x, y) ∈ A2 entspricht genau eine Gerade
durch (x, y, 1) und (0, 0, 0). Einer Gerade im A2 entspricht genau eine Ebene durch den
Ursprung. Zwei Ebenen bestimmt durch nichtparallele Geraden g1 , g2 ⊂ A2 schneiden sich
in einer Geraden durch den Ursprung, festgelegt durch den affinen Schnittpunkt g1 ∩ g2 .
Für g1 kg2 ergibt sich als Schnitt der Ursprungsebenen eine Ursprungsgerade, die ganz in
der x, y-Ebene liegt.
P2 (R) ist gerade die Menge der Geraden des R3 durch den Ursprung, parametrisiert durch
λ(x, y, z). Dem affine Teil des P2 (R) entsprechen die Geraden mit z > 0, parametrisiert
durch λ(x, y, 1), die uneigentlichen“ (nicht affinen) Punkte sind die λ(x, y, 0).
”
P2 (R) kann man sich somit auch vorstellen als S2 / ∼, der Sphäre S2 = {(x, y, z) ∈
R3 | x2 + y 2 + z 2 = 1} unter Verheftung der antipodischen Punkte.
2
eindimensionalen Unterräumen des Vektorraumes K n+1
VI = {P ∈ Pn | f (P ) = 0 ∀f ∈ I, f homogen},
Für die Betrachtung elliptischer Kurven genügt uns die projektive Ebene P2 .
Die affine Ebene A2 ist kanonisch in P2 einbettbar mittels (x, y) 7→ [x, y, 1].
Die bei dieser Einbettung verbleibende Menge {[x, y, 0]} ⊂ P2 heißt un-
eigentliche (oder: unendlich ferne) Linie, und deren Punkte uneigentliche
(unendlich ferne) Punkte.
f (X, Y, Z) = 0
Definition: Eine projektive Kurve sei gegeben durch das homogene Poly-
nom 0 6= f ∈ K[X, Y, Z]. Ein Punkt P ∈ P2 heißt singulärer Punkt
bzw. Singularität, wenn
f (P ) = fX (P ) = fY (P ) = fZ (P ) = 0
Elliptische Kurven sind glatte projektive Kurven vom Grad5 3, die wir im
P2 betrachten.
Die Bezeichnung elliptische“ Kurven hat nichts direkt mit Ellipsen zu tun. Diese kubi-
”
schen Kurven betrachtet man in der Theorie der elliptischen Funktionen, diese wiederum
erhielten ihren Namen von den elliptischen Integralen, welche ursprünglich zur Berechnung
der Bogenlänge von Ellipsen angewendet wurden.
Kurven vom Grad 2 geben Quadriken, Kurven vom Grad 1 sind Geraden.
5
Bzw. vom Geschlecht 1. Nur informativ: das Geschlecht g einer glatten ebenen Kurve
f (X, Y, Z) = 0 berechnet sich als (deg f −1)(deg
2
f −2)
.
2 y 2 = x3 − 1 2 y 2 = x3 + 1
−2 2 −2 2
−2 −2
−4 −4
4 4
2 2
y 2 = x3 − 3x + 3 y 2 = x3 − x
−2 −1 1 2 −2 2
−2 −2
−4 −4
Die auf den ersten Blick ungewöhnliche Reihenfolge der Indizierung der
Koeffizienten wird ersichtlich, wenn wir Variablentransformationen in (3)
vornehmen.
Insbesondere verläuft die Kurve (2) durch den Punkt O = [0, 1, 0]. Dies ist
der einzige uneigentliche Punkt der Kurve, da aus Z = 0 sofort X = 0 folgt.
Bei Betrachtung der affinen Form muß man sich bewußt sein, daß auch der
uneigentliche Punkt O zur Kurve gehört.
c4 = b22 − 24b4
c6 = −b32 + 36b2 b4 − 216b6
Definition: Die Diskriminante einer Kurve in Form (3) ist die Größe
∆ = −b22 b8 − 8b34 − 27b26 + 9b2 b4 b6 (4)
[X, Y, Z] 7→ [a11 X + a12 Y + a13 Z, a21 X + a22 Y + a23 Z, a31 X + a32 Y + a33 Z]
y 2 + a1 xy + a3 y = x3 + a2 x2 + a4 x + a6
Einsetzen:
= u6 x′3 +u4(3r +a2 −s2 −a1 s)x′2 +u2 (3r 2 +2a2 r +a4 −2st−a1 (t+rs)−a3 s)x′
+ r 3 + a2 r 2 + a4 r + a6 − t2 − a1 rt − a3 t
6
was ja die Nullstellenmenge nicht ändert
u2 b′2 = b2 + 12r
u4 b′4 = b4 + rb2 + 62r
u6 b′6 = b6 + 2rb4 + r 2 b2 + 4r 3
u8 b′8 = b8 + 3rb6 + 3r 2 b4 + r 3 b2 + 3r 4
u4 c′4 = c4
u6 c′6 = c6
Tabelle 1
In Tabelle 1 kann man an den erkennen, warum die Indizes der Koeffizienten
in genau dieser Weise gewählt wurden. Der jeweilige Koeffizient mit dem
Index i muß bei der Transformation mit u−i multipliziert werden. Dabei
heißt es, dieser Koeffizient hat das Gewicht i.
u12 ∆′ = ∆ (6)
c′3 u12 c4 c34
Aus Tabelle 1 und (6) liest man ab, daß 4
∆′
= u12 ∆
= ∆
, das führt zur
c34
j= .
∆
a1 a3 2 a1 a3 a1 a3
y− x− +a1 x y− x− +a3 y− x− = x3 +a2 x2 +a4 x+a6
2 2 2 2 2 2
Quadratterm ausmultiplizieren:
a21 2 a23 a1 a3 a
1 a3 a
1 a3
y2+ x + −a1 xy−a3 y− x+a1 x y− x− +a3 y− x− = x3 +a2 x2 +a4 x+a6
4 4 2 2 2 2 2
in y lineare Terme heben sich auf:
a21 2 a23 a1 a3 a
1 a3 a
1 a3
y2+ x+ − x+a1 x − x− +a3 − x− = x3 +a2 x2 +a4 x+a6
4 4 2 2 2 2 2
Zusammenfassen der Potenzen von x:
a2 a1 a3 a2
y 2 = x3 + a2 + 1 x2 + a4 + x + a6 + 3
4 2 4
Benutzen der b-Koeffizienten:
b2 2 b4 b6
y 2 = x3 + x + x+ (7)
4 2 4
und nach Transformation (x, y) 7→ (x, y2 ):
y 2 = 4x3 + b2 x2 + 2b4 x + b6 .
Ist zusätzlich char(K) 6= 3, dann können wir (7) noch weiter vereinfachen,
b2
mittels (x, y) 7→ (x − 12 , y):
b2 3 b2 b2 2 b4 b2 b6
y2 = x − + x− + x− +
12 4 12 2 12 4
Ausmultiplizieren:
b32 b2 b2 b2 2 b2 b2 b4 b2 b6
y 2 = x3 − − x2 + 2 x + x + 2 − 2x + x− +
1728 4 48 4 144 12 2 12 4
Zusammenfassen der Potenzen von x, die quadratischen x-Terme fallen weg:
b
4 b22 b3 b2 b4 b6
2
y =x +3
− x+ 2 − +
2 48 864 24 4
y 2 = x3 + px + q. (9)
Mit
b2 b6 = a21 a23 + 4a21 a6 + 4a2 a23 + 16a2 a6
und
b24 = 4a24 + a21 a23 + 4a1 a3 a4
erhalten wir
4b8 = b2 b6 − b24 . (10)
Damit schreiben wir die Diskriminante aus (4) anders:
= b62 −243 b34 −3·24b42 b4 +3·242b22 b24 −b62 −362 b22 b24 −2162 b26 +2·36b32b2 b4 −2·216b32 b6 −2·36·216b2 b4 b6
= −243 b34 −3·24b42 b4 +3·242b22 b24 −362 b22 b24 −2162 b26 +2·36b42 b4 −2·216b32 b6 −2·36·216b2b4 b6
= −243 b34 + 3 · 242 b22 b24 − 362 b22 b24 − 2162b26 − 2 · 216b32 b6 − 2 · 36 · 216b2 b4 b6
= 4322 b22 b24 − 432b32 b6 − 432 · 32b34 − 432 · 108b26 − 432 · 36b2 b4 b6
c34 (48p)3 2 8 3 3 p3
j= =− = 3
∆ ∆ 4p + 27q 2
Aus zeitlichen Gründen sei für dieses Seminar der Fall char(K) =
6 2, 3
angenommen. Die Behandlung der Fälle char(K) = 2, 3 kann man in [Kn,
S.61/62] nachlesen.
y 2 = x3 + px + q
Beweis:
F (X, Y, Z) = Y 2 Z − X 3 − pXZ 2 − qZ 3 = 0.
P = [X0 , Y0, 1] singulär ⇔ 0 = Y02 −X03 −pX0 −q = 3X02 +p = 2Y0 = Y02 −2pX0 −3q
Ein Punkt ist also singulär genau dann, wenn er die Form [0, X0 , 0] hat mit
X0 als Nullstelle von f und f ′ , also X0 als mehrfacher Nullstelle.
Die Diskriminante von f ist gleich der Resultante von f (x) und f ′ (x), und
kann über hierüber bzw. über die Determinante der Sylvester-Matrix berech-
net werden. Für den Fall deg f = 3 ergibt sich
a21 a22 − 4a0 a32 − 4a31 a3 + 18a0 a1 a2 a3 − 27a20 a23
D=
a43
und bei normiertem Polynom mit a3 = 1:
4 4
2 2
y 2 = x3 − 3x + 2 y 2 = x3
−2 −1 1 2 −2 2
−2 −2
−4 −4
Als Singularitäten können Spitzen und Knoten auftreten, wie Abb.2 zeigt.
Bleiben wir einmal bei char(K) 6= 2, 3, und bestimmen die Lage einer Sin-
gularität: wir können dafür die kurze Weierstraßform (8) voraussetzen. O ist
ohnehin nicht singulär.
√
2 c4 c4
fx = −3x + , fy = 2y ⇒ x = ± , y = 0,
48 12
und mit Einsetzen in (8) q
c6 = ∓ c34 .
Ergebnis: (
(0, 0) falls c4 = 0
(x, y) = −c6
( 12c4 , 0) falls c4 6= 0
bzw. wegen
−c6 864q 3q
= =−
12c4 12(−48)p 2p
in Koeffizienten p, q der Normalform (9):
(
(0, 0) falls p = 0
(x, y) = 3q
(− 2p , 0) falls p 6= 0
Mit (12) folgt auch ∆ = 0. Gibt es also einen singulären Punkt, so ist es der
berechnete, und die Diskriminante ist 0.
Ist umgekehrt ∆ = 0, dann verschwinden fx , fy im berechneten Punkt, der
auf unserer Kurve liegt.
Im folgenden Vortrag werden wir kennenlernen, wie die Punkte von heute
definierten elliptischen Kurven eine geometrisch definierte Gruppenstruktur
besitzen.
Literatur
[Hu] Dale Husemöller, Elliptic Curves, Graduate Texts in Mathematics, Vol.
111, Springer, 2nd ed., 2004