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Franco de Falco / Damiano Orlandi / Fabrizio Berardi der Arbeit einer Reihe interministrieller
Ausschüsse und von 6 Projekten war. Im
D er europäische Infrastrukturleitplan
sieht für den Hochgeschwindigkeits-
güterverkehr vor, dass die Nord/Süd-
lien–Deutschland–Österreich durch eine
Reihe von Tunnels zu, deren Länge sich in
den Grenzen hält, mit der man bereits Er-
große Spitzkehren, die notwendig wurden,
um die Höhenunterschiede zu bewältigen.
Diese Lösungsvorschläge wurden wegen
Achse über die Alpenübergänge Gott- fahrungen hat, nämlich bis maximal 20 km. der erheblichen Schwierigkeiten, die sie
hard, Simplon, Brenner und Tarvis ver- Dies wird durch eine Verlagerung der Al- bargen, und zwar insbesondere hinsicht-
läuft. Was die schweizer Pässe anbelangt, penüberquerung nach Osten möglich, was lich der sehr langen Tunnels, mit denen
so sind die Arbeiten an den neuen Tunnels mit dem ersten Projekt übereinstimmt, das man keinerlei Erfahrung hatte und den er-
lediglich am Lötschberg begonnen wor- auch die Auriner Alpen mit einbezieht. heblichen Kosten, die sie verursachten zu
den. Die Arbeiten am Gotthard beschrän- Dieser zweite Lösungsansatz, dessen Ko- einem späteren Zeitpunkt nicht wieder
ken sich auf Genehmigungsplanungen und sten auf 16000 Mrd. ITR geschätzt wer- aufgegriffen. Wir untersuchten das Pro-
Erkundungen. Das Brenner-Projekt, das den, sieht die Verbindung Italien– blem erneut und lösten es durch die bei-
im europäischen Infrastrukturleitplan für Deutschland über eine Strecke Venedig– den Projekte, die vorstehend beschrieben
den Nord-Süd-Verkehr an erster Stelle München vor, die durch das Tal des Piave und in der Abb. 1 dargestellt sind. Das
stand, zieht sich wegen technischer und fi- und der Rienz verläuft und deren Trasse in erste Projekt wurde bereits in der Zeit-
nanzieller Probleme in die Länge. Die Pro- der Teilstrecke Sand in Taufers–Wörgl schrift „Ingegneria Ferroviaria“ veröffent-
bleme liegen in den enormen Kosten, durch die Auriner Alpen verläuft. Sie führt licht, das zweite wird im folgenden erläu-
30000 Mrd. ITL, die benötigt würden und somit auf einer neuen Strecke nach Mün- tert. Diese Projekte ermöglichen eine
die die Durchführbarkeit des Projekts chen, deren Verlauf in einer Tagung in Tri- – drastische Verringerung der Tunnellän-
problematisch erscheinen lassen, zumal zu ent im Oktober 1997 vorgestellt wurde. ge;
den finanziellen Schwierigkeiten noch die Abbildung 1 zeigt die beachtlichen – Verringerung der Baukosten und der
Frage der Sicherheit eines Tunnels von be- Streckenvorteile, die sich daraus ergeben, Bauzeiten;
trächtlicher Länge hinzu kommt. Für die und die gesteigerte Zuverlässigkeit durch – Bestimmung eines Korridors, der über
Gesamtproblematik ist bisher keine be- die Möglichkeit, alternative Leitungswege eine möglichst geringe Länge durch die
friedigende Lösung gefunden worden. Die für Notfälle zu nutzen. Die für dieses Pro- ungünstigen geologischen Zonen ver-
Wirtschaftlichkeit des Projekts ist eher ne- jekt veranschlagten Kosten in Höhe von läuft;
gativ und vermochte bisher nicht das pri- 16 000 Milliarden ITL schließen die in der – Verringerung der sicherheitsbezogenen
vate Kapital anzuziehen, das zur Ergän- Anlage gekennzeichnete Strecke Spresia- Maßnahmen sowohl hinsichtlich der Art
zung der öffentlichen Mittel unverzichtbar no–Wörgl, den sich anschließenden der Eingriffe, als auch ihres Umfangs
ist. Wir beabsichtigen, mit zwei Alternati- Streckenabschnitt Wörgl–München ge- und damit insgesamt Verringerung der
vprojekten diese Phase zu überwinden. mäss dem in Trient im Oktober 1997 vor- Kosten dadurch, dass in den Passregio-
Das erste Projekt, das mit 8000 Mrd. ITR gestellten Streckenverlauf sowie die An- nen zweiröhrige Tunnels von reduzier-
veranschlagt ist, löst nur die Frage des 54,7 passung der Streckenabschnitte Venedig ter Länge vorgesehen sind;
km langen Tunnels mit seinen baulichen, Mestre–Spresiano und Vicenza–Treviso – Verringerung des belastenden Gefühls
finanziellen und sicherheitsbezogenen und Padova–Castelfranco ein, wobei auf der Reisenden, das bei überlangen un-
Problemen, indem es ihn durch eine Vari- letztere der Verkehr von Westen und terirdischen Strecken (zum Beispiel 15‘
ante ersetzt, die die Strecke Verona–Bren- Süden geleitet wird, ohne daß dadurch die gegenüber 6‘) entsteht;
ner südlich von Albeins mit der Strecke bereits schwierige Situation in der Strecke – Streckenabschnitte im Freien über min-
Innsbruck–München in der Nähe des Padua–Mestre weiter verschärft würde. destens 20% der Gesamtstrecke;
Bahnhofs Wörgl verbindet und die Auri- Der interessanteste Aspekt an dieser Lö- – Vereinfachung der Energieversorgung
ner Alpen überquert. Das zweite Projekt sung ist die Streckenverkürzung von Vene- der Oberleitung im Passtunnel, mit sich
beinhaltet indes eine völlig neue Lösung. dig nach München um 188 km. Diese Ver- daraus ergebender erheblicher Verbes-
Es hat sich aus einer Prüfung des gesam- kürzung betrifft sämtliche Bestimmungs- serung der Sicherheit durch den Ver-
ten italienischen Eisenbahnnetzes der orte über München hinaus bis nach Rot- zicht auf Transformatoren, Schalter und
nordöstlichen Regionen ergeben und terdam und Hamburg. Die Verkürzung Trennschalter, die während des Betrie-
sieht eine Verbindung von Venedig Mestre von Bologna und dem gesamten Zen- bes zu bedienen sind, durch die Elektri-
über Spresiano nach Wörgl vor, durch die trum/Süd Italiens (über die Osttangente fizierung mit 15 kV–16 2/3 Hz;
sich die Fahrzeit auf der Strecke Vene- Padua–Treviso) nach München beträgt da- – Beschränkung der Auswirkungen eines
dig–München (und den sich anschließen- gegen 40 km (Abb. 1). übermäßigen Temperaturanstiegs in
den Strecken) für die Reisenden von der- Die Idee einer neuen Strecke Italien– dem langen Passtunnel und der sich dar-
zeit 6 Stunden 20 Minuten auf 2 Stunden Mitteleuropa über die Auriner Alpen von aus ergebenden Notwendigkeit von
15 Minuten verringert. Auf diese Weise Venedig nach München ist nicht neu, da Belüftung und Kühlung und
wird eine direkte Güterverkehrsverbin- sie bereits von 1925 bis 1958 Gegenstand – Berücksichtigung der Belange von Um-
dung entstehen, die den adriatischen Kor- welt und Tourismus während der Bauar-
ridor mit Nordeuropa verbindet, ohne an- Die Autoren beiten sowie nach deren Abschluss.
dere Verkehrsarten zu beeinträchtigen, Prof. Ing. Franco de Falco ist ordentlicher
Vermieden wurde darüber hinaus auch
und dies in Übereinstimmung mit der Um- Professor an der Universität La Sapienza die Nutzung der Straßen für die Beförde-
setzung der Freight Freeways Nord-Süd, in Rom, Dott. Ing. Damiano Orlandi ist Di- rung von Versorgungsgütern und Aushub
die in dem vom europäischen Kommissar rigente bei der Generaldirektion FS in durch den Einsatz von Seilbahnen mit ge-
für Verkehr im Juli 1996 vorgelegten Weiß- Rim und Dott. Ing. Fabrizio Berardi ist schlossenen Gondeln sowie durch die Nut-
buch vorgeschlagen wurde. Diese Lösung Projektleiter bei der FS in Rom zung der Strecke Treviso–Calalzo, in der
lässt die Realisierung der Verbindung Ita- für einige Jahre kein Personenverkehr
Venedig–München
Die Strecke Venedig Spresiano–Wörgl
ist 237 km lang. Sie verläuft durch zwei aus
geologischer und morfologischer Sicht
völlig unterschiedliche Zonen, und zwar
im Süden durch das Piavetal, das etwa die
Hälfte der Gesamtlänge der Strecke aus-
macht, und im Norden durch das Pustertal
mit Ziller und Inn.
In dem südlichen Bereich verhinderten
das enge Piavetal mit seinem starken Ge-
fälle, insbesondere im nördlichen Ab-
schnitt, sowie die unvermeidlichen Merk-
male einer Hochgeschwindigkeitsstrecke
einen, zumindest teilweisen, Streckenver-
lauf auf halber Höhe.
Daher wurde ein Streckenverlauf erfor-
derlich, der zum großen Teil unterirdisch
verläuft und der an den Stellen ansteigt, wo
er den Piave überquert. Dazwischen ver-
läuft die Strecke abwechselnd und mit
großen Schleifen an beiden Hängen, so dass
auch eine gute Abdeckung erzielt wird.
Der nördliche Bereich präsentierte
indes keine besonderen Streckenschwie-
rigkeiten.
Das maximale Streckengefälle ist auf
14 Promille begrenzt, mit Ausnahme eines
Abschnitts von 3020 m Länge in Richtung
Süd–Nord, wo sich ausnahmsweise ein Ge-
fälle von 18,5 Promille als notwendig er-
wies. Abb. 1: Übersichtsplan mit heutiger und beschriebener Streckenführung
Abb. 3: Streckenschema
ne Grabungs- und Konsolidierungstech- nen Aushubgeräten, die für die Realisie- Lange Tunnels
nologien noch nicht zur Verfügung stan- rung des Vorhabens Bedingung sind, leicht
den. gelöst werden, auch unter finanziellen Ge- In Bezug auf die Tunnels ist zu berück-
Mit Schwierigkeiten rechnen wir auch sichtspunkten. sichtigen, dass die Einhaltung der Finan-
an den beiden Eingängen des Tunnels in Die dann folgende Zone der quarzhal- zierungspläne von der strikten Einhaltung
den Auriner Alpen. Es gibt dort zwei be- tigen Phylladen bei Innsbruck, der Grau- der Vertragsfristen abhängt, was allerdings
sonders tektonisierte Landstriche, die sich wacken und der nördlichen Kalkalpen gleichermaßen für jegliche andere Lösung
über den gesamten Frontbereich des östli- dürfte keine besonderen Schwierigkeiten gilt. Ein ähnliches Problem bestand beim
chen Südtirols erstrecken. Diese Landstri- bereiten. Ärmelkanaltunnel, wo hochspezialisierte
che werden jedoch durch unser Projekt Die Probleme, die insbesondere die Geräte eingesetzt wurden, die aus Fräsen
nur in dem Bereich durchquert, wo sie die beiden langen Tunnel Dreischusterspitz und offenen oder geschlossenen einfachen
geringste Ausdehnung aufweisen. Solche und Auriner Alpen betreffen, werden im oder doppelten Schilden bestanden und
Probleme können jedoch mit den moder- folgenden Abschnitt dargestellt. die recht unempfindlich auf die sich ver-
ändernden Eigenschaften der durchbohr- Tunnel sagen, der auf dem Weg vom Piave- Felsen, gelöst wurden. Wie bereits ange-
ten Schichten reagierten und beträchtliche zum Rienzbecken (dessen Deckung 1700 deutet, wurden die Tunnels mit einer
Tagesfortschritte erzielten, wodurch auch m beträgt) die höchsten Gipfel der Dolo- Länge von mehr als 11000 Metern mit
Eingriffe in die unterschiedlichen Arbeits- miten durchquert. Normalerweise bereitet doppeltem Querschnitt und einem Dienst-
gänge vermieden wurden. Ein solches Er- dies große Probleme für die geologischen und Fluchttunnel geplant. Diese Konzepti-
gebnis lässt sich erzielen, indem entweder Vorhersagen. In unserem Fall reduzieren on, die für 56 km Tunnelstrecke gilt, von
hohe Prämien für Schnelligkeit gezahlt sich diese Unsicherheitsfaktoren in erheb- den insgesamt 181 km Tunnelstrecken, er-
werden, die das Interesse der Unterneh- lichem Umfang, zumindest für den größ- leichtert auch die Durchführung der Gra-
men an einem raschen Arbeitsfortschritt ten Teil der Tunnelstrecken. Wie aus den bungsarbeiten im Tunnel (Abb. 4).
wecken, oder empfindliche Vertragsstra- geologischen Untersuchungen ersichtlich
fen vorgesehen werden, für den Fall, dass ist, ist nämlich das vom Tunnel der Auriner Der Aushub als Problem
die vertraglichen Verpflichtungen nicht er- Alpen betroffene Gestein Teil eines
füllt werden. Oder man führt die Aus- Sockels eruptiven Ursprungs, der in der Es verbleibt noch ein letztes Problem
schreibung so durch, da auch die Befugnis Tiefe verwurzelt ist. Fast auf der gesamten zu untersuchen, das von beträchtlicher
erteilt wird, alle Möglichkeiten für den Länge des Tunnels ist Granitgestein und Tragweite und schwierig zu lösen ist. Es
durchschnittlichen Tagesfortschritt, die die granit- und lehmhaltiger Orthogneis aus handelt sich um das Problem der Entsor-
unterschiedlichen Geräte ermöglichen, dem Perm vorzufinden, die eine kompakte gung von 29 Millionen Kubikmetern Aus-
genau zu gewichten durch detaillierte Be- und homogene Gesteinsmasse bilden, die hub.
schreibungen dieser Geräte und vor allem sich durch erhöhte Stabilität auszeichnet. Zwar soll den künftigen Konstrukteu-
durch eine abgesicherte, von den Beteilig- Der Dreischusterspitz-Tunnel hingegen ren volle Entscheidungsfreiheit gelassen
ten vorzulegenden Dokumentation über durchquert fast auf seiner gesamten Länge werden, dennoch weisen wir hier auf eini-
ihr Verhalten. Was die baulichen Aspekte Dolomitgestein im Schlern und in den ge Möglichkeiten hin, nur um aufzuzeigen,
und die Tunnels anbelangt, liegen – wie Hauptdolomiten und damit eine homoge- dass es auch für ein so komplexes Problem
ausgeführt – 78% der Trasse unterirdisch, ne und stabile Masse, bis auf kurze Ab- Lösungsmöglichkeiten gibt, die den Um-
gegenüber den 93% der im Bau befindli- schnitte, die stark tektonisiert sind und wo weltanforderungen Rechnung tragen.
chen Strecke zwischen Florenz und Bolo- in gewissem Umfang Wasser vorkommen Für das Piavebecken ist weder die Nut-
gna. Allgemein sind im Vergleich zu der kann. Die hauptsächlichen Probleme lie- zung der vorhandenen Straßen noch der
Lösung über den Brenner die Eigenschaf- gen hier im Steinschlag, der mit der be- Eingriff in die Umwelt durch den Bau
ten der bei dieser Lösung angetroffenen trächtlichen Abdeckung zusammenhängt, neuer Straßen für einen so schweren Ver-
Gesteine als günstiger zu bewerten. Über- und in der Erkaltung des Gesteins durch kehr wie den Aushubabtransport denkbar.
dies liegen, was die Strecke ab Venedig an- die Ventilation und die Kühlung im Ar- Stattdessen könnte man zu diesem Zweck
belangt, genaue Kenntnisse über das Ge- beitsbereich. Wir wagen jedoch zu be- in der Eisenbahnlinie Treviso–Calalzo den
stein vor durch den Bau zahlreicher Tun- haupten, dass die beim Bau der langen Personenverkehr außer Betrieb setzen
nels für die Energieversorgung und der Tunnels zu erwartenden Schwierigkeiten, und diesen auf die Straße verlagern.
Autobahn entlang des Piavetals. Was die die sich hier auf die bezeichneten 20 km Tatsache ist, dass die Strecke Trevi-
längeren Tunnels anbelangt, ist zu berück- beschränken, in den Bereich der bis zum so–Calalzo an mehreren Stellen vom Süd-
sichtigen, dass beim Übergang von dem Anfang des Jahrhunderts zurückreichen- ausgang der Tunnels über geeignete An-
italienischen Hang zum österreichischen, den konsolidierten Erfahrung (beim Bau schlüsse von mehreren hundert Metern
die Doppeltunnels der Auriner Alpen die des Simplontunnels) fallen, soweit es um Länge, die man durch Seilbahnen oder an-
höchsten Gipfel der Auriner Alpen und Probleme geht, die unter analogen und be- dere Systeme durchführen könnte, leicht
der Ziller–Alpen unter einer starken Ab- reits bekannten Bedingungen, sei es durch erreichbar ist. Eine Ausnahme stellt hier
deckung (1900 Meter) durchqueren. Das- die besseren und homogeneren mecha- lediglich der Abtransport des Aushubs aus
selbe lässt sich für den Dreischusterspitz- nischen Eigenschaften der durchbohrten dem Dreischusterspitz – Tunnel dar, für