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32/33 Epidemiologisches
2020 Bulletin
6.8.2020
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Herausgeber Allgmeine Hinweise/Nachdruck
Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull
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Dr. med. Jamela Seedat
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ISSN 2569-5266
Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 3
Die Auswertung von Daten zum Impfstatus der Be Die RKI-Impfsurveillance wertet Daten zum Impf-
völkerung und die Publikation der Ergebnisse gehö- status der Bevölkerung aus, die dem RKI entweder
ren zu den Aufgaben des Robert Koch-Instituts (RKI). auf gesetzlicher Grundlage zur Verfügung stehen
Nur mit Hilfe aktueller und belastbarer Daten zum oder die im Rahmen zusätzlicher Projekte, in Surveys
Impfstatus der Bevölkerung kann eingeschätzt wer- und Studien erhoben werden. Bereits seit 2001 wer-
den, wie die Empfehlungen der Ständigen Impfkom den nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG § 34 (11))
mission (STIKO) umgesetzt und welche internatio- Daten zum Impfstatus der Kinder bei Schuleingang
nalen sowie von der Nationalen Impfkonferenz for- anhand der vorgelegten Impfpässe erhoben, auf
mulierten Impfziele erreicht wurden. Die im RKI Bundeslandebene zusammengefasst und durch die
berechneten Impfquoten sind wichtige Kenngrößen Bundesländer aggregiert an das RKI übermittelt.
z. B. in den Berichten an die Weltgesundheitsorga- Seit März 2020 erhält das RKI nun ebenfalls auf der
nisation (WHO) zum Stand der Polioeradikation oder Basis des IfSG (§ 13 (5)) von allen Kassenärztlichen
der Masern- bzw. Rötelnelimination in Deutschland. Vereinigungen (KVen) Daten u. a. zu den abgerech-
Durch die Analyse und Darstellung von Impfquoten neten Impfleistungen. Die neue gesetzliche Rege-
nach Altersgruppe und auf regionaler Ebene können lung hebt die seit 2004 bestehende erfolgreiche Ko-
Defizite in der Umsetzung identifiziert und durch operation des RKI mit den 17 KV im Rahmen des
zielgruppenspezifische Kommunikation adressiert Projektes „KV-Impfsurveillance“ auf eine neue Ebe-
werden. ne. Dem RKI stehen nunmehr zwei gesetzlich ver-
ankerte Säulen für ein bundesweites Monitoring
In einem dezentralen Impfsystem wie in Deutsch- von Impfquoten zur Verfügung.
land ist die Erhebung entsprechender Daten und
ihre Auswertung auf nationaler Ebene eine besonde Bisher wurden die Ergebnisse der Impfstatuserhe-
re Herausforderung. Der größte Teil der Impfungen bungen zum Schuleingang und Impfquoten aus
findet in der Arztpraxis niedergelassener Ärzte statt. KV-Daten separat publiziert. Wir wollen im Folgen-
Geimpft wird aber auch durch den öffentlichen Ge- den zeigen, wie sich beide Datenquellen hinsicht-
sundheitsdienst (ÖGD) und zunehmend z. B. im ar- lich des Standes der Grundimmunisierung im Kin-
beitsmedizinischen Bereich. Da alle Impfungen do- desalter ergänzen. Ab sofort gibt es daher einmal
kumentiert werden müssen, liegen Daten zu durch- jährlich eine Gesamtdarstellung und Interpretation
geführten Impfungen zu allererst bei den geimpften der Impfquoten im Kindes- und Jugendalter unter
Personen selbst vor (i. d. R. schriftlich im Impfpass; Einbezug dieser beiden Datenquellen in einer Pub-
elektronische Impfpässe befinden sich in der Ent- likation. Aus methodischen Gründen erfolgt die
wicklung) aber auch bei den jeweils impfenden Stel- Publikation jeweils im Sommer, um das Impfgesche
len (z. B. in der Praxissoftware des Arztes). Auf diese hen eines Jahres bzw. von kompletten Geburtsjahr-
dezentralen Daten wird in unterschiedlicher Weise gängen abbilden zu können. Der Beitrag in der vor-
zur Erhebung des Impfstatus für die Berechnung von liegenden Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins
Impfquoten zugegriffen. Hinzu kommen Daten, die eröffnet diese Serie. Getrennt davon werden jeweils
für administrative Zwecke (Verkaufs- und Abrech im Herbst die Impfquoten der Erwachsenen aus
nungszahlen) generiert werden, aber ebenso Aus- den verfügbaren Datenquellen publiziert (zuletzt im
kunft über das Impfgeschehen in Deutschland ge- Epidemiologischen Bulletin 44/2019). Damit wird tur-
ben können. nusmäßig zweimal jährlich über den Impfstatus der
Bevölkerung in Deutschland im Epidemiologischen
Bulletin des RKI berichtet. In diese Berichte werden
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jeweils auch Ergebnisse aus zusätzlichen Studien a ktuellen Gegebenheiten (z. B. neue oder geänderte
des RKI (Befragungen, Surveys u. a.) einfließen, die STIKO-Empfehlungen, landesspezifische Besonder
Auskunft über den Impfstatus und das Impfverhal- heiten) in Absprache zwischen RKI und Ländern
ten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in angepasst werden.
Deutschland geben. Neben der traditionellen Be-
richterstattung sollen auch andere Formen der Kom Mit den Schuleingangsuntersuchungen besteht die
munikation weiterentwickelt und genutzt werden, Chance, jährlich wiederkehrend und bundesweit bei
um die Ergebnisse der RKI-Impfsurveillance der Öf- einer kompletten Kohorte von Kindern den Impf
fentlichkeit und den Akteuren der Impfprävention status zu einem Zeitpunkt zu erheben, bei dem die
noch besser aufbereitet zur Verfügung zu stellen. So Grundimmunisierung abgeschlossen sein sollte.
wird die interaktive Internetplattform VacMap gera- Zugleich ist hier die Möglichkeit der Intervention
de aktualisiert und auf weitere Impfungen ausge- gegeben, um noch bestehende Impflücken möglichst
dehnt. Außerdem informiert auch die Impf-App der vor dem Schuleintritt zu schließen. Viele Untersu-
STIKO (STIKO@rki.de) in ihren „Impfnews“ u. a. chungsstellen nutzen die Gelegenheit, um Eltern auf
zu den wichtigsten Publikationen und Neuigkeiten bestehende Impflücken ihrer Kinder hinzuweisen,
zu Impfquoten in Deutschland. und einige Gesundheitsämter (je nach Kapazitäten)
impfen auch direkt vor Ort. Außerdem wird im Rah-
Um bei allen Ergebnisdarstellungen – wie auch im men dieser Untersuchungen eine Reihe von sozio-
Beitrag in dieser Ausgabe – die Impfquoten richtig demografischen Parametern erfasst, die das Umfeld
einordnen und interpretieren zu können, sollen an des Kindes näher beschreiben und die Einfluss auf
dieser Stelle die beiden hauptsächlich verwendeten die gesundheitliche Situation bzw. auf die Inan-
Datenquellen und das Vorgehen bei ihrer Auswer- spruchnahme von Impfungen haben können. Diese
tung noch einmal kurz beschrieben und auf ihre Mög erlauben bei Verknüpfung mit den Impfstatusan
lichkeiten und Limitationen eingegangen werden. gaben zusätzliche Aussagen. Ein Beispiel hierfür
sind Angaben zum Migrationshintergrund bzw. zur
Herkunft der Kinder.
Impfstatuserhebung bei Schuleingangs-
untersuchungen
Die Schuleingangsuntersuchungen bildeten lange Limitationen
Zeit die einzige gesetzlich festgelegte systematische Die berechneten Impfquoten aus den Schulein-
Quelle zur Erhebung bundesweiter Impfdaten. Diese gangsuntersuchungen beziehen sich üblicherweise
Daten werden seit nunmehr fast 20 Jahren von den auf die jeweilige Anzahl von Kindern, die den Impf
Gesundheitsämtern oder durch die von ihnen beauf ausweis vorzeigen konnten. Nach bisherigen Erfah-
tragten Ärzte erhoben, die Kinder bei Erstaufnahme rungen liegt bei insgesamt rund 90 % der Kinder
in die erste Klasse einer allgemeinbildenden Schule der Impfpass zur Untersuchung vor, allerdings gibt
untersuchen. Die Einschulungsuntersuchungen es hier regionale Unterschiede. Die auf der Basis
sind in den Bundesländern zwar unterschiedlich ge- der vorgelegten Impfausweise berechneten Impf-
regelt, überall dienen jedoch die vorgelegten Impf quoten stellen darum vermutlich eine leichte Über
pässe als hauptsächliche Datengrundlage für die Er- schätzung der erzielten Impfquoten dar. Daten zum
mittlung des Impfstatus. Die darin dokumentierten Impfstatus von Kindern ohne Impfausweis liegen
Impfungen sind sozusagen Daten aus „erster Hand“. nicht bundesweit vor. Ausbruchsuntersuchungen
Sie werden in aggregierter Form den entsprechen- konnten zeigen, dass Kinder ohne Impfausweis in
den Landesstellen und von hier an das RKI übermit- der Regel etwas schlechter geimpft waren als Kinder
telt, wo sie zentral erfasst und ausgewertet werden. mit vorgelegten Impfdokumenten.1 Ebenso waren
Wegen des unterschiedlichen Vorgehens wurden in einem bundesweit repräsentativen Survey Kinder
gemeinsam vom RKI und den Ländern ein einheit ohne Impfpass signifikant häufiger seronegativ als
licher Meldebogen entwickelt und Definitionen für solche mit diesem Dokument.2 Eine andere Analyse
abgeschlossene bzw. begonnene Impfserien festge- zeigte hingegen, dass sich der Impfstatus der Kin-
legt. Meldebogen und Definitionen müssen den der ohne nur minimal von denjenigen Kindern mit
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Impfstoffdosen nach den entsprechenden Änderun- um das eventuelle Auftreten unerwünschter Wir-
gen der STIKO-Empfehlungen. kungen nach Impfung bei Einführung eines neuen
Impfstoffes besser bewerten zu können (durch Ver-
Bei den Abrechnungsdiagnosen, die seit Beginn der gleich der Anzahl beobachteter/gemeldeter Ereig-
Kooperation mit den KV erhoben werden, handelte nisse nach Impfung im Vergleich mit der Anzahl
es sich zunächst vorrangig um Diagnosen impfprä- der erwarteten Ereignisse auf Basis der Hintergrund
ventabler Erkrankungen. Sie dienten zum einen inzidenzen). Mit diesen umfangreichen Nutzungs-
dazu, Inzidenzen für Erkrankungen abzuschätzen, möglichkeiten nehmen die KV-Daten in der RKI-
die nicht oder noch nicht nach IfSG meldepflichtig Impfsurveillance eine besondere Rolle ein und bil-
waren (z. B. Herpes Zoster oder Windpocken), und den trotz der im Folgenden benannten Limitationen
zum anderen den Grad der Untererfassung durch die die wichtigste Grundlage für ein Nationales Impf-
Meldepflicht zu bestimmen (z. B. Masern). Die Über Informationssystem in Deutschland.
mittlung der Abrechnungsdiagnosen spielt des Wei-
teren für die Abschätzung der Effekte von Impfun
gen auf Bevölkerungsebene eine Rolle. So kann un- Limitationen
tersucht werden, ob sich die Epidemiologie einer Mit den KV-Daten wird ausschließlich der Bereich
Erkrankung durch die Impfung verändert, ob der der Leistungen und Dokumentationen abgebildet,
Rückgang der Inzidenz (in den Zielgruppen) den der von niedergelassenen Ärzten für gesetzlich
Erwartungen in Abhängigkeit von den erreichten Krankenversicherte über die KV abgerechnet wurde.
Impfquoten entspricht, ob indirekte Effekte auftreten In Deutschland sind ca. 85 % der Bevölkerung ge-
(z. B. ein besserer Schutz Ungeimpfter in Regionen setzlich krankenversichert, dieser Anteil kann nach
mit hohen Impfquoten im Vergleich zu Regionen Region und insbesondere kleinräumig beträchtlich
mit niedrigeren Impfquoten) oder ob unerwünschte variieren. Leistungen des ÖGD, von Betriebsmedi-
Effekte nach Einführung einer Impfung auftreten zinern oder solche, die im Rahmen bestimmter Ver-
(z. B. die Verschiebung der Erkrankungshäufigkeit sorgungsformen wie z. B. der hausarztzentrierten
in Altersgruppen mit höherem Komplikationsrisiko). Versorgung erbracht werden, können in den Aus-
Des Weiteren spielen die übermittelten Diagnosen wertungen nicht berücksichtigt werden, da sie in
für die Berechnung der Impfeffektivität und Impf der Regel nicht den üblichen Abrechnungswegen
schutzdauer sowie bei der Bewertung von Impf über die KV unterliegen. Leistungen, die nicht nach
abständen und Impfalter eine wichtige Rolle. Da dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherun-
sich in den Daten auf individueller Ebene nicht nur gen erstattungsfähig sind (z. B. Impfungen außer-
der Zeitpunkt einer Impfung sondern auch der halb der Schutzimpfungsrichtlinie, wie einige Rei-
Diagnose einer Krankheit, gegen die geimpft wer- seimpfungen) werden mit den KV-Daten ebenfalls
den kann, feststellen lässt, können die Daten Aus- nicht vollständig erfasst. Hinzu kommen alle Leis-
kunft über das Erkrankungsrisiko bei Geimpften tungen und Diagnosen bei Privatversicherten, die
und bei Ungeimpften im Zeitverlauf geben. Wegen ebenfalls nicht berücksichtigt werden können. Aller
des genannten Erkenntniszugewinns durch die dings wurde in einem repräsentativen Survey des
Übermittlung der Abrechnungsdiagnosen und um RKI u. a. gezeigt, dass sich der Anteil unvollständig
Impfquoten auch für die von STIKO-Empfehlungen geimpfter Kinder nicht nach dem Versichertensta-
erfassten Indikationsgruppen bestimmen zu kön- tus der Eltern unterschied.4 Die KV-Daten stehen
nen, wurde in Abstimmung mit den KVen bereits durch die quartalsweise Abrechnung und Übermitt-
vor einigen Jahren damit begonnen, eine Reihe zu- lung mit einem gewissen zeitlichen Verzug (ca. 3 – 6
sätzlicher Abrechnungsdiagnosen in die Übermitt- Monate nach Abrechnung und damit 6 – 9 Monate
lungen zu integrieren. Diese Diagnosen werden mitt nach Leistungserbringung bzw. Diagnosestellung)
lerweile für die Bestimmung von Impfquoten in zur Verfügung.
Risikogruppen (z. B. Pneumokokken- und Influenza-
Impfung bei Erwachsenen mit Grundkrankheiten) Individuelle Versichertendaten können aktuell nur
aber auch für die Bestimmung von Hintergrund innerhalb derselben KV-Region sinnvoll ausgewer-
inzidenzen für bestimmte Erkrankungen genutzt, tet werden; bei Wegzug in eine andere KV-Region
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Die Bestimmung der Impfquoten aus den genannten fehlungen zu evaluieren und wichtige Informatio-
Datenquellen ist Bestandteil der RKI-Impfsurveil- nen für die Anpassung von Impfempfehlungen, In-
lance, die nicht nur in dieser Hinsicht ein Impfre- terventionen und Kommunikationsstrategien zum
gister ersetzen kann. Mit Ausnahme individueller Impfen zu liefern – auch zukünftig gut erfüllen kann.
Impferinnerungen ist die RKI-Impfsurveillance für Mit ihren vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten
die meisten Fragestellungen zur Evaluation der bildet die RKI-Impfsurveillance die wichtigste und
Impfstrategien und Impfempfehlungen in Deutsch- umfangreichste Datenquelle für das Impfmonito-
land bestens geeignet. Ihre Datenbasis sollte jedoch ring in Deutschland. Mit der Publikation der Impf-
noch um weitere Abrechnungssysteme (z. B. Be- quoten bei Kindern und Jugendlichen in Deutsch-
triebsärzte, private Krankenversicherungen oder zu- land im anschließenden Beitrag wird der Stand der
künftig auch beim Impfen in Apotheken) ergänzt Umsetzung der STIKO-Empfehlungen für diese
werden. So wird es möglich sein, dass sie ihre Funk- Altersgruppe mit aktuellen Daten belegt.
tion – den Grad der Umsetzung der STIKO-Emp-
▶▶ August 2013: Einführung der Rotavirusimpfung,1 SEU 2018, Alter 4 – 7 Jahre KV-Impfsurveillance,
(Geburtsjahrgänge Alter 32 Wochen
BL – KV 2010 – 2013) (Geburtsjahr 2018)
▶▶ August 2014: Herabsetzung des empfohlenen
BW 31,4 59,4
Impfalters für die Impfung gegen humane
BY – 57,0
Papillomviren (HPV) von ehemals 12 – 17 Jahren
BE 38,9 70,5
mit einem 3-Dosen-Impfschema auf 9 – 14 Jahre
BB 61,5 77,6
mit einem 2-Dosen-Impfschema. Nachholimpfung HB 15,9 59,3
(mit 3 Impfstoffdosen) bis 17 Jahre möglich,2 HH – 59,8
HE 23,0 –
▶▶ September 2015: Reduzierung des Impfschemas MV – 79,6
der Standardimpfung gegen Pneumokokken für NI – 68,1
reifgeborene Säuglinge von 4 (3+1-Schema) auf NRW 20,0 –
3 Impfstoffdosen (2+1-Schema),3 ▶▶ KV NO – 66,6
▶▶ KV WL – –
▶▶ Juni 2018: Einführung der HPV-Impfung zusätz- RP – 65,8
lich für Jungen.4 SL 22,6 64,8
SN 64,0 72,5
Seit Juni 2020 empfiehlt die STIKO ein auf 3 Dosen ST 59,7 79,8
reduziertes 2+1-Impfschema für reifgeborene Säug- SH 23,4 71,7
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib, stant (Spannweite DTP1: 95,8–96,4 %; Spannweite
Hepatitis B und vorgelegte Impfausweise DTP3: 89,4 – 90,8 %) (s. Datenanhang). Aus den ak-
Die ersten Dosen der Standardimpfungen gegen tuellen Werten lässt sich berechnen, dass bis zum
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib und Hepa Alter von 15 Monaten 6,5 % der Kinder, die eine
titis B sollten im Alter von 2 Monaten verabreicht DTP-Impfung begonnen haben, die 3. Impfung
werden und die Grundimmunisierung mit 15 Mo nicht bekommen. Die Spannweite beträgt zwischen
naten abgeschlossen sein. Fehlende Impfungen kön- den KV-Regionen rund 11 Prozentpunkte.
nen jederzeit nachgeholt werden. In der internatio-
nalen Berichterstattung ist die dreimalige Impfung Die Polio-Impfquote für mindestens 3 Impfungen
zum Alterszeitpunkt 15 Monate ein wichtiges Krite- stellt einen wichtigen internationalen Indikator für
rium für die Qualität des Routine-Impfsystems. Die die Überwachung der erreichten Poliofreiheit im je-
Impfquote für mindestens eine Impfung gegen weiligen Staatsgebiet dar. Im Alter von 15 Monaten
Diphtherie, Tetanus und Pertussis (DTP1) liegt mit ist die Impfquote auf KV-Ebene und bundesweit
15 Monaten bundesweit bei 96,0 % und auf KV-Ebe- sehr ähnlich der für DTP3, da überwiegend Kombi-
ne bei jeweils rund 95 % und mehr; die Impfquote nationsimpfstoffe genutzt werden. Auch hier ist der
nach 3 DTP-Impfdosen (DTP3) beträgt bundesweit Wert in den Geburtsjahrgängen 2008 – 2017 recht
89,7 % (Spannweite auf KV-Ebene: 86,6 – 92,9 %) konstant (Spannweite über die Geburtsjahrgänge:
(s. Tab. 2). Die bundesweiten Werte in den Geburts 89,1–90,5 %) (s. Datenanhang).
jahrgängen 2008 – 2017 sind dabei jeweils recht kon-
Nur bei 78 % aller Kinder erfolgt der Abschluss der
3 Dosen Impfserien gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis,
DTP1, DTP3, Polioimpfstoff, Polio und Hib bis zum Ende des 2. Lebensjahres
Alter 15 Mo Alter 15 Mo Alter 15 Mo
(Geburtsjahr (Geburtsjahr (Geburtsjahr (s. Tab. 3), wobei 75 % aller Kinder 4 Impfstoffdosen
BL – KV 2017) 2017) 2017)
erhalten hatten und 3 % nach dem 2+1-Schema
BW 95,2 86,6 86,5
geimpft waren. Bis zum Alter von 36 Monaten steigt
BY 94,6 87,1 86,9
die Impfquote dieser 5 Impfungen um zirka 8 Pro-
BE 96,3 90,2 90,1
zentpunkte an auf rund 86 % (s. Datenanhang), auf
BB 97,1 92,9 92,3
KV-Ebene beträgt der Anstieg jeweils 5 – 11 Prozent-
HB 96,6 88,5 88,4
punkte. Damit wird deutlich, dass der generellen
HH 95,6 89,4 89,4
Empfehlung, fehlende Impfungen nachzuholen,
HE – – –
auch gefolgt wird. Die Inanspruchnahme der Hepa-
MV 97,2 92,5 92,4
titis-B-Impfung ist etwas geringer: 75,5 % der 2-Jäh-
NI 97,0 92,1 92,0
rigen sind vollständig geimpft (Spannweite KV-Ebe-
NRW – – –-
▶▶ KV NO 97,1 91,6 91,6
ne: 68,1 – 81,0 %). Die Inanspruchnahme steigt bis
▶▶ KV WL – – –
zum Alter von 36 Monaten um rund 7 Prozentpunk-
RP 96,8 91,7 91,6 te auf 82,2 % (Zuwachs auf KV-Ebene: jeweils 4 – 11
SL 97,9 92,7 92,7 Prozentpunkte) (s. Datenanhang).
SN 95,2 88,3 87,9
ST 97,4 92,5 92,4 Die Impfquoten zum Einschulungsalter zeigen, dass
SH 96,8 92,1 92,1 fehlende Impfungen vielfach offenbar auch noch
TH 96,0 90,0 89,8 nach dem 3. Geburtstag nachgeholt werden. So
Gesamt 96,0 89,7 89,6 waren bundesweit und in beinahe allen Bundeslän-
dern wie schon in den Vorjahren auch zur Einschu-
Tab. 2 | Impfquoten nach 1 bzw. 3 Impfstoffdosen gegen lung 2018 meist weit über 90 % der Kinder gegen
Diphtherie, Tetanus und Pertussis (DTP) und Polio jeweils
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio und Hib geimpft
mit 15 Monaten (Ergebnisse der KV-Impfsurveillance; KV –
Kassenärztliche Vereinigung), nach KV-Region (NO: (s. Abb. 1, Tab. 3). Die Ausnahmen bilden Baden-
Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL) und Württemberg, Bremen, Saarland und Schleswig-
bundesweit. Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der
Holstein mit einem Teil der Werte unterhalb 90 %
Studienpopulationen: s. Datenanhang.
im Untersuchungsjahr 2018. Die Inanspruchnahme
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KV-Impfsurveillance, Alter 24 Mo (Geburtsjahr 2016) SEU 2018, Alter 4–7 Jahre (Geburtsjahrgänge 2010–2013)
Anteil Kinder mit
BL – KV Dip Tet Per Polio Hib HepB Dip Tet Per Polio Hib HepB Impfausweis
BW 71,3 71,3 71,3 71,2 71,1 68,1 88,6 88,7 88,4 87,8 86,9 78,4 89,2
BY 76,5 76,6 76,5 76,3 76,2 72,9 95,6 96,2 95,0 94,9 93,2 85,6 92,6
BE 78,0 77,9 77,9 77,7 77,7 75,5 93,9 94,1 91,0 93,3 90,4 85,5 90,5
BB 80,5 80,5 80,5 80,3 80,2 78,8 95,8 96,3 95,4 95,6 94,1 92,3 90,6
HB 75,5 75,5 75,5 75,3 75,3 74,1 89,8 89,8 89,6 91,8 89,5 86,7 83,1
HH 80,5 80,5 80,5 80,4 80,4 78,7 – – – - - – –
HE – – – – – – 93,1 93,2 93,0 94,4 92,8 89,6 93,3
MV 77,9 78,0 77,9 77,9 77,8 76,5 96,8 96,9 96,6 96,2 95,0 80,8 88,1
NI 81,6 81,6 81,6 81,4 81,3 80,0 93,7 93,9 93,4 93,5 92,3 90,5 92,2
NRW – – – – – – 92,2 92,2 92,0 92,4 91,1 89,8 91,6
▶▶ KV NO 80,9 80,9 80,8 80,8 80,7 79,3 – – – – – – –
▶▶ KV WL – – – – – – – – – – – – –
RP 81,6 81,6 81,5 81,4 81,3 80,4 96,1 96,3 95,6 95,7 94,3 92,4 92,2
SL 79,9 79,9 79,9 79,7 79,7 76,6 91,4 91,5 90,9 90,4 89,2 87,6 90,6
SN 73,6 73,6 73,5 73,1 72,9 68,1 93,8 94,0 93,7 91,8 91,8 85,6 92
ST 80,6 80,7 80,6 80,5 80,5 79,6 94,2 94,2 94,1 93,3 92,1 94,1 89,1
SH 82,5 82,5 82,4 82,4 82,3 81,0 92,0 92,2 91,8 91,1 89,9 86,7 90,5
TH 75,7 75,7 75,7 75,5 75,5 74,5 93,6 93,7 93,5 92,5 90,8 88,2 93
Gesamt 77,9 78,0 77,9 77,8 77,7 75,5 93,1 93,3 92,7 92,8 91,4 87,2 91,4
Tab. 3 | Impfquoten bei Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib und Hepatitis B mit 24 Monaten (Ergebnisse der KV-Impf
surveillance; KV – Kassenärztliche Vereinigung) und zum Alter der Schuleingangsuntersuchungen (SEU) 2018, sowie Anteile von
Kindern mit vorgelegtem Impfausweis in den SEU. Nach KV-Region (NO: Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL)
und bundesweit. Alle Angaben in Prozent. Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang.
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
100
90
80
70
60
Anteil in %
50
40
30
20
10
0
Diphtherie Tetanus Pertussis Hib Polio Hepatitis B 1. Masern 2. Masern Impfausweis
Abb. 1 | An das RKI übermittelte Impfquoten und Anteil von Kindern mit vorgelegtem Impfausweis bei den Schuleingangs
untersuchungen in Deutschland 2008 – 2018. Angaben in Prozent. Anzahl überprüfter Kinder: n = 703.770
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 13
100
93,4
93,4
92,9
93,1
92,7
92,7
92,4
91,4
90,5
90,5
90,0
89,8
89,7
89,5
89,4
88,7
87,4
Erste Masern-Impfung
90
84,1
83,5
83,2
82,5
(Impfquote in %)
81,5
80,7
79,8
79,6
77,2
76,7
80
70
60
50
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Geburtsjahrgang
100
Zweite Masern-Impfung
90
83,2
82,8
82,6
(Impfquote in %)
82,7
82,0
81,7
81,1
78,7
80
69,9
70,6
69,9
69,6
67,8
67,4
66,9
65,6
70
63,2
60
50
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Geburtsjahrgang
Abb. 2 | Impfquoten für mindestens eine und zwei Masernimpfungen nach Impfalter und Geburtsjahrgang, bundesweit (Werte
der 2. Impfung ohne Sachsen). Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung). Impfquoten in Prozent.
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 14
KV–Impfsurveillance,
Alter 15 Monate KV–Impfsurveillance,
(Geburtsjahr 2017) Alter 24 Monate (Geburtsjahr 2016) SEU 2018, Alter 4 –7 Jahre (Geburtsjahrgänge 2010–2013)
1. Mas, 1. Mas, 2. Mas,
BL – KV Mum, Röt* 1. Var Mum, Röt* Mum, Röt* 1. Var 2. Var 1. Mas 2. Mas 1. Mum 2. Mum 1. Röt 2. Röt 1. Var 2. Var
BW 75,6 68,3 82,1 61,9 74,7 56,8 95,2 89,8 94,9 89,6 95,0 89,6 84,0 79,1
Mum, Röt: 82,0
BY 82,1 74,5 88,3 68,2 79,6 62,0 96,9 92,6 96,5 92,3 96,4 92,3 81,7 78,6
BE 88,1 80,2 92,7 73,0 85,6 68,1 97,2 93,2 96,7 92,8 96,7 92,8 88,6 84,2
Röt: 88,5 Mum: 92,6; Röt: 73,2
Röt: 92,8
BB 87,0 81,6 93,3 69,7 89,2 67,6 98,6 95,1 98,2 94,9 98,2 94,9 92,8 89,1
HB 84,1 75,2 90,6 67,0 79,8 59,2 97,8 92,4 97,4 92,0 97,4 92,0 78,8 72,5
HH 88,0 84,6 92,3 76,0 89,3 73,6 – – – – – – – –
HE – – – – – – 97,9 93,9 97,9 93,9 97,9 93,9 91,3 87,0
MV 85,8 82,6 92,1 68,4 89,5 66,8 98,4 96,0 98,2 95,8 97,8 95,4 94,9 92,6
NI 86,6 82,7 92,1 74,8 88,2 72,2 96,9 93,2 96,8 93,1 96,7 93,1 90,4 87,0
NRW – – – – – – 98,1 94,3 97,9 94,2 97,9 94,1 91,3 87,5
▶▶ KV NO 87,6 83,4 93,8 76,6 90,3 73,8 – – – – – – – –
Mum, Röt: 93,7
▶▶ KV WL – – – – – – – – – – – – – –
RP 85,5 79,8 91,5 72,8 87,5 70,1 97,7 93,8 97,6 93,7 97,6 93,7 92,0 90,1
SL 88,5 85,7 94,1 74,0 91,3 72,0 97,5 91,5 97,1 91,3 97,1 91,2 93,8 87,7
Mum, Röt: 88,4 Mum, Röt: 94,0
SN# 74,5 54,2 86,6 16,9 70,2 33,0 96,9 92,5 96,5 92,2 96,5 92,2 80,1 83,1
ST 87,2 84,1 93,4 70,6 91,0 68,4 98,3 94,4 98,2 94,3 98,2 94,3 95,4 89,8
SH 88,0 84,9 93,1 76,7 90,4 74,5 97,1 93,6 96,8 93,4 96,8 93,4 91,6 87,8
TH 83,4 77,3 90,4 64,0 85,5 61,4 97,6 93,1 97,4 92,9 97,4 92,9 90,8 86,6
Mum, Röt: 90,3
Gesamt 83,5 77,1 89,8 69,9 # 83,7 66,0 # 97,2 93,1 97,0 92,9 97,0 92,9 88,2 84,8
Tab. 4 | Masern-, Mumps-, Röteln-, und Varizellenimpfquote, 1. Dosis mit 15 Monaten (Geburtsjahr 2017) und 1. und 2. Dosis mit 24
Monaten (Geburtsjahr 2016) aus der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung) und bei Schuleingangsuntersuchun-
gen (SEU) 2018, nach KV-Region (NO: Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL) und bundesweit. Impfquoten in Prozent.
Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang.
* Sofern nicht anders angegeben, sind die Masern-, Mumps- und Rötelnimpfquoten identisch. Bei Abweichungen von der Masernimpfquote sind
die Mumps- bzw. Rötelnimpfquoten separat ausgewiesen.
#
Für die 2. Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellenimpfung ist in Sachsen ein höheres Impfalter empfohlen. Daher werden in der KV-Impf
surveillance bei den für das Alter von 24 Monaten auf Bundesebene zusammengefassten Impfquoten die Werte der 2. Impfung aus Sachsen nicht
berücksichtigt. In den SEU werden aus demselben Grund für die 2. Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellenimpfung Daten aus den 2. Klassen
verwendet.
burg, Nordrhein, Saarland, Sachsen-Anhalt und Württemberg) und 87,1 % im Rhein-Kreis Neuss
Schleswig-Holstein werden mit 36 Monaten 95,0 % (KV Nordrhein, Nordrhein-Westfalen) (s. Abb. 3). Mit
und mehr erreicht (s. Datenanhang). 36 Monaten steigt die Impfquote um knapp 13 Prozent
punkte stark an auf 82,6 % (ohne Sachsen) (s. Abb. 2).
Die 2. Impfung haben im Alter von 24 Monaten
69,9 % der Kinder des Geburtsjahrgangs 2016 in Bis zur Einschulungsuntersuchung werden Masern
Anspruch genommen (ohne Sachsen, da hier für die impfungen noch nachgeholt, wie die Quoten der
2. Impfung ein höheres Impfalter empfohlen wird; Masern-, Mumps-, Rötelnimpfung zum Schulein-
Spannweite auf KV-Ebene: 61,9 – 76,7 %; Sachsen gang zeigen. Hier werden bei 97,2 % der Kinder
16,9 %) (s. Tab. 4). Auf Kreisebene divergieren die (Spannweite auf Bundeslandebene: 95,2 bis 98,3 %)
Impfquoten beträchtlich und liegen (ohne Sachsen) die 1. Masernimpfung und bei 93,1 % (Spannweite
zwischen 42,0 % im Main-Tauber-Kreis (Baden- auf Bundeslandebene: 89,8 bis 96,0 %) auch die
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 15
a) b)
Abb. 3 | Impfquoten für 2 Masernimpfungen im Alter von a) 24 (Geburtsjahrgang 2016) und b) 72 Monaten (Geburtsjahrgang
2012) auf Kreisebene, Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung); keine Impfquoten in den
KV-Regionen Hessen und Westfalen-Lippe, da hier keine validierten Abrechnungsdaten zur Auswertung vorlagen.
Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang.
2. Masernimpfung registriert (s. Tab. 4). In allen un- von 72 Monaten verdeutlicht die in vielen Fällen oft-
tersuchten Bundesländern haben jeweils mehr als mals nicht zeitgerechte Inanspruchnahme der
95,0 % der Kinder bis zur Einschulung die 1. Impfung Impfung (s. Abb. 4). Vor allem die Nutzung der
erhalten, für die 2. Impfung werden diese Werte nur 2. Impfung erfolgt mit erheblichem Zeitverzug: Erst
in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern im 6. Lebensjahr wird eine Impfquote auf dem
erreicht. Damit ist auch ein weiteres Ziel aus dem Niveau der in den Schuleingangsuntersuchungen
Masernaktionsplan – dass 95 % der Kinder zum festgestellten Werte erreicht. Die höchsten Anstiege
Schuleingang zweimal gegen Masern geimpft sein der Impfquote liegen dabei jeweils in den Alters
sollen – bundesweit noch gar nicht und in nur 2 Bun zeiträumen der Kindervorsorgeuntersuchungen
desländern erreicht. Nach Daten der KV-Impf (U-Untersuchungen), vor allem der U7 (im Alter
surveillance sind auf Kreisebene in gerade einmal 19 – 26 Monate), U7a (32 – 37 Monate) und U8
3 Stadtkreisen (s. unten) mindestens 95 % der Kinder (42–49 Monate).
im Alter von 72 Monaten (also etwa im Alter bei
Schuleintritt) zweimal gegen Masern geimpft Bis zum Alter von 72 Monaten haben 95,2 % der
(s. Abb. 3) – laut Masernaktionsplan sollte dies jedoch Kinder mindestens eine Impfung und 88,7 % der
zum Schuleingang in 90 % aller Kreise der Fall sein. Kinder 2 Impfungen bzw. 4,8 % gar keine Masern
impfung erhalten. Unter der Annahme, dass alle
In der Querschnittsanalyse der Geburtskohorten Kinder, die weniger als 2 Impfungen aufweisen, noch
2008 – 2017 zeigt sich über alle Geburtsjahrgänge nicht an Masern erkrankt waren, sind in dieser Al-
jeweils im Alter von 15 – 36 Monaten und ebenso tersgruppe hochgerechnet ca. 83.000 Kinder noch
über die Untersuchungsjahre der Schuleingangs ohne ausreichenden Masernschutz. Unter ihnen
untersuchungen von 2008 – 2018 ein Anstieg der sind rund 35.000 Kinder gänzlich ohne Masernimp-
Masernimpfquoten (s. Abb. 1 und Abb. 2). fung. Auch hier gibt es große Unterschiede auf Kreis
ebene: Im Alter von 72 Monaten (Geburtsjahrgang
Der Längsschnitt der Masernimpfquoten für die 2012) werden in der KV-Impfsurveillance Impfquoten
bundesweite 1. und 2. Impfstoffdosis bis zum Alter für die 2. Masernimpfung von 73,7 % (Garmisch-
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 16
100
90
80
70
60
Impfquote in %
1. Masernimpfung
50
2. Masernimpfung
40
30
20
10
0
0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45 48 51 54 57 60 63 66 69 72
Alter in Monaten
Abb. 4 | Impfquote mit mindestens einer und zwei Masernimpfungen im Alter von 0 – 72 Monaten, Geburtsjahrgang 2012,
Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung). Die grauen Bereiche markieren den Bereich des bisher
empfohlenen Impfalters für die erste (hellgrau) bzw. zweite Impfung (dunkelgrau). Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der
Studienpopulationen: s. Datenanhang.
Partenkirchen) bis über 95,0 % berechnet (Städte Die 2. Varizellen-Impfung haben nur 66,0 % der
Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt mit 95,3 % sowie Kinder empfehlungsgemäß bis zum 2. Geburtstag
Pirmasens und Zweibrücken in Rheinland-Pfalz mit erhalten (ohne Sachsen, da hier für die 2. Impfung
95,5 % und 96,7 %) (s. Abb. 3). Nach Daten der Schul ein höheres Impfalter empfohlen wird; Spannweite
eingangsuntersuchungen hatten 2,8 % der unter- auf KV-Ebene: 56,8 – 74,5 %; Sachsen 33,0 %). Im
suchten Kinder, die einen Impfausweis vorlegen weiteren Altersverlauf steigt der Anteil der Kinder,
konnten, keine Masernimpfung erhalten. Bezogen die zweimal gegen Varizellen geimpft wurden, auf
auf die Gesamtheit der 703.770 untersuchten Kin- 77,1 % (mit 36 Monaten, ohne Sachsen; s. Daten
der aus dem Untersuchungsjahr wären damit rund anhang) und auf 84,8 % zur Einschulungsuntersu-
20.000 ohne jegliche Masernimpfung. chung noch stark an.
len. Seit Juni 2020 soll die Impfserie mit 11 Monaten BW 62,7 71,7 83,5 86,9
zum Abschluss des 2. Lebensjahres empfohlen. Mit BE 70,6 79,6 76,8 90,4
dem Alter von 24 Monaten sind 69,3 % vollständig BB 74,2 81,1 86,6 92,7
100
90
80
70
Impfquote in %
60 1. Varizellen
50
2. Varizellen
40
Meningokokken C
30
20 Pneumokokken
10
0
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Jahr
Abb. 5 | Impfquoten der Impfungen gegen Varizellen, Meningokokken und Pneumokokken bei den Schuleingangsuntersuchungen
in Deutschland, 2008 – 2018, in Prozent.
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 18
100
95
Pnk, 24 Mo MenC, 24 Mo MenC, 36 Mo
90
85
80
Impfquote in %
75
70
65
60
55
50
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Geburtsjahrgang
Abb. 6 | Impfquoten für vollständige Impfungen gegen Pneumokokken (Pnk) mit 24 Monaten und gegen Meningokokken C
(MenC) mit 24 bzw. 36 Monaten nach Geburtsjahrgang, Ergebnisse der KV-Impfsurveillance. Impfquoten in Prozent. Zu den
Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang.
serie nur bedingt mit den Ergebnissen der KV- Bereits über 50 % der Kinder des Untersuchungs-
Impfsurveillance vergleichbar. Ein Teil der in den jahres 2008 waren gegen Meningokokken C geimpft,
Impfquoten zum Schuleingang erfassten Kinder hat und mit den Einschulungsuntersuchungen 2012
die Pneumokokkenimpfung eventuell auch außer- hatte die Impfung bereits 85 % der Kinder erreicht
halb der STIKO-Empfehlung für die Standard (s. Abb. 5). Bis zum Untersuchungsjahr 2018 stieg
impfung erhalten; hierunter befinden sich zudem die Quote zwar weiter, aber nicht mehr so stark an
möglicherweise Kinder, die die Impfung später auf 90,0 % (Spannweite auf Bundeslandebene:
aufgrund einer bestehenden gesundheitlichen Indi- 86,1–92,9 %) (s. Tab. 5).
kation erhalten hatten.
Frühsommer-Meningoenzephalitis
Meningokokken C Die Impfung gegen Frühsommer-Meningoenze
Die Empfehlung zur Meningokokken-C-Impfung phalitis (FSME) wird von der STIKO allen Personen,
besteht wie die Pneumokokkenimpfung für Kinder die in FSME-Risikogebieten Zecken exponiert sind,
seit dem Jahr 2006. Im Geburtsjahrgang 2016 be- empfohlen. Fünf Bundesländer mit FSME-Risiko-
trug die Impfquote im Alter von 24 Monaten 77,8 % gebieten dokumentieren bei den Schuleingangs
(Spannweite KV-Ebene: 71,7 – 83,8 %); in der Ge- untersuchungen auch die FSME-Impfquoten: Die
burtskohorte 2008 hatten nur 71,7 % der Kinder in Impfquoten erreichten in Bayern 32,8 %, in Baden-
den ersten beiden Lebensjahren die Impfung in Württemberg 21,5 %, in Thüringen 17,3 %, in Hessen
Anspruch genommen; mit den Jahrgängen 2012 16,4 % und im Saarland 13,4 %. Im Vergleich zum
und später betrug die Impfquote zirka 77 % (s. Tab. 5). Vorjahr weichen sie nur geringfügig ab und liegen
Bis zum Alter von 36 Monaten stieg die Impfquote teils unter (0,2 Prozentpunkte in Hessen und 0,3 Pro
der 2016 geborenen Kinder um weitere rund 6 Pro- zentpunkte in Thüringen), teils über (0,6 Prozent-
zentpunkte auf 83,9 % (s. Abb. 6). punkte in allen übrigen Bundesländern) den Vorjah-
resergebnissen.
Im Gegensatz zur Pneumokokkenimpfung wird der
Anstieg der Meningokokken-C-Impfung in den Er- Mit der Übermittlung der KV-Abrechnungsdaten
gebnissen der Schuleingangsuntersuchungen früh werden auch abgerechnete FSME-Impfleistungen
nach Impfeinführung sichtbar, da hier eine Nachhol in der KV-Impfsurveillance erhoben. Eine Auswer-
impfung bis zum Alter von 17 Jahren empfohlen ist: tung der durch das KV-System erfassten FSME-
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 19
Vollständige
Vollständige Vollständige HPV-Impfung,
HPV-Impfung, HPV-Impfung, männl., 18-Jährige
weibl., 15-Jährige weibl., 18-Jährige (Geburtsjahr Abb. 7 | Impfquote in Prozent für eine vollständige HPV-
BL – KV (Geburtsjahr 2003) (Geburtsjahr 2000) 2000)* Impfung (HPV – Humane Papillomviren), 15-jährige
BW 34,1 43,3 1,2 Mädchen, Kreisebene, Dezember 2018, Ergebnisse der
KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung).
BY 35,6 42,3 1,1
Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang.
BE 43,2 51,6 1,0
BB 56,1 63,3 2,5
HB 34,6 40,7 0,9 auf Kreisebene sind die Unterschiede sehr groß: So
HH 39,3 46,7 1,0 sind im LK Mühldorf am Inn (Bayern) nur 15,7 %
HE – – – der 15-jährigen Mädchen vollständig gegen HPV
MV 61,5 70,6 1,8 geimpft, während in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt)
NI 45,2 51,2 1,0 bereits 76,9 % alle notwendigen HPV-Impfungen
NRW – – –
erhalten hatten (s. Abb. 7). Die Nachholimpfung ist
KV NO 44,3 54,2 2,0
bis zum Alter von 17 Jahren empfohlen. Ein Großteil
▶▶
▶▶ KV WL – –
der Krankenkassen übernimmt jedoch auch die
RP 46,0 54,7 1,4
Kosten, um eine bereits begonnene Immunisierung
SL 45,7 53,7 1,1
spätestens im Alter von 18 Jahren zu vervollständi-
SN 52,1 64,4 1,2
gen. Unter den 18-jährigen Mädchen waren im Jahr
ST 63,1 71,7 1,1
2018 51,1 % vollständig geimpft (s. Tab. 6). Auch hier
SH 47,7 57,1 1,0
ließen sich große Unterschiede zwischen den Bun-
TH 57,7 66,8 1,4
desländern identifizieren: niedrigster Wert mit
Gesamt 43,0 51,1 1,3
40,7 % in Bremen, höchster Wert mit 71,7 % in
Tab. 6 | HPV-Impfquote (HPV – Humane Papillomviren) voll- Sachsen-Anhalt.
ständig, nach Geschlecht, 15 und 18 Jahre, nach KV-Region
(KV – Kassenärztliche Vereinigung; NO: Nordrhein; W L: West Bundesweit zeigte sich für das Jahr 2018 ein starker
falen-Lippe), Bundesland (BL) und bundesweit, Dezember
2018, Ergebnisse der KV-Impfsurveillance. Impfquoten in Pro- Anstieg der Impfquote mit vollständiger Impfserie
zent. Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang. über die Altersjahre, die von 0,5 % (9-jährige Mäd-
*Der Beobachtungszeitraum für die Analyse der HPV-Impfquoten bei
chen) bis 51,1 % (18-Jährige) reichte (s. Abb. 8).
Jungen endete in der KV-Impfsurveillance im Dezember 2018, bereits
kurz nachdem erst im November 2018 die Impfung für Jungen Pflicht Mit 18 Jahren hatten 63,2 % der Frauen die HPV-
leistung der gesetzlichen Krankenversicherung wurde. Impfungen, Impfung mindestens begonnen, aber nur 51,1 % der
die vor diesem Zeitraum identifiziert wurden, zählen zu den Satzungs
18-Jährigen hatte sie auch abgeschlossen. Hieraus
leistungen der Krankenkassen.
errechnet sich eine Abbruchquote von 19 %.
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 20
HPV-Impfserie mind. begonnen (2018) vollst. geimpft (2018) vollst. geimpft (2014)
80
70
62,7 63,2
60,8
60 58,3
53,8
48,6 51,1
50
Impfquote in %
44,8 46,1
43,0
40 37,1
32,8
30 27,8
22,8
19,0
20
13,6 12,3
10 5,2
4,6
0,5
0
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Alter in Jahren
Abb. 8 | HPV-Impfquote in Prozent (HPV – Humane Papillomviren) bei Mädchen nach Alter in Jahren. Dargestellt sind
die Anteile mit mindestens begonnener HPV-Impfung (Stand Dezember 2018) und abgeschlossener HPV-Impfserie
(Stand Dezember 2014 vs. 2018), Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung)
Bei 15-jährigen Mädchen lag die Impfquote für eine Für die Auswertung der Impfquoten der erst seit
vollständige Impfserie im Jahr 2011 bundesweit bei kurzem empfohlenen HPV-Impfung bei Jungen ist
27,2 %, stieg in den Folgejahren ab 2014 leicht an der mögliche Beobachtungszeitraum in der vor
auf über 30 %, bis im Jahr 2018 43,0 % erreicht liegenden Analyse noch sehr kurz. In jeder Alters-
wurden (s. Abb. 9). Die beobachteten Anstiege bei stufe der 9 – 18-Jährigen haben bundesweit jeweils
jungen Mädchen sind sehr wahrscheinlich vor allem weniger als 2,0 % die HPV-Impfung begonnen und
dem gesenkten Impfalter der im Jahre 2014 ange- weniger als 1,5 % die Impfserie abgeschlossen.
passten Impfempfehlung, einer damit einhergehen-
den besseren Erreichbarkeit der Kinder über Rou Beispielsweise haben unter den 15-jährigen Jungen
tinevorsorgeuntersuchungen und einem verkürzten bisher nur 1,8 % eine erste Impfung in Anspruch
Impfschema geschuldet. Das zeigt sich zum Bei- genommen (Spannweite auf KV-Ebene: 1,3 – 3,4 %)
spiel darin, dass die Höhe der Impfquoten 2018 im und nur 1,0 % sind vollständig gegen HPV geimpft
Vergleich zu 2014 2 Altersjahre vorher erreicht wird (Spannweite auf KV-Ebene: 0,3 – 1,8 %). Unter den
(s. Abb. 8). 18-Jährigen haben 1,7 % mindestens die 1. Impfung
erhalten (Spannweite auf KV-Ebene: 1,3–3,0 %), und
50 1,3 % sind vollständig geimpft (Spannweite KV-Ebene:
43,0 0,9–2,5 %) (s. Tab. 6).
40,0
40 36,6
Impfquote (vollst.) in %
33,4
31,3
30 27,2 27,2
29,3 Diskussion
Mit dem vorliegenden Beitrag geben wir eine um-
20
fassende Übersicht über die Impfquoten im Kindes-
und Jugendalter in Deutschland. Generell liegen die
10
Impfquoten in Deutschland bei den meisten der
lange etablierten Impfungen zum Zeitpunkt der
Einschulungsuntersuchungen auf einem guten
0
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Niveau, und rasche Anstiege der Inanspruchnahme
Jahr
von seit jüngerer Zeit empfohlenen Impfungen
Abb. 9 | Impfquote (in Prozent) für eine vollständige Impfserie konnten beobachtet werden. Dennoch: Bei allen Im
gegen HPV-Infektionen (HPV – Humane Papillomviren) bei pfungen zeigt sich, dass die empfohlenen Alters-
15-jährigen Mädchen jeweils zum Ende der Jahre 2011 – 2018,
Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche zeitpunkte nicht eingehalten werden, dass Impfse-
Vereinigung). rien unvollständig bleiben und dass einige Kinder
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 21
manche Impfungen gar nicht erhalten. Insbeson zahlen hatten damit rund 82.000 Kinder des Ge-
dere bei den lange etablierten Impfungen gegen burtsjahrgangs 2017 in Deutschland mit 15 Monaten
Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib und noch keine 3. Polioimpfstoffdosis erhalten. Es zeigen
Hepatitis B zeigen sich im sehr jungen Alter nur mo sich aber auch regionale Unterschiede, wobei in
derate Impfquoten. Bis zum Alter der Schuleingangs Baden-Württemberg und Bayern mit 86,5 % und
untersuchungen werden Impfungen zwar nachge- 86,9 % Impfquoten erzielt werden, die deutlich un-
holt, aber auch das erfolgt nicht bei allen Kindern, ter der von der WHO definierten Zielmarke liegen.
so dass auch noch zu diesem Zeitpunkt Bedarf für
die weitere Schließung von Impflücken besteht. Während bereits rund ein Drittel der Kinder vor
Aufnahme der Impfung in den Nationalen Impf
Ein internationaler Indikator zur Bewertung der kalender gegen Rotaviren geimpft war, hat sich die-
Qualität eines Impfsystems ist der Anteil von Kin- ser Wert kurz nach Aussprechen der Impfempfeh-
dern mit der nicht in Anspruch genommenen lung durch die STIKO auf zirka zwei Drittel erhöht.
DTP3-Impfung unter Kindern, die mindestens die Seitdem hat sich dieser Wert allerdings auch nicht
1. Impfung erhalten haben. Diese Abbruchquote wesentlich weiter gesteigert. Damit profitiert noch
(dropout rate) beträgt unter den gesetzlich Kranken- immer ein großer Anteil der Säuglinge nicht vom
versicherten in Deutschland 6,5 % und ist damit noch Schutz der Schluckimpfung vor einem schweren
zu hoch. Ein Ziel der Weltgesundheitsorganisation Krankheitsverlauf und notwendigen Krankenhaus-
(WHO), dem sich auch Deutschland verschrieben behandlungen. Überdies werden derzeit rund 9 %
hat, ist ein Wert von weniger als 5 % in allen Mitglied- aller ersten Impfstoffdosen zu spät – mit 13 Wochen
staaten der WHO Euro Region bis zum Jahr 2020.7 oder später – verabreicht. Dies ist vor dem Hinter-
grund des zwar sehr geringen, jedoch mit dem Impf
Im Zuge der Aktivitäten zur globalen Eradikation alter zunehmenden Risikos für Invaginationen, ins-
der Poliomyelitis konnte die WHO im Juni 2002 die besondere nach 1. Impfstoffdosis, kritisch.8 Auf enge
Europäische Region als poliofrei zertifizieren. Die Zeitfenster der Impfung wird auch in den jeweili-
Mitgliedstaaten der WHO-Region Europa haben sich gen Fachinformationen der Impfstoffe hingewiesen.
verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um die erreich- Die gegen Rotaviren impfende Ärzteschaft muss
te Poliofreiheit in ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu noch stärker für die Beachtung des regelgerechten
überwachen und bis zur Bestätigung einer welt Einsatzes der Impfung sensibilisiert werden.
weiten Eradikation der Poliomyelitis zu erhalten.
Die Nationale Kommission für die Polioeradikation Die Masernimpfquoten, insbesondere der 2. Impfung,
in Deutschland hat dabei die Aufgabe, die getroffe- erreichen nicht die nationalen und internationalen
nen Maßnahmen in Deutschland zu begleiten und Ziele, auch wenn sie zum Zeitpunkt des Schulein-
ihre Wirksamkeit zu beurteilen. Ein wichtiger Indi- gangs über die Untersuchungsjahre leicht angestie-
kator zur Einschätzung des Risikos der Weiterver- gen sind. Allerdings zeigen gerade die Daten im
breitung eines eingeschleppten Poliovirus in der Be- Alter von 6 Jahren (KV-Impfsurveillance) und die
völkerung ist eine Impfquote von mindestens 95 % Daten zum Schuleingang, dass mit einer deutsch-
mit einer ausreichenden Anzahl an Impfstoffdosen. landweiten Impfquote von 95–97 % für mindestens
In den Berichten von WHO und dem Kinderhilfs- eine Masernimpfung kein generelles Akzeptanz
werk der Vereinten Nationen (UNICEF) wird auf- problem besteht. Offenbar zögern aber viele Eltern
grund der Vergleichbarkeit zwischen den Ländern bei der 2. Impfung. Somit sind in einem Alter, in
mit unterschiedlichen Impfsystemen eine Impf dem die Kinder in die Schule kommen, viele tausend
quote von 3 Polioimpfstoffdosen für Kinder im Alter Kinder nicht ausreichend geimpft. Sie sind d amit
von 15 Monaten ausgewiesen. In allen in der KV- für die Masern empfänglich und können zu deren
Impfsurveillance untersuchten Geburtsjahrgängen Weiterverbreitung beitragen.
von 2008 – 2017 betrug diese Quote bundesweit
rund 90 % ohne nennenswerte Variation und ist da- Die Varizellen-Impfung wird noch weniger in An-
mit zu niedrig, das Risiko einer Weiterverbreitung spruch genommen als die Masern-, Mumps-Röteln
zu verhindern. In Relation zu den Lebendgeborenen impfung, obwohl die Impfung im selben Alter
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 22
e mpfohlen wird, und präferentiell für die 2. Dosis quoten verlagert sich hin zu jüngeren Altersgruppen.
Kombinationsimpfstoffe gegen alle 4 Erreger zur Nach wie vor ist die HPV-Impfinanspruchnahme
Verfügung stehen. Bereits die 1. Varizellenimpfung aber verbesserungswürdig: Die 50 %-Marke wird
verleiht einen hohen Schutz vor schweren Erkran- bisher nur von der Gruppe der 18-jährigen Mädchen
kungsverläufen; die 2. Impfstoffdosis ist jedoch für erreicht. Auffällig war, dass auch noch in dieser
den Schutz vor Varizelleninfektionen wichtig.9, 10 Altersgruppe, in der die Kostenübernahme für die
Gerade für die 2. Impfung bestehen Defizite in der HPV-Impfung gewöhnlich nur noch für den Ab-
Inanspruchnahme, die auch bis zum Alter der Schul schluss einer bereits begonnen HPV-Impfserie be-
eingangsuntersuchungen nur mäßig aufgeholt wer- steht, ein großer Anteil von 19 % eine begonnene
den. Nur eine hohe Impfinanspruchnahme im Kin- HPV-Impfserie nicht abgeschlossen hatte. Gleiche
desalter kann dafür sorgen, dass die Erkrankung Anteile wurden bereits mit KV-Abrechnungsdaten
nicht in einem Alter auftritt, bei der sie mit einer für weiter zurückliegende Jahre errechnet und im
höheren Wahrscheinlichkeit für einen komplizier- Jahr 2010 in einem Telephonsurvey identifiziert.11, 12
ten Verlauf einhergeht. Zusätzlich wird durch hohe Die HPV-Impfung ist am effektivsten, wenn sie zu
Impfquoten ein Gemeinschaftsschutz hergestellt, einem Zeitpunkt verabreicht wird, zu dem noch kei-
wodurch insbesondere das Risiko einer Übertragung ne Infektion mit dem sexuell übertragbaren Erreger
des Erregers auf ungeimpfte oder nicht impffähige vorliegt.13 Ein vollständiger HPV-Impfschutz noch
Personen – einschließlich jener, die aus medizini- vor Beginn der sexuellen Aktivität und damit mög-
schen Gründen keinen Lebendimpfstoff bekom- lichst im empfohlenen Impfalter ist aus diesem
men können oder noch zu jung für eine Impfung Grund besonders wichtig. Die Barrieren, die zu ei-
sind – gesenkt wird.9 ner unvollständigen Impfung oder gar zu einer
generellen Ablehnung der HPV-Impfung führen –
Bei den im Jahr 2006 in Deutschland eingeführten und möglicherweise von den hier dargestellten
Impfungen gegen Pneumokokken und Meningo großen Impfquoten-Unterschieden auf Kreisebene
kokken C lässt sich ein zur Einführung der Impfung reflektiert werden – müssen identifiziert werden.
zeitnaher starker Anstieg der Inanspruchnahme
beobachten. Insgesamt ist jedoch selbst die bis zum Die HPV-Impfempfehlung wurde erst im August
Alter der Schuleingangsuntersuchungen erreichte 2018 auf Jungen erweitert. Zwar hatten schon vorab
Inanspruchnahme der Meningokokken-C-Impfung einige Krankenkassen die Kosten für die Impfung
noch steigerungsfähig. Ein Nachholen der Pneumo- von Jungen übernommen, doch erst mit Aufnahme
kokkenimpfung ist nur bis zum vollendeten 2. Lebens- der neuen Regelung in die Schutzimpfungsricht
jahr empfohlen, so dass hier vor allem das Impfge- linie im November 2018 war die Impfung als Kas-
schehen in sehr jungen Jahren von hoher Bedeu- senleistung generell erstattungsfähig. Aufgrund des
tung ist. Gut zwei Drittel der Kinder sind bis zum sehr kurzen Zeitraums für die Erfassung der HPV-
Ende des 2. Lebensjahres gegen Pneumokokken Impfinanspruchnahme bei Jungen in der vorliegen-
geimpft. Das geänderte, nunmehr auf 3 Dosen redu- den Auswertung (bis zum Ende des Beobachtungs-
zierte 2+1-Impfschema wurde in den meisten Fällen zeitraums Dezember 2018 in der Datenanalyse) sind
angenommen. Der Wechsel zur kürzeren Impfserie die berechneten Impfquoten in allen Regionen noch
hat insgesamt aber bisher nicht zu einer Erhöhung sehr gering und wenig aussagekräftig.
der Impfquote geführt.
Die integrierte Auswertung von Daten zum Impf-
Rund 4 Jahre nach Aufnahme der HPV-Impfung in status aus mehreren Systemen und deren mögliche
den nationalen Impfkalender hatte gut ein Viertel Ergänzung durch zusätzliche Datenerhebungen
der 15-jährigen Mädchen die Impfung erhalten. In schafft ein umfassendes Gesamtbild der Impfsitua-
der Folge ist die Impfquote in dieser Altersgruppe tion in Deutschland. Dies ermöglicht die Evaluation
jährlich um 2 – 3 Prozentpunkte angestiegen. Die und Optimierung gegenwärtiger Impfempfehlun-
positiven Effekte der geänderten Impfempfehlung gen, die Planung gezielter Kommunikationsmaßnah-
mit jüngerer Zielgruppe und reduziertem Impf- men sowie eine Einschätzung zum Stand hinsichtlich
schema zeichnen sich ab: Der Anstieg der Impf des Erreichens nationaler und internationaler Impf-
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 23
ziele, beispielsweise im Rahmen von Eliminierungs- Die Datenvollständigkeit stellt sich wie folgt dar:
und Eradizierungsstrategien. Die Analysen zeigen,
dass Impfungen nicht zeitgerecht und nicht voll- Schuleingangsuntersuchungen:
ständig erfolgen. Zu spätes Impfen setzt junge Kin- ▶▶ Hamburg konnte für das aktuelle Erhebungsjahr
der unnötig lange einer Infektionsgefahr aus oder der Schuleingangsuntersuchungen 2018 keine
kann wie im Fall der HPV-Impfung dazu führen, Daten übermitteln,
dass nicht das volle Potenzial der Impfung ausge- ▶▶ einzelne Impfungen (Rotavirus-, Pneumokokken
schöpft werden kann. Bei der Rotavirusimpfung impfung) werden in einigen Bundesländern
birgt nicht zeitgerechtes Impfen sogar ein erhöhtes nicht erfasst.
Risiko für eine Impfkomplikation. Aber auch das
Risiko einer Weiterverbreitung des Erregers ist durch KV-Impfsurveillance:
zu spätes oder ungenügendes Impfen unnötig er- Aktuelle Ergebnisse konnten für die KV-Regionen
höht und erschwert das Erreichen nationaler und Hessen und Westfalen-Lippe nicht berechnet wer-
internationaler Public-Health-Ziele wie im Falle der den, da der Validierungsprozess der von diesen
Masern oder der Poliomyelitis. Für einzelne Impfun- KVen übermittelten Daten zum Datenschluss nicht
gen besteht eine erhebliche Varianz auf regionaler abgeschlossen war.
Ebene. Auf einzelne kleinräumige Regionen be-
schränkte niedrige Impfquoten und ein damit ver- Die bundesweiten Ergebnisse zum Impfstatus aus
bundener, reduzierter Gemeinschaftsschutz, insbe- den Schuleingangsuntersuchungen werden ge-
sondere bei nicht impffähigen Personen, können wöhnlich mit einem Zeitverzug von 2 Jahren veröf-
für größere Ausbruchsgeschehen verantwortlich fentlicht. Dieser Zeitraum wird benötigt, um die
sein, sobald ein hochansteckender Erreger wie bei- Untersuchungen durch die Gesundheitsämter der
spielsweise das Masernvirus in solche Regionen im- Landkreise und kreisfreien Städte durchzuführen,
portiert wird. Solche regionalen Impflücken bedür- die Daten auf Bundeslandebene zu sammeln, zu
fen entsprechender Analysen, da sie möglicherwei- überprüfen und dem Robert Koch-Institut (RKI)
se auch nur lokal zu adressieren sind. Eine wichtige aggregiert zu übermitteln, und um die Daten im
Rolle für den Impfentscheid dürften dabei die Ärzte Anschluss zentral auszuwerten.
spielen. Untersuchungen haben gezeigt, dass deren
Einstellungen zum Impfen mit ihren Impfempfeh- Von den KVen werden die quartalsweisen Abrech-
lungen und den lokalen Impfquoten assoziiert nungsdaten mit einem Zeitverzug von 2 – 3 Quarta
sind.14, 15 Trotz der noch bestehenden Probleme sind len nach Ende des jeweiligen Abrechnungsquartals
die kontinuierlichen Zuwächse in der Impfinan- zur Auswertung an das RKI übermittelt. Abhängig
spruchnahme der kürzlich eingeführten Impfungen von der Impfung ist zudem eine Datenfortschrei
bis ins Einschulungsalter sowie bei der HPV-Impfung bung von mindestens einem weiteren Quartal über
in jüngeren Altersgruppen erfreulich und belegen den Beobachtungszeitraum der Datenanalysen
die wachsende Akzeptanz der empfohlenen Impfun hinaus notwendig. Die Notwendigkeit ergibt sich
gen in der Bevölkerung in Deutschland. aus den Einschlusskriterien für die Studienpopu
lation (s. Tab. 7). Für die vorliegende Auswertung
war daher eine Datenfortschreibung bis mindestens
Methoden 2019/III erforderlich, woraus sich die Aktualität des
Datenvollständigkeit und Berichtszeitraum Berichtszeitraums ergibt.
Für die Auswertungen wurden Daten aus den Schul
eingangsuntersuchungen von 2008–2018 und Ab- Änderung der Einschlusskriterien bei der
rechnungsdaten der KVen aus der KV-Impfsur Analyse der KV-Abrechnungsdaten
veillance der Jahre 2008–2019 herangezogen. Die Da die Pseudonymisierung der personenbezogenen
administrativen Bereiche der KV-Regionen decken Daten bei allen KVen jeweils unterschiedlich erfolgt,
sich mit den Bundesländern (Ausnahme: Nordrhein- können derselben Person nur Impfungen innerhalb
Westfalen wird über die zwei KV-Regionen Nord- einer KV zugeordnet werden. Bei Umzug in einen
rhein und Westfalen-Lippe abgedeckt). anderen KV-Bereich kann diese Person in den Daten
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 24
Tab. 7 | Einschlusskriterien für die Bildung der Studienpopulationen zur Impfquotenberechnung in der KV-Impfsurveillance:
Zeitfenster der dokumentierten Arzt-Patienten-Kontakte, die vor bzw. zum Beginn des Beobachtungszeitraums liegen und sich
an den Beobachtungszeitraum anschließen.
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 25
Dosenanzahl für
Impfung vollständige Impfserie Schuleingangsuntersuchung KV-Daten
Diphtherie 4 bzw. 3 ▶▶ 4 Impfdosen bei Verwendung von 6-fach- ▶▶ 4 Impfstoffdosen gelten als vollständig
Tetanus Kombinationsimpfstoff. ▶▶ sind nur 3 Impfstoffdosen dokumentiert, gilt
Pertussis ▶▶ In einigen Untersuchungsstellen wird auch eine dies als vollständig, sofern der Abstand
Poliomyelitis 3-malige Impfung als vollständig anerkannt, zwischen Dosis 1 und 2 mind. 8 Wochen
Hib wenn zwischen 2. und 3. Impfung ein Abstand beträgt und der Abstand zwischen Dosis 2
Hepatitis B von 6 Monaten liegt. und 3 mind. 6 Monate (2+1-Schema)
▶▶ Für Hib, Polio und Hep B gelten bei Verwendung
Tab. 8 | Kriterien für vollständige Impfserien in den Datenerhebungen zum Impfstatus bei den Schuleingangsuntersuchungen
und in den Impfquotenberechnungen der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung)
*zu Rotavirus: Erklärungen im Text
spezifischen Angaben enthalten, ist die Definition für wertungen zur Rotavirusimpfung wurden alle Rota-
eine vollständige Rotavirusimpfung in den KV-Daten virusimpfungen bis zum Alter von 32 Wochen iden-
komplexer: Die Immunisierung gegen Rotaviren tifiziert und ein Kind in den folgenden Fällen als
muss bis zum Alter von 32 Wochen abgeschlossen vollständig geimpft gewertet: (i) Erhalt von 3 Dosen
sein und ist mit 2 (Rotarix®) bzw. 3 (RotaTeq®) ora- (wahrscheinlicher Impfstoff: RotaTeq®); (ii) Erhalt
len Impfstoffdosen vollständig (s. Fachinformatio- von 2 Dosen, von denen die 2. als die Impfserie ab-
nen). Die Abrechnungsziffern geben gewöhnlich schließend dokumentiert wurde (wahrscheinlicher
Auskunft darüber, ob die verabreichte Impfstoffdosis Impfstoff: Rotarix®); (iii) sofern die genutzte Ab-
entweder als eine die Impfserie vervollständigende rechnungsziffer eine Prüfung auf Vollständigkeit
Dosis abgerechnet wurde oder als eine die Impfserie nicht zulässt: Erhalt von genau 2 Dosen (wahrschein
lediglich beginnende bzw. fortführende. Für die Aus licher Impfstoff: Rotarix®).
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 26
Erratum
In der online-vorab Ausgabe 32/33 2020 „Impfquoten
von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle
Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance“ wurden Kor-
rekturen in Tabelle 3 (S. 12) sowie in einem Absatz,
der sich auf Tabelle 3 bezieht (S. 11, letzter Absatz),
vorgenommen. Die Tabellenunterschrift von Tabelle 4
wurde korrigiert. Ebenso gab es eine Korrektur in Ta-
belle 2 des dazugehörigen Supplements. Die Korrektu-
ren sind in der hier vorliegenden Fassung umgesetzt.
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 28
Von verschiedenen Seiten wird derzeit die Meinung gruppe der > 60-Jährigen mit etwa 35 % völlig un
geäußert und an die STIKO herangetragen, dass die zureichend ist und in den vergangenen 10 Jahren
Indikation für eine Influenzaimpfung auf die ge- sogar kontinuierlich abgenommen hat.
samte Bevölkerung ausgeweitet werden sollte. Hin-
tergrund ist die aktuelle COVID-19-Pandemie, die Die beginnende Diskussion einer Indikationser
zusammen mit einer starken Influenzawelle das weiterung der Influenzaimpfung war Anlass auf dem
Gesundheitssystem vor besondere Herausforderun- Treffen der STIKO-Arbeitsgruppe „Influenza“ im
gen stellen könnte. Die STIKO betont, dass entspre- Mai 2020, die Versorgungssituation von Influenza
chend den aktuellen STIKO-Impfempfehlungen be- impfstoffen für die kommende Saison sowie die
vorzugt die Bevölkerungsgruppen geimpft werden Umsetzung der STIKO-Impfempfehlungen im Zuge
sollen, die ein besonders hohes Risiko für schwere der COVID-19-Pandemie erneut zu besprechen. Da-
Verläufe einer Influenza haben. bei wurde Folgendes festgehalten:
Die STIKO befasst sich intensiv mit den Auswir ▶▶ Nach Kenntnis der STIKO werden für die kom-
kungen der COVID-19-Pandemie auf alle Aspekte mende Saison 2020/21 in Deutschland ca. 25 Mio.
des Impfens. Im Rahmen der 95. STIKO-Sitzung Dosen Influenzaimpfstoff verfügbar sein (inkl.
im März 2020 wurde über die bestehenden Empfeh der vom Bundesministerium für Gesundheit
lungen zur Influenzaimpfung und möglicherweise (BMG) beschafften nationalen Reserve). Obwohl
notwendig werdende Anpassungen diskutiert. dies deutlich mehr Impfstoffdosen sind als in den
vergangenen Jahren, würden diese aber nicht für
Da die Epidemiologie beider Erkrankungen hin- die Impfung der gesamten Bevölkerung der Bun
sichtlich der Risikogruppen für schwere Krankheits- desrepublik Deutschland ausreichen. Über die
verläufe sehr deutliche Parallelen aufweist, ist die für die folgenden Jahre erforderlichen Impfstoff-
STIKO davon überzeugt, dass für die kommende mengen sollte bereits jetzt nachgedacht und Ak-
Influenzasaison 2020/21 eine hohe Impfquote in tivitäten zur Sicherstellung der benötigten Impf-
den Risikogruppen erreicht werden muss, um neben stoffmengen sollten frühzeitig unternommen
dem individuellen Schutz auch das Gesundheits werden.
system zu entlasten.
▶▶ Die STIKO unterstreicht ihre Empfehlung, dass
Der STIKO-Vorsitzende hat frühzeitig mit Briefen mit den verfügbaren Impfstoffdosen insbeson-
an die kassenärztlichen Vereinigungen (KV), den dere die Personengruppen vollständig gegen
Bundesminister für Gesundheit und die Nationale Influenza geimpft werden sollten, die ein erhöh-
Lenkungsgruppe Impfen (NaLI) auf die Notwendig- tes Risiko für schwere Verläufe einer Influenza
keit von hohen Influenzaimpfquoten und ausrei- (oder von COVID-19) mit einem hohen Risiko
chender Versorgung mit Influenzaimpfstoffen für einer Hospitalisierung haben (z. B. Senioren,
die kommende Influenzasaison hingewiesen. Dies Menschen mit chronischen Grundleiden) oder
geschah insbesondere auch deswegen, weil die bis- die beruflich besonders exponiert und epide
herige Influenzaimpfbeteiligung bei der Risiko miologisch bedeutsam sind, weil es durch sie zu
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 29
▶▶ Die geringen Impfquoten in der Saison 2018/19 ▶▶ Die STIKO sieht gegenwärtig keine Gründe, in Zum
in den Risikogruppen (ca. 35 % bei Personen im diesem Jahr besonders frühzeitig mit der Influ- last
Alter von ≥ 60 Jahren und nur ca. 20–50 % bei enzaimpfung zu beginnen. Sie bekräftigt hinge- kom
Personen mit chronischen Grundleiden) verdeut gen, dass eine Influenzaimpfung durchaus auch ist m
gen
lichen die hier dringend erforderliche Verbesse- noch später im Verlauf der Influenzasaison sinn-
Infl
rung.1 voll sein kann, wenn eine Impfung vor Saison STI
beginn verpasst wurde. siko
▶▶ Allein für die vollständige Umsetzung der beste- den
henden STIKO-Impfempfehlungen wären etwa ▶▶ Anpassungen der Impfempfehlungen erfolgen
40 Mio. Dosen Influenzaimpfstoff notwendig. in der STIKO nach den methodischen Vorgaben
Durch eine Ausweitung der Impfempfehlung einer verbindlichen Standardvorgehensweise, die
auf die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik unter anderem die Aufarbeitung aller verfügbaren
Deutschland könnte es zu einer Unterversorgung Evidenz und Berücksichtigung von Ergebnissen
der Risikogruppen kommen, die besonders von mathematischer Modellierungen erfordert.8, 9
der Impfung profitieren würden und durch deren Entsprechend der STIKO Geschäftsordnung ist
Impfschutz man das Gesundheitssystem beson- im Anschluss an eine Beschlussfassung auch die
ders entlasten möchte. Entsprechend könnte Beteiligung des Gemeinsamen Bundesausschuss
sich eine Ausweitung der Empfehlung derzeit (G-BA) und anderer Akteure im Rahmen eines
sogar als kontraproduktiv erweisen. Stellungnahmeverfahrens zu gewährleisten.10
Die detaillierte Aufarbeitung der wissenschaftli-
▶▶ Die Schutzeffekte für die Gemeinschaft durch chen Evidenz nach Vorgaben der evidenzbasier-
Impfung von Nicht-Risikogruppen werden auf- ten Medizin hat im Wesentlichen zum national
grund von kontaktreduzierenden Maßnahmen und international hohen Ansehen der STIKO und
im Rahmen der COVID-19-Bekämpfung von be- zur Qualität der STIKO-Impfempfehlungen bei-
grenzter Wirkung sein.2 Dies belegen auch Daten getragen und sollte auch im Rahmen einer Pan-
der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) für den demie gewahrt werden.
Monat März 2020, die zeigen, dass die Influenza
meldungen mit Beginn der Kontaktbeschränkung ▶▶ In der Einleitung zu den STIKO-Empfehlungen
im Vergleich zu den Vorjahren sehr deutlich und hält die STIKO fest (vergl. Epid Bull 2019 (34):317):
abrupt sanken.3 „Neben den von der STIKO empfohlenen Impfungen
sind auf der Basis der existierenden Impfstoff-
▶▶ Koinfektionen durch SARS-CoV-2 und Influenza Zulassungen weitere „Impfindikationen“ möglich,
viren wurden in der Literatur beschrieben, deuten … die … für einzelne Personen, ihrer individuellen
bislang jedoch nicht auf schwerere Verlaufsfor- (gesundheitlichen) Situation entsprechend, sinnvoll
men für COVID-19 in Nicht-Risikogruppen hin, sein können. Es liegt in der ärztlichen Verantwortung,
so dass derzeit eine generelle Impfempfehlung PatientInnen auf diese weiteren Schutzmöglichkeiten
auch in Bezug auf dieses mögliche Impfziel hinzuweisen.“ Das bedeutet, dass grundsätzlich
nicht evidenzbasiert begründet werden kann.4 – 7 auch anderen Personen, die nicht explizit von
der STIKO genannt sind, eine Influenzaimpfung
▶▶ Um die Impfquoten entsprechend den STIKO- auf Basis individueller Erwägungen gegeben
Empfehlungen zu steigern, muss die Kommuni- werden kann.11
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 30
Zusammengefasst ist zum Schutz der Menschen pen gewährleisten, nicht jedoch der gesamten Be-
und zur Entlastung des Gesundheitssystems in der völkerung. Mit den zugelassenen Influenzaimpf-
kommenden Influenzasaison 2020/21 mit den ver- stoffen können auch Personen außerhalb der STIKO-
fügbaren Impfstoffmengen der größte Effekt erziel- Empfehlungen geimpft werden, jedoch sollte weiter
bar, wenn die Influenzaimpfquoten entsprechend hin der Fokus klar auf Risikogruppen für schwere
der STIKO-Empfehlungen vor allem in den Risiko- Krankheitsverläufe liegen. Dies muss auch eine
gruppen erheblich gesteigert werden. Kernbotschaft der intensivierten Informationskam-
pagne sein, die für die unbedingt notwendige Stei-
Die uns bekannten Informationen zu den voraus- gerung der Influenzaimpfquoten im Zuge der
sichtlich verfügbaren Influenzaimpfstoffmengen COVID-19-Pandemie geplant ist.
können die Versorgung der wichtigsten Zielgrup-
Zur Erfassung der SARS-CoV-2-Testzahlen werden bisher 8.586.648 Labortests erfasst, davon wurden
deutschlandweit Daten von Universitätskliniken, 249.242 positiv auf SARS-CoV-2 getestet.
Forschungseinrichtungen sowie klinischen und am
bulanten Laboren wöchentlich am Robert Koch- Bis einschließlich KW 31 haben sich 235 Labore für
Institut (RKI) zusammengeführt. Übermittelt wer- die RKI-Testlaborabfrage oder in einem der anderen
den diese über eine internetbasierte Umfrage des übermittelnden Netzwerke registriert und übermit-
RKI über Voxco (RKI-Testlaborabfrage), vom Netz- teln nach Aufruf überwiegend wöchentlich. Da Labo
werk für respiratorische Viren (RespVir), die am re in der RKI-Testzahlabfrage die Tests der vergange
RKI etablierte laborbasierte SARS-CoV-2-Surveillance nen Kalenderwochen nachmelden können, ist es
(eine Erweiterung der Antibiotika-Resistenz-Sur- möglich, dass sich die ermittelten Zahlen nachträg-
veillance (ARS)) oder die Abfrage eines labormedi- lich erhöhen. Es ist zu beachten, dass die Zahl der
zinischen Berufsverbands. Tests nicht mit der Zahl der getesteten Personen
gleichzusetzen ist, da in den Angaben Mehrfachtes-
Seit Beginn der Testungen in Deutschland bis ein- tungen von Patienten enthalten sein können (s. Tab. 1).
schließlich Kalenderwoche (KW) 31/2020 wurden
Tab. 1 | Anzahl der SARS-CoV-2-Testungen in Deutschland Tab. 2 | Testkapazitäten der übermittelnden Labore pro Tag
(Datenstand: 4.8.2020, 12.00 Uhr) und Kalenderwoche (Datenstand: 4.8.2020, 12.00 Uhr)
Epidemiologisches Bulletin 32/33 | 2020 6.8.2020 32
Zusätzlich zur Anzahl durchgeführter Tests werden zwischen 4–7 Arbeitstagen lagen, daraus resultiert
in der RKI-Testlaborabfrage und durch einen labor- eine Testkapazität von 1.167.188 durchführbaren
medizinischen Berufsverband Angaben zur täg PCR-Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 in KW 32
lichen Testkapazität abgefragt. Es gaben 149 Labore (s. Tab. 2).
in KW 31 prognostisch an, in der folgenden Woche
(KW 32) Kapazitäten für insgesamt 177.442 Tests pro In KW 31 gaben 24 Labore einen Rückstau von ins-
Tag zu haben. Alle 149 übermittelnden Labore mach- gesamt 1.274 abzuarbeitenden Proben an. 19 Labore
ten Angaben zu ihren Arbeitstagen pro Woche, die nannten Lieferschwierigkeiten für Reagenzien.
Vorgeschlagene Zitierweise
Robert Koch-Institut: Erfassung der SARS-CoV-2-Testzahlen in Deutschland (Update vom 6.8.2020).
Epid Bull 2020;32/33:31–32 | DOI: 10.25646/7075
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In der wöchentlich veröffentlichten aktuellen Statistik werden die gemäß IfSG an das RKI übermittelten Daten zu meldepflichtigen Infektions-
krankheiten veröffentlicht. Es werden nur Fälle dargestellt, die in der ausgewiesenen Meldewoche im Gesundheitsamt eingegangen sind, dem
RKI bis zum angegebenen Datenstand übermittelt wurden und die Referenzdefinition erfüllen (s. www.rki.de/falldefinitionen).
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