ein Raumvolumen von etwas mehr als 100 m3 . Lediglich wenn Frequenzen
unter 180 Hz interessieren, muss der Raum größer sein; in derartigen Fällen
ist meist aber auch das Messobjekt für einen 100 m3 großen Raum zu groß.
Für die Messgenauigkeit ist es am günstigsten, einen Raum mit schrägen
Wänden oder eingehängten Streukörpern zu benutzen und eine Nachhallzeit
von mindestens 2 s anzustreben.
Die abgestrahlte Luftschallleistung P erhält man aus dem an 5 bis 10
Punkten gemessenen Mittelwert des Schalldruckquadrats p̃2 (Effektivwert)
nach der Gleichung
V
P = 13, 8 p̃2 . (6.1)
ρ0 c20 T
Dabei sind ρ0 und c0 die Dichte und die Schallgeschwindigkeit in dem Medium,
in das die Abstrahlung erfolgt.
Setzt man hier den Schalldruck in Newton/m2 (N/m2 ), das Volumen in
m , die Nachhallzeit in s, die Dichte in kg/m3 und die Schallgeschwindigkeit in
3
m/s ein, so ergibt sich P in Watt. Für die Anwendung wesentlich bequemer
als die Angabe in Watt ist die Angabe eines sogenannten Leistungspegels.
Diese Größe ist definiert als
P
LW = 10 lg , (6.2)
P0
wobei man zweckmäßigerweise für den Bezugswert P0 = 10−12 Watt wählt.
Der Vorteil des durch (6.2) definierten Leistungspegels zeigt sich, wenn -
wie das allgemein üblich ist - der durch
p̃2
Lp = 10 lg (6.3)
p̃20
definierte Schalldruckpegel gemessen wird. Dabei ist nach internationaler Ver-
einbarung der Bezugswert für Luftschall p0 = 2 · 10−5 N/m2 .
Eine Beziehung zwischen den Bezugswerten für Leistung und Druck ergibt
sich, wenn man die von einer ebenen Luftschallwelle durch eine senkrecht
zur Wellenausbreitung stehende Fläche S übertragene Leistung betrachtet.
Bekanntlich gilt hierfür
p̃2 S
P = . (6.4)
ρ0 c0
Setzt man darin den Bezugswert für den Druck, die Fläche S = S0 = 1 m2 , so-
3
wie den für Luft bei ca. 15◦ gültigen Wert von ρ0 c0 = 400 Ns/m ein, so ergibt
−12
sich 10 Watt. Wenn die von einer Schallquelle mit dem Leistungspegel LW
ausgehende akustische Leistung durch eine Fläche von 1 m2 übertragen wird,
dann sind Leistungspegel und Schalldruckpegel also zahlenmäßig gleich. Wird
die Leistung durch eine Fläche von S[m2 ] übertragen, dann gilt entsprechend
S
Lp = LW − 10 lg . (6.5)
m2
6.1 Messung der abgestrahlten Leistung 425
so bedeutet der dritte Term gerade den Schalldruckpegel, während der zweite
Term gleich Null ist, wenn man S0 = 1m2 setzt. Der im ersten Term auftre-
tende Quotient 13, 8V /c0 T , der die Dimension einer Fläche hat, ist - wie aus
der Raumakustik bekannt - ein Viertel der sogenannten äquivalenten Absorp-
tionsfläche A (siehe z.B. Kapitel 7 in [6.36]). Setzt man also A in die letzte
Gleichung ein, so gilt
A
LW = Lp + 10 lg . (6.7)
4m2
Man kann also auch in halligen Räumen Schalldruck- und Schallleistungspe-
gel sehr leicht ineinander überführen, wenn die Schluckfläche bekannt ist. Es
sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Ausdrücke (6.6) bis (6.7) nur für Luft
bei ’normaler’ Temperatur und für die getroffene Wahl der Bezugswerte gel-
ten. Beim Wasserschall ergeben sich beispielsweise ganz andere Bezugswerte;
außerdem müsste in Wasser wegen der größeren Wellenlänge auch das Hall-
raumvolumen wesentlich höher sein.
Die Genauigkeit, mit der nach der eben beschriebenen Methode Schallleis-
tungen bestimmt werden können, hängt ab vom Volumen, der Form und der
Nachhallzeit des Hallraumes, der Anzahl der Messpunkte und insbesondere
von der Art des Geräusches. Handelt es sich um ein gleichmäßiges, breitban-
diges Geräusch, das in Terz- oder Oktavschritten gemessen wird, dann kann
man die Leistung auf etwa ±20% genau, den Leistungspegel auf etwa ±1 dB
genau messen. Handelt es sich dagegen um ein schwankendes Geräusch oder
um ein Geräusch, in dem einige Frequenzen (beispielsweise die Umdrehungs-
zahl einer Maschine oder Harmonische davon) besonders stark vertreten sind,
dann können die Messfehler um ein mehrfaches größer sein. Einzelheiten sind
genannt in der Norm EN ISO 3741 (1999): Bestimmung der Schallleistungspe-
gel von Geräuschquellen aus Schalldruckmessungen - Hallraumverfahren der
Genauigkeitsklasse 1.
426 6 Abstrahlung von Körperschall
Eine zweite Methode zur Bestimmung der von einem Körper abgestrahlten
Schallleistung beruht auf einer kleinen Modifikation von (6.6). Man muss da-
zu das Messobjekt im Freien oder in einem reflexionsarmen Raum aufstellen
und den Schalldruck p̃2n an vielen Stellen in einem Abstand R messen. Dieser
Abstand muss wesentlich größer sein als die Abmessungen des Prüfobjekts.
Die abgestrahlte Leistung wird dann aus
1 2
P = p̃n Sn . (6.8)
ρ0 c0
bestimmt. Dabei ist Sn die Teilfläche, die zu dem am n-ten Messpunkt erhal-
tenen Schalldruck p̃2n gehört. Die Summe aller Teilflächen muss die Oberfläche
einer Halbkugel oder einer Kugel mit dem Radius R ergeben, je nachdem, ob
das Messobjekt auf einer schallharten Fläche steht oder nicht. Sind also bei-
spielsweise alle N Messpunkte gleichmäßig auf einer Halbkugel verteilt, dann
gilt
2πR2 1 2
N
2πR2 2
P = p̃n = p . (6.9)
ρ0 c0 N n=1 ρ0 c0
wobei p2 das mittlere Schalldruckquadrat ist, das man eventuell auch durch
Mittelwertbildung bei einem gleichmäßig umlaufenden Mikrophon erhalten
kann.
Wie man sieht, ist die Leistungsbestimmung im Freifeld oder im schalltoten
Raum etwas umständlicher als die Hallraummessung, insbesondere wenn es
sich um eine Messung an einem Körper handelt, bei dem der Schall sehr
unregelmäßig nach den verschiedenen Richtungen abgestrahlt wird und bei
dem man demzufolge viele Messpunkte benötigt; außerdem steht sehr oft kein
reflexionsarmer Raum zur Verfügung und die Freifeldmessung hat wegen der
Witterungsabhängigkeit Nachteile.
Interessiert man sich jedoch für die Richtungsverteilung des abgestrahl-
ten Schalls, dann stellt eine Messung im Freien oder im schalltoten Raum
die einzig brauchbare Messmethode dar. Man benutzt zur Aufzeichnung der
Richtcharakteristik entweder schwenkbare Mikrophone oder man montiert das
Messobjekt auf einen Drehtisch und lässt das Richtdiagramm direkt auf einen
geeignet angekoppelten Pegelschreiber registrieren.
Seit einiger Zeit gibt es Luftschallaufnehmer, die aus zwei (gleichen) Mi-
krophonen - zur Messung des der Schnelle proportionalen Schalldruckgradien-
ten - und einer Signalverarbeitungseinheit bestehen. Sie machen es möglich,
den Schallintensitätsvektor und damit die Schallleistung direkt zu messen.
Ausgangspunkt ist die Definitionsgleichung für den Schallintensitätsvektor in
einem schubspannungsfreien Medium (Gas, Flüssigkeit)
J = p v (6.10)
(vergleiche auch Abschnitt 7.3 und 2.9.1). Aus (6.10) ergibt sich die Schall-
leistung zu
6.2 Definition und Messung des Abstrahlgrades 427
P = J dS
≈ Jn ΔSn . (6.11)
Dabei ist v der Vektor der Schallschnelle. Die Überstreichung kennzeichnet die
zeitliche Mittelwertbildung. S ist die Fläche, durch die der Leistungstransport
interessiert und dS ist der Vektor eines Flächenelements.
Meistens wird die Intensität in einer Richtung gemessen, die senkrecht zu
der interessierenden Fläche steht; in diesem Fall tritt in (6.11) einfach das
Produkt aus gemessener Intensität und dazugehöriger Fläche auf.
Die Intensitätsmessgeräte ermöglichen es - im Prinzip - Schallleistungen
und Richtcharakteristiken auch bei Anwesenheit von benachbarten Störquel-
len und in beliebiger Messumgebung (auch im Nahfeld) zu ermitteln, so dass
weder Hallfeld- noch Freifeldbedingungen erforderlich sind. Es ist allerdings zu
beachten, dass diese Aussage nur im Prinzip“ gilt, denn bei Anwesenheit von
”
Störquellen, bei ausgeprägten Reflexionen und bei starken Nahfeldern wird die
Messgenauigkeit eventuell so stark verringert, dass die Messergebnisse nicht
mehr zuverlässig sind. Einzelheiten sind in [6.1] und [6.2] geschildert.
Ein oft nicht beachtetes Problem bei der Bestimmung der Schallleistung
von Teilschallquellen besteht in der Anwesenheit benachbarter Teilschallquel-
len. Es lässt sich nämlich leicht zeigen (siehe z.B. [6.3]), dass die Schallleistung,
die nach (6.11) auf einer die interessierende Teilquelle umgebenden Hüllfläche
gemessen wird, durch kohärente, andere Schallquellen fast beliebig verändert
werden kann.
P
σ= . (6.12)
ρ0 c0 Sv 2
Dabei ist P die von einem Körper mit der Oberfläche S abgestrahlte Schall-
leistung und v 2 gibt das örtliche Mittel des Schnelle-Effektivwert-Quadrates
der strahlenden Fläche an.
Eine sehr einfache Form nimmt der Abstrahlgrad an, wenn es sich um
die Strahlung von einer konphas schwingenden ebenen Fläche (Kolbenmem-
bran) handelt, deren Abmessungen wesentlich größer sind als die Wellenlänge
im umgebenden Medium. In diesem Falle ist ein seitliches Ausweichen der
Luft nicht möglich; die Schallschnelle der Luft ist also auch außerhalb der un-
mittelbaren Nachbarschaft der strahlenden Fläche identisch mit der Schnelle
428 6 Abstrahlung von Körperschall
da sonst das Messergebnis, das ja nur die Abstrahlung vom Motorenblock er-
fassen sollte, verfälscht worden wäre [6.5]. Die Genauigkeit, mit der Abstrahl-
grade gemessen werden können, beträgt unter günstigen Umständen etwa 0,5
dB. Sie hängt hauptsächlich davon ab, wie genau das mittlere Schnellequa-
drat bestimmt werden kann. Bei homogenen, schwach gedämpften Platten,
etc. ist das meist sehr gut möglich. Man sollte dabei darauf achten, dass
der oder die Körperschallaufnehmer nicht durch Luftschall angeregt werden.
Nach Möglichkeit sollten Körperschallaufnehmer auf der leisen Seite“ ange-
”
bracht werden. Bei inhomogenen oder stark gedämpften Konstruktionen er-
geben sich oft Schwierigkeiten, da die Schnelle von Ort zu Ort eventuell sehr
stark schwankt, so dass keine genaue Mittelwertbildung möglich ist. Bei sehr
starker Dämpfung und punktförmiger Anregung kann das sogar soweit gehen,
dass eine sinnvolle Mittelung und damit die Bestimmung des Abstrahlgrades
nicht mehr möglich ist. Man sollte daher den Abstrahlgrad nur dann messen,
wenn die strahlende Fläche eine einigermaßen gleichmäßige Schnelleverteilung
besitzt.
Der Abstrahlgrad beschreibt nicht eine Eigenschaft der untersuchten Struk-
tur selbst, sondern das von der Strukturschwingung hervorgerufene Schall-
feld. Ändert sich die Schwingungsform der sonst gleichgebliebenen Struktur,
dann ändert sich auch der Abstrahlgrad. Z.B. kann der Abstrahlgrad des-
halb besonders bei dünnen Strukturen sehr stark von der Art der Anregung
(punktförmig, flächenförmig) und von den Einspannbedingungen abhängen,
wie im Abschnitt 6.6.3 noch ausführlich gezeigt wird.
430 6 Abstrahlung von Körperschall
WS
η= (6.18)
2πWK
definiert.
Dabei ist WS die pro Schwingungsperiode abgestrahlte, also für den
Körperschall verlorengegangene Energie und WK die reversible Körperschall-
energie. Zu einer etwas anderen Form von (6.18) kommt man, wenn man
berücksichtigt, dass WS gleich ist der abgestrahlten Schallleistung PS multi-
pliziert mit der Periodendauer T = 1/f (f = Frequenz). Es gilt also
PS PS
ηS = = . (6.19)
2πf WK ωWK
Für die hier hauptsächlich interessierenden Platten, Stäbe und Schalen, die
Biegeschwingungen ausführen, ist WK = m Sṽ 2 . Wenn ein Abstrahlgrad sinn-
voll bestimmt werden kann, dann erhält man zusammen mit (6.12)
ρ0 c0 Sṽ 2 σ ρ0 c0 σ
ηS = = . (6.20)
ωm Sṽ 2 ωm
Zu beachten ist, dass (6.20) für den Fall gerechnet wurde, dass die Abstrahlung
nur nach einer Seite erfolgt. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn sich
auf der Vorderseite einer Platte Luft, auf der Rückseite Vakuum befände. Für
Systeme, die vollkommen von Luft oder Wasser umgeben sind, wäre (6.20)
noch mit dem Faktor 2 zu multiplizieren.
Für die Messung des Strahlungsverlustfaktors eignen sich die im dritten
Kapitel beschriebenen Verfahren, insbesondere die Messung der Abklingzeit.
6.3 Der Strahlungsverlustfaktor 431
Der Vorteil der Messmethode ist, dass eine Bestimmung des mittleren Schnel-
lequadrats nicht notwendig ist und dass daher die Messung auch bei un-
gleichmäßiger Schnelleverteilung - etwa durch Inhomogenitäten - noch sinnvoll
ist. Eine wesentliche Voraussetzung bei der Messung des Strahlungsverlust-
faktors ist natürlich, dass die Verluste durch innere Reibung sehr gering sind.
Falls die Abstrahlung in Luft erfolgt, ist das meistens nicht der Fall, so dass
die Messung von ηs nur in Ausnahmefällen möglich ist. Anders ist es bei
der Abstrahlung in Wasser. Wegen des weit größeren Wellenwiderstandes von
Wasser ist der Strahlungsverlustfaktor wesentlich höher als in Luft (die Wel-
lenwiderstände von Luft und Wasser verhalten sich etwa wie 1:3500).
Zwei Beispiele von Strahlungsverlustfaktoren sind in Bild 6.2 eingezeich-
net. In einem Fall handelt es sich um die Wasserschallabstrahlung von ei-
ner 10 mm dicken, mit Spanten versehenen Stahlplatte, im zweiten Fall um
die Luftschallabstrahlung von einer 4 mm dicken Stahlplatte mit Versteifun-
gen. Wie man sieht, kann die Wasserschallabstrahlung auch bei relativ dicken
Platten zu einer deutlich merkbaren Dämpfung führen. Mit Hilfe des Strah-
Bei der Luftschallabstrahlung tritt dieser Fall - vom Standpunkt der Lärm-
bekämpfung aus glücklicherweise - nie ein. Bei der Wasserschallabstrahlung
ist es dagegen durchaus möglich, dass die gesamte Körperschallenergie abge-
strahlt wird.
6.4 Elementarstrahler
ξ
1
muss natürlich identisch sein mit der Schnelle des umgebenden Mediums an
der Grenzfläche r = a. Zur Berechnung des Schallfeldes soll nun also eine
Lösung der im Folgenden genannten Schallwellengleichung gefunden werden,
• die in einer von der Quelle weg sich nach außen ausbreitenden Welle be-
steht (Ausstrahlungsbedingung)
• und bei der die Normalkomponente der Schallschnelle an der Kugelober-
fläche r = a gleich der Kugelschnelle ist.
Bei Vernachlässigung der Viskosität lautet die Wellengleichung für reine
Töne mit der Kreisfrequenz ω
Δp + k02 p = 0 . (6.23)
In Kugelkoordinaten mit dem Radius r und den Winkeln ϑ und ϕ wird daraus
[6.6]
1 ∂ 2 ∂p 1 ∂ ∂p 1 ∂2p
r + sin ϑ + + k02 p = 0. (6.24)
r2 ∂r ∂r r2 sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ r2 sin2 ϑ ∂ϕ2
1 k02 a2
P = Re pvr dS = 2πa2 va2 ρ0 c0
∗
. (6.31)
2 S 1 + k02 a2
Die hier notwendige Integration ist über eine Kugeloberfläche im beliebigen
Abstand r zu erstrecken; da die Abstrahlung radialsymmetrisch erfolgt, kann
die Integration durch Multiplikation mit 4πr2 ersetzt werden.
Den Abstrahlgrad für die atmende Kugel kann man nun sofort aus (6.12)
und (6.31) ermitteln. Wenn man dabei berücksichtigt, dass in (6.12) der Ef-
fektivwert der Schnelle einzusetzen ist, so folgt
k02 a2
σ= . (6.32)
1 + k02 a2
Der Abstrahlgrad von Kugeln steigt also für k0 a 1, d.h. bei tiefen Frequen-
zen und kleinen Kugeln, mit dem Quadrat der Frequenz an und mündet dann
in den Wert σ = 1 ein.
Für das Folgende ist noch der Spezialfall der sehr kleinen Kugel, bei der
k0 a 1 ist, von großer Bedeutung. Nach (6.30) gilt für diese als Punktstrahler
bezeichnete Schallquelle
va 4πa2 −jk0 r q0 −jk0 r
p = jωρ0 e = jωρ0 e für k0 a 1. (6.33)
4πr 4πr
Dabei bedeutet q0 den sogenannten Schallfluss oder Volumenfluss, also das
Produkt aus Schnelle und Oberfläche des Strahlers.
Die Einführung des Schallflusses hat den Vorteil, dass man nun das Er-
gebnis auf Punktstrahler beliebiger Form anwenden kann. Für die Schallab-
strahlung ist es nämlich bei kleinen Quellen gleichgültig, ob sie die Form einer
Kugel, einer Ellipse oder irgendeine andere haben; entscheidend ist, welches
Volumen verdrängt wird, also wie groß q0 ist. Die übrigen Formeinflüsse spie-
len nur in einer kleinen Umgebung der wiederum sehr kleinen Quelle eine
Rolle; sie können daher ohne Bedenken vernachlässigt werden.
Eine vom prinzipiellen Standpunkt aus sehr wichtige Schallquelle ist eine di-
rekt auf ein homogenes, unbegrenztes Medium wirkende Wechselkraft. Man
6.4 Elementarstrahler 435
ξ1 p
ϑ
a sin ϑ
dS= a sin ϑ ad ϑ
2a
Bild 6.4. Abstrahlung von einer als Ganzes hin- und herbewegten, starren Kugel
gegeben. Es erscheint hier nur der Winkel ϑ, weil für alle Winkel ϕ die Bewe-
gung und der Schalldruck gleich sind.
Die weitere Vorgehensweise ist genauso wie im letzten Abschnitt. Eine
von ϕ unabhängige Lösung der Wellengleichung (6.24), die die richtige ϑ-
Abhängigkeit hat und zu nach außen fortschreitenden Wellen führt, besteht
in
1 jk0
p(r, ϑ) = C + cos ϑ e−jk0 r , (6.35)
r2 r
wie man sich durch Einsetzen in (6.24) überzeugen kann. Berechnet man dar-
aus nach (6.26) die Radialkomponente der Schnelle und wählt C so, dass an
der Kugeloberfläche diese Schnelle mit der Schnelle v1 (ϑ) der Kugeloberfläche
übereinstimmt, dann findet man
1 jk0
p(r, ϑ) = Ca + cos ϑ e−jk0 (r−a)
r2 r
(6.36)
Ca cos ϑ 2 2jk0 k02 −jk0 (r−a)
v(r, ϑ) = + 2 − e ,
jωρ0 r3 r r
mit
jωρ0 va a3
Ca = . (6.37)
2 + 2jk0 a − k02 a2
436 6 Abstrahlung von Körperschall
Dabei ist mi = ρ0 4πa3 /3 die Fluid-Masse im Inneren der Hohlkugel mit dem
Radius a; ba bedeutet deren Beschleunigung. Der Schalldruck p(a, ϑ) auf der
Kugeloberfläche erzeugt auf dem Flächenelement dS eine Kraftkomponente
p(a, ϑ) cos ϑdS in Richtung der Kugelbewegung (siehe auch Bild 6.4). Die
gesamte Kraft erhält man durch Integration dieser Kraftkomponente über
die Kugeloberfläche S. Berücksichtigt man nun, dass in Zeigerschreibweise
ba = jωva gilt und setzt (6.35) in (6.40) ein, so erhält man für kleine Kugeln
π
4πa3 jωρ0 va a3 1
F0 = jωρ0 va + cos2 ϑ 2πa2 sin ϑ dϑ
3 2 a2
0 (6.41)
4πa3 2πa3
= jωρ0 va + = jωρ0 va a3 2π = jωva (mi + ma ).
3 3
Hier wurde k0 a 1 angenommen; d.h. alle Glieder mit k0 in (6.36) sind ver-
nachlässigt. Das bedeutet, dass für die Gültigkeit von (6.41) der Kugelradius
kleiner als ein Sechstel der Schallwellenlänge sein muss.
Wie (6.41) zeigt, wirkt sich die Rückwirkung des Schalldrucks - also das
Integral in (6.41) - so aus wie eine zusätzliche, von der äußeren Kraft zu
bewegende Masse der Größe ma . Im vorliegenden Fall der Kugel ist diese
sogenannte hydrodynamische Masse (oder mitbewegte Masse, englisch added
mass oder entrained mass) gerade halb so groß wie die von der Hohlkugel
umschlossene Mediummasse. Für eine kleine Scheibe mit der Dicke h und mit
dem Radius a beträgt sie
8 h
ma = ρ0 a3 1 − (4 − π) . (6.42)
3 8a
Aus (6.41) folgt jωρ0 va a3 = F0 /2π. Setzt man das in (6.36) ein, so erhält
man für k0 a 1
F0 1 jk0
p(r, ϑ) = + cos ϑ e−jk0 (r−a)
4π r2 r
(6.43)
F0 cos ϑ 2 2jk0 k02 −jk0 (r−a)
v(r, ϑ) = + − e .
4π jωρ0 r3 r2 r
ω 2 F02
P = . (6.44)
24πρ0 c30
438 6 Abstrahlung von Körperschall
Ähnlich wie die eben behandelten Kugelstrahler stellt auch die zu Transver-
salschwingungen angeregte unendlich große Platte einen Idealfall dar, der es
gestattet, durch geeignete Summation bzw. Integration die Abstrahlung von
komplizierteren Systemen zu berechnen.
Betrachtet wird zunächst der einfachste Fall. Er besteht aus der in Bild
6.5 skizzierten unendlich ausgedehnten Platte, deren Schnelle überall durch
zu machen. Vom Ansatz für den Schalldruck muss wie oben verlangt werden,
dass er eine Lösung der Wellengleichung (6.23) darstellt und dass die aus
(6.46) berechnete Normalkomponente der Schallschnelle an der Grenzfläche
y = 0 mit der Plattenschnelle übereinstimmt. Durch Einsetzen des Ansaztes
(6.46) in die Wellengleichung (6.23) (in kartesischen Koordinaten) erhält man
2
p0 (−kB − ky2 )e−jkB x e−jky y + p0 k02 e−jkB x e−jky y = 0.
ky2 = k02 − kB
2
(6.47)
ωρ0 v0 ρ0 c0 v0 k0
p0 = = . (6.49)
ky ky
Der Schalldruck im Halbraum vor der Platte ist also durch
ρ0 c0 v0 √
−jkB x −j k02 −kB
2 y
p(x, y) =
2 2
e e (6.50)
1 − kB /k0
gegeben.
Man kann (6.50) noch etwas anschaulicher machen, indem man den Winkel
ϑ einführt, unter dem der Schall abgestrahlt wird. Dieser Winkel muss so be-
schaffen sein, dass Plattenschwingung und Schallwelle dieselbe x-Abhängigkeit
haben; es muss also die Spur“, die die Schallwelle hinterlässt, die Wellenlänge
”
der Platte haben. Wie man aus Bild 6.5 sieht, liegt diese Spurgleichheit gerade
dann vor, wenn λ0 /λB = sin ϑ, also kB /k0 = sin ϑ ist. Mit ky = k0 cos ϑ nach
(6.47) gilt also
ρ0 c0 v0 −jkB x −jk0 y cos ϑ
p(x, y) = e e für λB > λ0 . (6.51)
cos ϑ
Diese Schreibweise hat jedoch nur dann Sinn, wenn die Schallwellenlänge λ0
kleiner ist als die Wellenlänge λB der Wandschwingung. Ist das nicht der
Fall, dann erfolgt keine ’echte’ Abstrahlung. Stattdessen ergibt sich ein mit
wachsender Entfernung von der Wand exponentiell abnehmender Schalldruck,
für den nach (6.50) gilt
jρ0 c0 v0 −jkB x −√kB
2 −k 2 y
p(x, y) = 2 e e 0 für λB < λ0 (6.52)
kB
k2
− 1
0
Es sind also bei der Abstrahlung von der unendlich großen Platte zwei von-
einander grundsätzlich verschiedene Phänomene zu unterscheiden:
• Ist die Wellenlänge der Wandschwingung größer als die Wellenlänge im
umgebenden Medium, dann wird eine ebene Schallwelle abgestrahlt, de-
ren Richtung durch das Verhältnis der Wellenlängen gegeben ist. Platten-
schnelle und Schalldruck in unmittelbarer Umgebung sind in Phase. Wie
eine einfache Rechnung zeigt beträgt der Abstrahlgrad
1 k0
σ= =
2 2
für kB < k0 d.h. λB > λ0 . (6.53)
cos ϑ k0 − kB
• Ist die Wellenlänge der Wandschwingungen dagegen kleiner als die Wel-
lenlänge im umgebenden Medium, dann bildet sich ein Nahfeld aus, das um
so schneller abklingt, je größer der Unterschied der beiden Wellenlängen
ist. Plattenschnelle und Schalldruck sind um 90◦ phasenverschoben, es
wird also keine Schallleistung abgestrahlt. Der Abstrahlgrad ist Null (sie-
he Bild 6.6). Die Abnahme des Schalldrucks im Nahfeld erfolgt sehr rasch.
Beispielsweise ist für λB = 0, 7λ0 der Schalldruck bereits auf 20% des Aus-
gangswertes (d.h. um 14 dB) abgesunken, wenn die Entfernung von der
440 6 Abstrahlung von Körperschall
4.5
3.5
Abstrahlgrad σ
2.5
1.5
0.5
0
0 1 2 3 4 5
k0/kB = λB/λ0
Ähnlich wie bei der oszillierenden Kugel ist auch hier die tangentiale Be-
wegung - die auf der Platte und unmittelbar davor eventuell verschieden ist
- unberücksichtigt geblieben. Auch hier machen sich nämlich die für die tan-
gentialen Kräfte in der Grenzschicht wirksamen Zähigkeitseffekte nur in einer
sehr dünnen Schicht bemerkbar (siehe (6.39)).
Von der bisher ausgeschlossenen Stelle kB = k0 , an der die beiden
Wellenlängen übereinstimmen, würde nach der Theorie der Abstrahlwinkel
ϑ = 90◦ und damit der Schalldruck beliebig groß. In der Praxis bleibt der
Schalldruck natürlich endlich, da auch die Fläche endlich ist und da zudem
an dieser Stelle die Belastung der schwingenden Fläche so groß ist, dass es
gar nicht möglich wäre, die notwendige Schwingungsform herzustellen [6.8].
Es bleibt jedoch die Tatsache bestehen, dass die Abstrahlung groß wird. Von
diesem Effekt wird bei manchen Wasserschallstrahlern Gebrauch gemacht.
Derartige Strahler, bei denen der erforderliche Schnelleverlauf der strahlen-
den Fläche durch entsprechende Wandler erzeugt wird, strahlen eine sehr hohe
Schallenergie ab, die stark gebündelt, fast streifend austritt.
6.4 Elementarstrahler 441
Interessant ist auch der Unterschied der Bewegung der Luftteilchen bei
Nahfeld- und Fernfeldabstrahlung. Während die Luftteilchen für λB > λ0
entlang einer Geraden hin- und herschwingen, deren Richtung mit der Schal-
laustrittsrichtung zusammenfällt, sind für λB < λ0 die x- und y-Komponente
der Schnelle, die sich aus (6.52) zu
jkB v0 √ 2 2
−jkB x − kB −k0 y
vx =
2 e e
kB − k02
und zu √ 2 2
vy = v0 e−jkB x e− kB −k0 y (6.54)
◦
ergeben, um 90 phasenverschoben. Die Bewegungen der Luftteilchen bilden
also im allgemeinen Ellipsen, wie sie in Bild 6.7 skizziert sind. Diese Ellipsen-
bewegung lässt sich auch so deuten, dass die Luftteilchen einer Kompression
- wie sie zur Entstehung einer Schallwelle notwendig ist - dadurch entgehen,
dass sie seitlich ausweichen, so dass nur eine Luftverschiebung von Wellenberg
zu Wellental übrig bleibt (hydrodynamischer Kurzschluss).
6.4.4 Zylinderstrahler
Für die Bestimmung der Abstrahlung von schwingenden Rohren oder ähn-
lichen Gebilden ist es hilfreich, die Abstrahleigenschaften von Zylindern zu
kennen. Dazu wird als einfache Idealisierung ein unendlich langer Zylinder
442 6 Abstrahlung von Körperschall
betrachtet, der auf seiner ganzen Länge konphase Schwingungen der Kreisfre-
quenz ω und der örtlichen Verteilung
Die zu lösende Aufgabe besteht also wieder darin eine Funktion zu finden,
• die der Wellengleichung in Zylinderkoordinaten, also
1 ∂ ∂p 1 ∂2p
r + 2 + k02 p = 0 (6.56)
r ∂r ∂r r ∂ϕ2
genügt,
• die zu Wellen führt, die für große Abstände die Form
1
p ∼ √ e−jk0 r für r → ∞ (6.57)
r
haben, also zu nach außen wandernden Zylinderwellen führen (analog zu
(6.27)) und
• die an der Zylinderoberfläche r = a die Randbedingung
j ∂p
v(ϕ) = | (6.58)
ωρ0 ∂r r=a
erfüllen (analog zu (6.26)).
Wie man entsprechenden Lehrbüchern entnehmen kann (siehe z.B. [6.6]),
werden die drei Forderungen durch
jρ0 c0
p(r, ϕ) = −vn (2)
cos nϕHn(2) (k0 r)
Hn (k0 a)
mit
cos nϕ
v(r, ϕ) = vn (2)
Hn(2) (k0 r) (6.59)
Hn (k0 a)
(2)
erfüllt. Dabei ist Hn (k0 r) die Hankelfunktion zweiter Art und n-ter Ordnung.
(2)
Hn (k0 a) bildet die Ableitung dieser Funktion nach dem Argument k0 r. Die
Hankelfunktionen sind komplexwertige Funktionen, die wie folgt durch Real-
und Imaginärteile ausgedrückt werden können:
n=0
1
2
0.5 3 4
5 6
J (x)
n
−0.5
0 2 4 6 8 10
x
0.6 n=0
1
2
0.4 3 4 5 6
0.2
0
Nn(x)
−0.2
−0.4
−0.6
−0.8
−1
−1.2
0 2 4 6 8 10
x
Wie man an der Näherung (6.62) erkennt (siehe auch die grafischen Dar-
stellungen), beschreiben die Hankelfunktionen im Prinzip radial
√ nach außen
laufende Wellen, deren Amplituden umgekehrt proportional zu r abnehmen.
Sie besitzen außerdem einen Pol in r=0, dessen Ordnung mit der Ordnung
der Hankelfunktion übereinstimmt. Die Hankelfunktion der Ordnung n = 0
(mit einem logarithmischen Pol) wurde schon in Abschnitt 4.3.3 benutzt.
Die abgestrahlte Leistung kann man z.B. aus dem Schalldruck im Fernfeld
(also aus (6.59) mit der Näherung (6.62)) nach der Gleichung
2π
1 1 ρ0 c0 |vn |2
P = |p(r, ϕ)|2 rdϕ = 2 (6.63)
2 ρ0 c0 0 (2)
εn k0 Hn (k0 a)
gegeben. Der sich ergebende Abstrahlgrad ist identisch mit (6.64), wenn man
k0 durch die radiale Wellenzahl
kr = k02 − kz2 (6.66)
ersetzt, falls kr reell, also k0 > kz ist. Falls kr imaginär, also k0 < kz , gilt
σn = 0. In Bild 6.10 ist der Frequenzverlauf des Abstrahlgrades für die Schwin-
gungsmoden eines sehr langen Zylinders aufgetragen. Untersucht man die Kur-
ven in Bild 6.10 und die ihnen zugrunde liegenden Formeln etwas genauer,
dann stellt man folgende Eigenschaften und Tendenzen fest:
• Wenn λz < λ0 , wenn also die Wellenlänge der Zylinderschwingung in axia-
ler Richtung kleiner ist als die Wellenlänge λ0 im umgebenden Medium,
dann ist σ = 0. Es liegt also ähnlich wie bei der Platte (siehe Bild 6.6
und 6.7) ein hydrodynamischer Kurzschluss“ mit einem Nahfeld ohne
”
Leistungsabgabe vor.
6.4 Elementarstrahler 445
10
5
n=0
Abstrahlmaß 10 lg(σn) 0
−5 1
2
3
−10 4
5
6
−15 7
8
9
−20 10
11
12
−25 13
14
−30
−35
−40
0 2 4 6 8 10
kr a
• Wenn λ0 < 2πa/n und λ0 < λz (d.h. kr a > n), wenn also sowohl die
axiale Wellenlänge λz als auch die Umfangswellenlänge“ 2πa/n größer
”
ist als die Wellenlänge im umgebenden Medium, dann liegt eine relativ
starke Abstrahlung
√ mit σ = 1 vor. Der Höchstwert wird bei kr a ≈ n mit
σmax ≈ n erreicht.
• Wenn λ0 > 2πa/n und λ0 < λz (d.h. kr a < n), wenn also die Umfangs-
”
wellenlänge“ 2πa/n kleiner ist als λ0 , dann gibt es auch in Umfangsrich-
tung einen hydrodynamischen Kurzschluss. Dieser Kurzschluss“ ist aber
”
wegen der gekrümmten Zylinderoberfläche nicht vollständig (wie das bei
einer ebenen Platte der Fall ist). Es verbleibt ein kleiner Abstrahlgrad für
den näherungsweise
⎧π
⎪
⎨ 2 kr a für n = 0 und kr a < 0, 5
σn = k0 4π kr a 2n+1 (6.67)
⎪
⎩ für n = 1, 2, 3, . . . und kr a < n/2.
kr (n!)2 2
gilt. Je größer n, desto schneller nimmt also der Abstrahlgrad mit sin-
kender Frequenz ab. Die Bilder 6.11 bis 6.14 geben einen Eindruck vom
Schallfeldverlauf in der Nähe eines Zylinders.
Die für eine Knotenzahl 2n und eine axiale Wellenzahl geltenden Formeln
(6.55)-(6.67) lassen sich auf beliebige Schnelleverteilungen auf der Zylindero-
berfläche erweitern, weil die beiden Ortsfunktionen
cos nϕ und e−jkz z
sowohl die Oberflächenschnelle als auch den Schalldruck in einem beliebigen
Abstand beschreiben. Das bedeutet, dass man die pro Mode (also für gegebene
446 6 Abstrahlung von Körperschall
Bild 6.11. Schallfeld in der Nähe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung
durch cosinusförmige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 0 (links) und n = 1
(rechts).
Bild 6.12. Schallfeld in der Nähe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung
durch cosinusförmige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 2 (links) und n = 3
(rechts).
Werte von n und kz ) abgestrahlten Leistungen addieren kann. Hat also die
Schnelleverteilung auf einer Zylinderoberfläche die Form
v(ϕ, z) = [vcn (kzm ) cos nϕ + vsn (kzm ) sin nϕ]e−jkzm z , (6.68)
n, m
Bild 6.13. Schallfeld in der Nähe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung
durch cosinusförmige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 4 (links) und n = 5
(rechts).
Bild 6.14. Schallfeld in der Nähe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung
durch cosinusförmige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 6 (links) und n = 7
(rechts).
für die kleinen Werte von n sehr genau erfolgen muss, weil es vorkommen kann,
dass hinsichtlich der Schallabstrahlung eine sehr stark schwingende Mode mit
großen n und sehr kleinem Abstrahlgrad σn von einer nur schwach angeregten
Mode mit kleinem n und σn ≈ 1 vollkommen verdeckt wird.
6.4.5 Impulsschallquellen
Bei den bisherigen Rechnungen zur Schallabstrahlung wurde immer von rein
harmonischen Vorgängen mit der Kreisfrequenz ω ausgegangen. Mit Hilfe
der Fouriertransformation lassen sich auf ähnliche Weise auch beliebige Zeit-
verläufe behandeln.
Liegt beispielsweise ein Volumenfluss mit beliebigem Zeitverlauf q0 (t) vor,
dann gilt für das Spektrum und dessen Rücktransformation
448 6 Abstrahlung von Körperschall
∞ ∞
−jωt 1
Q0 (ω) = q0 (t)e dt, q0 (t) = Q0 (ω)ejωt dω. (6.70)
2π
−∞ −∞
Falls es sich um eine kompakte Quelle handelt, bei der im ganzen interessieren-
den Bereich k0 1 gilt, dann ergibt sich das Spektrum p(ω) des abgestrahlten
Schalldrucks nach (6.33) zu
ρ0
p(ω) = jωQ0 (ω)e−jk0 r . (6.71)
4πr
Für die Rücktransformation muss man berücksichtigen, dass die Differentia-
tion von (6.70) nach der Zeit den Ausdruck
∞
dq0 (t) 1
= jωQ0 (ω)ejωt dω
dt 2π
−∞
ergibt. Man kann also für den Zeitverlauf des Schalldrucks im Abstand r
schreiben
∞ ∞
1 ρ0 1
p(r, t) = p(ω)e jωt
dω = jωQ0 (ω)ejω(t−r/c0 ) dω
2π 4πr 2π
−∞ −∞ (6.72)
ρ0 dq0 (t − r/c0 )
= .
4πr dt
Dabei wurde noch ωt − k0 r = ω(t − r/c0 ) benutzt.
Ganz analog liefert (6.42) für das Spektrum des von einer kleinen Kraft-
quelle abgestrahlten Schalldrucks
cos ϑ 1 jω
p(r, ϑ, ω) = F0 (ω) + e−jk0 r . (6.73)
4πr r c0
Daraus wird nach Rücktransformation, weil die Multiplikation mit jω wieder
einer Ableitung nach der Zeit entspricht,
cos ϑ 1 1 d
p(r, ϑ, t) = F0 (t − r/c0 ) + F0 (t − r/c0 ) . (6.74)
4πr r c0 dt
Für die von einer kleinen (kompakten) Volumenquelle oder einer Kraftquelle
abgestrahlte Leistung folgt aus (6.72) oder (6.74) nach Integration über eine
große Hüllfläche
2
1 ρ0 dq0 (t)
Volumenquelle: Pq =
4π c0 dt
(6.75)
2
1 1 dF0 (t)
Kraftquelle: PF = .
12π ρ0 c30 dt
6.4 Elementarstrahler 449
Aus (6.72), (6.74) und (6.75) kann man die für die Geräuschbekämpfungs-
praxis sehr wichtige allgemeine Schlussfolgerung ziehen, dass für die Erzeu-
gung von Schall nicht so sehr die Menge des bewegten Volumens oder die
Größe der anregenden Kraft von Bedeutung ist, sondern deren zeitliche Ab-
leitung. Es kommt also hauptsächlich auf die Plötzlichkeit an, mit der sich
Volumenfluss und Kraft ändern. Man sollte daher stets bestrebt sein, durch
entsprechende Formgebung oder durch Einbau von nachgiebigen Schichten die
Volumen- bzw. Kraftänderung um die wenigen Millisekunden zu verlängern,
die notwendig sind, um speziell die meist besonders störenden hochfrequenten
Geräuschanteile zu verringern.
Ein interessanter impulsartiger Schallentstehungsmechanismus ist das so-
genannte Beschleunigungsgeräusch. Man versteht darunter das Schallsignal
das entsteht, wenn ein Körper - ohne deformiert zu werden - plötzlich von
einer gegebenen Geschwindigkeit abgebremst wird oder auf diese Geschwin-
digkeit beschleunigt wird. Als Repräsentanten einer solchen Schallquelle sei
eine starre Kugel betrachtet, die innerhalb der kurzen Zeit Δt von der Ge-
schwindigkeit U0 zur Ruhe gebracht wird. Der entsprechende Zeitverlauf und
die Formel für das dazugehörige Spektrum sind in Bild 4.25 enthalten. Man
muss lediglich FS durch U0 ersetzen.
Setzt man die angegebene Formel für das Geschwindigkeitsspektrum in
(6.36) ein, so erhält man im Fernfeld (also für 1/r2 k0 /r) das Spektrum
des Schalldrucks
a k02 a2
p(r, ϑ, ω) = −ρ0 c0 va cos ϑ e−jk0 (r−a)
r 2 + 2jk0 a − k02 a2
mit
U0 sin(ωΔt/2)
|va | = . (6.76)
ω ωΔt/2
Weil die Angabe einer Leistung für einen einmaligen Vorgang wenig Sinn
macht, sei die bei dem Abbremsvorgang erzeugte Schallenergie berechnet.
Dabei geht man genau so vor wie in (4.196) bei der Berechnung der von einem
Schlag verursachten Körperschallenergie. Man muss lediglich die Kraft durch
das Oberflächenintegral des Drucks ersetzen. Man erhält so für die Größe der
beim plötzlichen Abbremsen erzeugten Schallenergie
∞ ∞
1 1
EB = p(r, ϑ, t)vr (r, ϑ, t)dtdS = |p(r, ϑ, ω)|2 dωdS .
2π ρ0 c0
S −∞ S −∞
(6.77)
Setzt man hier (6.76) ein, so ergibt sich nach Integration über die Flächenele-
mente dS = 2π r sin ϑ r dϑ für die spektrale Dichte der Schallenergie
π 1 2πa3 2 1
EB = ρ0 a3 U02 = ρ0 U0 = ma U02 . (6.79)
3 2 3 2
Dabei ist ma die in (6.41) definierte mitbewegte (hydrodynamische) Masse.
Bild 6.15. Beschleunigungsgeräusch für eine Kugel mit dem Radius a und der
Beschleunigungszeit Δ. Spektrale Energieverteilung LE (ω) = 10 log dEωB ca0 (a),
Gl.(6.79) liefert also das bemerkenswert einfache Ergebnis, dass die ab-
gestrahlte Schallenergie bei einem extrem kurzen Beschleunigungs- oder Ab-
bremsvorgang gleich der kinetischen Energie der mitbewegten Masse ist. Falls
die mitbewegte Masse bekannt ist, lässt sich (6.79) auf nicht kugelförmige
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 451
Körper erweitern. Für eine dünnen Scheibe mit dem Radius a und der Dicke
h beispielsweise kann man näherungsweise die für die Anwendung von (6.79)
erforderliche Masse nach (6.42) abschätzen.
Setzt man in (6.79) die ungefähren Daten eines Schmiedehammers ein,
also V ≈ 2 · 10−2 m3 , ρ0 = 1, 2kg/m3 , ma = 0, 024 kg, U0 = 14 m/s, so findet
man EB = 2, 4Ws pro Schlag.
Bei zwei Schlägen pro Sekunde entspricht das einem gemittelten Leistungs-
pegel von 127 dB. Das ist zwar wesentlich weniger als der Leistungspegel der
durch den Schlag zu Schwingungen angeregten Schmiedehammerbauteile, aber
es ist doch nicht so wenig, wie man gefühlsmäßig erwarten würde. Relativ ho-
he Werte nimmt das Beschleunigungsgeräusch auch beim Türenschlagen an.
Aber auch da dürfte es noch weit unter der Abstrahlung von Schwingungen
des Türblatts und des Türstocks liegen.
Zunächst wird eine sehr kleine Volumenquelle in einer großen Wand betrach-
tet. Der von ihr erzeugte Schalldruck im Abstand r vor der Wand beträgt
nach (6.33)
q0 −jk0 r
p = jωρ0 e . (6.80)
2πr
Dabei ist die Totalreflexion an der Wandfläche berücksichtigt worden; diese
bewirkt eine Verdopplung des Druckes. Es ist hier wieder unerheblich, ob es
452 6 Abstrahlung von Körperschall
sich um eine halbkugelförmige Quelle oder um eine andere sehr kleine Quel-
le der Fläche S handelt. Entscheidend ist der Volumenfluss q0 = Sv0 . Hat
man nun nicht nur eine sondern mehrere Punktschallquellen - ein Fall der
bei Lautsprecherzeilen oder bei Strahlergruppen von Sonargeräten auftritt -,
dann braucht man nur die von den einzelnen Quellen erzeugten Schalldrücke
zu addieren, um den Gesamtschalldruck zu erhalten. Es gilt also nach Bild
6.16
jωρ0 q1 −jk0 r1 q2 −jk0 r2 jωρ0 qn −jk0 rn
p= e + e + ... = e . (6.81)
2π r1 r2 2π rn
Es ist nun nur mehr ein kleiner Schritt zur Berechnung der Abstrahlung von
einer ebenen Fläche mit kontinuierlicher Schnelleverteilung. Jedes Flächenele-
ment dS mit der Schnelle v(S) kann nämlich als eine Punktschallquelle mit
dem Volumenfluss dq(S) = v(S)dS betrachtet werden. Durch ’Summation’
über alle Flächenelemente der strahlenden Gesamtfläche S aus (6.81) erhält
man
jωρ0 v(S) −jk0 r
p= e dS (6.82)
2π S r
(wobei natürlich die Summation durch die Integration über die Strahlerfläche
S zu ersetzen war). Gl.(6.82) gibt das berühmte Strahlungsintegral von Lord
Rayleigh wieder.
Will man mit Hilfe von (6.82) die Richtungsverteilung im Fernfeld berech-
nen, dann empfiehlt es sich, wie in Bild 6.16 die Koordinaten des Aufpunktes
x, y, z in Kugelkoordinaten mit dem Ursprung möglichst in der Mitte“ des
”
Strahlers anzusetzen. Es gilt dann
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 453
Die y-Achse steht senkrecht auf der Strahlerebene y=0 (Bild 6.16). Mit ϑ
ist der Winkel zwischen der y-Achse und der Verbindungslinie zwischen dem
Koordinatenursprung und dem Aufpunkt bezeichnet. Der Winkel ϕ liegt in
der Ebene y = 0, er zählt relativ zur positiven z-Achse. Bezeichnet man nun
einen beliebigen Quellpunkt mit den Koordinaten (xq ,zq ), dann gilt für den
Abstand zwischen Quellpunkt und Aufpunkt
1/2
r = (x − xq )2 + y 2 + (z − zq )2
1/2
xq zq x2q + zq2
= R 1 − 2 sin ϑ sin ϕ − 2 sin ϑ cos ϕ + (6.84)
R R R2
≈ R − xq sin ϑ sin ϕ − zq sin ϑ cos ϕ + (x2q + zq2 )/2R.
k0 2 x2q + zq2
(xq + zq2 ) = π1 (6.86)
2R Rλ0
voraussetzt, dann lautet die sogenannte Fernfeldnäherung
jωρ0 −jk0 R
p(R, ϑ, ϕ) = e v(xq , zq )ejk0 sin ϑ(xq sin ϕ+zq cos ϕ) dxq dzq . (6.87)
2πR
S
Sie setzt voraus, dass die drei Bedingungen (Lmax = größte Strahlerabmes-
sung)
R >> Lmax , (6.88)
R >> λ0 (6.89)
und
R Lmax
>> (6.90)
Lmax λ0
alle gleichzeitig erfüllt sein müssen. Die erste Bedingung ist dabei rein geo-
metrischer Natur. Wenn man von einem festen Mittelpunktsabstand R (z.B.
bei Fernfeldmessungen) ausgeht, dann wird Gl.(6.89) bei fallender Frequen-
zen ab einer gewissen Grenze verletzt. Gl.(6.90) dagegen wird bei steigender
454 6 Abstrahlung von Körperschall
Frequenz nicht mehr erfüllt. Insgesamt sind also die Fernfeldbedingungen bei
festem Abstand R nur innerhalb eines gewissen Frequenzbandes erfüllt. Bei
Schallquellen, die viele Wellenlängen groß sind, wird man eventuell zu großen
Werten von R gehen müssen um in das Fernfeld bezüglich der Richtcharakte-
”
ristik“ zu kommen. Wie man zeigen kann (siehe [6.35], Kapitel 3), ist die Richt-
charakteristik eines Strahlers nur im Fernfeld vom Abstand R unabhängig; sie
kann bei kleineren Abständen ihren Verlauf über dem Umfangswinkel ändern.
Man beachte auch, dass im normalen Sprachgebrauch das Wort Fernfeld
in zwei unterschiedlichen Bedeutungen benutzt wird. Entweder wird darunter
das Gebiet außerhalb des hydrodynamischen Nahfeldes (siehe Abschnitt 6.4.3)
oder das durch (6.86) definierte Gebiet verstanden.
Unter den in (6.88) bis (6.90) genannten Einschränkungen erlaubt Gl.(6.87)
die relativ einfache Berechnung der Richtungsverteilung des abgestrahlten
Schalls in großen Entfernungen. Einige Ergebnisse, die man aus (6.87) er-
halten kann, sind im Folgenden genannt.
6.5.1.1 Kolbenmembran
mit
a
u1 = sin ϑ sin ϕ
λ0
und
b
u2 = sin ϑ cos ϕ .
λ0
Die Richtcharakteristik ergibt sich also durch das Produkt von Ausschnit-
ten aus der sogenannten ’Spaltfunktion’ sin πu/πu, wobei die Ausschnitte die
Intervalle |u1 | ≤ a/λ0 und |u2 | ≤ b/λ0 umfassen. Die Spaltfunktion ist in Bild
6.17 angegeben, eine daraus resultierende Richtcharakteristik zeigt Bild 6.18.
Die Abstrahlung erfolgt im Wesentlichen in Richtung der Mittelsenkrech-
ten. Sie ist umso stärker gebündelt, je größer die Verhältnisse aus Strahlerab-
messungen und der Wellenlänge, a/λ0 und b/λ0 , sind. Wenn es sogenannte
Seitenkeulen in der Richtcharakteristik gibt, liegen ihre Nullstellen bei ganz-
zahligen Werten von u1 =1,2,3,... u2 =1,2,3,... . Falls die Seitenkeulen weniger
ausgeprägt sein sollen, muss die Strahlerschnelle von der Mitte zu den Rändern
hin allmählich abnehmen (siehe dazu z.B. auch [6.35], Kapitel 3).
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 455
−5
−10
−15
2
10 lg (sin(πu)/πu)
−20
−25
−30
−35
−40
−45
−50
−5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5
u
90°
0
−10
dB 45°
−20
−30 ϑ
−40
−50 0°
−40
−30
−20
−10 −45°
0
−90°
Bild 6.18. Richtcharakteristik in der Ebene ϕ=0, für b/λ0 =2,5 gerechnet.
456 6 Abstrahlung von Körperschall
Für eng benachbarte Quellen mit a/λ0 1 und b/λ0 1 wird sin πα =
sin πβ = 1. Eine enge Gitteranordnung liefert also wegen des hydrodynamischen
Kurzschlusses den Schalldruck
ωρ0 q0 ωρ0 q0
|p(x, y, z)| = | sin N πα|| sin M πβ| ≤ , (6.94)
2πR 2πR
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 457
der nicht mehr als der Druck einer einzelne Teilquelle beträgt. Falls jedoch die
Abstände zwischen zwei Quellen größer als eine halbe Wellenlänge sind, ad-
dieren sich die von den einzelnen Teilquellen erzeugten Schalldrücke eventuell
zu beträchtlichen Werten. Der Maximalwert
ωρ0 q0
|p|max = NM; (6.95)
2πR
tritt für α = β = 0 auf. Er entspricht also der gleichphasigen Summe der von
den Einzelstrahlern erzeugten Schalldrücke.
Der zu (6.95) gehörige Abstrahlwinkel ergibt sich einfach daraus, dass
die am Aufpunkt ankommenden Schallwellen gerade einen Phasenunterschied
von 360◦ (180◦ durch die Gegenphasigkeit der Quellen und 180◦ durch die
Laufzeitdifferenz) haben und sich deswegen konstruktiv überlagern. Die Bilder
6.20 bis 6.22 zeigen einige Beispiele von gerechneten Richtcharakteristiken.
Dargestellt ist die Richtungsfunktion sin(N πα)/(N sin πα) für ϕ=90◦ .
90° 90°
0 0
−10 −10
dB 45° dB 45°
−20 −20
−30 ϑ −30 ϑ
−40 −40
−50 0° −50 0°
−40 −40
−30 −30
−20 −20
−10 −45° −10 −45°
0 0
−90° −90°
6.5.1.3 Membranschwingungen
Bei einer Kreismembran mit dem Radius a kann man eine rotationssymme-
trische Schwingungsverteilung durch eine Summe von Funktionen der Form
90° 90°
0 0
−10 −10
dB 45° dB 45°
−20 −20
−30 ϑ −30 ϑ
−40 −40
−50 0° −50 0°
−40 −40
−30 −30
−20 −20
0 0
−90° −90°
90° 90°
0 0
−10 −10
dB 45° dB 45°
−20 −20
−30 ϑ −30 ϑ
−40 −40
−50 0° −50 0°
−40 −40
−30 −30
−20 −20
−10 −45° −10 −45°
0 0
−90° −90°
ausdrücken. Dabei ist v0 die Amplitude in der Mitte (rM = 0) und J0 die
Besselfunktion nullter Ordnung (siehe auch Bild 6.8), rM der Abstand eines
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 459
jωρ0 a2 v0 −jk0 R a a
p(R, ϑ) = e Γ ( sin ϑ, ) (6.98)
R λ0 λM
mit der darin enthaltenen Richtungsfunktion
a a γM J0 (γ0 )J1 (γM ) − γ0 J0 (γM )J1 (γ0 )
Γ( sin ϑ, )= 2 − γ2 . (6.99)
λ0 λM γM 0
Sie gibt über Größe und Umfangsverteilung des Schalldrucks Auskunft. Zur
Abkürzung ist noch
a
γ0 = k0 a sin ϑ = 2π sin ϑ
λ0
und
a
γM = kM a = 2π
λM
benutzt worden.
Zur Veranschaulichung des sich aus (6.98) ergebenden Schalldrucks sind in
den Bildern 6.23 und 6.24 die Richtcharakteristiken für vier Fälle aufgetragen.
Ähnlich wie bei der unendlichen Platte und bei der Gitteranordnung ist
die Abstrahlung für Luftschallwellenlängen λ0 , die kleiner sind als die Mem-
branwellenlänge λM , ziemlich hoch und stark gebündelt. Die Richtung der
Hauptabstrahlung liegt ganz in der Nähe der Stelle, an der der Nenner in
(6.99) verschwindet, also bei sin ϑ ≈ λ0 /λM . Interessant ist noch, dass der
abgestrahlte Schalldruck für λM /λ0 >1 (Bild 6.23) relativ unabhängig davon
ist, ob die Schnelle der Membran einen Knoten oder einen Bauch am Rande
aufweist. Es werden zwar die einzelnen Nebenmaxima der Richtcharakteristik
etwas verschoben, aber sonst sind die beiden Diagramme in Bild 6.23 sehr
ähnlich.
Ganz anders ist das bei den beiden unteren Bildern, die für λM /λ0 = 0, 5
gerechnet wurden, also für eine Luftschallwellenlänge, die größer ist als die
460 6 Abstrahlung von Körperschall
90° 90°
−40 −40
−50 −50
dB 45° dB 45°
−60 −60
−70 ϑ −70 ϑ
−80 −80
−90 0° −90 0°
−80 −80
−70 −70
−60 −60
−40 −40
−90° −90°
Bild 6.23. Richtcharakteristiken 10lgΓ 2 von runden Membranen, links mit Schwin-
gungsknoten am Membranrand rM = a (γM =33,7), rechts mit Schwingungsbauch
am Membranrand rM = a (γM =32,2). Gerechnet für λM /λ0 =2.
90° 90°
−40 −40
−50 −50
dB 45° dB 45°
−60 −60
−70 ϑ −70 ϑ
−80 −80
−90 0° −90 0°
−80 −80
−70 −70
−60 −60
−50 −45° −50 −45°
−40 −40
−90° −90°
Bild 6.24. Richtcharakteristiken 10lgΓ 2 von runden Membranen, links mit Schwin-
gungsknoten am Membranrand rM = a (γM =33,7), rechts mit Schwingungsbauch
am Membranrand rM = a (γM =32,2). Gerechnet für λM /λ0 =0,5.
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 461
In Abschnitt 6.4.3 wurde der ebene Strahler, der in Form einer ebenen Wel-
le schwingt, behandelt. Die dort angegebenen Gleichungen (6.45) bis (6.50)
lassen sich leicht wie folgt auf den zweidimensionalen Strahler erweitern:
a) Strahlerschnelle:
c) Schallschnelle in y-Richtung
Um die Abstrahlung von einem ebenen Strahler mit der beliebigen Schnelle-
verteilung vs (x, y) zu erhalten, werden (6.100) bis (6.102) wieder als Lösungs-
bausteine betrachtet, aus denen man die gesuchten Ergebnisse durch Inte-
gration erhält. Für alle realisierbaren Schwingungsverteilungen lässt sich die
Strahlerschnelle in Form eines Fourierintegrals
+∞
+∞
1
vs (x, z) = v̆(kx , kz )e−jkx x e−jkz z dkx dkz . (6.103)
4π 2
−∞ −∞
462 6 Abstrahlung von Körperschall
+∞ ∞
Die Integration wird über die ganze Ebene y = 0 erstreckt, da außerhalb der
Strahlerfläche vs (x, y) = 0 ist, genügt es aber, über diese Fläche zu integrie-
ren.
Da (6.100) und (6.101) für jeden Wert von kx , kz gilt und da man wegen
des Superpositionsprinzips Einzellösungen summieren bzw. integrieren kann,
ergibt sich für den Schalldruck
+∞
+∞
ρ0 c0 k0 v̆(kx , kz ) −jkx x −jkz z −jky y
p(x, y, z) = e e e dkx dkz . (6.105)
4π 2 ky
−∞ −∞
Dieser Ausdruck kann zur Bestimmung der Abstrahlung von beliebigen ebe-
nen Strahlern (in einer starren Wand) benutzt werden. Er stellt somit eine
Alternative zu (6.82) bzw. (6.85) dar. Man kann die Identität der beiden For-
meln - mit einigem mathematischen Aufwand - auch beweisen. Es soll hier
aber genügen zu zeigen, dass sie dieselbe Intensitätsverteilung im Fernfeld
liefern. Zu diesem Zweck berechnet man die Leistung, die durch die Ebene
y = yP übertragen wird. Das Ergebnis ist
⎧ +∞ ∞ ⎫
1 ⎨ ∗
⎬
P = Re p(x, yP , z)vx (x, yP , z)dxdz
2 ⎩ ⎭
−∞ −∞
⎧⎡ +∞ ∞ ⎤⎡ +∞ +∞ ⎤⎫
⎨ ⎬
ρ0 c0 k0 v̆(k , k )E
= Re ⎣
x z dkx dkz ⎦⎣ v̆ ∗ (kx , kz )E ∗ dkx dkz ⎦ .
32π 4 ⎩ 2
k0 − kx2 − kz2 ⎭
−∞ −∞ −∞ −∞
(6.106)
Dabei ist E die Abkürzung für die Exponentialfunktion in (6.105) und E ∗ ihr
konjugiert komplexer Wert. Wie in Abschnitt 4.5.1.2 wird das Produkt der
Integrale durch ein Mehrfachintegral ersetzt. Die Integrationen über x und z
lassen sich durchführen, weil die Fouriertransformation der Deltafunktion (sie-
he Gl.(4.137)) auftritt, was die Durchführung von zwei weiteren Integrationen
ermöglicht. Das Resultat besteht in
⎧ +∞ ∞ ⎫
ρ0 c0 k0 ⎨ v̆(k , k )v̆ ∗ (k , k ) ⎬
x z x z
P = Re
dkx dkz
8π 2 ⎩ k02 − kx2 − kz2 ⎭
−∞ −∞ (6.107)
ρ0 c0 k0 |v̆(kx , kz )|2
=
dkx dkz .
8π 2 k02 − kx2 − kz2
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 463
Im letzten Integral wird über den Bereich integriert, in dem die Wurzel reell
ist. In diesem Intervall kann man die Substitution
benutzen. Mit ihrer Hilfe ergibt sich nach Einsetzen der Funktionaldetermi-
nante
dkx dkz k02 sin ϑ cos ϑdϑdϕ
= = k0 sin ϑdϑdϕ.
k02 − kx2 − kz2 k0 cos ϑ
Damit wird aus (6.107)
π/2 2π
ρ0 c0 k02
P = |v̆(k0 sin ϑ sin ϕ, k0 sin ϑ sin ϕ)|2 sin ϑdϑdϕ. (6.108)
8π 2
0 0
Dieser Ausdruck wird nun mit der Leistung PP verglichen, die sich im Fernfeld
aus (6.87) ergibt. In Polarkoordinaten gilt nach Einsetzen von (6.87)
π/2 2π
1
PP = |p(R, ϑ, ϕ)|2 R2 sin ϑdϑdϕ
2ρ0 c0
0 0
(6.109)
2 π/2 2π
ω ρ0
= |vI (ϑ, ϕ)|2 sin ϑdϑdϕ.
8π 2 c0
0 0
+∞
+∞
vI (ϑ, ϕ) = vs (xq , zq )ejk0 sin ϑ sin ϕxq ejk0 sin ϑ cos ϕxq dxq dzq (6.110)
−∞ −∞
benutzt. Vergleicht man (6.110) mit (6.104), so sieht man, dass vI (ϑ, ϕ) ge-
rade die Fouriertransformierte der Strahlerschnelle für kx = k0 sin ϑ sin ϕ,
kz = k0 sin ϑ cos ϕ ist. Damit ist bewiesen, dass (6.108) und (6.109) iden-
tisch sind. Da sich diese Identität nicht nur auf den integralen Wert P = PP
bezieht, sondern für jeden Wert von ϑ und ϕ gilt, wurde gleichzeitig gezeigt,
dass das Wellenzahlspektrum der Strahlerschnelle unmittelbar proportional
zur Richtcharakteristik ist. Mit dem Wellenzahlspektrum der Strahlerschnelle
nach (6.104) verfügt man gleichzeitig über die Richtcharakteristik des ab-
gestrahlten Schalls. Man braucht dabei nicht einmal das ganze Wellenzahl-
spektrum, weil nur Wellenzahlen mit kx2 + kz2 < k02 zur Fernfeldabstrahlung
beitragen.
Aus der Tatsache, dass Wellenzahlspektrum und Richtcharakteristik so
eng miteinander zusammenhängen, kann man noch weitere Schlussfolgerungen
ziehen.
464 6 Abstrahlung von Körperschall
−∞
−∞
−∞
−∞
1 1
2v 2 S = |vs (x, z)|2 dxdz = |v̆(kx , kz )|2 dkx dkz
4π 2 ef f 4π 2
−∞ −∞ −∞ −∞
schreiben (im Integral im Zähler wird wieder der Bereich mit reellwerti-
ger Wurzel überdeckt). Ein Maß für den Imaginärteil des Strahlungswi-
derstandes (und damit ein Maß für die mitbewegte Masse) könnte man
erhalten, indem man eine ähnlich aussehend Gleichung verwendet, bei der
lediglich im Zähler die Integration über den Bereich −k0 = −|kg | <
sich
kx2 + kz2 < k0 = |kg | erstreckt.
• In zur Strahlerfläche senkrechten Richtung ϑ = 0 ist der Schalldruck durch
den Netto-Volumenfluss des Strahlers (und damit durch den Mittelwert der
Strahlerschnelle) gegeben (siehe Gl.(6.87)).
• Für kleine Quellen (Abmessungen kleiner als Wellenlänge im umgebenden
Medium) kann man die Exponentialfunkton in (6.104) in eine Potenzreihe
entwickeln und erhält so
−∞
−∞
k2 k2
v̆(kx , kz ) = vs (x, z)dxdz−jkx Dx −jkz Dz − x Dxx −kx kz Dxz − z Dzz . . .
2 2
−∞ −∞
(6.112)
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 465
Dabei sind
−∞
−∞
−∞
−∞
In vielen Fällen lässt sich die Schwingung einer eindimensionalen Platte als
eine Summe von hin- und rücklaufenden Wellen und von Nahfeldern darstel-
len. Es sei zuerst eine Idealisierung betrachtet, nämlich die halbunendliche
Platte, weil sich daran die physikalisch interessanten Effekte am einfachsten
darstellen lassen.
Die betrachtete Anordnung ist in Bild 6.25 skizziert. Für alle Werte von z
ist die Schnelle durch
%
A e−jkB x + rejkB x + rj ekB x für x < 0
vs (x) = (6.113)
0 für x > 0
gegeben (siehe auch Abschnitt 5.1.2). Die bekannte Biegewellenzahl ist mit kB
bezeichnet, r und rj sind die relativen Amplituden der bei x = 0 reflektierten
Welle und des dort ausgelösten Nahfeldes.
Setzt man (6.113) in (6.104) ein, so errechnet sich das Wellenzahlenspek-
trum der Strahlerschnelle zu
j r rj
v̆(kx ) = A −j + . (6.114)
kB + kx kB − kx kB − jkx
466 6 Abstrahlung von Körperschall
λ B =2 π /k B y
a) x=0
b)
c)
Im Nenner tritt hier statt des Faktors 8π 2 nur 4π auf, weil die Anzahl der
Dimensionen um eine reduziert ist. Dementsprechend handelt es sich bei P
um eine Leistung pro Breiteneinheit.
Der Wert des Integrals in (6.115) hängt entscheidend davon ab, ob die
Nullstellen des Nenners - also kx = ±kB - im Integrationsbereich liegen. Falls
es sich um langwellige Biegewellen handelt, bei denen kB < 0, 9k0 ist, wird
der Wert des Integrals praktisch ausschließlich durch das Verhalten in der
Umgebung von kx = ±k0 bestimmt. Die weitere Rechnung liefert dann zwar
eine unendliche Leistung - weil die strahlende Fläche unendlich groß ist - aber
es macht Sinn, den Abstrahlgrad nach (6.110) zu berechnen. Dazu setzt man
einfach
k02 − kx2 ≈ k02 − kB2,
zieht diesen Faktor vor das Integral und verlegt die Grenzen ins Unendliche.
Man erhält so
k0
σ=
2 2
für kB < 0, 9k0 . (6.116)
k0 − kB
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 467
Falls es sich um kurzwellige Biegewellen handelt (Bild 6.25c), bei denen kB >
k0 gilt, gibt es in (6.115) keine Polstelle. Das Integral nimmt einen endlichen
Wert an, obwohl eine unendlich große Fläche schwingt. Einige Resultate, die
sich aus (6.115) ergeben, zeigt Bild 6.26. Folgendes fällt dabei auf:
1 5
10lg(W E / W BE )
2
4
WE
Ar
A
ρ 0 l0
WB E = A
4π k 0
f/ f c
• Unterhalb der Grenzfrequenz hängt die Abstrahlung sehr stark von der
Randbedingung an der Stelle x = 0 ab (siehe auch Bild 6.27).
2
• Wenn der Faktor von kB im Zähler von (6.115) ungleich Null ist, erhält
man eine Art Monopolabstrahlung (Kurve 1 und Kurve 3).
2
• Wenn man durch geeignete Wahl von r und rj den Faktor von kB zum
Verschwinden bringt, erhält man eine Art Dipolstrahler, oder eine Art
Quadrupolstrahlung, wenn auch der Faktor von kB kx verschwindet (Kur-
ven 2 und 4).
• Wenn an der Stelle x = 0 für die Schnelle vs (0) = 0 gilt, dann kann
man durch geeignete Wahl des Reflexionsfaktors rj für das Nahfeld eine
Dipolabstrahlung (Kurve 5) erzeugen; dadurch wird also weniger Schall
abgestrahlt als bei der unterstützten oder starr befestigten Platte.
• Aus der Tatsache, dass die abgestrahlte Schallleistung bei sonst gleichen
Verhältnissen durch eine Änderung des Nahfeldes (also durch Wahl von
rj ) beeinflusst wird, kann man bereits folgern, dass der Ursprung des ab-
gestrahlten Schalls in der Nähe der Diskontinuitätsstelle x = 0 liegt. Das
468 6 Abstrahlung von Körperschall
zeigt auch das in Bild 6.27 wiedergegebene Schallfeld für einen endlich lan-
gen Strahler mit Schwingungsbauch und Schwingungsknoten an je einem
Ende.
• Die Tatsache, dass man durch reflektierte Biegewellen und durch Nahfelder
die Schallabstrahlung im Bereich f < fg verringern kann, eröffnet die
Möglichkeit, die Schallabstrahlung durch an der Stelle x = 0 angebrachte
Kräfte und Momente (’Antischallsender’) zu verringern.
• Der bereits in Abschnitt 6.4.3 (6.54) erwähnte hydrodynamische Kurz-
schluss führt dazu, dass die große Plattenfläche im Frequenzbereich f < fg
nicht abstrahlt. Am Plattenrand bei x = 0 ist der hydrodynamische Kurz-
schluss nicht vollständig und führt daher zu einer Abstrahlung. Die Stärke
der Abstrahlung hängt von der Vollständigkeit des Kurzschlusses und da-
mit von Details der Randbedingungen ab.
Ebenso wie bei der unendlichen Platte in Abschnitt 6.4.3 zeigt auch der letz-
te Abschnitt, dass die Abstrahlung von einer Platte ganz wesentlich davon
abhängt, wie groß die Wellenlänge der Schwingungen des Strahlers im Ver-
gleich zur Schallwellenlänge im umgebenden Medium ist. Bei großen Wel-
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 469
lenlängen λB > λ0 (kB < k0 ) ist die Abstrahlung groß, bei kleinen Wel-
lenlängen λB < λ0 (kB > k0 ) ist sie gering. Die durch die Gleichheit der
Wellenlängen oder Wellengeschwindigkeiten definierte, sogenannte Grenzfre-
quenz fg ist also für die Abstrahlung von Biegewellen sehr wichtig. Da bei
einer homogenen Platte die Biegewellenlänge durch
λB = 2π 4 B /ω 2 m
so hoch, dass man nicht mehr mit der einfachen Biegetheorie rechnen kann,
sondern die Wellenzahlen mit Hilfe von (2.291) bestimmen muss.
Wenn man einmal von den beiden Geraden für Blei und Asphalt in Bild
6.28 absieht, dann sind die Unterschiede in den Grenzfrequenzen der verschie-
denen, im Bau häufig verwendeten Materialien vergleichsweise gering. Bei
gleicher Plattendicke ändert sich die Grenzfrequenz von Material zu Material
nur etwa innerhalb einer Oktave. Dagegen ist das praktisch interessierende
Dickenintervall viel breiter; es reicht von 0,5 mm Stahl (Autoblech) bis zu
Betonwänden von 350 mm Dicke.
Neben den bisher behandelten homogenen Platten spielen in der Praxis
auch Biegewellen auf Mehrschichtplatten, wie sie im Abschnitt 3.6 behan-
delt wurden, sowie auf anisotropen, also beispielsweise gerippten, gerillten
oder gewellten Platten, eine Rolle. Für die Mehrschichtplatten, also etwa für
die sogenannten Sound-shear oder Sandwich-Platten kann man die Grenzfre-
quenz nach (6.117) (nicht jedoch nach (6.118 und (6.119)) bestimmen; man
hat jedoch zu beachten, dass die Biegesteife sich mit der Frequenz ändert,
siehe (3.106). Man kann natürlich die aus komplizierten Dispersionsgleichun-
gen (z.B. (3.120)) erhaltenen Wellenzahlen gleich der Luftschallwellenzahl set-
zen, um eine Grenzfrequenz zu erhalten. Bei richtiger Dimensionierung liegt
die Grenzfrequenz einer Mehrschichtplatte mindestens doppelt so hoch wie
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 471
oberhalb von fgz . Gewellte Platten sind also relativ starke Schallstrahler und
eignen sich dementsprechend nicht besonders gut als schalldämmende Wände.
Außerdem folgt aus den genannten Tatsachen, dass das Einsägen von Rillen
nur dann zu einer Verbesserung der Schalldämmung führt, wenn es in zwei
senkrechten Richtungen erfolgt; durch Schlitze in einer Richtung werden zwar
die statischen Eigenschaften einer Platte verschlechtert, die Schalldämmung
aber kaum beeinflusst.
In einigen Fällen ist die Schnelle eines Strahlers als Summe von Eigenfunk-
tionen (Moden) gegeben (siehe Abschnitt 4.7.1):
v(x, z) = vn ϕn (x, z) . (6.122)
Zur Berechnung der Abstrahlung wird man (6.82) oder (6.105) auf die einzel-
nen Moden anwenden. Durch Summation erhält man daraus den Schalldruck
an den interessierenden Stellen. Will man die gesamte abgestrahlte Leistung
berechnen, darf man allerdings im allgemeinen nicht die von den einzelnen
Moden abgestrahlten Leistungen addieren, weil die Superponierbarkeit nur
für die Schalldrücke und nicht für die Schallleistungen gilt.
Es gibt jedoch auch zahlreiche Beispiele, bei denen man keinen großen Feh-
ler macht, wenn man die von den einzelnen Moden abgestrahlten Leistungen
addiert. Um das zu verdeutlichen wird eine in z-Richtung unendliche Platte
betrachtet, die bei x = 0 und x = l unterstützt ist und in zwei Moden mit
den komplexen Amplituden v 1 und v 2 schwingt. Die Schnelle ist also durch
⎧
⎨v sin n1 πx + v sin n2 πx für 0 < x < lx
1 2
v(x) = lx lx
⎩0 für − ∞ < x < 0, l < x < ∞ x
(6.123)
gegeben. Dabei soll eine Phasenverschiebung zwischen den modalen Amplitu-
den berücksichtigt werden, es ist also
Dabei bedeuten
nν πlx kx l x − n ν π
Aν = 2j sin , Eν = e−0,5j(kx lx −nν π) für ν = 1, 2.
kx2 lx2 2
− nν π 2 2
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 473
zusammenfassen. In diesem Ausdruck sind P1 und P2 die abgestrahlten Leis-
tungen, wenn die Plattenschwingung nur aus jeweils einer Mode bestünde. P12
bildet den Kombinationsterm. Seine Größe und sein Vorzeichen kann durch
Wahl des Phasenwinkels ϕ1 − ϕ2 zwischen den beiden modalen Amplituden
variiert werden.
Integrationsbereich
kx = −nνπ l 0 k =n πl
kx x ν
Der prinzipielle Verlauf von A2ν ist in Bild 6.29 dargestellt. Aus ihm ergeben
sich folgende Effekte für die von einer Mode abgestrahlten Leistung:
a) Wenn k0 lx nν π, also wenn die Knotenabstände der Plattenschwingung
klein sind, dann ist die Integration über einen Bereich zu erstrecken, der
die Maxima von A2ν nicht enthält. Es ergibt sich so eine kleine abgestrahlte
Leistung und ein kleiner Abstrahlgrad (siehe Bild 6.30 a und b).
474 6 Abstrahlung von Körperschall
B)
1/ W\
10lg(W \ B)
1/ W\
10lg(W \
k0 l x
Bild 6.30. Abstrahlung von einer Platte mit einer durch Gl. (6.123) gegebenen
Schwingungsverteilung. a und b: Abstrahlung wenn nur eine Mode vorhanden ist.
PB = ρ0 c0 l|vν |2 /4; c: Einfluss der Phase der zweiten gleich starken Mode auf die
Gesamtabstrahlung für n1 = 5, n2 = 7; d: Verminderung der Abstrahlung durch
eine gegenphasige zweite Mode ΔL = 10 lg(P /(P1 + P2 )) (Die Abszisse ist ko lx )
ρ0 c0 lx 2
Pν ≈ |vν | und σν ≈ 1. (6.127)
4
c) Für k0 lx ≈ nν π ist die Integration etwas schwieriger. Brauchbare Nähe-
rungen sind durch
ρ0 c0 lx k0 lx 2 2 k0 lx 2√
Pν ≈ |vν | und σν ≈ ≈ nν (6.128)
6 π 3 π 3
gegeben.
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 475
Für die Berechnung des Kombinationsterms P12 ist die Angabe von Nähe-
rungen etwas schwierig, weil im Integranden zwei Sinusfunktionen mit ver-
schiedenem Argument auftreten. Es werden daher in Bild 6.30 c und d einige
Beispielrechnungen angegeben. Dabei wird die von zwei Moden abgestrahl-
te Leistung P mit der Summe der Leistungen P1 + P2 verglichen, die man
erhalten würde, wenn jeweils nur eine Mode vorhanden wäre. In Bild 6.30
ist angenommen, dass die Amplituden der beiden Moden gleich sind. Bild
6.30 c zeigt den Einfluss der Phasenverschiebung zwischen den beiden Moden
und Bild 6.30 d die Abstrahländerung, wenn die beiden Moden gegenphasig
sind. Die Grenzfrequenz liegt bei den in Bild 6.30 aufgetragenen Kurven bei
nπ = k0 lx .
Das interessanteste aus Bild 6.30 folgende Ergebnis ist, dass man zumin-
dest unterhalb der Grenzfrequenz die Schallabstrahlung von der Mode n durch
eine zweite Mode n + 2, n + 4 etc. reduzieren kann. Es besteht also zumin-
dest im Prinzip die Möglichkeit, durch geeignete künstliche Anti-Anregung“
”
einer weiteren Mode die Schallabstrahlung zu verringern, obwohl die mittlere
Schnelle der Platte erhöht wird. Vermutlich kann man die Schallabstrahlung
durch geeignete Anregung weiterer Moden auch unter die in Bild 6.30 d ange-
geben Werte bringen. Ob man auch oberhalb der Grenzfrequenz die Schallab-
strahlung durch Anregung von weiteren Antischall-Moden“ reduzieren kann,
”
das bleibt fraglich.
6.6.4.1 Grundgleichungen
Die bisher betrachteten Beispiele zeigen, dass die Abstrahlung von Biegewel-
len unterhalb der Grenzfrequenz von den Randbedingungen und von Details
der Schwingungsverteilung abhängen. Man muss also die Schnelle einer Platte
sehr genau kennen, wenn die Abstrahlung bestimmt werden soll. Diese genaue
Kenntnis ist oft nur schwer zu erreichen. Man kann sich deshalb fragen, ob
es nicht oft leichter ist, von der in ihrer geometrischen Verteilung meist ein-
facheren äußeren Kraftverteilung, die auf eine Platte wirkt, unmittelbar auf
den abgestrahlten Schall zu schließen, ohne die Schnelleverteilung explizit zu
berechnen.
Besonders einfach wird diese Art der Berechnung bei einer unendlich
großen Platte. Daher wird erst dieser Fall betrachtet und dabei gleichzei-
tig die Rückwirkung des umgebenden Mediums auf die Plattenbewegung mit
erfasst, weil dieser Effekt fast keine Erschwerung der Rechnung bedeutet.
In Abschnitt 4.4.1 und 4.4.2 wurde bereits die für diesen Zweck besonders
geeignete Trennimpedanz für Platten und ähnliche Konstruktionen angegeben
(siehe Gl.(4.68)):
jω p̆(kx , kz ) p̆(kx , kz )
v̆(kx , kz ) = 4 = . (6.129)
B (kx2 + kz2 )2 − kB Zτ
476 6 Abstrahlung von Körperschall
Das Wellenzahlspektrum des auf die Platte wirkenden Drucks ist durch (4.82)
gegeben. Er besteht aus dem von außen wirkenden Druck pA (x, z) und dem
entgegengesetzten Druck ps (x, z), der durch die Rückwirkung des umgeben-
den Mediums auf die Platte hervorgerufen wird. Man kann also (4.82) in der
Form
−∞
−∞
−∞
−∞
In (6.105) wurde die Abstrahlung in ein Medium mit den Daten ρ0 , c0 auf
einer Seite des Strahlers behandelt. Sollte die Strahlungsrückwirkung von bei-
den Seiten von Bedeutung sein, dann ist für die in (6.131) eingeführte Strah-
lungsimpedanz ZRad einfach die Summe der entsprechenden Werte auf beiden
Seiten einzusetzen. Hier wird nur der einfachere Fall der Abstrahlung und
Rückwirkung von einer Seite betrachtet.
Kombiniert man (6.129) bis (6.131) so findet man
p̆A (kx , kz )
v̆(kx , kz ) = . (6.132)
Zτ + ZRad
Nach Einsetzen in (6.105), (6.107) und (6.109) erhält man daraus für den
abgestrahlten Schalldruck
−∞ ∞
1 ZRad
p(x, y, z) = p̆(kx , kz )e−jkx x e−jkz z e−jky y dkx dkz
4π Zτ + ZRad
−∞ −∞
(6.133)
(mit ky = k02 − kx2 − kz2 ), für die Schallleistung
−∞
−∞
1 p̆A (kx , kz ) 2
P =
Re{ZRad } dkx dkz (6.134)
8π 2 Zτ + ZRad
−∞ −∞
Die Indizes bei den Impedanzen bedeuten, dass sie auch für kx = k0 sin ϑ sin ϕ
und kz = k0 sin ϑ cos ϕ zu nehmen sind. Die Formeln sind von bemerkenswer-
ter Einfachheit, denn sie stellen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen
der anregenden äußeren Druckverteilung und dem abgestrahlten Schall her,
ohne dass man die Strahlerschnelle berechnen muss. Darüber hinaus zeigen sie,
dass man aus dem Wellenzahlspektrum der Anregung (das man außerdem nur
im Bereich kx2 + kz2 < k02 zu kennen braucht) durch einfache Division mit den
Impedanzen ohne eine Integration die Richtcharakteristik des abgestrahlten
Schall gewinnen kann - noch dazu unter Berücksichtigung der Strahlungsbe-
lastung.
Die Gleichungen (6.133) bis (6.135) sind so geschrieben, dass sie auch für
orthotrope Platten, Platten mit Vorspannung, Platten auf weichen Schich-
tungen und den elastischen Halbraum anwendbar sind. Die entsprechenden
Trennimpedanzen findet man in Abschnitt 4.4.2 sowie in den Gleichungen
(2.213) und (3.126).
6.6.4.2 Beispiele
16ρ0 c0 k02 2 4
P = 4 |v0 | = 3 ρ0 c0 |v02 |λ2g . (6.141)
πkB π
Dabei ist λg = c0 /fg die Wellenlänge bei der Grenzfrequenz.
In die Abstrahlformel (6.138) geht die Biegewellenlänge, also die für
die Schnelleverteilung auf dem größten Teil der Plattenfläche entscheidende
Größe, nicht ein. Daraus und aus weiteren Rechnungen kann man schließen,
dass der schon mehrfach erwähnte hydrodynamische Kurzschluss die Abstrah-
lung vom größten Teil der Plattenfläche verhindert. Es bleibt nur der nicht
vollständige Kurzschluss in der Umgebung der Anregestelle, der eine abge-
strahlte Leistung bewirkt.
Man könnte nun versucht sein, das exponentiell abnehmende Biegewel-
lennahfeld für die Schallabstrahlung verantwortlich zu machen. Das ist aber
nicht die ganze Wahrheit. Auch bei von Wechselkräften angeregten Membra-
nen, bei denen es kein exponentiell abklingendes Nahfeld gibt, wird nur von
der Umgebung der Anregestelle abgestrahlt (kurze Membranwellenlängen vor-
ausgesetzt).
Es ist interessant, (6.141) mit der Abstrahlung von einer Punktquelle in
einer Wand, also mit (6.31) für k0 a 1, zu vergleichen. Ein derartiger Ver-
gleich zeigt, dass der gestörte hydrodynamische Kurzschluss in der Umgebung
der Anregestelle ebenso viel Schall abstrahlt, wie eine Punktquelle mit dem
2
Schallfluss q0 = 8v0 /kB . Wegen kB = 2π/λB entspricht
dem eine Kolben-
membran mit der Schnelle v0 und einem Radius von λB 2/π 3 , also etwa
einer Viertel-Biegewellenlänge.
Man kann dieses erstaunlich einfache Ergebnis dazu benutzen, die Abstrah-
lung abzuschätzen, wenn die Anregung nicht mehr punktförmig ist, sondern
sich auf einen - kleinen - Kreis mit dem Radius a erstreckt. Man wird erwar-
ten, dass in diesem Falle die Abstrahlung wie von einer Kolbenmembran mit
dem Radius a + λB /4 erfolgt und damit eine abgestrahlte Leistung der Form
4
ρ0 c0 2 2 λB
P ≈ k π|v | a + (6.142)
4 0 0 4
ergibt.
Aus (6.138) kann man auch eine einfache Formel für große Strahlungsbe-
lastung - also etwa eine dünne Platte auf einer Wasseroberfläche - ableiten.
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 479
|F02 | ω 2
P ≈ . (6.143)
12π ρ0 c30
In dieser Gleichung erscheint weder die Biegesteife noch die Masse der Platte;
außerdem ist sie bis auf einen Faktor 2 identisch mit (6.42), also der von
einer Punktkraft unmittelbar erzeugten Leistung. Hätte man in (6.138) statt
ρ0 c0 /ωm den für beiderseitige Benetzung gültigen doppelten Wert eingesetzt,
so hätte man die Hälfte von (6.42) erhalten, weil (6.138) nur die Abstrahlung
nach einer Seite erfasst. Dass es sich bei der Abstrahlung von einer Platte
mit starker Strahlungsbelastung im Bereich f fg um einen Dipol handelt,
sieht man auch aus (6.135), denn mit der hier zulässigen Näherung Zτ,ϑ,ϕ
ZRad,ϑ,ϕ folgt
k2
|p(R, ϑ, ϕ)|2 ≈ |F02 | 20 2 cos2 ϑ. (6.144)
4π R
Ähnlich wie für eine Punktkraft kann man auch für eine linienförmige Kraft
die Abstrahlung vom Gebiet der Anregestelle ermitteln. Das Ergebnis ist
2
|F0E |ρ0 c0 k0
P = '
( für f fg . (6.145)
4 (ω 2 m2 + ρ20 c20 ) + ρ0 c0 ω 2 m2 + ρ20 c20
Dabei ist F0E die pro Längeneinheit wirkende Kraft. Auch hier ergibt sich bei
sehr schwacher Strahlungsbelastung eine ungerichtete (Monopol-)Strahlung
und bei sehr starker Strahlungsbelastung eine dipolartige Richtcharakteristik.
Als weiteres Beispiel sei noch die Anregung durch ein gegenphasiges
Kräftepaar (Momentenanregung) behandelt. Wenn auf eine Platte an der Stel-
le x = −a, z = 0 die Kraft F0 /2 und an der Stelle x = +a, z = 0 die Kraft
−F0 /2 wirkt, dann ist
Ein Vergleich mit (6.139) bzw. (6.143) oder die Berechnung der Richtcha-
rakteristik zeigen, dass es sich bei den beiden Grenzfällen um die Abstrah-
lung von einem Dipol (ωm ρ0 c0 ) oder einen longitudinalen Quadrupol
(ωm ρ0 c0 ) handelt.
Die Behandlung der Abstrahlung im Bereich f < fg hat in diesem Ab-
schnitt einen relativ breiten Raum eingenommen, weil dabei einige interessan-
te Phänomene auftreten. Im Vergleich dazu ist die Abstrahlung im Frequenz-
bereich f > fg leichter zu verstehen. Die Argumentation dabei ist folgender-
maßen:
• für f > fg ist nach (6.117) kB < k0 ,
• damit liegt die Stelle kx2 + kz2 = kB2
im Integrationsbereich von (6.133)-
(6.135),
• wenn kx2 + kz2 = kB 2
ist, gilt Zτ = 0, denn das Verschwinden der Trans-
missionsimpedanz ergibt ganz allgemein die Bestimmungsgleichung für die
freien Wellenzahlen; das gilt nicht nur für Platten sondern auch für andere
Konstruktionen;
• wenn die Stelle Zτ = 0 im Integrationsbereich enthalten ist, dann führt
sie (wenn ZRad nicht extrem groß ist) zu den größten Integranden und
bestimmt somit den Wert des Integrals,
• daraus folgt, dass die Abstrahlung hauptsächlich in die durch
2
kB = kx2 + kz2 = k02 sin2 (sin2 ϕ + cos2 ϕ) = k02 sin2 ϑ (6.148)
Vergleicht man diesen Ausdruck mit der Trennimpedanz einer Platte ohne
umgebendes Medium aber mit dem fiktiven Verlustfaktor ZRad , also mit
p̆(kx , kz ) (kx2 + kz2 )2
= jωm 1 − 4 (1 + jηRad ) , (6.150)
v̆(kx , kz ) kB
ρ0 1 ρ0 1
ηRad =
≈
2 für f > fg (6.151)
m k02 − kx2 − kz2 m 2
k0 − kB
gegeben ist. Für leichte Medien wie Luft nimmt ηRad meist sehr kleine Wer-
te an. Das bedeutet, dass die Biegewellen oberhalb der Grenzfrequenz fast
nur der geometrischen Abnahme (v(r)2 ∼ 1/r) unterliegen. Dementsprechend
groß ist auch die Fläche, die zur Abstrahlung beiträgt. Außerdem ist die Ab-
strahlung sehr scharf auf den Winkel sin ϑ = kB /k0 gebündelt. Bei schweren
Medien wie Wasser liefert (6.151) ziemlich große Verlustfaktoren, das bedeu-
tet, dass die Biegewellenamplituden exponentiell mit der Entfernung von der
Anregestelle abnehmen und dass die Abstrahlung nicht sehr stark gebündelt
ist. Allerdings ist zu bedenken, dass man bei Wasser zu sehr hohen Frequen-
zen und damit schon an die Grenze des Gültigkeitsbereiches der einfachen
Biegetheorie gehen muss, um über die Grenzfrequenz zu kommen.
fc
fc
fc
⎧
⎪ λ2g
⎪
⎪ σ = 2g1 + U
λg g2 für f < fg
⎨ 1
S
σ = σ2 = lb /λg + b/λg für f ≈ fg (6.152)
⎪
⎪
⎩σ = 1/
1 − f /f falls σ < σ
⎪
für f > fg .
3 g 3 2
Dabei bedeuten lb und b die Länge und Breite der strahlenden Fläche oder
Teilfläche. S = lb b und U = 2(lb + b) geben Fläche und Umfang an. Die
Hilfsfunktionen g1 und g2 sind durch
%
4 2 √1
4 (1 − 2α ) für f < 0, 5fg
g1 = π α 1−α2
0 0, 5fg < f < fg
2 1+α
1 (1 − α ) ln 1−α + 2α
g2 = ; α = f /fg
4π 4 (1 − α2 )3/2
6.6 Abstrahlung von Biegewellen 483
definiert. Die Gleichungen sind gültig, falls die Abmessungen des Strahlers
größer sind als etwa eine Viertel-Wellenlänge des Schalls im umgebenden Me-
dium.
Die Übereinstimmung von gerechneten und gemessenen Werten ist im Be-
reich f > fg ziemlich gut. Auch für f < fg ist sie trotz der zahlreichen
Annahmen noch befriedigend. Gleichwohl ist der Hinweis angebracht, dass
der Abstrahlgrad unterhalb der Grenzfrequenz eine gefährliche“ Größe ist.
”
Seine Definition und die übliche Messpraxis vermitteln den Eindruck, dass es
sich um eine nur von der Frequenz, den Strahlerabmessungen und seinen me-
chanischen Daten (insbesondere von der Biegewellenlänge) abhängende Größe
handelt. Das ist aber nicht richtig, denn wie gezeigt wurde spielen auch die
Randbedingungen und die Verteilung der Schwingungsenergie auf die einzel-
nen Moden (und damit die Art der Anregung) eine große Rolle. Die dadurch
verursachten Unterschiede können beträchtlich sein. Beispielsweise erhält man
bei punktförmiger Anregung von dünnen Platten für f fg oft Abstrahlgra-
de von 10−3 bis 10−2 . Wenn dieselbe Platte durch Luftschallwellen auf einer
großen Fläche angeregt wird, gilt dagegen für den Abstrahlgrad bei gleichen
Frequenzen σ ≈ 1. Der Fall der linienförmigen konphasen Anregung liegt ir-
gendwo dazwischen.
Als praktische Schlussfolgerung ergibt sich aus den bisherigen theoreti-
schen und experimentellen Ergebnissen, dass man zur Erzielung einer möglichst
geringen Abstrahlung nicht nur ein Material mit möglichst hoher Grenzfre-
quenz wählen soll; es ist auch erforderlich, Rippen, Streben etc. möglichst zu
vermeiden, da derartige Versteifungen den wirksamen Umfang“ vergrößern
”
und damit zu einer stärkeren Abstrahlung führen. Diese Frage ist besonders
für die durch Spanten und Rippen versteiften Flugzeug- und Schiffswände von
Bedeutung.
Ein Messbeispiel für die Abstrahlung aus dem Gebiet um die Anregestelle
einer sehr großen Platte zeigt Bild 6.32. Es handelt sich hier ebenfalls um eine
c
W
fc
Gipskartonplatte von etwa 10 mm Dicke und einer Fläche von 5,1 m2 ohne
Versteifungen durch Latten. Diese Platte wurde an einer Stelle durch einen
Körperschallsender mit Terzrauschen angeregt. Das dabei erzeugte Schnelle-
feld nimmt mit wachsender Entfernung von der Anregestelle ab, so dass es
schon aus diesem Grunde wenig sinnvoll gewesen wäre, ein mittleres Schnel-
lequadrat und einen Abstrahlgrad nach (6.12) zu ermitteln.
In Bild 6.32 ist an der Ordinate die Frequenz, an der Abszisse der zehnfache
Logarithmus des Verhältnisses P/ρ0 c0 v02 λ2g aufgetragen, wobei v0 den Effek-
tivwert der Schnelle am Anregeort bezeichnet. Unterhalb der Grenzfrequenz,
die hier 3200 Hz beträgt, liegen die gemessenen und nach (6.141) gerechneten
Werte sehr nahe beisammen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, in wieweit die
Abstrahlung durch zusätzliche Dämpfung beeinflusst werden kann. Für Fre-
quenzen oberhalb der Grenzfrequenz ist diese Frage leicht zu beantworten,
weil der Abstrahlgrad in diesem Gebiet unabhängig vom Verlustfaktor η ist.
Deshalb wird die abgestrahlte Leistung in demselben Maße reduziert wie das
mittlere Schnellequadrat. Die abgestrahlte Leistung wird also im allgemeinen
mit 1/η abnehmen. Das gilt im Prinzip auch in der Nähe der Grenzfrequenz,
nur ist zu beachten, dass die Biegesteife durch einen zusätzlichen Dämpfungs-
belag etwas erhöht und damit die Grenzfrequenz etwas erniedrigt wird. (In
der Praxis ergeben sich jedoch ganz selten Verschiebungen der Grenzfrequenz
um mehr als 10%). Unterhalb der Grenzfrequenz liegen die Dinge auch hier
wieder etwas komplizierter, weil sich das Schallfeld aus der Abstrahlung von
Biegewellennahfeld und von den Platten-Rändern zusammensetzt. Wenn man
diese beiden Anteile addiert (siehe (6.139) und (6.12)), so erhält man
ρ0 c0 k02
P = F̃ 2 + ρ0 c0 Sṽ 2 σ. (6.153)
2πω 2 m2
Dabei wurden der Messpraxis entsprechend die Effektivwerte der Kraft und
der mittleren Schnelle eingesetzt. Benutzt man nun noch den Zusammenhang
zwischen anregender Punktkraft und mittlerem Schnellequadrat nach (4.185)
so findet man
ρ0 c0 k02 2 π fg σ
P = F̃ 1 + . (6.154)
2πω 2 m2 4 f η
Da nur das zweite Glied in diesem Ausdruck vom Verlustfaktor abhängt, kann
man folgern, dass die abgestrahlte Leistung nur dann durch zusätzliche Dämp-
fung reduziert wird, wenn fg σ/(f η) > 1 ist.
Da Platten im eingebauten Zustand (d.h. mit Energieableitung an den
Rändern) häufig Verlustfaktoren im Bereich von 10−2 haben, macht man in
der Praxis manchmal die Erfahrung, dass eine zusätzliche Dämpfung - etwa
durch einen besonderen Belag - zwar die Schnelle einer Platte reduziert, aber
die Abstrahlung nicht verringert. Aus diesem Messresultat wird manchmal
der Schluss gezogen, dass Dämpfung abstrahlfördernd“ sei. Wie (6.154) zeigt,
”
ist dieser Schluss nicht richtig; vielmehr ist unterhalb der Grenzfrequenz bei
6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von Körperschall 485
darstellen. Dabei ist Zτ n die durch (2.311) bzw. (2.312) gegebene Trennimpe-
danz und p̆n (kz ) die Amplitude des wirkenden Drucks. Er setzt sich aus dem
von außen anregenden Druck p̆nA (kz ) und den Schalldrücken p̆nsi (kz ) bzw.
p̆nsa (kz ) auf der Innen- bzw. Außenseite des Zylinders zusammen. Drückt
man diese Schalldrücke durch die Zylinderschnelle und den entsprechenden
Strahlungswiderstand aus, dann ergibt sich
gegeben. Die obere Gleichung folgt aus (6.59), die radiale Wellenzahl kr ist in
(6.66) definiert. Die untere Gleichung ergibt sich, wenn man für den Schall-
druck im Rohrinneren den Ansatz pn (r) = pn Jn (kr r) macht und ansonsten
genauso vorgeht wie in Abschnitt 6.4.4. Wie in Abschnitt 6.4.4 bezeichnet
(2)
Jn die Besselfunktion und Hn die Hankelfunktion zweiter Art, jeweils der
Ordnung n.
Aus (6.155) und (6.156) kann man das Wellenzahlspektrum der Zylinder-
schnelle als Funktion der äußeren Anregung bestimmen. Daraus ergibt sich
dann mit Hilfe von (6.63), (6.64) und (6.65)-(6.67) in Analogie zu (6.133)-
(6.135) für die nach außen abgestrahlte Schallleistung
486 6 Abstrahlung von Körperschall
∞ k0
ρ0 c0 p̆nA (kz ) 2
P = εn Z) σn (kz )dkz . (6.158)
4π 2 a n=0
−k0
Dabei bedeuten
Z) = Zτ n + ZnRad i + ZnRad a
und
2π ∞
p̆nA (kz ) = pA (ϕ, z) cos nϕ ejkz z adϕdz. (6.159)
0 −∞
Der Index am Ende der Gleichung besagt, dass das Wellenzahlspektrum und
die Impedanzen bei kz = k0 cos ϑ zu nehmen sind. R bezeichnet die Länge der
Geraden zwischen der Mitte“ des angeregten Gebietes und dem Messpunkt.
”
Der Winkel zwischen der Senkrechten auf die Zylinderachse und der genannten
Geraden ist mit ϑ bezeichnet worden. Es ist also von Zylinderkoordinaten zu
Kugelkoordinaten mit r = R cos ϑ und z = R sin ϑ übergegangen worden.
Es ist also wieder mit Hilfe der Wellenzahlspektren möglich, einen unmit-
telbaren Zusammenhang zwischen der anregenden Druckverteilung und der
Richtcharakteristik herzustellen. Am einfachsten wird dieser Zusammenhang
bei Anregung durch eine Punktkraft F0 , weil dann p̆nA (kz ) = F0 gilt.
Bild 6.33. Ersatz von Versteifungen etc. durch äquivalente Kräfte und Momente
einer solchen Linie im Abstand von einem Sechstel (bei höherer Genauig-
keit einem Zehntel) der Biegewellenlänge äquivalente Kräfte und Momente
angebracht.
• Aus der Ortsverteilung des anregenden Drucks pA wird dessen Wellenzahl-
spektrum gebildet. Addiert man dazu die von den äquivalenten Kräften
und Momenten verursachten Wellenzahlen, so erhält man
p̆eq = p̆A (kz ) + (F1 + jkx M1 )ejkx x1 + (F2 + jkx M2 )ejkx x2 + . . . (6.161)
Gleichung (6.161) wurde nur für eine Dimension notiert. Es ist offensicht-
lich, wie der Übergang zu zwei Dimensionen zu vollziehen ist.
• Wie in (6.132) ist das Wellenzahlspektrum der Plattenschnelle
p̆eq (kx )
v̆(kx ) = . (6.162)
Zτ + ZRad
Damit ergibt sich für die Ortsverteilung der Schnelle
∞
1 p̆A (kx ) −jkx x
v(x) = e dkx + F1 a1 (x) + M1 b1 (x) + F2 a2 (x) . . . .
2π Zτ + ZRad
−∞
(6.163)
Die Abkürzungen bedeuten
488 6 Abstrahlung von Körperschall
∞ ∞
1 ejkx x1 e−jkx x j kx ejkx x1 e−jkx x
a1 (x) = dkx ; b1 (x) = dkx ,
2π Zτ + ZRad 2π Zτ + ZRad
−∞ −∞
(6.164)
und so fort.
• Aus (6.163) werden nach (2.268) und (2.269) die in der Platte wirkenden
Momente und Querkräfte berechnet. Setzt man nun in diese Gleichungen
für x nacheinander x1 , x2 , ... , xn , xR ein, so erhält man eine Reihe von
linearen Ausdrücken, die über die Bedingungen (z.B. Impedanzen) an den
Diskontinuitätsstellen miteinander verknüpft sind. Es entsteht so ein Sys-
tem das ebensoviele lineare Gleichungen enthält, wie unbekannte Kräfte
F1 , F2 , ... und Momente M1 , M2 , ... gesucht sind.
• Nach Lösung des - eventuell ziemlich großen - linearen Gleichungssystems
sind die Amplituden der äquivalenten Kräfte und Momente bekannt. Da-
mit enthalten auch (6.161) und (6.162) keine Unbekannten mehr und man
kann mit dem Wellenzahlspektrum der Schnelle weiterrechnen wie in Ab-
schnitt 6.6.4.1.
Die Durchführung der eben skizzierten Berechnungsmethode ist mit einigen
numerischen Problemen verbunden, weil sich alle Integrale von −∞ bis +∞
erstrecken und man daher genau überlegen muss, wo man abschneidet“; au-
”
ßerdem ist Zτ eine Funktion mit einem sehr schmalen Maximum, so dass man
- insbesondere bei kleiner Dämpfung - sehr viele Integrationsschritte braucht.
Es empfiehlt sich, die Wellenzahlen wie bei ähnlichen Rechnungen durch Win-
kel zu substituieren, weil man damit die Polstelle von ZRad vermeiden kann.
Schließlich kann es auch sein, dass die zu lösenden Gleichungssysteme sehr
groß sind. Das ist besonders dann der Fall, wenn eine linienförmige Verstei-
fung oder ein Rand durch eine Reihe von äquivalenten Punktkräften und
-momenten ersetzt wird.
Das Verfahren lässt sich auch auf Zylinder mit Diskontinuitätsstellen er-
weitern. Die numerischen Rechnungen werden aber noch etwas komplizierter.
Das eben beschriebene, ziemlich komplexe Verfahren ist nicht notwendig,
wenn eine Platte oder ein Zylinder durch Versteifungen in mehrere vonein-
ander fast unabhängige Felder eingeteilt wird und die Schnelle der Teilfelder
bekannt ist. Man kann dann näherungsweise die Felder wie kleinere ebene
Strahler in einer starren Wand betrachten und die von ihnen abgestrahlten
Felder addieren.
v1 v2 v3
v4
a)
Equilibrium
vn
p(x, y, z)
q1 q2 q r1
3 q4
r4
ΔS
ΔS
b) rn
ΔS
qn
F F
q1 1q2 2q F3 F
3 q 4 4
c)
q
F4 n
vn
qE2
d) qE1
qE3
Bild 6.34. Möglichkeiten zur Berechnung der Schallabstrahlung von einem beliebig
geformten Körper mit wandnormaler Schnelle vn . a Ausgangssituation, b Rayleigh-
”
Methode“, c Randelementmethode, d Methode der äquivalenten Quellen
dieser Teilflächen. Dann denkt man sich den schwingenden Körper aus dem
Medium entfernt und berechnet die Schallabstrahlung von den kleinen Vo-
lumenquellen (Monopolstrahler). Diese Quellen werden als punktförmig an-
genommen, so dass sie selbst nicht als Streukörper wirken und somit das
Schallfeld, das die anderen Quellen erzeugen, nicht beeinflussen. Man könnte
also einfach analog zu (6.81) schreiben
N
jωρ0 vn −jk0 rn
p(x, y, z) = e ΔS. (6.166)
n=1
(4)πrn
Unter rn ist der Abstand von der jeweiligen Monopolquelle zum Aufpunkt zu
verstehen.
In diesem Ausdruck wird nicht berücksichtigt, dass der schwingende Körper
nicht nur einen Schallstrahler, sondern auch noch einen Streukörper für den
entstandenen Schall darstellt. Wäre beispielsweise die Schnelleverteilung so,
dass nur q1
= 0, aber alle anderen Volumenquellen einen verschwindenden Ein-
fluss haben, dann würde man sicher eine falsche Richtcharakteristik erhalten,
weil die Tatsache, dass der Körper einen Schallschatten bewirkt, prinzipiell
unberücksichtigt bleibt. Man sollte also nicht versuchen, mit der Rayleigh-
”
Methode“ Richtcharakteristiken zu berechnen.
Bei der Berechnung der gesamten abgestrahlten Leistung kann dagegen
die Rayleigh-Methode ziemlich schnell einigermaßen brauchbare Ergebnisse
liefern, vorausgesetzt der Körper ist nicht flach“. Bei einem flachen Körper
”
- etwa einer Platte endlicher Fläche - können sich nämlich in der Näherung
eventuell Quellen gegenseitig kompensieren, die sich in Wirklichkeit wegen der
Anwesenheit des Körpers nicht ausgleichen.
Bei der Anwendung der Rayleigh-Methode ist es ebenso wie bei der Rand-
wertmethode und der Methode der äquivalenten Quellen notwendig, den Ab-
stand der Volumenquellen genügend klein zu machen. Eine Faustregel besagt,
dass die Abmessungen von ΔS kleiner sein sollen als ein Drittel des Abstan-
des von Gebieten gegenseitiger Schwingungsphase und auch kleiner als ein
Sechstel der abgestrahlten Schallwellenlänge. Außerdem empfiehlt es sich bei
großen Schallstrahlern, den in (6.166) in Klammern gesetzten Faktor 4 durch
2 zu ersetzen, um so die Spiegelung analog zu (6.81) zu berücksichtigen.
Die Tatsache, dass der Schallstrahler nicht nur Quelle, sondern auch
Streukörper ist, kann man (siehe Bild 6.34c) dadurch erfassen, dass man ent-
lang der ursprünglichen Strahlerkontur neben den Monopolquellen qn noch
Dipolquellen Fn mit
Fn = pn ΔS (6.167)
einführt. Dabei bedeutet pn den mittleren Schalldruck in dem (kleinen)
Flächenelement ΔS. Auch bei diesem Gedankenexperiment befindet sich der
materielle Körper nicht im Medium. Man hat also ein unbegrenztes homoge-
nes Medium (z.B. Luft) und eine gedachte Kontrollfläche, die mit der Außen-
kontur des ursprünglichen Strahlers übereinstimmt. Auf dieser Kontrollfläche
6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von Körperschall 491
befinden sich die zahlreichen Monopol- und Dipolquellen, die einen endlichen
Volumenfluss qn haben und eine endliche Kraft Fn ausüben, aber so klein sind,
dass sie keine Streukörper darstellen. Nach (6.33) und (6.42) ist also der von
der in Bild 6.34c skizzierten Strahleranordnung erzeugte Schalldruck durch
N N
jωρ0 −jk0 rn cos ϑ 1
p(x, y, z) = vn ΔSe + + jk0 pn ΔSe−jk0 rn
n=1
4πr n n=1
4πr n r n
(6.168)
gegeben. Dabei ist ϑn der Winkel zwischen dem jeweiligen Quellpunkt und
dem Aufpunkt x, y, z.
Im Grenzfall infinitesimal kleiner Flächen geht (6.168) in die Kirchhoff-
Helmholtzsche-Integralgleichung über, die ihrerseits eine vollständige Darstel-
lung eines Schallfeldes bei vorgegebenen Randbedingungen bietet. Gl. (6.168)
stellt also die diskretisierte Form der strengen Lösung des Abstrahlproblems
dar. Allerdings enthält (6.168) eine Schwierigkeit. Sie besteht darin, dass der
Schalldruck pn auf der Strahleroberfläche nicht von vornherein bekannt ist.
Man kann jedoch (6.168) in einer etwas abgewandelten Form auch auf die
Mittelpunkte“ der einzelnen Teilflächen anwenden und so N lineare Glei-
”
chungen (mit p1 , p2 , p3 . . . auf der linken Seite) für die N unbekannten Werte
von pn aufstellen. Die Lösung dieses Gleichungssystems ist (wegen der Stellen
rn ≈ 0 und wegen der Singularität der Koeffizientenmatrix bei gewissen Fre-
quenzen) nicht gerade einfach, aber mit Hilfe der im Zusammenhang mit der
Randelementmethode (boundary element method BEM) entwickelten Verfah-
ren ist sie möglich. Der numerische Rechenaufwand kann dabei - besonders
wenn viele Frequenzen interessieren - beträchtlich sein. Für solche Berechnun-
gen stehen heute kommerziell verfügbare Programmpakte zur Verfügung.
In Bild 6.34d ist noch ein weiteres Näherungsverfahren skizziert, das z.B.
in [6.36] und in [6.37] näher betrachtet wird. Auch dabei befindet sich kein
körperhafter Schallstrahler im Medium. Man geht wieder von einem allsei-
tig unbegrenzten Medium aus, in dem sich eine gewisse Anzahl von Schall-
quellen befinden. Diese Ersatzschallquellen können aus Monopolen, Dipolen,
Quadrupolen, . . . und Kombinationen daraus bestehen. Die Amplituden und
Phasen müssen nun so bestimmt werden, dass das von ihnen erzeugte Schall-
feld außerhalb der Kontur des ursprünglichen Strahlers dem Schallfeld der
interessierenden Quelle möglichst gleich (äquivalent) ist. Die zwei prinzipiel-
len Verfahren gehen entweder von Quellen vieler verschiedener Ordnungen an
ein und dem selben Ort aus, oder es werden örtlich verteilte Ersatzquellen an-
genommen. Beide Methoden führen auf ein System von linearen Gleichungen,
das numerisch gelöst wird.
492 6 Abstrahlung von Körperschall
Das betrachtete idealisierte Modell, bei dem eine ebene Schallwelle unter dem
Winkel ϑ auf eine ebene, unbegrenzte Wand auffällt, ist in Bild 6.30 skizziert.
Die Wand befindet sich in der Ebene y = 0. Da die einfallende Schallwelle von
der Trennwand teilweise reflektiert und teilweise durchgelassen wird, sind die
Schalldrücke und die y-Komponenten der Schallschnelle durch
%
[pi e−jk0 y cos ϑ + pr ejk0 y cos ϑ ]e−jk0 x sin ϑ für y < 0
p(x, y) =
pt e−jk0 y cos ϑ e−jk0 x sin ϑ für y > 0
%
cos ϑ −jk0 y cos ϑ
ρ0 c0 [pi e − pr ejk0 y cos ϑ ]e−jk0 x sin ϑ für y < 0
vy (x, y) = cos ϑ −jk0 y cos ϑ −jk0 x sin ϑ
ρ0 c0 pt e e für y > 0
(6.169)
gegeben. Der Zusammenhang zwischen vy und p ergibt sich aus dem Im-
pulssatz (siehe z.B. (6.48). Die Winkelfunktionen treten auf, damit p und
vy Lösungen der homogenen Schallfeldgleichung sind, siehe auch Abschnitt
6.4.3. Die Größen pi , pr und pt bezeichnen die Schalldruck-Amplituden von
auftreffender, reflektierter und durchgelassener Welle.
6.8 Anregung von Platten durch Schallwellen (Luftschalldämmung) 493
Wenn sich zu beiden Seiten der Wand nicht das gleiche Medium befindet,
verläuft die folgende Rechnung fast genauso. Mann muss lediglich im obigen
Ansatz für die Teilschallfelder für y < 0 und für y > 0 verschiedene Wellenwi-
derstände und verschiedene - aus dem Snellius’schen Brechungsgesetz folgende
- Einfalls- und Ausfallswinkel einsetzen.
Der die in der Ebene y = 0 befindlichen Wand anregende Druck setzt sich
aus der einfallenden, reflektierten und durchgelassenen Schallwelle zusammen.
Es gilt also
p(x, 0) = (pi + pr − pt )e−jk0 x sin ϑ . (6.170)
Da diese Druckverteilung die Form einer fortschreitenden Welle hat, kann man
unmittelbar die in Abschnitt 4.4.1 und 4.4.2 für mehrere Fälle angegebene
Trennimpedanz benutzen und erhält für die Schnelleverteilung der Wand
pi + pr − pt −jk0 x sin ϑ
vw (x) = e . (6.171)
Zτ ϑ
Dabei ist Zτ ϑ die Trennimpedanz für kx = k0 sin ϑ, weil die Anregung nach
(6.169) auf der ganzen Platte mit dieser Wellenzahl erfolgt. Die Wellenzahl
kz kann bei den hier behandelten Problemen, bei denen keine Richtungs-
abhängigkeit in der Plattenebene besteht, zu Null gesetzt werden (lediglich
bei orthotropen Platten wäre diese Vorgehensweise nicht zulässig). Benutzt
man nun noch als Randbedingung, dass zu beiden Seiten der Wand die Nor-
malkomponente der Mediumschnelle gleich der Wandschnelle sein muss, dann
erhält man für y = 0
cos ϑ p i + pr − pt cos ϑ pi + pr − pt
(pi − pr ) = ; pt = . (6.172)
ρ0 c0 Zτ ϑ ρ0 c0 Zτ ϑ
Daraus folgt für die Plattenschnelle und für die Amplitude des durchgelasse-
nen Schalldrucks
−1
2pi pt Zτ ϑ cos ϑ
vw = ; = 1+ . (6.173)
Zτ ϑ + 2ρ0 c0 / cos ϑ pi 2ρ0 c0
Aus (6.173) kann man nun auch den sogenannten Transmissionsgrad τ , also
das Verhältnis von durchgelassener Schallleistung Pt zu einfallender Schall-
leistung Pi und das Luftschalldämmmaß R ermitteln. Es ist
2 −2
Pt pt Zτ ϑ cos ϑ
τ=
= = 1 + (6.174)
Pi pi 2ρ0 c0
und
1 Zτ ϑ cos ϑ
R = 10 lg = 20 lg 1 + . (6.175)
τ 2ρ0 c0
Wie man sieht bildet die Trennimpedanz Zτ ϑ die entscheidende Größe für die
dämmende Wirkung der Wand. Insbesondere ist wichtig, ob sie bei der inter-
essierenden Frequenz und im betrachteten Winkelbereich verschwinden kann,
494 6 Abstrahlung von Körperschall
50
40
Schalldämmmaß R in dB
30
20
10
0
125 250 500 1000 2000 4000 8000
f/Hz
lassen sich auf Grund der Massendämmung unterhalb der Grenzfrequenz kei-
ne Schalldämmmaße von mehr als 45 dB erzielen. Eine Ausnahme hiervon
bilden nur sehr schwere und biegeweiche Materialien, wie Blei, Gummi oder
dergleichen.
Bei Frequenzen oberhalb der Grenzfrequenz gibt es, wie (6.176) zeigt, einen
durch sin ϑ = kB /k0 gegebenen Winkel, bei dem Zτ ϑ verschwindet. Bei die-
sem Winkel setzt die Platte dem Schall also keinen Widerstand entgegen, so
dass eine ungehinderte Übertragung erfolgt. Dieser Effekt tritt auf, wenn die
(freie) Biegewellenlänge λB mit der Spurwellenlänge der anregenden Schall-
welle λ0 / sin ϑ übereinstimmt und wird daher als ’Spuranpassung’ bezeichnet.
Es zeigt sich also die sehr wichtige Tatsache, dass die Richtungen maxi-
maler Anregung und maximaler Abstrahlung (siehe Abschnitt 6.4.3) identisch
sind. Dass die hierin enthaltene Reziprozität noch viel weitgehender ist, wird
der nächste Abschnitt zeigen.
Da man den Spuranpassungswinkel bei homogenen Platten auch durch
kB
sin ϑ = = fg /f (6.179)
k0
ausdrücken kann, nähert sich der Spuranpassungswinkel mit wachsender Fre-
quenz immer mehr dem senkrechten Schalleinfall. Für Winkel, die kleiner sind
als die durch (6.179) gegebene Grenze, wird die Trennimpedanz wieder zu ei-
nem Massenwiderstand, während man für größere Winkel die Näherung
496 6 Abstrahlung von Körperschall
schreiben.
Es wird nun angenommen, dass die Übertragung von der biegesteifen
Wand auf die biegeweiche Vorsatzschale nur über punktförmige Schallbrücken
6.8 Anregung von Platten durch Schallwellen (Luftschalldämmung) 497
geschieht und dass die Vorsatzschale so groß und gedämpft ist, dass die Bie-
gewellennahfeldabstrahlung überwiegt. Dann ist nach (6.141) die hiervon ab-
gestrahlte Leistung durch
8 2
Pt2 = ṽ ρ0 c0 nλ2g (6.182)
π3 2
gegeben, wobei ṽ2 der Effektivwert der Schnelle an den Brückenorten ist; n
bedeutet die Anzahl der Schallbrücken und λg die Wellenlänge bei der Grenz-
frequenz. Der Unterschied um den Faktor 2 zwischen (6.141) und (6.182) ist
darauf zurückzuführen, dass hier mit Effektivwerten gerechnet wird.
Mit Hilfe von (6.182) ergibt sich die Schalldämmung der Gesamtkonstruk-
tion zu
Pi Pi Pt1 ṽ 2 Sπ 3
R = 10 lg = 10 lg + 10 lg = R1 + 10 lg 12 2 (6.183)
Pt2 Pt1 Pt2 8ṽ2 nλg
498 6 Abstrahlung von Körperschall
Das zweite Glied dieser Gleichung ist offensichtlich die durch die Vorsatzschale
bewirkte Verbesserung des Schalldämmmaßes. Sie ist umso größer, je nachgie-
biger die Brücken sind (d.h. je größer ṽ12 /ṽ22 ), je weniger Brücken vorhanden
sind und je höher die Grenzfrequenz ist.
Ein Beispiel für die gemessene und gerechnete Verbesserung der Schall-
dämmung durch eine punktförmig befestigte, biegeweiche Vorsatzschale ist
in Bild 6.37 (oben) aufgetragen. Es handelt sich um eine Befestigung mit
starren Brücken (ṽ2 ≈ ṽ1 ) und um eine Vorsatzschale mit der Grenzfrequenz
von 2800 Hz. Wie man sieht, ist die Übereinstimmung bei den mittleren und
hohen Frequenzen relativ gut.
Bei tiefen Frequenzen macht sich zusätzlich zur Übertragung über die
Brücken auch noch die Übertragung über die eingeschlossene Luft- oder Fa-
serschicht bemerkbar, die genauso wie beim schwimmenden Estrich zu einer
durch 40 lg f /f2 beschreibbaren Verbesserung führt (siehe auch (6.180) für
ω1 ω2 und ω2 > ω). Dabei ist f2 die Resonanzfrequenz des Systems be-
stehend aus der Federsteife der eingeschlossenen Schicht und der Masse der
Vorsatzschale. Insgesamt ist also die Verbesserung ΔR des Schalldämmmaßes
durch eine punktförmig befestigte, biegeweiche Vorsatzschale durch
ṽ12 Sπ 3
ΔR = 40 lg(f /f2 ) oder ΔR = 10 lg (6.184)
8ṽ22 nλ2g
gegeben, wobei stets der kleinere der von den beiden Gleichungen gegebenen
Werte zu nehmen ist.
Eine ganz analoge Rechnung kann man auch für linienförmig (also bei-
spielsweise durch Latten) befestigte, biegeweiche Vorsatzschalen durchführen.
In diesem Fall ist - wie man aus (6.145) für ωm ρ0 c0 und der Balkenimpe-
danz nach (4.30) ausrechnen kann - die Abstrahlung des Biegewellennahfeldes
durch
2
Pt2 = ṽ22 ρ0 c0 nlB λg
π
gegeben, wobei wieder v2 die Schnelle an den Befestigungspunkten, n die
Anzahl der Brücken und lB die Länge einer Brücke bezeichnet. Für die Ver-
besserung des Schalldämmmaßes bei linienförmiger Befestigung ergibt sich
damit
ΔR = 40 lg(f /f1 )
oder
(6.185)
ṽ12 Sπ ṽ12 bπ
ΔR = 10 lg 2 = 10 lg 2 .
2ṽ2 nlB λg 2ṽ2 λg
Dabei bedeutet b den Abstand zwischen zwei Linienbrücken.
Ein Beispiel für die Verbesserung durch starr befestigte Linienbrücken ist
aus Bild 6.37 (unten) zu ersehen. Man erkennt, dass sich auch hier wieder bei
höheren Frequenzen eine konstante Verbesserung ergibt, die allerdings nied-
riger ist als bei Punktbrücken. Die mit starren Linienbrücken erreichbaren
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung 499
Im Zusammenhang mit der Anregung von Platten wurde bereits darauf hin-
gewiesen, dass bei der Berechnung der übertragenen Körperschallleistung fast
dieselben Ausdrücke auftreten, wie bei der Bestimmung der Abstrahlung. Au-
ßerdem zeigte sich auch im vorigen Abschnitt, dass die Richtungen maximaler
Anregung und Abstrahlung identisch sind. Diese Analogien sind nicht zufällig.
Sie sind vielmehr Ausdruck des in der ganzen Physik immer wieder vorkom-
menden Reziprozitätsprinzips, von dem auch in den anderen Kapiteln schon
mehrfach Gebrauch gemacht wurde.
Dieses Prinzip kann im Falle der Akustik folgendermaßen formuliert wer-
den: Wenn eine am Ort P1 angreifende Kraft F1 am Ort P2 die Schnelle v12
erzeugt, dann erzeugt eine Kraft gleicher Größe F2 = F1 , wenn sie am Ort P2
angreift, an der Stelle P1 ebenfalls die Schnelle v21 = v12 . Werden also Anre-
geort und Empfangsort vertauscht, dann bleibt das Verhältnis von anregender
Kraft zu gemessener Schnelle gleich; dabei ist nur noch zu beachten, dass die
Richtungen übereinstimmen, in denen in einem Fall die Kraft wirkt und im
anderen Fall die Schnelle gemessen wird.
Das Reziprozitätsprinzip kann man nicht nur auf das Feldgrößenpaar
Kraft/Schnelle (bei gleicher Richtung) sondern auch auf andere Feldgrößen-
paare, deren Produkt eine Energie oder Leistung ergeben, anwenden. Beispiele
sind die Paare Druck/Volumenfluss oder Moment/Winkelgeschwindigkeit.
Da im Folgenden aus dem Reziprozitätsprinzip noch weitreichende Schluss-
folgerungen gezogen werden, erscheinen einige zusätzliche Bemerkungen an-
gebracht. Hinsichtlich der theoretischen Begründung kann auf Lord Rayleigh
verwiesen werden, der zeigen konnte, dass das Reziprozitätsprinzip stets dann
gültig ist, wenn die Energie des betrachteten Systems - mit endlich vielen Frei-
heitsgraden - durch eine symmetrische quadratische Form beschrieben werden
kann. Neuere Untersuchungen an gekoppelten kontinuierlichen Systemen mit
unendlich vielen Freiheitsgraden geben im Prinzip dasselbe Ergebnis und zwar
zeigen die Rechnungen, dass das Reziprozitätsprinzip sicher angewandt wer-
den kann, wenn die Differentialgleichungen der Bewegung in den Ortsvariablen
500 6 Abstrahlung von Körperschall
symmetrisch sind. Nun sind aber, solange die Vorgänge linear sind und solan-
ge keine Strömungsvorgänge zu beachten sind, die im Rahmen der Akustik
vorkommenden Differentialgleichungen symmetrisch. Es gibt allerdings in der
Literatur auch unsymmetrische Differentialgleichungen; z.B. für die Bewegun-
gen von Zylinderschalen oder für die Schallausbreitung in porösen Stoffen. Es
handelt sich dabei jedoch immer um Näherungsgleichungen, bei denen die
Unsymmetrie durch kleine Vernachlässigungen entstand.
Man kann also das Reziprozitätsgesetz bei allen üblicherweise vorkom-
menden akustischen Problemen anwenden. Hinsichtlich der praktischen Ver-
wendung des Reziprozitätsprinzips ergeben sich manchmal Schwierigkeiten,
die jedoch immer darauf zurückzuführen sind, dass die Voraussetzungen für
die Gültigkeit nicht exakt erfüllt sind. So kann man zum Beispiel bei Luft-
schallmessungen Sende- und Empfangsort nur dann vertauschen, wenn sowohl
Sender als auch Empfänger die gleiche Richtcharakteristik, z.B. eine Kugelcha-
rakteristik, besitzen. Analog dazu muss man bei Körperschallproblemen stets
beachten, dass Reziprozität nur für Punktkräfte (oder wenn man Winkelge-
schwindigkeiten misst, nur für Momente) gilt und dass man die Richtungen
von Kraft und Schnelle zu beachten hat. Zur Vermeidung von Unklarheiten
wird das Reziprozitätsprinzip im Folgenden nur in der oben angegebenen ein-
fachen Fassung benutzt.
Es sei noch erwähnt, dass man das Reziprozitätsprinzip auch auf meh-
rere Quellen und Empfänger erweitern kann. Man kommt so zu dem Hea-
viside’schen Gesetz der wechselseitigen Energie. Dieses Gesetz ist bei vielen
messtechnischen Problemen sehr hilfreich. Es wird jedoch in diesem Buch
nicht benötigt.
ρ0 c20 T
p̃2 = P. (6.187)
13, 8V
Das Schalldruckquadrat an den Raumbegrenzungsflächen ist, falls diese ge-
nügend schwer sind, wegen der Reflexion im Mittel doppelt so hoch als der
durch (6.187) gegebene Wert. Es sei nun in einer Hallraumwand eine beweg-
liche Scheibe der Masse m und der Oberfläche S eingesetzt. Auch an der
Oberfläche dieser Scheibe beträgt das Schalldruckquadrat 2p̃2 , falls sie nur
genügend schwer ist.
Nimmt man weiter an, dass die Abmessungen der Scheibe für alle vor-
kommenden Frequenzen wesentlich kleiner sind als die Wellenlänge im um-
gebenden Medium,
dann kann man die Scheibe als eine Masse betrachten,
auf die die Kraft 2p̃2 S wirkt. Für das Quadrat der Scheiben-Schnelle gilt
demzufolge
2p̃2 S 2
ṽS2 = 2 2 . (6.188)
ω m
Durch Kombination von (6.186) bis (6.188) ergibt sich
ṽS2 ρ0 c20 T S 2
=α . (6.189)
F̃ 2 6, 9V ω 2 m2
Im umgekehrten Gedankenexperiment regt man die bewegliche Scheibe
mit der Punktkraft F an (Gedankenexperiment B), dann gilt
502 6 Abstrahlung von Körperschall
F̃ 2
ṽS2 = . (6.190)
ω 2 m2
Das Quadrat des erzeugten Schallflusses ist also q̃ 2 = S 2 ṽS2 . Da es sich nach
Voraussetzung um eine Quelle kleiner Abmessung handelt, ist die abgestrahlte
Leistung durch (6.31) (mit k0 a 1) gegeben. Es ist nur zu beachten, dass hier
mit Effektivwerten gerechnet wird. Die von der kleinen Scheibe abgestrahlten
Leistung beträgt also
ρ0 c0 2 2 2
P1 = k S ṽS , (6.191)
2π 0
wobei k0 die Wellenzahl im umgebenden Medium ist. Das mittlere Schall-
druckquadrat ergibt sich wie oben zu
ρ0 c20 T
p̃2 = P1 . (6.192)
13, 8V
Dieser so erzeugte Schalldruck regt nun die Ausgangskonstruktion zu Schwin-
gungen an, die wegen der Linearität proportional zum anregenden Druck sind.
Man kann also eine die Anregung charakterisierende Größe β einführen, die
den Zusammenhang zwischen Schallschnelle v des Untersuchungsobjektes und
Schalldruck p im Raum beschreibt:
ṽ 2 = β p̃2 . (6.193)
Auf (6.189) und (6.194) kann man nun das Reziprozitätsgesetz anwenden,
denn bei dem Gedankenexperiment wurden Punktkräfte verwendet und es
wurde Anregeort und Beobachtungsort vertauscht. Damit folgt als Endergeb-
nis
α k 2 ρ0 c0
= 0 . (6.195)
β 4π
Diese Gleichung besagt, dass man die Schnelle einer Platte oder einer an-
deren, ähnlichen Konstruktion, die durch ein statistisch verteiltes Schallfeld
angeregt wird, sofort angeben kann, wenn man die Leistung kennt, die die-
selbe Konstruktion abstrahlt, wenn eine Punktkraft auf sie wirkt. Man kann
also Anregung und Abstrahlung ineinander überführen, vorausgesetzt, dass
es sich um ein statistisch (d.h. über alle Einfallsrichtungen gleichmäßig) ver-
teiltes Schallfeld und um eine Punktkraft handelt.
Es muss noch betont werden, dass die Größen α und β im allgemeinen Fall
ortsabhängig sind. Beispielsweise ist bei einer mit Rippen versehenen Platte
die Größe α, d.h. die abgestrahlte Leistung, sehr verschieden, je nachdem, ob
die anregende Kraft auf eine der Rippen oder auf ein dazwischen liegendes
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung 503
Plattenstück wirkt. Analog dazu ist β, d.h. die Schnelle bei Schallfeldanre-
gung, sehr unterschiedlich, je nachdem, ob auf einer Rippe oder dazwischen
gemessen wird. Man muss also bei inhomogenen Konstruktionen immer dar-
auf achten, dass die Hilfsgrößen α und β für denselben Punkt gemessen wer-
den. Bei homogenen Konstruktionen liegen die Verhältnisse etwas einfacher,
denn in diesem Fall ist - wenn man von einem kleinen Gebiet in der Nähe
der Ränder absieht - die von einer Punktkraft erzeugte Schallleistung im Fre-
quenzmittel ziemlich unabhängig vom Anregeort. Demzufolge kann man dann
auch (6.195) auf das räumliche Mittel des Schnellequadrats anwenden (ähnlich
wie auch die Verwendung von (6.187) und (6.192) im Grunde genommen eine
Mittelung über viele verschiedene Raumformen darstellt). Die Tatsache, dass
(6.195) für jeden Punkt auf der Begrenzungsfläche eines Hallraums gilt, kann
man auch dazu benutzen, diejenigen Stellen eines Raumes zu finden, die am
unempfindlichsten“ gegenüber Punktkräften sind. Man regt dazu den fragli-
”
chen Raum durch Luftschall an und kann dann durch Körperschallmessungen
den Punkt finden, in dem die Schnelle - und damit auch β - am kleinsten ist.
Am selben Punkt ist wegen (6.195) auch α und damit die von einer Punktkraft
abgestrahlte Leistung am geringsten. Der gefundene Punkt eignet sich also als
Befestigungsort für körperschallerzeugende Maschinen und dergleichen. Die-
ses Verfahren empfiehlt sich natürlich besonders dann, wenn die Wände (wie
z.B. in einem Schiff) nicht homogen sind.
FB2 k02
|p2B | = . (6.198)
16π 2 R2
Darin ist pB der Schalldruck der einfallenden Welle, die die Struktur zu
Schwingungen anregt. Wegen der Linearität der Vorgänge sind einfallender
Druck und erzeugte Schnelle an jedem Punkt zueinander proportional; es gilt
also
2
|vB | = ε|p2B |. (6.199)
Die meist von Ort zu Ort variierende Größe ε hängt von den Eigenschaften
der Struktur sowie des Mediums und vom Winkel ab. Kombiniert man (6.196)
bis (6.199) so erhält man nach Anwendung des Reziprozitätsprinzips (d.h.
FA /vA = FB /vB )
γ ρ2 c2 k 2
= 0 0 20 . (6.200)
ε 16π
Wie man sieht, hängen also der bei Anregung mit einer Punktkraft ins Fern-
feld abgestrahlte Schall (beschrieben durch γ) und die Empfindlichkeit der
Struktur bei Anregung durch ebene Wellen (beschrieben durch ε) aufs Engs-
te miteinander zusammen. Wendet man (6.200) auf unendlich ausgedehnte
Strukturen mit der Trennimpedanz Zτ ϑ bei Schalleinfall aus der Richtung ϑ
an, dann ist nach (6.173)
2
|vw | 4
ε= = . (6.201)
|p2i | |Zτ ϑ + 2ρ0 c0 / cos ϑ|2
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung 505
Wendet man hierauf (6.200) an, dann erhält man den Zusammenhang zwi-
schen einer Punktkraft und dem Fernfeldschalldruck. Man kann sich leicht da-
von überzeugen, dass die Kombination von (6.200) und (6.201) gerade (6.135)
ergibt. Man hätte also beispielsweise (6.138) durch Integration von (6.173)
über alle Winkel ϑ erhalten können, indem man Zτ = jωm und ρ0 c0 statt
2ρ0 c0 eingesetzt hätte (weil sich das schallführende Medium in (6.138) nur auf
einer Seite befindet).
1 k02
R = 10 lg = 10 lg für f > fg . (6.203)
4ρ20 c20 β 16πρ0 c0 α
Setzt man das so erhaltene α in (6.203) ein, so folgt die auf einem ganz anderen
Wege ursprünglich über eine andere Ableitung von Cremer gefundene Formel
Pi p̃2 S ρ0 c20 T
R = 10 lg = 10 lg , (6.207)
Pt 4ρ0 c0 13, 8V p˜E 2
oder, wenn man zu Schalldruckpegeln übergeht,
T Sc0
R = LS − LE + 10 lg . (6.208)
55V
Über die an die Raumgröße und die Raumform zu stellenden Anforderungen
gilt dasselbe wie bei der Bestimmung der Schallleistung (siehe auch [6.27]).
Interessant für die Praxis ist, dass die Schalldämmung auch oberhalb der
Grenzfrequenz mit der Wandmasse zunimmt; daneben spielt aber auch noch
die Lage der Grenzfrequenz und der Frequenzgang der Dämpfung eine Rolle.
Dieser letztere Einfluss ist es, der es sehr schwierig macht, die Schalldämmung
oberhalb der Grenzfrequenz vorherzuberechnen, denn die Dämpfung hängt
nicht nur vom Material, sondern auch von der Art der Randbefestigung ab.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass bei extrem verschiedenen Befesti-
gungsarten trotz gleicher Wände bis zu 6 dB verschiedene Schalldämmmaße
gemessen wurden [6.18].
Manchmal verwendet man zum Vergleich mit Messungen die eindimensio-
nale Version von (6.205). Man erhält sie nach demselben Verfahren, indem
man von den Formeln für eine Linienanregung und einer etwas modifizierten
Form von (6.195) ausgeht. Das Ergebnis ist
m ω f
RE = 20 lg + 10 lg(2η) + 5 lg . (6.209)
2ρ0 c0 fg
Anregung. Die Schalldämmung wird also durch zwei Effekte gleichzeitig re-
duziert. In Wohnungen, in denen man sich auf die Betrachtung der Frequen-
zen zwischen 100 und 3200 Hz beschränkt, sollte man also keine homogenen
Trennwände mit Dicken zwischen 2 und 10 cm benutzen; denn wie Bild 6.28
zeigt, liegen die dazugehörigen Grenzfrequenzen bei den üblichen Materialien
zwischen 150 und 1500 Hz. Es bleibt also nur die Möglichkeit, die erforderliche
Schalldämmung durch relativ dicke, homogene Einfachwände oder durch inho-
mogene Wände (mit speziellen Maßnahmen zur Erhöhung der Grenzfrequenz)
oder durch Doppelwände zu erzielen.
In der Praxis ergeben sich oft Probleme daraus, dass für eine hohen
Luftschalldämmung schwere, biegeweiche Platten, sogenannte ’schlappe’ Mas-
sen, erforderlich sind, während aus statischen Gründen leichte, steife Wände
erwünscht sind. Es fragt sich deshalb, ob eine Parameterwahl möglich ist, bei
der (6.205) höhere Werte ergibt als das Massengesetz. Da der erste Term in
(6.205) gerade das Massengesetz darstellt, wäre die Frage zu bejahen, falls es
gelänge die Bedingung
2η f
>1
π fg
zu erfüllen. Leider scheint das in der Praxis nicht möglich zu sein. Die Gründe
sind:
• Falls man fg sehr niedrig legt, muss man sehr steife Konstruktionen ver-
wenden. Gleichzeitig müsste der Verlustfaktor mindestens etwa η = 0, 1
betragen oder noch größer sein. Es sind leider keine Materialien bekannt,
die sowohl die erforderliche hohe Steife als auch den notwendigen großen
Verlustfaktor aufweisen.
• Einige Oktaven oberhalb der Grenzfrequenz kommt man in einen Fre-
quenzbereich, in dem die übliche einfache Biegetheorie nicht mehr gültig
ist. Man muss also die Trennimpedanz der dicken Platte (Timoshenko-
Mindlin-Theorie) in (6.175) und ähnliche Formeln einsetzen. Die entspre-
chende Rechnung zeigt, dass dadurch die Schalldämmmaße gegenüber
(6.205) etwas verringert werden, so dass es eher schwerer wird, das Mas-
sengesetz zu überbieten.
• Man könnte schließlich noch versuchen, die Grenzfrequenz durch eine
große Vorspannung (Trennimpedanz nach (4.73)) deutlich zu verringern.
Setzt man jedoch Zahlenwerte ein, so sieht man, dass Vorspannungen,
die innerhalb der Grenzen der Materialbelastbarkeit liegen, die Grenzfre-
quenz nur geringfügig verschieben. Wenig erfolgversprechend ist übrigens
auch der Versuch, die Grenzfrequenz durch eine negative Vorspannung
(Zusammendrücken der Struktur) zu erhöhen. Bevor man einen für die
Schalldämmung auch merkbaren Effekt erzielt, wird die Beulgrenze des
Trennelements erreicht.
6.10 Anwendung der SEA auf Schalldämmprobleme 509
gegeben ist, aber daraus folgt nicht unmittelbar eine Beziehung für das Schall-
dämmmaß. Der Grund dafür besteht darin, dass zu den beiden Termen in der
Klammer von (6.210) verschiedene Schwingungsformen und damit auch ver-
schiedene Abstrahlgrade gehören. Der erste Term repräsentiert die sogenann-
ten erzwungenen Wellen, die als Wellenlänge die Spurwellenlänge λ0 / sin ϑ des
einfallenden Schalls besitzen, während es sich bei dem zweiten Term um Biege-
wellen handelt. Bei den erzwungenen Wellen weiß man, dass ihr Abstrahlgrad
σE > 1 ist. Für die freien Wellen gilt dagegen unterhalb der Grenzfrequenz
σF < 1. Setzt man nun die mit den Abstrahlgraden σE und σF modifizierte
Formel (6.210) in (6.202) ein, so folgt
ω 2 m2 π fg σσF
R = 10 lg − 3 − 10 lg σ E + (6.211)
4ρ20 c20 4 f η
6.10.1 Nebenwegübertragung
In Gebäuden, Schiffen und anderen komplexen, hochgradig aus vielen Teilen
zusammengesetzten Strukturen wird Luftschall nicht nur über die eigentli-
che Trennwand sondern auch über die flankierenden Seitenwände und Decken
übertragen (siehe auch Bild 6.41). Diese sogenannte Nebenwegübertragung
(oder Flankenübertragung) ist bei homogenen Einfachwänden oft fast eben
so groß wie die Übertragung auf dem direkten Weg. Fast immer muss man so-
gar mit einer überwiegenden Nebenwegübertragung rechnen, wenn als Trenn-
element eine gute Doppelwand eingebaut ist, die flankierenden Wände und
Decken jedoch nur aus einschaligen Platten bestehen.
Zur Berechnung der Schallübertragung über die verschiedenen Nebenwe-
ge oberhalb der Grenzfrequenz eignet sich die SEA. Da ein Gebäude oder
Schiff aus vielen Räumen, Wänden und Decken besteht, wird ein vollständi-
ges SEA-Gleichungssystem meist sehr groß. Man begnügt sich daher oft mit
der Betrachtung einen Ausschnitts (Bild 6.41 unten). Geht man von (5.301)
aus und setzt entsprechend (5.311) cvμ = mν ωηvμ , so erhält man
m1 v12 ωη1 =Pi1 /ω
m2 v22 ω η2 + η2ν = mν ωvν2 ην2
ν=3,5,6,8 ν=1,3,5,6,8
.. ..
. .
(6.212)
m5 v52 ω η5 + η5ν = mν ωvν2 ην5
ν=2,4,6 ν=1,2,4,6
.. ..
. .
m9 v92 ωη9 = mν ωvν2 ην9 .
ν=2,6,7,8
6.10 Anwendung der SEA auf Schalldämmprobleme 511
) ) )
l q
) )
.
k o
m j , p
) )
n o
) ) )
l q
m p o
j k
n o
π fg2 p21
P12 = S2 . (6.213)
2 f ωρ2 h2
• für die Schnelleverhältnisse
Nach (6.214) strahlt jede flankierende Wand ein Viertel der Luftschallleistung
in dem Empfangsraum ab, die von der Trennwand direkt übertragen wird.
Da aber alle flankierenden Wände zusammen eine wesentlich größere Fläche
bilden als die Trennwand gilt als Faustregel, dass die direkte Übertragung und
die gesamte Nebenwegübertragung bei identischen Wänden etwa gleich groß
sind.
Wenn die einzelnen Bauteile nicht gleich sind, dann empfiehlt sich die
numerische Lösung von (6.212). Die dabei erhaltenen Ergebnisse stimmen mit
den entsprechenden Messdaten im Frequenzmittel gut überein (siehe [6.32]).
6.10.2 Doppelwände
Wendet man die Grundgleichungen der SEA (5.301) auf die in Bild 6.42 skiz-
zierte Doppelwand ohne Schallbrücken und ohne Nebenwege an, dann erhält
man nach (5.301)
k d l
W21
j Wt
p12 m2 m3
v22 v32
pz2
von v2 liefert
m3 v32 ω(η2 η3 + η2 η32 + η3 η23 ) = P12 η23 . (6.217)
Die inneren Verluste und die Körperschallableitung in die Umgebung sind
durch η2 und η3 repräsentiert, η23 und η32 stellen die Kopplungsverlustfakto-
ren dar. Für die weitere Rechnung empfiehlt es sich, die durch (6.175) defi-
nierten Transmissionsgrade τ2 und τ3 der beiden Wände einzuführen, die die
6.10 Anwendung der SEA auf Schalldämmprobleme 513
m2 S2 ωη2 2
P12 = τ2 p1 (6.219)
4ρ20 c20
angeben.
Für die Ermittlung von η23 wird die Leistung P23 abgeschätzt, die von
Wand 2 nach Wand 3 übertragen wird. Dazu kann man wieder (6.213) be-
nutzen. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass das Schalldruckquadrat
p2z vor einer Wand wegen der Reflexion an ihr doppelt so hoch ist wie das in
(6.213) eingehende, über den ganzen Senderaum gemittelte Schalldruckqua-
drat p21 . In Analogie zu (6.219) gilt also
und
v32 τ3 p2z 1
= . (6.222)
v22 4ρ20 c20 2v22 1 + η32 /η3
Analog zu (6.202) folgt daraus für das Schalldämmmaß der Doppelwand
4ρ20 c20 2v22 η32 η23
RD = R2 + R3 + 10 lg + 10 lg 1 + + . (6.223)
p2z η3 η2
stark gekoppelt, sie verhalten sich demnach wie eine Einfachwand gleicher Ge-
samtmasse. Etwa kann das Dämmmaß dann nach Gl.(6.205) bestimmt werden,
wobei für η und fg zur Sicherheit die ungünstigeren Werte - also meist die der
dickeren Wand - benutzt werden sollten.
Oberhalb der Abstimmfrequenze, also für f > 1, 4fA , besteht eine nur
schwache Kopplung zwischen den Teilwänden. Hier entfaltet quasi die ’Dop-
pelschaligkeit’ erst ihre Wirkung. Man kann dann jedenfalls für die Luft-
schalldämmung voraussetzen, dass die von einer Teilwand in die andere über-
tragene Leistung wesentlich keiner ist als die in den Wänden selbst verloren-
gegangene Leistung, es gilt also η23 << η2 und η32 << η3 . Für Gl.(6.223)
genügt es dann, das Verhältnis v22 /p2z zu bestimmen.
Dazu sei zunächst eine Zwischenschicht aus einem dünnen, lokal wirken-
den elastischen Material oder eine dünne Luftschicht betrachtet, die zumin-
dest teilweise mit Schallschluckstoff (Fasermaterial) gefüllt ist. In diesem Fall
kann man die mechanischen Eigenschaften der Zwischenschicht durch eine
Federsteife pro Flächeneinheit s beschreiben. Sie ergibt sich aus dem Kom-
pressionsmodul K und der Schichtdicke d zu
Bei dünnen Luftschichten gilt K = ρ0 c20 . Dabei ist ρ0 die Dichte der Luft
und c0 die Schallausbreitungsgeschwindigkeit, die wegen der Wärmeableitung
an das Fasermaterial (isotherme statt adiabatischer Kompression) nur bei
den tiefsten Frequenzen (unter etwa 200 Hz) um höchstens 20% niedriger ist
als die ’normale’ (adiabatische) Schallausbreitungsgeschwindigkeit. Gl.(6.226)
gilt für eine dünne Zwischenschicht, deren Schichtdicke d kleiner sein soll als
ein Sechstel der Wellenlänge im Zwischenschichtmaterial.
Bei der hier angenommenen schwachen Kopplung der beiden Wände mit
v32 v22 kann man annehmen, dass der Druck pz alleine durch die Steife s
und die Bewegung v2 /ω der Wand 2 bestimmt ist. Es gilt also
2
s
p2z = v22 . (6.226)
ω
Setzt man hier den Steifewert s = ρ0 c20 /d für eine Luftschicht ein, so er-
kennt man, dass der Ausdruck 20 lg (2ρ0 c0 ω/s ) = 20 lg (2ωd/c0 ) für die hier
vorausgesetzten dünnen Zwischenschichten d < c0 /ω stets negativ ist.
Bis auf den Summand 3 dB wurde (6.228) von Gösele [6.34] auf einem
anderen Wege abgeleitet. Er konnte auch zeigen, dass die von ihm berechneten
Werte gut mit Messdaten übereinstimmen. Auch die Rechenwerte nach (6.228)
unterscheiden sich nicht stark von den Messdaten.
6.10 Anwendung der SEA auf Schalldämmprobleme 515
Wenn die Zwischenschicht aus Luft besteht und ihre Dicke größer ist als
eine halbe Luftschallwellenlänge, dann kann man den Zwischenraum in grober
Näherung als einen Hallraum betrachten. Oberhalb der Grenzfrequenz wird
in ihn die Leistung
Pz = ρ0 c0 Sz v22 (6.228)
eingestrahlt. Der davon erzeugte Schalldruck beträgt dann näherungsweise
c0 2
p2z = ρ20 c20 v für d > c0 /2f . (6.229)
ωdηz 2
Darin gibt ηz den Verlustfaktor des Zwischenraumes an, der z.B. durch Nach-
hallzeitmessungen bestimmt werden könnte.
Die noch nicht näher bestimmte Abstimmfrequenz fA lässt sich am ein-
fachsten dadurch abschätzen, dass die nach Gl.(6.229) berechnete Doppel-
wanddämmung für f = fA gleich der Dämmung der gleich schweren Einfach-
wand sein soll. Allerdings handelt es sich bei der so definierten Abstimm-
frequenz um eine reine Rechengröße, denn in ihrer Umgebung stimmt weder
Gl.(6.229) noch die Einfachwand-Gleichung. Vielmehr ist die Dämmung der
Doppelwand wegen einer globalen Resonanz in f = fA schlechter als die der
gleich schweren Einfachwand.
Es ist bekannt, dass eine Wand, die aus mehreren, starr miteinander gekop-
pelten Schichten besteht (siehe Bild 6.43), in breiten Frequenzbereichen eine
geringere Schalldämmung aufweist als eine gleichschwere Einfachwand aus
demselben Material. Für eine prinzipielle Erklärung dieses Phänomens, das
besonders bei schwach gedämpften Materialien auftritt, kann wieder die SEA
herangezogen werden. Mit den in Bild 6.43 angegebenen Benennungen lauten
die SEA-Gleichungen
516 6 Abstrahlung von Körperschall
Für Gl.(6.230) ist implizit angenommen worden, dass die Abstände zwischen
den Schallbrücken größer sind als wenigstens eine halbe Biegewellenlänge,
denn nur dann handelt es sich bei den Teilflächen zwischen den Schalldrücken
um einzelne resonanzfähige Systeme, die für die SEA vorausgesetzt werden
müssen.
Man müsste nun eigentlich aus den Formeln in Abschnitt 5.8.2 einen Aus-
druck für den Kopplungsverlustfaktor durch eine starre Schallbrücke ausrech-
nen, dies in (6.230) einsetzen und dann das lineare Gleichungssystem lösen.
Es soll hier jedoch nur das prinzipielle Verhalten untersucht und angenom-
men werden, dass die sogenannte starke Kopplung im Sinne der SEA vorliegt.
Diese Annahme ist in der Praxis oft erfüllt. Bei starker Kopplung sind die
Eigenverlustfaktoren η1 , η2 , . . . kleiner als die Kopplungsverlustfaktoren η23 ,
η32 , . . .. Nach (5.323) lassen sich dann die Schnelleverhältnisse durch
vν2 ΔNμ mν
= (6.231)
vμ2 ΔNν mμ
ausdrücken.
Addiert man alle Gleichungen in (6.230) so kompensieren sich die Terme
mit den Kopplungsverlustfaktoren. Nimmt man der Einfachheit halber außer-
dem noch an, dass alle Teilschichten gleich sind (m2 = m3 . . ., η2 = η3 . . .,
ΔN2 = ΔN3 . . .), so erhält man für die Vierschichtwand nach Bild 6.43
π fg2 p21
N m5 v52 ωη5 = S2 . (6.232)
2 f ωρ2 h2
Dabei wurde wieder (6.213) benutzt. N gibt die Anzahl der Schichten an, hier
ist also N = 4. Mit der schon im letzten Abschnitt benutzten Vorgehensweise
erhält man für das Schalldämmmaß der Mehrschichtwand
Dabei ist berücksichtigt, dass bei der Schalldämmung oberhalb der Grenz-
frequenz die größere Dicke zu einer größeren Masse und zu einer niedrige-
ren Grenzfrequenz (fg2 ∼ 1/h2 ) führt. Diese einfache Abschätzung macht es
verständlich, warum Trennelemente, die große innere Hohlräume aufweisen
(z.B. Hohlkörperdecken) und bei denen die einzelnen resonanzfähigen Teil-
systeme starr verbunden sind, eine geringere Schalldämmung aufweisen als
gleich schwere Einfachwände. Offensichtlich ist es für die Luftschalldämmung
günstig, die Gesamtmasse auf möglichst wenig Schichten zu verteilen.
Literatur
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6.25. Liamshew, L.M.: Doklady Akad. Nauk, SSSR, 125, (1959), p.6
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6.27. DIN EN ISO 140-1: Akustik - Messung der Schalldämmung in Gebäuden und
von Bauteilen
6.28. Gösele, K.: Proc. Third International Congress on Acoustics, Stuttgart, El-
sevier, (1961), p.989
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6.30. Lyon, R.H.; DeJong, R.G.: Theory and application of statistical energy ana-
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6.31. Crocker, M.J.; Price, A.J.: J. Sound Vib., 9, (1969), p.469
6.32. Wöhle, W.: Statistische Energieanalyse der Schalltransmission, Absch. 1.10
in Taschenbuch Akustik (ed. Fasold, Kraak, Schirmer) VEB Verlag Technik,
Berlin 1984
6.33. Gösele, K.; Schüle, W.: Schall Wärme Feuchte, 9. Auflage § A-423, Bauverlag,
Wiesbaden 1989
6.34. Gösele, K.: Acustica, 45, (1980), S.218
6.35. Möser, M.: Technische Akustik, 7. Auflage, Springer, Berlin (2007)
6.36. Machens, K.: Dissertation, TU-Berlin
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