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Am Rande der Biografie des Propheten

Auftakt

Die folgenden Seiten wurden nicht Gelehrten oder Historikern geschrieben; Ihnen liegt keine
Wissenschaft oder Historie zugrunde. Diese sind nur Ausdruck eines Bildes, das sich mir offenbarte,
und welches ich zügig niederschrieb, ferner sah ich keinen Einwand in deren Veröffentlichung. Diese
Seiten lassen Teile der alten Literatur zwischen den Leuten widerhallen, Teile, die Ihnen entschlüpft
und unerwünscht geworden sind. Sie sprechen nur die Leser an, denen eine breite und tiefe Bildung
der alten arabischen Literatur vergönnt ist. Du suchst sicher Leute, die die Bücher der Alten über den
Werdegang des Propheten und Erzählungen der Araber in den Zeiten vor den ersten Schritten des
Islams lesen, findest diese aber kaum vorhanden.

Heute lesen Leute nur das, was ihnen die kontemporären Literaten und Erzähler vorlegen, mit ihrer
spezifischen oder fremden Sprache, die weitverbreitet im Nahen Osten ist. Leser finden in diesen
Büchern eine Einfachheit und Schlichtheit, Genuss und Lust, welches sie verführt und ihr Verlangen
erweckt. Was die alte Literatur betrifft, so ist diese zu lesen schwer, das Verstehen derselben noch
schwerer, man findet darin nur beschwerlich Genuss. Wo ist überhaupt der Leser, der beruhigt die
langen Überlieferketten durchgeht, und den Auskünften sich widmet, welche, verwickelt durch
Abschweifungen, dessen alte und unvertraute Sprache auf dem Wege des leichten Verstehens und
Genusses, das keine Schwierigkeit und Müde bereitet, in die Irre führt.

Dies alles folgt aufgrund der Tatsache, dass die alte Literatur nicht entstand, um beständig und stabil
zu sein, sich nicht verändernd und wandelnd, dass die Leute in diesem nicht nur Genuss finden,
indem sie sie lesen und wiederlesen, auswendig lernen und sich diesem eifrig widmen. Fruchtbare
Literatur ist in Wahrheit nur die, die dich erfreut beim Lesen, denn sie gibt dir das, was deinen
Verstand und Gefühl befriedigt, indem sie dir Dinge suggeriert die nicht vorhanden sind, und dich
inspiriert mit Gedanken, die sich im Text nicht auffinden, und dir von ihrer Fruchtbarkeit, Reichtum
und Stärke verleiht. Sie lässt dich allmählich wie die Alten reden, und beständigt sich nicht in deinem
Herz, bis sie es zu einem Ebenbild deren gemacht hat, oder es nach ihr sich abgebildet hat; indem du
diese Literatur den Leuten wiedergibst, versehst du diese mit einer neuen Gestalt, die mit ihrem
Leben, das sie leben, ihren Gefühlen, die in deren Herzen aufbrausen, und Gedanken, die sich in
deren Köpfen tummeln, übereinstimmend ist.

Dies ist die lebendige Literatur. Die Literatur, die des Bestehens und Widerstandes gegen die Zeit,
fähig ist. Was die Literatur betrifft, deren Wirkung nach dem Lesen vergeht, diese hat vielleicht ihren
Wert und Reichtum, aber ist sie eine eingeschränkte, die nicht, nach der Zeit in der sie entstand,
Einfluss übt. Schauest du aber in Literatur der Alten und Neuen, so würdest du sicher feststellen, dass
es nicht möglich ist, eine gewisse Gruppe von Ihnen einer bestimmten Zeit, Umgebung oder
Generation, unterzuordnen. Denn diese Gruppe schreibt für alle Zeiten, Umgebungen und
Generationen. Dies liegt nicht nur anhand dessen, dass sie Leute, die Zeiten, Umgebungen und
Generationen hindurch, in Entzücken versetzt, sondern auch, weil sie die Leute inspiriert und aus
Ihnen Poeten, Autoren und Gewandte in der Kunst generell, macht.
Die Unsterblichkeit der Ilias liegt nicht nur daran, dass sie durch deren Durchlesen Freude und
Verwunderung, zu jeder Zeit und an jedem Ort, hervorbringt. Doch kommt es auch daher, dass sie
Autoren und Poeten inspiriert und diese mit der bewegendsten Bildersprache einflößt. Schon sagte
Äschylus, Vater der griechischen Tragödie, dass er nur das, was vom Tische Homers fällt, auffängt.
Und noch heute ist es den Erzählern und Poeten des Theaters und Gesanges angemessen die Worte
Äschylus, zu welchen er sich vor fünfundzwanzig Jahrhunderten bekannt gab, zu wiederholen. Die
Geschichten des Äschylus und der anderen griechischen Theater-Poeten waren nicht weniger
schöpferisch als die Ilias; vielmehr ermutigten diese Geschichten Autoren und Poeten, neu und alt,
und bleibt bis Heute und Morgen imstande dies zu tun.

Ich erinnere mich des Lesens einer Theater-Erzählung, vor einigen Jahren, welche die
achtunddreißigste ihrer Art ist, deren Verfasser ´´Giraudoux´´ sie so nannte, und so hieß der Titel
´´ Anfitrion Nummer 38´´. Es war eine Fabel über Herkules, daher schilderte sie Sophokles als eine
Theater-Erzählung im fünften Jahrhundert v.Chr.. Noch sind zeitgenössische Poeten und Autoren aus
Griechenland, Rom und Europa durch Ihn beeinflusst und folgen seinen und anderen Anschauungen,
im Schildern dieses Themas, bis die Nummer dieser Erzählungen, in Prosa und Poesie, die darüber
geschrieben wurden, diese immense Zahl erreichte.

Die Meister der Theater-Erzählung schreckten vor diesem Thema nicht zurück, weil ihnen andere
zuvorgekommen sind, vielmehr zog es sie noch mehr an und widmeten sich diesem mehr. Zwischen
denen die dieses Thema behandelten ist der lateinische Poet ´´Plaut´´, und der französische Poet
´´Moliere´´. Daher scheute sich Giraudoux nicht ein Thema zu behandeln, bei welchem ihm die
Meister der Theater-Poesie, alt und neu, zuvorgekommen sind, sodann schilderte er seine Erzählung,
die sogenannte achtunddreißigste und präsentierte diese dem Publikum im Jahre 1929, die ein
großer Erfolg war, und das Staunen der Leser nahm kein Ende.

Und in unserer arabischen Literatur nebst ihrer eigentümlichen Kraft, die Lustempfindung und
Genuss garantiert, vermögt diese auch zu inspirieren und einzuwirken. Die Erzählungen der
vorislamischen Araber wurden überhaupt nicht aufgezeichnet oder in ihrer ursprünglichen Form
erhalten, sondern waren es die Erzähler, die diese wiedergaben in Form von Geschichten, und
welche die Autoren, in verschiedenen Abwandlungen, niederschrieben. Dasselbe lässt sich von der
Biografie des Propheten sagen; sie hat die Autoren und Poeten in den meisten Zeiten und Ländern
des Islam dazu veranlasst diese in allerlei Formen, deren Kraft, Schwäche und künstlerische
Schönheit variierte, wiederzugeben. Dasselbe kann von den Kriegszügen und Eroberungen,
Versuchungen und Prüfungen, die die Araber in verschiedenen Zeiten heimgesucht haben, gesagt
werden. Die Inspiration dieses großen literarischen Erbes hielt nicht inne bei den Autoren und
Poeten, welche, im Hocharabischen, ihre Prosa ausschmückten und Verse schrieben, sondern
verbreitete sich, über diese hinaus, zu den Volks-Erzählern, die die Leute in verschiedenartiger Weise
ansprachen, und erzählten über deren Vorvätern prächtigen Ruhm, düsteren Prüfungen und
Versuchungen, die diese überfielen, und wie sie dessen, standfest und geduldig, als edle Gewinner,
mächtig wurden. Es gäbe keinen Nutzen von den Alten, wenn sie uns, die Zeitgenossen, nicht
ermutigen würde und uns zur einzigartigen Bildersprache, in Prosa oder Poesie, motivierte. Die Alten
würden nicht ewig leben, wenn sie nur sich gleichen suchten, oder dass man sich bloß über sie nur
durch ihre Diwane Einblick verschafft. Die Alten sind nur dadurch ewig, indem sie die Herzen der
Generationen, wie auch weit der Abstand zwischen den beiden lag, voll von deren Bildern und Taten
sind. Sie waren das Gespräch, wenn sie sich mit Leuten trafen, und Schätze, in dem die Autoren und
Poeten ihren Nutzen, zur Erweckung von poetischen Formen und Sprachkünsten, fanden.
Nach dieser Form der Erweckung der alten Literatur und von dem Standpunkte des Gedenkens an die
ersten Araber, strebte Ich, indem Ich die Kapitel dieses Buches diktierte, Ich dachte über dieses nicht
wirklich nach; noch beurteilte Ich es, noch habe ich dessen Entstehung und Verfassung,
autorengemäß, beabsichtigt; Ich wurde nämlich dazu gedrungen, und genötigt. Ich sah mich die
Biografie des Propheten lesend und meine Seele sich damit füllend, mein Herz damit überfließend
und meine Zunge Worte aus ihr ausstoßend, und plötzlich fand Ich mich diese Kapitel diktierend und
hoffe dass ihnen Andere in der Veröffentlichung folgen werden.

Demzufolge befinden sich in diesem Buche keine Affektiertheit, noch Versuche zur Geschicklichkeit,
dieses ist nur eine kleine, natürliche und ehrliche Wiedergebung von manchem Gefühl, das Ich in mir
fand beim Durchlesen dieser Biografien, die für mich keines Gleichen haben, und dessen
mehrmaliges Wiederlesen mir keine Langeweile bereitet, noch nimmt meine Liebe und mein
Bewundern derselben ein Ende, noch mein Eifer dass sie die Leute doch lesen mögen. Doch die Leute
lesen diese leider nicht, denn sie möchten oder wollen dieses nicht. Aber wenn dieses Buch den
jungen Leuten das Lesen der Bücher über den Werdegang des Propheten, und der alten arabischen
Literatur, und des Auffindens von Genuss in deren fruchtbaren Seiten, nahelegt, so bin Ich glücklich,
dass es mir gelang, meiner meist geliebten und bevorzugten Sache, Zuneigung hervorzurufen.

Falls dieses Buch es schafft Liebe in das Herz der jungen Generation für´s Leben der ersten Araber
hervorzurufen, und deren Aufmerksamkeit darauf zu wenden, dass in der Einfalt und Einfachheit
dieser Araber Schönheit liegt, die dem heutigen komplizierten Leben, an Anmut und
Herzdurchdringlichkeit, in Nichts nachsteht, dann bin Ich glücklich und es ist mir gelungen was Ich
erhoffte zu volltun.

Und falls dieses Buch die Jugend zur Ausnutzung des ersten Lebens der Araber, und dessen
Ansichnehmen als ein wertvolles und fruchtbares Thema, nicht nur zur wissenschaftlichen
Produktion in Gebieten der Geschichte oder Bezeichnungs-Literatur, sondern auch in der Produktion
einer rein aufbauenden Literatur, veranlasst, so bin Ich glücklich und mir ist gelungen was Ich mir
erhoffte.

Und falls dieses Buch es schafft die junge Generation davon zu überzeugen, dass das Alte nicht
notwendig gescheut werden muss nur weil es alt ist, und dass das Neue nicht notwendig erwünscht
werden muss nur weil es neu ist. Das Alte sollte gescheut werden im Falle dass es von keinem Nutzen
ist, doch wenn es nützlich sein sollte, so sind die Leute in dessen Bedarf wie das Neue, so bin Ich
glücklich und es ist mir gelungen was Ich erhoffte.

Ich weiß dass manche Leute durch dieses Buch bedrückt sein werden, weil sie Kontemporäre sind,
die dem Verstande huldigen, und nur diesem vertrauen und sich bei ihm sicher fühlen. Deshalb sind
diese mit vielen der Auskünfte und Gesprächen, welche der Verstand nicht billigen kann, bedrückt
und unzufrieden. Sie meckern beharrlich wen sie dem Volk eine große Zuneigung zu diesen
Berichten, deren Ernsthaftigkeit in Verlangen, Lesen und Anhören derselben, ansehen. Sie bemühen
sich das Volk von diesen Erzählungen und Berichten und dessen Ausnutzung ihrer Macht, die den
Verstand verderben.Sie werden durch dieses Buch einigermaßen bedrückt sein, denn diese werden
darin von Erzählungen und Berichten lesen, gegen welche sie Krieg erklärt haben und gegen welche
sie sich vorgenommen haben diese aus den Seelen der Leute zu beseitigen. Ich würde diese gerne
wissen lassen dass der Verstand nicht alles ist, und dass die Leute auch andere Gaben besitzen, deren
Sättigung und Befriedigung nicht weniger Not tut als die des Verstandes, und dass diese Erzählungen
und Berichte, auch wenn sie nicht den Verstand beruhigen, und die Logik zufrieden stellen, und den
Methoden des wissenschaftlichen Denkens darin keinen Platz einräumen, so sind die Herzen und
Gefühle der Leute, deren Vorstellungskraft und Neigung zur Einfalt, deren Erholung von der Schwere
und Leiden des Lebens, das ist, was ihnen diese Erzählungen nahe legen und sie vorantreiben
Entspannung zu suchen wenn ihnen das Leben zur Last fällt. Es besteht ein großer Unterschied
zwischen dem der diese Erzählungen dem Verstande so präsentiert als währen sie Tatsachen, die die
Wissenschaft und Forschungsmethoden billigen, und dem der sie den Herzen und Gefühlen in einer
Weise darstellt, die die Gefühle für´s Gute reizt, die Antriebe zum Bösen abhält, und zur Ausnutzung
der Zeit und Erduldung der Lasten und Verpflichtungen des Lebens, hilft.

I würde gerne die Leute auch wissen machen dass ich mir freie Hand gab in meiner
Geschichtserzählung, und war frei in der Gestaltung von Auskünften und Gesprächen, in Fällen, in
denen Ich darin nichts Schlimmes sah, außer wenn sich die Gespräche an die Persönlichkeit des
Propheten oder der Religion knüpfen. In diesem Falle habe Ich mir keine Freiheit erlaubt, sondern
hielt mich an die Prinzipien der Vorgänger im Felde der Biografie, Aussagen des Propheten,
Überlieferungen und Glaubensgelehrtheit. Diejenigen die die Kapitel dieses Buches, alt in Substanz
und Kern, neu in Bilde und Form, zu dessen Quellen verfolgen wollen, aus denen der Autor geschöpft
hat, werden dabei keine Mühe haben. Diese Quellen sind sehr wenige, die über die Biografie von Ibn
Hischam, die ´Tabaqaat´ von Ibn Sa´d, und die ´Geschichte´ von Taberi, kaum hinausgehen. Im Falle
dass sich eine Auskunft an den Propheten knüpft, so folge Ich der Quelle, damit man diese leicht in
der Quelle aufsuchen kann. In diesem Tun trage Ich keine besondere Verantwortlichkeit, denn Ich
schlage keinen besonders neuen Weg ein, außer dass Ich in Erläutern und Schlussfolgerung
ausführlich bin, womit Ich mir die Nähe des Lesers Herzen erhoffe.

Möge Allah s.w.t. den Weg dieses Buches zu den Herzen der Leute erleichtern und möge Er diesem
einen schönen Platz in den Herzen hinterlassen.

Dezember, 1933

Taha Husayn

Übersetzt aus dem Arabischen, Kajgana Edwin kajganae@gmail.com

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