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10 Netzrückwirkungen

Stromrichterschaltungen entnehmen dem speisenden Netz im Allgemeinen nicht sinusförmige


Ströme. Die Wirkung nicht sinusförmiger Ströme auf das speisende Netz führt zu den Er-
scheinungen:
À Blindleistung,

À Stromoberschwingungen,

À Spannungsoberschwingungen.

Diese Erscheinungen werden zusammenfassend als Netzrückwirkungen bezeichnet.

10.1 Blindleistungsverhalten
Ausgehend von einer gesteuerten M2-Schaltung nach Abb. 10-1 kann man feststellen, dass der
Netzstrom iN der Netzspannung uN um den Phasenverschiebungswinkel ˍ1 nacheilt. Das
bedeutet, dass der Stromrichter über die Stromgrundschwingung iN,1 eine induktive Blind-
leistung Q1 bezieht. Neben der Stromgrundschwingung iN,1 enthält der Netzstrom abhängig
von der Kurvenform zusätzliche Oberschwingungen. Zusammen mit der Netzspannung UN
entsteht eine Oberschwingungsblindleistung, die als Verzerrungsleistung D bezeichnet wird.
Wie Abb. 10-1 zeigt, sind der Phasenwinkel der Grundschwingung, ˍ1, und der Steuerwinkel
ʱ identisch, weshalb die Grundschwingungsblindleistung Q1 auch als S te u e r b li n d le is t u n g
bezeichnet wird. Dieser Zusammenhang gilt auch bei höherpulsigen Schaltungen.

uN
u D uN
iN i
iN,1

uS1 uS2 iN

L
Zt
Udi M
id ˍ1

Abbildung 10-1 Gesteuerte M2-Schaltung mit Netzgrößen, id = konstant, idealer Transformator

Wirkleistung: P U N I N,1 cos ˍ1 mit cos ˍ1 = Verschiebungsfaktor (10-1)


166 10 Netzrückwirkungen

10.1.1 Die Kennlinie der Steuerblindleistung


Wird bei der Schaltung nach Abb. 10-1 bei konstantem Gleichstrom Id der Steuerwinkel ʱ von
0° bis zum Maximalwert von 180° verändert, so gelten folgende Zusammenhänge:

Grundschwingungsscheinleistung: S1 U N I N,1 konstant


Grundschwingungsblindleistung: Q1 S 1 sin ˍ1 U di I d sin ʱ
Wirkleistung: P S 1 cos ˍ1 U di I d cos ʱ
2 2 2 2
Eine quadratische Zusammenfassung liefert: Q1 ʅ P S1 ʛ U di I d ʜ
Q1 2 2
P
weitere Umformung: ʛ ʜ ʅ ʛ ʜ 1 ( Kreisgleichung )
U di I d U di I d

setzt man schließlich P U di ʱ I d ein, so folgt :

2 U 2
Q1 di ʱ
ʛ ʜ ʅ ʛ ʜ 1 (10-2)
U di I d U di

Diese Gleichung ist als Blindleistungs-Diagramm in Abb. 10-2 dargestellt.

1,0

Q1
S1

ʱmax
u0
ʱ
ʳ ʱmin U di ʱ
-1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 U di

Abbildung 10-2 Grundschwingungsblindleistung bei konstantem Gleichstrom

Berücksichtigt man auch die Transformator-Streuinduktivität Lı, so ist der Netzstrom nicht
mehr rechteckförmig sondern weist während der Überlappung cosinusförmige Flanken auf
(Abb. 10-3). Die Überlappung u(Į) führt bereits bei Į = 0° zu einer Blindleistungsaufnahme
der Schaltung. Die Überlappung führt ferner zu einer Verlängerung der Thyristorleitdauer auf
180° + u0. Für den max. Steuerwinkel ʱmax gilt dann zur Vermeidung des Wechselrichter-
kippens näherungsweise Gl. 10-13.
ʱ max 180 °ėu0 ėʳ mit: ʳ ˈt S (Schonzeitwinkel) (10-3)
10.1 Blindleistungsverhalten 167

Wegen der praktisch immer vorhandenen Anfangsüberlappung u0 kann im Gleichrichter-


betrieb der Steuerbereich nur zwischen dem Wert der Anfangsüberlappung ʱmin = u0 und im
Wechselrichterbetrieb bis Įmax ausgenutzt werden. Wegen der für die Dauer der Kommu-
tierung (Überlappung u) cosinusförmigen Flanken muss die Annahme Į = ˍ1 aufgegeben
werden. Es gilt mit der relativen induktiven Gleichspannungsänderung dx nun folgender
Zusammenhang zwischen Steuerwinkel ʱ und dem Verschiebungswinkel der Grund-
schwingung (ˍ1):
cos ʛˍ 1 ʜ cos ʛʱʜ ė d x (10-4)

À Schon bei Vollaussteuerung (ʱ= 0°) wird Blindleistung aufgenommen


À ˍ1 kann näherungsweise durch u0/2 bzw. uĮ/2 ersetzt werden (ˍ1 IJ uĮ/2).

u
iS,1 Abbildung 10-3
Netzgrößen unter Einfluss der Kommu-
iS tierungsinduktivität LK bei Į = 0°
Während der Kommutierung verläuft der
ˀ 2ˀ Ȧt Netzstrom cosinusförmig. Hierdurch ist die
ˍ1
Stromkurve leicht nach rechts verschoben.

u0

10.1.2 Oberschwingungsblindleistung
Durch eine Zerlegung des nicht sinusförmigen Stromes IN in Grund- und Oberschwingungen
lässt sich nach Gl. (10-8) auch die Blindleistung Q in Grund- und Oberschwingungsblind-
leistung (Q1 und D) zerlegen. Zur Veranschaulichung dient Abb. 10-4. Die Oberschwingungs-
blindleistung D (Verzerrungsleistung) führt zu zusätzlichen Stromwärmeverlusten im
Transformator (Zusatzverluste, s. Kap. 16.2).

Gesamtscheinleistung: S UN IN U Nŏ I 2N,1ʅ I 2N,2ʅ I 2N,3ʅ...


ʎ (10-5)

Gesamtblindleistung Q ʎS 2 ė P2 (10-6)

Wirkleistung P U N I N,1 cos ˍ 1 (10-7)

Q ʎ U 2N ʛ I 2N,1 ʅ I 2N,2 ʅ I 2N,3 ʅ... ʜ ė ʛU N I N,1 cos ˍ1ʜ2


2 2
Durch Ausmultiplizieren und Zusammenfassung sowie mit sin ˍ 1 ė cos ˍ folgt:

Q ʎ U 2N I 2N,1 sin2 ˍ1 ʅ U 2N ʛ I 2N,2 ʅ I 2N,3 ʅ...ʜ ʍ Q ʎ Q21 ʅ D2


Zerlegung der Blindleistung Q in Grundschwingungs- und Verzerrungsblindleistung:
168 10 Netzrückwirkungen

2 2
Verzerrungsleistung D ʎ
U N I N,2 ʅ I N,3 ʅ ...
(10-8)
Grundschwingungsblindleistung Q1 U N I N,1 sin ˍ 1

Abbildung 10-4
S Zeigerdiagramm der Leistungen bei
Q D nichtsinusförmigem Strom
S: Gesamtscheinleistung
S1: Grundschwingungsscheinleistung
S1
P: Wirkleistung
Q1 D: Verzerrungsleistung
P Q: Gesamtblindleistung
Q1: Grundschwingungsblindleistung

10.2 Stromoberschwingungen
Der von einem Stromrichter aus dem Versorgungsnetz bezogene Strom ist im Allgemeinen
nicht sinusförmig und setzt sich aus Grund- und Oberschwingungen zusammen. Während die
Stromgrundschwingung die Leistungsübertragung bewirkt, tragen die Stromoberschwingungen
nicht zur Leistungsübertragung bei. Sie belasten aber das speisende Netz durch Spannungs-
abfälle wodurch die Spannungskurvenform verzerrt wird. Ferner entstehen zusätzliche Verlust-
leistungen (I2·R) und es besteht die Gefahr von Resonanzanregungen im Netz. Den Ober-
schwingungsstrom THC (Total Harmonic Current, EN 61000) ermittelt man mit Gl. (10-9).
40
THC
ʎ Ė I2n
n 2
(10-9)

Für die vom Stromrichter hervorgerufenen Oberschwingungen im Netzstrom gelten die in der
EN 61000-3 festgelegten Grenzwerte. Die Oberschwingungen des Netzstromes sind abhängig
von der Pulszahl p des Stromrichters und der Art der Glättung. Wir unterscheiden nach der Art
der Glättung:
À Schaltungen mit Stromglättung,
À Schaltungen mit Spannungsglättung.

10.2.1 Stromglättung
Stromrichter mit Stromglättung arbeiten mit einem konstantem Gleichstrom Id. Der Netzstrom
iN in Abb. 10-5 ist daher abschnittweise eingeprägt durch den Gleichstrom Id und daher recht-
eckförmig. Die Breite der Stromblöcke hängt von der Pulszahl p des Stromrichters ab und
beträgt bei 2-puls-Stromrichtern 180° und beim 6-pulsigen Stromrichter 120°. Zu jeder
Kurvenform ist das entsprechende Frequenzspektrum dargestellt. Darin ist
IN,1: Effektivwert der Stromgrundschwingung
IN,n: Effektivwert der n-ten Harmonischen (n: Ordnungszahl)
Ein Vergleich der Kurvenform und Spektren des Netzstromes iN einer B2- und B6-Schaltung
zeigt Abb. 10-5. Darin ist zu erkennen, dass die Anzahl an Oberschwingungen bei der
sechspulsigen B6-Schaltung wesentlich geringer ist als bei der zweipulsigen B2-Schaltung.
10.2 Stromoberschwingungen 169

uN iN,1 uN iN,1

iN Id iN Id
Zt Zt

1 1

Pulszahl p = 2 Pulszahl p = 6
1 1
I N, n n IN, n n
I N,1 I N,1

1 3 5 7 9 11 13 15 17 1 3 5 7 9 11 13 15 17
n n
Abbildung 10-5 Netzstrom und -spektrum der B2 und B6-Schaltung

Allgemein nimmt der Oberschwingungsgehalt mit steigender Pulszahl p des Stromrichters ab.
À Bei einer Stromrichterschaltung der Pulszahl p treten im Eingangsstrom keine Ober-
schwingungen mit der Ordnungszahl n < (p – 1) auf.
Bei großen Leistungen werden daher zur Erzielung eines günstigen Oberschwingungsgehaltes
nur Stromrichter mit höherer Pulszahl (p = 6, 12, 18, ...) eingesetzt. Zur Verringerung des
Oberschwingungsgehaltes im Netzstrom können zusätzlich selektive Filter (Saugkreisfilter) am
Eingang der Stromrichterschaltung vorgesehen werden. Eine beispielhafte Ausführung für ein
Saugkreisfilter zeigt Abb. 10-6b. Der Saugkreis wird mit seiner Resonanzfrequenz f0
entsprechend Gl. (10-12) auf die Frequenz der zu eliminierenden Oberschwingung abges-
timmt, und stellt für die betreffende Stromoberschwingung eine sehr geringe Impedanz dar,
deren Minimalwert durch den ohmschen Widerstand RL gegeben ist. Der Ohmsche Widerstand
bestimmt auch die Güte Q (und damit den Dämpfungsgrad d) des Filters nach Gl. (10-10) und
zusammen mit der Eigenfrequenz nach Gl. (10-12) die Bandbreite B (siehe Abb. 10-6a). Für
jede zu kompensierende Stromoberschwingung ist ein Saugkreis erforderlich. Bei dreiphasigen
Schaltungen ist diese Anordnung dann dreimal vorzusehen. Um den Aufwand nicht unnötig in
die Höhe zu treiben, kompensiert man im Allgemeinen nur die Stromoberschwingung mit dem
größten Einfluss und das ist im Allgemeinen die Stromoberschwingung mit der niedrigsten
Ordnungszahl. Die einphasige Ausführung und Anordnung eines Saugkreisfilters zeigt Abb.
10-6b. Darin ist auch zu erkennen, dass das Filter zusammen mit der Netzinduktivität LN einen
zusätzlichen Resonanzkreis bildet. Wegen der Reihenschaltung mit dem Saugkreis liegt diese
zusätzliche Eigenfrequenz unterhalb der Frequenz des Saugkreisfilters. Diese Frequenz darf
nicht durch den Netzstrom angeregt werden.
170 10 Netzrückwirkungen

B10
1

iN iE
0,707
LN
C
RN iF
L
I
I5 uN
Q = 10 RL
0
0 1 5 f f N 10
Abbildung 10-6 Wirkung eines Saugkreisfilters für die 5. Oberschwingung (f / fN = 5)

1 L
Güte Q
RL ʎ C
(10-10)

1
Dämpfungsgrad d (10-11)
2Q

ʎ
2
1ėd (10-12)
Resonanzfrequenz ˈ e
LC

ˈe
Bandbreite B (10-13)
Q

L1 Abb. 10-7 zeigt beispielhaft eine dreiphasige An-


L2 ordnung (LS, CS). Saugkreisfilter wirken für alle Fre-
L3
quenzen unterhalb der Resonanzfrequenz f0 kapazitiv.
Dadurch wird eine vorhandene induktive Grund-
LN LN LN
schwingungsblindleistung Q1 kompensiert. Bei einem
LS CS
schwankendem Blindleistungsbedarf des Stromrichters
LS CS besteht wegen der konstanten kapazitiven Blind-
leistung die Möglichkeit einer Überkompensation, d. h.
LS CS die Schaltung wirkt kapazitiv. In der Praxis bilden die
Filterelemente mit der Netzimpedanz weitere Eigen-
frequenzen, die nicht angeregt werden dürfen. Eine
Stromrichter Mindestdämpfung d ist daher erforderlich, verschlech-
tert aber die Filterwirksamkeit.
Abbildung 10-7 Saugkreisfilter, 3-phasig
10.2 Stromoberschwingungen 171

10.2.2 Spannungsglättung
Schaltungen mit Spannungsglättung arbeiten mit einer konstanten Gleichspannung Ud. Die
Glättung der gleichgerichteten Wechselspannung ud erfolgt in Abb. 10-8 mit dem Glättungs-
kondensator Cd. Die Gleichrichterdioden schalten ein, sobald uS größer ud ist. Der Ladestrom
iC wird nur durch den Kondensator Cd und die Höhe der Netzspannung uS bestimmt. Der
Kondensator wird ideal sofort auf die Netzspannung aufgeladen, wodurch ein sehr hoher
Stromimpuls entsteht. Ist die Netzspannung wieder kleiner ud, so sperren die Dioden und der
Kondensator wird durch die Last entladen, bis in der nächsten Halbschwingung von uS die
anderen Dioden kurzzeitig leiten. Die Schwankung der Gleichspannung ud wird durch die
Welligkeit wU (Gl. 7-15) beschrieben. Ud,Ȟ: Effektivwert der Ȟ-ten Oberschwingung

id Abbildung 10-8
iC
B2-Schaltung mit kapazitiver Glättung
iS und eingeprägtem Gleichstrom id
uS Cd ud

Der Netzstrom iS besteht entsprechend Abb. 10-9 aus kurzen hohen Stromimpulsen abwech-
selnder Polarität und enthält daher eine hohe Zahl an Stromoberschwingungen. Der Leis-
tungsfaktor ʻ (power factor) ist sehr ungünstig.
iS
ud Abbildung 10-9
Netzstrom iS und Gleichspannung ud bei
uS kapazitiver Glättung
Sobald uS > ud ist wird Cd geladen wobei kurz-
zeitig ein hoher Strom fließt. Durch den Innen-
widerstand der Dioden und parasitären Induk-
ˈt tivitäten im Stromkreis weicht die
Gleichspannung ud beim Laden von der
Netzspannungskurvenform geringfügig ab.
Die Qualität der Gleichspannung ud wird durch
die Welligkeit wU beschrieben.

Das Verhältnis von Scheitelwert zu Effektivwert bildet den Scheitelfaktor oder crest factor c.

ʒi
crest factor c (10-14)
I

Der crest factor c beträgt bei Sinusgrößen c = 1,41, bei Gleichrichterschaltungen mit kapa-
zitiver Glättung, wie in Abb. 10-9 dargestellt, kann c = 3 und mehr erreichen.
172 10 Netzrückwirkungen

10.2.2.1 Passive PFC-Schaltung


Abhilfe gegen die in Abb. 10-9 dargestellte ungünstige Stromkurvenform von iS bietet eine
zusätzliche Induktivität LPFC in Serie zum Glättungskondensator Cd. Zweckmäßig wird diese
Induktivität auf der Wechselspannungsseite entsprechend Abb. 10-10 installiert. Die
Induktivität lässt den Ladestrom nur verzögert ansteigen. Die Stromkurvenform nach Abb.
10-11 zeigt einen besseren Leistungsfaktor ʻ als die Stromkurvenform nach Abb. 10-9.

Abbildung 10-10
LPFC iC id
B2-Schaltung mit kapazitiver
Glättung und PFC-Drossel
iS
uS Cd ud

Die Drossel LPFC wird handelsüblich als Power Factor Correction-Drossel (PFC-Drossel)
bezeichnet (passives Verfahren, kostengünstig bei kleinen Leistungen).

Abbildung 10-11
ud ǻu Zur Wirkung einer passiven PFC-
Einrichtung
uS
iS Die wechselspannungsseitige Drossel
verbessert die Stromkurvenform.
Die höherfrequenten Störströme
werden reduziert und der Leistungs-
ˈt faktor Ȝ steigt an (PFC-Drossel).

Aber:

À Erhöhter Spannungsabfall (ǻu)


während der Netz-Nachladung.

Der Leistungsfaktor Ȝ (power factor) ist definiert zu:

P UŏI 1ŏcos ˍ I1
ʻ ŏcosˍ g iŏcos ˍ (10-15)
S UŏI I
gi: Grundschwingungsgehalt des Stromes, 0 < gi < 1.

À Durch eine Absenkung des Oberschwingungsanteils im Netzstrom kann somit eine


Verbesserung (correction) des Leistungsfaktors Ȝ erreicht werden. Nach diesem Prinzip
arbeitet eine passive Power-Factor-Correction-Schaltung (PFC-Schaltung).
10.2 Stromoberschwingungen 173

10.2.2.2 Aktive PFC-Schaltung


Neben den passiven Verfahren gibt es bei der Spannungsglättung auch aktive PFC-Verfahren,
bei denen durch PWM-Technologien die Kurvenform des Netzstromes sinusförmig geregelt
und zusätzlich über den Phasenwinkel der Grundschwingung der cos ˍ1 İ 1 eingestellt
werden kann. Abb. 10-12 zeigt eine Schaltung für die Stromkurvenformregelung auf Basis
eines handelsüblichen PFC-Control Circuit.
LS Boost Diode
Abbildung 10-12
B2-Gleichrichter mit aktiver PFC-
iS
Schaltung
Der Shuntwiderstand RSh dient zur
uS ud Stromerfassung.
Cd
PFC-Control T
Circuit À Speicherinduktivität LS
gleichstromseitig

RSh À Einquadrantenbetrieb (1QS)

Der Schalttransistor T wird so angesteuert, das sich in der Speicherdrossel LS im zeitlichen


Mittel ein sinusförmiger Strom einstellt. Dieser Strom wird mit RSh erfasst. Die Schaltung ist
durch zwei Arbeitstakte gekennzeichnet, die in Abb. 10-13 dargestellt sind.
a) iS LS b) iS LS id Abbildung 10-13
Arbeitstakte der
uS uS aktiven PFC-
T ud Schaltung

In Abb. 10-13a wird die Netzspannung über die Drossel LS kurzgeschlossen und der Strom in
iS steigt schnell an (LS wird geladen). In Abb. 10-13b ist der Transistor T wieder abgeschaltet.
Der Strom iS ist von der Induktivität LS eingeprägt und fließt über die Boost-Diode in den
Kondensator Cd (LS wird dabei entladen). Wenn der Strom weit genug abgefallen ist, wird T
wieder eingeschaltet und der Strom iS steigt unter Einfluss der Netzspannung erneut an. Durch
eine geeignete Taktung des Transistors T über den PFC-Control-Circuit in Abb. 10-12 lässt
sich für iS ein sinusförmiger Stromverlauf entsprechend Abb. 10-14 erreichen.

uS Abbildung 10-14
ʧiS Typischer Verlauf des Netzstromes bei
aktiver PFC-Einrichtung
iS
Kurvenform und Phasenlage lassen sich
einstellen. Mit zunehmender Schaltfrequenz
ˈt geht ʧiS gegen Null und die Stromkurven-
form nähert sich der idealen Sinus-
kurvenform an.
À Es treten höherfrequente Störströme im
Netz auf.
174 10 Netzrückwirkungen

Die Schaltung in Abb. 10-12 arbeitet als Hochsetzsteller, d. h. die Gleichspannung Ud ist
größer als der Scheitelwert der Eingangswechselspannung uS. Daher bietet sich diese
Schaltung an als Weitbereichsnetzteil mit Ud = 400 V bei einer Eingangsspannung von z. B.
65 bis 240 V (effektiv). Durch eine Weiterentwicklung der Schaltung zum einphasigen
Pulsgleichrichter (PGR) nach Abb. 10-15 mit wechselstromseitiger Speicherdrossel LS kann
die Phasenverschiebung beliebig eingestellt werden, wodurch eine Umkehr der
Energierichtung möglich ist. Die Einstellgrenzen für den Phasenwinkel sind allein durch die
Höhe der Eingangsspannung und dem abschaltbaren Strom gegeben. Diese als Active-Front-
End-Umrichter (AFE) bezeichnete Gleichrichterschaltung wird als Vierquadrantensteller
(4QS) für Antriebe in praktisch allen Leistungsklassen eingesetzt, wie z. B. als
Eingangsstromrichter moderner Lokomotiven.

Abbildung 10-15
Id
uR uLS T1 T3 Einphasiger Pulsgleichrichter (PGR)
iS
Diese Schaltung entnimmt dem
uS R LS uSt Wechselspannungsnetz einen sinus-
Cd Ud förmigen Strom einstellbarer Phasen-
lage. Die Schaltung erlaubt auch bei
T4 T2 Energierückspeisung einen
Leistungsfaktor Ȝ nahe 1.

Jeweils zwei Transistoren (T1 und T2 bzw. T3 und T4) werden zusammen angesteuert und
erzeugen eine pulsbreitenmodulierte Wechselspannung uSt (siehe Abb. 13-11). Der Scheitel-
wert von uSt ist ±Ud und muss größer sein als der Scheitelwert der Netzspannung uS um eine
Übersteuerung (und damit eine verzerrte Stromkurvenform) zu vermeiden. Die Wirkungsweise
des Vierquadrantenstellers (4QS) nach Abb. 10-15 erläutern die Zeigerdiagramme der
Grundschwingung für den normalen Gleichrichterbetrieb (Abb. 10-16a, motorischer Betrieb)
und den Rückspeisebetrieb (Abb. 10-16b, generatorischer Betrieb).

a.) Motorischer Betrieb b.) Generatorischer Betrieb


Abbildung 10-16
lj = 0°, cos Lj = 1 lj = 180°, cos Lj = -1
Zeigerdiagramm des 4QS
uLS uR Die Stellerspannung uSt wird nach
Betrag und Phase vorgegeben, so
uLS dass sich der gewünschte Netz-
uS uR uSt
strom iS einstellt. Neben den hier
uS dargestellten Fällen für cos ij = 1
uSt und -1 sind auch alle anderen
iS Phasenwinkel möglich.
Einschränkungen sind durch die
lj Höhe der Gleichspannung (ûSt <
iS Ud) und der zulässigen Strom-
amplitude îS gegeben.

Die 4QS-Schaltung in Abb. 10-15 kann durch hinzufügen eines 3. Brückenzweiges zu einen
dreiphasigen Pulsgleichrichter erweitert werden. Der dreiphasige PGR entspricht in seinem
Aufbau dem dreiphasigen Pulswechselrichter (siehe auch Kapitel 16.7.3).
10.3 Spannungsoberschwingungen 175

10.3 Spannungsoberschwingungen
Ein Versorgungsnetz ist in der Regel ein räumlich verteiltes System, bestehend aus Generato-
ren, Leitungen, Transformatoren und Lasten. Um die Auswirkungen von nicht sinusförmigen
Strömen auf die Spannungskurvenform zu beschreiben, genügt pro Phase eine einfache Mo-
dellierung nach Abb. 10-17, bestehend aus einer Wechselspannungsquelle uN und einer
ohmsch-induktiven Impedanz RN und LN.
LN RN iN Abbildung 10-17

Netzmodell
uN uS

Für die Untersuchung der Rückwirkungen nichtsinusförmiger Ströme auf das so vereinfachte
Netz kann die Maschengleichung (10-16) betrachtet werden.
d iN
uS u N ė R NŏiN ė L N (10-16)
dt

Darin ist zu erkennen, wie die Spannung uN vom bezogenen Strom iN abhängt. Weicht der
Strom iN von der Sinusform ab, so ergibt sich eine nicht sinusförmige Spannung uN. Für die
reibungslose Zusammenarbeit aller Verbraucher ist es erforderlich, die maximal zulässigen
Verzerrungen der Spannungskurvenform in Normen festzuschreiben. Hierfür ist die EN61800
(VDE0160) maßgebend. Für die Verzerrungen der Spannungskurvenform sind in erster Linie
Stromoberschwingungen oberhalb der Netzfrequenz maßgebend, wie sie vorzugsweise bei
Kommutierungsvorgängen auftreten.
À Für allgemeine Betrachtungen kann der ohmsche Widerstand RN vernachlässigt werden.
À Die Kurvenform der Spannungsquelle uN wird als rein sinusförmig angenommen. Diese
Annahme ist auch in der Praxis weitgehend erfüllt.
Die Erläuterung dieses Einflusses soll an dem vereinfachten Ersatzschaltbild einer Zweipuls
Brückenschaltung nach Abb. 10-18 erfolgen.

10.3.1 B2-Schaltung
Für den dargestellten Transformator soll das Übersetzungsverhältnis eins betragen und der
Gleichstrom id sei ideal geglättet. LN fasst die Induktivitäten vorgeschalteter Einrichtungen
(Transformatoren, Leitungen, Generator) zusammen, LT ist die Streuinduktivität des Strom-
richter-Transformators. Den Verlauf der primär- und sekundärseitigen Spannungen zeigt Abb.
10-19. Die sekundärseitigen Spannungseinbrüche ʧuS wirken sich auf der Primärseite als ʧuP
aus. Die Induktivitäten LN und LT bilden einen Spannungsteiler und es gilt folgender
Zusammenhang:

d iS uG ʧ uP ʧ uS LN
ʧ uP uG (10-17)
dt L Nʅ L T LN LT LN ʅ LT
176 10 Netzrückwirkungen

LN LT iS
L
uG ʧuP uP ʧuS uS

Weitere Transformator
Verbraucher
Abbildung 10-18 Ersatzschaltung einer Zweipuls-Brückenschaltung mit Einspeisung

Die Spannungseinbrüche ʧuP bezeichnet man als Kommutierungseinbrüche. Sie stellen die
Hauptursache für das Entstehen von Spannungsoberschwingungen dar. Zur Begrenzung der
netzseitigen Spannungsoberschwingungen muss die Induktivität LT des vorgeschalteten Trans-
formators entsprechend Gl. (10-1) ausgewählt sein (geeignetes uK wählen).
Gegebenenfalls können zusätzliche
uG Kommutierungsdrosseln vorgesehen
werden. Die Vorschaltung von Kom-
iS mutierungsdrosseln ist auch erforder-
lich, falls der Stromrichter ohne Trans-
formator direkt am Netz betrieben wird.
ˀ 2ˀ Zt
Als zusätzliche Eigenschaften bleibt
anzumerken, dass die Induktivitäten die
Stromsteilheit begrenzen und damit die
Überlappung u vergrößern.
Liegen die Kommutierungseinbrüche
ʧuP uP im Bereich der Nulldurchgänge der
Netzspannung, so sind die Spannungs-
ʧuS nulldurchgänge verfälscht und es kann
zu einer Störung der Synchronisation
Zt
des Steuergerätes kommen. Aus diesem
Grunde wird die Synchronisations-
spannung aus der Netzspannung nur
über ein Tiefpass- oder PLL-Filter
gewonnen (siehe auch Kapitel 9.3).

uS

Zt

Abbildung 10-19
Strom- und Spannungsverlauf mit Kommutierungseinfluss
10.3 Spannungsoberschwingungen 177

10.3.2 B6-Schaltung
Um den Einfluss der Kommutierungen auf die verkettete Spannung u12 und die Phasenspan-
nung uS1 zu beschreiben dient eine Ersatzschaltung nach Abb. 10-20. Die möglichen
Kommutierungen sind mit den entsprechenden Kommutierungsspannung uK in Tab. 10.1
aufgeführt.

uS1 id Abbildung 10-20


u1 V1 V3 V5 B6-Schaltung mit eingeprägtem
LN iS1 Gleichstrom
L1 (id = konstant)
u2 u12
LN
ud
N
L2
u3
LN

L3
V4 V6 V2

Tabelle 10.1 B6-Schaltung, mögliche Kommutierungen und Verlauf von u12 und uS1

Kommutierung uK u12 Phasenspannung uS1

Ȋ V1äV3 u21 0 -0,5 u3

ȋ V2äV4 u31 - 1,5 u2 -0,5 u2

Ȍ V3äV5 u32 1,5 u1 u1

ȍ V4äV6 u12 0 -0,5 u3

Ȏ V5äV1 u13 - 1,5 u2 -0,5 u2

ȏ V6äV2 u23 1,5 u1 u1

Die einzelnen Kommutierungen werden mit den reduzierten Schaltbildern nach Abb. 10-21
untersucht. Um den Einfluss der Welligkeit von id auf den Verlauf der Spannungen darzustel-
len, wurde eine Schaltungssimulation für verschiedene Stromkurvenformen nach Abb. 10-23
durchgeführt. Die Konstruktion der Spannungen für ʱ = 30° und idealer Stromglättung zeigt
Abb. 10-22.
178 10 Netzrückwirkungen

uS1
id iS1
uS1 LN
u1 u 212 V1 V3
iS1 *
u 2 u12
LN u1 u12 12 M
*
u2 u12 LN
u21 M
LN
u12 2
u2 V4 V6
u 212 id
id
u3 u3
Ȋ *
u 12 0 u S1 ė ȍ *
u 12 0 u S1 ė
2 2
uS1 LN iS1 uS1
V1 V5 id
u1
u31 / 2 * LN iS1
u1 u12
LN M
id u13 / 2
u2 M u*12
u31 LN
u2
LN
id
u3 u13
u31 / 2 V4 V2 LN
u3 id
u13 / 2

ȋ * 3 u2 Ȏ * 3 u2
u 12 ė u2 u S1 ė u 12 ė u2 u S1 ė
2 2 2 2

id uS1 iS1 id
u1 uS1 LN
LN iS1 i V3 V5
d

u1 u*12
* LN M
u2 M u12
LN
u23 / 2
u2 u23
u3 u32 / 2 LN
u32
LN
u23 / 2 V6 V2
u3 id
u32 / 2

Ȍ 3 ȏ 3
u *12 ė u1 u S1 u1 u *12 ė u1 u S1 u1
2 2

Abbildung 10-21 Leiter- und Phasenspannung bei den Kommutierungen der B6-Schaltung
10.3 Spannungsoberschwingungen 179

u 12 Ȋ ȋ Ȍ
uʒ 1
u
ʎ3 u
1,5
u12*
Annahme:
u = konstant
1,0
u12
-u2 1,5 u1

ȍ Ȏ ȏ

ˈt
u

ʱ
-1,5 u2

uS1

u3 u1
u2

ˈt

u3
ė u2
2 ė
2
Abbildung 10-22
Konstruktion der Leiter- und Phasenspannung der B6-Schaltung mit ʱ = 30° bei idealer Glättung
180 10 Netzrückwirkungen

id
u12

uS1

ˈt

id
u12

uS1

ˈt

id
u12

uS1

ˈt

Abbildung 10-23 Einfluss nicht idealer Glättung auf u12 und uS1 (Simulation)
10.3 Spannungsoberschwingungen 181

Damit die Kommutierungseinflüsse vom öffentlichen Drehstrom-Versorgungsnetz fernge-


halten werden können, muss am Eingang des Stromrichters eine zusätzliche Induktivität LT
vorgesehen werden (siehe auch Abb. 10-18). Wegen der Funktion wird diese Induktivität als
Kommutierungsdrossel bezeichnet. Zusammen mit der Netzinduktivität LN bildet die Kom-
mutierungsdrossel LT in Abb. 10-24 einen induktiven Spannungsteiler.
id = konstant
uS1_SR
Abbildung 10-24
uS1
u1 V1 V3 V5 B6-Schaltung mit Netzin-
LN LT
iS1 duktivität LN und Zusatzin-
ʧ uN
duktivität LT
u2 ʧ uT
u12 u12_SR
LN LT
ud

u3
LN LT

V4 V6 V2

Die Kommutierungseinbrüche der Phasenspannungen teilen sich nach Gl. (10-17) im


Verhältnis der Induktivitäten auf. Damit die VDE-Bestimmungen erfüllt werden, darf die
Spannung während der Kommutierung nur um 20 % des Scheitelwertes einbrechen. Die
restlichen 80 % müssen demnach an der Kommutierungsinduktivität LT abfallen. Daraus lässt
sich das Verhältnis von Netz- zu Kommutierungsinduktivität nach Gl. (10-18) berechnen.

LN ʧ uN 0,2 ʒu12
ʧ uN Ĺ 0,2 ʒu12 Ĺ d. h. L T ĺ 4 L N (10-18)
LT ʧ uT 0,8 ʒu12

Abb. 10-25 zeigt die Wirkung von LT bei einer Auslegung nach Gl. (10-18).

Ĺ0,2 ûV
u12_SR

u12 ûV

ˈt

uS1

uS1_SR

ˈt

Abbildung 10-25 Spannungen bei LN /LT = 2/8 und ideale Glättung, ʱ = 30° (Simulation)
182 10 Netzrückwirkungen

Zur Bemessung von LT steht im Allgemeinen die Netz-Scheinleistung SN und die Netz-
Kurzschlussspannung uKN zur Verfügung. Abb. 10-26 zeigt den Anschluss eines Stromrichters
über einen Netztransformator bzw. über eine Netzdrossel der Leistung ST an die öffentliche
400V-Stromversorgung der Leistung SN.
SN, uKN
Abbildung 10-26
400 V Anschluss des Stromrichters an das öffentliche
IN IT Stromnetz
3
uK: relative Kurzschlussspannung
Netztransformator ST, uKT
bzw. -Drossel

Stromrichter 3~
=

Die Impedanzen XN = ȦLN und XT = ȦLT bilden einen Spannungsteiler. Auf der 400 V Ebene
erhält man mit UK = 400V· uK bei einer verlustfreien Anordnung folgende Zusammenhänge:
U KN uKN U KT uKT
XN 400 V XT 400 V (10-19)
IN IN IT IT

Entspricht ST der Netzscheinleistung SN, (d. h. IN = IT), so folgt Gl. (10-20) für den maximalen
Spannungsabfall ǻu der Mindestwert der Kurzschlussspannung uKT im Verhältnis zu uKN.
ʧ uN XN U KN 1
Ĺ0,2 ʍ uKT ĺ 4 uKN
uʒ N X Nʅ X T U KN ʅU KT u KN (10-20)
1 ʅ
uKT

À Um den Grenzwert von ǻuN/û ” 0,2 einzuhalten muss der Stromrichter die 4-fache Kurz-
schlussspannung des Netzes aufweisen. Bei einer Kurzschlussspannung von uKN = 4 %
kommt somit eine Gesamt-Kurzschlussspannung von 20 % zustande.
Im Allgemeinen kann man von einer vergleichbaren Kurzschlussspannung von Netz- und
Stromrichter ausgehen, d. h. uKN = uKT = uK = 4 %. In diesem Fall wird mit Gl. (10-21) über
die Nennströme IN und IT das erforderliche Leistungsverhältnis von Netz- und Stromrichter-
transformator ermittelt.
UK
ʧ uN XN IN 1
Ĺ 0,2 ʍ I N ĺ 4 I T (10-21)
uʒ N X Nʅ X T UK UK IN
ʅ 1ʅ
IN IT IT

À Um den Grenzwert von ǻuN/û ” 0,2 einzuhalten muss bei gleicher Kurzschlussspannung
die Netzscheinleistung SN mindestens den 4-fachen Wert des Stromrichters SSR
aufweisen.

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