Aschenputtel
Es war einmal ein reicher Mann, der lebte mit seiner Frau und seiner Tochter in
einem Königreich. Seine Frau war leider sehr krank, und als sie merkte, dass ihre
Tage gezählt waren, bat sie ihr Töchterlein zu sich und sprach: „Bald kann ich nur
noch vom Himmel auf Dich schauen. Bleibe immer fromm und brav, dann wird Dir
der liebe Gott in jeder Lebenslage beistehen!“ Kurz darauf verstarb die arme Frau.
Das Mädchen besuchte jeden Tag das Grab seiner verstorbenen Mutter und weinte,
weil sie diese so sehr vermisste. Nachdem ein paar Monate vergangen waren,
heiratete der Vater eine neue Frau.
Die neue Frau des Vaters war schon früh Witwe geworden und brachte deshalb
selbst zwei eigene Töchter mit in den gemeinsamen Haushalt. Ab diesem Tag hatte
das Mädchen keine Freude mehr im Leben, denn die Stiefmutter behandelte es sehr
schlecht. Sie war herrisch und böse. So sprach sie: „Die blöde Gans soll nicht
einfach nur hier herumsitzen. Wenn sie essen will, dann soll sie auch dafür arbeiten!
Sie nahm dem Mädchen ihre schönen Kleider weg und brachte ihr ein grobes graues
Kleid und Holzschuhe, die es fortan tragen musste.
Gerne machte sich die Stiefmutter mit ihren leiblichen Töchtern, die sie immer
bevorzugt behandelte, lustig: „Schaut mal, so sieht eine elegante Prinzessin aus, ha,
ha, ha!“ Das Mädchen musste den ganzen Tag bis in die tiefe Nacht hinein hart
arbeiten und den ganzen Haushalt alleine bewältigen. Ihre Stiefschwestern spotteten
über sie, wo sie nur konnten. Sie schmissen ihr Linsen und Erbsen in die Asche, die
sie dann einzeln wieder herauslesen musste. Wenn das Mädchen am Abend müde
von der Arbeit war, durfte sie nicht in einem Bett nächtigen, sondern musste sich in
die Asche beim Ofen legen. Weil das Mädchen immer von Kopf bis Fuß schmutzig
aussah, nannten es die Leute Aschenputtel.
Eines Tages musste der Vater zu einer Handelsmesse fahren und fragte seine
beiden Stieftöchter, ob sie sich etwas wünschen würden. Die eine wünschte sich
Kleider aus feinsten Stoffen und die andere wollte Schmuck, Perlen und Edelsteine
mitgebracht haben. „Und Du, Aschenputtel, „was soll ich Dir von meiner Reise
mitbringen?“, fragte der Vater. Da antwortete das Kind bescheiden: „Vater, bringe mir
bitte den ersten Samen von der Haselnuss mit, dem Du unterwegs begegnest.
Darüber würde ich mich sehr freuen!“ So geschah es. Die hochmütigen Schwestern
bekamen ihre schönen Kleider, Schmuck und Juwelen. Das Aschenputtel bekam den
Samen der Haselnuss geschenkt. Als es sich beim Vater bedankt hatte, lief es
sogleich zum Grab seiner Mutter und pflanzte den Samen ein. Nach dem Beten
musste es weinen. Da begossen seine Tränen den Samen, sodass bald ein schöner
Baum heranwuchs. Wenn das Aschenputtel seinen Kummer nicht mehr aushielt,
ging es zum Grab seiner Mutter und setzte sich unter das Bäumchen. Bei jedem ihrer
Besuche kam ein kleines, weißes Vöglein vorbeigeflogen, das ihr den ein oder
anderen kleinen Wunsch erfüllte.
Aschenputtel wäre so gerne mitgegangen. Wie gerne hätte nur ein einziges Mal auf
einem Ball getanzt. Aber die Stiefmutter machte ihm gleich einen Strich durch die
Rechnung: „Du schmutziges Ding bleibst natürlich hier! Du hast weder schöne
Kleider, noch gute Schuhe, außerdem bist Du sehr schmutzig. Was will so eine denn
auf einem königlichen Ball!“ Das Aschenputtel weinte bitterlich. Da sagte die Alte:
„Ich habe Dir eine große Schüssel Linsen in die Asche geschüttet, wenn Du diese
innerhalb von zwei Stunden ausgelesen hast, kannst Du gehen!“ Aber wie sollte
Aschenputtel das machen? Dafür würde sie viele Stunden brauchen. Aschenputtel
ging zur Hintertür an der Küche und rief: „Kommt Ihr Täubchen, Ihr lieben, kommt
und helft mir, die Linsen auszulesen: die guten ins Töpfchen, die schlechten ins
Kröpfchen!“
Kaum hatte Aschenputtel diese Bitte ausgesprochen, erschienen als Erstes zwei
weiße Tauben in der Küche. Dann schwärmten auch die Turteltäubchen herein und
begannen sofort mit der Arbeit. In Windeseile waren die guten Linsen ausgelesen,
sodass die Täubchen bereits nach einer Stunde fertig waren. Aschenputtel brachte
der Steifmutter die Linsen. Aber diese gab dem armen Kind noch eine zweite
Schüssel: „Die musst Du in einer halben Stunde geschafft haben, sonst kannst Du
nicht mitkommen!“ Aschenputtel war verzweifelt, denn das würde sie niemals
schaffen.
Sie ging wieder zur Hintertür der Küche und rief erneut: „Kommt Ihr Täubchen, Ihr
lieben, kommt und helft mir, die Linsen auszulesen: die guten ins Töpfchen, die
schlechten ins Kröpfchen!“ Auch dieses Mal kamen zuerst die beiden weißen Tauben
hereingeflogen, denen noch mehr Turteltäubchen folgten. Und sie schafften es, die
Linsen in einer halben Stunde zu verlesen. Nun ging Aschenputtel stolz zur
Stiefmutter, die war jedoch wieder sehr gemein und sprach: „Du kannst trotzdem
nicht mitkommen, denn so schmutzig, wie Du aussiehst, nehmen wir Dich sowieso
nicht mit. Du hast weder ein feines Kleid, noch hast Du schöne Tanzschuhe!“ Dann
wurde es Zeit für den königlichen Ball, und die böse Frau ging mit ihren zwei
Töchtern zum Schloss.
Das Aschenputtel war so verzweifelt, dass es zu dem Grab seiner lieben Mutter ging.
Es stellte sich unter den vertrauten Haselbaum und rief in seinem Kummer:
„Bäumchen, rüttel Dich und schüttel Dich! Wirf Gold und Seide über mich!“ Daraufhin
erschien der kleine, weiße Vogel und warf dem Mädchen ein goldenes Ballkleid und
mit Perlen und Silber bestickte Tanzschuhe herunter. In größter Eile wusch sich
Aschenputtel, zog das schöne Kleid über und schlüpfte in die hübschen Tanzschuhe.
Dann rannte es zum Fest. Wie ihm die Augen übergingen, als es den Glanz in dem
prachtvollen Schloss erblickte. Aschenputtel war so schön, dass der Königssohn das
bezaubernde Mädchen sofort zum Tanz aufforderte. Er tanzte den ganzen Abend nur
mit ihm und hatte während des Fests keine Augen mehr für die anderen Mädchen.
Die Leute wunderten sich, wer die Schöne sei, denn sie wurde bisher noch von
niemandem zuvor gesehen. Auch die Stiefmutter und ihre hochnäsigen Töchter
erkannten das Aschenputtel nicht, welches die schönste Jungfrau auf dem
glanzvollen Fest des Königs war. Der Prinz wollte nach dem Ball seine Auserwählte
gern nach Hause begleiten, damit er erfahren konnte, wo das schöne Mädchen
wohnte. Aber Aschenputtel rannte davon, weil der Zauber der schönen Kleider und
Schuhe um Mitternacht vorbei war. Da es kurz vor Mitternacht war, rannte sie
panisch aus dem Schloss und verlor dabei auf der königlichen Treppe ihren linken
Schuh.
Der Prinz hob den kleinen, zarten und mit Perlen und Silber bestückten Schuh auf
und verkündete: „Keine andere wird meine Frau werden, als diejenige, dem dieser
Schuh gehört!“ In den folgenden Tagen zog er mit dem Schuh von Haus zu Haus,
denn jede Jungfrau sollte diesen anprobieren. Da er aber so zart und klein war,
passte dieser keinem Mädchen. Der Königssohn fuhr mit seinen Dienern auch beim
Haus von Aschenputtel vor, die man vorsorglich im Keller eingesperrt hatte. Die
beiden Stiefschwestern warteten schon erwartungsvoll und wollten unbedingt den
Schuh probieren, denn sie hatten sehr schöne Füße.
Die älteste der Schwestern nahm den Schuh mit in ihre Kammer, aber die große
Zehe passte nicht in den kleinen Schuh. Da sprach die böse Stiefmutter zu ihrer
leiblichen Tochter: „Hack den großen Zehen einfach ab, wenn Du endlich Königin
bist, brauchst Du nicht mehr zu laufen!“ Das Mädchen tat, wie ihre Mutter es wollte.
Sie biss sich auf die Zähne, zwängte ihren Fuß in den kleinen Schuh und trat vor den
Prinzen. Da kamen zwei weiße Tauben geflogen und riefen: „Rucke digu, Rucke
digu, Blut ist im Schuh. Der Schuh ist zu klein, die rechte Braut sitzt noch daheim!“
Der König bemerkte den Schwindel und wollte weiterfahren.
Da brachte die Stiefmutter ihre andere leibliche Tochter, die wenig später mit dem
Schuh in ihrer Kammer verschwand. Doch diese kam mit der Ferse nicht in den
Schuh hinein. Auch diesmal forderte die Mutter ihre zweite Tochter auf, sich die
Ferse abzuhacken. Diese verbiss sich ihre Qual, schnitt ein Stück von der Ferse ab
und trat mit dem Schuh hinaus vor den Königssohn. Der dachte nun die Richtige
gefunden zu haben, nahm sie auf sein Pferd und wollte mit ihr zum Schloss reiten.
Als sie am Haselbäumchen vorbeikamen, saßen dort wieder die weißen Tauben und
riefen: „Rucke digu, Rucke digu, Blut ist im Schuh. Der Schuh ist zu klein, die rechte
Braut sitzt noch daheim!“ Da sah der Königssohn, dass er wieder getäuscht worden
war.
Von den Leuten erfuhr der Prinz, dass es noch eine dritte Tochter im Haus gab, so
fragte er auch nach ihr. Da ging die Stiefmutter dazwischen: „Nein, hoher Herr, dass
darf nicht sein, das ist nur die schmutzige Tochter der verstorbenen Frau meines
Mannes, das Aschenputtel. Das kann auf keinen Fall die Richtige sein. Der Prinz
bestand aber darauf, dass das Aschenputtel geholt werden solle. „Bitte, mein Herr“,
sagte die böse Stiefmutter, „dies kann ich Euren Augen nicht zumuten. Das
Aschenputtel ist Eurer Hoheit nicht würdig!“ Aber der Prinz blieb hartnäckig, deshalb
musste Aschenputtel aus dem Keller geholt werden.
Aschenputtel wollte so schmutzig nicht vor den Königssohn treten und wusch sich
zuerst ein wenig, damit der Prinz ihr ins Gesicht blicken konnte. Er erkannte das
Mädchen, das mit ihm auf dem Ball getanzt hatte sofort, und reichte ihm den linken
Schuh. Aschenputtel zog die harten Holzschuhe aus und ließ seinen linken Fuß
mühelos in den feinen Tanzschuh gleiten. Dieser passte ihm wie angegossen. Da
kamen die weißen Tauben, setzten sich auf Aschenputtels Schultern und riefen im
Duett: „Rucke digu, rucke digu, kein Blut ist im Schuh. Der Schuh ist nicht zu klein.
Die rechte Braut, die führt er heim.“ Da wusste der Prinz, dass er seine Liebste
endlich gefunden hatte.
und das ganze Land freute sich, dass der Prinz nun doch noch die richtige Gemahlin
gefunden hatte. Auch die Stiefschwestern von Aschenputtel erschienen auf dem Fest
und wollten sich beim Aschenputtel einschmeicheln, weil sie sich Vorteile erhofften.
Als das Brautpaar zum Altar schritt, wurden sie von den falschen Schwestern
begleitet. Da kamen die weißen Tauben herbei und pickten diesen die Augen aus.
So waren sie für ihre Bosheit ihren Lebtag mit Blindheit gestraft. Der Prinz wurde
König und Aschenputtel wurde die Königin im Reich. Das Paar bekam Kinder und sie
lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.
3. Was rief das Aschenputtel den Tauben zu, als es diese um Hilfe bat?
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5. Was verlor Aschenputtel auf der Schlosstreppe nach dem königlichen Ball?
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