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Leistungsorientierte Führung und Organisation

im Gesundheitswesen

herausgegeben von Wilfried von Eiff und Kerstin Stachel


Centrum für Krankenhaus-Management
an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Band 1
Unternehmenskultur im Krankenhaus
Wilfried von Eiff
Kerstin Stachel (Hrsg.)

Unternehmenskultur
im Krankenhaus
Band 1 der Reihe
„Leistungsorientierte Führung und
Organisation im Gesundheitswesen“
I-XII_Titelei.qxd 24.11.2006 12:38 Uhr Seite IV

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation


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sind im Internet über http://www.dnb.d-nb.de abrufbar.

2. Auflage 2007
© 2007 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Verantwortlich: Martin Spilker
Lektorat: Michael Kühlen
Herstellung: Sabine Reimann
Umschlaggestaltung: Nadine Humann
Umschlagabbildung: ©William Whitehurst/CORBIS
Satz: BlackArt, Berlin
Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld
ISBN 978-3-89204-904-3

www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX

1. Die Situation: Organisation, Führung und Motivation


in deutschen Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.1 Die neue Marktdynamik im Gesundheitswesen . . . . 2


Wilfried von Eiff
1.2 Der Wettkampf: Ein Gleichnis über Führungsverhalten
und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Wilfried von Eiff
1.3 »War for talent« in deutschen Krankenhäusern . . . . . 11
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

2. Erfolgsfaktor Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.1 Zweck, Merkmale und Elemente von Unternehmens-


kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
2.2 Unternehmensleitbild als Voraussetzung einer
zukunftsorientierten Unternehmenskultur –
Thesen zur Änderung der Organisationskultur
in Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Wilfried von Eiff

3. Bedeutung der Unternehmenskultur für das Krankenhaus 43

3.1 Hospital Branding: Von der Markenkultur zum


Magnet-Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Wilfried von Eiff
3.2 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Wilfried von Eiff
3.3 Personalmanagement im Krankenhaus . . . . . . . . . . . 73
Wilfried von Eiff

V
3.4 Professionalisierung im Personalmanagement –
der Ansatz der DGFP e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Hans Böhm, Sascha Armutat
3.5 Innovations-Management: Vom Verbesserungsvor-
schlag zum High-Tech-Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Wilfried von Eiff
3.6 Ideenmanagement am Universitätsklinikum Münster 119
Stefan Jax
3.7 Mitarbeiterzufriedenheit und Patientenzufriedenheit 129
Wilfried von Eiff
3.8 Messung der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit
in den Helios-Kliniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Andreas Faut
3.9 Kriterien für erfolgreiche Fusionen und Übernahmen 147
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
3.10 Zur Psychologie der Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Winfried Berner
4. Die Diagnose von Unternehmenskulturen . . . . . . . . . . . . 163
4.1 Möglichkeiten der Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
4.2 Fehlerkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Wilfried von Eiff
4.3 Unternehmenskultur im Krankenhaus:
Analyse und Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Hans de Waard, Bram Neuijen
5. Die Entwicklung von Unternehmenskulturen . . . . . . . . . . 199
5.1 Bedeutung der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
5.2 Integrationsprozess bei der Einführung dezentraler
Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Andreas Greulich
5.3. Bedeutung der Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Wilfried von Eiff

VI
5.4 Zunehmende Bedeutung leistungs- und erfolgs-
orientierter Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Martin von Hören
5.5 Bedeutung der Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Wilfried von Eiff
5.6 Rekrutierung und Auswahl von Führungskräften
und Spezialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Torsten Quadt
5.7 Verschwendungsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
Wilfried von Eiff
5.8 Persönliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Wilfried von Eiff
5.9 360-Grad-plus-Methode: Systematisches Rundum-
Feedback als Grundlage der lernenden Organisation . . 294
Wilfried von Eiff, Birgit Hans
5.10 Storytelling: Was das »Erzählen von Geschichten«
mit Organisationsentwicklung und Unternehmens-
kultur im Krankenhaus zu tun hat . . . . . . . . . . . . . . . 301
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

6. Auf der Suche nach Spitzenleistungen:


Wie man von Best Practices lernen kann . . . . . . . . . . . . . . 323

6.1 Die Benchmarking-Kultur: Best-in-class-Leistungen


als Innovationsmotor und nicht als Kopieren von
Patentrezepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
Wilfried von Eiff
6.2 Das Kameda Hospital: Das patientenfreundliche
Krankenhaus mit internationalem Markenstatus . . . . 334
Wilfried von Eiff
6.3 Das Landesklinikum Krems:
Wie ein Leitbild entsteht und das Leistungsangebot
beeinflusst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
Christa Stelzmüller, Jana Bockholdt, Gerhard P. Schwab

VII
6.4 Ideenwettbewerb in der Praxis –
»Domuz eti yermisiniz?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
Petra Conradi
6.5 Die Universitätsklinik Münster:
Kunst im Krankenhaus prägt die Kultur des Kranken-
hauses und dessen Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . 360
Wilfried von Eiff
6.6 Das Istituto Europeo di Oncologia – Patienten und
Angehörige in Grenzsituationen durch eine besondere
Unternehmenskultur begleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
Theresia Hardegger
6.7 Kulturwandel als Unternehmensaufgabe – Die Um-
setzung des Leitbildes in der St. Franziskus-Stiftung 365
Michael Fischer

Verzeichnis der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391


Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

VIII
Vorwort

Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich nicht zuletzt durch


die Gesundheitsreformgesetzgebung in einem tief greifenden Para-
digmenwechsel, bezogen auf das Verständnis von Krankenhausbetriebs-
führung und auf das Verhältnis von Medizinethik und Medizinökonomie.
Verdrängungswettbewerb zwischen Krankenhäusern, Kampf um
Patienten, aber auch wachsender Kostendruck sowie zunehmende
Leistungskomplexität charakterisieren das Spannungsfeld des Kran-
kenhausmanagers. Zwei Ursachen sind im Wesentlichen für diese
Entwicklung verantwortlich:
Komplexität und steigende Kosten sind zum einen auf den medi-
zintechnischen Fortschritt zurückzuführen, der gesellschaftlich er-
wünscht ist und der dazu führt, dass Krankheiten, die gestern noch gar
nicht bekannt waren, heute erforscht und morgen behandelt werden
können. Zum anderen wird unser Patientengut immer komplexer: Auf-
grund der Entwicklung der Alterspyramide müssen vom Gesundheits-
system zunehmend multimorbide Patienten behandelt werden. Das
heißt, ein Patient, der heute wegen einer Gallenblasenoperation in das
Krankenhaus eingeliefert wird, weist gleichzeitig noch eine behand-
lungsbedürftige Herzkreislauferkrankung, eine Zuckererkrankung so-
wie alterstypische Begleiterkrankungen auf. Man kann auch feststellen:
Früher erschien ein Patient mit einer Krankheit im Krankenhaus; heute
kommen mit einem Patienten gleichzeitig vier Krankheitsfälle, die um
Behandlung nachsuchen. Es ist eine alte Weisheit der Führung, dass
Komplexität nur mit Dezentralisation und Delegation von Verantwor-
tung wirkungsvoll begegnet werden kann, sowohl wirtschaftlich als
auch qualitativ:
– kundennahe Organisation durch Center-Strukturen,
– Engagement fördernde Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter
durch Delegation fallabschließender Verantwortung,
– leistungsorientierte Führung durch unternehmerische Anreiz-
systeme,
– Vielseitigkeitsausbildung der Mitarbeiter als Voraussetzung zur
Straffung von Hierarchien und Verbreiterung von Leitungsspannen,

IX
– berufsübergreifende Job Rotation, konstruktives Fehlerbewusstsein
und eine zielführende Streitkultur als Merkmale einer lernenden
Organisation.

Wie weit sind die Krankenhäuser entfernt von diesen idealtypischen


Merkmalen zukunftsweisender Unternehmensstrukturen?
Wo stehen die Krankenhäuser heute im Hinblick auf Führungs-
qualität, Engagementbereitschaft, Fähigkeit zur Selbstmotivation und
Vielseitigkeitsausbildung?
Welche Empfehlungen können für einen zielführenden Weg in
eine auf Delegation und Mitarbeiterinitiative begründete Manage-
mentzukunft abgeleitet werden?
In deutschen Krankenhäusern bestehen bei den entscheidungs-
verantwortlichen Führungskräften zum Teil erhebliche Defizite in
den Bereichen Personalführung, Organisation und Kommunikation.
Auffallend ist die nur sehr oberflächliche Kenntnis von Manage-
mentkonzepten: Begriffe wie Lean Management, schlanke Hierarchie,
Verschwendungsmanagement, Re-Engineering und Vielseitigkeits-
ausbildung werden von den meisten Krankenhausführungskräften
nur etikettenhaft benutzt; in der überwiegenden Zahl der Fälle fehlt
nicht nur die Kenntnis von Konzeptinhalten, Anwendungsvoraus-
setzungen und Einsatzgrenzen, sondern es mangelt auch an der Be-
reitschaft, sich mit neuen Managementkonzepten vertieft auseinan-
der zu setzen. Die Konsequenzen: Mitarbeiter werden von der Füh-
rung überfordert, schlecht vorbereitet und allein gelassen; Berater
haben Hochkonjunktur, weil man sich von ihnen Patentrezepte er-
wartet.
Geradezu irritierend ist in diesem Zusammenhang die Einstellung
von Krankenhaus-Führungskräften zu der Einführung leistungsorien-
tierter Arbeits-, Organisations- und Entscheidungstechniken: So wurde
mir in einem Krankenhaus durch einen leitenden Chefarzt versichert,
man habe Qualitätszirkel bereits vor mehreren Monaten mit großem
Erfolg eingeführt; eine Abfrage in einem Workshop mit zwölf Mitarbei-
tern des gleichen Hauses ergab ein niederschmetterndes Bild. Aus Sicht
der Mitarbeiter waren die Qualitätszirkel eher unproduktive Debattier-
clubs, die Mitarbeiter wurden von der Führung in diese Qualitätszirkel

X
»geschickt«, und sie wurden vorher nicht mit den Arbeitstechniken des
Qualitätszirkelmanagements vertraut gemacht.
In deutschen Krankenhäusern wird viel und vollmundig über
Qualitätsmanagement geredet, aber von einer Qualitätszirkelkultur
sind die meisten Krankenhäuser weiter entfernt als vor Beginn dieser
Etikettendiskussion.
Ähnlich verhielt es sich mit Leitbildaktivitäten: Für die meisten
Krankenhausmanager ist der Leitbildprozess abgeschlossen, wenn
eine Hochglanzbroschüre mit markanten Worthülsen über Selbstver-
ständlichkeiten und Utopien fertig gestellt ist. Warum, so fragt man
sich, muss in einer Leitbildbroschüre fixiert sein, dass der Patient im
Mittelpunkt steht?
Bedrückend mutet die vielerorts anzutreffende Misstrauenskultur
an: Auch wenn die Führung Prozesse der Partizipation einleitet, Qua-
litätszirkelprogramme initiiert und Kommunikationstraining anbie-
tet, nehmen die meisten Mitarbeiter eher eine abwartende bis skepti-
sche Grundhaltung ein: Zu lange sind sie zentralistisch und direktiv
geführt worden; jetzt fehlt ihnen der Glaube an die Ernsthaftigkeit der
Partizipationsbemühungen ihrer Führung.
Mit diesem Handbuch soll dem Praktiker das komplexe und
schwer greifbare Konzept »Unternehmenskultur« und seine erfolgs-
kritische Bedeutung näher gebracht werden. Es werden konkrete Ge-
staltungs- und Handlungsempfehlungen für die direkte Umsetzung
in die Krankenhauspraxis dargestellt.
Das Handbuch will Praktikern eine Antwort auf folgende Fragen
geben:
– Wie kann eine Unternehmenskultur unternehmensindividuell und
zielorientiert entwickelt werden?
– Welche Kultur ist für welche Art von Unternehmen vorteilhaft?
– Welche Merkmale zeichnen eine Unternehmenskultur aus?
– Gibt es »die« Kultur?
– Welche Vorgehensweise und Instrumente eignen sich zur Kultur-
diagnose, zur Kulturfindung und zur Kulturentwicklung?
– Wie »managt« man einen Kulturentwicklungsprozess?

Münster im Dezember 2006 Wilfried von Eiff

XI
1. Die Situation: Organisation,
Führung und Motivation
in deutschen Krankenhäusern
»Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser
werden wird, wenn es anders wird; aber so
viel kann ich sagen, es muss anders werden,
wenn es gut werden soll.«
G. C. Lichtenberg 1742–1799

In diesem Kapitel wird gezeigt, wie sich die »neue Marktdynamik«


auf die Organisation auswirkt und wie es um die Führung und Moti-
vation von Mitarbeitern in deutschen Kliniken bestellt ist.
In Kapitel 1 werden folgende Fragen beantwortet:
– Welchen Einfluss hat die »neue Marktdynamik« auf Führung,
Organisation und Motivation? (Kapitel 1.1)
– Wie beeinflusst die Führung die Motivation der Mitarbeiter?
(Kapitel 1.2)
– Warum gibt es einen »War for talent« in deutschen Kranken-
häusern? (Kapitel 1.3)

1
1.1 Die neue Marktdynamik im Gesundheitswesen
Wilfried von Eiff

»Es wird in Zukunft nur noch zwei Arten


von Managern geben: die Schnellen und die
Toten.«
David Vice (Northern Telecom)

Ähnlich wie in verschiedenen Branchen der Industrie und des


Handels, z. B. im Maschinenbau, in der Automobilindustrie oder der
Glas-Porzellan-Keramik-Branche, hat sich auch im Gesundheits-
wesen eine »Neue Marktdynamik« entwickelt, die die typischen Merk-
male eines Verdrängungswettbewerbs aufweist.
– Wesentlicher Dynamikfaktor ist der Trend zur ambulanten Diag-
nose, Therapie- und Rehabilitationsleistungen, wodurch nieder-
gelassene Ärzte, Krankenhäuser, ambulante Operationszentren
und Rehabilitationszentren zu Konkurrenten werden.
– Eine zusätzliche Dynamik der Leistungsstrukturen wird durch das
Prinzip der Versorgungskaskade ausgelöst: Durch transparente,
überprüfbare Merkmalisierungsentscheidungen des Arztes wird der
Patient in die jeweils kostengünstigere Versorgungsstufe dirigiert.
– Die Fortschritte in Medizintechnik und Pharmazie erlauben be-
lastungsreduzierte Diagnosen und Therapien für den Patienten
und ermöglichen neue Formen der Ablauforganisation sowie der
berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit.
– Dynamikauslöser ist auch das neue Managementparadigma, stei-
gende Versorgungsqualität bei tendenziell sinkenden Kosten zu rea-
lisieren. Die Krankenhäuser werden durch den Übergang zum
Preisprinzip gezwungen, alle Rationalisierungsreserven für Kosten-
senkung und Qualitätssteigerungen, aber auch zur Finanzierung
zukunftsweisender minimalinvasiver Technologien nutzbar zu ma-
chen.
– Dynamische Impulse gehen auch von der erklärten Strategie
des Gesetzgebers aus, durch ständige krankenhausübergreifende
Leistungsvergleiche nach § 5 BPflV und Benchmarkingprojekte

2
nach § 26 BPflV bzw. § 63 SGB V schrittweise zu medizinisch
abgesicherten, ökonomischen Leistungs- und Entgeltstrukturen
(insbesondere Fortschreibung von Fallpauschalen und Sonderent-
gelten) vorzustoßen.
– Managed-Care-Tendenzen sind unverkennbar: Die Gesundheitsreform
sieht eine monistische Finanzierung für Krankenhäuser (also Investi-
tions- und Betriebskostenfindung über Preise) vor, setzt auf Gate-
keeper-Modelle zur Patientensteuerung im regionalen Gesundheits-
netzwerk und bevorzugt Einkaufsmodelle für die Krankenkassen.

Die Wettbewerbsdynamik wird insbesondere durch


– Konzentrationstendenzen und Bildung von vertikalen Anbieter-
netzwerken (Kapital- und Leistungsverflechtung von Ambulanz-
zentren, Akutkrankenhäusern, Rehabilitationskliniken und Pflege-
einrichtungen),
– Zufluss von ausländischen Kapitalanlagen und durch
– Europäisierung der Leistungsangebote
(z. B. Rehabilitation auf Mallorca)
immer komplexer.

Im Gesundheitswesen produziert die »Neue Marktdynamik« für die


Krankenhäuser eine grundlegende strategische Zieldisharmonie (siehe
Abbildung 1-1), wobei der Versicherte mit seiner Nulltarifillusion, der
Politiker mit seinen unpräzisen Solidaritätsmaximen und der Gesetz-
und Verordnungsgeber für Richtung und Intensität dieser Dynamik
Impuls gebend sind.
Einerseits steigen die Anforderungen an die Versorgungsqualität.
Dadurch nimmt die High-Tech-Orientierung in der Medizin zu
(Trend zu nicht- bzw. minimalinvasiven Verfahren in Diagnose und
Therapie). Diese Art von Medizin ist aber auch noch durch hoch qua-
lifiziertes medizinisches und paramedizinisches Personal sicherzu-
stellen. Dieses Zusammenwirken unterschiedlichster Know-how-
Träger erfordert Teamarbeitsprozesse bei steigender Kommunika-
tionsintensität.
Andererseits zwingt der Verdrängungswettbewerb die Krankenhäu-
ser dazu, mit einem flexiblen und spezialisierten Leistungsangebot um
den Patienten zu werben. Ständiges Benchmarking und Orientierung

3
Abbildung 1-1: Die »neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen produziert für die
Krankenhäuser eine grundlegende strategische Zieldisharmonie:
Kosten versus Qualität.

an »Best Practices« soll die Kosten mindern, ohne in eine Billigmedizin


abzugleiten.
Diese Zieldisharmonie zwischen »design to quality« und »design to
cost« ist nur durch Mobilisierung des bestmöglichen technologischen,
medizinischen und insbesondere organisatorischen Know-hows auf-
zulösen.
Aus den Anforderungen der neuen Marktdynamik und den stra-
tegischen sowie organisatorischen Konsequenzen wird deutlich, dass
die Aktivierung des bestmöglichen technologischen, medizinischen
und organisatorischen Know-hows bei zeitoptimaler Organisation

4
von Leistungsprozessen sowie Patientenwirksamkeit bei »Produkt«
und »produktnaher« Dienstleistung zu Erfolgsfaktoren eines Kran-
kenhauses werden.
Zur Bewältigung der Managementherausforderungen sind die
Krankenhäuser zu einer neuen Art dynamischen, auf schnelle Re-
sultatserzielung ausgelegten Lernens gefordert: Das bestmögliche, in
Wettbewerbsvorteile transformierbare, zur Verhinderung von Wett-
bewerbsnachteilen mobilisierbare Experten- und Problemlösungswis-
sen muss schnellstmöglich, mit geringstem Aufwand, bei überschau-
barem Risiko des Scheiterns zur Wirkung gebracht werden.
Es geht also um die Fähigkeit, Bestleistungen anderer Kranken-
häuser, aber auch Bestleistungen aus anderen Branchen zu erkennen,
an die eigene Situation anzupassen und zu einer eigenen Bestleistung
weiterzuentwickeln.
Personalmanagement ist gefordert, die Lern- und Wissenstrans-
ferprozesse im Unternehmen zu organisieren. Die Initiierung von
Qualitätszirkelprogrammen gehört ebenso zu dieser »Strategie des
lernenden Unternehmens« wie die Einführung von Benutzer-Service-
gruppen für Informationstechnologien, die Förderung von Infor-
mations-Märkten sowie die systematische Entwicklung einer Bench-
marking-Kultur. Von zentraler Bedeutung wird die Anwendung von
Methoden der zielgerichteten Kreativität, um insbesondere durch ge-
nerisches (also branchenübergreifendes) Benchmarking zu so ge-
nannten »breakthrough innovations« zu gelangen.
Das Management der Wertschöpfungskette wird zur Herausforde-
rung der Führungskräfte. Personalmanagement bildet einen Teil der
Infrastruktur der Wertschöpfungskette. Die Abbildung 1-2 verdeut-
licht diese Zusammenhänge.
Diese »Neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen erfordert die
Führung des Krankenhauses als Unternehmen: Kundennähe und Fle-
xibilität, Schnelligkeit im Erkennen von neuen attraktiven Marktfel-
dern, Konsequenz in der Öffnung von Märkten durch gezielte
Kooperationen, Entwicklung von Produkt- bzw. Dienstleistungsinno-
vationen, Entscheidungsschnelligkeit gepaart mit Entscheidungs-
qualität umreißen die Fähigkeitsstruktur des Krankenhauses der
Zukunft.

5
Abbildung 1-2: Das Management der Wertschöpfungskette wird zur Herausforde-
rung für Führungskräfte im Krankenhaus. Personalmanagement
bildet einen Teil der Infrastruktur einer Wertschöpfungskette.

Marktöffnende Innovationen müssen erkannt, für die eigene Orga-


nisationskultur weiterentwickelt und im Konsens realisiert werden,
um auf Dauer erfolgreich als »Unternehmen Krankenhaus« Bestand
haben zu können.
Innovations- und Lernfähigkeit sowie die Fähigkeit zum geplanten
organisatorischen Wandel (Change Management) hängen von der
Qualität der Mitarbeiter ebenso ab wie von der Organisation, die das
Engagement leistungswilliger Mitarbeiter ermöglicht oder behindert.

Fragenkatalog:
Welche Merkmale charakterisieren die so genannte
»Neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen?
• Welche Auswirkungen, Anforderungen und Herausforderungen sind im Hinblick auf
Organisation und Zusammenarbeit, Führung, Mitarbeitermotivation, Mitarbeiterqualifi-
kation sowie Unternehmenskultur für die Krankenhäuser absehbar?

6
Abbildung 1-3: Dezentrale Organisation, kundenorientierte Entscheidungs-
strukturen und leistungsorientierte Führung werden den Erfolg des
Krankenhauses in Zukunft ausmachen.

Die arbeitstägliche Realität im Krankenhaus


• Inwieweit sind die Krankenhäuser organisationskulturell, mental, organisatorisch und
führungstechnisch auf die neuen Herausforderungen durch Markt und Gesellschaft
vorbereitet?
• Wie wird die aktuelle unternehmenskulturelle Situation in deutschen Krankenhäusern
einerseits durch Führungskräfte, andererseits durch Mitarbeiter eingeschätzt?
• Gibt es Unterschiede in der Unternehmenskultur zwischen deutschen Krankenhäusern
und ausländischen Krankenhäusern, und worauf sind diese Differenzen möglicher-
weise zurückzuführen?
Verbesserungspotenzial im Krankenhaus
• Inwieweit liegen Führungs- und Motivationslücken in deutschen Krankenhäusern vor?
• Welcher Qualifikationsbedarf bzw. welche Qualifikationsschwerpunkte sind im Hin-
blick auf zukunftsorientierte Managemententwicklungsprogramme für Krankenhäuser
daraus abzuleiten?
Personalmanagement im Krankenhaus
• Welche aktuelle und zukünftige Rolle spielt das Personalmanagement im Sinne eines
Qualitäts-, Innovations- und Kulturförderers?
• Welche Rolle (Verwalter kontra aktiver Gestalter) spielt die Personalabteilung in deut-
schen Krankenhäusern und welche Akzeptanz wird dieser Funktion entgegenge-
bracht?
• Sind die Personalabteilungen in deutschen Krankenhäusern ausreichend qualifiziert
und genügend akzeptiert, um die aus der Industrie bekannten Ziele des Personal-
managements zu erreichen? Welche Qualifikationen müssen aufgebaut werden?

7
• Auf welche Qualifikationsmerkmale legt man in deutschen Krankenhäusern heute bei
der Auswahl und Karrierebeurteilung von Führungskräften und Mitarbeitern Wert und
finden sich diese Merkmale auch in den Qualifikationsprogrammen und Laufbahn-
systemen wieder?
• Auf welche Art und durch welche personalpolitischen Maßnahmen wird personelle
Qualifikation entwickelt und welche Rolle spielen personalpolitische Instrumente wie
beispielsweise Personalentwicklungsprogramme in Verbindung mit Laufbahnsystemen,
Job Rotation, Training-off-the-Job, etc?

Checkliste 1-1: Neue Marktdynamik.

1.2 Der Wettkampf:


Ein Gleichnis über Führungsverhalten und Motivation
Wilfried von Eiff

Dass im direkten sportlichen Kräftemessen mitunter ungeahnte


Leistungsreserven mobilisiert werden, ist keine neue Erkenntnis und
spricht für die These von der motivierenden Wirkung herausfordern-
der Ziele sowie der Stimulanz durch Leistungsvergleich. Und nicht
wenige Unternehmen setzen gezielt die Instrumente der Belohnung
und Bestrafung ein, um ihre Mitarbeiter durch »Motivierung« leis-
tungsorientiert zu führen.
In der betrieblichen Realität dominiert mitunter ein eher fragwür-
diges Verständnis über Motivationsstrukturen, Motivationsmechanis-
men und Motivationsmaßnahmen bzw. motivierende Rahmenbedin-
gungen.
Die arbeitstägliche Motivationsrealität wird durch die Metapher
vom Team im Krankenhaus-Renn-Achter nachdenkenswert charakte-
risiert. Nun zu unserer Geschichte:
Das deutsche Maximalversorgungskrankenhaus »TopMedi-Klinik«
vereinbarte im Rahmen eines internationalen Benchmarkingprojekts
mit einem amerikanischen »Nummer-1-Hospital«, einmal jährlich ein
Wettrudern mit einem Krankenhaus-Achter auszutragen. Die beiden
konkurrierenden Krankenhäuser entwickelten streng geheim ein

8
Erfolg versprechendes sportliches Konzept und wählten die geeig-
neten Mitarbeiter aus. Beide Mannschaften trainierten hart, um am
Tage des großen Wettkampfs bei höchster Leistungsfähigkeit zu sein.
Der Ausgang des ersten Rennens war deprimierend: Die Amerika-
ner schlugen die Deutschen um Längen.
Nach dieser vernichtenden Niederlage war das TopMedi-Team sehr
niedergeschlagen und völlig demotiviert. In einer Krisensitzung ent-
schied der Vorstand, dass der Grund für diese peinliche Niederlage
unbedingt herausgefunden werden müsse. Ein Projektteam wurde
eingesetzt, um das Problem zu untersuchen und geeignete Maß-
nahmen zu empfehlen. Damit auch jeder Geschäftsbereich in diesem
Prozess der Schwachstellenfindung angemessen vertreten war, wur-
den 15 Mitarbeiter aus den verschiedenen Geschäftsbereichen, ins-
besondere Stabsmitarbeiter aus Qualitätssicherung, Personalverwal-
tung, Controlling usw. für das Projektteam rekrutiert.
Die Untersuchung deckte die Ursache der Niederlage schonungslos
auf: Bei den Amerikanern ruderten sieben Mann und einer steuerte,
während im TopMedi-Team ein Mann ruderte und sieben Mann steuer-
ten, die insbesondere darauf spezialisiert waren, den Ruderer anzufeu-
ern.
Der Vorstand bedankte sich bei dem Projektteam für die präzise
Analyse und engagierte sofort eine renommierte Consulting-Firma,
um eine international vergleichende Best-Practices-Studie über die
Struktur und Teamkultur des TopMedi-Teams anfertigen zu lassen.
Nach fünf Monaten intensiver Untersuchung kamen die Consultants
zur entscheidenden Schlussfolgerung (die sie sich übrigens mit
1,4 Millionen Euro vergüten ließen): »Es steuern zu viele Leute, und
es rudern zu wenige!«
Damit das Kräftemessen im nächsten Jahr nicht wieder in einer
herben Niederlage für das eigene Team enden würde, schlugen die
Berater (für ein zusätzliches Honorar in Höhe von 0,9 Mio. Euro)
eine völlig neue, revolutionäre Teamstruktur vor: Im Sinne von Lean-
Management wurde radikal von sieben auf vier Steuerleute reduziert.
Zwecks besserer Koordination schlugen die Consultants die Einrich-
tung von zwei Obersteuerleuten vor. Um eine bessere hierarchische
Akzeptanz der neuen Organisation zu erwirken, wurde ein Steue-

9
rungsdirektor auf hoher Hierarchieebene eingerichtet; damit war die
Positionsmacht für das TopMedi-Team im Krankenhaus gesichert.
Weiterhin führte man ein Leistungsbewertungssystem ein, um den
Mann, der das Boot rudern sollte, zu größerer Anstrengung zu moti-
vieren, damit er auf diese Weise zu einem echten Leistungsträger
werde.
»Wir müssen seinen Aufgabenbereich erweitern und ihm mehr
Verantwortung übertragen. Nur über Motivation lässt sich Leistung
erzeugen«, begeisterte sich der Personalvorstand.
Aber auch der Controllingvorstand wusste einen Beitrag zur moti-
vationsorientierten Mitarbeiterführung zu leisten: »Wir müssen den
Ruderer in unser Berichtswesen einbinden. Er muss regelmäßig in
Wochen-, Monats- und Quartalsberichten über seinen Trainings-
zustand Auskunft geben«, sprach der Controllingvorstand und war
überzeugt, zum Teamerfolg beitragen zu können.
Der nächste Wettkampf kam – und wieder gewannen die Amerika-
ner. Diesmal hatte sich der Vorsprung sogar verdoppelt. Jetzt handelte
der Vorstand rasch und konsequent: Der Ruderer, der seine traum-
hafte Chance zur Personalentwicklung nicht genutzt hatte, wurde
wegen schlechter Leistung entlassen; Boot und Ruder wurden ver-
kauft. Darüber hinaus wurden alle Investitionen in motivierende
Maßnahmen für die Mitarbeiter gestoppt. Die bereits angelaufene
Entwicklung für ein neues Wunderboot wurde eingestellt.
Die Beratungsfirma wurde vom Vorstand für ihre hervorragende
Arbeit öffentlich belobigt. Das eingesparte Geld wurde in Form einer
Erfolgsprämie an den oberen Führungskreis ausgeschüttet. Schließ-
lich sollte das Management nicht für die miserablen Leistungen des
Mannes an den Riemen bestraft werden.

10
Diese Fragen sollten Sie stellen, wenn Sie einem Problem wirklich auf den Grund
gehen wollen:
Welche Faktoren sind besonders kritisch für den Geschäftserfolg?
• Kundenzufriedenheit?
• Einweiserzufriedenheit?
• Lagerumschlag?
• Mitarbeiterqualifikation?
• Welche Bereiche bereiten Probleme?
(orientiert etwa an: Fehltagen, Kundenbeschwerden, Kosten, Qualität)
Welches sind die wesentlichsten Leistungen dieser Bereiche
und wie werden diese gemessen und gesteuert?
• Zweck des Bereichs (Existenzberechtigung)
• Welche fünf Hauptaufgaben werden von diesem Bereich erledigt?
• Wie wirkt sich die Tätigkeit des Bereichs auf die Erfolgsfaktoren des Unternehmens
aus?
Analyse der Leistungsprozesse
• Welche Leistungen werden welchen Kunden effektiv zur Verfügung gestellt?
• Welche Faktoren bestimmen die Kundenzufriedenheit?
• Welche Probleme wurden bereits identifiziert?
• Wo wird Druck aus dem Wettbewerb wahrgenommen?
• Welche Faktoren tragen am stärksten zu den Kosten bei?
• Welches sind die für den Geschäftserfolg wichtigsten vier Geschäftsprozesse, und wel-
che Störungen treten innerhalb dieser Prozesse auf?

Checkliste 1-2: Vorgehensweise bei der Problemidentifikation –


Benchmarking-Bedarf.

1.3 »War for talent« in deutschen Krankenhäusern

Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

Die Situation hat sich dramatisch verschärft: Auf den Schreibtischen


deutscher Klinikchefs, dort wo sich vor wenigen Jahren die Bewer-
bungen junger Mediziner noch stapelten, herrscht inzwischen gäh-
nende Leere. Jedes zweite Krankenhaus in den alten Bundesländern
und etwas mehr als 80 Prozent aller Häuser in den neuen Bundes-
ländern können offene Stellen für Ärzte nicht besetzen.
Derzeit sind rund 5000 Medizinerstellen an deutschen Kliniken
unbesetzt. Das Problem: Nur noch 45 Prozent aller Medizinstudenten
wollen nach ihrem Studium als Arzt arbeiten – bei Pharma- oder

11
Beratungsunternehmen finden die jungen Akademiker oft attrakti-
vere Arbeitsbedingungen.
Der Wettbewerb um qualifiziertes medizinisches Personal ist
härter geworden. Im Krankenhaus gibt es einen »War for talent«.
Nachwuchs bekommt man nur, wenn der Beruf attraktiv ist (Richter-
Reichhelm 2003: o. S.).
Mittlerweile antworten 35 Prozent auf die Frage der Bundesärztekam-
mer, ob sie sich noch mal für den Arztberuf entscheiden würden, mit
Nein. Mehr als die Hälfte sind mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrie-
den. Dabei sind die niedergelassenen Ärzte mit durchschnittlich 59 Pro-
zent unzufriedener als ihre Kollegen in Krankenhäusern mit 48 Prozent.

Woran liegt diese Unzufriedenheit (Richter-Reichheim 2003: o.S.)?


– hohes Arbeitspensum:
55 Stunden in der Woche bei niedergelassenen Ärzten,
– regelmäßig unbezahlte Mehrarbeit:
bei 75 Prozent mehr als 45 Wochenstunden,
bei 50 Prozent mehr als 50 Wochenstunden,
bei 25 Prozent mehr als 55 Wochenstunden,
– Bürokratisierung des Berufs,
– Unmenge von Regulierungsvorschriften,
– Diffamierung des Berufsbildes in der Öffentlichkeit,
– geringe Bezahlung im Vergleich zu anderen Berufsgruppen.

Diese Unzufriedenheit hat weit reichende Folgen, denn sie wirkt sich
auf die Patientenzufriedenheit aus.
Das wichtigste Ersatzkriterium, um die Qualität der medizinischen
Dienstleistung zu beurteilen, ist das Verhalten der Krankenhaus-
mitarbeiter untereinander. So ergab eine CKM-Studie: Wenn der Pa-
tient den Eindruck hat, die Mitarbeiter seien unkollegial, im Umgang
miteinander unfreundlich, es würde gegenseitig Schuld zugewiesen,
Informationen werden zurückgehalten oder Hierarchie ausgespielt,
dann ist dies im Beurteilungsbild der Patienten ein augenscheinliches
Indiz für Unsicherheit und mangelnde Fachkompetenz.
Die Zahlen sprechen für sich: Der »Kulturschock Krankenhaus«
führte dazu, dass von 12 106 Erstsemestern 1996 im Jahr 2002 noch
gerade 6675 als Arzt im Praktikum anfingen. Im Jahr 1998 hatten

12
sich immerhin noch 7862 bei den Ärztekammern als Arzt im Prakti-
kum angemeldet. Dies entspricht einem Rückgang um 15 Prozent in
nur vier Jahren (Kopetsch 2003).
Gut 20 Prozent der jährlich rund 11 000 Studienanfänger brechen
ihr Studium ab. Viele wechselten in nichtärztliche Berufe, zogen Jobs
in Unternehmensberatungen, Versicherungen, der Pharmaindustrie
und neuerdings auch in medizinischen Call-Centern vor. Von rund
374 000 Ärzten in Deutschland waren 2001 rund 77 000 ohne ärzt-
liche Tätigkeit – Tendenz steigend. Und auch die Abwanderung in das
für deutsche Ärzte immer attraktiver werdende Ausland wird größer
– nicht zuletzt aufgrund massiver Abwerbung: Inzwischen arbeiten
circa 2600 deutsche Mediziner allein in Großbritannien und 650 in
Norwegen. In Schweden wurden seit 1994 708 Lizenzen vergeben.
Die Auswirkungen in deutschen Krankenhäusern und Kliniken
sind schon heute – zumindest regional – fatal: Besonders in den
neuen Bundesländern suchen Klinikchefs händeringend nach Ärzten
im Praktikum, Assistenten und Fachärzten. Dasselbe Schicksal ereilt
zunehmend auch die Krankenhäuser und Fachkliniken für Rehabili-
tations-Medizin in ländlichen Gegenden. Selbst große Kliniken mit
einem hervorragenden Portfolio an Weiterbildungs-Ermächtigungen
signalisieren zunehmend Schwierigkeiten bei der Besetzung freier
Stellen. Hinzu kommt, dass bis 2010 rund 22 000 Hausärzte aus
dem Berufsleben ausscheiden werden. Der Altersdurchschnitt der
niedergelassenen Ärzte liegt heute schon bei 50 Jahren, der der Kran-
kenhausärzte ist auf 40 Jahre angestiegen.
Im Osten gilt die Faustregel »55 Prozent aller niedergelassenen
Ärzte sind älter als 55 Jahre«. Dagegen sackte der Anteil der Ärzte
unter 35 Jahren unter 18 Prozent ab. Als heilende Ressource sind auch
die rund 8500 in Deutschland arbeitslos gemeldeten Humanmedizi-
ner äußerst vorsichtig zu bewerten. Viele gelten als immobil, andere,
zumeist Medizinerinnen, die eine Familie gegründet haben, stehen
aufgrund fehlender, notwendiger Teilzeitangebote vor allem in der
Fläche de facto nicht zur Verfügung (Kopetsch 2003).
Das Ärzteblatt hat mittlerweile ein eigenes Forum eingerichtet mit
dem Titel »Der Nachwuchs geht«. Hier findet man dann Diskus-
sionsbeiträge unter Überschriften wie »Der Nachwuchs geht – der

13
Abbildung 1-4: Im Forum des Deutschen Ärzteblatts spiegelt sich die Stimmung
der deutschen Ärzteschaft wider.

Russe kommt«, »400 Ärzte haben 2003 Bayern verlassen« oder »Seit
1.6.04: Jetzt noch bessere Chancen in der Schweiz«.
Ihrem Unmut Luft gemacht haben auch die Ärzte der Charité.
In Heft 36/2004 des Deutschen Ärzteblattes schalteten die Ärzte
eine sehr ungewöhnliche Anzeige. Dort heißt es unter anderem:
»270 Fachärzte und Assistenzärzte (w/m) der Charité (. . .) in unge-
kündigter Stellung, wissenschaftlich ausgewiesen, in Klinik und
Lehre engagiert, suchen aufgrund verschlechterter Arbeitsbedingun-
gen durch neue Tarifverträge neue, interessante Aufgaben (auch im
Ausland) . . .«
Die Ärzte protestieren damit gegen die Sparvorgaben der Kliniklei-
tung. In einem Leserbrief kommentiert Dr. med. Wolfhart Priesack
den Artikel wie folgt: »Den mutigen Ärztinnen und Ärzten der

14
Abbildung 1-5: Das Stellengesuch der Ärzte aus der Charité aus dem Ärzteblatt
vom 3. September 2004 zeigt die Brisanz der Situation.

Charité gebührt größte Hochachtung und die volle Unterstützung


der Ärzteschaft und deren Organe! Wann werden diese aber aus ihrer
unterwürfigen Duldungsstarre aufwachen, um . . . endlich offensiv . . .
eine angemessene Vergütung durchzusetzen?«

15
2. Erfolgsfaktor Unternehmenskultur
»Mit einer hoch motivierten Mannschaft,
die auf alten Maschinen in einer Bruchbude
arbeitet, erreicht man mehr als mit einer
unmotivierten Gruppe, die über modernste
Maschinen und Gebäude verfügt.«
Reinhold Würth

Rudolf Jost beginnt sein Buch mit der folgenden Frage: »Was haben
ein Pudding und Unternehmenskultur gemeinsam?« Auf den ersten
Blick nichts. Und doch viel: »Unternehmenskultur zu ergründen,
gleicht dem Versuch einen Pudding an die Wand zu nageln. Nur
dürfte das den wenigsten schon gelungen sein.« (Jost 2003: 9)
In diesem Kapitel soll der Begriff Unternehmenskultur definiert
werden.

Folgende Fragen werden in diesem Kapitel beantwortet:


– Was ist Unternehmenskultur?
– Welche Faktoren und Einflussfaktoren bilden die Unternehmens-
kultur?
– Welche Bedeutung hat die Unternehmenskultur für ein Unterneh-
men?
– Wie unterscheiden sich unterschiedliche Kulturen voneinander?
– Kann man eine Unternehmenskultur verändern?

17
2.1 Zweck, Merkmale und Elemente
von Unternehmenskulturen

Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

Anfang der 80er begann die systematische Erforschung des Phäno-


mens Unternehmenskultur. Zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass
mit der Unternehmenskultur auch der Unternehmenserfolg erklärt
werden kann und dass sich Unternehmenskultur auch managen und
steuern lässt. Auslöser für dieses neue Forschungsinteresse waren die
Arbeiten von Wissenschaftlern, die offensichtliche Erfolgsunter-
schiede zwischen japanischen, amerikanischen und europäischen
Unternehmen zu erklären versuchten.
Die Bedeutung von Unternehmenskultur, Führung und Organi-
sation für die Innovationsfähigkeit sowie die langfristige Existenz-
sicherung von Unternehmen ist in einschlägigen Studien überzeu-
gend belegt (z. B. von Peters und Waterman 1982; Womack, Jones und
Roose 1989; Simon 1996).
Die Unternehmenskultur, also die Art und Weise, wie Mitarbeiter
und Führungskräfte miteinander kommunizieren, wie man mit Feh-
lern, anderen Meinungen und Mitarbeitervorschlägen umgeht und
der Stellenwert, den der Kunde wirklich hat, zählt zu denjenigen
»Vermögensgütern« eines Unternehmens, die nur sehr langsam und
mit viel Sozialenergie aufbaubar sind; gleichzeitig aber ist die Unter-
nehmenskultur von Wettbewerbern kaum kopierbar. Sie weist also
höchsten Kopierschutz im Vergleich zu Produkten, Dienstleistungs-
angeboten oder Operationstechniken auf (vgl. Abbildung 2-1).
Die Erkenntnis: Unternehmenskultur in Verbindung mit einer
»korrespondierenden« Organisation beinhaltet das größte dauerhafte
Erfolgspotenzial eines Unternehmens. Die Fähigkeit einer Kultur zur
Selbsterneuerung, zu Innovation und mutiger Realisierung impliziert
das Vermögen möglichst vieler Mitarbeiter, kreativ zu sein und Prob-
lemlösungsfähigkeit im Tagesgeschäft zur kontinuierlichen Ver-
besserung zu nutzen.
In unserer Dienstleistungsgesellschaft wird Unternehmenskultur
immer wichtiger, da die Menschen immer weniger bereit sind, nur

18
Abbildung 2-1: Die Unternehmenskultur ist der wichtigste Erfolgsförderer, der
gleichzeitig den höchsten Schutz vor Imitation durch Wettbewerber
aufweist.

des Geldes wegen zu arbeiten. Die Menschen suchen in ihrer Arbeit


Sinn und Erfüllung. Unternehmen müssen sich bewusst werden,
dass sich insbesondere hoch qualifizierte Mitarbeiter nur über Moti-
vation und Zielvorgaben führen lassen. In gewisser Weise ersetzt die
Unternehmenskultur die Stechuhr.

2.1.1 Die Sozialqualität als wichtigste Qualitätsdimension

Die Sozialqualität wird damit zum Erfolgsfaktor einer zielführenden


und zeitökonomischen Gestaltung von Entscheidungs- und Leis-
tungsprozessen. Es sind die versteckten sozialen Spielregeln, die über
Effizienz und Effektivität von Organisationen sowie über die prakti-
sche Wirksamkeit theoretischer Managementkonzepte entscheiden
(siehe Abbildung 2-2).
Die versteckten sozialen Spielregeln sind maßgebend für Arbeitsef-
fizienz, Betriebsklima, Kundenorientierung und Unternehmensent-
wicklung. Sie umfassen die in der arbeitstäglichen Realität wirksamen
Sanktions- und Belohnungsmechanismen, die das tatsächliche Verhal-

19
Abbildung 2-2: Die Sozialqualität ist der entscheidende Erfolgsförderer in einer
Organisation.

ten von Menschen in Organisationen steuern. Sie führen zur Entwik-


klung von sozialen Normen im Betrieb und repräsentieren die gelebte
Unternehmenskultur. In der Regel stehen die versteckten Regeln nicht
in Übereinstimmung mit den offiziellen Leitlinien der Personalpolitik
bzw. den formulierten Anforderungen der Unternehmensführung
oder den auf Hochglanzpapier gedruckten Unternehmensleitlinien:
– Mitarbeiter werden zur Kritik ermutigt, aber befördert werden
die Ja-Sager.
– Mitarbeiter sollen Ideen zur Verbesserung der Arbeitswelt ent-
wickeln, aber Vorschläge werden abgeblockt, vertagt und ignoriert.
– Kundenorientierung wird gepredigt, aber an bürokratischen Pro-
zessen bei der Abwicklung von Reklamationen wird festgehalten.

20
2.1.2 Was ist Unternehmenskultur?

Unternehmenskultur ist allgegenwärtig und doch ist sie nicht greif-


bar. Im Grunde stehen wir vor dem gleichen Problem, wie wenn wir
die Kultur eines Landes beschreiben wollen. Auf den ersten Blick ist
alles ganz einfach: Franzosen trinken Rotwein, rauchen Gauloises
und essen Baguette, die Deutschen trinken Bier, schauen Fußball und
essen Sauerkraut, die Briten spielen Golf, trinken mittags Tee und es-
sen »fish and chips«.
Auch von Unternehmen hat man schnell einen ersten Eindruck.
Dieter Wehe nannte in seinem Vortrag zum Thema Organisations-
kultur einige Beispiele:

• DaimlerChrysler: überlegene Ingenieurskunst, hohe Qualität, exklusives Image


• Ikea: erschwingliche Möbel im »Skandinavien-Look« für lockere, weltoffene Menschen
• McDonalds: schnelles, unkompliziertes und preiswertes Essen in lockerem Ambiente
• Aldi: gute Qualität zu niedrigsten Preisen
• Swatch: originelle, witzige und preiswerte Uhren für junge, trendbewusste Leute
• Smart: Pfiffige Autos, preiswert, »trendy«

Checkliste 2-1: Beispiele für einzigartige Unternehmenskulturen (Wehe 2003).

Nachdem man einige Wochen in einem Unternehmen gearbeitet hat,


weiß man »wie die Dinge laufen«, man weiß, »was wichtig genom-
men wird und was nicht«. Man kennt die wichtigsten Regeln und
man tritt nicht mehr in das erstbeste »Fettnäpfchen«. Nach wenigen
Tagen in einer Behörde weiß man zum Beispiel, dass nur der Präsi-
dent einen grünen Stift benutzen darf und rote Stifte der stellvertre-
tenden Präsidentin vorbehalten sind. Normale Mitarbeiter sollten bes-
ser die Finger von diesen Farben lassen. Man weiß, dass es Frau Meier
nicht besonders schätzt, wenn man die Reisekostenabrechnung und
die Belege zusammenheftet.
Mancher Leser denkt sich nun vermutlich, das ist ja viel zu plaka-
tiv und so kann man das nicht verallgemeinern. Aber warum fühlt
man sich dann einer Kultur zugehörig? Welche Elemente machen das
Gesamtbild einer Kultur aus?

21
Nach Hofstede (2001: 8 ff.) manifestiert sich Kultur durch ihre
sichtbaren Elemente wie Symbole, Helden und Rituale (unter dem
Oberbegriff Bräuche (Praktiken) zusammengefasst) und ihre unsicht-
baren Elemente wie Werte.
– Symbole werden von denen erkannt, die der gleichen Kultur ange-
hören. So haben etwa Farben eine höchst unterschiedliche Bedeu-
tung in den Kulturen. Schwarz steht in Deutschland für Trauer, in
China hingegen für Macht, Geld und Nachdenken.
– In jeder Kultur gibt es Helden. Diese Personen besitzen Eigen-
schaften, die in einer Kultur hoch angesehen sind.
– Auch Rituale definieren die Zugehörigkeit zu einer Kultur. So be-
grüßen sich die Franzosen mit einem Kuss auf die Wange, in
Deutschland gibt man sich die Hand. In Japan ist es wiederum sehr
wichtig, dass man der Visitenkarte des Geschäftspartners große
Aufmerksamkeit schenkt.
– Schließlich wird die Kultur noch durch Werte geprägt. Werte sind
allgemeine Neigungen, einen Umstand einem anderen vorzuzie-
hen. So kann die Unternehmenskultur in einem Krankenhaus z. B.
durch die Werte der katholischen Kirche geprägt sein. Viele Dinge
werden hier ganz anders entschieden als in einem weltlichen
Krankenhaus.

Es sind die vielen Kleinigkeiten, die das große Ganze ausmachen und
die man versteht, ohne sie benennen zu können. Ähnlich verhält es
sich mit der Unternehmenskultur. Ein Opelaner weiß schon ziemlich
genau, wie es sich anfühlt ein Opelaner zu sein. Aber kann er es auch
präzise beschreiben? Wohl kaum.
Der Begriff Unternehmenskultur wird in der Literatur nicht eindeutig
definiert. Die nachfolgenden Definitionen vermitteln exemplarisch
einen Eindruck.
– »Ein System von Wertvorstellungen, Verhaltensnormen, Denk-
und Handlungsweisen, das von einem Kollektiv von Menschen
erlernt und akzeptiert worden ist und bewirkt, dass sich diese
soziale Gruppe deutlich von anderen Gruppen unterscheidet.«
(Bleicher 1991: 732)

22
Abbildung 2-3: Das Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur (in Anlehnung
an Schein 1995) zeigt, aus welchen Komponenten sich die Unter-
nehmenskultur zusammensetzt.

– Unternehmenskultur wird verstanden als stabile Sammlung von


Werten, Symbolen, Helden, Ritualen und Geschichten. (Deal und
Kennedy 1987: 75 ff.)
– »Menge der Gewohnheiten, in der sich ein Unternehmen von sei-
ner Umgebung unterscheidet. Umgebung kann dabei die eigene
Branche, aber auch die Industrie insgesamt oder die umgebende
Gesellschaft sein.« (Berner 2000: 31).

Um die Unternehmenskultur greifbarer zu machen, hat Schein das


so genannte Drei-Ebenen-Modell entwickelt. Die Ebene der Symbole
und Zeichen ist unmittelbar sichtbar – kann aber unterschiedlich
interpretiert werden. Normen und Standards sind nur teilweise
sichtbar, und ein Teil ist auf den ersten Blick nicht sichtbar. Basis-
annahmen sind unsichtbar und meist auch unbewusst.
Anhand dieses Kulturverständnisses kann man festhalten: Es geht
darum, all diese Ebenen zu beschreiben. Diese sind wiederum von
Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Will man das Beson-
dere an der Unternehmenskultur herausarbeiten, muss man fragen:
Was ist auf der jeweiligen Ebene besonders? Was ist besonders auf-

23
fällig und wichtig? Eine Hilfestellung können hierbei standardisierte
Kulturtypen leisten.

2.1.3 Kulturtypen

Kulturtypologien sind Hilfsmittel zur Charakterisierung und Diffe-


renzierung von Unternehmenskulturen anhand bestimmter Merk-
male. Diese Typologien können als Grundlage dienen, um Kulturen
einzuordnen. Ein bestimmter Unternehmenskulturtyp gibt Auf-
schluss darüber, wie sich das Verhalten innerhalb des Unternehmens
gestaltet. Die Typologien sind eine starke Vereinfachung der Realität.
Deal und Kennedy (1987) identifizieren folgende Kulturtypen: Alles-
oder-Nichts-Kultur, Brot-und-Spiele-Kultur, analytische Projekt-Kultur
und Prozess-Kultur. Diese Kulturtypen unterscheiden sich in den
Dimensionen: Zeitraum bis zur Mitteilung des Aufgabenerfolgs und
Risiko des Einzelgeschäftes (Steinmann und Schreyögg: 721 ff.).

Abbildung 2-4: Die Kulturtypen nach Deal und Kennedy (1987) zeigen verein-
facht, welche Kulturtypen prinzipiell existieren können.

24
Alles-oder-Nichts-Kultur
– Motto: »Zeige mir den Berg und ich werde ihn erklimmen«;
– Welt von Individualisten, »Stars mit großen Ideen«;
– draufgängerisches Handeln, hohes Risiko;
– Erfolg und Misserfolg bestimmen alles: Ansehen, Einkommen,
Macht;
– jugendliches, leicht aus dem Rahmen fallendes Erscheinungsbild;
– Emotionen werden gezeigt (bis auf Schmerz);
– unkonventionelle Sprache (Wortschöpfungen).

Brot-und-Spiele-Kultur
– Motto: »Die Umwelt steckt voller Möglichkeiten, du musst sie nur
nutzen«;
– geringes Risiko und rasches Feedback;
– unkomplizierte Zusammenarbeit im Team;
– Aktivismus ist gefragt;
– Held ist, wer schwierige Kunden überzeugt;
– auf freundliches, ansprechendes Auftreten wird Wert gelegt;
– fröhliche Feste und Auszeichnungen;
– Bilder sind aus der Sportwelt entnommen
(rote Karte, Halbzeit etc.);
– Firmensprache ist knapp und voller rätselhafter Kürzel.

Analytische Projekt-Kultur
– hohes Risiko bei langsamem Feedback (z. B. Flugzeughersteller);
– Umwelt vorwiegend als Bedrohung angesehen
(Prognosen, Analysen);
– vertraut wird auf wirtschaftlich-technische Rationalität;
– Fehlentscheidungen sind zu vermeiden (sorgfältiges Überlegen);
– ideal ist die gesetzte, reife Persönlichkeit
(Karriere wird schrittweise gemacht);
– Helden haben sich mit unerschütterlicher Zähigkeit durchgebissen;
– Kleidung ist korrekt und unauffällig;
– höfliche Umgangsformen, Emotionen sind verpönt.

25
Prozesskultur
– perfekter und diskreter Arbeitsvollzug stehen an erster Stelle
(keine Fehler);
– Misstrauens- und Absicherungsmentalität
(alles wird registriert, dokumentiert);
– starke hierarchische Ordnung
(Kleidung, Kreis der Kontaktpartner, Gehalt, Umgangsformen);
– Beförderung als beliebtes Gesprächsthema
(Statussymbole und Privilegien);
– Helden sind Mitarbeiter, die trotz widriger Umstände fehlerfrei
arbeiten;
– Sprache ist korrekt und detailbesessen.
Eine andere Unterscheidung trifft Kellner (1997). Folgende Typen
werden unterschieden: Dorfkultur, Dschungel-Kultur, Stadt-Kultur
und Wanderkultur.

Dorf-Kultur
Von einer Dorf-Kultur spricht man, wenn ein Unternehmen Ähnlich-
keiten mit einem traditionellen Dorf aufweist. Ein typisches Beispiel
sind Handwerksbetriebe, Restaurants oder Neugründungen. Merk-
male sind:
– jeder kennt jeden;
– Transparenz über die Arbeit der Kollegen
(was und wie wird gearbeitet);
– Solidarität gegenüber den Älteren;
– gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme auf private Belastungen;
– Chef ist der absolute Fürst (Patriarch);
– Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Betrieb;
– jüngere Kollegen ordnen sich den Älteren unter;
– wenig Bürokratie.

Dschungel-Kultur
In einer Dschungelkultur kennt nicht mehr jeder jeden. Wenn man
gerade glaubt, man kenne die Zusammenhänge, dann ist schon wie-
der alles ganz anders. Eine Dschungelkultur findet man häufig in

26
Unternehmen, die sehr schnell gewachsen sind, z. B. in jungen Soft-
wareunternehmen. Merkmale sind:
– keine überschaubare Gemeinschaft;
– verworrene Strukturen, Beziehungen, Regeln und Vorschriften
und Machtverhältnisse;
– bürokratismusfeindlich;
– ungeregelte Kommunikationswege;
– jeder hat die Chance, sich durchzusetzen;
– effiziente Teams und Räuberbanden.

Stadt-Kultur
Merkt der Gründer dann, dass die Verhältnisse im Unternehmen cha-
otisch sind, entwickelt sich die Stadtkultur. Diese Entwicklung erfolgt
meist schrittweise. Nach und nach werden z. B. erste Formulare ein-
geführt. Merkmale sind:
– alles ist geregelt (Strukturen, Kommunikationswege, Kernzeit);
– Formulare (Bestellzettel, Urlaubsanträge, Reisekostenabrechnung);
– einheitliche Präsentationsfolien;
– Mitarbeitergespräche sind im bestimmten Zeitintervall vorge-
schrieben;
– Gehaltsregelungen sind einheitlich und transparent
(Probezeit, Firmenwagen, Karrierestufen).

Wanderkultur
Man spricht von einer Wanderkultur, wenn es in einem Unterneh-
men nicht vorgesehen ist, dass man lange bleibt. Es wird mehr Wert
auf ständig frisches Personal gelegt, das neue Ideen einbringt und
möglichst geringe Gehaltswünsche äußert. Typische Wanderkulturen
finden sich in der Werbebranche, in großen Hotels oder in Fast-Food-
Ketten. Merkmale sind:
– Mitarbeiterverhältnisse sind nicht auf Dauer angelegt;
– ständig neues, unverbrauchtes Personal mit geringen Gehalts-
wünschen;
– Unternehmen rühmen sich mit dem geringen Durchschnittsalter
der Mitarbeiter (Modernität und Flexibilität);

27
– tatsächlich existieren aber eher traditionelle Werte
(autoritäre Führung);
– unkomplizierte Zusammenarbeit über verschiedene Abteilungen
hinweg;
– Scheinkollegialität und Scheinfreundlichkeit.

2.1.4 Fazit

Eine Unternehmenskultur bezeichnet das sichtbar gelebte Werte-


system einer Organisation. Die Kultur zeigt sich in der Art des Mit-
einanderumgehens, der gepflegten Kommunikation und Zusammen-
arbeit, im Umgang mit Fehlern, mit Initiative und Widerspruch.
Die Unternehmenskultur wird gesteuert durch die »geheimen Spiel-
regeln«, die die Normen für das soziale Miteinander fixieren und
Abweichungen ahnden. Es ist die Kultur des Unternehmens, die neue
Konzepte begierig aufnimmt und engagiert umsetzt oder Verbesse-
rungsideen durch Diffamierung im Kern stickt. Insofern hat Unter-
nehmenskultur eine wichtige Funktion: Sie ist der zentrale Erfolgs-
förderer für Innovationen und Verbesserungen aller Art.
Ziel eines Kulturmanagements muss es demnach sein, eine Unter-
nehmenskultur zu etablieren, in der die Suche nach innovativen Ideen
und deren schnelle kundenwirksame Umsetzung zur arbeitstäglichen
Realität gehört. Das wichtigste Know-how ist die Problemlösungsfähig-
keit der Organisation und der in ihr tätigen Mitarbeiter; dieses Know-
how, das charakteristisch ist für eine Hochleistungsorganisationskul-
tur, genießt gleichzeitig den höchsten Imitationsschutz.

• Hohe Arbeitsmotivation und -zufriedenheit;


• partnerschaftlicher Umgang über alle Hierarchiestufen;
• Teamwork und hohe Kooperationsintensität;
• Vertrauensmanagement (Transparenz, Vertrauen, Unwissenheitstoleranz);
• interne und externe Kundenzufriedenheit (Kundenorientierung);
• Informationsoffenheit;
• Lernen als zentraler Wert;
• Qualität und Verbesserung der Arbeitsprozesse;
• offene, rationale, aktive Kommunikation und Konfliktlösung.

Checkliste 2-2: Merkmale einer positiven Unternehmenskultur.

28
2.2 Unternehmensleitbild als Voraussetzung einer zukunfts-
orientierten Unternehmenskultur – Thesen zur Änderung
der Organisationskultur in Krankenhäusern

Wilfried von Eiff

»Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle


nicht Männer zusammen, um Holz zu be-
schaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben
zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, son-
dern lehre die Männer die Sehnsucht nach
dem weiten endlosen Meer.«
Antoine de Saint-Exupéry

Damit Unternehmenskultur zum Erfolgsfaktor wird, bedarf es einer


bewussten Verständigung darüber, welche Elemente und Ausprägun-
gen eine solche Kultur aufweisen sollte. Hierfür ist die Entwicklung
eines Unternehmensleitbildes notwendig.
Ein Unternehmensleitbild lässt sich als Summe schriftlich fixierter
Aussagen zum Grundzweck und den globalen Soll-Vorstellungen eines
Unternehmens unter Berücksichtigung aller relevanten Anspruchs-
gruppen definieren. Es spiegelt Grundziele, Werte und Normen wider,
enthält Aussagen zu Menschenbild, Kooperation, Mitbestimmung und
Führungsstil ebenso wie die Regeln der innerbetrieblichen Kommuni-
kation und Kooperation sowie Führungsgrundsätze.

These 1:
Die meisten Leitbilder stellen sich als Etikettenschwindel heraus. Wie jede
andere Führungstechnik läuft gerade das Leitbild Gefahr, als Patentrezept
für die Bewältigung von Führungsversäumnissen der Vergangenheit miss-
braucht zu werden.
Jedes Thema kann zum Modethema degenerieren, wenn man sich
nur etikettenhaft und oberflächlich damit auseinander setzt. Es ist in
der Praxis immer wieder beobachtbar, dass die meisten Manager in
dem Irrglauben leben, mit der Formulierung eines Leitbildes hätten
sie bereits ein Patentrezept für alle ungelösten Führungs-, Verhaltens-
und Kommunikationsprobleme eingeführt. Ich stelle damit nicht den

29
Wert eines Leitbildes in Frage, sondern ich kritisiere die Art der Leit-
bildentwicklung und der Leitbildverwendung. Ein Leitbild kann nicht
von Stabsmitarbeitern und Beratern am grünen Tisch im stillen Käm-
merlein ausgedacht, schön formuliert, als Hochglanzbroschüre ge-
druckt und anschließend an alle Mitarbeiter durch Anhängen an die
Gehaltszettel per Posteinwurf verteilt werden.
Ein Leitbild ist das in Worte gefasste Zwischenergebnis eines müh-
samen und Zeit beanspruchenden Dialogs zwischen Führung und
Mitarbeiter, zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen und Hierar-
chieebenen. Dieser Dialog muss offen geführt werden: Erwartungen,
Meinungen, Ängste, Forderungen und Unzufriedenheiten müssen
transparent gemacht werden. Dies bedeutet harte Kommunikations-
arbeit für alle Beteiligten, insbesondere setzt es die Bereitschaft zum
konstruktiven Dialog sowie zum Zuhören voraus.

These 2:
Jedes soziale System benötigt akzeptierte Kommunikations- und Ver-
haltensregeln, die das Miteinander vor einem Gegeneinander schützen. Leit-
bilder sind ein wichtiges Führungsinstrument zur Unterstützung der Unter-
nehmensziele.
Überall, wo Menschen miteinander in Kontakt treten, sei es am Ar-
beitsplatz, auf dem Fußballfeld oder in der Familie, gibt es Regeln, die
das Abgleiten dieses Miteinanders in ein zerstörerisches Gegeneinan-
der verhindern sollen.
Solche Regelwerke geben den Menschen Verhaltenssicherheit, und
sie verpflichten jeden Beteiligten, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen
oder zu unterlassen. Wichtig ist es die Regeln zu kennen, d. h. Klar-
heit darüber zu erhalten, was vom Mitarbeiter erwartet wird und
was er von Kollegen und Vorgesetzten erwarten darf. Ein Leitbild ver-
mittelt deshalb ein Stück kulturelle Identität.

30
These 3:
Ein Leitbild muss Auskunft geben über die Rollenerwartungen aller Mit-
arbeiter, und es muss die Frage nach dem »Warum« unseres Handelns
bewusst stellen und schlüssig beantworten.
Ein Leitbild trifft eine Aussage über die Ziele, Absichten, Verhaltens-
normen und Werte, die in einem Krankenhaus zukünftig gewünscht
und/oder bereits heute faktisch gelebt werden.
Ein Leitbild ist eine »Persönlichkeitsbeschreibung« und umfasst
eine Reihe von Charakterisierungsmerkmalen. Ein Leitbild fasst in
Worte, was ein Dritter über uns wissen muss, damit er uns als Part-
ner einschätzen kann.
– Was ist das Besondere an unserem Krankenhaus? Wofür stehen
wir? Wodurch wird ein Patient veranlasst, gerade unserem Kran-
kenhaus zu vertrauen?
– Wer sind unsere primären Bezugsgruppen? Wer ist für uns aus
welchem Grund wichtig? Welche Rolle spielen Patient, Angehörige,
Besucher und niedergelassene Ärzte? Wie beabsichtigen wir, mit
diesen Bezugsgruppen zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren
und sie zu behandeln?
– Welche Erwartungen werden an unsere Mitarbeiter gestellt, und wel-
che Gründe haben uns veranlasst, solche Anforderungen aufzustel-
len? Welche Verpflichtungen geht jeder neue Mitarbeiter ein, der
sich für einen Arbeitsplatz in unserem Krankenhaus entscheidet?
– Was darf der Mitarbeiter, der sich für unsere Leistungs- und So-
zialgemeinschaft engagiert, im Gegenzug erwarten? Welche ver-
pflichtende Rolle spielt in unserem Haus die Führung?
Ein Leitbild ist der in Worte gefasste Spiegel einer Unternehmens-
kultur. Entsprechend enthält es Aussagen zum Menschenbild, Zu-
sammenarbeit und Führungsstil, ebenso die Regeln der innerbetrieb-
lichen Kommunikation und die Führungsgrundsätze.

31
These 4:
Leitbilder geben unserem Handeln Richtung und Sinn. Aber im Mittel-
punkt des Leitbildes steht eine Vereinbarung über den Umgang miteinan-
der. Denn nur durch Sozialqualität entstehen Servicequalität und Kun-
denorientierung.
Natürlich gibt es solche Leitbilder. Es kommt immer darauf an, welche
besonderen Verhaltensbereiche einer Organisation in einem Leitbild
abgebildet werden sollen. Faszinierend ist in diesem Zusammenhang
das Leitbild des amerikanischen Motorradherstellers Harley-Davidson.
Die Führung von Harley-Davidson geht davon aus, dass der wichtigste
Erfolgsfaktor für ein Unternehmen darin besteht, die arbeitstägliche
Kommunikation zwischen allen Mitarbeitern und Hierarchieebenen
zielführend zu gestalten. Das Leitbild dieses Unternehmens ist präzise
und prägnant auf diesen Aussagekern ausgerichtet und umfasst nur
fünf Leitlinien:
– die Wahrheit sagen;
– Zusagen einhalten;
– fair sein;
– den Einzelnen respektieren;
– Neugier fördern.

Ist dieses Leitbild nicht faszinierend? Ein solches Leitbild akzeptiert


und gelebt, ist ein Merkmal von Sozialqualität; und diese Form der
Qualität ist der entscheidende Förderer für Mitarbeiterengagement,
Servicequalität und Kundenorientierung.

These 5:
In den meisten Leitbildern ist von einer paradiesischen Krankenhauskultur
die Rede. Leitbilder werden oft formuliert als Anspruch an eine heile Welt.
Dadurch verlieren sie an Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit – und sie
erfüllen ihre Funktion als Orientierungsgeber nicht, sondern tragen eher
zur Desorientierung bei.
Leider sind die meisten Leitbilder das Hochglanzpapier nicht wert,
auf dem sie gedruckt sind. Sie sind zu visionär, zu überkandidelt,
zu allgemeingültig und zu wenig fassbar. Mit anderen Worten:
Es fehlt ihnen an Bodenhaftung. Hinter der Formulierung »der

32
Mensch steht bei uns im Mittelpunkt« steht kein wirkliches Bekennt-
nis, keine Verpflichtung zum Konkreten, kein Einfühlungsvermögen
in die Situation der Patienten, keine Selbstverpflichtungserklärung.
Solche Formulierungen reizen durch ihre Oberflächlichkeit dazu,
durch verniedlichende Verballhornung Lächerlichkeit herbeizufüh-
ren: ». . . deshalb steht uns der Mensch im Wege«.
Dagegen ist der Leitsatz: »Wir wahren die Intimsphäre unserer
Patienten und deren Angehörigen« schon eher als eine konkrete
Verpflichtungserklärung aufzufassen. Wir adressieren das Thema
Intimsphäre als wichtig. Wir demonstrieren, dass jeder von uns auf-
gerufen ist, initiativ Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen, die
Intimsphäre der Patienten zu wahren. Und wir fordern uns gegen-
seitig auf, ständig einen Dialog über Verbesserungsmaßnahmen zu
diesem Themenbereich zu pflegen.
Nur wenn ein Leitbild Bodenhaftung hat, wirkt es glaubwürdig, ist
für Mitarbeiter nachvollziehbar und regt die Mitarbeiter zu eigener
Initiative an.

These 6:
Menschen brauchen weniger herausfordernde visionäre Ziele, sondern eher
die ständige glaubwürdige, informatorische Verbindung zur Führung.
Natürlich enthält ein Leitbild auch visionäre Ziele, aber die Vision von
einer konfliktfreien Arbeitswelt lässt sehr schnell Ernüchterung, ja so-
gar Enttäuschung aufkommen, wenn erkennbare Fortschritte auf die-
sem Weg ausbleiben. Kennedys Vision vom ersten Amerikaner auf dem
Mond war eben keine politische Durchhalteparole. Hinter Kennedys Vi-
sion stand ein Programm, bestehend aus einer Vielzahl aufeinander
abgestimmter Ziele und Maßnahmen, die alle konsequent dazu beitru-
gen, diesen Traum einer Nation in weniger als zehn Jahren zu erfüllen.
Das »Bündnis für Arbeit«, um ein Negativbeispiel zu nennen,
demaskiert hingegen in aller Peinlichkeit die Kluft zwischen einer
ideenlosen Führung ohne Macherqualitäten und Geführten, deren
Interessen, Ängste und Nöte undiskutiert bleiben. Visionen ohne
Programme, also Proklamationen und Durchhalteparolen, stehen für
eine Führung, die abgehoben ist vom Kunden, vom Mitarbeiter und
von den Problemen des Tagesgeschäfts.

33
Viel wichtiger ist es, einen Konsens darüber zu erreichen, dass
jeder in einem Unternehmen seine Hausaufgaben macht, vor der
eigenen Haustür kehrt und in Ordnung bringt, was durch eigene
Entscheidungen beeinflussbar ist. Die Führung pflegt Visionen, und
der Mitarbeiter steckt alleine gelassen in der Tagesarbeit – das ist
mit Sicherheit der falsche Weg. Die richtige Vision: »Go to gemba«.
Das ist eine Maxime der in Japan entwickelten Kaizen-Methode und
bedeutet »Geh an den Ort der Wertschöpfung«.

These 7:
Ein qualifiziertes Leitbild hat den Charakter eines »psychologischen
Kontrakts«. Aber ein Leitbild ist kein Bestandteil des Arbeitsvertrags.
Ein schriftlich vorliegendes Leitbild sollte kein juristisch einklagbarer
Bestandteil des Arbeitsvertrages werden. Denn ein Leitbild ist kein Ge-
setzbuch, das einmal verabschiedet wird und dann wie das BGB für die
nächsten 100 Jahre seine Gültigkeit behält, sondern ein jetzt formulier-
tes Leitbild ist zu verstehen als Anstoß und Plattform für einen offenen
Dialog aller Mitarbeiter. Leitlinien sind niemals endgültig, auch wenn
sie gedruckt sind. Leitlinien machen ein Angebot und laden zur kriti-
schen Diskussion ein. Durch die Leitlinien werden wichtige Themen
zur Sprache gebracht und gegensätzliche Standpunkte ausgetauscht. Es
wird versucht, zu wichtigen Fragen der Unternehmenskultur Konsens
zu erreichen auf der Basis eines konstruktiven Dialogs. Insofern sind
Leitlinien eine Lernhilfe auf dem Weg zum Verständnis füreinander
und für gegenseitige Akzeptanz. Das Leitbild beinhaltet als größte Ver-
pflichtung, Fragen zu stellen, sich gegenseitig zuzuhören und offen
über gegensätzliche Meinungen zu wichtigen Sachverhalten zu reden.

These 8:
Ein Leitbild ist Anstoß zum offenen, fairen und ehrlichen Dialog über die
arbeitstäglichen Fragen der konkreten Zusammenarbeit zwischen den Mit-
arbeitern untereinander, zwischen Mitarbeiter und Führung, aber insbe-
sondere auch zwischen Mitarbeiter und Kunden.
Ob das Kantinenessen gut oder schlecht, billig oder teuer ist, darf
nur nachrangig ein leitbildfähiges Thema sein. Durch das Leitbild
müssen strittige Fragen aufgegriffen werden, die für jeden Mitarbei-

34
ter in seiner Tagesarbeit Bedeutung haben. Dabei heißt »Tagesarbeit«:
Umgang mit Patient, Angehörigen, Kolleginnen insbesondere in
Situationen, die vom Normalen und Gewünschten abweichen.
Ein Beispiel: das Thema Wirtschaftlichkeit, das in den meisten
Krankenhäusern geradezu als Tabuthema verdrängt wird: »Wir sind
dem Patienten verpflichtet und nicht einem seelenlosen Budget«,
hört man von den meisten Berufsgruppen des Krankenhauses. Wir
müssen wieder lernen, zu diskutieren und uns von dem Niveau inte-
ressengeleiteter Meinungsterroristen lösen. Es hat noch nie gescha-
det, Spitzenleistung zu realisieren und gleichzeitig zu versuchen, das
hohe Leistungsniveau kostengünstiger zu erbringen. Es geht doch
nicht darum, Leistungen einzuschränken, sondern Verschwendung
zu vermeiden. Denn was heute gespart wird, ist die Finanzierungs-
basis für Investitionen der Zukunft, mit deren Hilfe die Patienten-
versorgung verbessert und die Arbeitsumgebung mitarbeitergerecht
gestaltet werden kann. Die Ethik des Arztes und auch der Pflegekraft
wird um die Dimension der Wirtschaftlichkeit erweitert. Noch ein-
mal: Es geht darum, am Überflüssigen zu sparen. In einem Kranken-
haus gilt immer die Reihenfolge: medizinische Qualität vor Kosten.

These 9:
Die Initiative zur Leitbildbearbeitung, ebenso die Erarbeitung einer ersten
konkreten Diskussionsvorlage für ein Leitbild ist eine nicht delegations-
fähige Aufgabe der obersten Führung.
Von der Führung wird erwartet, dass sie die Geschichte des Kranken-
hauses strategisch lenkt, Orientierung gibt, Ziele entwickelt, Prioritä-
ten setzt und Ideen für die Zukunft des Krankenhauses entwickelt.
Ein Leitbild ist eine spezielle Form der Richtungsfestlegung und der
demokratischen Richtungsdiskussion. Allen Menschen schön getan
ist eine Kunst, die keiner kann. Ein Leitbild in Grundzügen zu ent-
werfen ist eine nicht delegationsfähige Aufgabe der obersten Füh-
rung. Von einer Führung wird ja gerade erwartet, dass sie Orientie-
rung gibt, Ziele entwickelt, Prioritäten setzt und Ideen für die
zukünftige Entwicklung des Krankenhauses entwickelt.
Allerdings tut jede Führung gut daran, das Leitbild mit einer
repräsentativen Anzahl von Mitarbeitern zu diskutieren. Diese Diskus-

35
sionen sind wichtig, um das Leitbild mit Bodenhaftung zu versehen. Der
Prozess der Leitbildentwicklung läuft vorbildlich, wenn er durch die Füh-
rung veranlasst und kritisch mit den Mitarbeitern der unterschiedlichs-
ten Bereiche und Hierarchieebenen diskutiert wird. Zunächst sollte ein
berufsgruppenübergreifend zusammengesetztes Kernteam das Leitbild
in seinen Grundzügen entwickeln. Anschließend wird ein so genanntes
Reflexionsteam, ebenfalls berufsübergreifend zusammengesetzt, beauf-
tragt, selbst Leitbildaspekte herauszuarbeiten. In einem anschließenden
gemeinsamen Informationsmarkt werden die unterschiedlichen Voraus-
setzungen ausgetauscht und konsensfähig gemacht. Danach wird mit
der Gruppe der leitenden Chefärzte unter Beteiligung von Oberärzten
ein Grundkonsens hergestellt. Diskussionen mit den Pflegekräften und
Informationsveranstaltungen mit Mitarbeitern aller beruflichen Grup-
pierungen und Hierarchieebenen schließen sich an. Danach liegt es an
den »Informierten«, insbesondere den Führungskräften, für einen ent-
sprechenden Weitertransport der Informationen zu sorgen.

These 10:
Führungsgrundsätze sind zwingender Bestandteil eines Leitbildes, denn es
ist die Führung, die den Prozess der Leitbildentwicklung initiieren, durch
eigene Ideen speisen und durch aktives Vorleben ständig vorantreiben muss.
Ein Leitbild drückt aus, was von einer Führungskraft erwartet wird: im
Hinblick auf die Art und Weise, wie mit Mitarbeitern umzugehen ist, aber
auch bezogen auf die Verpflichtung, klare, nachvollziehbare Entschei-
dungen zu treffen. Die wichtigste Aufgabe der Führung besteht darin, or-
ganisatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Mitarbei-
ter durch eigene Entscheidungen sichtbare Resultate erzielen können.

These 11:
Ein Leitbild muss Transparenz über die Rolle des Mitarbeiters herbei-
führen, insbesondere über seine Verpflichtungen an die Erwartungen, die
an ihn gestellt werden.
Ein Leitbild nimmt auch die Mitarbeiter in die Verpflichtung. Wer
sich als Person für den Arbeitsplatz in einem bestimmten Unterneh-
men entscheidet, unterwirft sich mit dieser Entscheidung auch den
Spielregeln dieser Organisation. Insbesondere tut jeder Mitarbeiter

36
gut daran, sich vor seiner endgültigen Entscheidung Klarheit darüber
zu verschaffen, ob er die grundsätzlichen Ziele und Arbeitsschwer-
punkte der Institution grundsätzlich mittragen kann. Wer sich für ein
Unternehmen der Rüstungsindustrie entscheidet, verhält sich unfair,
wenn er nach Antritt der Stelle alles daran setzt, den Unternehmens-
zweck aufgrund seiner persönlichen pazifistischen Einstellung in
Richtung Fahrradproduktion umzudirigieren.
»Führung« ist doch kein Konsumobjekt getreu dem Motto: »Ich als
Mitarbeiter mache die Arbeit, die in meiner Stellenbeschreibung steht,
für alles andere wie z. B. Kundenfreundlichkeit, Verbesserung von Ar-
beitsabläufen usw. sind ›die da oben‹ zuständig.« Den Satz »Ich bin
weder Organisationsberater noch Lufthansa-Stewardess, sondern Kran-
kenschwester«, habe ich in deutschen Krankenhäusern wiederholt ver-
nommen. Initiativen zu ständigen Verbesserungen der Arbeitspro-
zesse und Kundenfreundlichkeit sind offenbar für eine Reihe von
Mitarbeitern noch nicht normaler Bestandteil ihrer Aufgabe.

These 12:
Ein Leitbild muss als Führungstechnik des Dialogs verstanden werden.
Merkmal dieser Führungstechnik ist das Go-Gemba-Prinzip der Führung.
Das Leitbild bietet einen Anlass sich mit dem eigenen Verhalten
selbstkritisch auseinander zu setzen: »Ist das eigentlich richtig, wie
ich mich in bestimmten Situationen verhalte?«
Durch den Dialog mit anderen Kollegen gerät der eigene Stand-
punkt auf den Prüfstand anderer Denkweisen. Aber bis dahin ist es ein
weiter Weg. Oft ist es die Führung, die jede Mitarbeiterinitiative im
Keim erstickt. Vielerorts in deutschen Krankenhäusern hat man den
Eindruck, dass herausragende Leistungen von Mitarbeitern der Füh-
rung zum Trotz erbracht werden. Jeder Mitarbeiter ist nur so initiativ,
problembewusst und kundenfreundlich, wie es ihm die Führung aktiv
vorlebt und wie die Führung ihm diese Aktivitäten gestattet.
Die Qualität einer Führung zeigt sich an drei Merkmalen:
– am Umgang mit Fehlern;
– an der Art und Weise, wie auf Ideen und Vorschläge von Mitarbei-
tern reagiert wird;
– daran, wie die Führung mit gegensätzlichen Meinungen umgeht.

37
Es kommt im Wesentlichen auf zwei Dinge an:
– Wenn man als Führungskraft etwas verändern will, muss man den
Dialog mit dem Mitarbeiter aufnehmen. Ich halte es mit dem Füh-
rungsprinzip des Toyota-Werkleiters Taichi Ohno: »Gehe an den
Ort, an dem eine Leistung für unseren Kunden erbracht wird, und
frage die Mitarbeiter, die die Arbeit machen!« Damit wir uns rich-
tig verstehen: Dieser Führungsgrundsatz des »Go to gemba« unter-
stellt nicht, dass die Mitarbeiter die alleinigen Wissensträger sind,
sondern dahinter steht das Führungsprinzip des Dialogs. Führung
ist so erfolgreich, wie es ihr gelingt, Akzeptanz für Ideen, Reorga-
nisationsnotwendigkeiten, Projekte usw. von den Mitarbeitern zu
erhalten, die später die neuen Konzepte mit Leben erfüllen müs-
sen. Und das bedeutet verständliche Kommunikation im Vorfeld ei-
ner Entscheidung. Das wichtigste Merkmal einer Führungskraft
ist, berechenbar und fair zu sein.
– Mitarbeiter engagieren sich aus meiner Erfahrung dann, wenn ih-
nen die Gelegenheit gegeben wird, durch eigene Entscheidungen
die eigene Arbeitsumgebung zu gestalten. Insofern darf sich die
Führung nicht darauf beschränken, Aufgaben zu delegieren oder,
wie es ja auch »modern« ist, Ziele zu vereinbaren, sondern es
kommt darauf an, Problemlösungsverantwortung an die Mitarbei-
ter zu delegieren.

These 13:
Leitbild und Unternehmenskultur sind Führungstechniken, mit deren
Hilfe in besonderer Weise das Problem der Delegationsfalle überwunden
werden kann: Nicht Aufgaben und Tätigkeiten sind primär Gegenstand der
Delegation, sondern die Übertragung von Problemlösungsverantwortung.
Für die Glaubwürdigkeit und für die Bodenhaftung eines Leitbildes
ist die Art der Delegation ausschlaggebend. Im Zentralkrankenhaus
Sankt-Jürgen-Straße (jetzt: Klinikum Bremen-Mitte gGmbH) war die
Entwicklung des Leitbildes von Anfang an auf beispielgebende kleine
Projekte gerichtet, an denen verdeutlicht werden sollte, welche The-
men wichtig sind, wie die Mitarbeiter zusammenarbeiten, welche
Rolle die Führung bei der Projektrealisierung einnimmt und auf wel-
che Art über die erreichten Resultate kommuniziert wird.

38
Es gibt momentan Teams, die sich mit dem Thema »Intimsphäre
in der Endoskopie« oder mit der Verbesserung des Telefonverhaltens
beschäftigen. Ein anderes Team setzt sich mit Möglichkeiten »der
freundlichen Patientenaufnahme« auseinander, während ein viertes
Team die »Entlassungen der Patienten« reibungslos zu organisieren
versucht. Über solche »Leitprojekte« erzeugt man leitbildgerechte
Verhaltensbeispiele, die zur Nachahmung anregen sollen.

These 14:
Leitbildprojekte sind nicht der Start in eine völlig neue Kulturzunft,
sondern sie sind ein Teil eines Prozesses der kontinuierlichen Verbesserung,
innerhalb dessen die erlebte Vergangenheit mit ihren positiven und negati-
ven Erfahrungsaspekten zukunftsfähig und lebenswert gemacht wird.
Leitbildprojekte müssen immer als Fortsetzung und Intensivierung
des Weges begriffen und kommuniziert werden, den ein Haus bereits
begonnen hat. Patienten- und Einweiserbefragung, Mitarbeiterzeit-
schrift und Patientenratgeber sind in vielen Unternehmen bereits er-
griffene Maßnahmen zur Verbesserung der bereichsübergreifenden
Kommunikation.
Über Leitbild und Kultur sollte man keine Sonntagsreden führen,
weil diese, ebenso wie eher ermüdende Appelle nach dem Motto
»Wir sitzen doch alle in einem Boot«, de facto nichts verändern.
Leitbild und Kultur entstehen nur durch das, was man tut; nur das
Getane erzielt Wirkung, erreicht und überzeugt die Mitarbeiter – zu-
mindest lässt sich ein Dialog über etwas Konkretes wesentlich zielge-
richteter und emotionsfreier führen.

These 15:
Auch ein schriftlich fixiertes Leitbild ist weder vollständig noch endgültig.
Ein Leitbild-Dialog mit der Bodenhaftung durch Projekte, die von Mit-
arbeitern durchgeführt werden, braucht seine Zeit. Deshalb kommen
zum Fragen und Zuhören noch die Notwendigkeit der Geduld und
die Fähigkeit, Rückschläge einzustecken, hinzu.
In jedem Haus gibt es vorzeigefähige Leistungen im Hinblick auf
Patientenfreundlichkeit und Kostensenkung, in jedem Haus lassen
sich Vorzeigefälle für herausragendes Engagement von Mitarbeitern

39
finden, die als Anregung für weitere Initiativen dienen können. Jedes
Krankenhaus hat eine Kultur, verfügt über handlungsbestimmende
Werte und geheime soziale Spielregeln, die den Umgang miteinander
und das Verhalten leiten und beeinflussen. Jedes Unternehmen
»lebt« durch drei Elemente, durch die Richtung und Orientierung
fixiert werden: Vision, Kompetenz und Tradition. Odo Marquardt
stellt fest: »Zukunft braucht Herkunft«. Die Zukunft wird also gene-
riert durch das Weiterentwickeln der eigenen Kultur und der eigenen
Stärken.

These 16:
Wenn Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen, aus unterschiedlichen
Organisationseinheiten und unterschiedlichen Hierarchieebenen in einen
offenen Dialog treten sollen, bedarf dies eines völlig anderen Verständnisses
von Kommunikation. Kommunikation muss im Sinne einer konstruktiven
Streitkultur verstanden werden. Es muss ein anderes Verständnis von
Machtausübung durch Vorgesetzte entwickelt werden. Die Mitarbeiter müs-
sen »sich trauen«, und man muss ihnen auch etwas »zutrauen«.
Ein Leitbild muss auch getragen sein vom Willen zur Herstellung von
Transparenz: über persönliche Meinungen und Absichten, indivi-
duelle Ärgernisse, aber immer auch verbunden mit einer klaren Äu-
ßerung darüber, wie man sich selbst den zukünftig wünschenswerten
Zustand vorstellt.
Grundregel der Kommunikation ist: Nenne immer das gewünschte
Verhalten, rede mit. Wähle Ich-Botschaften und adressiere die
Botschaft an den, den sie angeht: »Ich fühle mich von Ihnen schlecht
behandelt.«
Mängel aufdecken ist wichtig; noch wichtiger und viel wertvoller ist
es jedoch, Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Konkrete Vorschläge
sind Voraussetzung für eine konkrete Diskussion und fast schon ein
Erfolgsgarant für konkrete Resultate. Wer Mitarbeiter nach dem Prin-
zip »Befehl und Gehorsam« führt, wird als Führungskraft selbst bald
zum Entscheidungsengpass. Befehlsempfänger führen Anweisungen
aus, aber sie lösen keine Probleme; die Problemlösung ist Führungs-
kraftaufgabe, da die Mitarbeiter dafür keine Kompetenz haben. Solche
Mitarbeiter spielen das Spiel »Rückdelegation«.

40
Die Probleme einer komplexen Umwelt lassen sich nur dadurch
bewältigen, dass viele Mitarbeiter sofort im Sinne der übergeordneten
Ziele reagieren, ohne vorher den Chef zu fragen oder sich durch
Aktennotizen oder »Zeugen« abzusichern.

These 17:
Ein Leitbild muss glaubwürdig sein. Was aber nicht heißt, dass alle Anfor-
derungen, die das Leitbild an die Zusammenarbeit, an die Kommuni-
kation und an die Orientierung stellt, auch bereits realisiert sein müssen,
bevor das gedruckte Leitbild an die Mitarbeiter verteilt wird.
Ein Leitbild, das mit der Realität nicht übereinstimmt, wirkt ganz
bestimmt verunsichernd oder sogar erheiternd auf die Mitarbeiter.
Man amüsiert sich dann auf Mitarbeiterebene köstlich über die reali-
tätsferne, abgehobene Führung. Aber dennoch: Ein Leitbild repräsen-
tiert Vergangenheit, Gegenwart und gewünschte Zukunft zugleich.
Ein Leitbild muss Tradition, Kompetenz und Vision zu einer ver-
ständlichen Symbiose vereinigen. Tradition ist immer mit Werten wie
Beständigkeit und Dauerhaftigkeit verbunden.

41
3. Bedeutung der Unternehmenskultur
für das Krankenhaus

In den vorherigen Kapiteln wurde deutlich, dass die Unternehmens-


kultur allgegenwärtig ist. Sie bestimmt das Denken und Handeln der
Mitarbeiter und Führungskräfte in den unterschiedlichsten Situatio-
nen.
Das Wissen um den Einfluss der Unternehmenskultur auf unter-
schiedliche Managementbereiche kann wesentlich zum Unterneh-
menserfolg beitragen.
In diesem Kapitel werden nun einzelne Aufgabenfelder des Kranken-
hausmanagers näher betrachtet:
– Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Markenfüh-
rung?
– Was kennzeichnet eine Risikokultur im Krankenhaus?
– Wie sieht ein professionelles Personalmanagement in Kranken-
häusern aus?
– Welche Merkmale kennzeichnen eine Innovationskultur?
– Wie kann die Patientenzufriedenheit durch zufriedene Mitarbeiter
gesteigert werden?
– Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei Unternehmens-
verbindungen?

43
3.1 Hospital Branding:
Von der Markenkultur zum Magnet-Krankenhaus
Wilfried von Eiff

»Wenn eine Ente ein Ei legt, dann tut sie das


still und zurückgezogen in einem Busch.
Wenn jedoch ein Huhn ein Ei legt, so gackert
es laut und flattert herum. Und der Erfolg?
Die ganze Welt isst Hühnereier!«
Henry Ford (1863– 1947)

Eine Marke ist ein Name, Ausdruck, Symbol, Zeichen oder eine Kom-
bination davon. Sie dient dazu, das Produkt- oder Leistungsangebot
eines Anbieters zu kennzeichnen und von der Konkurrenz abzuhe-
ben. Eine Marke steht für vermutete bzw. erwiesene Qualität und sig-
nalisiert umfassende, herausragende Kompetenz auf einem Fachge-
biet. Die Unternehmenskultur prägt das Verhalten der Mitarbeiter
eines Unternehmens. Damit leistet sie einen entscheidenden Beitrag
zur Markenbildung. Auch von potenziellen Arbeitnehmern wird eine
Marke mit Eigenschaften verbunden, so kann eine Marke z. B. mit
einer positiven Unternehmenskultur verbunden werden. Menschen
sind beispielsweise stolz darauf, wenn sie bei einem Arbeitgeber
arbeiten, der ein gutes Ansehen in der Region genießt.

3.1.1 Wirkungen einer Marke: Die Magnet-Eigenschaft

Ein Magnet verfügt über zwei bemerkenswerte Eigenschaften:


Unter bestimmten physikalischen Voraussetzungen kann er Dinge
anziehen und an sich binden. Er ist aber auch in der Lage, Dinge
abzustoßen, anzutreiben bzw. voranzubewegen. Magnet-Kranken-
häuser zeichnen sich durch dieses Fähigkeitsprofil aus:
– Sie ziehen mehr Patienten an, als sie angesichts ihrer Kapazität zu
behandeln in der Lage sind, und legen damit den Grundstein für
zukünftige Budgetausweitungen durch die Kostenträger.

44
– Auch für ausländische Patienten sind diese Häuser attraktiv (zu-
sätzliche Einnahmen im Privat- und Wahlleistungsbereich).
– Sie werben Sponsorengelder ein, z. B. für die Verbesserung des
Dienstleistungsangebots, der Bausubstanz, des Ambientes und der
medizintechnischen Ausrüstung sowie zur Finanzierung von
Weiterbildung und Ausdehnung der Personalstellen.

Diese Form der Finanzmittelbeschaffung wird in Zukunft mehr und


mehr an Bedeutung gewinnen, insbesondere vor dem Hintergrund
sinkender öffentlicher Zuschüsse und schwierigerer Möglichkeiten
der Fremdkapitalbeschaffung durch Basel-II-Restriktionen.
Das Great Ormand Street Hospital (London) warb im Jahr 2002
etwa 22 Millionen Pfund an Sponsorengeldern ein; insbesondere
innovative medizintechnische Geräte werden aus dieser kernge-
schäftsfremden Einnahmequelle finanziert. Robert Hopkins vom
St. Joseph’s Hospital (Phoenix), das jährlich etwa elf Millionen Dollar
durch Sponsoring erhält, sagte: »The difference between good medi-
cine and excellent medicine is philanthropy.«

Die Eigenschaften von Magnet-Krankenhäusern (vgl. Abbildung 3-1):


– Sie sind als Kooperationspartner von niedergelassenen Ärzten und
Nachsorgeeinrichtungen geschätzt: Dies ist vor dem Hintergrund
von Disease-Management-Programmen und verstärkter Präven-
tionsorientierung ein strategischer Vorteil, weil in Zukunft nicht
mehr einzelne Krankenhäuser, sondern regionale Gesundheits-
netzwerke und vertikale klinische Leistungsketten miteinander
konkurrieren.
– Sie erhalten bevorzugt kostenlose Probestellungen (oder gar Erst-
ausrüstungen) von innovativen medizinischen Geräten; dies unter-
stützt diese Krankenhäuser auf dem Weg zur Positionierung als In-
novationsführer.
– Sie übernehmen die Rolle als Leitkrankenhaus in Modellversuchen
zur Verbesserung von Strukturen und Abläufen; bestes Beispiel
sind die so genannten Foundation Hospitals in England, die vom
NHS mit besonderen Fördermitteln ausgestattet werden, um das
von der Regierung beschlossene NHS-Modernisierungsprogramm
zu forcieren.

45
Abbildung 3-1: Das Krankenhaus mit Markenprofil wirkt im wachsenden Wett-
bewerb des Gesundheitsmarkts wie ein Magnet.

– Sie genießen den Ruf eines attraktiven Arbeitgebers mit interes-


santen und sicheren Arbeitsplätzen in einem angenehmen Be-
triebsklima und ziehen daher auch in Zeiten eines »War for talent«
qualifizierte Mitarbeiter an; sie verlieren kein Stammpersonal.
– Neue Geschäftsfelder, die von einem Magnet-Krankenhaus eröffnet
werden, sind in der Regel ein Erfolg; diese Häuser verfügen offen-
bar über die Fähigkeit des Add-Business-Managements: Statt Out-
sourcing werden neue attraktive Geschäftsfelder selbst gemacht
und die Leistungen an Dritte profitabel verkauft.

Ein Paradebeispiel ist das Unternehmen Zynx, das Software für kli-
nisches Prozessmanagement anbietet. Das höchst erfolgreiche Un-
ternehmen wurde von Mitarbeitern des Cedar Sinaii Hospital in Los
Angeles gegründet und durch eine Kapitalverflechtung mit Finanz-
mitteln ausgestattet. Zynx hat sich selbst mittlerweile als Marken-
unternehmen etabliert.

46
3.1.2 Die Merkmale einer Marke:
Was die Krankenhausmarke von Handelsmarken
unterscheidet

Produkte, Dienstleistungen oder Institutionen haben Markencharak-


ter, wenn die damit verbundenen Assoziationen im Meinungsbild von
relevanten Zielgruppen und Öffentlichkeit eine »Monopolstellung«
erreicht haben.
Eine Marke repräsentiert die Best-in-class-Standards innerhalb
einer Klasse und ist deshalb oft auch identisch mit einer Klas-
senbezeichnung: Der VW-Golf ist nicht nur eine Produktmarke der
unteren Mittelklassefahrzeuge, sondern der »Golf« steht repräsen-
tativ für diese Klasse, die auch unter Fachleuten als »Golf-Klasse«
bezeichnet wird. Mayo steht für »Diagnoseklinik«, Johns Hopkins
steht für Spitzenmedizin in 17 Spezialgebieten und steht seit
zehn Jahren auf Platz 1 im Top-100-Ranking des »U.S. News and
World Report«. Great Ormond Street steht für »die Kinderklinik«
und Shouldice steht für »ganzheitliche wirtschaftliche und bedarfs-
gerechte Versorgung von Hernienpatienten und die Ausrichtung
des gesamten Krankenhausbetriebs auf dieses Ziel«.

Eine Marke ist:


– einmalig, also nicht kopierbar
– unverwechselbar im Erscheinungsbild – damit hebt sie sich ab und
die kommunizierten Botschaften erreichen auch die relevanten
Zielgruppen ohne Streuverlust
– unverzichtbar bezüglich ihrer Kompetenz, die sie in die Lage
versetzt, bestimmte Leistungen für bestimmte Zielgruppen quali-
fizierter zu erbringen als jeder Wettbewerber
– unaustauschbar, weil sie einen besonderen emotionalen Wert-
vorteil für einen Kunden beinhaltet, der dem Lebensgefühl des
Kunden entspricht (z. B. konfessionelle Krankenhäuser). Dieser
Wertvorteil fokussiert sich im Krankenhausbereich auf Vertrauen
in die medizinische Leistung und individuelle, menschliche Kom-
munikation sowie psychologischen Beistand.

47
Markenwert und Markenfunktion
Eine Marke ist immer mit einem Wertangebot verbunden, das von be-
stimmten Zielgruppen als vorzugswürdig gegenüber allen anderen
zur Auswahl stehenden Angeboten eingestuft wird.
Die Grundstruktur dieses Wertangebots einer Marke unterscheidet
sich in Abhängigkeit von der Art des Produkts, der Art des Kunden-
problems, das es zu lösen gilt und dem Risiko, das mit einer Aus-
wahlentscheidung für den Kunden verbunden ist.
Das Wertangebot einer Marke für den Kunden lässt sich aus den
drei Grundfunktionen einer Marke ableiten (vgl. Abbildung 3-2), die
eine wertvolle Hilfe im »Kauf-/Dienstleistungsentscheidungspro-
zess« bieten:
– Funktion der Risikoreduktion: Eine Marke steht für »vermutete bzw.
erwiesene Qualität« (Qualitätsversprechen; Qualitätsgarantie) und
signalisiert umfassende, herausragende Kompetenz auf einem
Fachgebiet. Damit verringert sich die (subjektiv eingeschätzte) Ge-
fahr einer Fehlentscheidung. Insbesondere im Gesundheitsmarkt,
den Märkten für hochwertige Gebrauchsgüter sowie Investitions-
gütermärkten spielt diese Markenfunktion die zentrale Rolle.
– Funktion des Identifikationsnutzens: Eine Marke bietet dem Kunden
die Möglichkeit zur Selbstdarstellung bzw. zum Ausdruck eines

Abbildung 3-2: Eine Marke beeinflusst die Auswahlentscheidung eines Kunden


nur dann, wenn sie für den Kunden entscheidungsrelevante Infor-
mationen mobilisiert.

48
individuellen Lebensstils; der Kunde identifiziert sich mit der
Marke und möchte mit dem Markenprodukt in seiner sozialen
Umgebung wahrgenommen werden. Für medizinische Leistungen
hat diese Markenfunktion kaum Bedeutung, eher für Konsumgüter
(Designerware) und Dienstleistungen (Exklusiv-Reisen).
– Funktion der Selektionshilfe: Durch ihr unverwechselbares Erschei-
nungsbild, in Verbindung mit einer Qualitätsvermutung, heben
sich Marken von anderen Angeboten ab. Marken haben häufig ei-
nen Best-in-class-Status, durch den sie eine Messlattenfunktion für
andere einnehmen. Marken differenzieren und erleichtern dem su-
chenden Kunden den Weg zum für ihn richtigen Produkt. Der
Such- und Entscheidungsprozess wird vereinfacht.

Markenansätze
Um die Bedeutung von Marken für die Auswahlentscheidung zu
verstehen, ist es erforderlich, sehr genau zwischen
– Konsumgütermarken wie Coca-Cola oder McDonalds,
– Gebrauchsgütermarken wie Mercedes oder Saeco,
– Investitionsgütermarken wie Caterpillar oder IBM,
– Dienstleistungsmarken wie FedEx oder McKinsey und insbeson-
dere
– Krankenhausmarken wie Johns Hopkins Hospital, UCLA Medical
Center, MAYO Clinic, Great Ormond Street Hospital oder Charité
zu unterscheiden.

Grundsätzlich lassen sich drei Ansätze unterscheiden, nach denen


Marken konstruiert werden:
– Corporate-Design-basierter Ansatz,
– identifikationsbasierter Ansatz,
– risikobasierter Ansatz.

Zu den Ansätzen im Einzelnen:


– Der Corporate-Design-basierte Ansatz versteht die Marke als einen
charakteristischen Namen und/oder ein Symbol, das dazu dient,
eine Institution, ein Produkt oder ein Dienstleistungsangebot
sofort und ohne weitere Erklärung wiederzuerkennen bzw. von
konkurrierenden Angeboten zu unterscheiden. Durch ein einpräg-

49
sames Zeichen (Logo, Slogan, Farbklima, Gebäude, Ambiente) soll
Unverwechselbarkeit sichergestellt werden.
Idealerweise lassen die eingesetzten Symbole das Feld herausra-
gender Kompetenz erkennen und ermöglichen die Emotionalisie-
rung einer Sachbotschaft. Es gilt die Grundregel der Kommunika-
tion: Nur eine emotionalisierte Botschaft bleibt in Erinnerung und
fordert zum Handeln auf. Ausgesprochen schwierig gestalten sich
so genannte »Logo-Entscheidungen«: Das »ideale Logo« ist un-
kompliziert und einfach im Aufbau, lässt sich schnell dekodieren,
wirkt emotionalisierend, bleibt gut im Gedächtnis und repräsen-
tiert im Idealfall sogar das Kerngeschäft.
Veränderungen an Logos oder Slogans sind eine strategische Grat-
wanderung; denn solche Zeichen korrelieren im Meinungsbild
von relevanten Zielgruppen mit einer »vermuteten Kompetenz«;
diese vermutete Kompetenz kann in der Wahrnehmung der
Öffentlichkeit durch einen Symbolwechsel beeinträchtigt werden.
– Der identifikationsbasierte Ansatz bietet dem Kunden neben einem
Qualitätsversprechen insbesondere eine »emotionale Heimat«.
Konsum- und Gebrauchsgüter haben die Besonderheit, dass sie für
ihren Käufer/Benutzer neben dem reinen Genuss-/Gebrauchs-
nutzen einen »Identifikationswert« aufweisen können. Das heißt,
der Gebrauch der Marke drückt gleichzeitig ein Lebensgefühl aus:
Der Käufer definiert über die Marke einen Teil seiner Persönlich-
keit; mit dem Produktgebrauch demonstriert er sein individuelles
Lebens- und Selbstwertgefühl gegenüber seiner sozialen Umge-
bung.
– Der risikobasierte Ansatz zielt darauf ab, Vertrauen in Qualität und
Leistungsfähigkeit bei den relevanten Zielgruppen zu erreichen.
Dieser Ansatz geht (ähnlich wie das Brand Leadership Model
von Aaker und Joachimsthaler) davon aus, dass Marken von innen
heraus entstehen und nicht ausschließlich und vorzugswürdig an
Kundenwünschen orientiert sind. Dieser Ansatz stellt zwei Aspekte
in den Fokus der Markenbildung: bewiesene herausragende Fach-
kompetenz sowie Sozialqualität und Unternehmenskultur als
Voraussetzungen für positive Medienberichte und gesteigerte Be-
reitschaft zur Weiterempfehlung. Eine Marke entsteht also nicht

50
durch Marketing, sondern durch bewiesene Leistung. Dieser An-
satz hat im Gesundheitswesen herausragende Bedeutung.

Kompetenz und Assoziation:


Meinungsbild und Qualitätsversprechen prägen die Marke
Eine Marke wird repräsentiert durch:
– Zeichen, die die Identität eines Produkts/Dienstleistung/Institutio-
nen optisch darstellen (z. B. Logos, Farbklima oder Bekleidung);
– Kompetenzanspruch (Alleinstellungsmerkmal, »unique selling
proposition«), der als Leistungsversprechen an die relevanten Ziel-
gruppen kommuniziert wird;
– tatsächliches Verhalten des Markenunternehmens, durch das
der Kunde in die Lage versetzt wird, die Übereinstimmung von
»Reden« (Leistungsversprechen) und »Handeln« (tatsächlich er-
brachte Leistung) zu überprüfen;
– Assoziationen, die die relevanten Zielgruppen und die Öffentlich-
keit mit der Marke verbinden.

Insbesondere Assoziationen, also Bilder, Anmutungen, Vorstellun-


gen, Gefühle und Gedanken, die einer Person automatisch in den
Sinn kommen, wenn die Marke wahrgenommen wird, bilden das
Image einer Marke und festigen langfristig deren Markenprofil. As-
soziationen sind es auch, die die »Marke als Persönlichkeit« charak-
terisieren und damit typische Verhaltensweisen benennen, die einer
Marke (ähnlich den individuellen Eigenarten einer Person) ein ein-
maliges und unverwechselbares Profil geben. Deshalb gehören zu
einer Marke sachliche und emotionale Assoziationen. Markenprä-
gende Assoziationen unterliegen im Gesundheitswesen völlig ande-
ren Gesetzmäßigkeiten als sie für Verbrauchs- und Gebrauchsgüter
oder auch Dienstleistungen im Banken-, Hotel- und Handelsbereich
typisch sind.
Mit dem Kauf einer Jeanshose von Calvin Klein erwirbt der Kunde
mehr als ein Bekleidungsstück; er erwirbt »a hip cool brand«, was ihn
vom Typ des Levi’s-Trägers deutlich unterscheidet.

51
Abbildung 3-3: Marken im Gebrauchs-/Konsumgüterbereich haben eine psycho-
logische Funktion, d. h. über ihren Gebrauch definiert der Käufer
einen Teil seiner eigenen Persönlichkeit.

Dieser »Emotional Branding Approach« hat im Bereich der Kon-


sumgüter große Bedeutung, wie das Beispiel in Abbildung 3-3 ver-
deutlicht.
Für Krankenhäuser ist dieser »Emotional Branding Approach« zur
Markenbildung nur sehr eingeschränkt anwendbar. Denkbar ist, dass
gläubige Menschen tendenziell ein kirchliches Krankenhaus auf-
suchen, weil sie hier »emotionale Heimat« vermuten und die Nähe zu
vertrauten kirchlichen Symbolen (Ordensschwestern, Messen) innere
Sicherheit und psychische Stabilität vermittelt. Kein Patient käme auf
die Idee, seine eigene Persönlichkeit über die Behandlung in einem
bestimmten Krankenhaus zu definieren. Ein BMW-Fahrer drückt mit
seiner Markenentscheidung aus, ein sportlicher Fahrer zu sein, der
Fahrspaß vor Benzinverbrauch und Cockpit-Atmosphäre vor Bequem-
lichkeit stellt. Der Patient eines bestimmten Krankenhauses wird eine
derartige »rückbezügliche Emotionalität« gar nicht herstellen wollen.
Das Bone und Joint Hospital in Oklahoma City startete 1998 eine
Kampagne, in der die Patienten u. a. dazu angehalten wurden, nach
Entlassung aus dem Krankenhaus (TEP- und TIBIA-Eingriffe) u. a.
Aufkleber (Sticker) an ihren Autos anzubringen: »I got my hip at
Bone and Joint.« Die Kampagne war ein Flop; kein Patient war bereit,
sich in dieser Form als Träger einer künstlichen Hüfte zu outen bzw.
in der Öffentlichkeit darzustellen, dass der Eingriff im Bone and Joint
Hospital Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls ist, das seine
Persönlichkeit als Mensch mitprägt wie das Fahren eines BMWs.

52
Ebenso wenig ist es vorstellbar, dass Patienten nach erfolgreicher
Inkontinenz-Operation oder einer radikalen Prostataentfernung sich
in der Öffentlichkeit präsentieren, um die Markenbildung des Kran-
kenhauses zu fördern. Andererseits können solche Informationen
über Selbsthilfegruppen und Patientenvereine den relevanten Ziel-
gruppen verfügbar gemacht werden; dies stellt aber eher eine organi-
sierte Art der Mund-zu-Mund-Propaganda dar. Die Stadtklinik Baden-
Baden ebenso wie das Rabin Medical Center in Tel Aviv verschenken
an Neugeborene T-Shirts mit der Aufschrift »I was born at RMC«.
Auch diese Aktion ist eher als Marketing-Gimmick zu beurteilen,
denn als Faktor, der dazu beiträgt, mit dem Tragen des T-Shirts ein be-
stimmtes emotionales Lebensgefühl auszudrücken. Außerdem dürf-
ten Neugeborene bestimmt noch kein Markengefühl entwickeln;
ebenso wenig veranlasst dieser Gimmik einen Markenbewusstseins-
prozess bei den Eltern, der wie bei Calvin Klein (siehe oben) ein »Ver-
langen nach mehr« auslöst.
An dieser Stelle wird auch deutlich, dass Krankenhausleistungen
keiner eindeutigen, sondern einer eher heterogenen Assoziations-
struktur unterliegen.
– Zunächst ist ein klarer Unterschied zwischen geburtshilflichen
Abteilungen und anderen Krankenhausabteilungen zu machen.
99,5 Prozent aller Leistungen in der Geburtshilfe sind grundsätzlich
mit einem »freudigen Ereignis« verbunden (einschließlich der
neunmonatigen Vorfreude). Marketing-Maßnahmen mit Marken-
bildungswirkung lassen sich für diesen Bereich problemlos in die
Öffentlichkeit tragen. Schwangerschaft ist keine Krankheit, und die
Geburt eines Nachkömmlings anzuzeigen ist mit Stolz verbunden,
der in der sozialen Umgebung gerne kommuniziert wird. Insofern
ist das Thema »Krankenhaus als Marke« höchst differenziert zu dis-
kutieren: Onkologie, Gynäkologie oder Kardiologie/Herzchirurgie
genügen völlig anderen Markengesetzen als eine Abteilung für Ge-
burtshilfe. Deshalb sind alle Erkenntnisse der Markenpolitik im
Bereich Geburtshilfe nur sehr eingeschränkt auf den sonstigen
Krankenhausbetrieb zu übertragen.
– Assoziationen zum Begriff Krankenhaus sind ebenso unterschied-
lich wie gegensätzlich: Mit Krankenhäusern werden Begriffe wie

53
Krankheit, Tod, Schmerzen, Verlust der Intimsphäre und Ausge-
liefertsein negativ assoziiert (siehe Teststudie 1995). Diese negative
Assoziationstendenz, die mit dem Begriff Krankenhaus verbunden
ist, liegt in der Natur der Sache.

Krankenhausleistungen
– sind in der Regel veranlasst durch gesundheits- und/oder lebens-
bedrohliche Gefährdungen von Menschen,
– bergen iatrogene Risiken (Narkose, Komplikationen) und
– rufen bei vielen Menschen ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervor.

Andererseits assoziiert man auch positive Ereignisse wie Heilung, Hilfe


in der Not, Geburt eines Kindes, freundliche, hilfsbereite Schwestern,
Trost und Beistand.
Das Krankenhaus als Marke muss also versuchen, Assoziationen
zu erzeugen, die Vertrauen in die Qualität und die Menschlichkeit
von Leistungen aufbauen, ohne dass Erwartungshaltungen entstehen,
die unrealistisch bzw. unerfüllbar sind (Abbildung 3-4).
Amerikanische Krankenhäuser werben z. T. mit Erfolgsgarantie
und herausragenden Dienstleistungsversprechen: »Gestern haben

Abbildung 3-4: Ein Krankenhaus mit Markenstatus hat erreicht, dass eine Asso-
ziationsverschiebung zwischen »dem Krankenhaus« als anony-
mer Institution und dem eigenen Haus als Leistungs- und Sym-
pathieträger stattfindet.

54
wir Ihre Bandscheibe operiert, heute liegen Sie mit Ihren Freundin-
nen am Strand – und niemand hat Ihren Krankenhausaufenthalt be-
merkt«, so eine Werbeanzeige des Florida Spine Institute.
Einseitige Produktversprechen haben nichts mit Markenbildung zu
tun, sondern gehören in die Kategorie Werbung; im Gesundheitswesen
wird durch medizinische Erfolgsversprechen die ethische Grenze zum
unlauteren Wettbewerb überschritten. Markenbildende Assoziationen
entstehen durch erlebte Qualität, über die von Betroffenen berichtet wird
(»Mund-zu-Mund-Propaganda«). Auf diese Weise entsteht schrittweise
ein »guter Ruf« auf der Basis erlebter (und damit glaubwürdiger kom-
munizierbarer) Leistungen. Assoziationen entstehen aber auch durch
Medienberichte und Expertenurteile (z. B. des niedergelassenen Arztes).
Berichterstattung in den Medien ist aber nur unter zwei Gesichts-
punkten »Marken bildend«:
– Die Berichte beziehen sich auf Leistungen des Kerngeschäfts,
indem die Behandlung einer prominenten Persönlichkeit (z. B.
schwierige Therapie von Raissa Gorbatschow im Uniklinikum
Münster), die Inbetriebnahme eines innovativen medizintechni-
schen Geräts oder ein Programm zur Information der Bevölkerung
über Prävention, Diagnose und Therapie häufiger oder auch
spezieller Krankheitsbilder durch Ärzte des Krankenhauses darge-
stellt werden. Diese Berichte vermitteln Kompetenz und erzeugen
»vermutete medizinische Qualität«. Die »Abendvisite«, eine Initia-
tive der Westfälischen Nachrichten in Kooperation mit Münstera-
ner Krankenhäusern, kann hier beispielgebend genannt werden.
– Die Berichte informieren über Leistungen, die Sympathie zur
Institution Krankenhaus und den Mitarbeitern aufbauen. Die kos-
tenlose Operation eines achtjährigen herzkranken russischen Mäd-
chens, einschließlich der Organisation einer Spendenaktion zur
Finanzierung von Transport- und Medikamentenkosten, wirkt pro-
filgebend im Sinne eines Markenstatus.

Im Bereich der »Mund-zu-Mund-Propaganda« zählen Kulturpro-


gramme im Krankenhaus und Clown-Doktoren ebenso zu den
Marken bildenden Aktivitäten wie die besonders bemerkenswerte
Initiative des Mater Misericordia Hospitals in Dublin: Dieses Kran-

55
kenhaus stellt jedes Jahr über 20 Praktikumsplätze für Schüler aus
Haupt-, Real- und Oberschulen zur Verfügung. Der Effekt: Die Schü-
ler bewirken als Kommunikations-Multiplikatoren eine tendenzielle
Verschiebung des Krankenhaus-Images und des Images von Kran-
kenhausberufen zum Positiven; außerdem wird die Rekrutierung von
Personal erleichtert.

3.1.3 Marken-Entstehung: Erfolgsfaktoren zur Entwicklung


eines Markenstatus für Krankenhäuser

Krankenhäuser sind Dienstleistungsbetriebe der besonderen Art: Ver-


sorgt werden Menschen in psychischen und existenziellen Grenz-
situationen. Patienten und Angehörige erwarten insbesondere Qualität
nach dem neuesten Stand des medizinischen Wissens, eine Fall- und
Schweregrad angemessene Versorgung und Hilfe beim Umgang mit
der Krankheit und Eingehen auf die individuelle psychische Situation.
Da ein Markenstatus direkte Auswirkungen auf die Auswahlent-
scheidung für (oder gegen) ein Krankenhaus hat, stellt sich die Frage
nach den Marken bildenden Erfolgsfaktoren.
In der CKM-Studie »Magnet-Krankenhaus« wurden die Marken
bildenden Erfolgsfaktoren herausgearbeitet. Dabei ist eine wichtige
Besonderheit zu beachten, die das Markenziel (Welche ökonomischen
Vorteile bringt ein Markenstatus für ein Krankenhaus?) und den
Markenbildungsprozess (Wie entsteht eine Krankenhaus-Marke?) für
ein Krankenhaus von dem eines Konsum- oder Investitionsgüter-
prozesses erheblich unterscheidet:
– Bei industriellen Produkten und Dienstleistungen gilt der Grund-
satz: Qualität, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung liegen
vor, wenn der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt. Die
Entwicklung von Stammkunden ist das Ziel der Markenführung,
um Wiederholungskäufe zu generieren.
– Qualifizierte medizinische Leistungen dagegen sollen die »Rück-
kehr« eines Kunden vermeiden. Demnach hat der »Stammkunde«
(mit Ausnahme von Präventionsleistungen, Lifestyle-Angeboten
und Disease-Management-Programmen) im Akutkrankenhaus

56
tendenziell keine Bedeutung im Sinne eines »aktiven Konsumen-
tenstatus«.

Dennoch spielt der »loyale Kunde« für das Akutkrankenhaus eine


wichtige Rolle: Auch wenn er nicht in das Krankenhaus zurück-
kommt (was ihm zu wünschen ist), fungiert er als Informationsmul-
tiplikator, indem er dritten Personen über seine Erfahrungen be-
richtet. Insofern geht es weniger darum, dass der Patient selbst bei
zukünftigen Krankheitsfällen das gleiche Krankenhaus aufsucht, son-
dern seine Erfahrungen »positiv wertend« an möglichst viele Dritte
weitergibt.
Im industriellen Bereich gilt weiterhin die Erkenntnis, dass der
Aufwand, der für die Akquisition von Neukunden zu betreiben ist,
um den Faktor fünf bis 25 (je nach Branche und Marktsituation)
höher ist als der Aufwand zur Betreuung von Stammkunden. Ent-
sprechend haben Kundenpflegemaßnahmen einen hohen marken-
strategischen Stellenwert.
Zur Festlegung der Marken bildenden Erfolgsfaktoren für Kran-
kenhäuser ging die CKM-Studie »Magnet-Krankenhaus« folgenden
Fragen nach:
– Nach welchen Kriterien bzw. auf Basis welcher Information wählt
ein Patient das für ihn geeignete Krankenhaus aus?
– Welchen Stellenwert haben »medizinische Qualität«, »Service- und
Hotelqualität« und »Kommunikations- und Kontaktqualität« bei der
Auswahlentscheidung, und aufgrund welcher Attribute/Messgrößen
beurteilt der Patient die Ausprägung dieser drei Leistungskriterien?
– Wie entstehen »Bekanntheit«, ein »guter Ruf« bzw. »Marken-
status«?
– Welche Faktoren bewirken eine signifikante Erhöhung der
»Bereitschaft zur Weiterempfehlung«?

Im ersten Teil der CKM-Magnet-Studie wurde festgestellt, welche Leis-


tungsmerkmale eines Krankenhauses von Patienten und Angehöri-
gen als besonders wichtig eingestuft werden und welche Erfahrungen
mit diesen Merkmalen gemacht wurden.
Die medizinische Qualität rangierte zwar als wichtigstes Beur-
teilungskriterium für die Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses,

57
gleichzeitig wurde aber deutlich, dass die wenigsten Patienten in der
Lage sind, diese wirklich fachlich zu beurteilen. Dennoch fand durch
Patienten und Angehörige eine derartige Beurteilung statt, allerdings
auf der Basis eines »Ersatzkriteriums«, nämlich »Kommunikation
mit dem Patienten« in Verbindung mit dem »wahrgenommenen
Betriebsklima«. Damit ist die erlebte »Sozialqualität« (Rolle des
»Kunden«; Umgang mit Fehlern, Ideen und Widerspruch von Mit-
arbeitern) ein entscheidender Erfolgsfaktor zur Steigerung der Bereit-
schaft zur Weiterempfehlung.
Entscheidende Erkenntnisse über die Bedeutung der Sozialqualität
für die Markenbildung von Krankenhäusern lieferte der zweite Teil
der CKM-Studie: Patienten wurden befragt, welches Leistungsmerk-
mal das wichtigste ist, an dem sie die Beurteilung der Leistungs-
fähigkeit eines Krankenhauses festmachen. Die verschiedenen Leis-
tungsmerkmale wurden in drei Hauptkategorien zusammengefasst:
Medizinische Qualität, Kommunikationsqualität und Sozialklima,
Serviceleistungen und Hotelqualität. Auf Basis dieser Kriterienstruk-
tur wurden 461 Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer
Krankenhaus-Karriere nach ihrer Einschätzung befragt. Die Ergeb-
nisse dieser Analyse waren einigermaßen überraschend, gaben
gleichwohl grundlegende Einblicke in den Prozess der Markenent-
wicklung eines Krankenhauses, der offenbar völlig anderen Gesetz-
mäßigkeiten genügt als dies bei industriellen Markenbildungspro-
zessen der Fall ist (siehe Abbildung 3-5).
Eine CKM-Studie zum Markenstatus von Krankenhäusern stellte
fest, dass ehemalige Patienten die Gesamt-Qualität (inklusive der
medizinischen Leistungsfähigkeit) eines Krankenhauses aufgrund der
Art und Weise beurteilten, in der mit ihnen kommuniziert und umge-
gangen worden ist. Das heißt, neben der medizinischen Qualität und
der Service-Qualität spielt insbesondere die Kontaktqualität (also die Fä-
higkeit des Krankenhauspersonals, Patienten und Angehörigen das Ge-
fühl von Geborgenheit, Verständnis, Hilfsbereitschaft und individueller
Betreuung zu vermitteln) die wichtigste Rolle für die Markenbildung.
Befragt man Patienten drei bis fünf Wochen nach Entlassung aus dem
Krankenhaus nach den wichtigsten (also Image und Ruf bildenden) Er-
lebnissen, Empfindungen und Assoziationen, so steht der Faktor Kon-

58
Abbildung 3-5: Markenstatus entsteht durch erlebte Kontakt-/Sozialqualität und
bewirkt eine medizinische Qualitätsvermutung.

taktqualität an erster Stelle der Beurteilungsskala. Die faktische medizi-


nische Leistung (die medizinische Ergebnisqualität) spielt bei der Beur-
teilung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses eine deutlich nachge-
ordnete Rolle: Ehemalige Patienten sprechen mit dritten Personen
primär über die Art und Weise der Kommunikation. Diese Kontaktqua-
lität veranlasst den Patienten im negativen Fall (Unzufriedenheit mit der
Art der Kommunikation) mit 18 bis 20 Personen nach seinem Kranken-
hausaufenthalt darüber zu sprechen; im Fall der Begeisterung über die
Art des kommunikativen Umgangs teilen die Patienten ihre positiven Er-
fahrungen lediglich drei bis fünf Personen mit.
Und damit schließt sich der Kreis der Markenbildung für ein Kran-
kenhaus: Erlebte Kontaktqualität führt zu Weiterempfehlung, und
diese bewirkt im Meinungsbild der Öffentlichkeit das Phänomen
der »vermuteten medizinischen Qualität«. Diese vermutete Qualität
veranlasst potenzielle Patienten (und Einweiser) dazu, sich das Kran-
kenhaus ihres Vertrauens auszusuchen. Denn die Wahl eines Kran-
kenhauses wird im Wesentlichen durch das Vertrauen in die medi-
zinische Leistungsfähigkeit bestimmt.
Mit anderen Worten: Markenstatus setzt eine Markenkultur voraus.
Eine Markenkultur äußert sich im Führungsstil, im Kommunika-
tionsverhalten sowie in der Art der Zusammenarbeit ebenso wie in
der gelebten Kunden- und Service-Orientierung.

59
Alle reden von klassischen Dimensionen der Qualität im Kranken-
haus (Donabedian 1966): Ergebnis-, Prozess- und Strukturqualität.
Aber die wichtigste Qualitätsdimension ist die Sozialqualität (von Eiff
2000: 21 ff.). Sie ist einerseits Voraussetzung, damit die klassischen
Qualitäts-Dimensionen erst mit Leben erfüllt werden, und bewirkt
andererseits direkt Kundenzufriedenheit bzw. Kundenbegeisterung.
Damit wird auch deutlich, dass ein Markenstatus nicht von heute auf
morgen entsteht und auch nicht durch Werbung, Propaganda oder
Marketing-Gimmicks herbeigezaubert werden kann: Weder ein neues
Logo noch der interessante Internetauftritt noch hochtrabende Be-
zeichnungen wie »Gesundheitszentrum« geben alleine eine solide
Markenbasis ab; herausragende medizinische Leistungen in Verbin-
dung mit Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Einfühlungsver-
mögen des Personals sind die Marken bildenden Faktoren.
Eine Krankenhaus-Marke entsteht damit von innen heraus auf
zwei Wegen (vgl. Abbildung 3-6):
– Setzen eines Profils im Sinne eines Leistungsversprechens, das bei
relevanten Zielgruppen eine Qualitätserwartung aufbaut,
– Erfüllung des Kompetenzanspruchs in den arbeitstäglichen Leis-
tungsprozessen.

Eine weitere wichtige Erkenntnis förderte die CKM-Magnet-Studie zu


Tage:

Abbildung 3-6: Die Krankenhaus-Marke entsteht von innen heraus, dabei kön-
nen zwei Wege unterschieden werden.

60
Die Bereitschaft zur Weiterempfehlung resultiert im Wesentlichen
aus der erlebten Kommunikations-, Kontakt- und Sozialqualität wäh-
rend eines Krankenhausaufenthaltes. Bemerkenswert ist dabei, dass
die Intensität der positiven Berichterstattung wesentlich davon ab-
hängt, inwieweit Erwartungen erfüllt oder deutlich übertroffen wur-
den. Patienten, die durch innovative Serviceleistungen und/oder be-
sondere Herzlichkeit des Personals positiv überrascht wurden,
werden zum »Advokaten des Krankenhauses« in der Öffentlichkeit.
Die Methodik von KANO demonstriert, dass nur die Erfüllung von
»Begeisterungsanforderungen« (siehe Abbildung 3-7) in besonderer
Weise Beiträge zur Markenbildung leistet.
Ein Weg zur Erreichung von Weiterempfehlungsbereitschaft ist die
Anwendung der »moments of truth«-Methode: der Blick in die Kran-
kenhausprozesse durch das Auge des Patienten.
Bei der Ermittlung von »Begeisterungsanforderungen« führen
Patientenbefragungen nur sehr begrenzt weiter. Denn durch Be-
fragungen bekommt man eher heraus, durch welche Aktivitäten Unzu-
friedenheit vermieden wird. Innovative Dienstleistungen müssen ini-
tiativ entwickelt und dem Patienten offeriert werden: Clown-Doktoren
in der Kinderambulanz, psychologische Betreuung für Angehörige Ver-
storbener oder Tageshort für Kinder stationär behandelter Eltern.

Abbildung 3-7: Die »Bereitschaft zur Weiterempfehlung« wird durch Maßnah-


men und Verhaltensweisen erreicht, die den Kunden (Patienten,
Angehörige) überraschen und begeistern.

61
Abbildung 3-8: »Moments of truth« (Momente der Wahrheit) sind regelmäßige
Gelegenheiten, Situationen oder Orte, an denen ein Leistungsan-
bieter die Chance hat, Servicebewusstsein, Qualität und Flexibi-
lität gegenüber seinem Kunden zu demonstrieren.

Die Entwicklung einer innovations-, kunden- und leistungsorientierten


Unternehmenskultur bildet demnach die Grundlage einer jeden Mar-
kenführung: zufriedene, sich wohl fühlende Mitarbeiter, verhalten sich
tendenziell kundenorientierter; der Patient nimmt dies wahr und rea-
giert mit einer gesteigerten Bereitschaft zur Weiterempfehlung.
Ziel eines jeden Marken-Managements muss es sein, bei den rele-
vanten Zielgruppen Vertrauen in die Leistung (Qualitätsvermutung)
und Sympathie (angenehme Markenpersönlichkeit) zu erreichen.
Gesundheitssysteme sind kompliziert, und die hier ablaufenden
Leistungsprozesse sind für viele medizinische Laien undurchschau-
bar. An Informationen über »das beste Krankenhaus«, »den besten
Arzt« etc. fehlt es nicht; dafür sorgt eine Vielzahl von Medienberich-
ten. Und darin liegt das Problem: Die Informationsflut nimmt gerade
im Gesundheitswesen explosionsartig zu und führt zu einem klassi-
schen informationslogistischen Dilemma: Ein Zuviel an Information
bewirkt einen Mangel an Informiertheit.
Um die Vielfalt der Informationen bei begrenzter Zeit und limi-
tierter Aufnahmefähigkeit verarbeiten zu können, entwickeln Men-
schen zwei Selektionsfilter (Abbildung 3-9):

62
Abbildung 3-9: Tradition, Kompetenz und Sozialqualität sind die Basis für
Vertrauen und Sympathie. Aus diesen Komponenten entsteht ein
Markenstatus.

– Aus Unsicherheit über den wirklichen Informationswert einer Bot-


schaft selektieren sie aus der Vielzahl der Sender (also Kranken-
häuser) diejenigen heraus, denen sie vertrauen und die Sympathie
ausstrahlen.
– Aus Sympathie werden Vorurteile gebildet, die diesen Selektions-
prozess (im Sinne eines Halo-Effekts) fokussieren.

An dieser Stelle setzt erfolgreiches Marken-Management an: Konti-


nuität im Auftritt und eine unverwechselbare Persönlichkeit basieren
auf einer konstruktiven Unternehmenskultur und bewirken Ver-
trauen sowie Sympathie bei den relevanten Zielgruppen.

3.1.4 Fazit

Wenn »Reden«, also Selbstdarstellung und eigene Leistungsansprüche


mit dem konkreten »Handeln« (vgl. Abbildung 3-10), also der arbeits-
täglichen Herstellung von Kontakt- und Sozialqualität übereinstimmt,
entwickelt sich schrittweise ein Markenstatus für ein Krankenhaus.

63
Abbildung 3-10: Die Übereinstimmung von »Reden« und »Handeln« in Verbin-
dung mit einem unverwechselbaren »Profil« bildet die Basis für
die Entwicklung eines Markenstatus.

Entwicklung einer Krankenhaus-Marke


• Marken entstehen durch bewiesene Leistungen und nicht durch Versprechungen
oder hektische Marketing-Aktivitäten.
• Marken basieren auf Vertrauen in eine kontinuierliche Qualität; dieses Vertrauen ent-
steht durch Tradition, Kompetenz und Vision.
• Marken zeichnen sich durch Identität zwischen »Reden« und »Handeln« aus: das
Kompetenzversprechen auf der Internetseite, der verwendete Slogan als einprägsame
Kurzform des Kompetenzanspruchs und das anspruchsvolle Leitbild müssen mit dem
übereinstimmen, was ein Patient tatsächlich erlebt.
• Marken sind das Ergebnis eines eindeutigen, unverwechselbaren Erscheinungsbildes:
vom Kompetenzanspruch über das Logo, über Symbole und die Art des Werbeauftritts
bis zum Verhalten des einzelnen Mitarbeiters.
• Die wichtigsten Markenbildungsfaktoren sind konstant verlässliche Leistungen und
eine kundenorientierte Unternehmenskultur.
• Kunstausstellungen, Pantomime für Patienten oder T-Shirts für Neugeborene sind nette
Marketing-Gimmicks, haben aber mit dem Marken-Status eines Krankenhauses nichts
zu tun; bestenfalls fördern diese Aktionen »Bekanntheit«.
• Der Markenstatus eines Krankenhauses wird nicht durch Zimmerausstattung, Emp-
fangshallenatmosphäre und Internetauftritt geprägt:
Medizinische Top-Leistungen und soziale Kompetenz des Personals prägen das Profil
und den Ruf in der Öffentlichkeit primär und nachhaltig.
• Werbung mit Anzeigen, TV-Spots und Plakatwänden hat primär nichts mit Branding zu
64
tun.

Checkliste 3-1: Entwicklung einer Krankenhaus-Marke


3.2 Risikomanagement
Wilfried von Eiff

3.2.1 Risikobewusstsein und Risikoverhalten


als Merkmale der Unternehmenskultur

Grundlage eines wirksamen Risikomanagements ist eine effiziente In-


formation der betroffenen Mitarbeiter. Ebenso muss gewährleistet sein,
dass sich alle Mitarbeiter des Krankenhauses risikobewusst verhalten.
Risiken gibt es viele, doch wer ist in der Lage, diese Risiken zu er-
kennen und zu vermeiden? Natürlich die Mitarbeiter! Aus diesem
Grund müssen die Mitarbeiter für Risiken sensibilisiert werden. Auf
der anderen Seite sind die demotivierten Mitarbeiter ein großes Risi-
kopotenzial für ein Unternehmen, denn sie bilden die Schnittstelle zu
den Patienten.
Die Ergebnisse einer internationalen Expertentagung, organisiert
vom Centrum für Krankenhaus-Management an der Uni Münster,
ergab:
– Durchschnittlich sechs Prozent aller Krankenhauspatienten erle-
ben während ihres Aufenthalts ein »Schadensereignis«; in 70 Pro-
zent dieser Fälle behält der Betroffene keine oder nur sehr geringe
Schäden zurück.
– Von einem nachhaltigen Schadensereignis sind etwa 0,26 Prozent
aller Patienten betroffen, davon 14 Prozent mit tödlichem Ausgang.
– Auf 3846 Patienten kommt ein Medikamentenirrtum, der zu
einem klagefähigen Ereignis führt.
– Etwa 30 Prozent aller Schadensereignisse sind medizinisch be-
dingt; dagegen sind 70 Prozent auf schlechte Organisation und als
Folge davon auf Fehlverhalten zurückzuführen.
– 55 Prozent der fehlerhaften Behandlungsergebnisse sind als ver-
meidbar einzustufen, weil sie sich organisatorisch verhindern
lassen.
– Außerdem wird (z. B. in den USA) ein Drittel der medizinischen
Leistungen als überflüssig angesehen; wobei klar ist, dass iatrogene
Risiken den Patienten gefährden.

65
– 60 Prozent der jährlich etwa 15 000 juristisch anerkannten Be-
handlungsfehler betreffen die medizinische Versorgung in Kran-
kenhäusern.

Der Unterschied zwischen Qualität und Risiko in einem Kranken-


haus ist offenbar auf Organisation und Verhalten bzw. die Unterneh-
menskultur zurückzuführen:
– In welchem Maß ist eine Organisation bereit, bekannte Gefahren
in ein kalkuliertes Risiko umzuwandeln?
– Wie geht die Organisation/Führung mit Fehlern, anderen Meinun-
gen und Verbesserungsvorschlägen um?

3.2.2 Verschwendung als Risikoursache

Das Phänomen der »verborgenen Fabrik« ist aus den Lean-Manage-


ment-Studien der Autoindustrie bekannt: Fehlerhafte Produkte,
die aufgrund eines schlecht beherrschten Produktionsprozesses
entstehen, werden in Nacharbeitszonen aufwändig nachgebessert,
um auf diese Weise Ausschuss zu vermeiden. Jede Art von Nach-
arbeit, Nachbesserung und Ausschussverwertung, aber auch Warte-
zeiten oder unnötige Transporte und nicht genutzte Kreativität,
sind die Einsatzfelder der verborgenen Fabrik. Die verborgene Fabrik
ist notwendig, weil die Organisation der sichtbaren Fabrik nicht
Fehler verhindernd und nicht Qualität fördernd strukturiert ist.
Dieses Phänomen gibt es in jeder Organisation, in der die
Arbeitsprozesse nicht zu 100 Prozent beherrscht werden, auch in
Krankenhäusern. Doppelte Einbestellung des Patienten, weil die Rönt-
genaufnahme falsch war; Revisionseingriffe, Patientenstürze, Medika-
mentenirrtümer usw. machen Nachbehandlungen erforderlich, verlän-
gern die Verweildauer (mit der Gefahr iatrogener Risiken) und
bewirken eine Outcome-Verschlechterung des Patienten.
Das Phänomen des verborgenen Krankenhauses hat etwas mit
Risikomanagement zu tun: Schlecht beherrschte Arbeitsprozesse
sind fehleranfällig, und Fehler treten insbesondere dann auf, wenn
die Organisation durch Zeitdruck zusätzlich belastet wird.

66
Abbildung 3-11: Investitionen in die Fehlerverhütung (beherrschter Prozess) sen-
ken die Qualitäts- und Risikokosten insgesamt.

Für Qualitätsmanagement und Risikomanagement gibt es zwei


grundsätzliche strategische Orientierungen: Entweder man konzen-
triert sich auf die nachträgliche Behebung von Fehlern bzw. setzt auf
exzellentes Katastrophenmanagement oder man versucht, Fehler zu
vermeiden bzw. Risiken im Vorfeld des Entstehens zu erkennen und
durch geeignete Maßnahmen zu minimieren.
Es gibt zwei Gründe, die dafür sprechen, sowohl Qualitätsmanage-
ment als auch Risikomanagement vorbeugend zu betreiben:
– Die Qualitätskosten sind durch Investitionen, die zu beherrschten
Arbeitsabläufen führen, wesentlich niedriger als im Fall der Inves-
tition in die »verborgene Fabrik« (vgl. Abbildung 3-11).
– Analysiert man die Tätigkeiten etwa von Pflegekräften, so sind im
Durchschnitt 35 Prozent nicht wertschöpfend, dienen also nicht
unmittelbar dem Patienten/Angehörigen. Interessant ist in diesem
Zusammenhang eine weitere Feststellung: Maximal fünf Prozent
der Aktivitäten werden dazu benutzt, um gezielt Organisations-
abläufe zu verbessern, Standards einzuführen oder die Kunden-
orientierung zu erhöhen (Abbildung 3-12). Hier liegen entschei-
dende Risikoursachen begründet.

67
Abbildung 3-12: Jeder Aktivitätsbereich einer Stelle kann nach Wertschöpfungs-,
Wertvernichtungs- und Innovationsanteilen aufgeteilt werden.

3.2.3 Das stumpfe Ende:


Vom Risk-Management zum Qualitätsmanagement

Als »scharfes Ende« bezeichnen Risikomanager diejenigen »uner-


wünschten Ereignisse«, die zu nachhaltigen Schädigungen führen:
Eine abgebrochene Spritze verletzt den Patienten, ein negativ-falscher
Röntgenbefund führt zu einer Fehlbehandlung, das falsche Bein wird
amputiert, oder ein lebenswichtiges Medikament wird vertauscht.
Ereignisse am »scharfen Ende« sind Katastrophen: Personen wer-
den geschädigt, Sachwerte werden zerstört, finanzielle Verluste er-
heblichen Ausmaßes sind zu beklagen. Katastrophenmanagement ist
reaktiv und zielt auf Schadensbegrenzung.
Wesentlich effektiver als dieses »Management am scharfen Ende«
ist das »Management des stumpfen Endes«; denn: Katastrophen
kündigen sich an. Wer die Frühwarnindikatoren richtig zu deuten
versteht, kann rechtzeitig und gezielt Maßnahmen ergreifen.
Die Systematik von Heinrichs Gesetz beschreibt einen beeindru-
ckenden Zusammenhang: Katastrophenereignisse entstehen nicht
unvorhersehbar zufalls- und schicksalsbedingt aus sich heraus,

68
sondern dem Desaster gehen zahlreiche, als unbedeutend beurteil-
te Arbeitsfehler, Nachlässigkeiten, Funktionseinschränkungen und
dysfunktionale organisatorische Arbeitsabläufe voraus. Wenn alles
normal abläuft, sind diese Fehler in ihrer Wirkung begrenzt und das
Risiko solcher Fehlermöglichkeiten scheint beherrschbar. Sobald
aber die Organisation und die in ihr arbeitenden Menschen durch
besondere Anforderungen unter Leistungsdruck geraten, multipli-
zieren sich die Einzelfehler und schaukeln sich zum Desaster-Fall auf
(Abbildung 3-13).
Heinrichs Gesetz legt nahe, die Katastrophen, die am »spitzen
Ende« des Risiko-Eisbergs ersichtlich für jeden eintreten, durch kon-
zentrierte Fehlererkennung, Fehlervermeidung und Fehlerbehebung
am »stumpfen Ende« des Eisbergs zu vermeiden.

Abbildung 3-13: Das Risikomanagement beginnt im Tagesgeschäft eines jeden


Mitarbeiters.

69
3.2.4 Tools zum Risikomanagement

Für die gezielte Risikovermeidung stehen dem Krankenhaus-Mana-


ger zwischenzeitlich Techniken zur Verfügung, die sich in anderen
sicherheitsgeprägten Industrien, wie der Luft- und Raumfahrtindus-
trie oder der Automobilbranche, bereits bewährt haben. Ein Instru-
ment, das in der Industrie hohe Bedeutung erlangt hat und derzeit
auch im Hinblick auf »Krankenhaustauglichkeit« reflektiert wird, ist
die Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA). Die FMEA ist
eine Methode, um potenzielle Fehler bei der Entwicklung und der or-
ganisatorischen Umsetzung eines neuen Produkts bzw. einer neuen
Dienstleistung oder bei neuen Organisationsabläufen und Arbeits-
prozessen im Vorfeld der Realisierung zu erfassen.
Durch geeignete Kontrollen können Fehler frühzeitig erkannt und
durch innovative Maßnahmen kann das Fehleraufkommen künftig
vollständig vermieden werden.

Damit hat die FMEA zwei Anwendungsschwerpunkte:


– Die Produkt-/Dienstleistungs-FMEA wird im Rahmen der Entwick-
lung einer neuen Arbeitstechnik (z. B. Operationsverfahren) oder
der Einführung einer neuen Dienstleistung (z. B. Einführung eines
Hospitality-Konzepts zur Betreuung älterer Patienten, Einführung
eines neuen Ernährungsangebots) verwendet.
– Die Prozess-FMEA wird eingesetzt, um die Risiken einer organisa-
torischen Umstellung auf einen neuen Arbeitsablauf (z. B. Einfüh-
rung eines KIS/RIS/PACS) frühzeitig zu erkennen und wirksam
gegenzusteuern.

Gegenstand der FMEA ist:


– Identifikation möglicher Fehlerarten bzw. potenzieller Fehlermög-
lichkeiten,
– Beurteilung und Priorisierung von Effekten, die von einem Fehler
auf den Kunden ausgehen,
– Feststellung der möglichen Gründe, die einen Fehlerauftritt
begünstigen,
– Ableitung von Prüftechniken zur vorzeitigen Fehlererkennung,

70
– Ableitung von Maßnahmen zur dauerhaften Fehlerbehebung und
Qualitätsverbesserung.
Ziel der FMEA ist es,
– auf Fehlermöglichkeiten und Fehlereffekte vorbereitet zu sein,
– Fehler im Prozess systematisch zu bekämpfen und
– Fehler abzubauen und zukünftig zu vermeiden.
Die systematische Erstellung von FMEAs bedeutet Arbeits- und
Zeitaufwand und erfordert darüber hinaus vom Bearbeiter fundierte
Kenntnis des betroffenen Geschäftsprozesses sowie Innovations-
fähigkeit und Kreativität. Diesem Aufwand stehen andererseits er-
hebliche Vorteile gegenüber:
– methodischer Zwang zur systematischen und vollständigen Er-
fassung potenzieller Probleme mit dem Ziel der Vermeidung von
Fehlern in der Struktur eines Leistungsangebots sowie in der
Organisation von Arbeitsprozessen;
– Verringerung der Gefahr von Kundenbeschwerden, Revisionsein-
griffen und Verlängerung der Verweildauer durch gezielte Verfol-
gung aller kritischen Fehler;
– Reduzierung von Kosten und Zeit für die nachträgliche Anpassung
von Leistungsstrukturen und Prozessen aufgrund der Beschwer-
den unzufriedener Kunden (Patienten/Angehörige/niedergelas-
sene Ärzte/Kooperationspartner);
– Reduzierung von Kosten und Zeit für erhöhten Prüfaufwand durch
frühzeitige Fehlereingrenzung und gezielte Fehlerverhütung;
– systematische Erfassung und Dokumentation von Problemfeldern
zur Vermeidung von Wiederholungsfehlern oder Doppelarbeit;
– Dokumentation von Fach-Know-how.
In der FMEA werden
– alle möglichen Fehler systematisch aufgelistet;
– auf ihre Folgen für den Kunden beurteilt;
– die möglichen Fehlerursachen bestimmt;
– die vorgesehenen Leistungsinhalte im Hinblick auf ihr Fehlerrisiko
bewertet;
– notwendige Methoden zur Prozessüberwachung entwickelt, um
den Fehlereintritt sofort erkennen zu können;

71
Abbildung 3-14: FMEA-Tableaus werden dazu verwendet, potenzielle Defekte und
Defektauswirkungen zu erkennen und zu klassifizieren –
Aktivitäten, die die Möglichkeit einer Fehlerwiederholung ver-
hindern oder vermindern, zu identifizieren und den Prozess zu
dokumentieren.

– die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Fehlers, die Aus-


wirkung eines Fehler auf den Kunden und die Möglichkeit des
Entdeckens dieses Fehlers beurteilt (Risiko-Prioritätszahl) und
– die Verantwortlichkeiten für die Durchführung der Überwachungs-
und Abstellmaßnahmen bestimmt.

Der Aufbau der FMEA folgt entweder


– der Spezifikation des neuen Leistungsangebots oder
– dem Prozessfluss (siehe Abbildung 3-14).

3.2.5 Rechtliche Aspekte und Ausblick

Risikomanagement entfaltet dann qualitätsverbessernde Wirkungen,


wenn es nicht als Reparaturbetrieb eingesetzt wird und wenn offen
über Fehler, Risiken und Verbesserungsmaßnahmen (auch in kleinen
Schritten) in einer Organisation kommuniziert wird.
Und genau darin liegt das Problem: Als Audi aufgrund der
»unintended acceleration« dem Vorwurf eines vorsätzlichen tech-
nischen Versagens ausgesetzt wurde, kam es auch zu einer Über-
prüfung der FMEA-Karten; glücklicherweise ließen sich keine
Hinweise auf ein einkalkuliertes Konstruktionsversagen feststellen.

72
Ein Krankenhaus, das die FMEA wahrheitsgetreu ausfüllt und diese
Instrumente als Lern- und Gestaltungshilfe betrachtet, könnte im Fall
eines Kunstfehlerprozesses aber auch selbst den Nachweis für die ei-
gene Schuld liefern.

Verbesserung der Teamarbeit


• Teammitglieder müssen die Begrenztheit menschlicher Leistungsfähigkeit an-
erkennen. Wie entstehen kognitive Fehler? Wie wirken sich Stressfaktoren
(hohe Arbeitsbelastung, Müdigkeit oder Notfallsituationen) auf die Leistungs-
fähigkeit aus?
• Konflikt- und Notsituationen trainieren,
• Anbringen und Umgang mit konstruktiver Kritik, auch hierarchieübergreifend,
• Rollen und Verantwortungen klar regeln,
• Standards und Protokolle für komplexe Aufgaben,
• reibungsloser Informations- und Kommunikationsaustausch,
• aktive und regelmäßige Diskussion über Gefahren und Fehlerrisiken.
Arbeitszeit und Arbeitsbelastung
• Übermüdung und Überlastung bei Ärzten vermeiden.
Personalqualifikation
• fachliche Qualifikation durch evidenzbasierte Medizin,
• Problembewusstsein und Problemlösungsfähigkeit,
• Risikobewusstsein trainieren,
• Wissen um Organisation und Prozessabläufe,
• Methodenwissen: FMEA, Ishikawa-Diagramm, »root-cause analysis«,
• sicherer Umgang mit Medizinprodukten.

Checkliste 3-2: Optimierung des Risikomanagements:


Einflussmöglichkeiten des Personalmanagements
(in Anlehnung an Middendorf 2005).

3.3 Personalmanagement im Krankenhaus


Wilfried von Eiff

Wenn der Mitarbeiter ein zentraler Erfolgsfaktor eines jeden Kran-


kenhauses ist, dann muss verwundern, in welcher Weise über den
Faktor Personal gedacht wird und welche Rolle dieser Faktor teilweise

73
in den Rationalisierungsüberlegungen von Beratungsunternehmen
und Krankenhausmanagern spielt.
– Die TQM-Protagonisten unterstellen, dass Qualität nicht durch das
»System« entsteht, sondern nur durch qualitätsbewusste Mitarbei-
ter realisierbar ist. Allerdings ist der Mitarbeiter in den wenigsten
Fällen mit den Techniken der Problemlösung (z. B. Kaizen) ver-
traut, und es fehlt auf Grund des Tagesgeschäftes die Zeit zur
Durchführung von Qualitätszirkeln, Speed-Teams oder Projekt-
gruppen.
– Die Rationalisierungs-Vertreter stellen fest, dass 70 Prozent der
Kosten im Krankenhaus durch den »Faktor Personal« verursacht
werden und nur etwa 18 Prozent durch Verbrauchsmaterial. Der
vermeintlich logische Schluss: Kostensenkungsmaßnahmen im
Krankenhaus müssen am Personalbestand ansetzen und weniger
an der Medikalproduktelogistik, der Apothekenversorgung oder der
Patientensteuerung.

Ist diesen Rationalisierungsvertretern eigentlich bewusst, dass der


»Faktor: Personal« die Erfolgsgrundlage darstellt für:
– Patientenorientierung, wie z. B. »Zuwendung« und »Zeit haben«;
– Innovations- und Qualitätsverbesserung, z. B. in der Entwicklung
und im schrittweisen Einsatz schonender diagnostischer und the-
rapeutischer Verfahren;
– Kostensenkung durch Erkennung von Einsparungen und durch
wirtschaftliches Verhalten;
– und für die Qualität des Dienstleistungsbetriebs Krankenhaus?

Offenbar nicht!
Letztlich ist es der Mensch, der die Leistung zu erbringen im
Stande ist, die gerade von einem Krankenhaus als Dienstleister für
Menschen gefordert wird.
Wer den Faktor Personal zum Rationalisierungsschwerpunkt er-
hebt, kann nicht gleichzeitig die Mitarbeiter auffordern, sich an Or-
ganisationsoptimierung, Qualitätsverbesserung und Kostensenkung
zu beteiligen. Und er kann auch nicht gleichzeitig eine verstärkte
menschliche Zuwendung gegenüber dem Patienten fordern. Wer ein-
seitig Personal rationalisiert, bewirkt eine deutliche Verschlechterung

74
der Kommunikation und wirkt so einer reibungslosen Zusammen-
arbeit entgegen.
Der Gesinnungswandel im Personalmanagement muss schon bei
den Begrifflichkeiten anfangen: Personal ist kein Produktionsfaktor,
dessen Substituierbarkeit durch andere Faktoren wie Betriebsmittel
oder Finanzmittel ständig auf dem Prüfstand betriebswirtschaftlicher
Betrachtung steht. Wirkliche Ressourcen sind: Sinngebung in der
Arbeit, Bereitschaft zum Mittun, produktive Neugier. An dieser Stelle
ist aktives Personalmanagement gefordert.
Personalarbeit in deutschen Krankenhäusern mutet zwiespältig an:
Auf der einen Seite mangelt es nicht an dem Anspruch, Personalar-
beit müsse im Sinne von Human-Resource-Management eng an die
strategische Entwicklung des Unternehmens gekoppelt sein. Auf der
anderen Seite offenbart sich vielerorts eine traurige Realität: die Per-
sonalabteilungen administrieren den »Kostenfaktor: Personal« und
realisieren als auftragsnehmender Dienstleister der Betriebsleitung
Personalreduktionsprogramme.
Nach der CKM-Studie »Führung und Motivation in Kranken-
häusern« (von Eiff 2000) sind 64 Prozent der befragten leitenden
Ärzte (Chefärzte und Oberärzte) der Meinung, die Personalabteilung
habe ausschließlich eine Berechtigung als verwaltende Funktion.
78 Prozent der befragten leitenden Ärzte konnten mindestens ein
Beispiel dafür nennen, dass die Personalabteilung die in sie gesetzten
Erwartungen nicht erfüllt hat.

Als Beispiele werden wiederholt genannt:


– schief gegangene Kündigungsverfahren,
– langwierige Abstimmungen mit Personalräten/Betriebsräten,
– unzureichende Unterstützung bei der Beschaffung von Personal,
– Versuch der Personalabteilung, schwer vermittelbare Personen in
die Kliniken »hineinzudrücken«,
– Verhinderung der Einführung eines leistungsorientierten Vergü-
tungssystems durch die Personalabteilung.

Man traut der Personalabteilung eine unternehmerische Verantwor-


tung überwiegend nicht zu. Auf der anderen Seite ist feststellbar, dass

75
die Führungskräfte (Ärzte, leitende Pflegekräfte) die rechtlichen Mög-
lichkeiten der Personalabteilung beispielsweise bei Kündigungen und
Versetzungen in vielen Fällen falsch einschätzen. Sieben befragte
Krankenhäuser konnten vom Fall der nicht vollzogenen Kündigung
in erstaunlich übereinstimmender Weise berichten. Die zuständige
Führungskraft (Chefarzt) verlangte die Entlassung eines Mitarbeiters,
der schon seit längerer Zeit als Minderleister auffiel, allerdings wurde
die Personalabteilung erst informiert, als der Chefarzt die Entlassung
akut forderte. Offenbar waren die Personalabteilungen dieser Kran-
kenhäuser bisher nicht in der Lage gewesen, den Management-Auf-
trag zu umreißen, den eine jede Führungskraft verantwortlich hat,
und gegenüber der Rolle der Personalabteilung als gestaltender
Dienstleister abzugrenzen.
Andererseits ist das Wissen der Führungskräfte über rechtliche
Notwendigkeiten und die Einführung von Personalführungsgrund-
sätzen wenig ausgeprägt. Anscheinend wird nicht deutlich, welcher
Management-Service vom aktiven Personalmanagement geleistet
werden kann. Und es besteht bei vielen Führungskräften nicht die
Einsicht, dass Personalführung keine Aufgabe der Personalabteilung
ist, sondern als nicht delegationsfähige Verantwortung einer jeden
Führungskraft obliegt.
Allerdings: Personalpolitische Instrumente, die den Führungs-
kräften eines Krankenhauses die Aufgabe der Personalführung er-
leichtern sollen, sind in maximal 15 Prozent der befragten Kranken-
häuser vorhanden und auch dort äußerst rudimentär. So werden etwa
kaum eingesetzt: Beurteilungssysteme, Laufbahnsysteme, Trennung
nach Fach- und Führungslaufbahn, Programme zur Einführung
neuer Mitarbeiter und Anreizsysteme auf Basis der Entwicklung von
Selbstmotivation. Hier besteht konzeptioneller Nachholbedarf.
Personalmanagement ist gefordert, die Aspekte des Paradigmen-
wechsels und der »neuen Marktdynamik« zu berücksichtigen. Diese
weisen geradezu fordernd darauf hin, dass der Erfolg eines Kran-
kenhauses in Zukunft wesentlich davon abhängt, wie es gelingt,
den »Faktor Personal« auf diese Herausforderungen des »change
managements« mental (Einstellung zum Wandel), methodisch
(Beherrschen der Reorganisations- und Problemlösungstechniken)

76
Abbildung 3-15: Welchen Einflüssen und Anforderungen müssen sich die Kranken-
häuser im Personalmanagement heute und in Zukunft stellen?

und fachlich (Vermittlung berufsübergreifenden, prozessorientierten


Wissens) vorzubereiten (siehe Abbildung 3-15).
Dem Personalmanagement kommt dabei die Aufgabe zu, die Or-
ganisationskultur und ihre »Spieler« bzw. »Stakeholder« (Füh-
rungskräfte, Mitarbeiter, Patienten, Angehörige, Kostenträger) auf
den geplanten organisatorischen Wandel vorzubereiten (Rolle des
»change agent«).
Eine CKM-Studie ergab, dass der ärztliche Bereich die stärksten
Defizite bezüglich seiner Management-Fähigkeiten aufweist. In der
Kienbaum-Studie »Benchmark Krankenhaussektor 2004« wurde
dies bestätigt. So gaben hier zwei Drittel aller Personalleiter an,
dass umfassende Personalentwicklungsmaßnahmen nötig seien, um
Mitarbeitern mit Führungsverantwortung betriebswirtschaftliche
Kompetenzen zu vermitteln. Dennoch verfügt nur knapp die Hälfte
der befragten Krankenhäuser über eine eigene Personalentwicklungs-
abteilung, die solche Zusatzqualifikationen anbietet. Ebenfalls nur die
Hälfte der Häuser setzen monetäre Anreizsysteme ein (Kienbaum
Consultants International GmbH 2004).

77
Zur Debatte steht, durch welche Weiterbildungs- und Qualifi-
zierungsstrategien die Managementlücken bei Führungskräften im
Krankenhaus schnell und effektiv geschlossen werden und auf welche
Art und Weise die Personalabteilungen dazu beitragen können, dass ein
aktives Personalmanagement in die Krankenhäuser Eingang findet.
Zweck des Personalmanagements ist es, die bedarfsgerechte und
wirtschaftliche Bereitstellung, den Einsatz und die Weiterentwicklung
des Personals zu gewährleisten; diese Aufgabe umfasst:
– die Entwicklung und Überwachung der einheitlichen Anwendung
personalpolitischer Grundsätze und Handlungsleitlinien der Per-
sonalarbeit,
– die Entwicklung und Bereitstellung geeigneter Methoden und
Techniken der Personalführung und
– die Unterstützung der Führungskräfte in der Wahrnehmung ihrer
Personalführungsaufgabe, damit diese sich auf die Ausführung
ihrer Fachaufgabe konzentrieren können.
Insbesondere in zwei Bereichen hat Personalmanagement Unterstüt-
zung zu leisten:
– Bereitstellung von Methoden und Instrumenten zur Steuerung von
Entscheidungsprozessen,
– Durchführung von Qualifizierungsprogrammen im Sinne von Ent-
scheidungstraining.

Diese komplexe, in alle Leistungsprozesse eines Krankenhauses hi-


neinreichende Aufgabe »Personalmanagement« kann nicht von einer
Instanz (Abteilung »Personalwesen«) wahrgenommen werden, sondern
ist im Erfolgsfall das Ergebnis eines koordinierten und zielgerichteten
Zusammenspiels der vier Träger der Personalarbeit im Unternehmen:
– Unternehmensleitung, die für die Festlegung personalpolitischer
Grundsätze und Handlungsleitlinien zuständig ist;
– Führungskräfte, die in der Verantwortung stehen, das zielorien-
tierte und koordinierte Zusammenwirken der Organisationsele-
mente Aufgabe, Person und Information zu gewährleisten;
– Arbeitnehmervertretung, die dafür Sorge trägt, dass die Interessen
der Mitarbeiter im Verhältnis zu den Interessen des Unterneh-

78
mens, d. h. Träger, Kapitalgeber, Management, Aufsichtsrat Berück-
sichtigung finden;
– Personalabteilung, die durch verwaltende, beratende und ge-
staltende Dienstleistungen dazu beiträgt, den Faktor Personal als
Ressource, also als Investitionsgut zu verstehen, von dem die wich-
tigsten Wertschöpfungsleistungen ausgehen. Der Personalmana-
ger gibt allen Entscheidungs- und Mitwirkungsinstanzen an den
Strategieentwicklungs- und Leistungsprozessen Hilfestellung, die
Ressource Personal leistungsorientiert zu führen.

3.3.1 Unternehmerische Verantwortung


des Personalmanagements

Das Personalmanagement hat demnach unternehmerische Verant-


wortung und verfolgt damit vier Ziele (vgl. Abbildung 3-16).
Es sollen Beiträge geleistet werden
– zur Wertschöpfung, d. h. Hilfestellung, damit Management und
Mitarbeiter das Kerngeschäft qualifizierter und/oder wirtschaft-
licher erbringen können;
– zur Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter, der Organisation und
des Unternehmens;

Abbildung 3-16: Personalmanagement hat Beiträge zur Wertschöpfung, zur Kompe-


tenzentwicklung, zur Implementierung von Personalmanagement-
Instrumenten sowie zur Organisationsentwicklung zu leisten.

79
– zur Implementierung von bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Per-
sonalführungs-Instrumenten, damit alle Führungskräfte im Unter-
nehmen spürbare Hilfe in ihrer Personalführungsaufgabe erhalten
und
– zur Organisationsentwicklung, um die Innovations- und Anpas-
sungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.

Um diese anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen, muss das Personal-


management integraler Bestandteil der strategischen Unterneh-
mensplanung sein: Innovative Ziele, umgesetzt durch intelligente
Geschäftsfeldstrategien setzen eine kreative, lern- und entwicklungs-
fähige Organisationskultur voraus. Diese wiederum wird getragen
von dem Fähigkeits- und Begeisterungspotenzial der Führungskräfte
und Mitarbeiter. Insofern kommt es darauf an, jede Geschäftsfeldpla-
nung zwingend unter dem Gesichtspunkt der personellen Vorausset-
zungen zu diskutieren und/oder umgekehrt aus diesen Fähigkeiten
und Interessen seiner Mitarbeiter heraus Geschäftsfelder zu entwi-
ckeln, die für diese Mitarbeiter eine Herausforderung und einen An-
lass zur Entwicklung von Selbstmotivation bedeuten.

Abbildung 3-17: Nur durch ein integriertes Personalmanagement, das auf die
Unternehmensstrategien abgestimmt ist, kann die Personalarbeit
effektiv und zielführend gestaltet werden.

80
Abbildung 3-18: Prozessorientiertes Personalmanagement gestaltet den kompletten
Prozess des Personalmanagements von der Personalbeschaffung
über den Personaleinsatz, die Personalentwicklung bis hin zum
Personalaustritt.

Die Wirksamkeit und Effektivität des Personalmanagements hängt


davon ab, ob die Rollen der verschiedenen Träger der Personalarbeit
komplementär verstanden werden (siehe Abbildung 3-19).
So ist die Personalabteilung nicht dafür zuständig und verantwort-
lich, dass Mitarbeiter entsprechend der betrieblichen Arbeitszeit-
ordnung pünktlich an ihrem Arbeitsplatz erscheinen; dies kann nur

Abbildung 3-19: Aktives Personalmanagement ist eine Herausforderung, die nur


auf der Basis eines klaren komplementären Rollenverständnisses
zwischen Führungskraft und Personalabteilung zu bewältigen ist.

81
Personalführungsaufgabe der disziplinarisch zuständigen Führungs-
kraft sein. Die Personalabteilung entwickelt bedarfsgerechte und
wirtschaftliche Regeln für eine betriebliche Arbeitszeitregelung (z. B.
Lebensarbeitszeitkonto), stellt den Führungskräften geeignete Instru-
mente zur Steuerung zur Verfügung, informiert die Betroffenen über
Neuregelungen rechtzeitig und umfassend und sorgt für die Abstim-
mung mit den Arbeitnehmervertretern.
Die Personalabteilung ist auch nicht zuständig für Abmahnungen
und Kündigungen. Beide personalpolitischen Maßnahmen müssen
durch den zuständigen Vorgesetzten vorbereitet werden (z. B. durch
ein Leistungsbeurteilungsgespräch mit einem Mitarbeiter, dem
wiederholt Arbeitsfehler unterlaufen). Gerade in Abmahnungs- und
Kündigungsfällen ist die Personalabteilung eher ausführender und
beratender Dienstleister für Führungskräfte. Andererseits stellt die
Personalabteilung der Führungskraft rechtzeitig Führungsinstru-
mente (Struktur eines Bewerbungsgesprächs; Technik des Konflikt-
gesprächs) zur Verfügung und berät die Führungskräfte vorbeugend
hinsichtlich des Verhaltens im Konfliktfall mit Mitarbeitern.
Die Personalabteilung ist aber nicht einseitig »Anwalt der Füh-
rungskräfte«, sondern muss sich als Vertreter des Unternehmens ver-
stehen, der gleichzeitig auch Vertreter der Ressource Personal ist.
Zu den Aufgabenschwerpunkten, die in Zukunft zum erstrangigen
Kerngeschäft der Personalabteilung gehören werden, zählen:
– Personalplanung und -beschaffung,
– Anwerbung, Einstellung und Einsatz qualifizierter Mitarbeiter,
– Personalentwicklung,
– Auswahl und Entwicklung zu fördernder Mitarbeiter,
– fachliche und überfachliche Weiterbildung, Training von Schlüssel-
qualifikationen,
– Führungskräfteentwicklung auf allen Ebenen,
– Konfliktbewältigung in der Zusammenarbeit von Mitarbeitern
(als Moderator und Trainer),
– Organisation,
– Gestaltung motivationsfördernder Organisations- und Verantwor-
tungsstrukturen,
– Planung und Durchführung von Reorganisationsmaßnahmen,

82
– Implementierung von Führungsinstrumenten,
– Schaffung und Überwachung von bedarfsgerechten, wirtschaft-
lichen und kulturell abgestimmten Anreizsystemen,
– Betreuung von Qualitätszirkeln und Förderung einer Qualitäts-
zirkelkultur,
– Förderung einer Projektmanagementkultur,
– Schaffung der qualifikatorischen und instrumentellen Vorausset-
zungen für Projektarbeit.

Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass gerade diese Aufgaben-


schwerpunkte für die Krankenhäuser in Zukunft eine überlebens-
wichtige Bedeutung haben. Bisher allerdings werden diese Felder
von den Personalleitern eher als Kompetenzfeld reklamiert, als dass
sie durch die Personalabteilung wahrgenommen würden. Fest steht,
dass die Wahrnehmung solcher Aufgaben hohe fachliche und
überfachliche Professionalität verlangt und Akzeptanz in der Rolle
des »neutralen Dritten« voraussetzt. Die hauseigene Personalabtei-
lung als Organisationsentwicklungsberater hätte sicherlich viele sach-
liche Vorteile (z. B. Kenntnis der internen Kultur und der ablauf-
organisatorischen Besonderheiten). Dennoch darf nicht übersehen
werden, dass gerade bei Organisationsentwicklungsprozessen jedem
Internen grundsätzlich Parteilichkeit unterstellt wird.
Im Rahmen der CKM-Recherche zeigte sich, dass Weiterbildung
zwar schon über die klassisch fachbezogenen Professionalisierungs-
angebote hinausgeht und mittlerweile auch Kundenfreundlichkeits-
programme, Supervisionsangebote, Moderationen und Präsentatio-
nen umfasst. An die Verbindung von Weiterbildungsmaßnahmen
mit gezielter Kulturentwicklung, Qualitätszirkelmanagement, Kon-
fliktbewältigung und Reorganisation denken die Befragten jedoch
bisher nur vereinzelt.

3.3.2 Einfluss des Personalmanagements


auf die Unternehmenskultur

Das Personalmanagement kann an verschiedenen Stellen die Unter-


nehmenskultur positiv beeinflussen. Von besonderer Bedeutung sind

83
die Gestaltung von Auswahlverfahren, die Personalentwicklung und
die Rekrutierungspolitik.
– Auswahlverfahren: Die Art der Auswahlverfahren bestimmt ent-
scheidend die Führungsqualitäten im Unternehmen. Es ist daher
genauestens zu überlegen, welche Fach-, Methoden-, Sozial- und
Persönlichkeitskompetenz mit welcher Gewichtung in ein An-
forderungsprofil aufgenommen werden sollen. Trainings- und
Fortbildungsmaßnahmen können nur begrenzt Einstellungen,
Werte und soziale Kompetenzen verändern. Deshalb müssen in der
Auswahlphase neben Fachqualifikationen insbesondere Persön-
lichkeiten »passend« ausgewählt werden. Bei der Auswahl genügt
es nicht, sich auf die heutigen Anforderungen zu beschränken; das
Anforderungsprofil muss vielmehr auch auf die Zukunft pro-
jizierbar sein, um auch langfristig eine erfolgreiche Zusammen-
arbeit sicherzustellen.
– Personalentwicklung: Eine zentrale Herausforderung an das Perso-
nalmanagement besteht darin herauszufinden, welche Mitarbeiter
entwicklungsfähig und förderungswürdig sind; gleichzeitig muss
aber auch dem Teil des Personals mit nur begrenztem Entwick-
lungspotenzial Wertschätzung entgegengebracht werden. Die Er-
möglichung von Fachkarrieren verhindert, dass Mitarbeiter als gute
Fachkräfte verloren gehen und als schlechte Führungskräfte das
Arbeitsklima und die Unternehmenskultur schädigen.
– Rekrutierungspolitik: Um jederzeit über einen qualifizierten Mitar-
beiterstamm zu verfügen, sollten Mitarbeiter »auf Vorrat«, d. h.
antizyklisch, eingestellt werden, um so genannte Alpha- bzw. Beta-
Fehler zu vermeiden:
– Alpha-Fehler: In Zeiten, in denen hoher Personalbedarf besteht,
werden viele – darunter auch weniger qualifizierte Mitarbeiter –
eingestellt.
– Beta-Fehler: In Zeiten, in denen das Arbeitsangebot qualifiziert
ist, verhindern finanzielle Restriktionen und Stellenreduktionen
die Einstellung neuer Mitarbeiter.

84
Zentrale Aufgaben des Personalmanagements
• Kreatives Potenzial der Mitarbeiter fördern,
• Zielvereinbarungen gemeinsam mit den Führungskräften gestalten,
• Feedback-Informationen über Grad der Zielerreichung durch Mitarbeitergespräche,
• strategie- und strukturadäquates Auswahlsystem für Mitarbeiter gestalten,
• Erfolgskontrolle der individuellen und kollektiven Leistungen,
• Ausgestaltung eines Anreiz- und Belohnungssystems,
• Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Arbeit steigern,
• geeignete Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln.

Checkliste 3-3: Zentrale Aufgaben des Personalmanagements.

3.3.3 Fazit

Die Personalarbeit in deutschen Krankenhäusern muss an den


Anforderungen der »neuen Marktdynamik« ausgerichtet werden.
Verdrängungswettbewerb, Kosten-Qualitäts-Optimierung, Fusionen
entlang der Wertschöpfungskette, Europäisierung und Internationali-
sierung des Gesundheitsmarktes.
Diesen Trends der »neuen Marktdynamik« ist nur zu begegnen
durch:
– dezentrale Organisations- und Kompetenzstrukturen
(Center-Orientierung),
– Vielseitigkeitsausbildung der Mitarbeiter im Sinne von Problem-
lösungsfähigkeit,
– leistungsorientierte Führungssysteme mit unternehmerischen
Anreizkomponenten und der Übertragung fallabschließender
Verantwortung und durch
– aktives Personalmanagement im Sinne des so genannten prozess-
orientierten Personalmanagementansatzes, also einer kunden-
und marktorientierten Personalführung.

85
3.4 Professionalisierung im Personalmanagement –
der Ansatz der DGFP e. V.
Hans Böhm, Sascha Armutat

3.4.1 Handlungsdruck und Grundsatzentscheidung

Seit ihrer Gründung im Jahr 1952 haben sich diverse Gremien der
Deutschen Gesellschaft für Personalführung e. V. (DGFP) immer
wieder mit der Frage beschäftigt, wie gutes Personalmanagement zu
verstehen und wie es wirkungsvoll in unseren Wirtschaftsunterneh-
men zu betreiben ist. Dabei wurde es regelmäßig abgelehnt, zu
diesen Fragen eine eigene klare Position der DGFP zu entwickeln
und der Praxis des Personalmanagements mit den entsprechenden
Umsetzungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Die Haupt-
argumente dafür waren:
– Wir sind keine »Edelgewerkschaft« für Personalmanager und ha-
ben kein entsprechendes Mandat unserer Mitgliedsunternehmen.
– Wir wollen unseren Mitgliedsunternehmen keine »Vorschriften«
machen, sondern lediglich Foren und Netzwerke zur Verfügung
stellen, in denen die Personalverantwortlichen miteinander und
voneinander lernen können und ihre eigenen Sichtweisen und
Konzepte von gutem Personalmanagement entwickeln.

Diese Positionen wurden vor dem Hintergrund der realen Entwick-


lungen im deutschen und internationalen Personalmanagement in den
letzten zehn Jahren zunehmend in Frage gestellt. Im Zuge der Globa-
lisierung, des rasanten technischen Fortschritts und der dramatischen
Verschärfung des (globalen) Wettbewerbs haben sich auch die Hand-
lungsbedingungen und damit die Anforderungen an ein erfolgreiches
Personalmanagement und seine Entscheidungsträger tief greifend ver-
ändert. So haben z. B. die drastisch verschärften Wettbewerbsbe-
dingungen einen massiven Rationalisierungs- und Kostendruck ausge-
löst, der oft zu Entscheidungen wie Fusion, Übernahme, Outsourcing
und Offshoring führt und der auch die Personalabteilungen dazu
zwingt, die eigenen Kostenstrukturen massiv zu »verschlanken« sowie

86
die spezifischen Beiträge des Personalmanagements zum Unterneh-
menserfolg transparenter und rechenbar zu machen.
Die teils turbulenten Veränderungsgeschwindigkeiten haben, in
nahezu allen Handlungsfeldern, den Zwang zur Flexibilisierung von
Arbeitszeiten, Arbeitsorganisation und Arbeitskosten unausweichlich
werden lassen. Diese Entwicklungen beinhalten auch in vielen Fällen
das Management von internationalen Standortverlagerungen und ih-
rer Folgen.
Die Ungleichgewichte in den Arbeitsmärkten und der »Kampf
um die Besten« haben dazu geführt, dass Rekrutierungspolitiken
und -instrumente optimiert werden müssen und ein umfassendes
Wissensmanagement aufgebaut werden muss, mit dem das Lernen
auf allen Ebenen und in allen Bereichen wirkungsvoll organisiert
wird.
Die real vorfindbaren Situationen des Personalmanagements in
deutschen Unternehmen haben sich in diesem Kontext höchst unter-
schiedlich, ja teilweise geradezu gegensätzlich entwickelt.
Abbildung 3-20 zeigt einen knappen historischen Abriss der Ent-
wicklung des Personalmanagements in Deutschland und diagnosti-
ziert seit den 90er-Jahren eine bipolare Diffusion des Verständnisses
und der Praxis von »gutem Personalmanagement«.

3.4.2 Abriss der Entwicklung des Personalmanagements


in Deutschland

Das eine Extrem der Entwicklung wird charakterisiert durch Unter-


nehmen, in denen Personalmanagement (dogmatisch durchaus rich-
tig) als reine Führungsfunktion verstanden wird und damit die in-
haltlich-gestaltenden Aufgaben des Personalmanagements in die
Aufgaben der Führungskräfte integriert werden sollen. Für die Per-
sonalabteilungen bleiben nur noch die administrativen Aufgaben
(Verträge, Aktenverwaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung). Diese
Entwicklung wurde von der DGFP immer als ein »gefährlicher
Irrweg« bezeichnet, und die meisten Unternehmen, die ihn beschrit-
ten haben, sind damit gescheitert.

87
Das Scheitern hat vornehmlich zwei Gründe:
– Personalmanagement hat sich zu einer sehr anspruchsvollen multi-
disziplinären und komplexen Funktion entwickelt. Führungskräfte
sind in keinem Fall in der Lage, neben ihren vielfältigen sonstigen
Führungsaufgaben professionelle »state of the art«-Personalarbeit
zu leisten. Sie brauchen kompetente Beratung und Unterstützung,
ansonsten ist ein schleichender, aber verheerend schädlicher Pro-
fessionalitätsverlust der betrieblichen Personalarbeit unvermeidlich.
– Die meisten Unternehmen haben sich in Profit Centern oder
strategischen Geschäftseinheiten mit ergebnisverantwortlichen de-
zentralen Managern organisiert. Wenn Personalmanagement aus-
schließlich als integrierter Bestandteil der Führungsaufgaben ver-
standen wird, werden diese ergebnisverantwortlichen Manager
auch die volle Autonomie in allen Fragen des Personalmanage-
ments beanspruchen. Dies führt mittelfristig unausweichlich zu
fortschreitenden Koordinationsverlusten, die eine einheitliche Per-
sonalpolitik mit gemeinsamen Instrumenten und Methoden und
vor allem eine einheitliche Management-Entwicklung unmöglich
werden lassen.

Auf der anderen »Extremseite« der auseinander driftenden Entwick-


lungen haben viele Unternehmen ein ganz grundsätzlich verändertes
Organisationsverständnis entwickelt und damit begonnen, dafür
ein leistungsstarkes unternehmerisches Personalmanagement aufzu-
bauen. Unternehmen werden nicht mehr im tayloristischen Sinne als
mechanistische geschlossene Organisationen verstanden, sondern
vielmehr unter Rückgriff auf die Systemtheorie der Naturwissen-
schaften als offene lebende Systeme interpretiert, die gemeinsam
lernen und sich anpassen können, um in veränderten Umwelten
zu überleben (Maturana und Varelat 1980; Böhm und Hauke 1995;
Luhmann 1987: 307-324; Böhm 1992: 628 ff.). In diesen Unterneh-
men machen sich Unternehmensleitung und Führungskräfte ge-
meinsam auf den Weg, um ein professionelles Personalmanagement
für lernende Organisationen zu entwickeln.
Abbildung 3-21 zeigt die Kernelemente einer Lernenden Organi-
sation.

88
Abbildung 3-20: Entwicklung des Personalmanagements (DGFP 2002 : 32).

Abbildung 3-21: Kernelemente einer Lernenden Organisation.

89
Im Spannungsfeld dieser Entwicklungen und Diskussionen wurde
an die Vorstände und die Geschäftsführung der DGFP von Praktikern
immer drängender die Frage gerichtet, warum die DGFP als die
Fachorganisation des Personalmanagements in Deutschland nicht
Orientierungshilfen gebe und klare Handlungsempfehlungen er-
arbeite, wie gutes Personalmanagement in der Praxis zu verstehen
und zu betreiben sei. Als Ergebnis dieser Diskussion setzte der
DGFP-Vorstand im Juli 1998 den Arbeitskreis »Zukunft der Perso-
nalfunktion« ein. Der Arbeitskreis erhielt den Auftrag, den Versuch
zu unternehmen, für das Personalmanagement in Deutschland pro-
fessionelle Standards zu erarbeiten, wie wir sie im Rahmen unserer
internationalen Kontakte mit der Society for Human Resources
Management (SHRM) in den USA und vor allem mit dem Chartered
Institute for Personnel and Development (CIPD) in Großbritannien
kennen lernen konnten.

3.4.3 Hauptherausforderungen für die Zukunft

Dem Arbeitskreis »Zukunft der Personalfunktion« gehörten kom-


petente und engagierte Vertreter aus der Praxis des Personalmanage-
ments, der Wissenschaft und mehrerer Personalberatungen an.
In einem umfassenden Diskussionsprozess wurden unter Berück-
sichtigung der wichtigsten erkennbaren Umwelteinflüsse die folgen-
den vier Haupt-Herausforderungen für das Personalmanagement der
Zukunft identifiziert und unter den Mitgliedern des Arbeitskreises als
Konsens »verabschiedet«.
Abbildung 3-22 skizziert die wichtigsten Ergebnisse dieses Arbeits-
schrittes.

Wertschöpfungsmanagement
Hier geht es darum, die Beiträge der praktischen Personalarbeit zum
Unternehmenserfolg nach Möglichkeit quantitativ messbar und da-
mit transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren. Neben einer
umfassenden Abbildung der Kostenstrukturen soll insbesondere der
quantitative Nutzen der Personalarbeit für den ökonomischen Erfolg

90
Abbildung 3-22: Umwelteinflüsse und Hauptherausforderungen für das Personal-
management der Zukunft (DGFP 2002 : 16).

des Unternehmens erkennbar werden. Dies ist dadurch zu erreichen,


dass für die einzelnen Leistungen des Personalmanagements Ver-
rechnungspreise mit den internen Kunden ausgehandelt werden, die
dann mit externen Marktpreisen verglichen und bei einer preiswer-
teren internen Leistungserstellung als ökonomischer Nutzen gewertet
werden können. Der Erfolgsbeitrag ergibt sich dann aus einer Sub-
traktion der gesamten Kosten der Personalarbeit.
Ein weiterführender Ansatz wurde von dem Arbeitskreis »Wert-
orientiertes Personalmanagement« (WOP) der DGFP erarbeitet, der
später in diesem Beitrag ausführlich präsentiert wird.
In diesen Bereich gehören auch die Aktivitäten eines weiteren Ar-
beitskreises der DGFP, der sich vor dem Hintergrund der Diskussio-
nen um ein Management des Humankapitals mit den Möglichkeiten
und Methoden der Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes ganzer
Belegschaften befasst.

91
Kompetenzmanagement

Professionelles Personalmanagement hat die Aufgabe, das Lernen


in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Unternehmens kompe-
tent zu organisieren. Neben den klassischen Bereichen betrieblichen
Lernens wie Ausbildung, Weiterbildung, Personalentwicklung und
(Top-)Managemententwicklung muss sich das Personalmanagement
vor allem bei der Erarbeitung von inhaltlichen Grundlagen und Be-
standteilen eines umfassenden Wissensmanagements einbringen.
Über die technische Dimension des Wissensmanagements mit ihren
Datenbanken, Netzwerken und Software-Tools hinaus gilt es, eine
Lernkultur des Miteinander- und Voneinanderlernens zu entwickeln,
in der die aktive Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten durch die
Kompetenzträger an andere gefordert und honoriert wird. Ein wichti-
ges Ziel ist es, das tägliche gemeinsame Lernen im Prozess der Arbeit
als Selbstverständlichkeit in die Kultur des Unternehmens zu inte-
grieren. Auch die überfachlichen verhaltens- und persönlichkeits-
bezogenen Dimensionen in den Bereichen Projekt- und Prozess-
management, Zusammenarbeit und Führung gilt es möglichst im
Arbeitsprozess lehr- und lernbar zu machen. Dabei können auch
Mentoring- und Coachingkonzepte helfen.

Instrumentenmanagement

Professionelles Personalmanagement muss dem Unternehmen und


vor allem den Führungskräften ein Gesamtsystem aufeinander abge-
stimmter und ineinander verzahnter Instrumente der praktischen Per-
sonalarbeit zur Verfügung stellen, die möglichst einfach, kostengüns-
tig und wirkungsvoll den »state of the art« praktischer Personalarbeit
abbilden und im Wesentlichen von den Führungskräften angewendet
werden. Abgeleitet aus den Unternehmens- und Personalstrategien
sind Instrumente zu entwickeln wie Zielvereinbarung, Leistungsbeur-
teilung und Feedback-Gespräche, Potenzialeinschätzung, Qualifika-
tionsplanung und Personalentwicklung, flexible Modelle der Arbeits-
organisation und der Arbeitszeitgestaltung, einfache Funktionsskizzen
mit Anforderungsprofilen (ehemals Stellenbeschreibungen), Arbeits-
bewertung und Vergütungssysteme, Lohn- und Gehaltsabrechnung,

92
Selektions- und Einstellungsverfahren, Personalbedarfs- und -einsatz-
planung sowie Personalmarketing- und Personalcontrollingsysteme
als Querschnittsfunktionen. Auch Instrumente und Methoden zur
Pflege und Entwicklung der betrieblichen Sozialpartnerschaft und der
betrieblichen Sozialpolitik gehören in diesen Bereich.

Management des Wandels

Professionelles Personalmanagement muss sich immer stärker als


das Kompetenzzentrum für die menschliche Dimension des Wandels
im Unternehmen positionieren und nachhaltig beweisen. Die Men-
schen müssen von der Notwendigkeit der Veränderungsprozesse
überzeugt und als konstruktiv Mitwirkende dafür gewonnen werden.
Das gelingt nur, wenn die Mitarbeiter als die wichtigsten Erfolgs-
faktoren des Unternehmens verstanden und nachhaltig glaubwürdig
entsprechend behandelt werden.
Das bedeutet aber, dass für einfachen Personalabbau zur schnellen
Kostensenkung in diesem Konzept kein Raum ist. Der unabweisliche
Druck zur Kostensenkung wird zur kommunikativen Herausforde-
rung für das Personalmanagement in der Auseinandersetzung mit
den Betroffenen und ihren Vertretungen. Direkter Personalabbau
z. B. durch Frühpensionierung oder betriebsbedingte Kündigungen
wird zur »ultima ratio«, die erst zum Zuge kommt, wenn alle anderen
Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Vielfältige »Betriebliche Bündnisse
für Arbeit und Beschäftigung« und etliche innovative Haustarif-
verträge liefern eindrucksvolle Beispiele für mögliche Erfolge.
Offene und glaubwürdige Kommunikation zwischen den Verhand-
lungspartnern ist dabei unerlässlich. Die Vorbereitung und konse-
quente Umsetzung notwendiger Veränderungen muss zum selbst-
verständlichen Bestandteil unserer Unternehmenskulturen werden.
Die Akteure auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite müssen die
Kompetenzen zum Verständnis der Notwendigkeiten des Wandels
erwerben können; Betroffene sind – ganz im Sinne professioneller
Organisationsentwicklung – zu Beteiligten zu machen. Menschen,
die unausweichliche Veränderungsprozesse im Unternehmen nicht
mittragen wollen oder können, müssen fair und transparent behan-

93
delt, im Zweifel aber auch konsequent unter Einsatz der verfügbaren
professionellen Methoden aus dem Unternehmen entfernt werden.

3.4.5 Handlungsfelder professionellen Personalmanagements

In einem weiteren Schritt erarbeitete der Kreis die wichtigsten Hand-


lungsfelder eines professionellen Personalmanagements: Dazu wur-
den in einem systemischen Modell die externen Umwelteinflüsse
ergänzt um die Orientierung an den strategischen Zielen des Unter-
nehmens und um die Definition der Kernaufgaben des Personalma-
nagements (z. B. Einstellung, Entlassung, Administration). Danach
wurden die Rollen des institutionellen Personalmanagements im
Unternehmen analysiert, die wichtigsten Instrumente in ihren »state
of the art«-Ausprägungen und erkennbaren Entwicklungstendenzen
beschrieben und unterschiedliche organisatorische Gestaltungsmög-
lichkeiten betrieblicher Personalarbeit diskutiert.
Im letzten Punkt ging es vor allem um die Frage, wie zentral oder
dezentral eine Personalorganisation ausgelegt werden soll und wie
viel operative Personalarbeit in die Verantwortung der Führungskräfte
übertragen werden soll oder kann. Als Handlungsempfehlung sprach
sich der Arbeitskreis für eine möglichst weitgehende dezentrale
Organisation des Personalmanagements mit einer starken zentralen
Impuls- und Koordinationsfunktion aus. Den Führungskräften soll-
ten je nach individuellem und organisatorischem Reifegrad wach-
sende Anteile der operativen Personalarbeit übertragen werden,
wobei sie immer professionelle Beratung und Unterstützung in
Anspruch nehmen können müssen.
Abbildung 3-23 zeigt dieses systemische Modell der Handlungs-
felder des Personalmanagements.
Im Laufe dieser Diskussionen wurden die oben beschriebenen vier
Hauptherausforderungen des Personalmanagements um vier weitere
wichtige Aufgabenfelder ergänzt:

Kulturprägende Aufgaben
Das Personalmanagement soll die Prozesse der Definition kultur-
prägender Werte des Unternehmens initiieren, koordinieren und ihre

94
Abbildung 3-23: Handlungsfelder des Personalmanagements (DGFP 2002 : 18).

Ergebnisse überzeugend und nachhaltig in Kooperation mit Unter-


nehmensleitung und Führungskräften kommunizieren und realisie-
ren. Vor allem bei Einstellungen und Beförderungen muss sicherge-
stellt werden, dass nur Menschen in verantwortungsvolle Positionen
kommen, die die Werte der gewollten Unternehmenskultur über-
zeugend vorleben.

Strategische Aufgaben
Neben einer klaren strategischen Orientierung und Ausrichtung der
gesamten Personalarbeit auf die Strategien des Unternehmens ist das
institutionelle Personalmanagement auch aufgefordert, fundierte Bei-
träge zur Fortentwicklung der gesamten Unternehmensstrategien
überzeugend einzubringen. Dabei wird es in der Regel um Chancen
und Restriktionen gehen, die sich aus den verfügbaren oder kurzfris-
tig realisierbaren quantitativen und qualitativen Humanressourcen
ergeben.

95
Aufgaben zur Pflege der betrieblichen Sozialpartnerschaft
Es gilt eine Unternehmenskultur zu entwickeln, in der kompetente
Betriebsratsarbeit geschätzt wird. Das deutsche Modell der Mit-
bestimmung und Mitwirkung der Arbeitnehmerseite kann seine
positiven Potenziale nur dann entfalten, wenn die Unternehmens-
leitung – vertreten durch die Personalleitung – und der Betriebsrat
wirklich vertrauensvoll zusammenarbeiten und auch bei den Be-
triebsräten ein ausgeprägtes betriebswirtschaftliches Verständnis
herrscht.
Besonders kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten
keinesfalls von ihrem Interesse an der Betriebsratsarbeit zurückge-
halten werden. Sie sollten vielmehr wissen, dass ihnen die Kandida-
tur für den Betriebsrat beruflich in keinem Fall schadet, sondern auch
nach einer längeren Periode aktiver Betriebsratsarbeit die erfolgreiche
Fortsetzung der beruflichen Karriere in einem Fachbereich (auch im
Personalmanagement) möglich ist. Verhandlungen und Konflikte mit
den Belegschaftsvertretungen müssen professionelle Personalmana-
ger kompetent zu unternehmerisch vertretbaren Lösungen bzw. Kom-
promissen führen; dies erfordert vor allem ausgeprägtes Verhand-
lungsgeschick und soziale Kompetenz.

Aufgabe zur Pflege der externen Beziehungen


In den Beziehungen mit externen Institutionen und Kooperationspart-
nern, wie z. B. Standortgemeinden, Arbeitgeberverbänden und Gewerk-
schaften, hat ein professionelles Personalmanagement die Interessen
des Unternehmens kompetent zu vertreten und ein Klima partner-
schaftlicher Zusammenarbeit herzustellen und dauerhaft zu pflegen.
Für die damit entstandenen acht Aufgabenfelder professionellen
Personalmanagements wurden nun umfassende Aufgabenbeschrei-
bungen erarbeitet und für drei organisatorische Ebenen institutionel-
ler betrieblicher Personalarbeit konkretisiert, nämlich für die Ebenen:
– qualifizierte Sachbearbeiter,
– Personalreferenten und Führungsnachwuchskräfte des Personal-
managements,
– gesamtverantwortliche Personalleiter.

96
Die Ergebnisse des Arbeitskreises »Zukunft der Personalfunktion«
sind in der Schriftenreihe der DGFP e. V. veröffentlicht (DGFP 2002).

»ProPer«: Das Programm der DGFP-Akademie für Personalführung


zur Professionalisierung des Personalmanagements
Ein »Kernteam« des Arbeitskreises »Zukunft der Personalfunktion«,
verstärkt um einige Experten der DGFP e. V., entwickelte nun in
einem systematischen und umfassenden Arbeitsprozess für alle acht
Aufgabenfelder professionellen Personalmanagements, die nun als
Lernfelder bezeichnet wurden, auf den drei organisatorischen Ebenen
institutionellen betrieblichen Personalmanagements ausführliche
Kataloge mit Lernzielen und konkret beschriebenen Lerninhalten.
Darüber hinaus wurde als neuntes Lernfeld die »Überfachliche Per-
sönlichkeits- und Kompetenzentwicklung« definiert und ebenfalls
mit konkreten Lernzielen und -inhalten belegt, die querschnitthaft in
allen Ausbildungsteilen vermittelt werden sollen.
Abbildung 3-24 vermittelt eine knappe Übersicht über die ProPer-
Programme.

Abbildung 3-24: ProPer: Ausbildungsprogramme zur Professionalisierung des


Personalmanagements.

97
3.4.6 PIX – der Personalmanagement-Professionalisierungs-
Index der DGFP

Als Fachorganisation für das Personalmanagement in Deutschland


hat die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. (DGFP) Kom-
petenzstandards für professionelle Personalmanager definiert, die in
den ProPer Ausbildungsgängen vermittelt werden und Eckpfeiler für
die Entwicklung einer professionellen Identität des Personalmanage-
ments in deutschen Unternehmen sind (DGFP 2002). Doch wie steht
es tatsächlich um die Professionalisierung des Personalmanagements
in deutschen Unternehmen?
Darauf ließ sich bisher keine einheitliche Antwort geben. Zum
einen liegt das an der fehlenden Übereinkunft darüber, was eigentlich
als professionelles Personalmanagement bezeichnet werden soll.
Zum anderen liegt das am Fehlen eines geeigneten Instruments, mit
dem der Professionalisierungsgrad in deutschen Unternehmen fest-
gestellt werden kann.
Das ist der Ansatzpunkt für PIX, den Personalmanagement-
Professionalisierungs-Index der DGFP (vgl. die Detaildarstellung in
DGFP 2005). PIX wird seit dem Frühjahr 2004 jährlich erhoben und
gibt Auskunft darüber, wie es um die Professionalisierung des Per-
sonalmanagements in Deutschland bestellt ist.
PIX ermöglicht Unternehmen darüber hinaus, die eigene Per-
sonalmanagement-Professionalität ins Verhältnis zur Professionali-
tätsausprägung der Branche oder der gesamten Stichprobe zu setzen.
So ergeben sich wertvolle Steuerungsinformationen, die für die wei-
tere Professionalisierung des Personalmanagements genutzt werden
können.

3.4.7 Normatives Konzept


eines professionellen Personalmanagements

Stakeholder-orientiertes Personalmanagement
Professionalität konstituiert sich immer auch in den Augen der
Anspruchsgruppen, mit denen professionelle Akteure im Personal-

98
management konfrontiert sind. Über eine Identifikation der wichti-
gen unternehmensinternen und -externen Anspruchsgruppen des
Personalmanagements und eine Analyse von deren Erwartungen ist
es möglich, zentrale stakeholder-orientierte Managementaufgaben
herauszuarbeiten, die ein wesentliches Kriterium des Professionali-
tätsbegriffs sind.
Stakeholder des Personalmanagements sind Gruppen und Perso-
nen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die Einfluss auf
Entscheidungen im Personalmanagement haben. Wichtige unter-
nehmensinterne Stakeholder für das Personalmanagement sind die
Unternehmensleitung, die Führungskräfte des Unternehmens, die
Mitarbeiter sowie besondere Mitarbeitergruppen, hier vor allem
die Mitarbeitervertretungen. Bedeutende unternehmensexterne An-
spruchsgruppen sind Kapitalgeber, Arbeitgeberverbände, Gewerk-
schaften, potenzielle Bewerber sowie Akteure des kommunalen und
politischen Umfelds.
Systematisiert man die Erwartungen der internen und externen
Stakeholder, dann erhält man die folgenden vier Managementaufga-
ben:
– Wertmanagement, bei dem es um die Begründung und die Generie-
rung von strategischen Wertbeiträgen des Personalmanagements
geht und das sich aus Aufgaben des strategischen Managements
und des controllinggestützten Wertschöpfungsmanagements zu-
sammensetzt;
– Beziehungsmanagement, bei dem es um die Gestaltung der Arbeits-
beziehungen zu den verschiedenen Stakeholdern des Personalma-
nagements geht und das einerseits das Management der internen,
andererseits der externen Arbeitsbeziehungen zum Inhalt hat;
– Instrumenten- und Prozessmanagement, das sich mit den struktu-
rellen Grundlagen des betrieblichen Personalmanagements be-
schäftigt und einerseits Aufgaben der Schaffung einer integrierten
Instrumentenlandschaft, andererseits die Gestaltung effektiver und
effizienter Personalprozesse umfasst;
– Kultur- und Kompetenzmanagement, das auf eine Gestaltung der
personalbezogenen, intangiblen erfolgskritischen Werte des Unter-
nehmens abzielt und bei dem die Entwicklung der Unternehmens-

99
kultur (Unternehmenskulturmanagement) und die Gestaltung des
organisationalen Wandels und der personalen Kompetenzentwick-
lung (Kompetenzmanagement) im Vordergrund stehen.
Ein professionelles Personalmanagement, so lautet die Prämisse des
DGFP-Ansatzes, erfüllt diese Managementaufgaben mit Exzellenz.

Konfiguration und Wirkungen


des professionellen Personalmanagements
Voraussetzung für die exzellente Bewältigung der Management-
aufgaben ist eine adäquate Architektur des Personalmanagements,
die hier als Konfiguration bezeichnet wird.
Professionell ist die Konfiguration dann, wenn sie akteurbezogen,
prozessbezogen, instrumentell und organisatorisch die Umsetzung
der Managementaufgaben unternehmensspezifisch unterstützt.
Dazu gehört,
– dass die Akteure des Personalmanagements über die erforder-
lichen Kompetenzen verfügen, um jede dieser Managementauf-
gaben den Erfordernissen des Unternehmens und der jeweiligen
Sachlage entsprechend zu lösen;
– dass Prozesse für die Umsetzung dieser Aufgaben definiert sind,
umgesetzt und weiterentwickelt werden;
– dass Systeme und Instrumente existieren, die die Gestaltung der
Aufgaben optimal unterstützen;
– dass dafür förderliche organisatorische Regelungen für die Um-
setzung der Managementaufgaben existieren.
Neben diesen Konfigurationskriterien zeigt sich die Professionalität
des Personalmanagements auch in den unmittelbaren Wirkungen,
die es erzielt. Diese Wirkungen, die in die Wirkungsprofessionalität
einfließen, sind bei gutem Personalmanagement:
– die ausgeprägte Strategiedurchdringung, also die Bekanntheit und das
Gelebtwerden der jeweiligen Unternehmens- und Personalstrategie;
– die hohe Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber für Mit-
arbeiter und Bewerber;
– die gelebte konfliktarme Sozialpartnerschaft im Unternehmen;
– effiziente Personalprozesse zu marktüblichen Preisen;

100
Abbildung 3-25: Professionalitätskonzept (DGFP 2005 : 53).

– die Gestaltung einer anpassungsfähigen Organisation, in der krea-


tive Energien freigesetzt werden;
– Führungskräfte, die den Anforderungen ihrer Stellen im Unter-
nehmen entsprechen;
– Personal, mit dem Vakanzen schnell ausgeglichen werden können.
Die Kernthese des zugrunde liegenden Professionalitätskonzeptes
lautet zusammengefasst: Professionelles Personalmanagement erfüllt
stakeholder-orientierte Managementaufgaben mit Exzellenz durch
kompetente Akteure, effektive Prozesse, angemessene Instrumente
und Systeme auf der Basis einer adäquaten Organisation. Durch seine
Wirkungen leistet es einen Wertbeitrag mit positiven Effekten auf den
nachhaltigen Unternehmenserfolg.

3.4.8 PIX-Messkonzept

Das Professionalitätskonzept ist Grundlage für den ca. 90 Fragen um-


fassenden Fragebogen, mit dem PIX bei den Mitgliedsunternehmen
der DGFP jährlich gemessen wird.

101
Befragt werden verantwortliche Personalmanager der Unterneh-
men zu ihrer Einschätzung der Ausprägung der definierten Profes-
sionalitätskriterien in ihren Unternehmen. Die Ergebnisse der Bewer-
tung werden zu Indizes zusammengefasst und zu einem Gesamtindex
PIX verrechnet. Aussagen erhält man zum Stand der Professionalität
auf Konfigurations- und Wirkungsebene und bezogen auf die entspre-
chenden Subskalen.
Die Indexwerte haben einen Wertebereich von 0 bis 4, wobei 0 für
die geringste und 4 für maximale Professionalitätsausprägung steht.
Flankierend dazu werden Betriebsräte und Linienführungskräfte
der Unternehmen mit dem gleichen Fragebogen befragt; so ergeben
sich Hinweise zur Validität der Aussagen der Personalmanager.
Ergänzt wird die Befragung um Angaben zum Unternehmens-
erfolg, durch die es möglich wird, den PIX ins Verhältnis zu ökono-
mischen Erfolgsgrößen zu setzen.
An der dritten PIX-Erhebung im Mai 2006 haben sich 188 Unter-
nehmen aller Größenordnungen und Branchen beteiligt (zu den
Detailergebnissen vgl. DGFP 2006).
Die Auswertungen zeigen, dass die Professionalität des Personal-
managements unabhängig von der Unternehmensgröße ist.
Deutlich wird außerdem, dass die Unternehmen professionell mit
den eher operativen Aufgaben des internen Beziehungs- und Prozess-
managements umgehen; hier liegen die durchschnittlich erreichten
Werte bei 2,84 bzw. 2,92. Dagegen wird das Wertschöpfungsmana-
gement mit einer Ausprägung von 1,77 mit vergleichsweise geringer
Professionalität betrieben.
Bei der Betrachtung der Wirkungen des Personalmanage-
ments fällt auf, dass vor allem bei der Innovationsfähigkeit der Or-
ganisation ein Professionalisierungsbedarf besteht (2,24), ebenso
wie bei der Strategiedurchdringung (2,44). Die Gestaltung der So-
zialpartnerschaft (2,88) und der Arbeitgeberattraktivität (3,02) wer-
den dagegen wiederum vergleichsweise professionell gehandhabt.

102
Konfiguration

Abbildung 3-26: Ergebnisse Konfigurationsprofessionalität 2006.

Wirkung

Abbildung 3-27: Ergebnisse Wirkungsprofessionalität 2006.

103
3.4.9 Schlussfolgerungen für die Professionalisierung
des Personalmanagements

Dass die Professionalität des Personalmanagements nicht nur


»l’art pour l’art« ist, zeigen erste Hinweise auf einen Zusammenhang
zwischen der Professionalität des Personalmanagements und dem
Unternehmenserfolg. Umso dringlicher ist es, die Professionalität
des Personalmanagements in deutschen Unternehmen weiter voran-
zutreiben. Ansätze dafür ergeben sich aus den Untersuchungsergeb-
nissen:
Bemerkenswert ist, dass es insbesondere Professionalitätsdefizite
in den Bereichen gibt, die in unmittelbarem Zusammenhang zu einer
strategischen Partnerschaft stehen:
– Die Innovationsfähigkeit der Organisation wird nur unzureichend
mitgestaltet und die Wirkungen der Strategiedurchdringung im
Unternehmen werden suboptimal mitgesteuert.
– Das Wertmanagement wird vergleichsweise wenig professionell
betrieben.

Hier ist ein zentraler Ansatzpunkt für die Professionalisierung des Per-
sonalmanagements: Durch die Etablierung eines wertorientierten Per-
sonalmanagements wird zum einen der Anspruch einer strategischen
Ausrichtung erfüllt, zum anderen die Anforderung einer Orientierung
der Personalmanagementaktivitäten am ökonomischen Wertbeitrag.
Wie ein entsprechendes Steuerungskonzept aufgebaut werden
kann, wird im Folgenden dargestellt.

Steigerung der Professionalität


durch wertorientiertes Personalmanagement
Professionelles Personalmanagement hat sich den Ökonomisierungs-
tendenzen zu stellen und an der Wertentwicklung des Unternehmens
mitzuwirken (Wagner und Seisreiner 2001). So klar dieses pro-
grammatische Befragungsergebnis von Wagner und Seisreiner auf
den ersten Blick erscheint, so defizitär ist dessen realer Status quo in
den Unternehmen (Wunderer und Dick 2001: 148–153). Das ist auf
verschiedene Ursachen zurückzuführen. Eine davon ist das noch im-

104
mer weitgehend unzureichend gelöste Problem einer quantitativen
Transparenz der Erfolgsbeiträge unterschiedlicher Personalmanage-
mentaktivitäten, eine weitere die damit zusammenhängende Sprach-
losigkeit von Personalmanagern bei einer zunehmend zahlenbezoge-
nen strategieorientierten Unternehmenssteuerung.

Konstruktionslogik des wertorientierten Personalmanagements


nach dem pragmatischen Ansatz der DGFP e. V.

Dem Wunsch vieler Mitgliedsunternehmen entsprechend, hat die


Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. im Juni 2002 einen
Kreis von Expertinnen und Experten damit beauftragt, eine praxis-
fundierte, theoretisch abgesicherte Konzeption zum wertorientierten
Personalmanagement zu erarbeiten.
Mit Hilfe der Methode der Expertenkonferenz (Sonntag 1993) wur-
den die Erfahrungen der beteiligten Unternehmen und Institutionen
gebündelt und in ein Modell eines wertorientierten Personalmanage-
ments integriert, das thematischer Bezugsrahmen und Leitfaden für
die Praxis zugleich ist (DGFP 2004).
Ausgangspunkt und Arbeitsdefinition für dieses Konzept ist die
Feststellung, dass das wertorientierte Personalmanagement für eine
personalpolitische Strategie steht, die eine quantitative Ausrichtung
strategischer Erfolgsfaktoren, strategischer Erfolgsprozesse und Wert-
treiber des Personalmanagements am messbaren ökonomischen
Unternehmenserfolg beinhaltet und eine davon ausgehende Steue-
rung strategisch relevanter Personalaktivitäten umfasst.
Die Konstruktionslogik des Modells wird durch die strategiegeleitete
Identifikation von Erfolgsfaktoren, Erfolgsprozessen und Werttreibern
des Personalmanagements sowie durch deren Übersetzung in einen
quantitativen Zusammenhang durch Indexbildung bestimmt.
Das Personalmanagement eines Unternehmens entfaltet eine Viel-
zahl von Aktivitäten und bringt entsprechend viele Arbeitsergebnisse
hervor. Auch wenn die Gesamtheit dieser Arbeitsergebnisse wichtig
ist, leisten nur einige wenige einen direkten Beitrag zur Unterneh-
mensstrategie und zur Wertentwicklung des Unternehmens. Diejeni-
gen Arbeitsergebnisse, die einen direkten Beitrag leisten und exklusiv

105
vom Personalmanagement erstellt und beeinflusst werden, sind stra-
tegische Erfolgsfaktoren des Personalmanagements.
Die Aktivitäten des Personalmanagements bestehen aus einer Viel-
zahl von Prozessen. Für diese Prozessvielzahl gilt Ähnliches wie für
die Personalmanagementergebnisse: Die meisten von ihnen sind
wichtig; nur einige wenige Prozesse jedoch sind strategisch bedeu-
tend, weil sie direkt die strategischen Erfolgsfaktoren beeinflussen
und sich auf die Entwicklung des Unternehmenswertes auswirken.
Die Prozesse, die unmittelbar einen strategischen Erfolgsfaktor be-
einflussen und exklusiv durch das Personalmanagement gesteuert
werden, sind strategische Erfolgsprozesse des Personalmanagements.
Personalprozesse lassen sich mit Hilfe von Kenngrößen – so ge-
nannten Prozesstreibern – quantitativ abbilden. Strategisch relevant
sind aus der Vielzahl der Kenngrößen wiederum nur diejenigen, die
in einem direkten Zusammenhang zu einem strategischen Erfolgs-
prozess und damit zu einem strategischen Erfolgsfaktor stehen.
Wenn eine Kenngröße diese Voraussetzung erfüllt und eine exklusiv
durch das Personalmanagement handhabbare und beeinflussbare
Größe des täglichen Personalgeschäfts ist, dann ist sie ein Werttreiber
(Cordes, Genz, Küsperts und Weber 2001).
Diese Werttreiber als kleinste quantitative Einheit sind der Aus-
gangspunkt für die Quantifizierung des Modells: Die Werttreiber
eines strategischen Erfolgsprozesses lassen sich zu Erfolgsprozess-
indizes zusammenfassen, diese fließen in Erfolgsfaktorindizes ein,
die sich wiederum zu einem Erfolgsbeitragswert für das Personal-
management aggregieren lassen. Erfolgsfaktorindizes und Erfolgs-
beitragswert lassen sich dann im Zeitverlauf ins Verhältnis zu der
Entwicklung der unternehmensspezifisch genutzten Kenngröße für
den ökonomischen Wert des Unternehmens setzen.

Erfolgsfaktoren, Erfolgsprozesse und Werttreiber


für das Personalmanagement – ein Baukasten

Um die Entwicklung eines unternehmensspezifischen, auf die jewei-


lige Unternehmens- und Personalmanagementstrategie abgestimm-
ten wertorientierten Personalmanagements zu unterstützen, lässt

106
sich auf der Grundlage der Erfahrungen der beteiligten Unternehmen
ein Baukasten aus etablierten strategischen Erfolgsfaktoren, strate-
gischen Erfolgsprozessen und Werttreibern definieren, der je nach
Bedarf für die Konzeption genutzt werden kann.
Auf der Basis einschlägiger Literaturanalysen und vor dem Hinter-
grund des Expertenwissens lassen sich die in der Tabelle (S. 109) an-
geführten strategischen Erfolgsfaktoren mit entsprechenden strategi-
schen Erfolgsprozessen und Werttreibern (hier nur beispielhaft
aufgeführt) identifizieren.
Wichtige Voraussetzung für die Quantifizierung des Modells ist
die einheitliche Definition der Werttreiber. Sie sind trennscharf zu
definieren, einheitlich so zu polen, dass ihre Maximalausprägung
den größten Wertbeitrag anzeigt, und auf eine einheitliche Skala – im
Modell eine 100-Prozent-Skala – zu beziehen.

Wertorientiertes Personalmanagement einführen – ein Leitfaden

Die Konzeptionsphase des unternehmensspezifischen wertorientier-


ten Personalmanagements wird durch die strategiegeleitete Auswahl
von Erfolgsfaktoren, Erfolgsprozessen und Werttreibern und die
Bildung der entsprechenden Indizes bestimmt.
In der Durchführungsphase geht es um die Erfassung der
Ist-Werte der ausgewählten Werttreiber und Indizes sowie um die
Definition und Vereinbarung der Soll-Zielwerte, die die Erreichung
der Unternehmensstrategie unterstützen.
Dadurch, dass die Werttreiber per definitionem direkt durch Per-
sonalmanagementaktivitäten beeinflussbar sind, lassen sich daran
Maßnahmen ansetzen, mit denen die Erfolgsprozess- und -faktor-
indizes sowie der Erfolgsbeitragsindex für das Personalmanagement
beeinflusst werden können. Dienlich dafür ist es, die entsprechenden
Ziele im Zielvereinbarungsprozess des Unternehmens zu verankern
und durch Integration in den Führungsprozess die Durchdringung
im Unternehmen zu befördern (Dreidoppel und Lücke 2000; Gut-
brod und Lücke 2002).
Die Evaluationsphase impliziert zum einen die Überprüfung der
Zielerreichung durch Messung des aktuellen Status der Werttreiber

107
Abbildung 3-28: Wertorientiertes Personalmanagement – ein Modellvorschlag
(DGFP 2004 : 31).

und Indizes und Soll-Ist-Vergleiche. Zum anderen impliziert sie


die Analyse der Zusammenhänge zwischen der Unternehmenswert-
entwicklung und der Entwicklung des Erfolgsbeitragsindex für das
Personalmanagement, aus der maßgebliche Hinweise für die Steue-
rung der wertorientierten Konfiguration des Personalmanagements
gewonnen werden können. Dienlich dafür ist ein Portfolio, das die
Entwicklungstendenzen des Unternehmenswertes und des Erfolgs-
beitragsindexes zueinander in Beziehung setzt.
Das Modellkonzept eines wertorientierten Personalmanagements,
so lässt sich zusammenfassend feststellen, besteht aus strategisch
und quantitativ miteinander verbundenen Erfolgsfaktoren, Erfolgs-
prozessen und Werttreibern des Personalmanagements, die in einem
Zusammenhang zum Unternehmenswert stehen und via Zielver-
einbarungsprozess für die wertorientierte Steuerung des Personal-
managements genutzt werden können.

108
strategische Erfolgsfaktoren strategische Erfolgsprozesse Werttreiber u.a.
Qualität und Verfügbarkeit Personalbedarfsplanung Flexibilität
des Personals Arbeitskräftekapazität
Personalrekrutierung und Auswahlqualität
-auswahl
Personalentwicklung Förderquote
Personaleinsatz Einsatzflexibilität
Effizienz der Personal- Arbeitsorganisation flexible Arbeitsstruk-
prozesse turen
Prozessmanagement Planerreichungsgrad
Personalcontrolling Mitarbeiterproduk-
tivität
innovative Organisation Wissensmanagement Diffusionsquote
Best Practice
E-HRM Digitalisierungsgrad
Unternehmenskommunikation Strategie-
durchdringung
Arbeitgeberattraktivität Personalmarketing Erfolgsquote
Mitarbeiterbindung Bindungsquote
Compensation Variabilität
Entgeltsystem
Führungsqualität Führungsprozesse und Umsetzungsquote
-systeme Führungsprozess
Führungskräftenachfolge- Förderquote
planung und -entwicklung Führungskräfte

Abbildung 3-29: Erfolgsfaktoren, Erfolgsprozesse, Werttreiber für ein professionelles


Personalmanagement.

Förderliche Rahmenbedingungen

Einige Rahmenbedingungen wirken sich besonders förderlich auf ein


wertorientiertes Personalmanagement aus:
– Die erfolgreiche Durchführung hängt von dem professionellen
Projektmanagement bei der Implementierung ab.
– Es ist dabei auf die strukturierte Projektorganisation zu achten,
sowie darauf, dass Schlüsselpersonen im Unternehmen an der
Identifikation der Erfolgsfaktoren, der Erfolgsprozesse und Wert-
treiber mitwirken.

109
Abbildung 3-30: Auswertungsportfolio für ein wertorientiertes Personalmanage-
ment.

– Hilfreich hat sich auch eine Kombination des wertorientierten


Personalmanagements mit bestehenden Instrumenten der Unter-
nehmenssteuerung wie z. B. der Balanced Scorecard erwiesen.
– Die entsprechende EDV-Systemlandschaft wirkt sich förderlich
auf das Gelingen des wertorientierten Personalmanagements aus:
Die erforderlichen Daten zur Bildung der Werttreiber und der
Indizes müssen – möglichst in einem einheitlichen Personal-
informationssystem – verfügbar sein. Das Modell sollte in eine
EDV-Anwendung überführt werden können, die eine visuelle
Aufbereitung der quantitativen Zusammenhänge unterstützt.
– Im Unternehmen sollten die instrumentellen Voraussetzungen
für Zielvereinbarungen, regelmäßige Führungsgespräche und

110
Feedbacksysteme gegeben sein. Nur so lässt sich das wertorien-
tierte Personalmanagement erfolgreich in den Unternehmens-
alltag übersetzen.
– Erforderlich ist dazu noch ein weiteres: die Bereitschaft der Perso-
nalmanager, sich der Herausforderung zu stellen, den harten Kern
der weichen Faktoren zu identifizieren, zu quantifizieren und
damit transparent zu machen. Die Chance ist günstig, sich so als
strategischer Partner der Unternehmensleitung zu etablieren.

3.5 Innovations-Management:
Vom Verbesserungsvorschlag zum High-Tech-Patent

Wilfried von Eiff

Die Bürokratie verteidigt den Status quo


noch lange, nachdem das Quo seinen Status
verloren hat.
Laurence Johnston Peter (1919– 1990),
amerikanischer Managementberater

Der Gesundheitssektor ist durch die »neue Marktdynamik« gekenn-


zeichnet. Krankenhäuser müssen neue, innovative Strategien ent-
wickeln, um ihre Position in diesem neuen Wettbewerbsumfeld zu
stärken. Im Zentrum dieser Strategieentwicklung steht die Frage
nach dem Kundennutzen. Innovative Dienstleistungen müssen ent-
wickelt und in Kooperationen umgesetzt werden.
Der Mangel an Innovationen, egal ob organisatorischer oder
sozialer Art, produktbezogen oder bezogen auf den Kundenservice,
wird als personelles, branchenübergreifend erkennbares Problem an-
gesehen. Die wirklichen Ursachen dieser Misere erkennt Dieter Bran-
des (ehemaliger Aldi-Manager) in der mangelhaften Auseinanderset-
zung des Managements mit strategischen Fragen, in Führungs- und
Organisationsmängeln und in der mangelhaften Ausschöpfung der
Kreativität der Mitarbeiter. Diese Mängel in der Mitarbeiterführung

111
bewirken offenbar eine Unternehmenskultur der schrittweisen De-
motivation und Gleichgültigkeit gegenüber dem Unternehmen.

In diesem Kapitel sollen folgende Fragen beantwortet werden:


– Was sind Innovationen, und wie kann die Unternehmenskultur
dazu beitragen, mehr Innovationen hervorzubringen?
– Wie kann ein innovatives Klima gestaltet werden?
– Wie kann ein Ideenmanagement in der Praxis implementiert
werden?

Im Gesundheitswesen hat sich – ähnlich wie zu Beginn der 90er-


Jahre in der Automobilindustrie und anschließend im Konsum-
güterbereich sowie in verschiedenen Dienstleistungsbranchen – eine
»neue Marktdynamik« entwickelt, die bisher nicht gekannte Anfor-
derungen an Organisation und Führung von Krankenhäusern stellt:
Solche Krankenhäuser, die auf dem Weg zum Gesundheitszentrum
sind, benötigen Innovations- und Entscheidungsstrukturen, die es ih-
nen ermöglichen, schnell Ideen zu kreieren, aber diese Ideen auch
schnell in marktwirksame Innovationen umzusetzen. Es nützt nichts,
eine gute Idee zu haben, die dann in der eigenen Organisation nicht
umgesetzt werden kann, aber von einem anderen »Macher-Kranken-
haus« aufgegriffen und realisiert wird.
Auch die Frage des Outsourcing stellt sich vor dem Hintergrund
der »neuen Marktdynamik« neu. Leistungen wie z. B. von Küche und
krankengymnastischer Abteilung sollten nicht einfach unreflektiert
an Dritte vergeben werden; vielmehr ist zu prüfen, ob nicht ein eige-
nes Geschäftsfeld entwickelbar ist, um diese Leistungen professionell
auch anderen Krankenhäusern anzubieten.
Geschäftsfelder und neue Märkte können auch durch horizontale
und vertikale Kooperationen begründet werden: mit niedergelassenen
Ärzten, an deren Praxisausstattung man sich als Krankenhaus betei-
ligt, mit Rehabilitationseinrichtungen und anderen Akuthäusern.
Diese Überlebensstrategien lange zu diskutieren ist höchst gefähr-
lich. Denn jede Diskussion kann von der Konkurrenz genutzt werden,
schnell zu reagieren.
Gesundheitszentrum heißt auch, das Krankenhaus in Richtung
Kundenorientierung zu entwickeln. Kundenorientierung wird gelebt

112
vor Ort, wird von dem gelebt, der mit dem Kunden unmittelbar in
Kontakt steht. Kundenorientierung setzt daher engagierte Mitarbeiter
voraus; folglich bedingt Geschäftserfolg konsequentes Mobilisieren
von Mitarbeiter-Know-how. Die Überzeugung für eine delegations-
orientierte Führung in Verbindung mit subsidiären Centerstrukturen
zeichnet sich unter diesen Dynamik-Ausprägungen als notwendig ab.
Es kommt letztendlich in Zukunft darauf an, schnell Marktsegmente
zu erschließen, das heißt, die beste kundenwirksame Praxis schnell
zu erkennen und schnell umzusetzen. Die Fähigkeit zum »change
management« wird zum kritischen Erfolgsfaktor (siehe Abbil-
dung 3-31).
Diese »neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen erfordert die
Führung des Krankenhauses als Unternehmen: Kundennähe und Fle-
xibilität, Schnelligkeit im Erkennen von neuen attraktiven Marktfel-
dern, Konsequenz in der Öffnung von Märkten durch gezielte
Kooperationen, Entwicklung von »Produkt- bzw. Dienstleistungs-
innovationen«, Entscheidungsschnelligkeit gepaart mit Entschei-
dungsqualität umreißen die Fähigkeitsstruktur des Krankenhauses
der Zukunft.

Abbildung 3-31: Dezentrale Organisation, kundenorientierte Entscheidungsstruk-


turen und leistungsorientierte Führung machen den Erfolg des
Krankenhauses in Zukunft aus.

113
Marktöffnende Innovationen müssen erkannt, für die eigene Orga-
nisationskultur weiterentwickelt und im Konsens realisiert werden,
um auf Dauer erfolgreich als »Unternehmen Krankenhaus« Bestand
haben zu können.
Innovations- und Lernfähigkeit sowie die Fähigkeit zum geplanten
organisatorischen Wandel (»change management«) hängt von der
Qualität der Mitarbeiter ebenso ab wie von der Organisation, die
Engagement leistungswilliger Mitarbeiter ermöglicht oder behindert.
Kreativität und Neugier gelten als Mitarbeitertugenden der post-
modernen Arbeitswelt. Kreativität ist die Grundlage für Prozess-
verbesserungen, gilt als Basis für Wettbewerbsvorsprünge. Und
dennoch: Auffallend viele Mitarbeiter verweigern kreatives Denken,
weil sie »zu oft« schlechte Erfahrungen mit Verbesserungsvor-
schlägen gemacht haben. »Haben Sie Zeit für kreative Spinnereien?
Offenbar sind Sie nicht richtig ausgelastet! Erfüllen Sie erst mal
Ihre eigentliche Arbeit richtig, und wenn Sie dann noch Zeit haben,
können Sie immer noch kreativ sein!«, so oder ähnlich werden
Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern nicht selten abgewimmelt.
Für die meisten Führungskräfte ist Kreativität gleichzusetzen mit
Spinnerei im Sinne von Zeitverschwendung für realitätsuntaugliche
Lösungsvorschläge; kreative Prozesse machen zwar allen Spaß, aber
sie zeigen keine verwertbaren Ergebnisse. Die Methode der »zielge-
richteten Kreativität« (»directed creativity«) ist keine Spinnerei, son-
dern repräsentiert eine solide Vorgehensweise zur Entwicklung von
Lösungen, wenn die »analytische Denk- und Vorgehensweise« nicht
mehr weiterhilft (siehe Abbildung 3-32).
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn vermeintlich gegensätz-
liche Ziele (z. B. Qualitätssteigerung und Kostensenkung) erreicht
werden sollen.
Ein typischer Fall aus dem Alltag einer Klinik: Ein Patient wird
operiert, der zu Hause wartende Angehörige macht sich Sorgen und
ruft irgendwann im Krankenhaus an. Er erreicht den Arzt jedoch
nicht, weil dieser schon wieder im OP steht, gerade auf Intensiv-Visite
ist oder einen dringenden Notfall zu versorgen hat. Zwei- oder drei-
mal ruft der Angehörige an, wird jedes Mal vertröstet und bekommt
allmählich das Gefühl, dass er den Ablauf in der Klinik stört.

114
Abbildung 3-32: Es gibt drei Schlüsselprinzipien, um kreative Lösungen zu ent-
wickeln.

Wenn dieser verunsicherte Angehörige den Arzt endlich erreicht


und dieser Arzt freundlich, einfühlsam und verständlich Auskunft
erteilt, würde jeder das Verhalten dieses Arztes als ausgesprochen
kundenorientiert bewerten. Nur: Das ändert nichts daran, dass die
Organisation kundenunfreundlich ist. Das ließe sich ändern, indem
die Klinik bei der Aufnahme eines Patienten gleich Name und Tele-
fonnummer des Angehörigen notiert und zusichert, dass dieser
20 Minuten nach der Operation vom Arzt selbst angerufen und in-
formiert wird. Die Folge wäre, dass das Krankenhaus den Prozess
»Angehörige informieren« selbst steuert. Die Organisation wird
dadurch entlastet und gleichzeitig ein Höchstmaß an Kundenorien-
tierung erreicht.
Die Umsetzung dieser Idee in einem Fachkrankenhaus für Ortho-
pädie löste bei Patienten und ihren Angehörigen Begeisterung aus.
Natürlich glauben sie, dass das Krankenhaus damit zusätzlichen Auf-
wand hat. Vermutlich wären sie sehr überrascht, wenn ihnen jemand
erzählte, dass dieser Service die Klinikabläufe vereinfacht, von unkal-
kulierbaren Störungen freihält und damit letztlich Kosten einspart
sowie das Personal entlastet.
Das Beispiel illustriert die Philosophie des »sowohl-als-auch«: Ziel
ist es, die Kundenbindung zu verstärken und gleichzeitig die Kosten

115
zu senken. Die Besonderheit dieses Ansatzes liegt darin, diese beiden,
auf den ersten Blick widersprüchlichen Ziele miteinander in Einklang
zu bringen. Dies geschieht dadurch, dass man einerseits ein kun-
denorientiertes Verhalten organisatorisch festlegt, andererseits mit
gerade diesem Verhalten die Organisation entlastet oder sogar be-
herrschbarer macht: eine kreative Leistung.

Innovative Unternehmenskultur am Beispiel 3M:


Die Erfindung der Post-Its
Im Jahr 1968 entwickelte der US-Chemiker Spence Silver einen Klebstoff, der nur
schwach haftete. Doch leider hatte sein Konzern 3M keine Verwendung für seine Idee.
Erst sechs Jahre später kam Silvers Kollege Art Fry per Zufall auf den rettenden Einfall:
Art Fry leitete in seiner Freizeit einen Kirchenchor. Seinen Sängern rutschten während der
Proben immer wieder die Merkzettel aus dem Gesangsbuch. Fry erinnerte sich an die Er-
findung seines Kollegen. Als Lesezeichen in den Gesangsbüchern könnte der Klebstoff
ideal sein. Und tatsächlich, bestrich man die Zeichen mit diesem Klebstoff, blieben die
Zeichen im Gesangsbuch haften und jeder Sänger fand sofort sein Lied. Das Gesangs-
buch wurde nicht beschädigt.
Fry war Marketingexperte und wusste, dass aus seinem Einfall nur dann etwas Gro-
ßes werden konnte, wenn die Vorbereitung dieser neuen Idee perfekt geplant und auf
ein einziges Produkt reduziert wurde. Nach endlosen Diskussionen und einer Vielzahl
von Tests kam sein Team schließlich auf die kleinen hellgelben Zettel mit dem Namen
»Post-It Notes«. Den endgültigen Durchbruch schaffte das Produkt 1978. In einer gi-
gantischen weltweiten Marketing-Aktion versandte 3M kostenlos Millionen von Mu-
stern. Erst nach dem weltweiten Siegeszug der gelben Klebezettel wurde die Produkt-
palette vorsichtig erweitert.
Die Art, wie die Haftnotizen erfunden werden konnten, ist verbunden mit grundle-
genden Qualitäten der Unternehmenskultur von 3M: 3M sieht es gern, wenn die Mit-
arbeiter neben der Arbeit auch anderen Interessen, wie z. B. dem Dirigieren eines Kir-
chenchores nachgehen. Die Führungskräfte wissen, dass neue Ideen immer dann
entstehen, wenn sich Menschen vielfältig interessieren und engagieren. Bei 3M wird
die informelle Kommunikation zwischen den Mitarbeitern angeregt und gefördert,
sonst hätte der Kirchenchorleiter vielleicht gar nicht über die »gescheiterte« Kleber-
erfindung seines Kollegen gewusst. 3M ist grundsätzlich offen für Ideen und Innova-
tionen der Mitarbeiter, gibt ihnen eine Realisierungschance und honoriert sie. Für den
Chorleiter war es daher selbstverständlich, seine Haftnotizen dem Unternehmen zur
Verfügung zu stellen.

Abbildung 3-33: Die Erfindung der Post-Its zeigt, welche Elemente eine innovative
Unternehmenskultur auszeichnen.

116
Kreativität als Aufgabe, als personelle Fähigkeit, als Maxime eines
Zusammenarbeitsprozesses, als Voraussetzung für herausragende
Leistungen, spielt in den Köpfen der Krankenhausmanager nicht nur
eine untergeordnete Rolle, sondern wird von den meisten Führungs-
kräften im Krankenhaus als überflüssig, ja sogar kontraproduktiv
beurteilt.
Um festzustellen, inwieweit das eigene Denken das Potenzial hat,
zu kreativen Meisterkonzepten zu führen, von destruktiven Restrikto-
ren im Zaum gehalten eher zu langweiligen Kompromissvorschlägen
tendiert oder sich im lamentierenden »Das geht ohnehin nicht« ver-
liert, hilft ein Test, der in Abbildung 3-34 skizziert ist. Die Aufgabe lau-
tet: »Verbinden Sie die neun Punkte mit vier Geraden, indem Sie die
vier Geraden hintereinander zeichnen, ohne den Stift abzusetzen.«
Personalmanagement ist gefordert, den Stellenwert kreativen Den-
kens im Verhältnis zum analytischen Denken herauszustellen, indem
einerseits Kreativitätstechniken trainiert werden, aber andererseits
auch ein Klima gefördert wird, das kreative Prozesse in der Tages-
arbeit ermöglicht.

Abbildung 3-34: Jeder kann selbst seine Denkbarrieren erkennen:


Welche impliziten Restriktionen stecken in der Annahme, man
könnte neun Punkte nicht mit vier Geraden verbinden?

117
Innovationsförderliche kommunikative und strukturelle Rahmenbedingungen
beinhalten:
• umfassende Information der Mitarbeiter,
• Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen,
• Übertragung von Verantwortung,
• Partizipation der Mitarbeiter am Erfolg ihrer Arbeit,
• Belohnung von neuen Gedanken und Ideen,
• toleranten Umgang mit Fehlern,
• proaktiven Umgang mit Widerständen gegen Innovationen im Unternehmen.

Innovationen sind nicht immer willkommen, weil sie


• Änderungen bringen,
• die Routine stören,
• mit Umbruch verbunden sind und
• als Ärgernis angesehen werden.

Teamarbeit erfordert:
• Geschwindigkeit und Wichtigkeit,
• schnelle Entscheidungen,
• Erwartungen, die Flexibilität unterstützen,
• Gefühl von persönlicher Unabhängigkeit, die zu Handlungen ermutigt,
• Einsatz durch Auswahlmöglichkeiten.

Gestaltung von Systemen und Vorgehensweisen,


die die Mitarbeiter ermutigen, eine Auswahl zu treffen:
• Mitarbeiter sollten ein realistisches Bild haben, bevor sie eine Wahl treffen,
• Einsatz durch Sichtbarkeit,
• Verbreitung der individuellen Aktivitäten und Erfolge gegenüber Kollegen, Klienten
und der Familie,
• Feiern und Symbole zur Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls,
• ein System für soziale Kontrolle,
• strenge Auswahl,
• intensive Sozialisierungsperiode,
• Aufmerksamkeit des Top-Managements,
• klare Statements über erwartete Einstellungen,
• Rollenmodelle,
• Training, Meetings, Feiern,
• z. B. Work-out Programm bei General Electric,
• z. B. 3M-Drei-Stufen-Belohnung für Innovationen.

Checkliste 3-4: Innovationsfreundliche Unternehmenskultur.

118
3.6 Ideenmanagement am Universitätsklinikum Münster

Stefan Jax

In diesem Artikel erfahren Sie, welche Funktionen das Ideenmanage-


ment in einem Unternehmen erfüllen kann und welchen Einfluss
umgekehrt die Unternehmenskultur auf die Funktionsfähigkeit des
Ideenmanagements – und damit auf die Innovationsfähigkeit – hat.
Am Beispiel des Universitätsklinikums Münster wird gezeigt, wie ein
Unternehmen der Gesundheitsbranche das Potenzial der Mitarbeiter
in der Praxis erfolgreich nutzt.
Ein wichtiger Indikator für die Kultur in einem Unternehmen
ist die Art und Weise, in der sich Mitarbeiter in Planungen und Ab-
läufe der Arbeit einbringen können. Im Modell für Excellence der
European Foundation for Quality Management (EFQM) ist dieser
Bereich in mehreren Punkten relevant. Von den neun Kriterien und 32
Teilkriterien des EFQM-Modells sind hierbei die Punkte 1 d und e (Kri-
terium Führung), 3c (Kriterium Mitarbeiter), 5b (Kriterium Prozesse)
und 7a und b (Kriterium mitarbeiterbezogene Ergebnisse) zu beach-
ten.
Eine Möglichkeit dieser Einbeziehung der Beschäftigten ist das
betriebliche Vorschlagswesen/Ideenmanagement.
Beim betrieblichen Vorschlagswesen handelt es sich um »ein organi-
satorisch und ablaufmäßig festgelegtes Verfahren, das dazu dient,
Ideen der Mitarbeiter eines Unternehmens, die nicht zur eigentlichen
Arbeitsaufgabe zählen,
– systematisch zu sammeln,
– auf Anwendbarkeit zu prüfen,
– bei Nichteignung für eine befriedigende Ablehnungsbegründung
zu sorgen,
– bei Eignung die Einführung der Verbesserung forciert zu betreiben
und
– eingeführte Verbesserungen eines oder mehrerer Einsender ange-
messen und völlig getrennt vom eigentlichen Arbeitsentgelt zu prä-
mieren« (Schuler 1984: 883).

119
Das betriebliche Vorschlagswesen erweist sich als ein sehr guter
Gradmesser für die Unternehmenskultur, zeigt es doch, ob und wie
stark Mitarbeiter bereit sind, sich für ihr Unternehmen zu engagie-
ren. Hapert es hier bei der Beteiligung, ist irgendwo etwas in Un-
ordnung geraten. Das Vorhandensein eines Ideenwesens signalisiert,
dass ein Unternehmen generell daran interessiert ist, das Potenzial
der »Ressource Mitarbeiter« verstärkt für sich zu nutzen. Die Absich-
ten, die damit verbunden sind, können jedoch sehr unterschiedlich
sein.
In den Anfängen des betrieblichen Vorschlagswesens (Krupp’sches
Generalregulativ aus dem Jahr 1888) war die Sichtweise der Unter-
nehmen auf rein ökonomische Ziele begrenzt. Die weiterführenden
Chancen, die sich mit der Berücksichtigung der Mitarbeiterpotenziale
bieten, wurden erst nach und nach erkannt. Für ein modernes Ideen-
management machen Unternehmen heute wesentlich vielschich-
tigere Ziele geltend. Neben ökonomischen Aspekten ist mehr und
mehr der Mitarbeiter ins Blickfeld gerückt, im Rahmen des Total
Quality Management (TQM) auch Fragen der Qualität und der Kun-
denzufriedenheit.

Als Beispiele dafür seien angeführt:


– Einsparungen von Material und Energie,
– effektivere Arbeitsabläufe,
– Produkt- und Prozessinnovation,
– Steigerung der Produktivität,
– Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen,
– Verbesserung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen,
– Imageverbesserung,
– Organisationsentwicklung,
– Ausschöpfen kreativer Potenziale,
– Personalführung,
– Personalentwicklung,
– Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen,
– Unfallverhütung,
– Gesundheitsschutz,
– Umweltschutz.

120
Aus der Perspektive des Mitarbeiters sind viele dieser Punkte eben-
falls von Belang. Im Normalfall sollte jeder Mitarbeiter daran inte-
ressiert sein, dass sein Unternehmen effizient arbeitet, allein schon,
da auch sein Arbeitsplatz davon abhängig ist. Die Verwirklichung
ökonomischer Ziele seines Arbeitgebers liegt also in seinem eigenen
Interesse. Darüber hinaus gibt es für den Mitarbeiter eine ganze
Reihe weiterer intrinsischer Motivationsfaktoren zum Einbringen
seiner Ideen. Es ist zunächst für jeden Menschen wichtig, in seiner
Tätigkeit einen Sinn zu erkennen (Frey und Schulz-Hardt 2000: 20).
Jemand der weiß, warum er etwas tut und sich mit dem Ziel iden-
tifizieren kann, wird deutlich motivierter und verantwortungsbewuss-
ter vorgehen. Ist man sich dessen bewusst, ist es umso erschrecken-
der, die in den letzten Jahren aufgekommene Diskussion um die
»innere Kündigung« zu verfolgen. Die Zahl der Mitarbeiter mit ge-
ringer oder ohne emotionale Bindung zum Job stagniert auf hohem
Niveau (ohne Verfasser 2004).
Was kann das Ideenmanagement leisten, um dem entgegenzu-
wirken? Welche Wünsche verbinden die Menschen mit ihrer aktiven
Teilnahme?
Der Mitarbeiter ist in seinem Bereich ein Experte. Muss er Tag für
Tag Tätigkeiten verrichten, die er als unproduktiv oder überflüssig
identifiziert und die ihn beispielsweise von der Verrichtung wichtige-
rer Aufgaben abhalten, wird sich das negativ auf seine Motivation
auswirken. Mit seinen Ideen bietet sich ihm jetzt die Möglichkeit,
Missstände zu beheben, seine eigene Arbeit zu erleichtern oder auch
effizienter zu gestalten. Es kann sich dabei um Dinge handeln, die
bisher niemandem aufgefallen sind oder die vielleicht nur deswegen
noch aktuell sind, weil sie schon immer so gemacht wurden. Über ein
»das ist nun mal so« wird sich schon mancher geärgert haben. Die
Motivation dazu, selbst aktiv zu werden, ist also vorhanden.
Weiterhin kann das Unternehmen seine Mitarbeiter an sich bin-
den, indem es sie einbezieht und aus Betroffenen Beteiligte macht.
Jemand, der sieht, dass er im Betrieb etwas bewegen kann, dass seine
Stimme eine Bedeutung hat, wird sich eher mit seinem Unterneh-
men identifizieren. Aus einem »Die da oben« kann so ein »Wir« wer-
den.

121
Natürlich spielt bei der Motivation der Mitarbeiter zum Einreichen
eines Vorschlages auch eine mögliche Geldprämie eine wichtige
Rolle. Erzielt das Unternehmen durch einen Vorschlag Mehreinnah-
men oder kann seine Ausgaben senken, freut sich jeder Einreicher
über eine angemessene Honorierung.
Eine entscheidende Voraussetzung für das Engagement jedes Ein-
zelnen ist die Art, in der im Unternehmen miteinander umgegangen
wird. In einem Klima der Wertschätzung bringt man sich gerne ein.
Erntet man grundsätzlich Ablehnung für seine Ideen, befürchtet
Nachteile und hat Angst vor Blamage, Misserfolg, den Kollegen oder
dem Chef, wird man sich lieber zurückhalten. Neben einer ganzen
Fülle von Chancen gibt es also auch einige Hindernisse, die der erfolg-
reichen Annahme und Umsetzung von Vorschlägen entgegenstehen
können. Einige sind in der menschlichen Natur begründet, andere
eine Frage der Unternehmenskultur.
Nicht jeder Gutachter reagiert auf eingereichte Vorschläge mit
Begeisterung. Jede Idee stellt zunächst einmal den derzeitigen Zu-
stand in Frage, bedeutet also potenziell auch Kritik an denjenigen, die
bisher verantwortlich waren. Es ist nahe liegend, dass sich die Betrof-
fenen fragen, welche Reaktionen im Betrieb zu erwarten sind, wenn
Vorschläge in ihrem Bereich eingereicht werden.
In einem innovationsfeindlichen Klima könnte das folgender-
maßen aussehen: »Warum hat Abteilungsleiter Schmitz nicht längst
das gemacht, was sogar schon seinem Sachbearbeiter Fritze auffällt?
Wer hat hier eigentlich das Sagen? Was haben wir jahrelang für Geld
verschwendet, weil Abteilung xy nicht ordentlich gearbeitet hat!
Hat der seinen Laden nicht im Griff? Ständig muss er sich von seinen
eigenen Leuten aushelfen lassen, der ist ja wohl absolut inkom-
petent.«
Es besteht die Gefahr, dass nicht das Positive, also die Chance zur
Veränderung im Vordergrund steht, sondern die Frage nach dem
Schuldigen. Ist das so, muss man damit rechnen, dass Gutachter
(meistens die Führungskraft des betroffenen Bereichs) routinemäßig
in eine Verteidigungshaltung rücken. Vorschläge werden dann wo-
möglich auf Argumente, die dagegen sprechen, geprüft, anstatt die
damit verbundenen Chancen zu ermitteln. Solche defensiven Verhal-

122
tensmuster werden unwahrscheinlicher, wenn die Geschäftsleitung
voll hinter dem Ideenmanagement steht. Die Signale, die von dort ge-
setzt werden, prägen das Verhalten aller nachfolgenden Führungs-
kräfte und Mitarbeiter (Frey und Schulz-Hardt 2008: 18).
Verbunden damit ist die Einsicht, dass niemand allein so viel weiß
wie alle gemeinsam. Niemand hat sämtliche Informationen aus jeder
Abteilung und zu jedem Arbeitsschritt präsent. Niemand kann auf
alle Probleme eine passende Antwort parat haben (Höckel 1964: o. S.).
Es lohnt sich also, möglichst alle mit ins Boot zu holen.
In ihrer Freizeit übernehmen Menschen in den unterschiedlichs-
ten Bereichen Verantwortung. Sie erziehen ihre Kinder, müssen ver-
antwortungsvolle Entscheidungen treffen, pflegen ältere oder kranke
Familienangehörige und organisieren für sie die notwendigen Maß-
nahmen bei Behörden. Sie treffen wirtschaftliche Entscheidungen für
sich und ihre Angehörigen, bauen ein Haus oder finanzieren Autos
und Urlaube. Sie sind in Vereinen, Elternpflegschaften, der Jugend-
arbeit oder sonstigen Bereichen ehrenamtlich tätig. All diese Dinge
erfordern ein hohes Maß an Kompetenz und Organisationsvermögen
(Raffel 2000: 98). Warum sollte dieses Potenzial nicht auch im beruf-
lichen Rahmen genutzt werden?
Das Universitätsklinikum Münster hat sich 1991 entschlossen,
diese Möglichkeiten zu nutzen und mit der Einführung eines be-
trieblichen Vorschlagswesens auf die Kreativität und das Engagement
der Beschäftigten zu setzen. Für einen Krankenhausbetrieb war dies
ungewöhnlich. Mit einem erfolgreichen Vorschlagswesen wurde
schließlich allgemein eher die produzierende Industrie in Verbin-
dung gebracht. Im öffentlichen Dienst hingegen spielte das betrieb-
liche Vorschlagswesen bislang kaum eine Rolle. Betrachtet man sich
jedoch, wie viele unterschiedliche Aufgabenfelder und Bereiche am
Universitätsklinikum Münster vertreten sind, wird deutlich, wie viel-
fältig das Mitarbeiterpotenzial für Verbesserungen und Innovationen
ist. Insgesamt arbeiten 7500 Beschäftigte in den unterschiedlichsten
Bereichen. Beispielhaft genannt seien die ärztliche Versorgung, der
Pflegebereich, Materialeinkauf, Versorgung, Großküche, Schneiderei,
Wäscherei, Druckerei, Technik, Forschung, Verwaltung, Institute und
Ausbildungseinrichtungen.

123
Der Erfolg dieses Pilotprojektes war nicht selbstverständlich, doch
schon bald war absehbar, dass das neue Werkzeug von den Beschäf-
tigten sehr gut angenommen wurde. 13 Jahre nach Einführung des
betrieblichen Ideenwettbewerbs am Universitätsklinikum Münster
konnte der 5000. Verbesserungsvorschlag entgegengenommen wer-
den. Die Gesamtersparnis beträgt inzwischen fast 14 Millionen Euro.
Dass es gelungen ist, diese Erfolge zu erzielen, war nur möglich, weil
sowohl Vorstand als auch Personalräte voll hinter dem Konzept stan-
den.
In der Präambel der Dienstvereinbarung, die beide Parteien
miteinander abgeschlossen haben, heißt es: »Ziel des Betrieblichen
Ideenwettbewerbs ist es, die Mitarbeiter zu motivieren, ihre Kennt-
nisse und Erfahrungen über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus zum
Nutzen des Universitätsklinikums einzubringen. Dabei sollen durch
Maßnahmen aufgrund von Verbesserungsvorschlägen die Wirtschaft-
lichkeit erhöht, die allgemeinen Arbeitsbedingungen und die Zu-
sammenarbeit der Beschäftigten untereinander verbessert, Arbeitssi-
cherheit erhöht und der Umweltschutz gefördert werden. Besonders
jedoch werden Vorschläge begrüßt, die im Rahmen der Kranken-
versorgung das Befinden und die medizinische Versorgung der Pa-
tienten verbessern.«
In der Vereinbarung werden Abläufe und Organe des Betrieblichen
Ideenwettbewerbs exakt geregelt. Unter anderem wird definiert:
– Wer ist vorschlagsberechtigt?
– Was gilt überhaupt als Verbesserungsvorschlag?
– Wer entscheidet über die Annahme oder Ablehnung?
– Wie ist die Prämierung geregelt?

Eingereicht werden die Vorschläge beim Ideenmanager für den be-


trieblichen Ideenwettbewerb, egal ob schriftlich oder mündlich.
Gerne sind die Beschäftigten eingeladen, ihren Verbesserungsvor-
schlag persönlich abzugeben. Das ist z. B. deshalb wichtig, weil man
mit dem Gespräch eine erste Reaktion auf sein Engagement erhält.
Einen Zettel in einen Briefkasten zu werfen ist da wesentlich un-
persönlicher. Zum anderen schreckt es manche Mitarbeiter ab, wenn
sie eine Idee erst mühsam in Worte fassen müssen und dabei

124
stundenlang nach passenden Formulierungen suchen. Wichtig ist die
Idee, nicht die Form.
Auf Wunsch des Einreichers kann ein Vorschlag auch anonym
behandelt werden, eine Möglichkeit, die jedoch nicht allzu oft in
Anspruch genommen wird. Denn für die Entwicklung einer Idee
vom Rohzustand bis zu einer fertigen Verbesserung ist es optimal,
wenn Einreicher und Gutachter sich gegenseitig mit Informationen
versorgen können und Pro und Contra diskutiert werden. Zudem ist
in der Dienstvereinbarung eindeutig geregelt, dass kein Mitarbeiter
aufgrund seines Vorschlages Nachteile erfahren darf. Würden hier zu
viele Beschäftigte um anonyme Behandlung des Vorschlages bitten,
wäre dies ein ernsthaftes Warnsignal.
Wie wichtig die Haltung der Gutachter in diesem Prozess ist,
wurde bereits thematisiert. Es ist am Universitätsklinikum Münster
gelungen, die Führungskräfte als Gutachter, Kommissionsmitglieder
und auch als Einreicher von Vorschlägen zu integrieren.
Es wurde eigens ein Leitfaden für Gutachter von Verbesserungs-
vorschlägen erstellt, in dem mögliche Fragen zu Aufgaben und Ab-
läufen beantwortet werden. Im Vordergrund steht, herauszufinden,
ob und wie ein Verbesserungsvorschlag optimal genutzt werden
kann. Bremsender Formalismus steht im Hintergrund. Gutachten
können getippt oder handschriftlich abgegeben werden, je nachdem
was sich für den betroffenen Gutachter als Zeit sparender erweist.
Zusätzliche Informationen oder Rückfragen erfolgen persönlich oder
telefonisch.
Viele Gutachter sind selbst als Einreicher von Ideen in Erscheinung
getreten, haben also den betrieblichen Ideenwettbewerb aus beiden
Perspektiven kennen gelernt – eine wichtige Erfahrung. Denn je-
mand, der weiß, welche Reaktion er selber gerne auf seine Idee be-
käme, wird sich in der anderen Rolle dementsprechend verhalten.
Zudem sehen die Beschäftigten, dass Ihre Vorschläge in der Abtei-
lung willkommen sind, wenn auch ihre Vorgesetzten sich beteiligen.
Die endgültige Entscheidung über die Annahme eines Vorschlages
trifft auf Basis der Gutachten eine Kommission, in der Vertreter der
Personalräte sowie Experten aus den verschiedensten Arbeitsberei-
chen vertreten sind. Es wird unterschieden zwischen Vorschlägen, bei

125
denen der rechenbare Nutzen ermittelbar ist, und so genannten nicht-
rechenbaren Vorschlägen. Wie sich die Honorierung der Einreicher
prozentual an den Einnahmen aus rechenbaren Vorschlägen orien-
tiert, ist in der Dienstvereinbarung genau definiert. Bei nicht rechen-
baren Vorschlägen wird anhand des Auswirkungsgrades und der
möglichen Anwendungshäufigkeit einer Idee die Höhe der Prämie
festgelegt.
Sollte ein Vorschlag nicht angenommen werden können, wird viel
Wert auf eine plausible und ausführliche Begründung gelegt. Denn
die Mitarbeiter sollen nicht verprellt werden, sondern sich bei der
nächsten Gelegenheit erneut beteiligen.
Durch regelmäßige Sonderaktionen, Werbemaßnahmen und die
Veröffentlichung von angenommenen Verbesserungsvorschlägen ist
der Bekanntheitsgrad des Ideenwettbewerbs sehr groß. Im Internet
und Intranet sind ausführliche Informationen für die Beschäftigten
einsehbar. Um eine zügige und strukturierte Bearbeitung der Vor-
schläge zu ermöglichen, kommt seit 2001 eine spezielle Ideenma-
nagement-Software zum Einsatz.
Die folgenden vier Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen
zeigen, wie Mitarbeitervorschläge am Universitätsklinikum Münster
zu enormen Verbesserungen geführt haben. Es wurden neue High-
tech-Verfahren ermöglicht, Materialkosteneinsparungen erzielt und
die Sicherheit von Patienten, Besuchern und Angestellten verbessert:
– Umrüstung von Kleiderbügeln: Anhand des ersten Beispiels wird
deutlich, dass auf den ersten Blick scheinbar einfache Modifikatio-
nen einen großen Nutzen bringen können. Bei diesem Vorschlag
wurde die Umrüstung von Kleiderbügeln angeregt. In der Wäsche-
rei und Schneiderei kommen bestimmte Kleiderfaltmaschinen
zum Einsatz. Für einen effektiven Arbeitsablauf an diesen Maschi-
nen sind genormte Bügel erforderlich, die sowohl für Kleider als
auch für Hosen zu gebrauchen sind. Die Produktion dieser spe-
ziellen Bügel wurde eingestellt, eine Umstellung der Maschinen
und die Beschaffung von entsprechend passenden Kunststoff-
bügeln hätte jedoch eine Ausgabe von 37 000 Euro bedeutet. Die
Einreicher schlugen vor, vorhandene Kleiderbügel in Eigenarbeit so
weit zu modifizieren, dass sie mit dem bestehenden System kom-

126
patibel sind. Durch diese Eigenleistung konnte die Anschaf-
fungssumme eingespart werden.
– Mehrfachverwendung von Kombibehältern: Ein anderer Vorschlag
regte die Mehrfachverwendung von Kombibehältern an. Diese
wurden zur Sammlung von Lösemittelabfällen verwendet. Nach
Entsorgung der Abfälle vernichtete man die Behälter, dementspre-
chend wurden Neuanschaffungen notwendig. Diese Vorgehens-
weise fiel zwei Mitarbeitern auf, die sich die Frage stellten, ob es
nicht möglich sei, umweltbewusster und gleichzeitig wirtschaft-
licher vorzugehen. Dabei waren zudem verschiedene Sicherheits-,
Abfall- und Hygienebestimmungen zu beachten. Es gelang den
Einreichern, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem die Kombi-
behälter in Eigenleistung wieder aufbereitet und mehrfach genutzt
werden können. Durch diese Idee wurden jährliche Kosten von
19 000 Euro eingespart.
– Steuerung von Aufzugsanlagen im Brandfall: Ein Vorschlag, dessen
Nutzen nicht in Zahlen auszudrücken ist, bewirkte eine immense
Verbesserung im Bereich der Sicherheit von Patienten, Besuchern
und Angestellten. Es ging hierbei um die Optimierung der Steue-
rung von Aufzugsanlagen im Brandfall. Bei einem Großbrand in
einem stark besuchten öffentlichen Gebäude in Deutschland hat-
ten sich die Aufzugsanlagen für die Besucher als Fallen entpuppt,
da sie standardmäßig eine bestimmte Ebene ansteuerten, die aber
von der Rauchentwicklung am stärksten betroffen war. Die Besu-
cher des Gebäudes wurden auf diese Weise direkt in das Zentrum
der Gefahr transportiert. Durch den Verbesserungsvorschlag sollte
eine ähnliche Gefahr am Universitätsklinikum Münster ausgeschlos-
sen werden. Die Aufzugsanlage wurde so konfiguriert, dass die Auf-
züge im Brandfall flexibel reagieren können und automatisch eine
Ebene ansteuern, die nicht gefährdet ist. Einem vergleichbaren Un-
glück konnte so vorgebeugt werden.

Neben der Reduzierung von Kosten, der Einsparung von Material, der
Verbesserung des Leistungsangebotes oder der Sicherheit haben
zahlreiche Vorschläge am UKM zudem zur Entwicklung und Nut-
zung neuer Hightech-Verfahren geführt. Komplexe Aufgabenstellun-

127
gen wie diese erfordern meist das Wissen und die Kreativität mehre-
rer Mitarbeiter. Auf diese Weise werden nicht nur qualitativ bessere
Ergebnisse hervorgebracht, sondern auch das Zusammengehörig-
keitsgefühl der Teammitglieder gefördert und die Arbeitsmotivation
gestärkt.
– Warmwasseraufbereitung: Als Beispiel hierfür sei ein Gruppenvor-
schlag aus dem Bereich der Wärmetechnik vorgestellt. Er bezog
sich auf die Gebrauchswarmwasseraufbereitung. Im Rahmen die-
ses Verfahrens entsteht Kondensat mit einer Temperatur von 100°
Celsius, das ursprünglich ungenutzt in das Kondensatnetz zurück-
geführt wurde. Die Einreicher entwickelten gemeinsam ein Sys-
tem, mit dessen Hilfe man dieses Kondensat über einen Wärme-
austauscher führen konnte. Dadurch konnte es zur Aufbereitung
von Heizwasser genutzt werden. Es erwies sich, dass durch diese
Neuregelung eine dauerhafte Energieersparnis von rund 45 000
Euro pro Jahr eintrat.

Trotz der Erfolge, die durch solche Innovationen am Universitätskli-


nikum Münster erzielt werden konnten, gibt es für die Zukunft aber
natürlich auch einiges an Verbesserungspotenzial. Wir möchten zum
Beispiel künftig verstärkt auch Mitarbeiter erreichen, die sich bisher
noch nicht beteiligt haben. Schließlich gibt es in jedem Arbeitsbe-
reich Menschen mit zündenden Ideen. Zudem ist es wünschenswert,
noch mehr als bisher das Zustandekommen von Gruppenvorschlägen
zu erreichen, um die in den Beispielen deutlich gewordenen Synergi-
eeffekte zu nutzen.
Das Ideenmanagement als Werkzeug zur Innovationsförderung
wird gerade in einer Zeit der stetigen Veränderung im Gesundheits-
wesen künftig eine noch größere Bedeutung haben. Denn wer sich
verbessern will, braucht seine internen Experten: die eigenen Mitar-
beiter in den unterschiedlichen Bereichen.
Im Kapitel 6.4 finden Sie ein Praxisbeispiel aus dem Universitäts-
klinikum Münster.

128
3.7 Mitarbeiterzufriedenheit und Patientenzufriedenheit

Wilfried von Eiff

Zufriedenheit ist das Ergebnis eines psychischen Soll-Ist-Vergleichs


zwischen den Erwartungen des Kunden/Mitarbeiters und den von
ihm wahrgenommenen Leistungen. Zufriedenheit entsteht dann,
wenn – nach eigener subjektiver Beurteilung – die Erwartungen er-
füllt oder übertroffen werden.
In einer CKM-Studie über Kundenorientierung im Krankenhaus
wurde festgestellt, dass der Patient und seine Angehörigen die Qua-
lität der medizinischen Versorgung in der Regel nicht wirklich be-
urteilen können. Dennoch geben Patienten Urteile über die medizi-
nische Leistungsfähigkeit von Arzt und Krankenhaus ab, und zwar
auf der Basis von »Ersatzkriterien«.
Das wichtigste Ersatzkriterium ist das Verhalten der Krankenhaus-
mitarbeiter untereinander: Wenn der Patient den Eindruck hat, die
Mitarbeiter seien unkollegial, im Umgang miteinander unfreundlich,
es würde gegenseitig Schuld zugewiesen, Informationen würden zu-
rückgehalten, Hierarchie ausgespielt, etc., dann ist dies im Beurtei-
lungsbild der Patienten ein augenscheinliches Indiz für fachliche Un-
sicherheit und mangelnde Fachkompetenz (siehe Abbildung 3-36).

Abbildung 3-35: Zufriedenheit ist das Ergebnis eines psychischen Soll-Ist-Vergleichs.

129
Abbildung 3-36: Die Art, wie die Mitarbeiter miteinander umgehen, beeinflusst
Patienten und Angehörigen bei der Beurteilung der medizini-
schen Qualität.

Dass die berufsgruppenorientierte Versäulung im Krankenhaus


(Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltung) über die Jahre eine Versäulung im
Denken nach sich gezogen hat, ist keine neue Erkenntnis. Wie dra-
matisch verbesserungsbedürftig aber von allen Berufsgruppen die
Zusammenarbeit untereinander beurteilt wird, zeigen die Ergebnisse
von Trailer-Abfragen in Workshops und Kongressen (insgesamt wur-
den über 1100 Krankenhausmitarbeiter befragt). Nur 35 Prozent der
Ärzte und 25 Prozent der Pflegekräfte empfinden die Zusammen-
arbeit als kundenorientiert, effektiv und zufrieden stellend (siehe Ab-
bildung 3-37).
Immer wieder wurden folgende Merkmale einer effizienzhem-
menden und emotional belastenden Zusammenarbeit genannt:
– schlechte Motivation der Mitarbeiter,
– intransparente Entscheidungen,
– keine rechtzeitige Information,
– fehlendes Team-Verständnis,
– eingefahrene Denkweisen,
– fehlende zielführende Kommunikation,

130
Abbildung 3-37: Jeder zehnte Arzt, jede fünfte Pflegekraft und jeder fünfte Verwal-
tungsmitarbeiter ist mit dem Zusammenarbeitsklima extrem un-
zufrieden.

– gegenseitige Schuldzuweisung,
– »Die-da-drüben«-Rollenverständnis,
– »ist nicht meine Aufgabe«,
– »zuerst muss die oberste Führung klare Vorgaben machen, damit
ich richtig zielführend arbeiten kann«.

Die Verwaltungs- und Personalleiter messen der Kundenorientierung


eine außerordentlich hohe Bedeutung im Hinblick auf den gesamten
Erfolg des Krankenhauses bei. Und trotzdem empfinden 37 Prozent
der befragten Verwaltungsleiter und Personalleiter die derzeitige Kun-
denorientierung in ihrem Haus als defizitär.
Trotz der als überragend eingeschätzten Bedeutung des Kriteriums
Kundenorientierung (Gewichtungsfaktor 5,3 auf einer Skala von eins
bis zum höchsten Wert sechs) bestehen auf dem Gebiet erhebliche
aktuelle Defizite: objektiv (durch den Kunden geäußert) und subjektiv
(durch Krankenhausmitarbeiter geäußert).
Um eine stärkere Kundenorientierung zu erlangen, muss das
Krankenhaus die Aspekte der Sozialqualität, der Kommunikations-

131
Abbildung 3-38: Wie wichtig ist die Kundenorientierung in Krankenhäusern?

und Kontaktqualität, der Servicequalität und der medizinischen Pro-


zessqualität mehr in den Vordergrund stellen, wenn Arbeitsabläufe
neu zu gestalten und Zusammenarbeitsformen teamorientiert zu or-
ganisieren sind.
– Die Organisation muss stärker auf die Patientenbedürfnisse aus-
gerichtet werden. Dies stellt höhere Anforderungen an die Prozess-
organisation.
– Über 90 Prozent der Befragten halten Kenntnisse über bereichs-
übergreifende Zusammenarbeit, ökonomische Auswirkungen des
eigenen Handelns und über Leistungsprozesse für notwendig; tat-
sächlich vorhanden sind sie bei kaum 20 Prozent der Mitarbeiter.
– Kundenorientierung darf nicht eindimensional auf den Patienten
bezogen betrachtet werden, sondern umfasst auch Angehörige,
Träger, Verbände, Kassen, Leistungspartner im vor- und nach-
sorgenden Bereich, Mitarbeiter und die Öffentlichkeit.
– Kundenorientierung muss sich auch auf jeden internen Kunden
beziehen: »The next process is your customer.«
– Effiziente und zielführende Kommunikation, Prozessorientierung
und eine auf die Kunden ausgerichtete Unternehmenskultur be-
dürfen einer Professionalisierung der Mitarbeiter und der Füh-
rungskräfte.

132
Abbildung 3-39: Die »soziale Kompetenz« des Unternehmens ist der entscheidende
Kundenbindungsfaktor.

– Der Schwerpunkt von Kundenorientierungsprogrammen besteht


nicht in der Vermeidung von Kundenunzufriedenheit (Ausrich-
tung der meisten Patientenbefragungen) sondern in der Fähigkeit,
durch innovative Leistungen und Verhaltensweisen Kunden zu
überraschen.

Kundenorientierung muss weniger durch Kundenbefragungen analy-


siert als durch branchenübergreifende Benchmarking-Erkenntnisse
und durch Management der »Moments of Truth« (Walk in your cu-
stomers’ shoes) erreicht werden.
Mit dem Thema Kundenorientierung wird in vielen Kranken-
häusern eher oberflächlich, zum Teil sogar ignorant umgegangen.
Auffallend oft bezeichnen Befragte sich selbst in ihrer Arbeitsweise
als kundenorientiert, während sie gleichzeitig anderen Personen und
Abteilungen diese Fähigkeit absprechen (siehe auch Abbildungen
3-39 und 3-40).
Die nachfolgende Grafik zeigt: 70 Prozent der Kunden, die sich von
einem Unternehmen trennen, sind mit dem Kommunikations- und
Verhaltensstil und mit der Art des Umgangs unzufrieden.

133
Abbildung 3-40: Die Einschätzung kundenorientierten Verhaltens ist vielfach durch
das Phänomen der selektiven Wahrnehmung gekennzeichnet.

134
3.8 Messung der Patienten- und Mitarbeiter-
zufriedenheit in den Helios-Kliniken

Andreas Faut

– »Befragungen zur Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit sind


nichts anderes als ein aufwändiges und teures Marketinginstru-
ment!«
– »Was bringt es uns finanziell, wenn wir zufriedene Patienten
haben?«
– »Permanent werden Befragungen durchgeführt und damit
Ressourcen gebunden. Wer hilft mir bei der Umsetzung?
Das geht doch alles im Tagesgeschäft unter!«
– »Ich weiß aus langjähriger Erfahrung am besten, wie man mit
kranken Menschen umgeht! Dazu brauche ich keine standar-
disierte Befragung. Außerdem sind einzelne Patienten in ihren
Bedürfnissen nicht vergleichbar!«
– »Mein Pflegepersonal ist zufrieden und versorgt deshalb die
Patienten optimal. Das ist in unserer Stadt auch bekannt!«

Solche und ähnliche Aussagen hört man häufig von den Führungs-
kräften aus Krankenhäusern, die zwar solche Befragungen über sich
ergehen lassen, jedoch nicht wirklich dahinter stehen. Ziel dieses Bei-
trags ist die Darstellung eines Prozesses zur nachhaltigen Messung
der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit und der kontinuierlichen
Ableitung von Optimierungsmaßnahmen. Die Darstellung bezieht
im Bereich der Mitarbeiterbefragung konzernweite Erfahrungen ein.
Im Bereich der Patientenbefragung können nur Erfahrungen aus
einem Pilotbereich dargestellt werden.
Dabei ist das mittelfristige Ziel, die optimale Ausrichtung der
»weichen« Faktoren zu einem gleichwertigen Bestandteil der Leis-
tungserbringung zu machen. Das wesentliche Problem solcher Be-
fragungen liegt weniger darin, dass sie nicht professionell durchge-
führt werden, sondern dass es nur wenigen Organisationen gelingt,
eine nachhaltige Verankerung eines solchen Vorgehens in die Ge-
schäftsprozesse zu erreichen. Dabei soll in diesem Beitrag offen über

135
das Erreichte, aber auch über die Schwierigkeiten der Einführung
eines solchen Instrumentes berichtet werden.
Die Darstellung erfolgt am Beispiel des Helios-Konzerns, in dessen
Zentrale der Verfasser als Leiter der Personal- und Organisationsent-
wicklung seit zwei Jahren tätig ist. Die Helios-Kliniken GmbH in
Fulda ist einer der größten privaten Träger von Akutkliniken. Derzeit
gehören dem Konzern 25 Kliniken an. Als einzige Klinikgruppe
Deutschlands führt Helios Krankenhäuser der Grundversorgung ab
46 Betten bis zur Maximalversorgungsstufe mit über 1000 Betten in
eigener Trägerschaft. Einige der Kliniken des ärztlich gegründeten
und geprägten Unternehmens genießen hohe Reputation über die
Grenzen Deutschlands hinaus. Historisch hat man sich bei Helios
früh mit der Bedeutung der Patientenversorgung beschäftigt und
Konzepte entwickelt, die sich vorwiegend auf die optimale medizi-
nische Versorgung beziehen. So wurde frühzeitig das Konzept des
»auftragsbezogenen Patientennutzens« etabliert, um sicherzustellen,
dass nur solche medizinischen Interventionen durchgeführt werden,
die unmittelbar zu einem erkennbaren Nutzen führen. Allerdings
beziehen sich diese Maßnahmen in erster Linie auf den Bereich
der Messung der medizinischen Qualität und blenden die wahr-
genommene Zufriedenheit mit dem Dienstleistungsunternehmen
»Krankenhaus« aus.
Um diesen Aspekt angemessen zu berücksichtigen, gibt es seit
mehreren Jahren im Bereich der Messung der Patientenzufriedenheit
ein Verfahren, das im Wesentlichen auf einem »Benchmarking-
Ansatz« beruht. Dabei werden in einem standardisierten Fragebogen,
der einen Vergleich mit über 100 Krankenhäusern erlaubt, Fragen zu
den üblichen Bereichen der Zufriedenheit von Patienten erhoben
(z. B. Hotelcharakter der Klinik). Diese Befragung wird einmal im
Jahr in allen Häusern durchgeführt und ermöglicht einen internen
und externen Vergleich.
An diesem Vorgehen wird zunehmend Kritik geäußert. Aus der
Sicht der einzelnen Häuser bestehen erhebliche Schwierigkeiten
darin, mit den Ergebnissen zielführend zu arbeiten. Darüber hinaus
hegt besonders das Pflegepersonal zunehmend berechtigte Zweifel an
der »Validität« des eingesetzten Instrumentes. Parallel dazu wurde im

136
letzten Jahr erstmalig eine weitere konzernweite Mitarbeiterbefra-
gung initiiert, die sich mit den vorhandenen Leistungspotenzialen der
einzelnen Kliniken aus der Sicht der Mitarbeiter beschäftigt. Insge-
samt wurde diese Situation zum Anlass genommen, das bisherige
Vorgehen unter den folgenden Leitfragen grundsätzlich kritisch zu
überdenken.
Diese Aspekte werden meine Ausführungen auf den folgenden
Seiten strukturieren:
– Wie lässt sich für diesen Themenkomplex eine nachhaltige
Akzeptanz in den Kliniken schaffen?
– Sind die gestellten Fragen die richtigen Fragen?
(Leitbild- und Fragebogenentwicklung)
– Wie kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse der
Befragung auch zu einer Umsetzung von Maßnahmen führen
(Aufbau eines Berichtswesens)?
– Wie lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Patienten- und
der Mitarbeiterbefragung herstellen?
– Was passiert, wenn ein Bereich schlechte Ergebnisse erzielt hat?
– Welche Erfahrungen sind bisher gemacht worden, und welche
Ergebnisse konnten erzielt werden?

3.8.1 Wie lässt sich für diesen Themenkomplex


eine nachhaltige Akzeptanz in den Kliniken schaffen?

Um sich dieser Frage zu nähern, gibt es aus der Sicht des Verfassers
drei wesentliche Aspekte. Zunächst ist es im Sinn einer konzeptio-
nellen Vorbereitung wichtig, die Messung der Patientenzufriedenheit
in irgendeiner Form in den Prozess der Strategieumsetzung zu inte-
grieren, um später eventuell das Erreichen bestimmter Zufrieden-
heitswerte, etwa in Form von Zielerreichungsgraden, zu überprüfen.
Danach ist es für die erfolgreiche Umsetzung wichtig, im Rahmen
eines konzernweiten Projektmanagements die Personen zu betei-
ligen, die dazu unmittelbare Beiträge leisten können bzw. über aus-
reichenden Einfluss verfügen, um Veränderungen voranzutreiben.
Schließlich sind einige Vorgehensweisen verpflichtend zu definieren,
die eine nachhaltige Umsetzung fördern.

137
Abbildung 3-41: Strategische Zielfelder.

Der Helios-Konzern hat früh erkannt, dass es für den Erfolg wichtig
ist, in den wesentlichen geschäftsrelevanten Aspekten zielorientiert
und strategiegeleitet vorzugehen. So gibt es seit einigen Jahren die
Strategie der selektiven Privatisierung, die Leitlinien dafür definiert,
welche Krankenhäuser im Falle eines »Zukaufs« den Konzern gezielt
verstärken könnten. Die medizinische Leistungserstellung wird durch
ein Qualitätsmanagement gesteuert, das auf der Definition und der
nachhaltigen Kontrolle von medizinischen Zielen basiert. Insgesamt
ging es im letzten Jahr darum, die einzelnen strategischen Prozesse
ganzheitlich zusammenzuführen und die »weichen« Faktoren zu
extrahieren und messbar zu machen, die den Erfolg der einzelnen
Häuser nachhaltig unterstützen.
Die Überlegungen wurden dabei von zwei Leitgedanken bestimmt.
Erstens sollte es möglich sein, keine zu hohe Komplexität zu erzeu-
gen, sodass die Umsetzung der strategischen Vorgaben die einzelnen
Kliniken bei ihrer Entwicklung nicht hemmt, sondern im Gegenteil
alle Kräfte auf die Erreichung der gemeinsamen Ziele ausrichtet.
In diesem Zusammenhang wurden etwa auch EFQM-Ansätze kri-
tisch diskutiert und verworfen, da sie häufig zu aufwändigen Zertifi-
zierungswellen führen, die jedoch nicht wirklich die Qualität der Pro-
zesse und Produkte verbessern. Zweitens sollte der strategische

138
Abbildung 3-42: Beispielmaßnahme aus Teilstrategie Personal.

Ansatz die Möglichkeit eröffnen, die darin definierten Bereiche nach-


haltig zu messen. Insgesamt entschloss man sich zur Definition eines
Modells der »strategischen Felder«, das im Folgenden kurz erläutert
wird.
Hier sind die vier Quadranten definiert, die in ihrem Zusammen-
spiel und ihrer optimalen Ausrichtung den Erfolg des Konzerns vo-
rantreiben.
Daraus abgeleitet werden für die einzelnen Funktionsbereiche ent-
sprechende Ziele bzw. Maßnahmen, die die schrittweise Erreichung
der strategischen Vorgaben ermöglichen. Aus Platzgründen wurden
aus der Vielzahl der eingeleiteten Maßnahmen nur die ausgewählt,
die für diesen Beitrag relevant sind.
Man kann erkennen, dass der Steigerung der Mitarbeiter- und
Patientenzufriedenheit eine wesentliche strategische Bedeutung zu-
kommt, sodass die Befragung nicht nur als »nice to have« gesehen
wird, sondern als wesentlicher Bestandteil des unternehmerischen
Handelns. Nachdem diese Voraussetzung geschaffen werden konnte,

139
ging es darum, durch eine Projektstruktur frühzeitig wichtige Ent-
scheidungsträger einzubeziehen, um das Projekt ausreichend in den
Kliniken zu verankern. Dabei wurden in dem Projektteam leitende
Vertreter aller Berufsgruppen paritätisch beteiligt. Zunächst wurde
ein Haus der Maximalversorgung ausgewählt, das pilothaft mit die-
sem Prozess Erfahrungen machen sollte. Schließlich wurde vor dem
Projektstart von der Geschäftsführung ein Konzept verabschiedet, das
die wesentlichen Rahmenparameter für die Durchführung verbind-
lich festlegt:
– Alle Bereiche nehmen verpflichtend an der Befragung teil.
– Die Ergebnisse der Patientenbefragung werden bis auf die Ebene
der einzelnen Station ausgewertet.
– Das Leitbild gilt verpflichtend für alle Bereiche; im Bereich des Fra-
gebogens hat jedes Haus die Möglichkeit, einige Fragen zu ergän-
zen.
– Das Projekt Patientenbefragung wird zunächst in einem Haus der
Maximalversorgung pilothaft eingeführt und dann schrittweise auf
den Konzern übertragen.

3.8.2 Sind die gestellten Fragen die richtigen Fragen?


(Leitbild- und Fragebogenentwicklung)

Wenn eine Befragung im Wesentlichen standardisierte Fragen enthält


und damit den Vergleich mit externen Institutionen ermöglicht, steht
diesem Vorteil naturgemäß ein erheblicher Nachteil gegenüber: Diese
Fragen werden häufig von den Mitarbeitern des Krankenhauses und
teilweise von den Patienten als aufgesetzt und praxisfern empfunden.
Um diesem Nachteil zu begegnen, werde ich im Folgenden konkret
das Vorgehen in der »Pilotklinik« beschreiben.
Zunächst soll erläutert werden, wie das Leitbild und der Frage-
bogen entwickelt wurden. In einem ersten Workshop wurden die
Leitungsgremien des Hauses (ärztlicher Direktor, ausgewählte Chef-
ärzte, Pflegedienstleitung und die Geschäftsführung) eingeladen. Da-
bei wurde von einem Prozessmodell ausgegangen, das die einzelnen
Schritte beschreibt, wie ein exemplarischer Patient das Krankenhaus

140
Abbildung 3-43: Prozessmodell Befragung.

durchläuft. Wesentlich war bei diesem Prozess, nur Leitbildaspekte


zuzulassen, die auch quantifizierbar und damit messbar sind.
Darüber hinaus wurde pro Bereich eine Obergrenze (höchstens
fünf Aspekte) definiert, um keine Komplexität aufzubauen. Das Leit-
bild wurde in drei inhaltliche Säulen unterteilt, die aus unserer Sicht
die wesentlichen Aspekte »optimalen« Verhaltens gegenüber den
Patienten enthalten (Information, Kommunikation, Abläufe/Pro-
zesse). Nachfolgend finden Sie Auszüge aus den Ergebnissen.

Abbildung 3-44: Auszüge Leitbild.

141
Abbildung 3-45: Teilprozess Leitbild-Fragebogenentwicklung.

Aufbauend auf diesem Workshop hatten die leitenden Führungs-


kräfte die Aufgabe, das in dem Workshop erarbeitete Leitbild mit
ihren Mitarbeitern zu diskutieren, um eventuell notwendige Verände-
rungen bzw. Ergänzungen vornehmen zu können. So wurde sicher-
gestellt, dass schon bei der Leitbildentwicklung eine hohe Identifika-
tion mit der Befragung vorhanden war. Auf der Basis dieses Leitbildes
wurde ein Fragebogen konstruiert, der zu jedem Leitbildaspekt die
wesentlichen Fragen repräsentativ abbildet. In der obigen Abbildung
ist noch einmal der Prozess im Zusammenhang dargestellt.

3.8.3 Wie kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse


der Befragung auch zu einer Umsetzung
von Maßnahmen führen (Aufbau eines Berichtswesens)?

Viele Organisationen führen in regelmäßigen oder unregelmäßigen


Abständen Befragungen durch. Die Akzeptanz solcher Instrumente
leidet jedoch häufig darunter, dass nach der Auswertung und Präsen-
tation der Ergebnisse aufgrund der Belastungen des Tagesgeschäftes
(oder weil man das Thema für nicht bedeutend hält), kaum verbind-

142
liche Maßnahmen abgeleitet werden. Werden dennoch Maßnahmen
abgeleitet, wird die Messung der Effekte der nächsten Befragung
überlassen. Wesentlich dabei ist die zeitnahe Kommunikation der
Ergebnisse in Form einer Ergebniskarte, in der jeder Bereich
unmittelbar an der unterschiedlichen Einfärbung erkennen kann,
wo Handlungsbedarfe bestehen.
Die mittlere Führungsebene (Stationsleitungen, bzw. Oberärzte)
hat dann die Aufgabe, in Form eines Workshops die Ergebnisse mit
den Mitarbeitern zu diskutieren und sofort Maßnahmen abzuleiten.
Darauf wurde dieser Mitarbeiterkreis flächendeckend in der Form
von Trainings vorbereitet (Moderation, Umgang mit Widerständen).
Das Ergebnis dieser Workshops sind »Aktionspläne«, die sofort
umgesetzt werden und in dem jeweiligen Leitungsgremium zu be-
richten sind. So wird eine Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit des Vor-
gehens garantiert. Die Befragung, die zweimal im Jahr durchgeführt
wird, liefert also eine unmittelbare Rückmeldung über den Erfolg der
eingeleiteten Maßnahmen, sodass eine kontinuierliche Verfolgung
des Faktors »Patientenzufriedenheit« gegeben ist.
Dieses Vorgehen ermöglicht zusätzlich eine quasi »natürliche«
Evaluation, da Verbesserungen in einem Bereich so lange durchge-
führt werden, bis eine flächendeckende Optimierung erreicht werden
konnte. Dann wird dieser Aspekt für einen definierten Zeitraum nicht
mehr Gegenstand der Befragung sein, weil das Ziel erreicht wurde.
In der vorhergehenden Abbildung findet sich die exemplarische Dar-
stellung einer solchen Berichtskarte.

3.8.4 Wie lässt sich ein Zusammenhang zwischen Patienten-


und Mitarbeiterzufriedenheit herstellen?

Bisher standen im Mittelpunkt meiner Ausführungen die Methodik


und das Vorgehen im Bereich der Patientenbefragung. Ich hatte je-
doch angedeutet, dass im letzten Jahr zusätzlich eine Mitarbeiterbe-
fragung durchgeführt wurde. Entscheidend ist, dass die Befragung
nicht den Charakter einer reinen Zufriedenheitsanalyse haben sollte.
Es sollte im Gegenteil darum gehen, zu sondieren, welche Leistungs-

143
Abbildung 3-46: Berichtswesen »Ergebniskarte«.

144
potenziale aus der Sicht der Mitarbeiter im Konzern vorhanden sind
und wie man sie fördern könnte.
In diesem Zusammenhang entstand auch die Frage, wie eine Be-
ziehung zwischen Patienten- und Mitarbeiterbefragung herzustellen
sei, die die Umsetzung der Prozesse fördert. Dazu wurde in den
Fragenkatalog eine Dimension (Wie sehen uns unsere Patienten?)
einbezogen. In diesem Bereich tauchen wesentliche Aspekt, des im
Rahmen der Entwicklung der Patientenbefragung entwickelten Leit-
bildes auf, in dem die Mitarbeiter um ihre Sichtweise gebeten werden.

Wie sehen uns unsere Patienten? Trifft Trifft Teils- Trifft eher Trifft über-
voll zu eher zu teils nicht zu haupt nicht zu
Ich glaube, dass unsere Patienten unsere
Klinik bedenkenlos weiterempfehlen. I I I I I
Ich glaube, dass sich unsere Patienten
aufgrund ihrer Erfahrungen mit Helios
im Bedarfsfall erneut für Helios ent-
scheiden werden. I I I I I
Ich glaube, Helios wird insgesamt von
unseren Patienten wie folgt bewertet: I I I I I
Aus Patientensicht bietet Helios eine
qualitativ hervorragende und innovative
medizinische Versorgung. I I I I I
Aus Patientensicht bietet Helios eine
hervorragende pflegerische Betreuung. I I I I I
Aus Patientensicht bietet Helios eine
hervorragende Küche. I I I I I
Aus Patientensicht hat Helios den
Verwaltungsaufwand für Patienten
auf ein Minimum reduziert. I I I I I
Aus Patientensicht werden alle Infor-
mationsbedürfnisse erfüllt (z. B.: Erläuterung
der Stations- und Behandlungsabläufe). I I I I I
Aus Patientensicht kommunizieren wir
höflich, professionell und aufmerksam
(z. B.: Eingehen auf Beschwerden; mit
dem Patienten sprechen, nicht über ihn). I I I I I
Aus Patientensicht werden die Abläufe
konsequent nach seinen Bedürfnissen aus-
gerichtet (z. B.: Wartezeiten, Fertigstel-
lung der Unterlagen am Entlassungstag). I I I I I

Abbildung 3-47: Auszug Fragebogen Mitarbeiterbefragung.

145
So können die Mitarbeiter, die täglich Umgang mit den Patienten
haben und damit deren Wahrnehmung entscheidend beeinflussen, die
Qualität der erbrachten Dienstleistungen selbstkritisch einschätzen.

3.8.5 Was passiert,


wenn ein Bereich schlechte Ergebnisse erzielt hat?

Die Frage der Konsequenzen in Bezug auf die Ergebnisse solcher


Befragungen stellt einen der wichtigsten, aber auch schwierigsten
Aspekte dar. Welches Krankenhaus wird einem Arzt arbeitsrechtliche
Konsequenzen androhen, der unzureichende Ergebnisse in einer
Patientenbefragung erzielt? Welcher Arzt hat positive Konsequenzen
zu erwarten, dessen Patienten sich zufrieden äußern, der jedoch er-
höhte »Infektionsquoten« hat?
Um diese Bedenken aufzunehmen, aber trotzdem den Ergebnissen
der Befragung einen entsprechenden Platz einzuräumen, wurde ein
sequenzielles Vorgehen gewählt. Zunächst setzt man auf den Effekt
»Öffentlichkeit«. Die erzielten Ergebnisse werden sowohl im Kreis
der Klinik (z. B.: Chefarzt- und Stationsleiterrunden) als auch über die
Klinikgrenzen hinaus veröffentlicht. So kann jeder Interessierte er-
kennen, wie die einzelnen Häuser bzw. Bereiche aktuell abgeschnit-
ten haben bzw. wie sich die erzielten »Werte« bei Mehrfach-Messun-
gen entwickelt haben. Dieses Vorgehen wurde in dem Pilotbereich
erfolgreich praktiziert und wird beim »Roll-out« beibehalten.

3.8.6 Welche Erfahrungen sind bisher gemacht worden,


und welche Ergebnisse konnten erzielt werden?

Insgesamt können für das veränderte Vorgehen bisher im Wesent-


lichen positive Erfahrungen berichtet werden. Ausdrücklich akzep-
tiert wurden das methodisch klare Vorgehen und die frühzeitige
Kommunikation der Ziele und Inhalte. Kritisch gesehen wird die
Frage des Aufwandes, der für jede Führungskraft bei der Umsetzung
der Maßnahmen entsteht, und die latente Angst, dass mit dem

146
schlechten Abschneiden in diesem Bereich mittelfristig negative
Konsequenzen verbunden sein könnten.
Naturgemäß können wir keine ausgedehnten Studien über die
Reliabilität bzw. Validität des eingeschlagenen Vorgehens erheben.
Es zeigt sich jedoch ein deutlicher Vorteil darin, ein eigenes Leitbild
und daraus abgeleitete Fragen entwickelt zu haben, da so die Mitar-
beiter den Prozess aktiv mitgestalten konnten. Sehr bewährt hat sich
der Versuch, Quervergleiche zwischen den Ergebnissen der beiden
Befragungen zu ziehen.
In Zukunft wird es darum gehen, diese beiden Befragungsinstru-
mente noch stärker zu vernetzen, um eine Art »Treiberanalyse« vor-
zulegen (Wie müssen die »weichen« Faktoren ausgerichtet sein, um
optimalen ökonomischen Erfolg zu generieren?). Zweitens werden
erste Bezüge zu den »harten Analyseinstrumenten« hergestellt (z. B.
medizinische Qualität), um zu eruieren, ob eine Unzufriedenheit der
Patienten und/oder der Mitarbeiter einen Einfluss auf die optimale
medizinische Versorgung hat. Insgesamt ist es sicher schon jetzt ge-
lungen, einen Prozess in Gang zu setzen, der die Zufriedenheit der
internen und externen Kunden stärker in das Bewusstsein der Ver-
antwortlichen hebt – ein Unterfangen, mit dem auch Dienstleister
im Bereich von Industrieunternehmen erkennbare Schwierigkeiten
haben. Dieser Artikel basiert auf dem Projektstand von April 2005.

3.9 Kriterien für erfolgreiche Fusionen und Übernahmen

Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

Bei einer Übernahme eines Krankenhauses durch einen anderen Trä-


ger oder eine Klinikkette treffen häufig zwei völlig unterschiedliche
Kulturen aufeinander. Die Unternehmenskultur ist in jeder Organi-
sation über lange Zeit historisch gewachsen. Sie ist geprägt durch die
unterschiedlichsten Einflüsse z. B. durch den Träger, die Region in
der das Krankenhaus liegt, durch die Führungskräfte und natürlich
durch die Mitarbeiter. In verschiedenen Studien hat das Centrum für

147
Krankenhausmanagement Kriterien für eine erfolgreiche Fusion bzw.
eine erfolgreiche Übernahme identifiziert:

– Schnelligkeit, um den ewigen Bedenkenträgern die Chance zur


Streuung von Gerüchten zu nehmen;
– klares strategisches Konzept mit Zielen, Kosten/Nutzen-Relationen
und transparent nachvollziehbaren Kriterien zur Beurteilung pas-
sender Übernahme-/Fusionskandidaten;
– aktives Einbinden der Mitarbeitervertretung in die Planung und
Realisierung des Prozesses;
– sachliche, wahrheitsgemäße Sprachregelung zur Information von
Mitarbeitern und Presse; Grundsatz: zuerst die Mitarbeiter, dann
die Presse.

Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 6. Dezember 2003

Wie man es besser nicht machen sollte, zeigt ein Artikel aus der Stutt-
garter Zeitung vom 6. Dezember 2003 über die Auflösung des Lan-
desgewerbeamts. Der Artikel beginnt mit dem bezeichnenden Satz:
»Die Mitarbeiter wussten gestern noch nichts von dem drohenden
Aus für ihre Behörde.« Stellen Sie sich vor: Die Mitarbeiter dieser
Behörde sitzen am Samstagmorgen beim Frühstück, schlagen die
Stuttgarter Zeitung auf und lesen diesen Artikel.

148
Glauben Sie, dass diesen Mitarbeitern der Kaffee noch schmeckt?
Sicherlich nicht. Wahrscheinlich haben die Mitarbeiter schon das eine
oder andere geahnt. Aber dennoch – eine Auflösung ist schon etwas
anderes als eine Umstrukturierung und hätte den Mitarbeitern zuerst
kommuniziert werden müssen.
Was geschah dann am Montag? Erstaunlicherweise nichts!
Der Personalrat, die Führungskräfte und die Mitarbeiter wurden
unruhig und bedrängten die Amtsleitung. Was hat das zu bedeuten?
Was geschieht nun? Wie geht es mit uns weiter?
Die Tage vergingen und schließlich kam am Donnerstag eine
E-Mail von der Amtsleitung: Man möge es der Amtsleitung nicht übel
nehmen, aber sie könne nicht zu jeder Pressemeldung Stellung be-
ziehen.
Hier geht es um die Existenz von Mitarbeitern. Natürlich sind in
einer Behörde viele Mitarbeiter unkündbar. Aber kann man trotzdem
davon ausgehen, dass es reichen muss, dass es bei der Umsetzung
der Verwaltungsreform in Baden-Württemberg keine betriebsbeding-
ten Kündigungen geben darf? Dass die Mitarbeiter froh sein dürfen,
dass sie am Ende des Monats ihr Gehalt erhalten? Schließlich wird
man im öffentlichen Dienst ja für die Anwesenheit bezahlt.
In jedem Fall führte das Verhalten der Amtsleitung dazu, dass eine
völlige Demotivation der Mitarbeiter einsetzte, der Flurfunk brummte
und die Gerüchteküche brodelte.

3.10 Zur Psychologie der Fusion

Winfried Berner

Der »state of the art« im Management von Post-Merger-Integrationen


entspricht derzeit dem eines mäßig entwickelten Handwerks. Es gibt
durchaus etliche tüchtige und wohl sogar einige geniale »Hand-
werksmeister«, doch Wissensmanagement und vor allem Wissens-
transfer laufen ab wie im Mittelalter: Interessierte Adepten gehen bei
erfahrenen Meistern in die Lehre und »lernen am Modell«. Das in
Büchern transportierte »Wissen« ist völlig unzureichend wissen-

149
schaftlich abgesichert und stellt eine bunte Mischung aus Legenden
(Autobiografien), Angstmache und Eigenwerbung (Berater-Publika-
tionen) dar.
Dieser Artikel ist der Versuch, auf Basis der Erfahrung aus der teil-
nehmenden Beobachtung und Mitgestaltung von rund 15 großen und
kleinen Fusionen einige provisorische Brücken zwischen Theorie und
Praxis zu schlagen, die Bausteine für eine psychologisch fundierte
Technologie der Post-Merger-Integration werden könnten. Das beson-
dere Augenmerk gilt dabei den Fällen, wo psychologische Überlegun-
gen zu kontraintuitiven Schlussfolgerungen führen – einfach des-
halb, weil der praktische Nutzen der Psychologie dort am größten ist,
wo sie uns auf Fallen aufmerksam macht, in die wir bei vermeintlich
vernünftigem Handeln tappen würden.

3.10.1 Die emotionale Dynamik von Fusionen und Übernahmen

Der Ursprung vieler Probleme bei Fusionen und Übernahmen liegt


darin, dass bereits ganz am Anfang die emotionale Dynamik von Füh-
rern und Geführten auseinander klafft. Zu dem Zeitpunkt, wo die Fu-
sion oder Übernahme verkündet wird, haben das Top-Management
und sein engster Mitarbeiterkreis eine strapaziöse Zeit hinter sich:
Sie sinken nun, da der Vertrag endlich unterschrieben ist, aufatmend
und erschöpft in ihre Sessel zurück. Zudem haben sie alle Hände voll
damit zu tun, den Deal den Medien vorzustellen und gegenüber kri-
tischen Analysten zu verteidigen. Dass die eigentliche Arbeit jetzt erst
beginnt, darauf sind viele Fusionsmanager ebenso wenig vorbereitet
wie auf die Fallen und Hürden, die vor ihnen liegen (Monnery und
Peck 2000).
Während das Top-Management den Deal feiert, schlägt die Nach-
richt von der bevorstehenden Fusion oder Übernahme in den betrof-
fenen Unternehmen ein wie eine Bombe. Von dem Moment an, wo
diese Nachricht heraus ist, ist nichts mehr wie es war: Ȇber allen
Planungen, Entscheidungen und Aktivitäten schwebt ein großes
Fragezeichen. Die Investition in die Entwicklung neuer Produkte
liegt ebenso auf Eis wie Nachfolgeplanungen und Karrierezusagen.«
(Berner 2001: S. 13).

150
Damit beginnt eine Phase, die für die Mitarbeiter aller Hierarchie-
ebenen (mit Ausnahme derjenigen, die die Verträge ausgehandelt
haben) die typischen Merkmale eines Kontrollverlusts hat: Vom einen
auf den anderen Moment sind sie nicht mehr Herr ihres eigenen
Schicksals, sondern – zumindest in ihrer dramatisierenden Wahr-
nehmung – wehrloser Spielball der Entwicklungen, die da auf sie
zukommen – was bei Psychologen natürlich Assoziationen an die
Theorie der gelernten Hilflosigkeit (Meyer 2000) weckt. Nach der in-
tegrierten Theorie von Wortman und Brehm (Herkner 1991) sollten
die Mitarbeiter auf eine solche Zäsur zunächst mit Widerstand rea-
gieren, nach dessen Scheitern mit Hilflosigkeit und Apathie.
In der Tat lassen sich solche Reaktionen sowohl auf individueller wie
auch auf kollektiver Ebene beobachten; allerdings laufen sie nicht so
geordnet und sequenziell ab wie im sozialpsychologischen Lehrbuch.

– Manche mutlosen Mitarbeiter werfen die Flinte sofort ins Korn und
warten tatenlos ab, was Betriebsrat und Arbeitsamt für sie tun.

Abbildung 3-48: Die typischen Ängste auf drei Hierarchieebenen (Top-Manage-


ment, mittleres Management und Mitarbeiter) im übernehmen-
den und übernommenen Unternehmen.

151
– Andere versuchen auf unterschiedlichste Art – z. B. durch aktive
Jobsuche oder durch Bewerbung für Integrationsteams –, wieder
zu Herren ihres eigenen Lebens zu werden.
– Auch der »Schläfer-Effekt« der Reaktanz ist für unliebsame Über-
raschungen gut: Manche Mitarbeiter, die sich scheinbar in ihre
neue Rolle eingefunden hatten, entdecken plötzlich eine Chance,
ihre verlorene Freiheit wiederherzustellen – und informieren den
verdutzten Vorgesetzten von ihrer Kündigung.
– Andere schließen sich zu informellen »Bruderschaften der alten
Welt« zusammen und lassen die neuen Kollegen nach allen Regeln
der Kunst auflaufen.

Was den Gesamtverlauf aber besonders beeinflusst, sind massen-


psychologische Effekte. Jeder Mitarbeiter nimmt ja das Verhalten sei-
ner Kollegen wahr und erlebt die Diskussionen auf den Gängen mit.
So entstehen Wechselwirkungen: Nicht nur Panik kann anstecken,
sondern offenkundig auch Gelassenheit. So kommt es, dass oftmals
längere Wartephasen zwischen Ankündigung und Umsetzung einer
Fusion in scheinbarer Ruhe verstreichen. Nur einige wenige koppeln
aus dieser Grundstimmung aus und handeln – im Stillen – auf eigene
Faust.
Den typischen Klimaverlauf einer Post Merger Integration habe ich
auf Basis meiner eigenen Erfahrungen in einer kleinen »Massen-
psychologie der Fusion« (Berner 2005b) zusammengestellt:

• Phase 1: Aufregung. Klassische Stressreaktionen nach der Ankündigung (oder dem


Durchsickern) angesichts einer konkreten Bedrohung, für die keine geeignete Bewälti-
gungsstrategie zur Verfügung steht. Heftige Diskussionen auf allen Fluren, aber in al-
ler Regel ohne konkrete Handlungskonsequenzen.
• Phase 2: Verdrängung/Verleugnung. Latenzphase, die häufig, aber nicht immer ent-
steht, wenn zwischen der Ankündigung und den vor dem Start der Umsetzung erfor-
derlichen Genehmigungsschritten (Hauptversammlungen, Kartellbehörden) eine län-
gere Wartezeit liegt.
• Phase 3: Panik. Der Start der Umsetzung beendet schlagartig die Verdrängung und
löst bei vielen Mitarbeitern massive Zukunftsängste aus, auf die die einen mit hekti-
scher Betriebsamkeit und andere mit Lethargie (»Totstellreflex«) reagieren.
• Phase 4: Entscheidungen. Schrittweise Weichenstellungen in Sachen Organisation,
Stellenbesetzungen, Abläufe und Systeme verwandeln Ungewissheit in (positive oder
negative) Sicherheit.

152
• Phase 5: Auseinandersetzung. Die Auseinandersetzung mit der neuen Situation mün-
det in persönliche Weichenstellungen: Anpassung, Kampf, Rückzug, Resignation/De-
pression oder Abwanderung.
• Phase 6: Neue Normalität. Die »normative Kraft des Faktischen« greift; die neuen
Strukturen, Abläufe und Systeme fangen »irgendwie« zu arbeiten an; unter dem
Schatten der jüngsten Erfahrungen entsteht ein neuer, weitgehend wieder berechen-
barer Alltag.
• Phase 7: Nachbeben. Oft mit erheblichem zeitlichen Abstand zu den voraus-
gegangenen Phasen werden Entscheidungen korrigiert, die im ersten Anlauf (Phase 4)
nicht genau oder nicht konsequent genug getroffen wurden; die Bandbreite reicht von
marginalen Anpassungen bis zu dramatischen Einschnitten, wenn zum Beispiel ein
»Sofortprogramm« zur Erreichung der Synergieziele – sprich: eine zweite Runde von
Personalabbau – ausgerufen wird.

Checkliste 3-5: Typischer Klimaverlauf einer »post-merger integration«.

Anders als im Labor vermengen sich in diesen Phasen psychologische


Prozesse mit immer neuen Stimuli, die durch das Fortschreiten der
Integration, die aktuelle Geschäftsentwicklung und das Handeln des
Managements gesetzt werden. Je später das Management die Not-
wendigkeit erkennt, die Mitarbeiter und Führungskräfte offen über
Ziele, Hintergründe und vor allem das weitere Vorgehen zu infor-
mieren, desto mehr Eigendynamik entwickelt der massenpsychologi-
sche Prozess – bis hin zu dem Punkt, wo er sich weitgehend der Kon-
trolle des Managements entzieht. Dann kann das Management
kommunizieren, soviel es will – die Belegschaft hört, obschon sie
nach Informationen dürstet, kaum noch hin, weil sie das Manage-
ment nicht mehr als Quelle verlässlicher Information ansieht. Dass
solch eine Entwicklung in ein ökonomisches Desaster führen muss,
ist offensichtlich.

3.10.2 Fusionsstrategie und Integrationskonzept –


psychologische Auswirkungen
eines völlig unpsychologischen Themas

Wer sollte etwas dagegen einzuwenden haben, dass man sich bei
der Integration zweier Unternehmen um größtmögliche Fairness,

153
Gerechtigkeit und Objektivität bemüht? Wegen ihres Appeals von
Integrität ist die Fusionsstrategie »Merger of Equals« (Fusion unter
Gleichen) das bei weitem beliebteste Konzept für Fusionen und Inte-
grationen jedenfalls bei denen, die es noch nicht ausprobiert haben.
Wer es schon miterlebt hat, weiß, dass die a priori so überzeugende
Idee bei der Realisierung einige Tücken aufweist, die den edlen Ge-
danken in sein hässliches Gegenteil verkehren können.
Der Grund für diese Paradoxie ist, dass ein »Merger of Equals«
zwei Nebenwirkungen hat, die im Kontext einer Fusion äußerst pro-
blematisch sind: Eine solche Vorgehensweise kostet viel Zeit, und sie er-
zeugt Komplexität. Denn wenn die Fusionsstrategie »Verschmelzung
von Gleichen« lautet, heißt das Programm für die Umsetzung fast
zwangsläufig »Best of Both Worlds«. Und damit beginnen die Kompli-
kationen. Denn wie stellt man fest, was das Beste aus beiden Welten ist?
Gleich, ob es um die Qualität von Führungskräften, von Prozessen
oder von IT-Systemen geht, jede Entscheidung setzt gemeinsam an-
erkannte Kriterien voraus. In der Praxis zeigt sich jedoch schnell, dass
es genau daran fehlt – nicht nur »aus politischen Gründen«, sondern
auch, weil beide Seiten unterschiedliche Kulturen haben und auf
unterschiedliche Arten das Geschäft betreiben, möglicherweise sogar
unterschiedliche Erfolgsmaßstäbe haben.
Die Suche nach dem »Besten der beiden Welten« wird daher zu
einem mühseligen Ringen um Kriterien – und zwar auf allen Ebenen,
die bei einer Integration abzudecken sind. Das ist unglaublich viel Ar-
beit, die in kürzester Zeit – und in einem sehr angespannten Klima –
bewältigt werden muss. Hat man die Kriterien schließlich, braucht
man weiter ein möglichst transparentes und objektives Bewertungs-
verfahren – ebenfalls für Produkte, Systeme, Prozesse und Menschen.
Noch schlimmer als Komplexität und Arbeitsbelastung ist der Zeit-
bedarf, um all das zu realisieren. Der Auswahlprozess für die Neube-
setzung der Führungsebenen dauert oft mehrere Monate und ist für die
betroffenen Führungskräfte ebenso schwer zu ertragen wie für deren
Mitarbeiter. Je länger die Wartezeit, desto mehr Leistungsträger werden
über ihre beruflichen Alternativen nicht bloß nachdenken, sondern
handeln – mit tatkräftiger Unterstützung zahlreicher Headhunter, die
fusionierende Unternehmen alsbald umkreisen (Berner 2005 c).

154
In diesen Monaten läuft im Unternehmen nicht sehr viel. Das Ta-
gesgeschäft funktioniert »mit halber Kraft voraus«, Kunden werden
vernachlässigt, Spielzüge von Wettbewerbern zu spät registriert und
beantwortet, Veränderungsinitiativen verpuffen. In dieser Phase sind
fusionierende Unternehmen extrem angreifbar durch klug eingefä-
delte Attacken von Wettbewerbern, gleich ob sie auf wichtige Kunden
zielen oder auf die Abwerbung von Führungskräften. In den USA gibt
es inzwischen Ratgeber, wie man am meisten Kapital aus Fusionen
und Umstrukturierungen von Wettbewerbern schlagen kann (Grubb/
Lamb 2000). So wird der »Merger of Equals« zum Beispiel dafür, dass
Gerechtigkeit (oder Fairness) nicht bloß eine inhaltliche, sondern
auch eine zeitliche Dimension hat, und dass eine Lösung, die zu
lange dauert, weder gerecht ist noch den Betroffenen gerecht wird.
Festzuhalten bleibt, dass sich alle Überlegungen an einer simplen
betriebswirtschaftlichen Tatsache ausrichten müssen: Jede Fusion
und jede Übernahme – und auch jede Umstrukturierung – ist eine
massive Beeinträchtigung des operativen Geschäfts, also dessen, wo-
von die Unternehmen leben. Die zentrale Aufgabe des Integrations-
managements ist es, diese Störung so kurz wie möglich zu halten,
ihren Schaden zu begrenzen und das neue Unternehmen so rasch
wie möglich wieder handlungsfähig zu machen – und trotzdem die
versprochenen Synergien einzulösen. Das gelingt am ehesten, wenn
man nicht ausschließlich auf Kostensynergien (Berner 2005b) starrt,
sondern frühzeitig neues Wachstum ansteuert (Habeck, Kröger und
Träm 1999).

3.10.3 Abstoßungsreaktionen: Gefahr im eigenen Lager

Wichtige Erkenntnisse über die psychologischen Abläufe bei Fusio-


nen lassen sich aus den Forschungen über das menschliche Risiko-
verhalten ableiten (Kahneman/Tversky 1982). Entgegen weit verbrei-
teten Meinungen sind Menschen nicht generell risikoscheu.
Vielmehr hängt ihre Risikobereitschaft stark davon ab, in was für
einer Situation sie sich befinden: Haben sie einen Besitzstand zu
bewahren, sind sie in der Tat risikoscheu und versuchen alles zu

155
vermeiden, was ihn in Gefahr bringen könnte – wollen sie hingegen
einen drohenden Verlust (oder Nachteil) abwenden, sind sie durchaus
risikobereit.
Bei Fusionen, Übernahmen und Integrationsprozessen steht der
Hierarchie des übernommenen Unternehmens die Hierarchie des
Übernehmers gegenüber, und es lassen sich auf jeder Seite drei große
Gruppen unterscheiden; jede davon ist geprägt von ganz typischen
Ängsten und Befürchtungen (Abbildung 3-48) im übernehmenden
und übernommenen Unternehmen. Vier dieser sechs Gruppen sind
mit dem Rechtskräftigwerden der Fusion in einer »Verlustposition«,
das heißt in einer Situation, wo sie erhebliche persönliche Nachteile
nur noch abwenden können, wenn sie handeln und etwas riskieren.
Die beiden Ausnahmen, die nichts zu riskieren brauchen, sondern
nur ihren Besitzstand bewahren und verteidigen müssen, sind die
Mitarbeiter und das mittlere Management des übernehmenden
Unternehmens.
– Das Top-Management des Übernehmers ist »zum Erfolg ver-
urteilt«; es muss bei Strafe seiner unehrenhaften Ablösung den
Beweis erbringen, dass die versprochenen Synergien tatsächlich

Abbildung 3-49: Schema zur Wirkung von Unternehmenskulturen auf die


Abstoßungsreaktion.

156
realisiert werden können und der Wert des Unternehmens durch
die Übernahme steigt.
– Dem Top-Management des übernommenen Unternehmens steht
entweder – bei einer feindlichen Übernahme – sein Abgang un-
mittelbar bevor. Oder es hat der Fusion zugestimmt; dann ist es
jetzt in der gleichen Situation wie das Management des überneh-
menden Unternehmens: Es ist den Shareholdern schuldig, alles in
seinen Kräften Stehende zu tun, um die Fusion zum Erfolg zu füh-
ren.
– Das mittlere Management wie auch die Mitarbeiter des übernom-
menen Unternehmens müssen die Spielregeln akzeptieren, die
vom Übernehmer gesetzt werden; was ihnen an Besitzständen
verbleibt, ergibt sich aus den Modalitäten der Fusion, aus § 613 a
BGB (den gesetzlichen Regeln zum Betriebsübergang) und aus
dem Kündigungsschutzgesetz. Wenn sie in dem fusionierten
Unternehmen noch etwas werden wollen, müssen sie daher die
Initiative ergreifen und etwas riskieren. Falls sie ihren Job be-
halten, befinden sie sich in den neuen Abteilungen meist in
einer Minderheitenposition. Auch dann müssen sie handeln und
auf ihre neuen Kollegen zugehen, wenn sie nicht »versauern« wol-
len.
– Ganz anders das mittlere Management und die übrigen Mitarbei-
ter des übernehmenden Unternehmens. Sie befinden sich in ei-
ner relativ komfortablen Position: Sie ahnen zwar, dass die Inte-
gration wohl auch für sie einige Verwerfungen bringen wird, doch
sie behalten nicht nur ihre Jobs, sondern im Wesentlichen auch
ihre Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeiter. Auch die eingespiel-
ten Abläufe, Informationskanäle und Seilschaften bleiben zu-
nächst einmal erhalten. Sie müssen also nur ihren Besitzstand
gegen die unliebsame Konkurrenz verteidigen. Und genau das
tun sie auch!

Die größte Gefahr für den Erfolg einer Fusion geht daher nicht etwa
von den Abwehrreaktionen des übernommenen Unternehmens aus
und auch nicht von der viel beschworenen »Unverträglichkeit
der Unternehmenskulturen«, sondern von den eigenen Leuten.

157
Sie fühlen sich einerseits als Sieger, spüren andererseits die dro-
hende Konkurrenz durch die »Neuankömmlinge«. Also sind sie sich
auch ohne formale Absprache schnell darüber einig, dass man den
ungebetenen Eindringlingen erst einmal deutlich machen muss,
»wo der Hammer hängt«. Das heißt, Mitarbeiter und mittleres Ma-
nagement des übernehmenden Unternehmens lassen ihre neuen
Kollegen nach allen Regeln der Kunst auflaufen, bremsen sie aus,
werfen ihnen Knüppel zwischen die Beine – und sind davon allen-
falls durch ein gutes Management der Integration abzubringen
(siehe Kasten).

Die Übernahme von Nixdorf durch Siemens:


Ein Paradebeispiel für eine Abstoßungsreaktion.
Nixdorf war ein flexibles und kundenorientiertes Unternehmen, das insbesondere im
Bankensektor eine starke Stellung besaß. Doch nach dem plötzlichen Tod seines Grün-
ders Heinz Nixdorf war es in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, die durch seine
Nachfolger eher verschärft als gelöst wurde.
Die Übernahme durch Siemens wurde zum Desaster. Insbesondere die mittleren Füh-
rungsebenen von Siemens verhielten sich genau so, wie nach obiger Analyse zu erwar-
ten, mit der Folge, dass die flexiblen Nixdorfer förmlich an der Siemens-Bürokratie zer-
schellten. Ihre Anliegen wurden durch den kühlen Verweis auf Antragswege und
Zuständigkeiten systematisch abgeblockt. Das hatte bald Folgen: Die Nixdorf-Mitarbei-
ter begannen abzuwandern; zunächst nur wenige, aber bald in hellen Scharen. Nach
wenigen Jahren waren von der Nixdorf-Belegschaft nur noch diejenigen übrig, die ent-
weder keine Alternativen fanden oder zu ängstlich für einen Wechsel waren – eine kon-
sequente Negativauslese. Was zur Folge hatte, dass das Ganze bald deutlich weniger
Wert war als die Summe der Teile – ein klassisches Beispiel dafür, dass die psychologi-
schen Prozesse bei Fusionen zu »negativen Synergieeffekten« führen können.

3.10.4 Kulturkonflikte und kulturelle Integration

Nun könnte man argumentieren, dass solche Abstoßungsreaktionen


doch etwas mit einer Unverträglichkeit der Kulturen zu tun hätten –
schließlich seien auch im Siemens-Nixdorf-Beispiel (siehe Kasten)
zwei recht unterschiedliche Kulturen aufeinander getroffen. In der
Tat spielen die Unternehmenskulturen bei Fusionen eine Rolle –
allerdings eher als mögliche zusätzliche Erschwernis, nicht als die
eigentliche Ursache von Abstoßungsreaktionen.

158
Je unterschiedlicher die Unternehmenskulturen der beteiligten
Unternehmen sind, desto häufiger kommen Missverständnisse und
Fehlinterpretationen vor und desto schwerer tun sich die Beteiligten,
miteinander warm zu werden. Besonders schwierig wird es nach un-
seren Erfahrungen, wenn eine offene, hohe persönliche Gestaltungs-
spielräume bietende Kultur von einer sehr patriarchalischen oder
bürokratischen Organisation übernommen wird.
Das heißt aber noch lange nicht, dass die Integration einfach ist,
wenn die Kulturen sich ähnlich sind. Vielmehr kommt es in solchen
Fällen zu einer »Kontrastverstärkung«, das heißt, die Mitarbeiter –
insbesondere die des übernehmenden Unternehmens – betonen die
Unterschiede und blähen sie auf. Mit anderen Worten, wer unüber-
brückbare Unterschiede sucht, wird sie finden, unabhängig von deren
objektiven Größe.
Wie die Ähnlichkeit oder Unterschiedlichkeit der Unternehmens-
kulturen die Abstoßungsreaktionen beeinflusst, lässt sich anhand des
in Abbildung 3-49 dargestellten Schemas vorhersagen:
– Bei stark unterschiedlichen Unternehmensgrößen mündet die
Kontrastverstärkung, wenn niemand steuernd eingreift, in das Ent-
stehen von Enklaven, also von kleinen Inseln der übernommenen
Kultur in der des Übernehmers. Mittelfristig droht diesen Kulturen
der Untergang – entweder durch Konflikte und »Vertreibung« oder
durch »Aussterben«. Zur Assimilation, also zum völligen Aufgehen
der einen Kultur in der anderen, kommt es dann, wenn die Mit-
arbeiter des übernommenen Unternehmens so weit zerstreut wer-
den, dass nirgendwo die kritische Masse für eine eigene Subkultur
bestehen bleibt. Denn zwei oder drei Leute können auf die Dauer
keine lebensfähige eigene Kultur bilden. Andererseits zeigen viele
Beispiele aus Politik und Gesellschaft, dass für eine Enklavenbil-
dung schon relativ wenige Personen reichen – wenigstens für ei-
nige Jahre oder Jahrzehnte. Auch in Unternehmen findet man
manchmal noch Jahre nach einer Fusion solche Inseln einer (stili-
sierten) alten Kultur, die meistens auch von ihrer Umgebung als
»Staat im Staat« empfunden und bezeichnet werden.
– Wenn keine der beiden Kulturen stark genug ist, um sich durchzu-
setzen, kann, eventuell nach vorausgegangener Kontrastverstär-

159
kung, der ungünstigste Fall eintreten: ein »Stellungskrieg« zwi-
schen den Kulturen, der alle Merkmale eines »kalten Konflikts«
hat. Das militärische Vokabular ist in diesem Fall angebracht, denn
zwischen den Lagern kommt es tatsächlich zu anhaltenden Feind-
seligkeiten, die mit hoher destruktiver Energie und erheblichen
Kollateralschäden für das Geschäft ausgefochten werden. Häufig
finden solche Stellungskriege mit ausländischen Tochtergesell-
schaften statt, wo die einen darum kämpfen, ihre verbliebene Auto-
nomie zu wahren, während die anderen sich verzweifelt bemühen,
die widerspenstige Tochter endlich »in den Griff zu bekommen«.
Angesichts der Tatsache, dass die größte Bedrohung für den Erfolg
einer Integration von den eigenen Leuten ausgeht, stellt sich die
Frage: Was kann man tun, um dem entgegenzuwirken?
Ein erster wichtiger Schritt ist mit dem Erkennen der Problemlage
bereits getan. Denn oftmals dauert es unglaublich lange, bis das Top-
Management überhaupt bemerkt, was sich da in seinem »toten Win-
kel« abspielt. Wenn man sich der Gefahr bewusst ist, hat man das
Problem zwar noch nicht gelöst, weiß aber zumindest, worauf man
gefasst sein muss.
Der zweite Schritt besteht darin, eine innere Linie für den Umgang
mit diesen Verhaltenstendenzen zu finden. Einerseits darf man ein
solches Verhalten nicht zulassen, wenn man nicht den Erfolg der
Integration aufs Spiel setzen will; andererseits hat es keinen Sinn,
darauf wütend zu reagieren oder in moralische Entrüstung zu verfal-
len. Denn was wir hier erleben, ist keine Bösartigkeit, sondern ganz
normales menschliches Risikoverhalten.
Die Tendenz zur »Abwehr der Eindringlinge« lässt sich großflächig
nur durch eine Veränderung der Rahmenbedingungen der Integra-
tion reduzieren. Denn es hilft alles nichts: Solange sie Besitzstände zu
bewahren haben, werden sich die meisten Mitarbeiter risikoscheu
und defensiv verhalten. Erst wenn ihnen selbst ein Verlust droht, wird
ihre Risikobereitschaft ansteigen. Die Aufgabe ist also, die eigenen
Mitarbeiter und Führungskräfte in eine Situation zu bringen, wo sie
etwas tun müssen, um einen drohenden Verlust abzuwenden.
Anhaltspunkte dafür, wie dies geschehen kann, liefern die frühen
Sherif-Experimente (Hofstätter 1976: 108 ff.), die untersuchten, wie

160
sich getrennte (Sub-)Kulturen wieder zusammenbringen lassen. She-
rif fand heraus, dass dies genau dann gelingt, wenn es einen konkre-
ten übergeordneten Grund gibt, der es wert ist bzw. erforderlich
macht, die Gruppenegoismen hintan zu stellen und mit den anderen
zu kooperieren.
In der Wirtschaft wird hier sehr häufig das Argument der Wettbe-
werbsfähigkeit oder noch dramatischer, der »Kampf ums Überleben«
bemüht. Doch meine wiederkehrende Erfahrung ist, dass keines von
beiden geeignet ist, als dauerhafte Energiequelle zu dienen. Das mag
damit zusammenhängen, dass negativ formulierte Ziele proble-
matisch sind. Nicht nur, dass unser Gehirn angeblich – eine seriöse
neurologische Quelle hierfür ist mir nicht bekannt – außerstande ist,
Negationen zu verarbeiten; noch wichtiger dürfte sein, dass Vermei-
dungsziele (»Auf keinen Fall absteigen!«) Dauerstress auslösen, der
früher oder später in einer Erschöpfungsreaktion endet. Und genau
das ist es, was Mitarbeiter einem sagen, wenn der Kampf ums Über-
leben über Jahre hinweg als Argument strapaziert wird: »Lieber ein
Ende mit Schrecken!«
Der beste Weg, die eigenen Leute aus ihrer defensiven Haltung
herauszuholen und die Kulturen zusammenzuführen, ist, das Unter-
nehmen unmittelbar nach der Fusion mit einer gemeinsamen Auf-
gabe zu konfrontieren, die die Manager aufs Äußerste fordert und sie
unabhängig von ihrer Herkunft zur Zusammenarbeit zwingt. Zum
ersten Mal habe ich dieses Herangehen Anfang der 90er Jahre bei der
großen Fusion von Asea und Brown Boveri zu ABB erlebt. Unmittel-
bar nach dem Merger konfrontierte die Konzernleitung das gesamte
Unternehmen mit der Forderung, die Durchlaufzeiten um 50 Prozent
zu verkürzen, 15 Prozent der Kosten einzusparen und zugleich die
Qualität zu verbessern. Diese »unmöglichen Ziele« waren nur durch
die komplette Neustrukturierung sämtlicher Abläufe – und damit
durch die »kreative Zerstörung« (Schumpeter) der alten Welten – zu
erreichen. Und sie gelang. In ähnlicher Weise leistete bei der Fusion
von Krupp und Hoesch das 4K-Programm einen entscheidenden
Beitrag zum Erfolg der Integration.

161
a
4. Die Diagnose von Unternehmens-
kulturen

Unternehmenskultur kann nur sehr schwer beschrieben und greifbar


gemacht werden.
Eine Unternehmenskultur kann man nur begrenzt sehen oder hö-
ren, da sie eher implizit als offensichtlich ist. Was charakterisiert eine
Unternehmenskultur? Wie kann eine Unternehmenskultur diagnos-
tiziert werden?

– Kapitel 4.1 stellt Methoden vor, mit denen die Unternehmenskultur


diagnostiziert werden kann.
– Kapitel 4.2 stellt die Merkmale einer Fehlerkultur dar.
– Kapitel 4.3 verdeutlicht, wie sich die Unternehmenskultur im Kran-
kenhaus von Land zu Land unterscheidet.

163
4.1 Möglichkeiten der Diagnose

Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

In diesem Kapitel werden Methoden zur Diagnose der Unterneh-


menskultur vorgestellt.
Grundsätzlich kann man sich über folgende Aspekte und Metho-
den die Unternehmenskultur erschließen:
– erste Eindrücke,
– zweite Eindrücke,
– Dokumentenanalysen,
– Befragungen,
– Workshops.

Erste Eindrücke zeigen sich in Gebäuden, Anlagen, Wegweisern,


Farben, Zugängen, Symbolen oder Ausstattung. Man spricht hier

Abbildung 4-1: Dieser Wegweiser im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an


der Technischen Universität Dresden signalisiert, dass es hier zur
Bildung von Warteschlangen kommen kann – ein Lächeln ist den-
noch erwünscht.

164
Abbildung 4-2: Die Tagesklinik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an
der Technischen Universität Dresden ist mit modernster Technik
ausgestattet. Die Farben wirken hell und freundlich.

Abbildung 4-3: Die Sitzecke in der Kinder- und Frauenklinik in der Universitäts-
klinik Dresden lädt zum Verweilen ein.

165
Abbildung 4-4: Im Aufenthaltsraum für Patienten und deren Gäste stehen auf
der Station Erfrischungsgetränke bereit.

auch von Artefakten. Die Bilder zeigen verschiedene Räumlichkeiten


in einem Krankenhaus. Bei der Betrachtung dieser Bilder kann man
sich bereits eine Meinung über das Haus bilden – und damit auch
bereits ein Urteil über die Kultur, die in dem Haus herrscht.
Zweite Eindrücke lassen sich anhand der folgenden Fragen einfan-
gen: Mit welchen Gesprächspartnern unterhält man sich? Welche
Botschaften werden durch diese Gesprächspartner vermittelt? Wie
gestaltet sich die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, zwi-
schen Pflegekräfte und Patient oder zwischen Pflegekräften und
Ärzten?
Die Möglichkeit, die Unternehmenskultur auf den ersten oder
zweiten Blick zu erschließen, ist eine eher intuitive Methode und läuft
häufig unbewusst ab.
Systematische Methoden, um die Unternehmenskultur zu erschlie-
ßen, sind nach Rosenthal und Wagner (2004: 110):

166
Abbildung 4-5: Die Informationstheke an der Uniklinik in Dresden wirkt hell
und freundlich.

Abbildung 4-6: Mit Hilfe der Projektionstechnik können kulturelle Treiber-


faktoren in einem Krankenhaus identifiziert werden.

167
Abbildung 4-7: Durch eine spontane Zurufabfrage wird eine Unternehmens-
kultur in ihren Eckpunkten charakterisiert.

– Befragung: Worauf kommt es hier an? Wie erfährt man davon? Was
gilt für alle? Wofür steht das Unternehmen? Wer prägt es? (Regeln,
Mythen, implizite Spielregeln);
– Dokumentenanalyse: Was vermitteln Medien/Dokumente? Gibt es
einheitlich-klare Botschaften? (Medien, Kommunikation);

168
Abbildung 4-8: Trailer-Abfragen in Organisationsentwicklungs-Workshops sowie
auf Kongressen, Strategietagungen und im Rahmen von Pro-
grammen zur Entwicklung der Unternehmenskultur in Kranken-
häusern sind der erste Schritt zur Kulturdiagnose.

– Workshop: Worauf sind wir stolz? Was hat die Mitarbeiter früher
stolz gemacht? Was macht sie heute stolz? Was trägt in diesem
Unternehmen? Woher bekommt man Unterstützung? Was ist hier
etwas wert? Was sollte man hier besser lassen? (Regeln, Werte, Nor-
men, Spiele);

169
– Interventionstechniken aus der Organisationsentwicklung (Projek-
tionsintervention).
Die Grafiken (S. 167–169) zeigen Beispiele aus Workshops, bei denen
die Unternehmenskultur mit verschiedenen Methoden diagnostiziert
wurde.

Im Rahmen einer Annäherung an die Unternehmenskultur sollten diese Fragen


beantwortet werden:
• Mit welchem Satz lässt sich Ihr Krankenhaus beschreiben?
• Worauf kommt es in Ihrem Krankenhaus wirklich an?
• Nach welchen Kriterien werden Mitarbeiter befördert?
• Welche Art von Leistungen, welches Verhalten wird belohnt?
• Von welchen Faktoren hängt es ab, ob neue Mitarbeiter in das Unternehmen
passen?
• Für welche Botschaften steht das Top-Management?
• Wie hoch ist die Anpassungs- und Veränderungsbereitschaft des Unternehmens
im Hinblick auf neue Produkte und neue Strukturen?
• Wie lassen sich kurz und prägnant die Motivation und die Einstellung der Mitar-
beiter beschreiben?
• Was transportieren die Führungskräfte an wirklichen Botschaften an ihre Mann-
schaft?
• Was sind die Probleme, die mehrfach ohne Erfolg angefasst wurden?
• Wie lassen sich Führung und Zusammenarbeit beschreiben?
• Was drückt sich über visuelle Botschaften (Unternehmensidentität) an Kultur-
merkmalen aus?
• Welche Manager-Typologien setzen sich in einem Unternehmen durch?
• Was muss ein neuer Mitarbeiter tun, um sich anzupassen?
• Worauf wird Wert gelegt?
• Was halten die Kollegen für wichtig?
• Was muss ich sagen und tun, um ein Teil der Gruppe zu sein?
• Was muss ich tun um die Aufmerksamkeit meines Chefs auf mich zu lenken (gut
und schlecht)?
• Was muss ich tun, um weiterzukommen?

Checkliste 4-1: Diagnose der Unternehmenskultur.

Eine weitere Möglichkeit, um den Ist-Zustand abzubilden, ist die


Erstellung eines Unternehmenskulturprofils. Hierzu kann das nach-
folgende Polaritätsprofil verwendet werden. Dieses besteht aus Paaren
von gegensätzlichen Eigenschaftswörtern.

170
Bitte geben Sie an, welches der beiden Wörter aktuell
die Unternehmenskultur in Ihrem Krankenhäusern beschreibt.
stimmt stimmt teils/ stimmt stimmt
genau eher teils eher genau

bekannt I I I I I unbekannt
abweisend I I I I I einladend
modern I I I I I altmodisch
leistungsfähig I I I I I nicht leistungsfähig
unfreundlich I I I I I freundlich
langsam I I I I I schnell
sorgfältig I I I I I oberflächlich
unsympathisch I I I I I sympathisch
offen I I I I I verschlossen
flexibel I I I I I starr
fortschrittlich I I I I I konservativ
organisiert I I I I I unorganisiert
gleichgültig I I I I I interessiert
zuverlässig I I I I I unzuverlässig
fair I I I I I unfair
misstrauisch I I I I I vertrauensvoll
nicht erfolgreich I I I I I erfolgreich
unterstützend I I I I I behindernd
selbstbewusst I I I I I zurückhaltend
interessant I I I I I langweilig
attraktiv I I I I I unattraktiv
kompetent I I I I I inkompetent
dynamisch I I I I I träge

Tabelle 4-11: Erstellung eines Unternehmenskulturprofils.

171
4.2 Fehlerkultur

Wilfried von Eiff

»Wer Fehler macht, wird bestraft. Wer keine


Fehler macht, wird befördert. Wer arbeitet,
macht Fehler. Also wird befördert, wer nicht
arbeitet.«
Schweizer Beamtenweisheit

Bei der Diagnose der Unternehmenskultur ist die Analyse der Feh-
lerkultur sehr hilfreich, da diese in der organisationskulturellen Wir-
kungskette eine wichtige Rolle spielt. Denn die Art und Weise, wie
mit Fehlern umgegangen wird, bestimmt automatisch den Stellen-
wert des Faktors Engagement in einer Organisationskultur.
Das Thema Fehlerkultur füllt Bände theoretischer Abhandlungen,
fehlt in nahezu keinem Leitbild und wird von den TQM-Protagonis-
ten als Grundlage des QM-Erfolges deklariert:
– »Fehler sind eine Lernchance«
– »Probleme sind Schätze«
– »Wer keine Fehler macht, arbeitet nicht«

– so lassen die »Fehler-Philosophen« unter den Management-Gurus


verlauten.

Aber die Realität sieht deutlich anders aus: Es dominiert das Phäno-
men der »verborgenen Fabrik«: Fehler werden vertuscht. Fehlerpro-
duzierende Organisationsabläufe werden nicht reorganisiert, sondern
durch kosmetische Maßnahmen in ihren Fehlerwirkungen erträglich
gemacht.
In einer Autofabrik wird ein Computer benötigt, um Ausschuss
und Nacharbeit »optimal« zu steuern; anstatt einen beherrschten Pro-
zess zu installieren, der Ausschuss und Nacharbeit gar nicht erst
entstehen lässt. Im Krankenhaus werden Springer eingesetzt, um
fehlende Medikalprodukte während einer Operation aus dem Lager
zu holen. Egal ob Computer oder Springer: Beide Maßnahmen sind

172
Investitionen in die »verborgene Fabrik«; sie stellen Investitionen in
Ressourcen und Arbeitsabläufe dar, die ohne wirkliche Wertschöp-
fung für den Kunden sind. Sie kommen zustande durch Planungs-
fehler, durch nicht beherrschte Arbeitsprozesse, durch eine unabge-
stimmte Organisation, usw.
Warum werden solche »hidden factory«-Strukturen nicht ver-
bessert? Weil in den meisten Organisationen eine Fehlerkultur vom
Typ A anzutreffen ist:
– Fehler werden durch Personen verursacht.
– Damit Personen in Zukunft keine Fehler mehr machen, müssen
sie für Fehler bestraft werden.
– Bestrafte Personen begehen dann auch keine Fehler mehr, weil sie
ab sofort Fehler vermeiden.

Die Folge: Diese Mitarbeiter


– machen Dienst nach Vorschrift,
– verschweigen Fehler,
– lasten Fehler anderen an,
– berichten geschönt,
– beantragen Investitionen in die verborgene Fabrik (und begründen
logisch nachvollziehbar),
– stehlen sich durch Bedenkenträger aus der Verantwortung oder
– arbeiten nicht mehr, sondern »wirken« nur noch »mit«.

Etwa 85 Prozent der befragten Mitarbeiter wurden für gemachte Feh-


ler aus deren Sicht ungerecht bestraft, weil die Fehler
– aus Zeitdruck,
– als Folge von außerordentlichem Engagement oder
– aufgrund der schlechten Organisation
begangen wurden.

Immerhin fast 60 Prozent bemängelten, dass sie darüber hinaus


wegen ihres Fehlers in ungebührlicher Weise getadelt worden sind,
indem sie vor Patienten, Angehörigen, unbeteiligten Dritten oder Kol-
legen »fertig gemacht« wurden.
Die Fehlerkultur vom Typ B hat in den meisten deutschen Kran-
kenhäusern eher den Charakter einer Langfrist-Vision. Diese Fehler-

173
kultur geht davon aus, dass Fehler durch ein System erzeugt werden:
also durch das Zusammenwirken von Organisation, Person, Ge-
bäude, Technik usw. Personen spielen eine besondere Rolle: Sie ver-
fügen über die Fähigkeit der Fehlererkennung und Fehlerabstellung,
also der Systemverbesserung.
In dieser Kultur sind Fehler keine Ergebnisse, sondern Episoden
bzw. Zwischenschritte auf dem Weg zu Innovationen und Wett-
bewerbsvorteilen.
Wie wichtig eine vertrauensbasierte Unternehmenskultur ist, zeigt
sich in Ausnahmesituationen. Für autoritär und zentralistisch ge-
führte Unternehmen ist es charakteristisch, dass in kritischen Si-
tuationen (Kunde konfrontiert uns mit einem peinlichen Fehler und
verlangt einen sofortigen erheblichen Preisnachlass) sich kein Mitar-
beiter traut, ohne Rücksprache mit dem Chef eine kundengerechte
Entscheidung zu treffen. Wie man aus verunsicherten, unzufrie-
denen Kunden solche mit Loyalität zum Unternehmen macht, hat
Daimler-Benz im Nachgang zum Elchtest-Drama um die neue
A-Klasse gezeigt. Man hat den Kunden ernst genommen, sich öffent-
lich entschuldigt und die A-Klasse technologisch so aufgerüstet, dass
völlig neue Maßstäbe für die A-Klasse insgesamt etabliert wurden;
sehr zum Leidwesen der Konkurrenz, die zähneknirschend und
renditefeindlich reagieren musste.

Stefan Vahrenholt bestellt Pizza – ein Krankenpfleger zeigt,


was motivierte Mitarbeiter in einer Vertrauenskultur bewirken können
Was professionelles Dienstleistungsverständnis, uneingeschränkte
Kundenorientierung und dezentrale Handlungsfreiheit sowie Ent-
scheidungskompetenz in einem Krankenhaus bedeuten, demons-
trierte der Krankenhauspfleger Stefan Vahrenholt. Als die Küche
abends wegen eines technischen Defekts kein Essen ausliefern konn-
te, lud er die 22 Patienten spontan zur Pizza ein – zunächst auf eigene
Rechnung. Damit verhielt er sich kundenorientiert, und seine Patien-
ten waren begeistert von seinem Engagement. Die Patienten erlebten
einen »moment of truth«. Diesen Augenblick der Wahrheit über die
gelebte Führungskultur im Evangelischen Krankenhaus Herne er-
lebte Stefan Vahrenholt am nächsten Tag, als er seine Geschäftsführer

174
In Ausnahmesituationen erlebt der
Kunde die »Momente der Wahrheit«
und er spürt die Sozialqualität eines
Unternehmens. Krankenpfleger Ste-
phan Vahrenholt bestellt Pizza für
alle Patienten und löst damit ein Ver-
sorgungsproblem der Küche kunden-
orientiert. Foto: Evangelisches Kran-
kenhaus Herne.

um Auslagenersatz bat. Nun waren seine obersten Chefs von ihm und
seiner kundenorientierten Handlungsweise begeistert: Ein erlebbarer
Beweis für eine Vertrauenskultur war durch die oberste Führung und
einen Stationspfleger überzeugend erbracht.
Anmerkung: Nicht auszudenken, welche schädlichen und kaum
reparablen Wirkungen im Hinblick auf die Entwicklung einer Ver-
trauenskultur eingetreten wären, wenn die Geschäftsführer den Sta-
tionspfleger Vahrenholt auf seiner Kundenorientierung hätten sitzen
lassen!
»Wir, das Management, trauen unseren Mitarbeitern zu, für den
Patienten die richtigen Entscheidungen zu treffen«, kommentierte
Walter Tschirch, Geschäftsführer der Krankenhäuser des Kirchen-
kreises Herne, die Führungsphilosophie seines Hauses.
Und was lernen wir daraus?
In einer kundenorientierten Unternehmenskultur entscheidet je-
der Mitarbeiter im Zweifelsfall immer primär für den Kunden und
sekundär im Hinblick auf die Kosten.

175
Ausnahmesituationen Ritz-Carlton
Eine Best Practice auf dem Gebiet der Mitarbeitermotivation zeigt die
Ritz-Carlton Hotelkette. Sie erhielt für ihre kundenfreundliche Organi-
sation im Jahr 1992 und 1999 den Malcolm Baldrige Award. Der Mal-
colm Baldrige National Quality Award ist die höchste Auszeichnung für
unternehmerische Leistungen, die ein amerikanisches Unternehmen er-
halten kann. Ein Detail der ausgezeichneten Führungs- und Organisa-
tionskonzeption war besonders bemerkenswert: Ein Zimmermädchen
verfügt über ein Budget von 2000 Dollar, um durch eigene Entschei-
dung akute Probleme eines Übernachtungsgastes zu lösen. Vielleicht
liegt in diesem Vertrauensvorschuss gegenüber den Mitarbeitern das
wirkliche Merkmal einer delegationsorientierten Unternehmenskultur.

4.3 Unternehmenskultur im Krankenhaus:


Analyse und Veränderung
Hans de Waard, Bram Neuijen

4.3.1 Einführung

In der Tierwelt gibt es allein lebende Tiere (Maulwürfe, Reiher), Tiere,


die vor allem als Paare leben (Spitzhörnchen, Schwäne), und solche,
die in Gruppen leben (Ameisen, Wale). Wir haben den Eindruck, dass
Menschen sich fragen, zu welcher Gruppe sie gehören. Vieles spricht
für folgenden Standpunkt: Menschen sind Gruppentiere, die immer
wieder andere Gruppen wählen, um darin zu leben. Die zunehmende
Komplexität unserer Lebensform und die stets kleiner werdende Welt
tragen hierzu bei. Die »Familienmobilität« nimmt beinahe genauso
schnell zu wie die »Arbeitsmobilität«.
Wir passen uns in jeder neuen Gruppe an die dort herrschenden Ge-
wohnheiten, Gebräuche und Wertesysteme an. Und wir werden darin
immer geschickter, wir nennen das die »kulturelle Kompetenz« und
meinen damit die Leichtigkeit, mit der sich jemand in neuen kulturel-
len Situationen bewegt. Leider verläuft der Anpassungsprozess größ-
tenteils unbewusst. Oftmals merken wir nicht, dass wir es tun, und

176
wenn wir es merken, vergessen wir wieder, dass wir uns angepasst ha-
ben. Das neue Verhalten ist unser »gewöhnliches« Verhalten geworden.
Pflegepersonal und andere Berufsgruppen sind in der Lage, sich bei
wechselnden Abteilungen, Arbeitgebern und Führungskräften immer
wieder an andere Interpretationen von Normalität anzupassen. Die
Unterschiede sind oft enorm und das Anpassungsvermögen erstaun-
lich groß. Es geht so weit, dass wir, wenn es die Umstände verlangen,
mit scheinbarer Leichtigkeit sogar ein Verhalten zeigen, das wir selbst
als unerwünscht ansehen. Wir ordnen uns der Macht anderer unter
und verhalten uns nach Werten, die wir eigentlich nicht teilen.
Unternehmenskultur beschäftigt sich damit, was in einer Arbeits-
organisation normal ist, mit dem »Tun« und »Nichttun« in der
Arbeitsumgebung. Sie gibt uns Halt. Unser Verhalten und das von
anderen wird ersichtlich und damit auch sicherer: Man weiß, woran
man ist, und braucht nicht jedes Mal aufs Neue nachzudenken, wie
man reagieren soll. Darum lassen sich einmal geformte Verhaltens-
muster trotz unserer Flexibilität nur schwierig verändern.
Aber schwierig ist nicht unmöglich. In diesem Beitrag wird be-
schrieben wie wir wieder lernen können, die Verhaltensmuster wahr-
zunehmen, wie wir sie in Worte fassen und sogar messen können.
Damit wird es dann möglich, die Unternehmenskultur zu verändern
und sie durch eine neue zu ersetzen.
Unternehmenskultur ist der Motor der erfolgreichen Veränderung
in Organisationen. Sie bestimmt sowohl den Widerstand gegen die
Veränderung als auch die Verankerung und Beständigkeit einer reali-
sierten Veränderung. Sie ist damit zugleich das am meisten vernach-
lässigte und das stärkste Instrument, um Verbesserungen zu realisie-
ren oder unerwünschte Situationen zu korrigieren.

4.3.2 Kultur lesen

Ausdrucksformen der Unternehmenskultur finden wir auf Bildern,


die von den Büros der Geschäftsführung von Unternehmen und Be-
trieben existieren. Jacqueline Hassink (Hassink 1996) hat die Ge-
schäftszimmer von Geschäftsführern und Vorständen in den 40 größ-

177
ten europäischen Unternehmen fotografiert und unter dem Titel
»The tables of power« veröffentlicht.
Sie fotografierte unter anderem das Büro der Geschäftsführung der
Daimler Benz AG – ein Büro, das auffällt durch seine reiche Deko-
ration und moderne Kunst, darunter ein Bild von Andy Warhol (Mer-
cedes-Benz Formel-1-Rennwagen). Der Raum liegt im höchsten Stock-
werk des Gebäudes und ist nur über andere Büros erreichbar, die
zunehmend luxuriöser und reicher eingerichtet sind. Der Vorstand
hat sich persönlich um die Innenausstattung gekümmert.
Einen ganz anderen Eindruck bekommen wir vom Büro der
Geschäftsführung der ehemaligen ABB. Dort sitzt der Präsident am
oberen Ende eines ovalen Tisches. Die Produktmanager sitzen alle zu
seiner linken Seite, während die Ländermanager rechts von ihm
platziert sind. So kann man sich ein Bild der Unternehmenskultur
machen. Das Büro der Geschäftsführung von BMW fällt durch die
lange gläserne Wand auf, die eine gute Sicht nach draußen bietet,
während das Büro der Direktoren der RWIR AG sich durch Ge-
schlossenheit auszeichnet: Es fällt gar kein Tageslicht ein.
Viele Arbeitssituationen sagen uns etwas über die Symbole und Ri-
tuale in einem Unternehmen. Sie erzählen uns vielleicht auch etwas
über die Werte, die in einem Betrieb gelten oder vorherrschen, über
Themen und Dinge, die die dort Beschäftigten miteinander teilen und
die sie wichtig finden.
In den ersten drei Monaten in einem neuen Unternehmen wird
man vielleicht feststellen, dass man vom Verhalten der Menschen
dort gelegentlich überrascht wird. Später lernt man dann, dass dieses
Verhalten im Unternehmen durchaus als normal gilt. Häufig über-
nimmt man es im Laufe der Zeit in das eigene Unterbewusstsein.
Wenn man das Verhalten anderer Menschen betrachtet, sollte man
sich fragen: Ist das Verhalten typisch für diese Person, typisch für diese
Abteilung oder typisch für dieses Unternehmen? Und man beginnt, ein
Gespür dafür zu entwickeln, was Unternehmenskultur eigentlich ist.
Man muss immer daran denken, dass die Organisationskultur nur
einen Daseinszweck hat: Sie soll die Umwelt ein wenig berechenbarer
und somit sicherer machen. Jede Änderung der Unternehmenskultur
löst in gewissem Umfang Angst und Besorgnis aus. Vorsichtiges Ma-

178
nagement, ein gesicherter Kommunikationsfluss, ein klares Bild der
nahen Zukunft und der Verfahrensweisen bzw. Verhaltensregeln, die
von oben nach unten wie von unten nach oben hin gelten, werden sol-
che Ängste besänftigen oder ganz beseitigen können.
Äußerste Vorsicht ist bei der Interpretation der Wahrnehmungen
geboten. Ist es reiner Zufall, dass der eine Kollege in das Zimmer
eines Vorgesetzten eintritt, ein anderer jedoch auf der Schwelle zö-
gert? Sind das Anzeichen für eine Kultur, in der persönliche Freund-
schaften Privilegien mit sich bringen? Weisen sie möglicherweise auf
das (noch nicht erreichte) Alter hin oder auf die Dauer der Betriebs-
zugehörigkeit, die Ausbildung, den Dienstrang?
Es mag sein, dass der Vorgesetzte dem Untergebenen gegenüber
durchaus kommunikationsbereit ist, aber derjenige, der zögerte, ge-
rade Streit hatte mit dem, den er aufsuchte. Oder vielleicht fiel der
Mitarbeiterin gerade ein, was ihr ein Arbeitskollege zugeraunt hatte,
nämlich, dass der betreffende Vorgesetzte ein ziemlicher Casanova sei.
Man muss also einen Schritt zurücktreten und versuchen, sich ein
Bild von der Gesamtsituation zu machen. Mit anderen Worten: Der
weite Blickwinkel ist gefragt. Erst dann sollte man seiner Intuition
trauen. Und wer die ungeschriebenen Regeln des Spiels, in dem er
sich befindet, nicht kennt, erkundigt sich am besten bei anderen.
Dass man die Unternehmenskultur »lesen« lernt, ist eine wichtige
Voraussetzung, wenn man auf der Grundlage der Unternehmens-
kultur arbeiten möchte. Der Blick auf andere Unternehmen macht
einem bewusst, wie es im eigenen Unternehmen oder in der eigenen
Abteilung zugeht. Man lernt die eigene Kultur besser kennen und in
Worte zu fassen. Was selbstverständlich ist oder unausgesprochen
bleibt, kann auch in Bildern ausgedrückt werden und bekommt somit
ein Gesicht. Und dieses Gesicht bzw. eine Ansammlung dieser Bilder
ist ein wertvoller Ausgangspunkt für die Diagnose und die Verände-
rung des Unternehmens und seiner Kultur.
Eine Studie verglich, wie in vier mittelgroßen regionalen Kranken-
häusern, in York, Alkmaar, Oldenburg und Deurne, Patienten mit einer
Hüftarthrose behandelt wurden. Es ging in dieser Studie nicht um die
Qualität der einzelnen Krankenhäuser, sondern um die Unterschiede
zwischen den Ländern, in denen die Krankenhäuser angesiedelt sind.

179
Abbildung 4-9: Innenansicht eines englischen Krankenhauses.

In Deutschland werden Patienten auf Kosten der Krankenkasse fünf


Wochen verwöhnt; man kennt fast keine Wartelisten und Wartezeiten.
In England gilt: Wer seine neue Hüfte schnell und zeitig wünscht,
muss sich an Privatkrankenhäuser wenden. In Belgien herrscht freies
Unternehmertum. Es gibt einen Überschuss an Ärzten und dem Pa-
tienten, der in einem gut ausgerüsteten Gesundheitswarenhaus »ein-
kauft«, wird sofort geholfen. In den Niederlanden gibt es Wartelisten,
und die Ärzte verbringen viel Zeit mit Schreibarbeit.
Fotos von Zimmern in den unterschiedlichen Krankenhäusern
erzählen dabei eine eigene Geschichte. Es fällt auf, dass Personen, de-
nen wir diese Aufnahmen zeigten, oft das Land, in dem das Kranken-
haus liegt, nennen konnten. Auf alle Fälle war das Krankenhaus aus
dem eigenen Land ohne Zweifel erkennbar. Wenn man nach dem
Grund hierfür fragte, musste man oft nachdenken. Man verglich die Fo-
tos miteinander und sagte z. B.: »Bei uns würde der Arzt einen weißen
Kittel tragen« oder »Bei uns hängen Ansichtskarten an der Wand«.
Das Zimmer, das wir in Abbildung 4-9 sehen, ist ein gewöhnliches
Zimmer in einem gewöhnlichen englischen Krankenhaus. Die Ein-
richtung ist relativ alt, es gibt wenig Platz, wobei jede Ecke genutzt

180
Abbildung 4-10: Innenansicht eines niederländischen Krankenhauses.

wird. Das Foto stimmt den Betrachter nicht unbedingt fröhlich. Der
Mann in der Mitte des Fotos ist ein Arzt/Spezialist. Er trägt einen An-
zug und keinen weißen Arztkittel. Der Arzt hat eine Privatklinik und
auch noch einen Vertrag mit dem »National Health Service«. Er lässt
sich lieber mit »Mister« als mit »Doctor« ansprechen, außerdem
nennt er sich »Consultant«. Wahrscheinlich unterstreicht die Klei-
dung auf dem Foto seinen Status.
Die Aufnahme in Abbildung 4-10 stammt aus einem ganz anderen
Krankenhaus. Für uns als Autoren und Niederländer ist es sofort
deutlich, dass es sich um ein holländisches Krankenzimmer handelt.
Die Betten, die Griffe über den Betten, die Karten an der Wand, der
bewegbare Tropfständer neben dem Bett – das sieht man so in bei-
nahe jedem Stadt/Kreiskrankenhaus in den Niederlanden. Es ist ein
Gemisch von medizinischen und persönlichen Gegenständen, die zu-
sammen einen etwas unaufgeräumten Eindruck machen. Das Foto
zeigt, dass niederländische Patienten viel persönliche Dinge ins
Krankenhaus mitnehmen: Es muss gemütlich sein.
In Abbildung 4-11 klärt ein Arzt eine Gruppe von Patienten über
die bevorstehende Operation auf. Dass der Arzt Sportschuhe trägt,

181
Abbildung 4-11: Arzt im Gespräch mit Patienten.

Abbildung 4-12: Krankenzimmer in einem deutschen Krankenhaus.

182
Abbildung 4-13: Krankengymnastin, die mit Patienten Übungen in einem Unter-
wassermassagebad durchführt.

kommt schon mal vor, aber er trägt auf jeden Fall einen weißen Kittel,
der deutlich als Arztkittel zu erkennen ist – Krankenpfleger und
Schwestern laufen sicher nicht in einem solchen Kittel herum. Wäh-
rend des Studiums und auf der Krankenstation wird viel Wert auf
Kommunikation zwischen Arzt und Patient gelegt. Darüber gibt es
auch viel Klagen: zu wenig Zeit, zu unpersönlich, zu unfreundlich und
zu technisch, so die Vorwürfe. Manchmal wird auch die informelle
und ungezwungene Umgangsform des niederländischen Arztes kriti-
siert, dass er z. B. Witze macht oder lässig in den Umgangsregeln ist.
Auf dem Foto in Abbildung 4-12 sehen wir wieder ein Zimmer
einer Krankenstation. Es ist ein Krankenzimmer in einem deutschen
Krankenhaus. Das Zimmer sieht nicht so unordentlich aus, wie die
auf den vorhergehenden Aufnahmen: aufgeräumt und nicht so voll.
Die Patienten haben nicht so viele persönliche Dinge um sich herum.

183
Abbildung 4-14: Foto aus einem belgischen Krankenhaus.

Es fehlen auch andere Dinge. Was am meisten auffällt, ist das Fehlen
von Wandschirmen zwischen den Betten. Wie geht das eigentlich,
wenn der Patient gewaschen wird oder auf die Toilette muss? Diese
Fragen beschäftigen einen Niederländer intensiv. Zufällig wird das
Zimmer zur Zeit der Aufnahme gerade gereinigt.
Das Foto in Abbildung 4-13 zeigt eine Krankengymnastin, die mit
Patienten Übungen in einem Unterwassermassagebad durchführt.
Viele deutsche Patienten werden nach der Hüftoperation zur Rehabi-
litation (Reha) überwiesen.
Dies gilt übrigens nicht für niederländische Patienten, die wegen
der langen Wartezeiten in den Niederlanden in deutschen Kranken-

184
häusern behandelt werden. Sie gehen nach acht Tagen nach Hause
mit einem Prospekt, in dem die Gymnastikübungen beschrieben
sind. Ein Chefarzt sagt dazu: »Als Ärzte sind wir vor ein paar Jahren
schon gebeten worden, solche Gymnastikübungen nicht mehr vor-
zuschreiben, aber die Patienten erwarten das eben.«
Schließlich noch ein Foto (Abbildung 4-14) aus einem belgischen
Krankenhaus. Dieses ist tatsächlich schwieriger zu interpretieren.
Es zeigt ein Sprechzimmer eines Arztes. Der Arzt im weißen Kittel
und der Patient in Boxershorts stehen zusammen vor einem Termin-
kalender, um den nächsten Arzttermin für den Patienten abzuspre-
chen.
Der Unterschied zwischen den Krankenhäusern in Europa ist sehr
groß, die Art der Gesundheitsversorgung in den unterschiedlichen
Ländern ebenfalls. In der Gesundheitsversorgung können wir sicher-
lich nicht von einem globalen Markt sprechen. Betrachten wir die
Therapie/Behandlung, die in den oben genannten Ländern durchge-
führt wird, und vor allem die Art und Weise wie sie ausgeführt wird,
dann kommen wir zu folgendem Bild:
Deutschland: Das Krankenhaus als geölte Maschine. Wo Wörter
wie »Effizienz« gebraucht werden und wo Kosten und Sachkenntnis
wichtige Themen darstellen. Man kennt fast keine Wartezeiten. Er-
worbene Rechte von Patienten und erworbene Positionen von Ärzten
spielen eine wichtige Rolle.
England: Wer seine neue Hüfte schnell und zeitig möchte, muss
sich an Privatkliniken wenden. Auch bemerken wir Unterschiede in
Ethik und Normen. Englische Patienten mit Übergewicht sind nicht
für eine Hüftoperation vorgesehen, zumindest nicht innerhalb des
NHS (National Health Service), sie müssen erst abnehmen.
Belgien: Ein Einkaufsmodell. Wer als Patient in einem gut ausge-
rüsteten Gesundheitswarenhaus einkauft, der wird sofort behandelt.
Für belgische Spezialisten spielt Übergewicht kaum eine Rolle.
Patienten, die eine Hüftoperation wünschen, bekommen sie auch.
Niederlande: Das »Poldermodell«. Die Ärzte brauchen viel Zeit
für die Schreibarbeit. Man legt viel Wert auf Überlegungen und
Abstimmungen. Beziehungen und persönlicher Kontakt sind wich-
tig.

185
Diese Unterschiede sind bedingt durch:
– externe Variablen: die finanzielle Struktur, die Gesetzgebung,
Politik etc.
– nationale Kultur: Werte, Erwartungen von Betroffenen
– professionelle Kultur: Entwicklung der Berufsgruppe, Berufscode,
Status etc.
– Unternehmenskultur: gemeinschaftliche Übereinstimmung,
Bräuche, Geschichte etc.

Oberflächlich gesehen, scheinen die Unterschiede zwischen natio-


nalen Kulturen leichter wahrnehmbar zu sein als Unterschiede zwi-
schen Unternehmenskulturen, aber der Schein trügt.

4.3.3 Diagnose von Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur ist das gemeinsame Verständnis der Mit-


glieder einer Organisation sowie der Außenstehenden.
Ein gemeinsames Verständnis bedeutet:
– Es handelt sich um Dinge, die man miteinander teilt.
– Es sind Ideen, die in den Köpfen der Mitarbeiter stecken.

Das Verständnis bezieht sich auf die Ideen, Normen und Werte, die
man teilen kann. Für Mitglieder des Betriebes kann das gemeinsame
Verständnis selbstverständlich werden: Sie sind sich dessen kaum
noch bewusst. Neue Kollegen müssen sich aber an das gemeinsame
Verständnis, das heißt die »richtige« Art des Denkens, Fühlens,
Wahrnehmens und Handelns erst einmal gewöhnen, es sich noch
aneignen.
Bei der Unternehmenskultur geht es nicht nur um die Kultur eines
Unternehmens, sondern auch um die Unterschiede zwischen den
Unternehmen.
Daraus ergibt sich die logische Frage: In welchen Verhaltensmustern
drücken sich diese Unterschiede am ehesten aus? Es werden und wur-
den viele Bücher zum Thema Organisationskultur geschrieben. Größ-
tenteils beruhen sie auf Intuition und gesundem Menschenverstand.
Nur wenige sind das Ergebnis ernsthafter wissenschaftlicher Forschung.

186
Abbildung 4-15: Unternehmenskultur als Eisberg.

Ein Teil des Verständnisses ist direkt sichtbar und kommt in Sym-
bolen und Ritualen zum Ausdruck. Ein anderer Teil ist nicht direkt
sichtbar – zumindest nicht für Außenstehende – und liegt unter der
Oberfläche verborgen. Jede Organisation entwickelt ein Selbst-
verständnis, wie Ereignisse in der Organisation zustande kommen
und eigene Verhaltensmuster zustande kommen. Dies hat mit den
Werten zu tun, denen sich Menschen verbunden fühlen. Solche
Werte werden neuen Mitarbeitern als die richtige Weise zu denken,
zu fühlen und wahrzunehmen vermittelt. Diese Verhaltensmuster
entwickeln sich aber auch zu eingeschliffenen Gewohnheiten. Die
Unternehmenskultur prägt manchmal die Energie einer Organisa-
tion, kann in einem Prozess der Organisationsveränderung jedoch
auch hinderlich sein.
Die Unternehmenskultur kann man als einen Eisberg sehen. Ein
Teil davon ist sichtbar, aber ein anderer, viel größerer Teil liegt unter

187
der Oberfläche verborgen und bleibt implizit. Der Teil über der
Oberfläche ist der direkt sichtbare und formbare Teil. Er wird durch
Aussagen von Menschen über ihr Handeln oder ihr Tun charakte-
risiert. So zum Beispiel die Unternehmenspolitik. »Mission state-
ments« sind ein anderes Beispiel. Auffällig ist, dass sich die »mission
statements« von ganz unterschiedlichen Betrieben sehr ähneln. Im-
mer wieder kommen Redewendungen vor wie: gut für die Mitarbeiter,
gut für die Aktionäre, gut für die Umwelt, kundenorientiert und fle-
xibel.
Die »mission statements« mögen sich (sehr) ähneln, das Konglo-
merat von Regeln, Normen und Werten, das unter der Wasserober-
fläche liegt, ist jedoch viel unterschiedlicher und widersprüchlicher.
Die Frage ist immer wieder: Wie sind sie miteinander verbunden?
Und: Wie aktiviert man die Mitarbeiter?
Wenn man sich die Vergangenheit eines Unternehmens anschaut,
wird man mehr über den verborgenen Teil, also die kritischen Mo-
mente erfahren. In Krisenzeiten geht es nicht mehr um Aussagen, die
Personen über ihr Handeln treffen, sondern darum, was in diesen
Momenten tatsächlich vor sich geht; welche Entscheidungen getrof-
fen werden und weshalb sie getroffen werden. Es handelt sich dann
um Fragen wie: Was bedeutet Loyalität für die Mitarbeiter in diesem
Betrieb? Mit wem oder was fühlen Sie sich verbunden? Wo liegt Ihr
Engagement, wo das der Mitarbeiter? Wie oder wodurch beteiligen sie
sich, womit fühlen sie sich verbunden? Wie viel Platz gibt es im
Unternehmen für Intuition und Kreativität?

4.3.4 Dimensionen von Unternehmenskultur

Ende der 80er-Jahre haben wir an einem Untersuchungsprojekt


zum Thema Unternehmenskultur mitgearbeitet (Hofstede, Neuijen,
Ohayv und Sanders 1990: 286–316; Neuijen 1992). Dieses Projekt
wurde von Geert Hofstede initiiert, der für seine Untersuchungen
über Werte zwischen verschiedenen Ländern bekannt ist initiiert. In
dem Projekt Unternehmenskultur untersuchten wir 20 holländische
und dänische Unternehmen in qualitativer und quantitativer Hin-

188
Abbildung 4-16: Sechs Dimensionen in zwei Abteilungen eines niederländischen
Unternehmens.

sicht. Von jedem Unternehmen wurde eine Fallstudie angefertigt.


Aber es entstand gleichzeitig auch ein übergreifendes Modell, das aus
sechs Dimensionen bestand, durch das die unterschiedlichen Unter-
nehmen miteinander verglichen werden konnten:
Ein Beispiel: Ein niederländisches Unternehmen verfügt über zwei
Divisionen, die intensiv miteinander zusammenarbeiten sollen. Die
Kooperation stockt jedoch auf allen Ebenen. Dem Management ge-
lingt es nicht, die Ursachen für diese Fehlentwicklung dingfest zu
machen. Nach einer Untersuchung werden anhand von sechs Orien-
tierungsmerkmalen folgende (unterschiedliche) Profile für die beiden
Divisionen festgestellt:

1. Arbeitsweise: Verfahrens- bzw. ergebnisorientierter Ansatz


2. Führungsstil: arbeits- bzw. personenorientierter Ansatz
3. Engagement bei der Arbeit: organisations- bzw. berufsorientierter Ansatz
4. Kommunikation: geschlossene/offene Kommunikation
5. interne Organisation: strenge/lockere Kontrolle
6. Beziehung zum Kunden: normativer bzw. pragmatischer/flexibler Ansatz

Tabelle 4-2: Sechs Dimensionen.

189
Ohne an dieser Stelle auf die tiefere Bedeutung dieses Ansatzes
einzugehen, fällt sofort auf:
– Die erste Abteilung legt mehr Wert auf die Einhaltung von Verfah-
ren, während die zweite Abteilung den Schwerpunkt auf das Erzie-
len von Ergebnissen legt.
– Die Kommunikation in der ersten Abteilung ist weitaus offener als
in der zweiten.
– In der zweiten Abteilung werden Vorschriften und Vereinbarungen
strikter gehandhabt.

Nach dieser Kulturdiagnose gewinnt das Management schon bald


Einsicht in die Hintergründe der bestehenden Missverständnisse und
Konflikte.

Beispiel Intensivstation
In einer großen, vergleichenden Untersuchung des Managements
von Intensivstationen in Europa (Miranda, Ryan, Schaufeli und Fidler
1998) sind unter anderem diese sechs Kulturdimensionen gemessen
worden. Die Verbindungen und Beziehungen zwischen der Unter-
nehmenskultur und der Effektivität der Intensivstationen wurden da-
bei erforscht. In Bezug auf die Effektivität wurde ein Maßstab ent-
wickelt; dabei wurden verschiedene Faktoren in Betracht gezogen und
zufällige Unterschiede beseitigt. In dieser Studie stellte sich eine
starke Verbindung zwischen der Dimension »ergebnisorientierte
Kultur« und Effektivität der Intensivstationen heraus. Auch wurden
immer wieder charakteristische Verbindungen zwischen den Aspek-
ten »offene Kommunikation« und »personenorientierter Stil« der
Führungskräfte und der Effektivität der ICUs gefunden. Aiken und
Sloane (Aiken und Sloane 2002: 265–278) fanden in Untersuchun-
gen in Bezug auf die Autonomie, das Engagement und den Stil von
Führungskräften in englischen Krankenhäusern vergleichbare Ergeb-
nisse für die Dimension »ergebnisorientiert« bzw. »personenorien-
tiert«.
Dass es diese Beziehungen in deutschen allgemeinen Kranken-
häusern gleichermaßen gibt, ist nicht bewiesen. Eine Investition
deutscher Krankenhäuser in den Bereich Organisationskultur würde

190
sich jedoch lohnen, vor allem, wenn dabei die Ergebnisorientierung,
die offene Kommunikation und der personenorientierte Stil der Füh-
rungskräfte entwickelt bzw. verstärkt werden.
Arbeiten auf der Grundlage der Unternehmenskultur beinhaltet,
dass wir diese Kultur beschreiben, sowohl qualitativ wie auch quan-
titativ. Wir müssen Einsicht in die ungeschriebenen Regeln, in die Ri-
tuale, in die Normen und Werte bekommen. Aber es ist ebenfalls
wichtig, dabei quantitative Methoden anzuwenden, sodass ein genau-
eres Bild entsteht und Veränderungen auch gemessen und nachge-
wiesen werden können. Dazu bieten die sechs Dimensionen der
Unternehmenskultur ein verlässliches und erprobtes Instrument.
– Die sechs Dimensionen bieten ein Instrument, mit dem Kultur-
unterschiede gemessen werden können. Anschließend kann die
Organisationskultur als ernst zu nehmendes Gesprächsthema in
Frage kommen. Dabei werden Fakten von Stereotypen bzw. Fan-
tasien unterschieden.
– Die Unternehmenskultur kann auf eine verlässliche und sinnvolle
Art und Weise erläutert werden. Wir können das Unternehmen zu
anderen, vergleichbaren Unternehmen in Bezug setzen. Wir kön-
nen innerhalb des Unternehmens Unterschiede und Übereinstim-
mungen in den Kulturdimensionen aufzeigen.
– Mit Hilfe der Dimensionen und des dadurch ermöglichten spezi-
fischen Blickes auf das Unternehmen kann man erörtern, was in
einem Unternehmen verändert werden sollte; man kann aber auch
klar benennen, welche Kulturaspekte im Unternehmen beibehal-
ten und gepflegt werden sollten.
– Immer wieder stellt sich die Frage: Was sind für uns die wichtigs-
ten Kulturaspekte, die für die ganze Organisation gelten bzw. gel-
ten sollen? Und wie können einzelne Unternehmensbereiche ihre
eigene Kultur entwickeln?
– Die Dimensionen der Unternehmenskultur geben dem Manage-
ment ein Steuerungsinstrument in die Hand, vor allem wenn es
sich bei der beabsichtigten Änderung um eine zielgerichtete, ent-
weder notwendige oder aber erwünschte Veränderung handelt.

191
4.3.5 Kulturveränderung

Vorbemerkung 1
Das Frustrierende an den Arbeiten auf der Grundlage der Unter-
nehmenskultur besteht darin, dass die Tätigkeit Ähnlichkeit mit der
Arbeit einer Hausfrau hat. Kaum ist eine Ecke fertig geputzt, kann
man in der nächsten von vorne anfangen.

Vorbemerkung 2
Arbeiten auf der Grundlage der Organisationskultur geht nicht nach
einem vorgegebenen, starren Rezept. Wie man es angeht, hängt von
der Situation ab, von komplizierten und oftmals verborgenen Teilen
unseres Bewusstseins. Einfache Lösungen gibt es nicht. Es scheint,
als würde man mitten in einem gründlichen Umbau der Küche zum
ersten Mal ein ganz besonderes Essen kochen, ohne zu wissen, wel-
che Zutaten verwendet werden sollten; die neuen Eigentümer sind
noch unbekannt, von der Anzahl der Gäste und von deren Geschmack
weiß man nur, dass sie kein japanisches Essen mögen.
Eine recht komplizierte Aufgabe. Aber sie lohnt sich.

Das Material und Zutaten


Wenn die Vorbereitungen ordentlich abgeschlossen worden sind und
bevor die wirkliche Veränderung einsetzt, ergibt sich folgende Situa-
tion:
– Es entsteht ein klares Bild der bestehenden Organisationskultur.
Das kann eine qualitative Analyse sein, die auf Interviews, Work-
shops und Wahrnehmungen basiert, oder eine quantitative Analyse,
die aus dem Einsetzen eines guten Messinstruments resultiert.
– Es besteht ein möglichst klares Bild der von Mitarbeitern und Füh-
rungskräften gewünschten zukünftigen Kultur sowie Einsicht in
die Hintergründe dieser Wünsche.
– Es liegt eine Bestandsaufnahme aller bekannten Engpässe und Ver-
besserungspunkte innerhalb der Organisation und ihrer Beziehung
zur Kultur bzw. zu den Verhaltensmustern von Mitarbeitern und
Führungskräften vor.

192
– Es besteht eine Übersicht aller verfügbaren internen Kommunika-
tionsmöglichkeiten, und es ist bekannt, wie hoch die Bereitschaft
der Führungskräfte ist, sich für das Ziel der Veränderung tatsäch-
lich einzusetzen. Beispiele: eine neue Unternehmenszeitung oder
die Website des Unternehmens und die Zeit, die für Rücksprachen
und Beratungen mit Management und Mitarbeitern, Betriebsrat
und Vertretern von Gewerkschaften zur Verfügung steht. Zusätz-
lich besteht die Möglichkeit, während formeller und informeller
Zusammenkünfte die Aufmerksamkeit auf die neue Kultur und
deren Folgen zu richten. Eine regelmäßige, offene und ehrliche
Kommunikation, sowohl »top down« als auch »bottom up«, ist Vo-
raussetzung für das Gelingen einer Veränderung.
– Informationen über die wichtigsten Aspekte der Kulturverände-
rung und die Rolle, die dieser Faktor in der eigenen Organisation
spielt: Viele Personen erfahren die Unternehmenskultur fast nur
an der Oberfläche, sie verstehen darunter die Berufskleidung, das
Stethoskop, das Gebäude, das Briefpapier, das Logo, die Vorschrif-
ten und den ethischen Verhaltenscodex, die Bekanntgaben am
schwarzen Brett und so weiter. Der verborgene Teil hat aber einen
viel größeren Einfluss.

Die wichtigsten Mechanismen, mit Hilfe derer man die Organisa-


tionskultur (und die neue Kultur) durchsetzen kann, sind Folgende:
– die Aspekte, auf die Führungskräfte ihre Aufmerksamkeit richten,
wenn sie den Verlauf der Dinge messen und kontrollieren möchten
– die Art und Weise, wie Führungskräfte auf kritische Zwischenfälle
und Krisen innerhalb der Organisation reagieren
– die nachvollziehbaren Kriterien, die von Führungskräften bei der
Zuweisung begrenzter Mittel und Möglichkeiten angewendet wer-
den
– das betonte, wohlüberlegte und vorbildliche Verhalten der Führung
sowie Training und Betreuung der Mitarbeiter
– nachvollziehbare Kriterien für die Zuweisung von Belohnungen
und Status
– nachvollziehbare Kriterien, die bei Werbung, Auswahl, Beförde-
rung, Pensionierung und Entlassung von Mitgliedern der Organi-

193
sation angewendet werden (Schein 1992): Das kommt unter ande-
rem in Auswahlverfahren sowie Leistungs- und Beurteilungsge-
sprächen zum Ausdruck. Daraus werden mächtige Instrumente,
wenn es darum geht, die erwünschten Veränderungen zustande zu
bringen – oder aber tödliche Waffen mit einem erheblich kontra-
produktiven Effekt, wenn sie falsch eingesetzt werden.

Beispiel
Ein Abteilungsleiter nahm sich viel Zeit für seine Mitarbeiter. Das war
der Grund dafür, dass er seinen Monatsbericht zu spät einreichte.
In einem Beurteilungsgespräch wurde er deswegen kritisiert, ohne
dass er für die verbesserten Verhältnisse in seiner Abteilung gelobt
wurde. Eine bereits zugesagte Gehaltserhöhung wurde ausgesetzt.
Seine Bereitschaft, sich für den Veränderungsplan einzusetzen, nahm
daraufhin stark ab. Das wirkte sich auch auf seine Kollegen negativ
aus.
Der bestimmende Einfluss von Führungskräften auf die Verhal-
tensmuster von Mitarbeitern erfordert auch die Bereitschaft vom
höchsten Management, sich durch vorbildliches, teilweise oft neues
Verhalten, auszuzeichnen und Entscheidungen auf der Grundlage
von neuen Kriterien zu treffen. Man soll klar erkennen können, dass
es ihnen mit dem Veränderungsplan ernst ist.
Dies gilt zuallererst für das Topmanagement, aber ebenso für das
mittlere Management und die informellen Träger der Unterneh-
menskultur. Zusammen bilden sie die Gruppe der so genannten
»Kulturträger«.

Beispiel
Eine englische Firma entschloss sich zu einem Veränderungsplan,
der zu einem besseren Gleichgewicht zwischen den Interessen der
Mitarbeiter und den Zielen der Organisation führen sollte. Die Ar-
beitszufriedenheit sollte verbessert werden. Einige Wochen nach der
Bekanntgabe des Entschlusses wurde ein Mitarbeiter, der überall als
grob und als schlechter Zuhörer bekannt war, befördert. Die Glaub-
würdigkeit des Managements schmolz dahin.

194
Die wohlüberlegte Kulturveränderung muss ausdrücklicher Wunsch
des Topmanagements sein und zugleich durch die Organisation im
Ganzen getragen werden – »Effektivität ist das Produkt von Qualität
und Akzeptanz« (Karel Noordzij, ehem. CEO der niederländischen
Eisenbahngesellschaft).
Der rote Faden muss durch das Topmanagement festgelegt, be-
gründet und diskutiert werden. Die detaillierte Durchführung im
Arbeitsbereich kann am besten vor Ort bestimmt und durch Füh-
rungskräfte auf dieser unteren Ebene evaluiert werden.

Die erste Fallgrube: Schnelles Urteilen


Die größte Fallgrube bei der Arbeit auf der Grundlage der Unterneh-
menskultur ist das Urteil bzw. die Bewertung. Die Neigung, Verhalten
auf der Grundlage von einfachen Kriterien wie gut oder nicht gut, er-
wünscht oder nicht erwünscht, effektiv oder nicht, ethisch in Ord-
nung oder nicht o.k. zu beurteilen, steckt von Natur aus in jedem von
uns. Beim Arbeiten auf der Grundlage der Unternehmenskultur ist es
daher wichtig, sich ständig vor Augen zu halten, dass jede Position auf
jeder Kulturdimension sowohl Vor- wie auch Nachteile hat.
Die Kunst des Managens bzw. Führens der Unternehmenskultur liegt
darin, Lösungen für scheinbare bzw. empfundene Gegensätze zu fin-
den; diese sollten die Vorteile beider Pole der Dimensionen so oft wie
möglich nutzen und die Flexibilität vergrößern, sich zwischen den
beiden Polen zu bewegen.

Die zweite Fallgrube: Betriebsblindheit


Es ist einfacher, das Unternehmen als Außenstehender zu beobachten,
als wenn man selbst unvermeidlich im bestehenden Muster gefangen
ist. Das Projektmanagement sollte sich darum kümmern, dass es ge-
nügend Kommentare von Außenstehenden gibt, damit man die eige-
nen blinden Flecken erfasst. Dieser Anstoß kann von Experten auf dem
Gebiet des Kulturmanagements kommen, aber auch von erfahrenen
Vertretern vergleichbarer Organisationen mit einer anderen Kultur,
wobei gewährleistet sein muss, dass diese Vertreter nicht durch einen
unbedachten Vergleich zwischen der eigenen Unternehmenskultur
und der zu beobachtenden Kultur in die erstgenannte Falle tappen.

195
Diese Fallgrube gilt vor allem für Fachärzte in Krankenhäusern,
weil sie oft für sehr lange Zeiträume einem Krankenhaus verbunden
sind und gelegentlich vergessen, dass die Arbeit, die sie leisten, in an-
deren Krankenhäusern von anderen kulturellen Verhaltensmustern
gesteuert wird.
In der Krankenhauskultur ist der bestimmende Faktor eher die
Abteilung als das Krankenhaus als Ganzes. Die Urologie wird z. B. in
der Regel eine andere Kultur aufweisen als die Kinderabteilung. Es ist
jedoch keineswegs so, dass alle urologischen Abteilungen (oder Kin-
derabteilungen) in allen deutschen Krankenhäusern eine vergleich-
bare Kultur aufweisen.

Die dritte Fallgrube:


Fehlende Berücksichtigung unterschiedlicher Berufskulturen
Technisches Personal hat eine andere Sicht auf die Arbeit in der Or-
ganisation als Verkaufspersonal, Buchhalter und Personalsachbear-
beiter. In einer quantitativen Studie ist es außerordentlich wichtig,
zwischen den Wahrnehmungen all dieser Berufsgruppen zu unter-
scheiden, denn es bestehen große Unterschiede zwischen den Zielen
gleichartiger Unternehmen und zwischen den verschiedenen Abtei-
lungen dieser Unternehmen.

4.3.6 Kulturmanagement: Disziplin und Selbstständigkeit

Die inhaltliche Planung einer Kulturveränderung muss auf ausdrück-


lichen Wunsch des Topmanagements erfolgen und gleichzeitig von der
gesamten Organisation sowie von allen beteiligten Berufsgruppen –
Ärzten, Pflegepersonal, medizinischem Hilfspersonal, administrati-
vem und technischem Personal – getragen werden. Die Ernennung
eines Managers für die Organisationsentwicklung bzw. die formelle
Zuweisung dieser Aufgabe an einen der Topmanager ist dabei un-
abdingbar.
Natürlich müssen Überlegungen angestellt werden, in welchem
Ausmaß die eigene Personalabteilung, die interne Beratungsgruppe
und die Abteilung Organisationsentwicklung (wenn vorhanden) eine

196
Rolle im Veränderungsprojekt spielen kann. Dabei sind der Akzep-
tanzgrad und das Vertrauen, über das diese Abteilungen im Unter-
nehmen verfügen, sowie ihre Position innerhalb der Organisation
wichtig.
Das Management von Organisationskultur beinhaltet vor allem
das Vereinfachen und Steuern eines Prozesses. Mögliche Gegensätze
in der Organisation machen dabei den Kern der Komplexität aus.
Es müssen sowohl die Ideen der Mitarbeiter wie auch die Ziele des
Managements berücksichtigt werden.

Beispiel: Nederlandse Spoorwegen


Bei der niederländischen Eisenbahngesellschaft gab es 2001 einen
großen Konflikt über den von der Geschäftsführung festgelegten
Dienstplan. Der Konflikt führte zum Streik und sogar zu kleineren
Sabotageakten. Der befristet angestellte CEO Karel Noordzijde schlug
in dieser Situation vor, dass der Betriebsrat selbst einen Dienstplan
entwickeln und aufstellen sollte. Eine hohe logistische Qualität des
Dienstplans war dabei Bedingung. Innerhalb eines halben Jahres
kehrte wieder Ruhe in die Organisation ein.
Das sorgfältig austarierte Gleichgewicht von Disziplin und Selbst-
ständigkeit ist ausschlaggebend. Welche Aufgaben müssen von Füh-
rungskräften festgelegt, kontrolliert und beurteilt werden, welche
Aufgaben können ohne weiteres den Mitarbeitern überlassen werden,
unter maximalem Einsatz der eigenen Kreativität und Verantwor-
tung? Wann gilt das Effizienzprinzip, das Planung und Disziplin
voraussetzt, und wann das Entwicklungsprinzip, das ein neues
Gleichgewicht für die Dimension Disziplin bzw. Selbstständigkeit
erforderlich macht, weil Haltung und Verhalten dabei nicht in
gleicher Weise auferlegt werden können?
Selbstverständlich werden solche Prozesse Widerstand auf den
Plan rufen. Wenn man damit so umgehen will, dass sowohl Unter-
stützung wie auch Konfrontation eine Rolle spielen, werden hohe
Ansprüche an die sozial-emotionale Gewandtheit des Führungsperso-
nals gestellt. Aber eine solche Herangehensweise macht die Arbeit für
alle Beteiligten angenehmer und interessanter!

197
4.3.7 Fazit

– Das Verändern von Organisationskulturen setzt »kulturelle Kom-


petenz« voraus. Einer der wichtigsten Aspekte kultureller Kompe-
tenz ist das Vermögen, Kulturen »lesen« zu können.
– Arbeiten mit Kultur bedeutet, dass man zu klaren Erkenntnissen
kommt in Bezug auf die kulturellen Muster. Man muss entschei-
den, welche sorgsam gepflegt und welche verändert werden müs-
sen. Das bedeutet, man muss Augenmerk sowohl auf das richten,
was in der Organisation gut läuft, als auch auf das Einschlagen
neuer Richtungen.
– Das Paradoxe an der Arbeit in Organisationen ist, dass eine proble-
matische Sachlage, die eine Veränderung dringend braucht, ausge-
rechnet die ist, in der sich der größte Widerstand gegen solche Ver-
änderungen regt. Und zwar nicht aufgrund einer natürlichen
Trägheit, sondern weil man sich erst einmal bis zum Äußersten an-
strengt, alles beim Alten zu lassen. Das nennen wir manchmal
»Kultur«.

In der Euricis-Studie über Intensivstationen fanden wir heraus, dass


eine Dimension der Organisationskultur stark mit der Effektivität der
Intensivstationen zusammenhängt: nämlich, ob die Arbeitsweise pro-
zess- bzw. ergebnisorientiert ist.
Zwei andere Dimensionen wiesen ebenfalls eine positive Bezie-
hung zur Effektivität der Intensivstationen auf:
– Kommunikation: offen bzw. geschlossen
– Führungsstil: personen- bzw. arbeitsgerichtet

Krankenhäuser sollten darum gerade in diese Kulturaspekte investie-


ren. Eine geplante Kulturveränderung ist eine mühsame, wenn nicht
unmögliche Aufgabe, die professionelle Unterstützung von außen
braucht. Die Professionalität ist unabdingbar, denn es handelt sich
um eine komplexe Aufgabe. Jeder, der verändert, arbeitet nicht nur
mit, sondern gleichzeitig auch in dieser Kultur.

198
5. Die Entwicklung
von Unternehmenskulturen

Kann eine Unternehmenskultur systematisch entwickelt werden?


Wann ist es notwendig, eine Unternehmenskultur systematisch zu
entwickeln? Die nachfolgenden Beispiele beschreiben Anlässe, die zu
einer Entwicklung der Unternehmenskultur Anlass geben (Rosenthal
und Wagner 2004: 108):
– Es läuft nichts bei uns! (Misstrauenskultur)
– Wir brauchen ein neues Leitbild! (Orientierungsbedarf)
– Wir haben ein neues Management/neue Aufgaben/neue strategische
Ziele und müssen uns ganz neu orientieren! (Veränderungsimpulse)
– Nach unserem Zusammenschluss/der engeren Zusammenarbeit
mit einem anderen Haus klappt überhaupt nichts mehr! (Integra-
tionsbedarf)
– Wir brauchen ein neues Logo, ein besseres Design, überzeugendere
Symbole und Botschaften! (Marketing, Positionierung, Präsentation)
– Wir müssen unsere Personalrekrutierung verbessern! (Konkurrenz)

In diesem Kapitel werden die Bereiche vorgestellt, die bei einer syste-
matischen Entwicklung der Unternehmenskultur berücksichtigt wer-
den müssen.

199
– Welche Rolle spielt die Organisation? (Kapitel 5.1 und 5.2)
– Was kann durch die Art der Führung verändert werden? (Kapitel 5.3)
– Welche Rolle spielt eine leistungs- und erfolgsorientierte Vergü-
tung bei der Entwicklung der Unternehmenskultur? (Kapitel 5.4)
– Wie kann die Motivation der Mitarbeiter beeinflusst werden? (Ka-
pitel 5.5)
– Wie kann die Rekrutierung von Führungskräften professionell ge-
staltet werden? (Kapitel 5.6)
– Mit welchen Instrumenten kann Verschwendung im Krankenhaus
vermieden werden? (Kapitel 5.7)
– Welche Rolle spielt das persönliche Verhalten der Mitarbeiter und
Führungskräfte bei der Bildung von Teams und bei der Entwick-
lung der Führungskultur? (Kapitel 5.8)
– Welche Methoden können bei der Entwicklung der Unterneh-
menskultur angewendet werden? (Kapitel 5.9 und 5.10)

5.1 Bedeutung der Organisation

Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

Die Elemente der Kultur im Krankenhaus sind entscheidend geprägt


durch das ethische, am hippokratischen Eid ausgerichtete Verständ-
nis, der dort beschäftigten Ärzte und Pflegekräfte. Unsere Gesell-
schaft sah das Krankenhaus lange ausschließlich als einen Ort, an
dem Erkrankte durch das ausschließlich auf das Patientenwohl aus-
gerichtete Handeln der Ärzte und des Pflegepersonals von ihrem
Leiden befreit werden.
Erst seit einigen Jahren muss sich die Krankenhauskultur auch
ökonomischen Anforderungen öffnen. Damit kommen neue ökono-
mische Anforderungen hinzu, welche die Kultur verändern.
Krankenhäuser lassen sich nach ihrer Trägerschaft in öffentliche,
freigemeinnützige und private Häuser differenzieren. Der Kranken-
hausträger ist der Eigentümer des Krankenhauses und besetzt die
oberste Managementebene und kontrolliert die Geschäftsführung

200
bzw. Krankenhausleitung hinsichtlich der Effektivität ihrer Führung.
Der Träger legt die ökonomische, sachliche und soziale Grundaus-
richtung eines Krankenhauses fest und trägt damit wesentlich zur
Prägung der Unternehmenskultur bei. Insbesondere bei Häusern in
öffentlicher Trägerschaft wird die Kultur maßgeblich durch die deut-
sche Verwaltungskultur geprägt. Dieter Wehe (2003) beschrieb diese
auf dem CKM-Workshop im November 2003 als:
– fragmentiert,
– detailliert,
– kompliziert,
– immobil,
– am Status quo orientiert,
– formalisiert,
– auf Konflikt und Misstrauen basierend.

Für bürokratische Organisationen ergeben sich einige potenzielle


Probleme.
Eine starke Arbeitsteilung führt zu einer Orientierung an Teilzie-
len. Es resultiert eine mangelnde Orientierung auf das Gesamtziel,
eine Entfremdung der Beschäftigten von ihren Kunden und dem Sinn
ihrer Tätigkeit. Die Instanzenwege und die Schriftlichkeit ziehen
lange und langsame Entscheidungswege nach sich.
Starre Regeln und Kompetenzabgrenzungen führen zu einer
geringen Flexibilität. Im Mittelpunkt der Handlungen stehen nicht
die Interessen der Kunden, sondern die starren Regeln der Vorgangs-
ausführung. Aufgrund dieser Regeln kann es zu unbefriedigenden
Ergebnissen im Einzelfall kommen, und dadurch sinkt die Motivation
der Beschäftigten.
Wie eine kirchliche Trägerschaft die Unternehmenskultur beein-
flusst, wird in Kapitel 6.7 am Beispiel der St. Franziskus Stiftung
deutlich.
Ein weiteres Merkmal der Organisationsstruktur eines Kranken-
hauses ist die berufsständische Dreiteilung der Mitarbeiter in den
ärztlichen Dienst, den Pflegedienst und den Verwaltungsdienst.
Hinzu kommt eine Gliederung in einzelne Stationen und Funktions-
bereiche. Diese Arbeitsteilung ist nicht das Ergebnis einer bewussten

201
Organisationsgestaltung, sondern die Krankenhausorganisation hat
sich über die Jahre hinweg ohne aktive Gestaltungsprozesse entwi-
ckelt.
Die im ärztlichen Dienst herrschende, eher militärisch geprägte
Führungsstruktur lässt sich durch einen Blick in die Geschichte bes-
ser verstehen. Nach der Niederlage von Austerlitz durch die Franzosen
im Jahr 1806 waren zahlreiche Reformen notwendig, um in Preußen
ein modernes Staatswesen zu etablieren. Ein wesentliches Element
dieser Reform war die Ausbildung guter Militärärzte an der Pépinière.
Hier war die Medizin nach militärischem Vorbild organisiert: Spätes-
tens ab 1852 gab es den Ober- und den Unterarzt. Da die Professoren
der Pépinière gleichzeitig Professoren an der Charité waren, wurde so
das Chefarztsystem an die Berliner Universität gebracht – und hat sich
von dort in den deutschsprachigen Raum verbreitet.
Die Ausbildung von Ärzten nach »militärischen Grundsätzen«
bedeutet auch, dass Gehorsam und widerspruchsfreies Verhal-
ten Lob und Anerkennung erfahren, wohingegen Widerspruch
und abweichendes Verhalten bestraft werden. In einem militärischen
und hierarchischen Umfeld ist kein Platz für Kreativität, soziales
Engagement und einfühlsames patientenzentriertes Verhalten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es für die Unternehmens-
führung darum, die Grundlagen der Massenproduktion zu schaffen:
Standardisierung der Produkte, exzessive Arbeitsteilung, Bildung rie-
siger, hierarchisch fest gefügter Unternehmen. Diese Entwicklung
machte auch vor den Krankenhäusern nicht Halt. Hier entwickelte
sich eine Organisation von Spezialisten. Die Arbeitsteilung auf hori-
zontaler Ebene erfolgt primär nach medizinischen Fachgebieten wie
Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie und Pädiatrie.
Diese medizinischen Fachabteilungen werden von einem Chefarzt
geleitet. Dieser trägt die zentrale organisatorische und therapeutische
Verantwortung für seine Abteilung und die dort erbrachten Leistun-
gen. Der Chefarzt ist gegenüber den Oberärzten, Assistenzärzten und
Medizinstudenten in seiner Abteilung weisungsbefugt. Als wichtigs-
tes Kriterium für den Aufstieg gilt die fachliche Qualifikation, so dass
Sozial- und Führungskompetenzen bei der Besetzung von Führungs-
positionen kaum eine Rolle spielen.

202
Der Wandel von der Industriegesellschaft zur Wissens- und Dienst-
leistungsgesellschaft erfordert neue Organisationsstrukturen, um
Effizienzreserven zu erschließen und den veränderten Anforderun-
gen des Marktes gerecht zu werden. Es kommt darauf an, Schranken
zu beseitigen, die der Entfaltung der Menschen entgegenstehen.
Es geht darum, Initiative, Kreativität und Unternehmensgeist zu
wecken. Managementkonzepte wie Lean Management, Kaizen und
Total Quality Management rücken die Organisation als strategischen
Erfolgsfaktor in den Vordergrund.
Die Geschäftsprozesse in den meisten Branchen, insbesondere
aber in den Krankenhäusern, werden tendenziell immer komplexer.
Je komplizierter Geschäftsprozesse sind und je kundennäher ein
Unternehmen am Markt operieren will, desto ausgeprägter ist der
Zwang zur Dezentralisation: Die Umsetzung der Prinzipien der De-
legation und der Übertragung fallabschließender Verantwortung setzt
einerseits delegationsfähige Mitarbeiter mit vielseitigen Qualifika-
tionen voraus und macht andererseits die Zusammenarbeit in Teams
erforderlich.
Die Strukturierung nach der Organisation des Centerprinzips
sowie die Übertragung von ganzheitlichen prozessorientierten Auf-
gabenbereichen nach dem Kriterium der fallabschließenden Verant-
wortung sind zum einen entscheidende Voraussetzungen für die
Entwicklung von Selbstmotivation; zum anderen sind diese organisa-
torischen Rahmenbedingungen geeignet, demotivierende Effekte zu
begrenzen.

• Autonomie bei Entscheidung und Umsetzung für Führungskräfte


• Entscheidungsfreiheit für den Einzelnen
• geringe organisatorische Regelungsdichte
• geringe Hierarchisierung

Checkliste 5-1: Dezentrale Organisation.

Bei der Entwicklung der Unternehmenskultur sind daher immer die


Organisationsstrukturen zu berücksichtigen. Eine moderne und zeit-
gemäße Unternehmenskultur kann nur dann entstehen, wenn auch
die Organisation modern und zeitgemäß ist.

203
5.2 Integrationsprozess bei der Einführung
dezentraler Organisationsstrukturen

Andreas Greulich

Seit Anfang der 90er-Jahre beschäftigt sich das Inselspital Bern mit
der Frage einer geeigneten Ausrichtung seiner Organisation auf die
bekannten Herausforderungen im Gesundheitswesen. Das Inselspi-
tal hat sich dabei für eine vergleichsweise stark ausgeprägte Dezen-
tralisierung seiner Einheiten entschieden, was Mittelpunkt der nach-
folgenden Ausführungen sein wird. Diese Dezentralisierung ist
wahrscheinlich auch maßgeblich verantwortlich dafür, dass über-
haupt eine Auseinandersetzung mit strategischen Fragestellungen
auf dieser Ebene erfolgte.

5.2.1 Bildung teilautonomer Einheiten

Die Departementsbildung im Inselspital Bern hat eine mehrjährige


Vorgeschichte.
Bereits in den Grundsätzen zur Unternehmensstrategie 1993
wurde die Konzentration auf eine hoch spezialisierte Pflege und
Behandlung festgeschrieben. Der Begriff der »hochqualifizierten in-
tegrierten Spezialisierung« wurde dort als strategisch entscheidende
Erfolgsposition betrachtet und darunter die Fähigkeit des Spitals ver-
standen, »den Patienten unsere zahlreichen spezialisierten Dienst-
leistungen unabhängig vom Ort der Einweisung, situationsgerecht,
in der richtigen Qualität und Menge, zur richtigen Zeit in gesamt-
heitlicher Betrachtungs- und Betreuungsweise zukommen zu las-
sen«.
Im Rahmen der Ziele des Gesamtunternehmens soll dabei eine größt-
mögliche Freiheit für die einzelnen Bereiche gewährleistet werden.
Im Jahre 1994 wurde mittels Portfolioanalyse eine Analyse der
Kernkompetenzen und der Bereiche mit großem Marktpotenzial vor-
genommen und daran anschließend klinische Schwerpunktbereiche
definiert (Notfallzentrum, Neurozentrum, Herz- und Gefäßzentrum,
Magen-Darm-Zentrum, Urologie, Ophthalmologie, Orthopädie).

204
Spezialistinnen und Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen und Berufsgruppen
werden strukturell zusammengefasst.

Abbildung 5-1: Grundgedanken der Departementalisierung.

Wie die Unternehmens- und Umweltanalysen gezeigt haben, die


der dezentralen Ausrichtung des Inselspitals zugrunde lagen, erschien
die Bildung teilautonomer Einheiten (Departemente) eine adäquate
Antwort auf die Veränderungen im Gesundheitswesen zu sein.
Bereits 1996 wurden die Vorarbeiten für die Departementalisie-
rung begonnen. Abbildung 5-1 fasst die entsprechenden Grundgedan-
ken kurz zusammen. Die entscheidende Idee besteht darin, dass Spe-
zialisten aus unterschiedlichen Kliniken, Abteilungen und Instituten
in einer gemeinsamen Struktur zusammengefasst sind. Einfach aus-
gedrückt, soll dadurch erreicht werden, dass die Patienten nicht mehr
durch die verschiedenen Fachdisziplinen »geschleust« werden, son-
dern die Fachdisziplinen gewissermaßen zum Patienten kommen.
Diese Ausrichtung an den Bedürfnissen der Patienten sollte struktu-
rell-organisatorisch unterstützt und die Kooperation von Disziplinen
und Berufsgruppen gefördert und vereinfacht werden.
Die Departementalisierung war damit folgenden Zielen verpflich-
tet:
– Verwirklichung der neuen strategischen Ausrichtung des Spitals/
Umsetzung der definierten Schwerpunktbereiche

205
– Schaffung optimaler Behandlungsprozesse durch Förderung der
Patienten- und Prozessorientierung
– Schaffung von günstigen Voraussetzungen für die inter-
disziplinäre Lehre und Forschung
– Schaffung einer föderalen Struktur (teilautonome und weitgehend
ergebnisverantwortliche Departemente im Kontext gesamtunter-
nehmerischer Rahmenbedingungen)

Der Prozess der Departementsbildung wurde bis April 1999 abge-


schlossen.

5.2.2 Entwicklung einer gemeinsamen Leitidee


als kultureller Faktor

Die Unternehmenskultur gilt als ein sehr wichtiges, zugleich aber


auch schwer fassbares Phänomen. Eine ungenügende Abstimmung
strategischer Vorhaben mit »kulturellen Faktoren« scheint häufig für
das Scheitern struktureller Veränderungen mit verantwortlich zu sein.
In Krankenhäusern existieren nicht selten zwischen chirurgischen
und nicht-chirurgischen Kliniken und Bereichen Unterschiede dahin-
gehend, dass verschiedene Behandlungsphilosophien vorherrschen.
In chirurgischen Bereichen dominiert ein mehr auf die Therapie aus-
gerichteter Zugang zum Patienten, wohingegen in nicht-chirurgi-
schen Bereichen analytische und diagnostische Fragen eher stärker
gewichtet werden. Neben tatsächlich vorhandenen Unterscheidungen
scheinen sich allerdings hier zum Teil auch Vorurteile zu manifestie-
ren, die innerhalb der Medizingeschichte Tradition haben. Jedenfalls
herrschen nicht selten Meinungen vor, die von einer klaren Trennung
der Behandlungsansätze in der Praxis ausgehen (»Die Chirurgen sol-
len operieren und uns den Rest überlassen«).
Es darf noch betont werden, dass solche Sichtweisen vermehrt von
der Ärzteschaft vertreten werden und in Pflegebereichen weniger
stark ausgeprägt anzutreffen sind.
Im Falle des Schweizer Herz- und Gefäßzentrums kamen nun
die nicht-chirurgischen Abteilungen Kardiologie und Angiologie ver-
stärkt mit kulturellen Besonderheiten des Partners Herz- und Gefäß-

206
chirurgie in Berührung. Auch die administrative Verlagerung der
Kompetenzen Betriebswirtschaft, Informatik und Personal in das
Departement hinein sorgte für zusätzliche neue Kulturaspekte.
Durch die strukturelle Zusammenführung dieser Einheiten im ge-
meinsamen Departement musste man sich mehr als vorher mit
den Ideen und Vorgehensweisen des anderen auseinander setzen.
Schließlich war es ja gerade ein Ziel der Departementsbildung, eine
Basis zu schaffen, die die Vorteile von mehr Kooperation für die ein-
zelnen Einheiten im Hinblick auf eine verbesserte Patientenbehand-
lung und -betreuung sichtbar machen konnte.
Es darf an dieser Stelle betont werden, dass das Herz- und Gefäß-
zentrum im Zuge der Departementsbildung eine gute Ausgangslage
hatte. Es gab kaum Meinungsverschiedenheiten darüber, dass im De-
partement Einheiten zusammengeführt und damit einander näher
gebracht werden, die inhaltlich auch zusammengehören. Ein Patient
ist ja z. B., zumindest aus einer Laienperspektive, in erster Linie krank
am Herzen und erst in zweiter Linie ein »chirurgisches oder nicht-
chirurgisches Problem«.
Ausgehend von den theoretischen Gedanken zur Unternehmens-
kultur erschien es im Kontext der Strategieentwicklung deshalb
zuerst einmal notwendig, sich gegenseitig auszutauschen, einander
noch besser kennen zu lernen und sich mit den Perspektiven der
Partner auseinander zu setzen. Damit sollte der Grundstein für die
Erarbeitung einer integralen Strategie (des Departements) gelegt wer-
den, die in einem weiteren Schritt dann an die Belange und Be-
sonderheiten der Einheiten angepasst und somit auf die Klinik- und
Abteilungsebene »heruntergebrochen« werden sollte.
Die vorbereitenden umfangreichen Zusammenkünfte im Rahmen
der Departementsbildung haben hierzu einen wichtigen Beitrag ge-
liefert. Zwar waren sich die Einheiten vorher keineswegs unbekannt;
dennoch wurde durch die strukturelle Zusammenführung der Druck
zur Kooperation erhöht und damit auch die Notwendigkeit, vermehrt
andere Sichtweisen in die eigenen Perspektiven zu integrieren.
Das Herz- und Gefäßzentrum hat sich im Anschluss an die Erar-
beitung einer gemeinsamen Vision und abgeleiteten Ausrichtungen
entschlossen, ein Leitbild der integrierten medizinischen und chirur-

207
gischen Einheiten zu erstellen und zu verabschieden. Dieser Schritt
lag nahe, existierten doch durch die beschriebenen Vorarbeiten die
meisten wichtigen Inputs für ein entsprechendes Leitbild. Auch war
der gewählte Zeitpunkt insofern sehr passend, da ein umfassendes
Qualitätsmanagement drei Monate zuvor installiert wurde, das eben
auch nach Aussagen im Sinne eines Leitbildes fragte.
Nachdem abschließend die Broschüre gestaltet und gedruckt war,
wurde sie allen Mitarbeitern nach Hause geschickt. Diese sonst eher
unübliche Vorgehensweise sollte die besondere Bedeutung des Leit-
bildes für das zukünftige Zusammenarbeiten hervorheben und das
Interesse an der geleisteten Arbeit wecken. Dieser Postsendung
wurde zudem ein kleiner Fragebogen beigelegt, auf dem die Adres-
saten ihr Interesse an einer persönlichen Mitarbeit im Qualitätsma-
nagement (Teilnahme an einem Qualitätszirkel) bekunden konnten.
Der Erhalt des Leitbildes wird nun für alle neu eintretenden Mit-
arbeiter dadurch sichergestellt, dass die Personalverantwortliche den
Eintrittsunterlagen auch diese Broschüre beilegt.
Durch die hier vorgestellten Maßnahmen hatte das Schweizer
Herz- und Gefäßzentrum Bern seine Basis für eine strategisch abge-
stützte Ausrichtung erhalten. Doch waren diese Vorarbeiten für eine
von den Mitarbeitern abgestützte Umsetzung im täglichen Ablauf
noch nicht ausreichend, da die gemachten Aussagen nicht weit über
die Zielformulierung hinausgingen. Die Fragen, wie diese Ziele zu er-
reichen sind und wie dieses Erreichen zu messen ist, konnten zu
diesem Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Aus diesem Grund
setzte sich das Direktorium im nächsten Schritt mit der Herausfor-
derung auseinander, wie die vermittelten Visionen und das erstellte
Leitbild nun in umsetzbare Ziele verfeinert werden konnten. Diese
Vorgehensweise und das dabei eingesetzte Instrument der Balanced
Scorecard werden nachfolgend beschrieben.

5.2.3 Aufbau der Balanced Scorecard

Mit der kurz skizzierten Phase der Strategie- und Leitbildentwicklung


war eine Plattform für die Zusammenarbeit der verschiedenen Ein-

208
heiten im Departement geschaffen. Die grundsätzliche Ausrichtung
konnte somit allen Mitarbeitern aufgezeigt werden.
Doch bereits zum Zeitpunkt der Präsentation der Vision und der Stra-
tegien wurde deutlich, dass das Kommunizierte von einer Reihe von Mit-
arbeitern als zu abstrakt und für den Alltag wenig brauchbar empfunden
wurde. Aussagen wie »Was nützt mir die Vision von einem führenden
Zentrum, wenn mehrmals am Tag das Computersystem versagt?« waren
keine Seltenheit. Dass das eine mit dem anderen zwar nicht direkt, aber
durchaus indirekt zu tun hat, war schwer zu vermitteln.
Es wurde also offensichtlich, dass es für eine erfolgreiche Im-
plementierung dieser Unternehmensgrundsätze einer Methodik be-
durfte, die eine Verfeinerung der Grobausrichtung auf differenzierte
und operative Ziele ermöglichte. So wurde in der Folgezeit beschlos-
sen, die Umsetzung der strategischen Vorgaben durch das Manage-
mentsystem der Balanced Scorecard zu realisieren. Dieses System er-
schien deswegen geeignet, weil es klar von der Vision eines
Unternehmens ausgeht und versucht, verständliche und umsetzbare
Ziele zu formulieren. Auch überzeugte es aufgrund der Zuordnung
von entsprechenden Messgrößen zu den einzelnen Zielen. Dies er-
langte deshalb eine hohe Bedeutung bei der Auswahl, da auch das be-
reits eingeleitete Qualitätsmanagement klar auf Zielerreichung und
entsprechende Messgrößen abstellte. Diese Philosophie war also
schon bei den direkt und indirekt beteiligten Mitarbeitern akzeptiert
und kam in verschiedenen Qualitätszirkeln zur Anwendung.
Für das Krankenhaus als Expertenorganisation (Grossmann 1997)
kann aus dem Gesagten abgeleitet werden, dass die Herausforderung
darin liegt, leitendes Personal aus den Kliniken dahingehend zu be-
gleiten, diesen Prozess aus eigener Überzeugung einzuleiten und an
ihm festzuhalten. Dies gilt umso mehr in teilautonomen Einheiten,
wie sie hier beschrieben werden, in denen die Verantwortung für den
Erfolg oder Misserfolg insbesondere bei den Chefärzten und dem lei-
tenden Pflegepersonal liegt. Bewusst wird hier von Begleitung und
nicht von Überredung durch andere gesprochen, da sich bei der Ana-
lyse von gescheiterten Projekten nur allzu häufig zeigt, dass Füh-
rungsebenen sich halbherzig und wenig motiviert für das Voran-
schreiten dieser Projekte eingesetzt hatten.

209
Als Konsequenz daraus sollte die Führungsinstanz einer Einheit
den Ansatz der Balanced Scorecard aus eigenem Antrieb beschließen,
ihn ausreichend kommunizieren und auch inhaltlich gestalten. Dies
schließt aber nicht aus, dass Mitarbeitende aus den unterschiedlichen
Berufsgruppen und Hierarchieebenen in den Prozess involviert
werden; im Gegenteil kann Detailwissen keinesfalls schaden. Aber
die Verantwortung muss klar bei der Führungsebene belassen wer-
den.
Das Vorhandensein einer Vision oder strategischen Ausrichtung ist
daher Voraussetzung, da alle weiteren Verfeinerungen der Balanced
Scorecard immer von der grundsätzlichen Stoßrichtung ausgehen
müssen. Es handelt sich um ein absolut logisches Gebilde, das dem
einzelnen Mitarbeiter den Weg von abstrakten Vorstellungen hin zur
konkreten Umsetzung aufzeigt. Ohne diesen Ausgangspunkt bleiben
willkürlich gesetzte Ziele in einer Balanced Scorecard nach wie vor
nicht nachvollziehbar und somit auch nicht zwingend erstrebenswert.
So beginnt der Weg zur Balanced Scorecard zuerst einmal mit der
Auseinandersetzung mit vorhandenen oder nicht vorhandenen Visio-
nen und Ausrichtungen.
Eines wird dabei bereits hier deutlich: Eine Balanced Scorecard
lässt sich nicht in kurzer Zeit realisieren, wenn sie auf Dauer Erfolg
für das Krankenhaus bringen soll. Bevor die Ableitung der operatio-
nalen Ziele beginnen kann, müssen diese Grundlagen vorhanden
sein und häufig auch aktualisiert werden.
In unserem Beispiel wurde sowohl eine grundsätzliche Vision
als auch spezifische Ausprägungen mit Blick auf die verschiedenen
Aufträge des Herz- und Gefäßzentrums (Patientenbehandlung und
-Betreuung, Forschung und Ausbildung) gebildet, wie aus der Ab-
bildung 5-2 ersichtlich wird.
Von den Aussagen in Abbildung 5-2 ausgehend, wurde diese Ein-
teilung jeweils für die drei Auftragsbereiche vorgenommen. Dazu
wurden in einer Brainstorming-Runde die wichtigsten Stoßrichtun-
gen des Herz- und Gefäßzentrums identifiziert und den vier Pers-
pektiven der Balanced Scorecard zugeordnet. Im Einzelnen handelte
es sich um folgende Aussagen:

210
Abbildung 5-2: Ableitung der auftragsbezogenen Visionen von der Grundvision.

– Das Kerngeschäft ist die Patientenbetreuung. Da diese in erster


Linie über die Behandlungsabläufe gesteuert wird, kann diese Aus-
sage der Prozess-Perspektive zugeordnet werden.
– Die funktionale Einheit des Herz- und Gefäßzentrums lässt sich
idealerweise durch eine prozessorientierte Organisation herstellen.
Mit dieser Philosophie wird dem Arbeitsinhalt als entscheidenden
Faktor für eine Integration verschiedener Einheiten eine bedeu-
tende Rolle zugemessen. Daher erfolgt auch hier eine Zuordnung
zur Prozess-Perspektive.
– Im Qualitätsmanagement liegen die offensichtlichen Gemeinsam-
keiten der organisatorischen Einheiten des Herz- und Gefäßzen-
trums. Qualitätsmanagement lenkt den Blick auf die Qualität der
Dienstleistung und das entsprechende Schnittstellenmanagement.
Hierdurch erhalten medizinische und pflegerische Anliegen eine
Unterstützung durch eher betriebswirtschaftliche Instrumente.
Letztlich kommen die Bemühungen dem Patienten und den zu-
weisenden Ärzten zugute und sind somit der Kunden-Perspektive
zuzuordnen.

211
– Eine zusätzliche internationale Ausrichtung bei der Akquisition
von Patienten erhöht den Deckungsgrad der Kosten und verschafft
so mehr finanziellen Spielraum. Diese Ausrichtung zielt insbeson-
dere auf eine optimale Nutzung vorhandener Ressourcen und ist
aufgrund der Ertragszugewinne der Finanzperspektive zugehörig.
– Eine Ausweitung der Leistungsmenge ist nur bei entsprechendem
Ressourcenzuwachs anzustreben. Diese Zielsetzung berücksichtigt
die hohe Belastung des Personals und setzt entsprechende Entlas-
tungen vor eine weitere Leistungssteigerung. Sie gehört damit zur
Potenzial-Perspektive.
– Bedingt durch eine überdurchschnittliche Steigerung der Leis-
tungsmenge in den letzten Jahren, bedarf es einer erhöhten Be-
achtung der Qualitätssicherung. Diese Qualitätssicherung bezieht
sich insbesondere auf die medizinische und pflegerische Leistung
und hat im Gegensatz zum Qualitätsmanagement die Prozess- und
Potenzial-Perspektive im Fokus.

Als Nächstes wurden diese zugeordneten Stoßrichtungen auf ihre


Übertragbarkeit auf die drei Auftragsbereiche Dienstleistung, For-
schung und Ausbildung überprüft und entsprechend verfeinert.
Zum Abschluss lagen zu jeder der vier Perspektiven fünf strategische
Ziele vor, also insgesamt 20, getreu dem Motto der ABB Schweiz
»Twenty is plenty« (Horvath & Partner 2000: 61). In Abbildung 5-3
sind diese Ziele nochmals zusammengefasst dargestellt.
Beim genaueren Hinsehen bemerken wir jedoch, dass in der
Abbildung 5-3 eine weitere Ebene eingeführt und somit 22 Ziele for-
muliert wurden. Was war geschehen? Nachdem die insgesamt 20
Ziele formuliert waren und den Teilnehmenden vor Augen lagen,
meldete sich ein teilnehmender Arzt zu Wort. Er konnte sich trotz der
guten Ansätze und dem klaren Aufbau des Projektes nicht damit ein-
verstanden erklären, dass als oberste Ebene und damit »höchstes
Ziel« eine Finanzperspektive stand. Das Inselspital als Stiftung und
klassischer Non-Profit-Betrieb sollte als oberstes Ziel auch seinen ei-
gentlichen Auftrag berücksichtigen.
Aus dieser unbestrittenen Sichtweise heraus wurde zuletzt also
eine fünfte Ebene eingesetzt, die als Patientenperspektive beschrie-

212
Abbildung 5-3: Übersicht strategischer Ziele des Schweizer Herz- und Gefäß-
zentrums Bern.

ben wurde. Wichtig ist hierbei, den Patientenbegriff nicht aus klassi-
scher Kundensicht zu sehen, sondern als eigentliche Mission zu be-
greifen. Die Patientenzufriedenheit der Ebene Kunden ist dagegen
eindeutig auf die individuelle Zufriedenheit bezogen und hat daher
eher Marketingcharakter. Aus dieser Situation heraus ergaben sich
zwei konkrete Ziele, die auch im Leitbild als oberstes Primat formu-
liert wurden:
– Optimale medizinische Versorgung rund um die Uhr ist garantiert.
– Patientengerechte Betreuung und Behandlung sind gewährleistet.

Diese Abweichung von der Norm zeigt klar auf, dass das System der
Balanced Scorecard nicht als Zwangskorsett, sondern vielmehr als
gedankliche Unterstützung zu verstehen ist. Die Akzeptanz bei den
Beteiligten ist durch den flexiblen Umgang mit dem Instrument
sicherlich gestiegen. Hinzu kommt, dass nun auch die Mitarbeiter
klarer die Zielsetzungen und Zusammenhänge verstehen können.

213
Eine Ausrichtung auf die Finanzperspektive hätte wohl noch stärker
die Furcht vor der alles dominierenden Ökonomie im Gesundheits-
bereich vergrößert.
Somit war der Boden für die weitere Differenzierung der strategi-
schen Ausrichtung bereitet. Die Teilnehmer waren gefordert, zu den
verabschiedeten strategischen Zielen entsprechende Zielformulie-
rungen festzulegen und damit mehr Transparenz in die knappen
Aussagen zu bringen. Die Idee dahinter ist, jedem Mitarbeiter durch
das Lesen dieser Zielformulierung eine klare Umschreibung der
ursprünglich kurzen Statements zu geben. Diese Aufgabe verblieb
bei den anwesenden Workshopteilnehmenden, da eine Delegierung
dieser Arbeit an Externe nicht die gleichen Ergebnisse gebracht
hätte.

5.2.4 Definition der Messgrößen

Ist man an dem Punkt angelangt, dass die strategischen Ziele defi-
niert, überprüft und miteinander verknüpft sind, so stellt sich im
nächsten Schritt die Frage, wie diese Ziele zu erreichen sind und
wie darüber hinaus eine Messung der Zielerreichung erfolgen kann.
Während die Frage nach den Maßnahmen zur Zielerreichung für die-
sen Beitrag zu weit führen würde, soll an dieser Stelle kurz auf die
möglichen Messgrößen, strategische Kennzahlen genannt, eingegan-
gen werden. Aus unserer Philosophie heraus müssen zudem erst
dann Maßnahmen generiert werden, wenn ein tatsächlicher Hand-
lungsbedarf besteht. Und dafür braucht es zuerst einmal die Messung
des Zustandes.
Die Komplexität der Balanced Scorecard wird in der Phase der
Messgrößendefinition rasch deutlich. Da das Herz- und Gefäßzen-
trum anfangs insgesamt 22 strategische Ziele definiert hat und diese
auch gemessen werden sollen, kann man davon ausgehen, dass durch
die Festlegung von durchschnittlich zwei Messgrößen pro Ziel schnell
insgesamt über 40 Messgrößen entstehen. Dies war sicher weniger
ein Problem bei der Erarbeitung der Messgrößen, aber umso mehr
bei der kontinuierlichen Überwachung dieser Kennzahlen.

214
Es soll hier also keinesfalls die Botschaft vermittelt werden, ebenso
viele Messgrößen finden zu müssen, wie das Beispiel aufzeigt, son-
dern jeweils individuell das richtige Maß zu finden.
Einige der gewählten Messgrößen sind im Rahmen von zuvor ini-
tiierten Projekten bereits gebildet worden und brauchten daher keine
intensive Aufarbeitung. Etwa die Hälfte der definierten Messgrö-
ßen musste allerdings über mehrere Brainstorming-Runden gefun-
den werden und basieren häufig auf nicht automatisierten Daten-
quellen.
Da bereits seit zwei Jahren ein umfassendes Qualitätsmanagement
mit einer Reihe von Qualitätszirkeln und Zielsetzungen existierte,
ergaben sich wiederum bestimmte Größen und Ansätze praktisch
von selbst. Man kann sicher sogar so weit gehen zu sagen, dass die
operative Steuerung durch Total Quality Management hiermit um
den strategischen Aspekt erweitert wurde und mehr einen über-
geordneten Rahmen bekam (siehe hierzu Abbildung 5-4).

SZ= strategisches Ziel, MG= Messgröße,


QZ= Qualitätsmanagement, OZ= operatives Ziel, MA= Mitarbeiter

Abbildung 5-4: Verknüpfung zwischen Balanced Scorecard und TQM über Mess-
größen.

215
5.2.5 Fazit

Aus unserer Sicht lässt sich die Integration verschiedener Kulturen zu


einer einheitlichen Struktur nicht befehlen oder verordnen. Auch ist
es nicht ausreichend, diese hauptsächlich über gesellige Anlässe oder
geplante Abenteuer-Events herzustellen. In den Mittelpunkt muss das
gemeinsame Interesse, die gemeinsame Leitidee gestellt werden.
Diese liegt bei Expertenorganisationen stärker in den Idealen der
Qualitätsverbesserung und der Reputation.
Eine matrixähnliche Organisationsstruktur über ein prozessorien-
tiertes Qualitätsmanagement in Verbindung mit einer erarbeiteten
Strategie auf fassbarer Ebene erscheint dazu geeignet zu sein, die ge-
meinsamen Ziele zu kommunizieren und zu verfolgen.
Es sollte aber auch akzeptiert werden, dass Ärzte und Pflegeperso-
nal sich in erster Linie einer anderen Mission verpflichtet fühlen als
das Management. Nur wenn gegenseitige Wertschätzung und Akzep-
tanz vorhanden sind, kann an der Entwicklung eines gemeinsamen
Verständnisses für die Ziele erfolgreich gearbeitet werden.
Noch einmal soll betont werden, dass die Unternehmenskultur
ein wichtiger Faktor bei Integrationsprozessen ist – egal ob es sich
dabei um ganze Unternehmen oder Abteilungen einer Unterneh-
mung handelt. Eine starke gemeinsame Unternehmenskultur kann
dem Konkurrenzdenken und dem Abteilungsegoismus entgegen-
wirken. Kritisch ist der Erfolgsfaktor Kultur deshalb, weil er nur
sehr schwer zu begreifen, zu interpretieren und vor allem zu be-
einflussen ist. Der Kultur sollte im Rahmen von Veränderungen und
Innovationen mehr Beachtung geschenkt werden, und zwar nicht
erst, wenn es bereits zu unternehmenskulturellen Konflikten ge-
kommen ist.
Die Spitäler werden sich in Zukunft den veränderten Umwelt-
bedingungen anpassen müssen. Bei allen Veränderungsprozessen
und im Speziellen bei Integrationen wird die Unternehmenskultur
aber eine entscheidende Rolle spielen. Denn die Subkulturen im
Spital, unter den Berufsgruppen, Abteilungen, zwischen oberem Ma-
nagement, mittlerem Management und Mitarbeitern an der Basis
sind sehr stark ausgeprägt und verschieden voneinander. Die Unter-

216
nehmenskultur wird ihren Beitrag bei Integrationsprozessen in Spi-
tälern leisten – positiv-unterstützend oder negativ-hemmend –, und
genau das macht sie zu einem kritischen Erfolgsfaktor.

5.3. Bedeutung der Führung

Wilfried von Eiff

»Das meiste, was wir als Führung bezeichnen,


besteht darin, den Mitarbeitern die Arbeit
zu erschweren.«
Peter Ferdinand Drucker,
US-amerikanischer Unternehmensberater,
Managementtheoretiker und Publizist

»Die herausragenden Leistungen eines Mit-


arbeiters werden der Führung zum Trotz
erbracht.«
Bob Woodward

Die mangelnde emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihr Un-


ternehmen verursacht in Deutschland jährlich Kosten von rund
250 Milliarden Euro – so die Ergebnisse einer Gallup-Studie. Mitar-
beiter mit einer geringen emotionalen Bindung an das Unternehmen
fehlen im Durchschnitt elf Tage pro Jahr. Mitarbeiter mit einer hohen
emotionalen Bindung an das Unternehmen fehlen hingegen nur fünf
Tage im Jahr.
Die Ursache für das fehlende Engagement am Arbeitsplatz liegt vor
allem in einem schlechten Management. So gaben die Befragten an,
dass sie eine Position ausfüllen, die ihnen nicht liegt, dass ihre Vor-
gesetzten gute Leistungen nicht anerkennen und dass sich die
Führungskräfte nicht für die Mitarbeiter als Menschen interessieren.
Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter den Eindruck haben, dass im
Unternehmen niemand die persönliche Entwicklung fördert und
Meinungen und Ansichten der Mitarbeiter nicht gehört werden.
Wie stark eine Unternehmenskultur durch Führungskräfte geprägt
werden kann, zeigt sich besonders deutlich bei inhabergeführten

217
Unternehmen. Reinhard Mohn, Bill Gore oder Reinhold Würth haben
eine erfolgreiche und eigenwillige Unternehmenskultur durch ihren
Führungsstil und ihre Persönlichkeit geprägt.
Wer die Persönlichkeitsprofile dieser Spitzenführungskräfte stu-
diert, entdeckt insbesondere drei gemeinsame Leistungsmerkmale:
– die Fähigkeit zur überzeugenden und klaren Kommunikation in
Verbindung mit einer konsequenten Zielorientierung;
– die Sensibilität, die »richtigen« (also in die eigene Unternehmens-
kultur passenden) Mitarbeiter gezielt anzuwerben, treffsicher aus-
zuwählen, leistungsgerecht einzusetzen sowie talentgerecht zu ent-
wickeln;
– das Vermögen, selbstmotivierte Hochleistungsteams zusammen-
zustellen, die delegationsfähig sind und Spitzenleistungen hervor-
bringen.

Der Schlüssel zu dieser »Leadership-Fähigkeit« liegt dabei ganz of-


fensichtlich in dem Vermögen, den eigenen Arbeits- und Kommuni-
kationsstil zu kennen, und die Empathie, um zu wissen, wie dieses
Verhalten auf andere (Kollegen, unterstellte Mitarbeiter, externe Part-
ner) wirkt. Dazu gehört aber augenscheinlich auch das Können, die
Persönlichkeitsstruktur anderer Menschen zu diagnostizieren, um
sich auf deren Befindlichkeitsmuster situativ und konstruktiv ein-
zustellen.
Führung als dispositiver Faktor sorgt dafür, dass Ziele entwickelt,
Strategien abgeleitet und die zur Realisierung notwendigen Leis-
tungsprozesse organisiert werden. Führung beinhaltet aber auch die
Fähigkeit, Mitarbeiter für Ziele und Programme zu begeistern. Beide
Aspekte der Führung – der sachliche Aspekt der Strategieentwicklung
ebenso wie der psychologische Aspekt der Überzeugung – fordert die
Führungskraft als Kommunikator.
Erstaunlich klare Vorstellungen artikulierten die im Rahmen einer
CKM-Studie befragten Mitarbeiter (aus allen Berufsgruppen) im Hin-
blick auf das Anforderungsprofil von Führungskräften im Kranken-
haus: Je nach Situation nimmt eine Führungskraft die Funktion des
Orientierungsgebers ein, der Richtungen entwickelt und Ziele vor-
gibt, Entscheidungen trifft und Entwicklungsprozesse vorantreibt.

218
Oder die Führungskraft fungiert als Moderator und Gesprächspart-
ner, der dem Mitarbeiter hilft, sein eigenes Problemlösungspotenzial
zu erkennen und nutzbar zu machen. In anderen Situationen
schlüpft sie in die Rolle des »hierarchielosen Kollegen«, z. B., wenn
seine besondere Expertise auf einem bestimmten Gebiet gefragt ist.
Oder die Führungskraft gibt Sicherheit als Regelgeber, Organisator
und verlässlicher Stratege. Die Führungskraft im schlanken Unter-
nehmen zeichnet sich durch folgende Fähigkeitsbereiche aus: Fach-
kompetenz, Lehrkompetenz, Innovationsfähigkeit, Problemlösungs-
fähigkeit und Sozialkompetenz.
Die Kritik an Führungsfähigkeiten und Kommunikationskultur fiel
im Rahmen einer CKM-Studie deutlich aus. Danach besitzt kaum die
Hälfte der leitenden Ärzte die Eigenschaft einer erfolgreichen und
akzeptierten Führungskraft.
Nur 45 Prozent der heutigen Chefärzte spricht man Führungs-
fähigkeiten zu; in der Verwaltung vermutet man immerhin bei 57 Pro-
zent der Manager die gewünschten Führungsqualitäten. Generell
wurde angegeben, dass bei Ärzten die größten Führungsdefizite zu
vermuten sind.
Bei der Beurteilung der ärztlichen Führungskräfte durch die Mit-
arbeiter bemängeln 63 Prozent der Befragten die Fähigkeiten ihres
Vorgesetzten als »Konferenz-/Besprechungsmanager«. Langwierige,
nicht zielführende Besprechungen stehen auf der Verärgerungsliste
ganz oben.
83 Prozent der Befragten empfinden es als frustrierend bis ver-
ärgernd, dass die Führungskräfte viel zu wenig über die arbeits-
täglichen Organisationshemmnisse sowie die Zusammenarbeitspro-
bleme und »menschlichen« Reibereien Bescheid wissen und daher
oft vermeidbare Fehlentscheidungen treffen. Die Abwesenheit des
Chefs vor Ort gilt als Zeichen dafür, dass der Vorgesetzte ihre Aufgabe
als nicht so wichtig erachtet; außerdem führe der Mangel an »go to
gemba«-Bereitschaft zu realitätsfernen und sprunghaften Entschei-
dungen.
Die CKM-Studie macht die schlimmsten Führungsfehler transpa-
rent, die von Führungskräften aus Sicht betroffener Mitarbeiter im
Krankenhaus begangen werden.

219
Abbildung 5-5: Der schlimmste Führungsfehler besteht darin, Mitarbeiter nicht
ernst zu nehmen: ihre Initiative zu ignorieren, ihre Neugier zu
unterdrücken, ihre Fehler zu bestrafen und ihre Persönlichkeit zu
demontieren.

Neben Desinteresse an den wirklichen arbeitstäglichen Problemen


der Mitarbeiter werden Unberechenbarkeit/Wankelmut, die Unfähig-
keit zu loben, das Abwürgen berechtigter Kritik und das Abkanzeln
von Mitarbeitern in der Öffentlichkeit genannt (siehe Abbildung 5-5).
Im Einzelnen werden folgende Führungsfehler als »besonders
schlimm« und »überdurchschnittlich oft vorkommend« kommen-
tiert:
– keine Loyalität bei Fehlverhalten des Mitarbeiters,
– Mitarbeiter vor anderen abkanzeln,
– Entmündigung der Mitarbeiter, »menschliche« Respektlosigkeit,
– Korrigieren in der Öffentlichkeit,
– Druck durch Intrigen,
– fehlende Kongruenz von Anspruch an den Einsatz der Mitarbeiter
und eigenem Einsatz,
– Inkonsequenz, Launenhaftigkeit, Unfähigkeit zu loben,
– Ziele nicht konkret zu benennen,
– Entscheidungsschwäche,
– Desinteresse an den Problemen der Mitarbeiter,

220
– keine Zeit für Mitarbeitergespräche,
– Abwürgen berechtigter Kritik,
– zu frühe oder subjektive Entscheidungen,
– keine Information, keine Verantwortung, kein Vertrauen,
– falsch verstandene Nachgiebigkeit, insbesondere den Leistungsver-
weigerern und auf die »Sozialtour« sich verstehenden Mitarbeitern
gegenüber,
– keine Maßregelung und Kündigung von Quertreibern, dadurch eine
Subkultur von versteckten sozialen Regeln, die sich gegen das »Unter-
nehmen Krankenhaus« und gegen die Interessen der Patienten rich-
ten – Engagierte bleiben auf der Strecke, Bequeme werden belohnt,
– durch schlechte Organisation schlechte Medizin (Fehler) machen,
ohne dass konkrete Anstrengungen unternommen werden, die Ab-
läufe zu reorganisieren.

Der Erfolg eines Managers hängt von zwei Voraussetzungen ab, die er
beide im Sinn einer Vertrauensvorleistung beeinflussen kann: Loyali-
tätsgrad der Mitarbeiter und Selbstständigkeitsgrad der Organisation.
Das Delegationskontinuum der Führung nach Mc Gregor verdeut-
licht Merkmale und Einflussfaktoren der Führungsrolle unter den
Aspekten der Partizipation sowie der Kommunikation.
Mitarbeiter entwickeln Delegationsbewusstsein auf der Grundlage
eines eigenständigen Delegationsbereiches, indem sie durch eigene
Entscheidungen sichtbare Resultate erreichen können.
Kooperative Entscheidungsprozesse führen schneller zu qualifi-
zierten Resultaten als autoritäre Einzelentscheidungen.
Management ist die Fähigkeit, das bestmögliche Problemlösungs-
Know-how zu mobilisieren, durch Herstellen einer transparenten
»psychologischen Kontrakt-Situation« zielführende Konzepte zu rea-
lisieren und akzeptierte, zielführende Konzepte umzusetzen.

221
Abbildung 5-6: Die Loyalität der Mitarbeiter und die Selbstständigkeit der
Organisation sind Voraussetzungen für den Führungserfolg des
Managers.

Abbildung 5-7: Das Delegationskontinuum der Führung verdeutlicht Merkmale


und Einflussfaktoren der Führungsrolle unter den Aspekten der
Partizipation und der Kommunikation.

222
Abbildung 5-8: Die Delegation von Problemlösungsverantwortung bildet die
Grundlage einer leistungsorientierten Führung.

Abbildung 5-9: Die Einbindung der »richtigen« Mitarbeiter in die Entscheidungs-


prozesse, ermöglicht innovative, qualifizierte, akzeptierte und
schnelle Entscheidungen.

223
Abbildung 5-10: Die Entscheidungsschleife charakterisiert den Prozess der Führung
delegationsfähiger Mitarbeiter.

• Neue Mitarbeiter müssen unter dem Gesichtspunkt ausgewählt werden,


ob sie in das Team passen.
• Mitarbeiter sind in das Team zu integrieren.
• Mitarbeitern soll durch die Führung geholfen werden, Selbstmotivation zu ent-
wickeln.
• Konfliktsituationen sind konstruktiv zu meistern.
• Mitarbeiter sollen ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechend eingesetzt und
entwickelt werden.
• Nur heterogene Teams erzeugen Hochleistungen.

Checkliste 5-2: Aufgaben der Führung.

224
5.4 Zunehmende Bedeutung leistungs-
und erfolgsorientierter Vergütung

Martin von Hören

5.4.1 Vergütungspolitik im Umbruch

Der Stellenwert, den die Ausgestaltung der Vergütung von Führungs-


kräften mittlerweile in der öffentlichen Diskussion erlangt hat, zeigt:
Die Vergütungspolitik befindet sich im Umbruch. Diese Veränderun-
gen reflektieren einen grundlegenden Wandel in der Auffassung vom
Mitarbeiter: Auch wenn in der gegenwärtigen konjunkturellen Phase
und in der Krankenhauslandschaft aufgrund der gesundheitspoliti-
schen Entwicklungen Personalkosten ein dominierendes Thema
sind, so greift doch zunehmend die Erkenntnis, dass Mitarbeiter nicht
in erster Linie eingestellt werden, um Kosten zu verursachen, son-
dern um den Erfolg des Unternehmens sicherzustellen.
Wie bei jeder anderen Investition geht es dann bei der Investition
in Humankapital darum sicherzustellen, dass diese sich für das
Unternehmen auszahlt. Hierzu dienen alle Instrumente der Per-
sonalführung, und in diesem Zusammenhang dient Vergütungs-

Abbildung 5-11: Vergütung als Umsetzungshebel der Unternehmensstrategie.

225
politik nicht nur dazu, von der Seite der Personalkosten sowie am
Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu sein, sondern vor allem dazu, dass
sich Wettbewerbsvorteile des Unternehmens durch Qualifikation,
Engagement, Leistungen und Ergebnisse der Mitarbeiter realisieren.
Vergütungspolitik wird damit zum Umsetzungshebel der Unter-
nehmensstrategie (vgl. Abbildung 5-11).
Grundsätzlich gilt diese Aussage für alle Vergütungskomponenten.
Einen besonderen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang frei-
lich variable Vergütungsbestandteile, da sich in ihnen der Beitrag, den
Mitarbeiter zum Erfolg des Unternehmens leisten, besonders deut-
lich zum Ausdruck bringen lässt. Aus diesem Grund ist die Bedeu-
tung der variablen Bezüge (Boni, Tantiemen, Gratifikationen) in den
vergangenen Jahren erheblich gewachsen und hat mittlerweile auch
große Teile des Tarifbereichs erfasst.

5.4.2 Entwicklungstendenzen bei Vergütungssystemen

Ist in dem Vergütungspaket von oberen Führungskräften in der


Industrie ein spürbarer variabler Anteil seit langem Standard
(vgl. Abbildung 5-12), so lassen sich in den letzten Jahren folgende
Tendenzen ausmachen:

Abbildung 5-12: Bedeutung der variablen Bezüge


Vergleich Krankenhäuser – Industrie/Handel.

226
– Die Anwendung variabler Vergütung dringt von den leitenden
Angestellten, bei denen sie aufgrund geringerer rechtlicher Res-
triktionen relativ leicht eingeführt werden konnte, auf weitere
Kreise wie die gesamten außertariflichen Angestellten und zuneh-
mend die Gesamtbelegschaften vor.
– Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Tariflandschaft nieder,
die nach einigen prominenten Haustarifverträgen (Debis, Jenoptik,
Deutsche Telekom) jetzt auch große Branchentarife wie das Bank-
gewerbe erreicht hat.
– Neben dieser vertikalen Verbreitung ist eine horizontale Ausdeh-
nung zu verzeichnen: Nachdem mittlerweile Industrie, Handel,
Banken und Versicherungen einen ähnlichen Stand erreicht ha-
ben, werden in Gestalt des neuen Tarifvertrags für den öffentlichen
Dienst flächendeckend auch der öffentliche Sektor und damit
große Teile der Krankenhauswelt mit einer neuen, leistungsorien-
tierten Entgeltsystematik konfrontiert. Im Rahmen des Tarifver-
trags für den öffentlichen Dienst ist ab 2007 schrittweise für alle
Mitarbeiter ein variables Entgeltvolumen von anfangs einem, spä-
ter acht Prozent der Entgeltsumme vorgesehen.
Diese unübersehbaren Tendenzen hin zu einer stärker leistungs- und
erfolgsorientierten Entgeltgestaltung sind also auch im Krankenhaus-
bereich unübersehbar – wenn auch mit erheblicher Verzögerung. Der
Vergleich der Verbreitungsgrade variabler Vergütungsbestandteile in
den Krankenhäusern mit Industrie und Handel zeigt, dass – sieht
man von den gesondert zu betrachtenden Vergütungsregelungen der
Chefärzte ab – bislang erst bei den Geschäftsführern bzw. Vorständen
und den Verwaltungsdirektoren der Kliniken ein größerer Anteil leis-
tungs- und erfolgsabhängig vergütet wird (vgl. Abbildung 5-12). Auch
der Anteil der variablen Gehaltsbestandteile an den Gesamtbezügen
liegt deutlich niedriger als in der Industrie.
Aber immerhin: Die Tendenz ist unübersehbar. Bei allem fest-
stellbaren Gefälle gegenüber der gewerblichen Wirtschaft darf nicht
unerwähnt bleiben, dass sich auch dort hinter den variablen Ver-
gütungssystemen oftmals noch Regelungen wie die klassische Er-
messenstantieme verbergen, bei denen die Steuerungs- und Anreiz-
wirkung wenig ausgeprägt ist.

227
5.4.3 Verbindung von Zielvereinbarungen
und variabler Vergütung

Was lässt sich nun aus den Entwicklungen, die sich in vielen Unter-
nehmen in der jüngeren Vergangenheit vollzogen haben und heute
noch vollziehen, für die Einführung leistungs- und erfolgsorientierter
Vergütung in Krankenhäusern lernen?
In aller Regel wird heute variable Vergütung bei Führungskräften,
zunehmend aber auch auf den unteren Hierarchierängen, im engen
Zusammenhang mit Zielvereinbarungssystemen gesehen. Auch im
Rahmen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst wird analog zu
anderen Tarifwerken an mit den Mitarbeitern vereinbarten Zielen an-
geknüpft. Die Integration von Zielvereinbarungen und an die Ziel-
erreichung gekoppelter variabler Vergütung (vgl. Abbildung 5-13) ist
heute weitgehend ohne Alternative.
Die wesentlichen Gründe dafür sind:
– Zunehmender Wettbewerbsdruck, im Krankenhausbereich ergänzt
um den Kostendruck aufgrund politischer Rahmenbedingungen,
zwingt zur Hebung aller unausgenutzten Effizienzreserven.

Abbildung 5-13: Zielvereinbarungen und Bonussystem als integriertes Gesamt-


konzept.

228
Abbildung 5-14: Zielorientierung im Unternehmen.

Bei Präsentationen in Unternehmen veranschaulichen wir dies


häufig mit einem plakativen Bild (Abbildung 5-14).
Begreift man jedes Teilbild als Prinzipskizze einer Unternehmens-
hierarchie, so wird schnell klar, dass in einem Unternehmen, das so
aufgestellt ist, wie das obere Teilbild andeutet, zu viel Energie dadurch
verbraucht wird, dass Mitarbeiter entweder aufgrund widersprüchlicher
von oben empfangener Vorgaben oder aufgrund eigener Entschei-
dungen als Fachmann oder Fachfrau ihre Aktivitäten in unterschied-
liche Richtungen lenken oder sogar direkt gegeneinander arbeiten.
Zielorientierte Führung setzt hier an: Indem Klarheit über die
Unternehmensziele geschaffen wird und diese kaskadenförmig auf
alle Mitarbeiter heruntergebrochen werden, arbeitet das Gesamt-
unternehmen stromlinienförmiger (vgl. das untere Teilbild, das si-
cherlich einen Idealzustand beschreibt) und verwendet seine Ener-
gien dadurch stärker darauf, sich unter den härter gewordenen
Rahmenbedingungen zu behaupten.
– Wandelnde Kundenbedürfnisse und sich immer schneller verän-
dernde Wettbewerbsbedingungen erfordern schnelle und flexible
Entscheidungen. Diese Herausforderung ist in größeren Organi-
sationen kaum mehr zentral zu bewältigen, es bedarf also unter-

229
Abbildung 5-15: Vorteile von Zielbonussystemen.

nehmerischen Denkens »vor Ort« mit entsprechenden dezen-


tralisierten Entscheidungsmöglichkeiten. Diese »Unternehmer im
Unternehmen« werden über die Verantwortlichkeit für Ergebnisse
geführt – genau dies ist der Inhalt von Zielvereinbarungen.
– Ein Führungsstil, der den Mitarbeiter mit größerer Selbstständig-
keit ausstattet, ihn also über Resultate und nicht über Handlungen
steuert, trifft auf veränderte Einstellungen der Mitarbeiter zu ihrer
Arbeitstätigkeit. Fehlende Sinngebung ihrer Tätigkeit, Gängelung
bei der Arbeitsausführung und ausbleibende Rückmeldung über
Erfolge und Misserfolge sind die Faktoren, die heute bei Mitarbei-
tern auf die stärkste Ablehnung stoßen. Zielorientierte Führung
schafft hier Abhilfe: Indem die Tätigkeit in übergeordnete Zu-
sammenhänge eingeordnet wird, im Rahmen der vereinbarten
Ziele Freiräume bei der Wahl des optimalen Weges bestehen und
über die gemeinsame Feststellung der Zielerreichung organisiert
Rückmeldung erfolgt, kommt das Unternehmen den Bedürfnissen
des »selbstständigen« Mitarbeiters entgegen (vgl. Abbildung 5-15).

Die Gestaltung der Vergütungssysteme, die das Führen mit Zielver-


einbarungen unterstützen und flankieren, tendiert heute aus Akzep-

230
Abbildung 5-16: Typische Vergütungsstruktur bei Zielbonussystemen.

tanzgründen zu möglichst einfachen und transparenten Lösungen.


Im Detail variantenreich, sind die Grundprinzipien unterschiedlicher
Systeme bei näherem Hinsehen recht ähnlich. Ein wichtiges Gestal-
tungselement ist beispielsweise die Verbindung individueller und kol-
lektiver Zielgrößen (vgl. Abbildung 5-16). Indem die von Position zu
Position unterschiedlichen individuellen Ziele durch eine kollektive
Klammer ergänzt werden, wird einem übertriebenen Bereichs-
egoismus entgegengewirkt und die gemeinsame Verantwortlichkeit
beispielsweise einer Führungsebene für das Gesamtunternehmen
unterstrichen. Dieser Aspekt ist nach unserer Erfahrung gerade in
Krankenhäusern im Interesse des Zusammenwirkens des ärztlichen,
des Pflege- und des Verwaltungspersonals von besonderer Bedeu-
tung.

5.4.4 Regeln zur Systementwicklung

Manch gescheiterter Versuch der Einführung ist weniger auf Fehler


bei der Systemgestaltung selbst, sondern auf den Verstoß gegen be-

231
stimmte Regeln der Systementwicklung (vgl. Abbildung 5-17) zurück-
zuführen.
Hierzu einige Anmerkungen:
– Ein häufig auftretendes Phänomen besteht darin, dass Führungs-
kräfte den großen Aufwand für Zielvereinbarungen beklagen. Dem
liegt meist ein – mitunter durch das Unternehmen selbst geschür-
tes – Missverständnis zugrunde, dass nämlich Zielvereinbarungen
»für die Vergütungsfindung« getroffen werden müssen. Diese sind
dann häufig völlig losgelöst von den sonstigen Führungsinstru-
menten, verfehlen damit ihren eigentlich Zweck (s. o.) und sind
dann in der Tat »zu aufwändig«.
– Neben der Frage der »richtigen« Formulierung von Zielen gerade
bei Tätigkeiten, die sich schwer in Zahlen fassen lassen, stellt sich
oft die Frage, auf was sich Ziele inhaltlich beziehen sollen. Aus der
richtigen Erkenntnis heraus, dass Ziele nur mit einer gewissen An-
spannung erreichbar sein sollen, wird dann mitunter der Schluss
gezogen, dass das so genannte »Tagesgeschäft« nicht zum Gegen-
stand von Zielen gemacht werden darf. Dies bereitet jedoch bei
vielen Tätigkeiten unnötige Schwierigkeiten, wenn nämlich die Be-
wältigung und Optimierung dieser Tagesarbeit die eigentliche He-
rausforderung darstellt. Insofern ist es wichtig zu verdeutlichen,
dass neben herausgehobenen Sonderaufgaben und Projekten auch
Verbesserungen in diesem Tagesgeschäft Inhalt von Zielen sein
können, vorausgesetzt aber eben, dass es sich wirklich um Verbes-
serungen handelt, die eine zusätzliche Vergütung rechtfertigen
(vgl. Abbildung 5-18).
– Gerade in Krankenhäusern, die aus einer durch den BAT oder ähn-
liche kirchliche Tarife (und damit letztlich das Gedankengut des
Beamtenrechts) geprägten Vergütungswelt kommen, besteht häu-
fig die Gefahr, dem dieser Welt entlehnten Gerechtigkeitsstreben
durch eine sehr komplexe Gestaltung der variablen Vergütungsre-
gelungen zu entsprechen. Auch das Bemühen, alle erdenklichen
Eventualitäten durch spezifische Regelungen in einem Bonussys-
tem zu berücksichtigen, führt nicht selten zu Systemen, die von
vielen Betroffenen kaum mehr verstanden, geschweige denn gelebt
werden.

232
Abbildung 5-17: Regeln zur Systementwicklung.

– Nicht nur der zuvor genannte Aspekt verweist auf die besondere
Bedeutung der Aufgabe, die Akzeptanz der Neugestaltungen bei
den Betroffenen sicherzustellen. Grundsätzlich rufen Verände-
rungen im Vergütungssystem Befürchtungen und Ängste hervor:
Die Befürchtungen richten sich vor allem auf eine mögliche
Reduzierung der Einkommen aufgrund unrealistisch hoher
Leistungsmaßstäbe. Diesen Befürchtungen gilt es, glaubwürdig
entgegenzutreten. Dies geschieht zum einen durch faire Rege-
lungen bei der Systemgestaltung und insbesondere bei der Über-
leitung von den bisherigen Regelungen, zum anderen durch eine
Einbeziehung der Betroffenen und ihrer Vertreter bei der Sys-
tementwicklung.
– In Unternehmen wird häufig die Frage nach dem »richtigen Zeit-
punkt« für die Einführung variabler Vergütungssysteme gestellt.
Dahinter verbirgt sich meistens die Vorstellung, dass stets eine
Reihe unabdingbarer Voraussetzungen gegeben sein müssten,
zum Teil aber auch die Hoffnung auf ein »ruhiges Jahr«, in dem
ein solches Vergütungsprojekt angegangen werden kann. Letztere
Erwartung ist schon seit einigen Jahren und wohl auch für die

233
Abbildung 5-18: Zielvereinbarungen – zwei Typen von Zielen.

mittlere Zukunft angesichts der bevorstehenden Veränderungen


gerade in der Krankenhauslandschaft trügerisch. Auf den »rich-
tigen Zeitpunkt« zu warten verschiebt das Thema in aller Regel
auf den St.-Nimmerleins-Tag. Wenn aber die Erkenntnis stimmt,
dass Vergütung ein mächtiges Instrument erfolgsorientierter
Unternehmensführung ist, drohen Verzögerungen zu echten
Wettbewerbsnachteilen zu werden. Umso wichtiger ist es, in
der Konzeption einer neuen Vergütungsregelung ihre Anpass-
barkeit an ein sich veränderndes Umfeld sicherzustellen und mit
der berühmten 80-Prozent-Lösung zu starten, aber eben zu
starten.

Gerade im Hinblick auf die zumindest bei den Anwendern von


BAT/ Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bevorstehende Einfüh-
rung einer variablen Vergütung erscheint es vorteilhaft, mit einem
derartigen Zielvereinbarungs- und Bonussystem zunächst bei den
Führungskräften erste Erfahrungen zu sammeln. Dies erleichtert
nach unserer Erfahrung eine Übertragung auf Mitarbeiter ohne Füh-
rungsaufgaben erheblich.

234
CKM: Welche grundlegenden Charakteristika zeichnen Ihrer Meinung nach eine
nachahmenswerte bzw. erstrebenswerte Unternehmenskultur aus?
Andreas Greulich: Eine nachahmenswerte Unternehmenskultur zeichnet sich in
erster Linie dadurch aus, dass sie dazu beiträgt, Unternehmensziele über die unter-
schiedlichen Interessens- und Berufsgruppen hinweg gemeinsam zu verfolgen. An-
ders ausgedrückt, sie muss es schaffen, vorhandenen Subkulturen ihren Raum zu
lassen und trotzdem das gemeinsame Verbindende (Verpflichtende) in den Mittel-
punkt zu stellen.
CKM: Was fällt Ihnen spontan zum Status quo der Unternehmenskultur in deut-
schen Krankenhäusern ein?
Andreas Greulich: Sie ist geprägt von dem Einfluss der Subkulturen und lässt das
oben beschriebene Gemeinsame zumeist vermissen. Die Förderung einer gemein-
samen Unternehmenskultur wurde bislang im Krankenhaus-Management nicht als
Erfolgsfaktor erkannt.
CKM: Aus welchen Gründen wird der Faktor Unternehmenskultur für Krankenhäu-
ser in Zukunft wichtig bzw. wichtiger als in der Vergangenheit sein?
Andreas Greulich: Wenn wir vom Ist-Zustand ausgehen, verstehen die Berufsgrup-
pen in der Regel das Zusammenspiel der verschiedenen Subkulturen mehr als not-
wendiges Übel denn als erstrebenswertes Ziel. Solange der wirtschaftliche Druck
nicht in hohem Maße auf die Krankenhäuser einwirkt, können diese Abgrenzungen
und unterschiedlichen Wertvorstellungen durchaus nebeneinander leben. Die He-
rausforderung, die aktuell die deutschen Krankenhäuser erleben, ist der gleich-
zeitige Druck auf Kostenersparnisse und Qualitätserhaltung bzw. -verbesserung.
Dieser Druck erfordert ein neues Verständnis für das Zusammenspiel im Behand-
lungsprozess und damit die aktive Auseinandersetzung mit den darin involvierten
Berufsgruppen.
Die Konzentration auf nur eine der beteiligten Berufsgruppen im Sinne von
Leadership lässt sich nicht durchsetzen. Die Vorbehalte der Ärzteschaft gegenüber
der emanzipierten Rolle der Pflege; der Versuch des Aufbrechens und Widersetzens
von tradierten Strukturen der Ärzte; die Verwaltung als gemeinsames Feindbild: Un-
ter diesen Voraussetzungen kann nur das Herausarbeiten gemeinsamer Werte und
Ziele eine Chance für das Überleben der Krankenhäuser bedeuten.
CKM: Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Unternehmenskultur und
unternehmerischem Erfolg?
Andreas Greulich: Die Antwort ergibt sich aus dem, was ich bereits im ersten Punkt
angedeutet habe. Eine gemeinsame Unternehmenskultur schafft die Ausrichtung im
Sinne von Leitplanken, um ein unternehmerisches Ziel zu erreichen. Es unterstützt
diese gemeinsame Stoßrichtung durch die teils sichtbaren, teils unbewusst vorhan-
denen Werte, die von den Mitarbeitern gelebt und gefördert werden.
CKM: Auf welcher Ebene kann Unternehmenskultur am effektivsten nachhaltig ver-
ändert werden?
Andreas Greulich: Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass sich Unter-
nehmenskultur definitiv nicht verordnen lässt. Nicht einmal dann, wenn sie von der
obersten Führung proklamiert wird. Dagegen kann genau diese oberste Führung ei-
nen Prozess in Gang setzen, der vorbildhaft eine offene und transparente Mitarbei-
terförderung lebt. Dabei ist es wichtig, immer die Arbeit an sich in den Mittelpunkt

235
zu stellen. Es geht nicht darum, dass sich alle lieb haben müssen. Vielmehr muss er-
kannt werden, wie wichtig die Rolle eines jeden Einzelnen für die Auftragsbewälti-
gung ist und welche Abhängigkeiten im positiven Sinne vorhanden sind. Ohne diese
gemeinsame Ausrichtung erscheint mir alles Bemühen um die Unternehmenskultur
langfristig nutzlos.
CKM: Welche Faktoren üben Ihrer Meinung nach einen positiven Einfluss auf die
Unternehmenskultur in deutschen Krankenhäusern aus?
Andreas Greulich: Da lässt sich vielleicht die gemeinsame Bedrohung durch Ge-
setzgebung und Kostendruck nennen. Erst durch den Leidensdruck entstehen er-
fahrungsgemäß die Bereitschaft und das Engagement, sich für sein Unternehmen
einzusetzen und Vorbehalte über Bord zu werfen. Eigentlich ergäbe sich ja die ge-
meinsame Ausrichtung aus der vielfach zitierten Aussage, im Mittelpunkt aller Be-
mühungen steht der Patient. Doch das wage ich mal ernsthaft in Frage zu stellen.
CKM: Welche Faktoren können Sie demgegenüber identifizieren, die sich negativ
auf die Unternehmenskultur in deutschen Krankenhäusern auswirken?
Andreas Greulich: Aus meiner mittlerweile räumlich distanzierten Sicht und den Er-
fahrungen, die ich in der Schweiz seit rund neun Jahren mache, würde ich ein ge-
wisses Risiko in den nach wie vor geförderten Verbandsstrukturen in Deutschland
sehen. Das gesamte deutsche Gesundheitswesen baut darauf auf und beruft sich
dabei auf die Erkenntnis, dass Entscheidungen auf der Ebene getroffen werden sol-
len, wo die Beteiligten sitzen. Das hört sich gut an und vermittelt den Eindruck von
starker Dezentralisierung. Fakt ist, dass sich in all den Jahren der Selbstverwaltung
nur in den seltensten Fällen eine gemeinsame Entscheidungsfindung durchsetzen
konnte. Im Regelfall verkörpern alle beteiligten Verbände in gewisser Weise die An-
sichten und Werte der Subkulturen und festigen diese nachhaltig und teilweise un-
erbittlich. Keine gute Voraussetzung für das Abbauen von Grenzen und Vorurteilen
...
CKM: Mit welchen personalwirtschaftlichen Instrumenten nehmen Sie auf die
Unternehmenskultur im Krankenhaus Einfluss?
Andreas Greulich: Da wäre sicherlich einmal das jährlich stattfindende Mitarbei-
tergespräch zu nennen. Diese Form der Bewertung teilt die zu beurteilende Leistung
in die Aspekte fachliche, soziale und persönliche Kompetenz. Dies ist eine hervor-
ragende Gelegenheit, bestimmte Werte und Einstellungen zu diskutieren und Ver-
haltensänderungen anzustoßen. Problematisch ist dabei, dass die Vorstellungen zu
diesen Aspekten von Chef zu Chef unterschiedlich sind. Ich sehe daher die derzeit
laufende Einführung der Balanced Scorecard mit verpflichtenden Unternehmens-
zielen und einer (hoffentlich) damit verbundenen Ergebnisverantwortung als wich-
tige Voraussetzung für die Förderung gemeinsamer Werte und Ziele.
CKM: Welchen Einfluss wird Ihrer Meinung nach die Einführung der »diagnosis-re-
lated groups« (DRGs) auf die Unternehmenskultur im Krankenhaus haben?
Andreas Greulich: Ich habe dies bereits vorhin schon angesprochen: Die Einfüh-
rung der DRGs bedeutet sicherlich eine Erhöhung des ökonomischen Drucks auf die
Krankenhäuser und teilweise sogar das Rütteln an den Grundfesten einzelner Häu-
ser. Erfahrungsgemäß sorgen die Bedrohung der Existenz und entsprechende Sze-
narien für eine stärkere Bereitschaft zum Zusammenhalt. Unter diesem Aspekt kann
sicherlich das inhaltlich häufig kritisierte Gesundheitsstrukturgesetz mit allen sei-

236
nen Nachfolgegesetzen und Verordnungen schon als Erfolg für die Bereitschaft zur
Veränderung gewertet werden.
CKM: Wenn Sie die Unternehmenskultur in deutschen Krankenhäusern beschrei-
ben sollten: Mit welchem Spiel (Gesellschafts-, Karten-, Rollenspiel, Sportart etc.)
könnte man die Unternehmenskultur am ehesten vergleichen? Wenn Ihnen kein
spezielles Spiel einfällt, denken Sie sich einfach einen Namen aus, der Ihrer Ein-
schätzung nach am meisten zutrifft!
Andreas Greulich: Diese Frage ist schwer zu beantworten. Aber wenn ich vom der-
zeitigen Ist-Zustand ausgehe, würde ich es mit Poker vergleichen. Die drei wichtigs-
ten Spielregeln dieses Spiels:
1. Keiner lässt sich in die Karten schauen.
2. Auf den richtigen Moment warten und seine Trümpfe ausspielen.
3. Hier wird’s schnell ernst, denn es geht auch um Geld ...

Interview 5-1: Interview mit Andreas Greulich, Inselspital Bern.

5.5 Bedeutung der Motivation


Wilfried von Eiff
»Gebt den Menschen sinnvolle Arbeit . . . und
lasst sie nicht vor einem Roboter darauf
warten, bis dieser ausfällt, um ihn dann
reparieren zu dürfen.«
Taiichi Ohno
(Das Toyota-Produktionssystem)

5.5.1 Die arbeitstägliche Realität:


Das »Engagement nach 17 Uhr«-Syndrom

Es ist offensichtlich ein branchenunabhängiges Phänomen und auch


in deutschen Krankenhäusern nicht unbekannt: Auf der einen Seite
gibt es Mitarbeiter, die sind engagiert, bringen sich als konstruktive
Problemlöser ein und bilden sich ständig fort. Auf der anderen Seite
fallen Mitarbeiter auf, die ihr Talent lieber außerhalb des Unterneh-
mens einbringen – nach 17 Uhr. Während in der Zeit von 8.00 Uhr

237
Abbildung 5-19: Die mangelhafte Kommunikation zwischen den Berufsgruppen
als Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsrisiko (CKM-Trendstudie:
Führung und Motivation in deutschen Krankenhäusern
(1999)).

bis 16.30 Uhr die Engagementbereitschaft für den Arbeitgeber beim


Pförtner geparkt wird, wendet sich das Blatt danach sehr schnell.
Aus Mitarbeitern, die acht Stunden am Tag einen Job verrichten,
werden nach Dienstschluss engagierte ehrenamtliche Helfer und
Manager mit großem Leistungswillen, Energie und ausgeprägter
Sozialkompetenz. Sie sind Vorstandsvorsitzender im Hühnerzüchter-
verband, Presbyter in der Kirchengemeinde oder akzeptierter Coach
in einer Selbsthilfegruppe. Sie leiten Sitzungen als Elternpfleg-
schaftsvorsitzende zielführend und als Vorsitzende einer Vereinigung
für krebskranke Kinder verhandeln sie gewitzt mit Industriesponso-
ren; sie beherrschen das Metier des gefälligen Smalltalks mit Politi-
kern und wissen im Umgang mit älteren Menschen durch Sozial-
kompetenz zu überzeugen. Warum gelingt es nicht, diese Energien,
diesen Leistungswillen, dieses Engagement für das eigene Unterneh-
men zu mobilisieren?
Durch Motivationsprobleme bei Mitarbeitern aller Berufsgruppen
wird die Versorgungsqualität in deutschen Krankenhäusern bedroht:

238
Der CKM-Studie »Führung und Motivation in Krankenhäusern«
zufolge bemängeln 52 Prozent der Ärzte die nicht ausreichend ziel-
führende Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegepersonal und Ver-
waltung; ebenso negativ urteilen 70 Prozent der Verwaltungsmit-
arbeiter und sogar 75 Prozent der Pflegekräfte.
Die Folge: erhebliche Frustration bis zur inneren Kündigung und
Verschlechterung der Sozialqualität, d. h. der Umgang der Mitarbeiter
untereinander und der Führungskräfte mit den Mitarbeitern. Dies
führt zu mangelhaftem Eingehen auf die Patientenbedürfnisse, also
zu kundenfeindlichen Konsequenzen.
Um die Sozialqualität in deutschen Krankenhäusern ist es offenbar
schlecht bestellt. Gerade im Bereich Kommunikation und Zusam-
menarbeit werden von allen Berufsgruppen massive Nachholbedarfe
reklamiert: 80 Prozent der Ärzte befürchten, dass aufgrund mangel-
hafter Kommunikation zwischen den Berufsgruppen die Kosten- und
Qualitätsherausforderungen nicht bewältigt werden können.
Gerade vor dem Hintergrund, dass die Krankenhäuser zunehmend
gefordert sind, ihre Leistungsstrukturen marktorientiert auszurichten
und die Dienstleistungen verstärkt kundennutzenorientiert zu er-
bringen, ist eine effektive und effiziente Zusammenarbeit innerhalb
und zwischen den Berufsgruppen unerlässlich. In solchen Umbruch-
situationen werden die Faktoren Organisation, Führung und Unter-
nehmenskultur zu dominanten Erfolgsfaktoren.

5.5.2 Führungsfehler und Demotivation

Die Zahl der Krankenhäuser mit einem ausformulierten Leitbild


wächst, was für sich genommen eine positive Entwicklung ist.
»Bei uns steht der Mitarbeiter im Mittelpunkt«, so heißt es in Hoch-
glanzbroschüren, in denen Personalentwicklungskonzepte und
Krankenhausleitlinien bekannt gemacht werden. Die Ergebnisse der
CKM-Trendstudie zeichnen aber für viele Krankenhäuser das (gegen-
teilige) Bild einer geradezu nachdenklich stimmenden Verhaltens-
landkarte. »Wenn der Arzt entscheidet, dann ist schon alles in
Ordnung«, so charakterisiert eine Pflegekraft ihre Arbeitssituation,
die durch Fremdbestimmtheit und ausführende, repetitive Tätig-

239
keiten gekennzeichnet ist. »Verbesserungsvorschläge unterbreite ich
nicht mehr, denn ich lasse mich nicht noch einmal fragen, ob ich
nichts Besseres zu tun hätte, als über meine Arbeitssituation zu
lamentieren.« Die Liste solcher frustrationsgeprägten Äußerungen
ließe sich einerseits beliebig verlängern, andererseits darf auch nicht
unterschlagen werden, dass es in einer Reihe von Krankenhäusern
bzw. in einzelnen Krankenhausbereichen hoch engagierte Mitarbeiter
gibt, die mit ihren Vorgesetzten im ständigen Dialog zielführend,
partnerschaftlich und kundennutzenorientiert zusammenarbeiten.
In über 60 Workshops mit insgesamt etwa 750 Teilnehmern wur-
den im Rahmen der CKM-Studie motivationsfördernde und demoti-
vierende Einflüsse sowie Bedingungen analysiert.
Abfragen per Metaplantechnik mit anschließender Diskussion auf
Basis eines inzidenzorientierten Analyseansatzes brachten Erkennt-
nisse, die sich in der Tendenz auffallend einheitlich darstellen (siehe
Abbildung 5-20).
– Selbstmotivation entwickeln Mitarbeiter, wenn sie durch eigenes
Tun und eigenes Entscheiden ein sichtbares Resultat erzielen, das
von anderen (insbesondere dem Chef, den Kollegen und dem Kun-
den) anerkannt und das auch der eigenen Person als Leistung zu-
gerechnet wird.
– Demotiviert fühlen sich Mitarbeiter, wenn sie nicht ernst genom-
men werden, indem man ihnen nichts zutraut und sie nicht in die
Informationsprozesse einbindet. Ein Mitarbeiter, dessen Meinung
nicht zählt, fühlt sich ausgestoßen oder wertlos.

Es kommt darauf an, den wichtigsten Frustrationserlebnissen (De-


motivationen) entgegenzuwirken und gleichzeitig Engagement för-
derndes Führungsverhalten vorzuleben.
Personalmanagement ist gefordert, die Transparenz über die Moti-
vations- und Erwartungshaltungen von Mitarbeitern herzustellen
(z. B. Mängel-/Wunschliste, Erwartungsabfrage bei Neueinstellun-
gen, Abgangsinterview, Versetzungsinterview). Weiterhin sind Pro-
gramme zur Einführung neuer Mitarbeiter eine wichtige Aufgabe des
Personalmanagements mit dem Ziel, Frustrationserfahrungen bei
neu eingestellten Mitarbeitern frühzeitig entgegenzuwirken.

240
Abbildung 5-20: Vertrauen, Zutrauen und Fordern unterstützen die Entwicklung
von Selbstmotivation.

Die Qualität einer Führung, und damit (als Folge der Vorbildfunk-
tion der Führung) auch die Zusammenarbeits- und Kommunika-
tionsqualität einer Organisationskultur, zeigt sich in der Praxis insbe-
sondere an folgenden Merkmalen:
– Umgang mit Initiative und Ideen,
– Umgang mit Fehlern,
– Umgang mit Widerspruch und anderen Meinungen,
– Umgang mit Ressourcen (»Die kleinen Nachlässigkeiten und
Gedankenlosigkeiten, die unnützen Verschwendungen im Tages-
geschäft«),
– Besprechungs- und Informationsverhalten.

Es gehört sicherlich zu den wichtigsten Erkenntnissen der Führungs-


lehre, dass kein Führer in der Lage ist, die Mitarbeiter auf Dauer zu
motivieren. Motivation kann nur von innen heraus entstehen, gebo-
ren aus der Überzeugung, etwas wert zu sein: Im Rahmen der Kran-
kenhausorganisation einen Beitrag, in welcher Form auch immer, für
das Funktionieren des Krankenhausbetriebes zu leisten, der auch als

241
solcher anerkannt wird, ist eine wesentliche Voraussetzung für Ent-
wicklung von Selbstmotivationsfähigkeit (siehe Abbildung 5-21).
Insofern kann es auch immer nur die Aufgabe der Führung sein,
organisatorische Rahmenbedingungen und kulturelle Spielregeln zu
manifestieren, in deren Rahmen Mitarbeiter Motivation und Engage-
ment, Arbeitsfreude und Begeisterung für ihr Krankenhaus selbst
entwickeln. Man könnte auch sagen: Es ist nicht die Aufgabe der Füh-
rung, Mitarbeiter zu motivieren, sondern sie nicht zu demotivieren.
Wie eine Umfrage unter 63 Pflegekräften und 26 Assistenzärzten
zeigt, bewegen sich die Ansprüche an selbstständiges Arbeiten und
eigenverantwortliches Tun in Delegationsbereichen, die das Tages-
geschäft bzw. den konkreten Aufgabenbereich von Mittelmanagern
betreffen. So wird es von den Mitarbeitern als selbstmotivierendes
Erlebnis empfunden, wenn diese ein Arbeitsergebnis, an dessen Er-
reichung sie maßgeblich mitwirkten, auch den obersten Chefs per-
sönlich präsentieren durften.
Die in zahlreichen Workshops herausgearbeiteten »Auslöser« und
»Verstärker« für Motivation (im Sinne von Selbstmotivation) und
Demotivation (im Sinne von Frustration und innerer Kündigung)

Abbildung 5-21: Mitarbeiter entwickeln Selbstmotivation, wenn sie ihre Arbeits-


umgebung selbst gestalten dürfen und ihnen die Fairness ent-
gegengebracht wird, eigene Leistungen auch als eigenen Erfolg zu
genießen.

242
sind in Abbildung 5-22 und Abbildung 5-23 zusammengestellt. In die-
sen beiden Übersichten wird weiterhin gezeigt, durch welche konkre-
ten Verhaltensweisen eine Führungskraft dazu beitragen kann, der
Frustration entgegenzuwirken bzw. die Entwicklung von Selbstmoti-
vation zu fördern.

Abbildung 5-22: Die größten Demotivationseffekte treten durch »unfaire«, versteckte


soziale Spielregeln auf.

Abbildung 5-23: Selbstmotivation entsteht durch die Schaffung von organisatori-


schen und kulturellen Rahmenbedingungen, die dem Mitarbeiter
Raum für Gestaltungsinitiative eröffnen.

243
In diesem Zusammenhang ist eine weitere Erkenntnis von großer
Bedeutung für die Führungspraxis: Die verhaltens- und einstellungs-
prägenden Rahmenbedingungen für Motivations- und Demotivations-
erlebnisse entstehen im Verlauf einer Gestaltungskette, an deren Aus-
gangspunkt nicht das unmittelbare Führungsverhalten, sondern die
direkten, den Mitarbeiter betreffenden Arbeitsbedingungen stehen.
Damit sind organisatorische Gestaltungsparameter im Wechselspiel
mit den gelebten sozialen Spielregeln der Ausgangspunkt für die Ent-
wicklung motivierender oder demotivierender Einstellungs- und Ver-
haltensmuster in einer Organisation. Mit anderen Worten: Die Über-
tragung einer fallabschließenden Verantwortung (dies umfasst
Prozess-, Resultat- und Problemlösungsverantwortung) in Verbindung
mit der Einhaltung der akzeptierten sozialen Spielregeln durch die Mit-
arbeiter (wobei die Führungskräfte eine »Wächterfunktion« überneh-
men, durch die die Einhaltung der Spielregeln garantiert wird) stellt den
eigentlichen Effizienz- und Qualitätsförderer in einer Organisation dar.
Der größte Fehler der Führung liegt nach den Ergebnissen der
CKM-Studie darin, dass nicht nur falsch motiviert, sondern insbeson-
dere falsch delegiert wird. Die klassische Form der Delegation erfolgt

Abbildung 5-24: Eine Organisations-Kultur muss Rahmenbedingungen setzen, in


denen Mitarbeiter Selbstwertgefühl entwickeln können.

244
Abbildung 5-25: Die Bandbreite der Delegation reicht von repetitiven Tätigkeiten
bis zum innovativen Projektmanagement.

Abbildung 5-26: Die Analyse der Motivationsfaktoren erfolgte in Kleingruppen.

245
Abbildung 5-27: Die Analyse der Demotivationsfaktoren erfolgte in Kleingruppen.

einerseits, indem Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung für eine


bestimmte Stelle an eine Person übertragen werden; andererseits
werden Arbeits- bzw. Leistungsziele vereinbart und dann auf Einhal-
tung kontrolliert.
Angesichts der Erkenntnis, dass Mitarbeiter dann Selbstmotivation
entwickeln, wenn sie durch eigene Entscheidungen sichtbare Resul-

246
Abbildung 5-28: Die organisatorische Gestaltung insbesondere einer fallabschlie-
ßenden Verantwortung ist die Grundlage zur Entwicklung selbst-
motivierender Rahmenbedingungen.

tate erreichen können, ist diese Form von Delegation eher kontra-
produktiv: Die Motivationswirkungen von Projektarbeit und heraus-
fordernden Zielen sind unbestritten, aber Ziele lassen sich fast immer
nur in Verbindung mit Projekten vergeben; und welche Tagesarbeit
ist schon projektfähig?
Die Übertragung von Aufgaben bzw. Tätigkeiten beinhaltet einen
»Durchführungsauftrag« für den Normalfall. Eine Stellenbeschrei-
bung hilft nicht weiter, wenn ein bisher unbekanntes Kundenproblem
nur durch Flexibilität und eine schnelle, klare Entscheidung zu lösen
ist.
Die Art der Delegation bestimmt den Selbststeuerungsgrad einer
Organisation und ist Zeichen für die erreichte Stufe einer Vertrauens-
und Zutrauenskultur (siehe Abbildung 5-25).
Es kommt darauf an, den wichtigsten Frustrationserlebnissen
(Demotivationsfaktoren) entgegenzuwirken und gleichzeitig Enga-
gement förderndes Führungsverhalten vorzuleben.
Selbstmotivation setzt ein System von Förderfaktoren voraus.

247
5.6 Rekrutierung und Auswahl von Führungskräften
und Spezialisten

Torsten Quadt

Das Personalmanagement sieht sich in naher Zukunft mit einem ekla-


tanten Fach- und Führungskräftemangel konfrontiert. In Deutschland
hat die Abnahme der Erwerbstätigenzahl bereits eingesetzt. In Europa
wird dieser Prozess etwa ab 2010 drastisch spürbar. Die Zahl der ver-
fügbaren Arbeitskräfte wird dann von etwa 183 Millionen auf 150 Milli-
onen abnehmen. Diese avisierten Einbrüche im Personalmarkt
stellen hohe Anforderungen an ein langfristig und strategisch aus-
gerichtetes Personalmanagement. Parallel dazu haben sich die quali-
tativen und quantitativen Anforderungen an die Spezialisten und
Führungskräfte im Health-Care-Sektor in erheblicher Weise gewan-
delt.
Historisch gewachsene regionale Krankenhäuser mit ihrem An-
spruch einer generalistischen Versorgung werden Patienten an Schwer-
punktkliniken abgeben müssen, weil sich wirtschaftlich ein Vorhalten
aller medizinischer Kompetenzträger nicht länger rechnet.
Darüber hinaus werden Kliniken in ihrem Engagement um Pa-
tienten Service-Dienstleister-Qualitäten abverlangt. Bei einer auch im-
mer weiter schrumpfenden Anzahl von Patienten gelten die gleichen
Kriterien wie bei dem Kampf um die qualifizierten Mitarbeiter. Dies
wiederum erfordert ein Umdenken von einer reagierenden hin zu ei-
ner agierenden und dynamisch aufgestellten Führungsmannschaft.
In diesem Kontext wird von Mitarbeitern und Führungskräften ein
hohes Transferpotenzial von klinischem Fach- und Operations-Know-
how sowie ein ausgeprägtes betriebswirtschaftliches Können und Ser-
viceverständnis gefordert, da der Erfolg der gelungenen Gesundheits-
versorgung faktisch das Ergebnis einer intelligenten Kombination des
gesamten Leistungsspektrums darstellt.
Die Zeichen der Zeit erfordern gerade in Momenten der Konzen-
tration und Konsolidierung eine Stabilisierung der Leistungs- und
Kompetenzträger und darüber hinaus eine professionelle Bestands-
aufnahme der Personalqualität, insbesondere im Führungskräfte-

248
segment. Es geht um eine perspektivisch bedachte, zukunftsorien-
tierte und strategiekonforme Führungskräfteauswahl und -entwick-
lung.
Auch im Rahmen der Vergütung der Leistungsträger muss ein
Umdenken einsetzen. Es gilt auch hier, möglichst früh immaterielle
Anreizsysteme zu definieren, um sich gegenüber den Mitbewerbern
zu positionieren. Ausschließlich monetäre Leistungsanreize sind er-
fahrungsgemäß auf die Dauer nicht zufrieden stellend. Daher kommt
dem Personalentwicklungskonzept, verbunden mit einer intelligen-
ten Vergütungspolitik, eine herausragende Rolle zu.
Der oben skizzierte Prozess setzt die Anwendung geeigneter Me-
thoden der Personalselektion, insbesondere im Managementsektor,
voraus. Dabei stellt sich die Frage nach der richtigen Auswahl- und
Rekrutierungsmethode.
Die hohen Anforderungen, die heute berechtigterweise an die
soziale Kompetenz bzw. Intelligenz einer Führungskraft gestellt
werden, schließen auch und gerade die Fähigkeit ein, stark hetero-
gene Belegschaften zu organisieren, zu führen und hinter gemein-
samen Zielen zu bündeln.
Die ideale klinische Führungskraft ist dennoch letztlich ein
Mythos. Zu vielfältig sind die Aufgaben, Anforderungen und die Art
der Verantwortung. Dennoch bleibt für den Entscheider die Frage
offen, an welchem idealtypischen Bild einer Führungskraft er sich
orientieren soll? Zusammenfassend lässt sich eine Führungskraft
recht differenziert mit vier »geclusterten« Dimensionen beschreiben.
So bilden die klinisch-fachliche, die soziale, die verhaltensorientierte
sowie die konzeptionell-betriebswirtschaftliche Dimension die we-
sentlichen Entscheidungsperspektiven ab.

5.6.1 Anforderungen an eine idealtypische


Führungs(nachwuchs)kraft

Wird auf Basis dieser vier Dimensionen ein Bewertungs- und Be-
trachtungsprofil entwickelt, so umfasst dieses für eine idealtypische
Führungs(nachwuchs)kraft nachfolgende Kernpunkte:

249
– eine überdurchschnittliche Formalbildung (Studium und berufsbe-
gleitende Weiterqualifikation),
– Auslandserfahrungen,
– angemessene Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Par-
kettsicherheit,
– eine nachgewiesene Fachkompetenz, jedoch – je nach Profil – eine
Generalisten-Prägung mit fachlicher Breite und tragfähiger Allge-
meinbildung bzw. das Streben nach Bildung im besten Sinne, da-
her ein breites Interessenspektrum,
– Neugier,
– unternehmerischer Antrieb bzw. unternehmerisches Talent,
– Verantwortungs- und Risikobereitschaft,
– eine ausgeprägte Patienten-, Kunden- und Serviceorientierung (in-
tern wie extern),
– das Streben nach Innovationsfähigkeit,
– Kreativität,
– eine hochwertige Managementkompetenz,
– strategisch-konzeptionelle Befähigungen,
– analytischer Tiefgang,
– Strukturierungsfähigkeit und Planungskompetenz,
– Führungsstärke,
– Ergebnisorientierung,
– Entscheidungsmut und Problemlöser-Qualitäten,
– eine beachtliche soziale und emotionale Intelligenz,
– Kommunikations- und Integrationsfähigkeit,
– interkulturelle Feinfühligkeit,
– Teamfähigkeit,
– Einfühlungsvermögen,
– Eigenreflexion,
– Selbstkritik,
– Mitarbeitermotivation,
– Begeisterungsfähigkeit.

Strukturieren wir diese Eigenschaften, um Entscheidungsträgern wie


Beratern einen Leitfaden zur Interviewführung zur Verfügung zu
stellen, gelangen wir zu den in Abb. 5-29 dargestellten Säulen. Ge-

250
mäß den jeweiligen Ansprüchen und Herausforderungen an eine
Aufgabe/Position sollte unabhängig von der vorausgesetzten hohen
fachlichen Qualifikation vor dem Auswahlprozess eine Gewichtung
erfolgen. Basierend auf den Ausprägungen sollten dann die Inter-
views durch möglichst neutrale Instanzen erfolgen.
Vorausgesetzt, die fachlichen Kompetenzen wurden bereits durch
Reputation, Publikationen und/oder praktisch-operative Referenzen
dokumentiert, so verbleiben die Managementkompetenzen. Durch
den Ordnungsrahmen wird dem geschulten Betrachter und Inter-
viewpartner ein strukturiertes und differenziertes Analysieren der
Managementkompetenz erleichtert.
– Wie geht die Führungskraft mit Problemen, Patienten/Kunden um?
– Was hat die Führungskraft über die letzten Jahre in ihrem Verant-
wortungsbereich umstrukturiert oder Kreatives umgesetzt?
– Wie ist ihr Verhalten mit unterstellten Mitarbeitern?
– Ist die Führungskraft in der Lage Mitarbeiter auf Dauer zu motivie-
ren?
– Wie wird motiviert?

Zahlreiche halb strukturierte Fragen, die möglichst konkrete Situatio-


nen der Vergangenheit reflektieren, geben Aufschluss über die Mana-
gementkompetenz der Führungskraft.

Abbildung 5-29: Ordnungsrahmen für die Führungskräfteauswahl.

251
Die Führungskräfteentwicklung ist per se ein permanenter Pro-
zess. Neben der Qualifizierung und Unterstützung von Mitarbeitern
in ihren gegenwärtigen Aufgaben legen zahlreiche Kliniken großen
Wert darauf, auch Potenziale und Fähigkeiten, die für die weitere Ent-
wicklung und Karriere der Mitarbeiter wichtig sind, zu entdecken und
weiterzuentwickeln. Der Grundgedanke dabei ist, Führungskräfte aus
den eigenen Reihen zu entwickeln und auf ihre nächste Position vor-
zubereiten und gleichzeitig das Team um externe Kompetenzträger
zu erweitern, um immer wieder externe Impulse und neue Arbeits-
und Herangehensweisen kennen zu lernen.
Sofern das Qualifikationspotenzial und/oder die Kompetenz oder
Anzahl der internen Mitarbeiter nicht genügt bzw. dezimiert Fach-
und Führungskräfte benötigt werden, wird die externe Akquisition
bzw. Rekrutierung vorgenommen.

5.6.2 Rekrutierungsinstrumente

Bei der Auswahl von klinischen Fach- und Führungskräften sowie


Spezialisten können – von persönlichen Kontakten/Netzwerken und
der unternehmensinternen Personalentwicklung einmal abgesehen –
drei Rekrutierungsmethoden unterschieden werden:
– Anzeigen,
– systematische Direktsuche,
– E-Recruiting über das Internet.
Jedes dieser Instrumente hat seine Vor- und Nachteile. Diese zu ken-
nen und zu berücksichtigen, ergibt je nach Anforderung auch die bes-
ten Such- und Rekrutierungsergebnisse.

Anzeigen (Internet oder Printmedien)


Kliniken geben mit einer Anzeige in den Printmedien ein Signal in
den Markt und nehmen die eingehenden Bewerbungen als Grund-
lage für die Personalentscheidung. Hier handelt es sich um einen rea-
gierenden und rein passiven Suchansatz, der zudem nur Teilbereiche
des Marktes erfasst. Die Selektion wird auf der Basis einer Zufalls-
auswahl vorgenommen, die einer wichtigen Personalentscheidung

252
eigentlich nicht zugrunde liegen sollte. Weiterhin ermöglicht die An-
zeigenschaltung kein adäquates Benchmarking. Es ist nicht bekannt,
welche Qualitätsebene über die Anzeige erreicht wurde, es wird aus
dem Kreis der vermeintlich geeigneten Bewerber ausgewählt. Ferner
findet die Anzeige primär im Kreis der latent unzufriedenen Klientel
oder bei Personen, die sich in der Phase der aktiven beruflichen Neu-
orientierung befinden, ihren Niederschlag.

Systematische Direktsuche (»executive search«, Headhunting)


In der Direktsuche verstehen sich die Executive-Search-Berater (bzw.
Headhunter) als Problemlöser ihrer Klienten, zu denen sie eine lang-
fristige, vertrauensvolle Beziehung pflegen. Durch ihre langjährige
Tätigkeit und ihre intensive Projektarbeit verfügen sie über eine hohe
Markttransparenz und einen breiten Marktzugang. Sie unterhalten
ein tragfähiges Beziehungsnetz zu sehr vielen Entscheidungsträgern
in der Healthcare-Branche. Weiterhin können sie auf eine Vielzahl
von Kliniken und Spezialisten über Datenbanken und eruierte Or-
ganigramme zurückgreifen. Sie sind damit in der Lage, Problem-
lösungskonstellationen auf unterschiedlichsten Niveaus zu gestalten
und in ihrer Realisierung zu begleiten. Dennoch gibt es derzeit kaum
fachlich versierte Personalberater, die eine psychologisch-medizini-
sche Qualifikation vorweisen können. Um die Bedürfnisse und die
Anforderungen des Klinikums entsprechend zu reflektieren, bedarf
es eines Teams, das neben Medizinern auch Psychologen mit medi-
zinischem Basis-Know-how vorweisen kann.

E-Rekrutierung
Bei der E-Rekrutierung handelt es sich, ähnlich wie beim Einsatz von
Anzeigen, um einen eher passiven Ansatz. Von Arbeitgeber- oder von
Bewerberseite wird, auf einer der vielen Plattformen, ein Signal in
den Markt gegeben. Im Rahmen der »Internetvermittlung« erfolgt
ein reiner Datenaustausch bzw. ein »Hin- und Herschieben« von
Lebensläufen, wobei dem jeweiligen Arbeitgeber aufgegeben ist,
zunächst Profile und dann Kandidaten zu begutachten. Diese Aus-
wertung basiert jedoch nicht auf einem »externen Benchmarking«,

253
das die Kandidaten in einen Quervergleich zu den Gegebenheiten
und Qualitätsstandards des Gesamtmarktes stellt.
Diese Methode kann bestenfalls auf Mitarbeiter- bzw. unterer Spe-
zialistenebene als ein gerade noch taugliches Instrument der Perso-
nalgewinnung eingesetzt werden. Es wäre jedoch verantwortungslos,
diese vergleichsweise einfache Vorgehensweise auch auf die Be-
setzung von Management- oder wichtigen Spezialistenpositionen
auszudehnen. Das Netz kann nur Rohdaten vertreiben, aber keine
Qualifikationen und Persönlichkeiten begutachten. Im Übrigen ver-
fangen sich Personal- und Fachabteilungen – wie teilweise auch beim
Anzeigenansatz – in einem aufreibenden, Zeit fressenden Koordinie-
rungs- und Evaluierungsprozess, der noch dazu nur unterdurch-
schnittliche Ergebnisse zeigen kann.

5.6.3 Auswahl des Personalberaters

Die Anzahl der Personalberater ist riesig, und allzu gerne treten die
meisten der Consultants als omnipotente Problemlöser auf. Daher ist
es für das Management eines Klinikbetreibers zielführend, mit meh-
reren Personalberatungen zusammenzuarbeiten und sich nicht auf
einen Kooperationspartner zu reduzieren. Damit hält sich der Klinik-
betreiber zum einen von möglichst vielen »Angriffen« bzw. Anspra-
chen von außen frei, und er bekommt eine breitere Expertise. Obwohl
sich viele der Berater als Generalisten präsentieren, kristallisieren
sich sehr schnell Schwerpunktgebiete heraus. Die einen haben ihre
Kompetenzen in der Rekrutierung über Anzeigen gesammelt, andere
sind Profis für Direktansprachen (Headhunting), wiederum andere
haben ihren Fokus im Bereich der Internetdienstleistungen. Darüber
hinaus existieren Personalberater, die sich auf Trainings und Schu-
lungen konzentriert haben, andere bieten Vergütungsberatungen
oder Outplacement an.
Der Personalberater sollte neben einem repräsentativen Auftritt
(er ist auch »Marketingarm« im Markt), einer gewissen Seniorität und
bekannter Reputation auch über entsprechende medizinische, psy-
chologische und kaufmännische bzw. klinische Expertise verfügen.

254
Die Auswahl eines Beraters einer namhaften (internationalen) Per-
sonalberatung ist bei weitem kein Garant für eine glückliche Beset-
zung einer vakanten Position. Denn leider findet man in den Top-Ten-
Beratungen (deutschland- und/oder weltweit) selten Berater mit einer
fundierten psychologischen oder medizinischen Ausbildung und
einer Rekrutierungsexpertise im medizinischen Kontext. Zudem wer-
den Honorare unabhängig vom Projektstand in Rechnung gestellt.
Als Faustformel gilt: Im Rahmen einer Direktsuche sollte das Hono-
rar des Beraters grob zwischen einem Viertel und einem Drittel der
Jahresgesamtbezüge liegen. Hinzu kommen üblicherweise Reise-
kosten (15 bis 20 Prozent) und Mehrwertsteuer.

Abbildung 5-30: Systematisch-strukturierte Direktsuche: Profitieren von Markt


und Wettbewerb durch Systematik und strukturiertes Vorgehen.

255
Ratsam ist es weiterhin, die Honorare des Suchprozesses an kon-
krete Meilensteine anzulegen, um nicht im Nachhinein alle Raten
(üblicherweise drei) bezahlt zu haben und schließlich ohne Kandidat
dazustehen. Ferner sollte man eher auf Personalberater setzen, die
sich für eine Suche festlegen und nicht ausschließlich erfolgsorien-
tiert arbeiten. Solchen Beratern geht – da sie 100 Prozent in Vorleis-
tungen gehen müssen – bei herausfordernden bzw. schweren Suchen
schnell die Luft aus und somit steht der Auftraggeber nach Monaten
immer noch ohne Kandidaten da. Eine Verpflichtung beider Seiten
plus ein Leistungshonorar sind somit am zielführendsten und for-
dern beide Seiten, zielgerichtet an der Besetzung zu arbeiten.
Im Zusammenhang mit der Auswahl des »richtigen Beraters« im
Rahmen von Direktsuchen befragte die Personalberatung MSU über
50 Entscheidungsträger auf dem ersten und zweiten Führungslevel.
70 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass es hilfreich ist,
wenn der beauftragte Berater über einen akademisch-medizinischen
und/oder psychologischen Hintergrund verfügt. Neben einem besse-
ren Verständnis für klinisch relevante Prozesse wurde in diesem Zu-
sammenhang insbesondere die größere Akzeptanz bei Kandidaten
unterstrichen. Einen Mehrwert lieferten ferner die Berater, die über
Erfahrung bei der Managementdiagnostik verfügen und somit auch
dem Klienten als diagnostische Kompetenzträger zur Seite stehen
können.
Ob eine Anzeige oder eine Direktsuche bei dieser Methode zielfüh-
render ist, ist nach Ansicht von Entscheidungsträgern stark von der
Hierarchie und/oder der Region abhängig, in welcher der Kompetenz-
träger gesucht wird. Insbesondere in entlegenen Regionen (derzeit
Ostdeutschland) und ab Oberarzt-Level aufwärts sowie bei der
Besetzung von Spezialisten (in kaufmännischen und/oder medizi-
nischen Funktionen) wird die Direktansprache als zielführendste
Vorgehensweise eingestuft. Lediglich kleinere Kliniken können bei
diesem Kampf um Talente kaum mithalten, da sie selten über ent-
sprechende Beraterbudgets verfügen. Resultierend aus diesem man-
gelnden Personalmarketing verlieren viele Häuser an Attraktivität und
Anziehungskraft. Hier beginnt bereits die Abwärtsspirale für die weni-
ger finanzstarken Häuser, die lediglich auf die »zweite Wahl« zurück-

256
greifen können. Nach dem Motto: »First class hires first class, second-
class hires third-class«. Strategische Weitsicht ist leider in zahlreichen
kleineren und mittleren Häusern noch ein unterentwickeltes Lernfeld.

5.6.4 Führungskompetenz

Historisch hat man sich bereits ausgiebig und intensiv mit Manage-
menttypologien auseinander gesetzt. Bereits in den 60er-Jahren
konnte Steward (Steward 1967) basierend auf Faktoren- und Cluster-
analysen unterschiedliche Managementtypologien aufzeigen. Die da-
malige Typologie unterschied zwischen »Emissären« (Kontakter nach
außen), Schreibern, Diskutierern, Krisenmanagern und Kommis-
sionsmenschen. Ähnliche und wiederholende Managementtypen,
mit neuen Begrifflichkeiten versehen, finden sich heute in den zahl-
reichen Managementlektüren und der Managementpresse.
Obgleich unterschiedliche Autoren zu unterschiedlichen Auflis-
tungen relevanter Führungsaktivitäten gelangen, werden doch die
nachfolgenden (Gerbert und von Rosenstiel 1996) am häufigsten be-
stätigt:
– die Zusammenarbeit der Teammitglieder fördern,
– Konflikte schlichten,
– das Team nach außen repräsentieren,
– motivieren,
– Ziele definieren,
– Abläufe organisieren,
– das Team informieren,
– Arbeitsergebnisse kontrollieren,
– Entscheidungen fällen,
– sich um das Wohl des Einzelnen kümmern.

Ungeachtet der heterogenen Managementkompetenz gibt es nicht


»den« kompetenten Manager. Vielmehr ist je nach Herausforde-
rung/Situation und anstehender Aufgabe ein anderes Kompetenz-
profil gefragt.
Ein guter Prädiktor für den Führungserfolg ist jedoch, wenn es
der Führungskraft gelingt, gleichzeitig mitarbeiter- und leistungs-

257
orientiert zu führen. Ergänzend sei hier allerdings erwähnt, dass ein
»aufgabenbezogener Führungsstil« des Vorgesetzten lediglich dann
positiv gekrönt ist, wenn die Situation für die Führungskraft »sehr
günstig« oder »sehr ungünstig« ist. Bei »mittlerer Günstigkeit«
bedarf es dagegen eher eines personenbezogenen Führungsstils, da-
mit die Ergebnisse positiv verlaufen (Gerbert und von Rosenstiel
1996).

5.6.5 Führungskräfteentwicklung

Um eine adäquate und differenzierte Führungskräfteentwicklung


umzusetzen, bedarf es einer genauen Betrachtung des existierenden
Humankapitals. Nur wenn ich weiß, wie gut meine Führungsmann-
schaft aufgestellt ist, ist es der Personalentwicklung möglich, zielge-
richtet und individuell Personalentwicklungsbausteine anzubieten
und sie nicht nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen.
Somit sind neben einem zielgerichteten Rekrutierungsprozess
auch Instrumente erforderlich, um ein differenzierteres Bild der Ma-
nagementkompetenz einer Führungsmannschaft zu erlangen. Ein
Vorgehen wie im Assessment Center ist dabei nicht die Methode der
Wahl. Kaum ein namhaftes Industrieunternehmen oder Kreditinsti-
tut würde seinem gehobenen Middle- oder seinem Top-Management
heute noch mit Postkorbübungen oder künstlichen Stresssituationen
zu Leibe rücken wollen. Daher ist es einem leitenden Oberarzt bzw.
einem exponierten medizinischen Kompetenzträger mit der meist
entsprechenden Seniorität kaum zuzumuten, sich derart virtuellen
Übungen auszusetzen.
Ein Assessment Center ist ein eignungsdiagnostisches Verfahren,
in dem eine Reihe von Bewerbern, zum Teil über mehrere Tage,
mit unterschiedlichen Verfahren konfrontiert und dabei von mehre-
ren internen und externen Beurteilern hinsichtlich ihrer Eignung für
bestimmte Positionen beurteilt werden. Assessment Center sind gut
geeignet für die Beurteilung von Berufsanfängern und Hochschul-
absolventen, jedoch kaum ein passendes Instrument für die dif-
ferenzierte Auswahl und Förderung von Top-Führungskräften.

258
Auch leichtfertig »zusammengeschusterte« Assessment Center
bergen zahlreiche Gefahren. Neben der Tatsache, dass Vielredner mit
eindrucksvollem Auftreten und/oder Durchsetzungsvermögen sub-
jektiv eher bevorzugt und positiv bewertet werden, werden Frauen,
die sich weniger profilierend inszenieren, meist schlechter abschnei-
den. Hinzu kommt, dass häufig auch ungeschulte Linienvorgesetzte
der aufnehmenden Organisation Teile der Beobachtergruppe darstel-
len. Weiterhin werden ablehnende Bescheide häufig wenig empa-
thisch und/oder unsensibel mitgeteilt. Diese Resonanz kann Bewer-
ber verunsichern und langfristig beeinträchtigen.
Meta-Analysen bezüglich der prognostischen Validität zeigen
»eine gewisse Ernüchterung früherer hochgesteckter Erwartungen«
(Gerbert und von Rosenstiel 1996: 225). Die prognostische Validität
gibt Aufschluss über die Aussagen der Teilnehmer am Assessment
Center zum Zeitpunkt der Untersuchung und wie diese die künftige
Bewährung angemessen vorhersagen.
Insbesondere klinische Führungskräfte haben es in ihrem Arbeits-
alltag häufig mit der Bewältigung komplexerer Herausforderungen
zu tun. War man früher noch der Auffassung, durch den Einsatz von
abgewandelten Persönlichkeits- und Intelligenztests auch die Befähi-
gung von Personen zum Umgang mit komplexen Problemen voraus-
sagen zu können, so ist dieser Optimismus inzwischen einer eher
skeptischen Haltung gewichen.
Über die fachlichen Kompetenzen hinaus bedarf es einer entspre-
chenden sozialen Kompetenz und eines teamorientierten Führungs-
verständnisses. Zukunftsprognosen über die klinische Arbeitswelt
von morgen machen Tendenzen deutlich. Die traditionellen Kranken-
haushierarchien und Organisationsformen haben keinen Bestand
mehr. Positionsbezeichnungen und Titel verlieren an Bedeutung.
Die Autorität wird immer weniger aus den übertragenen Titeln und
Hierarchien kommen. Führungskräfte bekommen sie zunehmend
aus ihrer eigenen, speziellen Fachkompetenz.
Ferner werden, ähnlich der Industrie, in kaufmännisch-organi-
satorischen Instanzen Projektarbeiten und damit Projektverantwort-
liche zunehmen. Diese Veränderungen erfordern von jedem Ein-
zelnen die permanente Bereitschaft, sich ständig fortzubilden und

259
weiterzuentwickeln. Die klinische oder kaufmännische Fachkompe-
tenz kann aber nur dann schlagkräftig für die Klinik umgesetzt
werden, wenn Führungskräfte ein hohes Maß an sozialer Kompetenz
aufweisen. Soziale Kompetenz entscheidet zukünftig den Wett-
bewerb und ist die Grundvoraussetzung dafür, reibungslos mit
den Kollegen zu kommunizieren, zu interagieren, gemeinsam Auf-
gaben zu lösen und verantwortungsbewusste Entscheidungen zu
treffen.
»Man erkennt, dass Karriere offensichtlich auf anderen Bedingungen
als Führungserfolg beruht und in starkem Maß von der »Bezie-
hungspflege« abhängt, während der Erfolg durch Routinekommuni-
kation, u. a. dem Sachgespräch über die Alltagsaufgaben und dem
›Human Resource-Management‹, der Zuwendung zu den Mitarbei-
tern, bedingt wird.« (Gerbert und von Rosenstiel 1996: 163).
In Bezug auf Kollegen, Patienten und Kooperationspartner bedarf
es Kooperations-, Kommunikations- und Integrationsfähigkeit, Fair-
ness und Empathie, die eine moderne Führungskraft ausmachen.
Hinzu kommt die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, der
Ethik und der Natur. Dennoch darf »soziale Kompetenz« in diesem
Kontext nicht mit Sozialromantik verwechselt werden. Viele Füh-
rungskräfte spielen den freundlichen Ideal-Vorgesetzten (»every-
body’s darling«). Dabei haben sie schlicht Angst, sich unbeliebt zu
machen. Sie kaschieren ihr Handeln hinter dem Deckmantel des
kooperativen Führungsstils. In Wahrheit fehlt ihnen lediglich der
Mut, von ihrem Team Leistung zu fordern und Grenzen aufzuzei-
gen.
Die meisten kaufmännischen und klinischen Aufgaben können
nur in Teamarbeit zufrieden stellend gelöst werden. Daher ist eine
offene Kommunikation, Kooperation und gemeinsames Handeln
essenziell. Kommunikation und Interaktion bilden den Lebensnerv
einer erfolgreichen Klinikmannschaft. Informationen müssen flie-
ßen, und hierzu muss die Führungskraft den Mitarbeitern Frei-
räume und ein Klima der Offenheit schaffen. Zusätzlich muss sie die
Informationsflüsse lenken und kanalisieren. Um diese Herausforde-
rung erfolgreich zu bewältigen, ist wiederum soziale Kompetenz ge-
fordert. Sozial kompetent zu handeln ist ein Balanceakt zwischen

260
Selbstverwirklichung und Adaptation an Rahmenbedingungen sowie
Normen und Erwartungen. Der aufstrebenden klinischen oder kauf-
männischen Führungskraft, die diesen Balanceakt erfolgreich be-
schreitet, winken neben dem ökonomischen Erfolg auch mehr
Freude an der Arbeit und in der Zusammenarbeit mit Kollegen und
Mitarbeitern.
Durch Trainingsbausteine, wie Führungskräftetrainings, können
den Führungskräften gezielt Hilfestellungen und Tools zur Verfü-
gung gestellt werden. Hier haben Führungskräfte die Gelegenheit, in
einem geschützten Rahmen kritisch den eigenen Führungsstil zu re-
flektieren und darüber hinaus Alternativen kennen zu lernen. Gleich-
zeitig erfahren sie viel über die eigene Person und gelangen somit in
die Lage, authentischer und damit auch souveräner ihren eigenen
Führungsstil zu entwickeln. Dennoch ist hier zu unterstreichen, dass
Trainings eher der Feinjustierung dienen. Trainings sind nicht im-
stande (und sollen es auch nicht), aus einem in sich gekehrten Fach-
spezialisten ohne Mitarbeiterverantwortung eine souveräne und/oder
charismatisch nach außen gerichtete Führungspersönlichkeit zu ma-
chen. Außerdem entspricht es sehr häufig der Wirklichkeit, dass sich
ohnehin lediglich die Führungskräfte zu Führungstrainings anmel-
den, die ohnehin schon ein entsprechendes Kompetenzprofil zeigen.
Diejenigen, die sich eher am anderen Ende des Kontinuums befin-
den, wollen sich mit reflektorischen und anregend-inspirierenden
Trainingsbausteinen auch nicht auseinander setzen. Latent wissen sie
häufig um ihre Führungsdefizite bzw. Lernfelder. Es fehlt ihnen nur
an Größe und Souveränität, sich einen Ruck zu geben.
Entsprechend ist das Training von Führungskräften weniger ent-
scheidend, als vielmehr eine geeignete Auswahl und Platzierung von
Führungskräften (Gerbert und von Rosenstiel 1996). Nur durch eine
geeignete Auswahl gelingt es, eine für den Führungserfolg wichtige
Entsprechung zwischen Vorgesetztenorientierung und Situation si-
cherzustellen.
Ein seit einigen Jahren existierendes und probates Instrument, um
sich ein differenziertes Bild seiner Leistungsträger zu verschaffen, ist
das Management Audit.

261
5.6.6 Managementanalyse-Instrument: Management-Audit

Das Management-Audit ist ein über Jahrzehnte bewährtes Manage-


ment-Diagnoseinstrument und wichtiger Bestandteil einer effizien-
ten Führungskräfte-Entwicklung: ein effektives und wirkungsvolles
Instrument, um Ein- und Überblicke in die personellen Strukturen
der Führungsmannschaft zu erlangen, Potenziale transparent abzu-
bilden und somit Leistungsträger innerhalb der Organisation zu iden-
tifizieren. Unabhängig von politischen Interessen und Seilschaften
erhöht es die Objektivität von Personalentscheidungen um ein Vielfa-
ches. Zudem deckt es Lernfelder einzelner Manager auf, sodass ge-
zielte Förderungsmaßnahmen über die Personalentwicklung einge-
setzt werden können.
Dass angesichts der derzeitigen weit reichenden Veränderungen
in den Organisationsstrukturen der Kliniklandschaft die jeweils
»richtige« Führungskraft auf dem »richtigen« Platz sitzt, darf be-
zweifelt werden. Allein schon deshalb, weil der für eine bestimmte
Position gesuchte Spezialist hausintern oft einfach nicht vorhanden
war und eine externe Suche aus bestimmten Gründen nicht opportun
erschien. Resultierend daraus wurden Schlüsselpositionen vielfach
mit den vorhandenen internen Bewerbern besetzt.
Auffällig ist, dass diese internen Besetzungen in der Mehrzahl der
Fälle nicht mit einer bis ins Detail gehenden Analyse bezüglich des
fachlichen und persönlichen Profils des Kandidaten stattgefunden ha-
ben. Dabei werden oft interne Kandidaten gewählt, die sich über eine
jahrelange Spezialistentätigkeit in ihrem Aufgabengebiet sowie über
ihr gewachsenes Beziehungsnetzwerk für eine Führungsposition
empfohlen haben. Verbunden damit war und ist, dass häufig immer
noch an suboptimalen Besetzungen festgehalten wird, obwohl klar
sichtbar Stelleninhaber in vergleichbaren Kliniken bzw. beim Mit-
bewerber wesentlich erfolgreicher agieren.
Wenn es auch verständlich erscheint, dass die externe Einstellung
hochkarätiger, dringend benötigter Kompetenzträger und Führungs-
kräfte einfach nicht zu der offiziellen Vorgabe einer Stellenbeset-
zungssperre passt, erscheint es zumindest dringend ratsam, gerade
Umstrukturierungs- und Reflexionsphasen sinnvoll für die Analyse

262
des eigenen Führungsteams zu nutzen. Denn nur wer seine Füh-
rungsmannschaft wirklich kennt, kann sie entsprechend ihrer spezi-
fischen Stärken wirkungsvoll einsetzen.
Losgelöst vom klinischen Tagesgeschäft und ungetrübt von sub-
jektiven Vorurteilen kann der beauftragte Berater bei einem Ma-
nagement-Audit in einer stressfreien und wertschätzenden
Gesprächsatmosphäre die Qualifikationen der befragten Führungs-
kraft oder des Spezialisten erfassen und die Person in ihrer Gesamt-
heit, mit ihren motivierenden bzw. demotivierenden Instanzen ver-
stehen. Das Management Audit ist somit ein differenzial-psycho-
logisch-diagnostischer Ansatz, der zum Inhalt hat, Entscheider und
Gestalter eines Klinikums im Hinblick auf ihr persönliches Stärken-/
Lernfelderprofil zu untersuchen. Während ein Assessment Center
für Hochschulabsolventen und Berufsanfänger zielführend ist, bie-
tet das Vorgehen über das Management-Audit eine »senioritätsge-
rechte« und kompetente Ergänzung. Darüber hinaus trifft es bei den
zu auditierenden Gesprächspartnern auf eine wertschätzende Reso-
nanz und Akzeptanz.
Basierend auf den Ergebnissen kann dann z. B. die Machbarkeit
von anstehenden Veränderungsprozessen genauer überprüft werden.
Dabei ist der strategische Bezug im Hinblick auf seine organisato-
rischen Auswirkungen einschließlich Beförderung, Rochaden oder
Personalabbau besonders zu betonen. Weiterhin ist es von entschei-
dender Wichtigkeit, die häufig unternehmenstypischen Kommunika-
tionsstrukturen zu erfassen, um daraus ein transparentes Abbild der
offiziellen und inoffiziellen Berichtswege zu dokumentieren.
Erfahrungsgemäß gibt jedes Interagieren mit anderen uns umge-
benden Menschen und jedes Verhalten Aufschluss über unsere Per-
sönlichkeit. Üblicherweise handelt ein Individuum persönlichkeits-
konform. Das heißt, ein Individuum agiert in unterschiedlichen
Lebensbereichen ähnlich und immer vor dem Hintergrund seiner
individuellen Prägung. Somit gibt jedes Verhalten, z. B. der Umgang
mit den eigenen Kindern, das Verhalten in der Freizeit und das Pfle-
gen von Freizeitbeschäftigungen/Hobbys reichhaltige Informatio-
nen über den Führungsstil und die Persönlichkeit eines Indivi-
duums.

263
Neben der fachlichen Qualifikation steht somit für den auditierenden
Berater vor allem die Managementkompetenz im Vordergrund. Mittels
eines vertraulichen »Vieraugengesprächs« werden durch externe Bera-
ter die konzeptionelle, soziale und Verhaltensdimension hinterfragt,
um ein differenziertes Bild der Gesamtpersönlichkeit zu erlangen.
Dabei ist zu betonen, dass es konkret nicht um »gute« oder
»schlechte«, sondern um passende und weniger passende Persön-
lichkeiten für die jeweilige Aufgabe geht. Jeder Standort eines Kli-
nikums und jede Region hat ihre individuelle Konstellation, He-
rausforderung, Unternehmenskultur oder Konkurrenzsituation. Eine
Führungskraft, die an dem einen Klinikum erfolgreich wirkt, muss
nicht automatisch auch an dem anderen Krankenhaus mit anderen
Rahmenbedingungen ebenso erfolgreich sein.
Das Interview sollte durch zwei Berater abgehalten werden, die zeit-
versetzt mit dem Gesprächspartner ein fünf- bis siebenstündiges Vierau-
gengespräch führen. Zwei Berater erhöhen die Objektivität der Betrach-
tung und damit das Interviewergebnis zum Wohle des Auftraggebers
und des Interviewten. Ferner können mögliche Tagesschwankungen der
Interviewten durch zeitversetzte Gespräche ein wenig ausgeglichen wer-
den. Erfahrungsgemäß kratzen Gespräche, die weniger Zeit in Anspruch
nehmen, eher an der Oberfläche, lassen wenig Nachfragen zu und wer-
den somit weniger der Differenziertheit des Interviewpartners gerecht.
Zahlreiche Personalberater sind, wie bereits oben angedeutet, eher
umsatzfokussiert und daher bleibt bei vielen Beratungen die Qualität
der Ergebnisse unzureichend. Außerdem finden sich kaum Berater,
die über eine akademisch-psychologische Expertise verfügen und Er-
fahrungen in Interviewtechniken vorweisen können. Bei der Auswahl
der Berater sollte der Auftraggeber daher die akademische und prak-
tische Expertise der Berater genau hinterfragen! Viele der selbster-
nannten Experten verweisen hier lediglich auf ihre vielen Hunderte
von Interviews, ohne dabei auf ein theoretisch fundiertes Basiswissen
zurückgreifen zu können. Akademisch fundierte Interviewtechniken,
Testgütekriterien und Testtheorie oder psychologische Theorien sind
hier meist nicht vorhanden.
Der zu auditierende Interviewpartner sollte sich im Gespräch mög-
lichst authentisch zeigen. Hilfreich ist es, wenn der Interviewte offen

264
Abbildung 5-31: Management Audit: Dimensionen.

und informativ berichtet, um dem Berater möglichst viel Informatio-


nen zur Verfügung zu stellen. Erst dann wird das Bild einer Persön-
lichkeit greifbar.
Zu unterstreichen ist hier nochmals, dass es nicht die eine
»richtige« Antwort gibt und dass Antworten nach dem Schema
»everybody’s darling« ebenfalls nicht im Sinne des Gesprächs sind
und möglicherweise einen allzu glatten Eindruck beim interviewen-
den Berater hinterlassen.
Im Anschluss an das Gespräch bekommt der Interviewpartner –
auf Wunsch – auch die Gelegenheit, offen, ehrlich und wertgeschätzt
zu erfahren, wie er auf andere wirkt bzw. wo seine Kompetenzen und
Lernfelder liegen. Dieses Feedback sollte ein paar Tage nach der

265
Auswertung aller zusammengetragenen Informationen stattfinden.
Dabei sollte ein erfahrener Berater in einem differenzierten State-
ment seine Wahrnehmung dem Interviewpartner transparent ma-
chen. Darauf aufbauend kann der Interviewte das gegebene Feedback
anschließend mit vertrauten Personen und/oder seinem Vorgesetzten
überprüfen und daran arbeiten.
Die Evaluierung der existierenden Führungskräfte sollte immer im
Quervergleich zu Profilen extern verfügbarer Manager erfolgen. In
diesem Zusammenhang ist gerade die professionelle Begleitung von
externen und branchenversierten Beratern sinnvoll, da diese eher im-
stande sind, losgelöst von etwaigen subjektiven und/oder politischen
Einschätzungen einen Vergleich mit externen Benchmarks herbei-
zuführen. Daher sollten die zwei interviewenden Berater aus einem
möglichst ähnlichen akademischen Feld wie der Interviewpartner
kommen. Im konkreten Kontext sollte mindestens einer der beiden
Berater Mediziner oder praxiserfahrener Psychologe sein.

Checkliste:
Anregungen für »Betroffene« eines Management-Audits
• Bleiben Sie authentisch und spielen Sie keine Rolle.
• Erinnern Sie sich an konkrete Beispiele aus Ihrer beruflichen Vergangenheit. Wann
gab es welche Probleme, und wie haben Sie diese gemeistert? Welche kurz- und
langfristigen Strategien haben Sie mit Ihrem Team und mit sich für die Zukunft?
• Holen Sie sich Feedback von einem Freund oder Ihrem Lebenspartner ein. Kon-
sultieren Sie einen vertrauten Menschen oder einen Coach, der Ihnen aus seiner
Perspektive Ihre Stärken und Schwächen aufzeigt. Wie erlebt er Sie, und wie ge-
hen Sie mit Konflikten oder Schwierigkeiten um?
• Bitten Sie Ihren Vorgesetzten vor dem Audit-Interview um eine detaillierte Rück-
meldung Ihrer Arbeit. Wie beurteilt er Sie, und wo sieht er Sie in der Zukunft?
• Fragen Sie nach. Da die meisten Fragen des Beraters offen gestellt werden, be-
stimmen Sie mit Ihren Antworten, in welche Richtung das Gespräch verläuft. Ha-
ken Sie nach: »Habe ich das verständlich gemacht?«
• Vermeiden Sie ausschweifende Antworten. Bringen Sie Ihre Antwort auf den
Punkt.
• Vermeiden Sie es, sich im anschließenden Feedbackgespräch zu rechtfertigen,
wenn die Beurteilung nicht mit Ihrer Einschätzung übereinstimmt. Bitten Sie Ihren
Gesprächspartner lieber, Ihnen konkrete Situationen oder Kriterien zu nennen, um
Ihnen Transparenz zu verschaffen.

Checkliste 5-3: Management-Audit: Anregungen für Betroffene.

266
Die Informationen aus der Summe der Einzelgespräche werden –
in Abhängigkeit des Audit-Typs – üblicherweise in ein bis zwei Do-
kumentationen zusammengefasst. Zum einen wird aus jedem der
individuellen Interviews ein umfassendes und differenziertes Exposé
erstellt, das Aussagen hinsichtlich Persönlichkeit, Motivation, Leis-
tungsbereitschaft und Qualifikation für weiterführende Aufgaben ent-
hält. Weiterhin werden die aus den einzelnen Audits gewonnenen Be-
obachtungen und Erkenntnisse, die dem Auftraggeber wichtige
Informationen liefern, aufgenommen und gesondert zusammen-
gefasst.
In diesem Zusammenhang können Aussagen zur Zukunft des Kli-
nikums, Befürchtungen, Zweifel, Hinweise und Empfehlungen zur
Struktur- und Ablauforganisation, Kommunikation und Unterneh-
menskultur wichtige Informationen liefern. Zumeist resultieren hie-
raus konkrete, kurzfristige Maßnahmen sowie Ansatzpunkte für
mittel- und langfristige Führungskräfteentwicklungen und für die
Entwicklung der Struktur- und Ablauforganisation. Parallel dazu soll-
ten die am Management-Audit beteiligten Führungskräfte ein unmit-
telbares Feedback erhalten sowie darüber hinaus summarisch über
das Gesamtbild informiert werden.

5.6.7 Neu auf dem Chefsessel

Führungswechsel gehören zum Alltag in Kliniken und stellen den-


noch an den Führungswechsler sowie das Team eine Herausfor-
derung dar. Insbesondere in den vergangenen Jahren haben sich die
Anforderungen an die neue Führungskraft deutlich erhöht. Der zu-
nehmende Kosten- und Effizienzdruck hat den Führungswechsel zur
Schlüsselsituation in der Karriere einer Führungskraft gemacht. Eine
Herausforderung, der differenziert begegnet werden sollte.
Doch was unterscheidet erfolgreiche von weniger erfolgreichen
neuen Chefs, und welche Fehler gilt es zu vermeiden? Führungs-
wechsler vereinen mit ihrer neuen Funktion unterschiedliche Projek-
tionsflächen. Sie sind das Ziel von Erwartungen, Wünschen und
Hoffnungen. Hier gilt es, zwischen zugeordneten Mitarbeitern, Kol-

267
legen auf gleicher Ebene und dem übergeordneten Management zu
unterscheiden.
Mögliche Fehler:
– Zahlreiche Führungskräfte fragen nur unzureichend ihre Vorge-
setzten nach den einfachsten Dingen, wie Kriterien und Meilenstei-
nen, die ausgesprochen und implizit von ihnen erwartet werden.
– Ferner stimmen sich nur die wenigsten neuen Führungskräfte mit
ihren Kollegen auf gleicher Ebene ab. Kollegen erwarten, dass sich
der Neue nach den »Spielregeln« erkundigt, sich an diese hält und
neue bzw. konsequenzentragende Ideen vorsichtig und in Abstim-
mung präsentiert. Kollegen wünschen sich Respekt sowie Anerken-
nung.
– Weiterhin wird zu wenig die Erwartungshaltung des neuen Teams
und der unterstellten Mitarbeiter geklärt. Dabei gilt es zwischen
Teamaufgaben und Teamzielen einerseits und persönlichen Erwar-
tungen andererseits zu unterscheiden.

Somit befindet sich der Neue in einem Erwartungsschema unter-


schiedlicher Perspektiven.
Klären und fragen Sie aktiv nach Erwartungen!
Denn nur wenn die neue Führungskraft weiß, welche Wünsche,
Hoffnungen, Anregungen oder Ideen von ihr erwartet werden, er-
spart sie sich die »Fettnäpfchen« und weiß darüber hinaus, wie ihr
Handeln eingeschätzt wird.
Hierbei ist es wichtig, zwischen ausgesprochenen und impliziten
(unausgesprochenen) Erwartungen zu unterscheiden.
Allzu häufig dominiert immer noch das Bild vom Vorgesetzten,
»der rasch und entschlossen durchgreift und entschlossen handelt«.
Häufig sind Führungswechsler allerdings gut beraten, politische
Empfindlichkeiten und Erwartungen differenziert zu erfassen.
Versuchen Sie, sensibel die Erwartungen vor dem Hintergrund der
jeweiligen Unternehmenskultur zu berücksichtigen. Die Unterneh-
menskultur, die klar den weichen Faktoren zuzuordnen ist, ist sehr
stabil und nur über eine lange Zeitachse zu verändern. Daher neh-
men Sie diese als gegeben und verstehen Sie das Agieren der Füh-
rungskräfte und Mitarbeiter vor der Bühne der Unternehmenskultur.

268
Abbildung 5-32: Erwartungen an neue Führungskräfte.

Anregungen an die neue Führungskraft:


• Fragen sollten auf Augenhöhe, interessiert und einfühlsam gestellt werden.
• Antworten der Gesprächspartner sollten nicht bewertet oder kommentiert
werden, sonst bekommt das Gespräch Schieflagen.
• Artikulierte Erwartungen der Gesprächspartner sollten nicht gleich in die eigene
»To-do-Liste« aufgenommen werden.
• Berücksichtigt werden sollte ebenso der oder die heimlichen Mitbewerber, die
ebenfalls diese Position anstrebten. Mit Respekt und Anerkennung für die bisher
geleistete Arbeit gelingt es Ihnen vielleicht, den oder die ehemaligen Mitbewerber
fachlich mit ins Boot zu holen. Konsultieren Sie diese und fragen Sie sie um Rat.
• Halten Sie sich mit kritischen Bemerkungen über die Leistungen Ihres Vorgängers
zurück.
• Fragen Sie möglichst nicht nach Ursachen von Problemen, denn das führt nur zu
unnötigen Rechtfertigungen.
• Fragen Sie nach Stärken und nicht nach Schwächen Ihrer neuen Mitarbeiter.
• Nehmen Sie sich proaktiv enttäuschten Mitarbeitern an (gehen Sie auf sie zu).
• Zeigen Sie sich menschlich und machen deutlich, dass Sie auch nicht alles wis-
sen.
• Stufen Sie Gespräche mit Kollegen nicht als verlorene Zeit oder Freizeitvergnügen
ein.
• Seien Sie neugierig auf Ihr neues Team, Ihre Kollegen und entdecken Sie Ihre
Unternehmenskultur.

Checkliste 5-4: Anregungen für neue Führungskräfte.

269
Erst wenn Sie ein grobes Bild der Kontextfaktoren haben, nehmen
Sie sich vorsichtig und sensibel Ihrer eigenen gesteckten Ziele an.
Stürzen Sie sich dabei nicht auf ein Problem, welches angeblich ganz
dringend gelöst werden muss.
Erfolgreichen Führungswechslern gelingt es von Anfang an, ein posi-
tives Veränderungsklima zu entwickeln (Fischer 1997). Es gelingt ih-
nen, ihr Team auf die anstehenden Veränderungen einzustimmen,
die anfängliche Skepsis aufzulösen und ein positives »Wir-Gefühl« zu
entwickeln. Diese positive Teamhaltung bildet die Basis, um auch ehr-
geizige Projekte zu meistern.

5.6.8 Teamentwicklung

Ein intaktes Team ist für einen klar definierten Arbeitsvorgang ver-
antwortlich. Teams leisten nicht nur die ihnen übertragene Aufgabe,
sondern regulieren und organisieren sich auch selbst. Basis einer
erfolgreichen Teamarbeit ist ein offen-konstruktiver und vertrauens-
voller Umgang.
Selbst steuernde Teams haben u. a. folgende Eigenschaften:
– Sie definieren sich im Kontext der übergeordneten Ziele ihre
eigenen Teilziele.
– Sie sind an Management- und Führungsfunktionen beteiligt.
– Sie planen und überprüfen die Qualität ihrer Arbeit und
beurteilen so die Leistung der Gruppe.
– Sie erstellen sich ihre eigenen Arbeitspläne und regulieren die
Materialbeschaffung und die Lagerung. In diesem Zusammenhang
planen sie das Budget und stimmen die Zusammenarbeit mit
kooperierenden Abteilungen ab.
– Sie kümmern sich ziel- und aufgabenorientiert um die berufliche
Weiterbildung einzelner Mitglieder.

All das verlangt in den tradierten »top down«-Strukturen im Klinik-


alltag ein Höchstmaß an Emanzipation. Wenn es den Führungskräf-
ten gelingt, die Verantwortlichkeiten zu einem Großteil abzugeben,
ernten sie ein konstruktiv-engagiertes Team. Die Mitarbeiter werden
handlungsfähiger und entscheidungsfreudiger. Diese Machtverschie-

270
bung ist ein klares Signal hin zu einer mündigen Gruppe, die quasi
als »Miniklinik« organisiert und kontrolliert wird.
Wie oben skizziert, geht es also um die Übergabe/Delegation von
Autorität und Verantwortung an die Teammitglieder. Durch dieses
Vorgehen werden die Teammitglieder angeregt, Verantwortung zu
übernehmen, sich selbst zu regulieren und mehr aus ihrem Wissen
und ihrer Lernfähigkeit herauszuholen. Ein weiterer Vorteil ist, dass
der Vorgesetzte sich durch diese Delegation von zahlreichen adminis-
trativen Aufgaben frei macht und sich somit mehr um Patienten, die
Vertiefung seiner fachlichen Kompetenz und um seine Team-
mitglieder kümmern kann.
Ein leistungsfähiges Team besteht somit aus hoch motivierten Einzel-
individuen, die einander vertrauen, zielgerichtet arbeiten, durch
Sprechen und Handeln wirkungsvoll kommunizieren, gemeinsam
entscheiden, ihre Planung, Entscheidungsfindung und Qualitätskon-
trolle systematisch verfolgen sowie Fehler und Zuwiderhandlungen
selbst maßregeln (Byham, Wellins und Wilson 1992).

5.6.9 Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche

Die Praxis der Zielvereinbarungsgespräche erfüllt aus organisatori-


scher Sicht vor allem innerbetriebliche Steuerungsfunktionen und
den Zweck, alle Unternehmensteile auf ein gemeinsames Zielsystem
hin zu koordinieren. Darüber hinaus schaffen Zielvereinbarungs-
gespräche (»management by objectives«) zwischen Führungskräften
und Mitarbeitern Transparenz und Klarheit bezüglich der anstehen-
den Herausforderungen. Üblicherweise werden zum Jahresende bzw.
-beginn in einem Vieraugengespräch zwischen Führungskraft und
Mitarbeiter klare und erreichbare Ziele definiert und quantifiziert.
Im Rahmen der jährlichen Zielvereinbarungsgespräche sollten ver-
bindliche Termine zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern fixiert
werden.
Der nachfolgende Interviewbogen dient als Anregung und doku-
mentiert die einzelnen Schritte für ein halb strukturiertes Zielverein-
barungsgespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter.

271
272
273
274
275
276
277
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279
280
Abbildung 5-33: Checkliste Zielvereinbarungsgespräch.

281
5.7 Verschwendungsmanagement

Wilfried von Eiff

»Die Arbeitnehmer sämtlicher Ebenen . . .


müssen sowohl für eigenständiges Arbeiten
als auch für die persönliche Ziel- und Selbst-
kontrolle Verantwortung übernehmen und
sich letztlich zu einer ständigen Verbesserung
des gesamten Betriebsprozesses bzw. zum
ständigen Lernen nach japanischem Vorbild
veranlasst fühlen.«
(Drucker 1997)

Das Verschwendungsmanagement-Programm bietet den Prozess-


teams verhaltenssteuernde Orientierungen, keine Kennzahlen-Vor-
gaben. Hierbei können die Mitarbeiter in überschaubaren Arbeitsbe-
reichen durch eigenes Entscheiden sichtbare Verbesserungen
erzielen (siehe Abbildung 5-34).

Abbildung 5-34: Das Verschwendungsprogramm gibt den Prozess-Teams eine ver-


haltenssteuernde Orientierung. Es werden keine Kennzahlenvor-
gaben gemacht.

282
Abbildung 5-35: Manager delegieren Aufgaben und Tätigkeiten, und sie vereinba-
ren Ziele. Erfolgreiche Manager delegieren sinnvolle Arbeiten an
wertvolle Arbeitsplätze.

Dieses Verschwendungsmanagement entspricht dem Prinzip,


Problemlösungsverantwortung im Sinne einer fallabschließenden
Verantwortung zu delegieren (siehe Abbildung 5-35) und damit
führungstechnisch gesehen die Rahmenbedingungen für die Ent-
wicklung von Selbstmotivation bei Mitarbeitern zu setzen.
In den meisten Krankenhäusern besteht eine ausgeprägte Notwen-
digkeit zur Einführung eines Delegationsprogramms auf der Grund-
lage der Verschwendungsmanagement-Idee; dies belegen die unter
Anwendung eines einfachen Arbeitsstrukturmodells durchgeführten
Analysen (siehe Abbildung 5-36).
Nach Einschätzung von Befragten auf Mitarbeiterebene (»Ort
der Wertschöpfung«) sind die Verschwendungsanteile an der täg-
lichen Gesamtarbeitszeit mit durchschnittlich 35 Prozent signifikant
hoch. Demgegenüber spielen qualitätsfördernde, organisationsver-
bessernde und wertschöpfungssteigernde Aktivitäten im Rahmen der
»normalen« Arbeitszeit und im Rahmen der »normalen« Tätigkeits-

283
Abbildung 5-36 Jeder Aktivitätsbereich einer Stelle kann nach Wertschöpfungs-,
Wertvernichtungs- und Innovationsanteilen aufgeteilt werden.

struktur (besser Verantwortungsstruktur) kaum eine Rolle. Fast 90


Prozent der Befragten (insgesamt 53 Personen aus Pflege und Physio-
therapie) gaben an, für qualitäts- und organisationsverbessernde Ak-
tivitäten keine Zeit zu haben; 38 Befragte ergänzten, dass derlei Akti-
vitäten durch die Führung ohnehin nicht honoriert würden bzw. man
würde für solches Engagement faktisch noch bestraft, weil die nor-
male Arbeit zusätzlich verrichtet werden müsse.
19 Befragte sagten aus, Engagement für qualitätsfördernde Akti-
vitäten würde bei den Kollegen Unmut hervorrufen, und man würde
sich dem Vorwurf des »Strebertums« aussetzen.
Besondere Reibungsverluste in der Zusammenarbeit ergeben sich
erfahrungsgemäß an den Schnittstellen, an denen ärztliche Direk-
tiven und physiotherapeutische Leistungen in einen Effizienzkonflikt
treten. So beklagten z. B. Physiotherapeuten, dass durch einseitige
Prioritätensetzung durch den Arzt zwangsläufig Ineffizienzen im
Arbeitsablauf der Physiotherapie auftreten. Eine Analyse im Bereich
Physiotherapie weist dieses Phänomen nach, das in seinem Kern
organisationskultureller Art ist nach (siehe Abbildung 5-37).

284
Abbildung 5-37: Die wichtigste Ursache für Verschwendung ist mangelhafte Kom-
munikation und mangelhafte Zusammenarbeit.

Im Bereich von Pflegekräften in Funktionsbereichen und auf


Stationen wird wiederholt der hohe Anteil von nicht-patientenorien-
tierten Arbeiten (z. B. Logistiktätigkeiten rund um die Versorgung
der Station mit Medikalprodukten) als Ressourcenverschwendung an-
gesehen. Gerade vor dem Hintergrund eines gesteigerten Anspruchs
von Patienten und Angehörigen in Richtung Dienstleistungsqualität
und Kundenorientierung entsteht durch derart hohe Anteile nicht
Wert schöpfender Tätigkeiten in den Krankenhäusern eine Qualitäts-
lücke.
Fazit: Delegation entfaltet dann Wirkung in Richtung Selbstmoti-
vation, wenn mit den »normalen« Fachaufgaben auch die Problem-
lösungsverantwortung mitdelegiert und ein Organisationsrahmen
durch die Führungskraft eingerichtet wird, der es den Mitarbeitern er-
möglicht, durch eigene Entscheidungen sichtbare Resultate zu erzie-
len.

285
5.8 Persönliches Verhalten
Wilfried von Eiff

»Das Vermögen eines Unternehmens ist das,


was dessen Mitarbeiter vermögen.«
Frank M. Scheelen

Ein Haupthinderungsgrund auf dem Weg zu einem konstruktiven


Miteinander ist darin zu sehen, dass Menschen unterschiedliche Per-
sönlichkeitsprofile aufweisen: Jeder Mensch hat eine bestimmte be-
vorzugte Art, wie er seine Umwelt wahrnimmt und beurteilt; diese
Einstellung ist auch prägend für sein Teamverhalten und seine Art zu
kommunizieren.
Die Kenntnis dieser Kommunikations- und Verhaltensstrukturen
ist in besonderem Maße wichtig, wenn es darum geht Teams, Abtei-
lungen, Organisationseinheiten mit den »richtigen« Personen zu
besetzen. Ein erfolgreicher Manager sorgt dafür, dass jeder seiner Mit-
arbeiter seine individuellen Stärken einbringen kann. Eine wichtige
Teilaufgabe der Führung besteht auch darin, die »richtigen« Mit-
arbeiter an den »richtigen« Arbeitsplatz zu dirigieren bzw. Arbeits-
teams so zusammenzustellen, dass ein Höchstmaß an wirtschaftli-
chem Erfolg für das Unternehmen und Sozialqualität für die
beteiligten Teammitglieder entsteht.
Erfolgreiche Teamarbeit ist die Konsequenz konstruktiver Kommu-
nikation zwischen Teammitgliedern, die sich fachlich und vom Per-
sönlichkeitstyp her ergänzen: Eine Gruppe, die nur aus »Kreativen«
besteht, tut sich erfahrungsgemäß mit der Umsetzung bodennaher
Konzepte schwer; die »Pragmatikergruppe« scheut ungewöhnliche
Lösungen, und die »Analytiker« paralysieren sich selbst.
Die menschliche Typenvielfalt ist eine Voraussetzung für innova-
tive Ideen, kreative Prozesse, herausragende Organisationskonzepte
und pfiffige Dienstleistungsangebote. Die Stärke einer Unterneh-
menskultur wird durch die Vielfältigkeit ihrer Menschen bestimmt.
Gerade in Krankenhäusern gibt es kaum noch Arbeits- und Ent-
scheidungsprozesse, die keinen »Team-Charakter« habe. Die Füh-

286
rungsherausforderung besteht darin, diese unterschiedlichen Typen
auf eine gemeinsame Linie zu bringen. Das Unternehmen Kranken-
haus ist wie jedes andere Unternehmen daher so erfolgreich, wie es
gelingt, Chef und Mitarbeiter zu einem Team, besser zu einem Hoch-
leistungsteam zusammenzuschließen. Hochleistungsteams setzen
sich selten aus Mitarbeitern zusammen, die zueinander passen, weil
sie gleiche Ansichten teilen, gleiche Ausbildungsrichtungen absol-
viert haben oder gleiche Funktionen wahrnehmen. So viel Gleichheit
führt in der Regel zu innovationsarmen Lösungen. Daher sollten sich
die Teams aus Mitarbeitern zusammensetzen,
– deren Fachqualifikation sich ergänzt, aber dabei aus unterschied-
lichen Professionen und Erfahrungshintergründen stammt, und
– die vom Verhaltenstyp her divergente Pole besetzen: strukturierter
Denker, Logiker, Kreativer, Analyst, Finanzorientierter, Überprü-
fender, Macher.

Die Mitglieder solcher Hochleistungsteams sind im Hinblick auf ihre


Persönlichkeitsstruktur und bezüglich ihrer Arbeitsweise so verschie-
den, dass Konflikte zwangsläufig nicht ausbleiben. Es sei denn, die
Beteiligten kennen sich selbst und die anderen. Sie kennen ihren ei-
genen Kommunikations- und Verhaltensstil im Hinblick auf seine
Wirkungen im sozialen Umfeld. Und sie kennen die Erwartungen der
unterschiedlichen Typen bezüglich Kommunikationsansprache und
Verhalten.
In Teams nehmen verschiedene Persönlichkeiten unterschiedliche
Rollen ein:
– Der Kreative sorgt für Ideen.
– Der Entdecker geht auf die Suche nach Best Practices.
– Der Buchhalter sorgt für die Berücksichtigung von Budgetrestrik-
tionen.
– Der Richter stellt Zielgerechtigkeit und Bodennähe her, indem er
immer wieder hinterfragt und Präzision abverlangt.
– Der Kämpfer treibt die gefundene Lösung auch gegen Widerstände
in der Hierarchie voran.
– Der Prozesspromotor moderiert die heterogene Gruppe zeitökono-
misch und zielorientiert zu einer akzeptierten Lösung.

287
– Der Analytiker sorgt für solide Entscheidungsgrundlagen.
– Der Systematiker hält den Leistungsprozess transparent und nach-
vollziehbar.
– Der Konzeptionalist strickt den Konzeptrahmen für eine qualifi-
zierte Lösung.

5.8.1 Erfolgsvoraussetzung: Führen der eigenen Person

Wer andere führen will, muss sich selbst führen können. Dazu muss
die Führungskraft wissen,
– welche Persönlichkeits- und Motivationsstruktur ihr Denken und
Handeln leitet;
– wie das eigene Verhalten, der eigene Kommunikationsstil auf andere
wirkt;
– welche anderen Persönlichkeits- und Motivationstypen es gibt
und wie diese Menschen in der arbeitstäglichen Realität auf Kom-
munikation reagieren;
– welche Stärken ihre Persönlichkeit bestimmen;
– welche Schwächen sie daran hindern, die eigenen Stärken wir-
kungsvoll zu entfalten;
– welcher Menschen- bzw. Persönlichkeitstyp kommunikativ am
nächsten liegt;
– welcher Menschen- bzw. Persönlichkeitstyp in der täglichen Zu-
sammenarbeit eine eigene Verhaltensänderung erfordert, um ge-
meinsame Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können;
– welche Verhaltensmuster über Jahre eingeübt wurden, weil man
annahm, die soziale Umgebung erwarte dies und
– wie weit dieses »Masken-Verhalten« von der tatsächlichen, typen-
gerechten Einstellung entfernt ist.

Hippokrates hatte bereits in der Antike beobachtet, dass viele seiner


Patienten offensichtlich ganz bestimmte Verhaltensmuster zeigten,
die sich sogar vorhersagen ließen: Personen, die eher laut, optimis-
tisch und fröhlich waren, nannte er Sanguiniker; diejenigen, die eher
Führungseigenschaften besaßen und als dominant angesehen wur-

288
Abbildung 5-38: Psychologische Grundfunktionen (nach Jung): Wahrnehmung
und Beurteilung als Stufen in einem Entscheidungsprozess sind
geprägt durch individuelle Präferenzen.

den, hießen Choleriker; die Menschen, die eher Ordnungssysteme


in ihrem Leben bevorzugten und Stimmungsschwankungen unter-
lagen, waren die Melancholiker; und die Menschen, die sich lieber aus
allem heraushielten und sich den Wünschen anderer anpassten,
nannte er Phlegmatiker.
C. G. Jung erfasste in seiner Persönlichkeits- und Typentheorie die
grundlegenden Verhaltensmuster von Menschen so differenziert,
dass das Unverwechselbar-Individuelle in den Menschen erkennbar
und treffsicher prognostizierbar wird. Grundlage der Typologie nach
Jung ist die Annahme, dass jeder Mensch eine bestimmte, bevorzugte
Weise (Präferenz) hat, in der er seine Umwelt wahrnimmt und beur-
teilt. Es gibt jeweils zwei Arten des Wahrnehmens und des Beur-
teilens. Man kann es entweder über die fünf Sinne (Sinneswahrneh-
mung/Empfinden) oder über einen »sechsten Sinn« (Intuition) wahr-
nehmen. Andererseits beurteilt man entweder analytisch und objek-
tiv (Denken) oder gefühlsmäßig bzw. anhand persönlich subjektiver
Kriterien (Fühlen).
Jeder Mensch hat seinen individuellen Kommunikations-, Denk-
und Verhaltensstil: Das breite Spektrum individueller Persönlich-
keitsprofile lässt sich auf acht Grundtypen reduzieren.

289
Analysegrundlage für diese acht Verhaltenstypen ist die Unter-
teilung zwischen Wahrnehmungsmuster (Detailorientierung versus
Gesamtorientierung) und Urteilsmuster (Sachorientierung versus
Gefühlsorientierung) eines Menschen.
Es gibt zwei Wahrnehmungsmuster, die ein Mensch in der Kind-
heit entwickelt, und die prägen, wie er als Erwachsener die Welt wahr-
nimmt:
– Detailorientierung: Menschen mit ausgeprägtem Realitätssinn und
einem Bedürfnis nach Fakten und Daten nehmen die Umwelt über
die fünf Sinne wahr (Sinneswahrnehmung/Empfinden). Dies hat
eine hohe Detailorientierung zur Folge.
– Gesamtorientierung: Erfasst ein Mensch die Welt hingegen mehr
über den sechsten Sinn, über die Intuition, dann sieht er vor-
nehmlich die Möglichkeiten in allen Dingen, erfasst das große
Gesamtbild und orientiert sich in seinem Handeln wesentlich an
Visionen (Zielen) über seine Zukunft.

Ähnlich lassen sich zwei Urteilsmuster unterscheiden:


– Sachorientierung: Diese Menschen treffen Entscheidungen mit
deutlicher Orientierung an der Aufgabe, der Sache, einem Ziel oder
dem Ergebnis.
– Gefühlsorientierung: Andere hingegen stellen bei ihren Entschei-
dungen den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen und
beschäftigen sich mit den zwischenmenschlichen Auswirkungen.

Weiterhin werden diese Grundmuster von der Einstellung beein-


flusst, mit der ein Individuum die Welt erlebt. Extrovertierte Men-
schen haben eine Präferenz für die Außenwelt, für die Kommunika-
tion zu Mitmenschen und Offenheit für Neuerungen. Introvertierte
Menschen haben eine Präferenz für die Innenwelt der Ideen und Ge-
danken.
Daraus ergeben sich acht Persönlichkeitstypen, die jeweils durch
einen typspezifischen Kommunikations- und Führungsverhaltensstil
charakterisierbar sind und die ebenso eine typspezifische Denk- und
Wertehaltung aufweisen. Mit jedem Typ ist gleichzeitig ein bestimm-
ter Arbeitsstil verbunden:

290
Beobachter Systeme auf Machbarkeit und Wirksamkeit überprüfen
Reformer neue Methoden entwickeln und innovative Konzepte systematisch
einführen
Direktor schnelle Orientierung, pragmatische Ziele ableiten, im Pilot testen
und durchsetzen
Motivator neue Ideen kreieren, andere begeistern und zielorientiert deren
Engagement aktivieren
Inspirator die Ideen verständlich aufbereiten und an andere weitervermitteln
Berater sich mit anderen beraten und abstimmen, alternative Sichten ken-
nen lernen, Kompromisse finden und gemeinsam ohne Wider-
stände realisieren
Unterstützer Strukturen und entsprechende Hilfen anbieten sowie Coach sein
Koordinator sich an bereits bewährte Verfahren halten und innovative Entwick-
lungen auf den Prüfstand der aktuellen Realität legen

Tabelle 5-1: Die Persönlichkeitstypen und ihr dominanter Kommunikations- und


Arbeitsstil.

Jeder »Grundtyp« hat typische Eigenarten, die das Aktions- und


Reaktionsmuster dieses Menschen in Grenzen, aber doch relativ treff-
sicher prognostizierbar machen. Jede Persönlichkeit verfügt über
zwei Verhaltens-, Kommunikations- und Arbeitsstile: den Basisstil
und den adaptierten Stil:
– Basisstil: Der Basisstil bezeichnet das natürliche Verhalten. Dieses
Verhalten bleibt im Leben relativ stabil und hat großen Einfluss auf
das persönliche Wertesystem (und damit auf die Motivationsstruk-
tur). In diesem Verhaltens- und Einstellungsbereich hat man seine
persönliche »Komfortzone« (natürliches Ich). In diesem Verhal-
tensmuster fühlt man sich am wohlsten.
– adaptierter Stil: Der adaptierte Stil (angepasster Stil) stellt die so
genannte »Persona« (die Maske) dar. Dieser Kommunikations-, Ar-
beits- und Verhaltensstil wird an den Tag gelegt, weil man glaubt, das
soziale Umfeld erwartet diese Rolle. Die »Persona« ist das Gesicht,
das man für das soziale Umfeld aufsetzt. Prägend für diese Maske
sind berufliche Anforderungen, sozialer Druck, unternehmenskul-
turelle Erwartungen, aber auch eigener Ehrgeiz, in der Zukunft eine
bestimmte gesellschaftliche/berufliche Rolle zu übernehmen.

291
Liegen Basisstil und adaptierter Stil deutlich auseinander, wirkt
sich dies auf das individuelle Wohlbefinden aus oder kann zu Stress-
reaktionen führen.
Führung findet nicht im »luftleeren Raum« statt, sondern ist im-
mer auch als Prozess der Kommunikation zwischen Vorgesetzten
und Mitarbeitern zu sehen. Jeder Kommunikationstyp wirkt aufgrund
seiner Eigenarten auf andere Kommunikationstypen in unterschied-
licher Weise:

Beobachter behält die Infrastruktur im Blick, konzeptualisiert Probleme, dringt


tief in die Fragen ein
Reformer erörtert Themen auf logische Weise, bedenkt Pro und Contra, ent-
deckt Unstimmigkeiten, überlegt und reagiert
Direktor erzeugt Systeme, liefert Schub, handelt entschieden, übernimmt die
Kontrolle
Motivator visualisiert die Zukunft, sieht das große Bild, dringt in neue
Bereiche vor, entwickelt neue Möglichkeiten
Inspirator drückt Unterstützung aus, unterhält das Verbindungsnetz, ergreift
Initiative, begeistert andere
Berater versteht Menschen, behält das menschliche Element im Blick, hilft
anderen, akzeptiert Entscheidungen
Unterstützer akzeptiert neue Ideen, liefert Einsichten und Flexibilität, kennt die
Umgebung
Koordinator kennt die Fakten, versteht den Prozess, kümmert sich um
Einzelheiten und Organisation

Tabelle 5-2: Jeder Kommunikationstyp ist durch »typische« Verhaltens- und Kom-
munikationsmuster geprägt.

Ebenso ist festzustellen, dass jeder Kommunikationstyp bestimm-


ten, aufgrund seiner für ihn typischen Verhaltensmuster stereotypen
Vorwürfen ausgesetzt ist. Aber da Kommunikation von Feedback lebt,
ist es wichtig zu wissen, wie solche Kommunikationstypen auf »Stan-
dardvorwürfe« reagieren können.

292
Standardvorwurf Reaktion
Beobachter Seien Sie nicht so theoretisch! Teams müssen Konzepte
sorgfältig analysieren, bevor
sie effektiv arbeiten können.
Reformer Seien Sie nicht so grob! Manchmal braucht dieses
Team einen Tritt, um wieder
an die Arbeit zu gehen.
Direktor Treiben Sie uns nicht an! Wir haben harte Arbeit vor
uns, die sofort erledigt
werden muss.
Motivator Kommen Sie nicht dauernd Innovation verschafft uns
auf neue Ideen! neue Aufträge.
Inspirator Reden Sie nicht so viel! Für den Erfolg des Teams ist
es wichtig, Spaß miteinander
zu haben.
Berater Machen Sie sich nicht dauernd Es tut uns gut auf die Bedürf-
Sorgen um jemanden! nisse jedes Einzelnen zu
achten.
Unterstützer Seien Sie nicht dauernd belei- Unsere tiefsten Überzeugun-
digt! gen zu erkunden, hält uns
auf dem richtigen Weg.
Koordinator Seien Sie nicht so kleinlich! Präzision und Genauigkeit
der Informationen helfen un-
serem Team, gute Arbeit zu
leisten.

Fazit für die Praxis


Effektive und erfolgreiche Teams sollten sich aus unterschiedlichen
Verhaltenstypen zusammensetzen, denn nur so gelingt es, alle
Aspekte eines Problems oder Projekts zu beleuchten. Aufgabe der
Führungskraft ist es, die richtigen Mitarbeiter an die richtige Stelle im
Team zu setzen. Um jedoch die unterschiedlichen Verhaltenstypen
begreifen zu können, muss die Führungskraft erst ihren eigenen
Kommunikations- und Arbeitsstil und deren Wirkung auf die Arbeit
kennen.

293
5.9 360-Grad-plus-Methode:
Systematisches Rundum-Feedback als Grundlage der
lernenden Organisation

Wilfried von Eiff, Birgit Hans

Die Qualität der Mitarbeiterführung ist zu einem entscheidenden Kri-


terium für die Wettbewerbsfähigkeit von Krankenhäusern geworden.
Ebenso kommt der Anpassungsfähigkeit und der Flexibilität der
Unternehmensführung eine hohe Bedeutung zu.
Im Zuge der Auflösung traditioneller, hierarchischer Organi-
sationsstrukturen zugunsten eines prozess- und teamorientierten Ma-
nagements gewinnt die 360-Grad-Methode – als Instrument zur För-
derung der strategischen Integration des Personalmanagements in
die Unternehmensentwicklung und als Instrument der systema-
tischen Rückmeldung über das Führungsverhalten – zunehmend an
Bedeutung.
Verbindliche ethisch-moralische Leitlinien sind die Messlatte, um
zu beurteilen, inwieweit ein Vorgesetzter die Ansprüche an die Sozial-
qualität erfüllt und das Werte- und Verhaltenssystem eines Unterneh-
mens lebt.
Die zunehmende »Kundenorientierung« im Krankenhausmarkt
bedingt, dass die Kundenperspektive in den Feedbackprozess einge-
bracht wird. Im Rahmen des Beschwerdemanagements werden die
Patienten dazu aufgefordert, sowohl das Krankenhaus als auch das
Personal zu beurteilen. Aber auch Mitarbeiterbefragungen kommen
häufiger zum Einsatz. Diese sollten so angelegt sein, dass Abwei-
chungen von der Unternehmenskultur deutlich werden.
Die wichtigsten Merkmale einer Unternehmenskultur lassen sich
charakterisieren durch den Umgang mit
– Ideen und Verbesserungsvorschlägen,
– Widersprüchen und anderen Meinungen,
– Informationen und Verhalten in Besprechungen und Fehlern.

Die 360-Grad-Methode zielt auf die ganzheitliche Einschätzung einer


Person. Diese ganzheitliche Einschätzung erfolgt durch ihre »arbeits-

294
täglichen Kunden«: Führungskräfte werden durch Vorgesetzte, Kolle-
gen, Mitarbeiter und auch durch interne und externe Kunden beur-
teilt. Die Außenwahrnehmungen werden mit der Selbstwahrneh-
mung des jeweiligen Managers verglichen, sodass Unterschiede
zwischen Selbst- und Fremdbild hervortreten und die Qualität des Be-
ziehungsgefüges zwischen Beurteiltem und Beurteilendem sichtbar
wird. Es werden alle »kundenrelevanten« Perspektiven eingeholt, um
einseitige Einschätzungen zu vermeiden.
Das Instrument dient im Besonderen den Führungskräften, um
auf der Basis sozialer Wahrnehmungsprozesse im Arbeitsalltag ihren
Führungsstil und die Wirksamkeit ihres Verhaltens zu analysieren.

Merkmale der »lernenden Organisation«


• Ohne Feedback gibt es keine Information darüber, ob eine Entscheidung oder
Handlung zielorientiert und effizient erfolgte.
• Ohne Feedback gibt es keine Lernchance, die dabei hilft, Entscheidungen
anzupassen, strategische Neuorientierung einzuleiten und Handlungen in
wirkungsvollerer Form vorzunehmen.
• Informationsqualität und Schnelligkeit des Feedbacks bestimmen die Flexibilität
und Handlungsfähigkeit einer Organisation.
• Es ist wichtig, Feedback über diejenigen Faktoren zu erhalten, die den Erfolg eines
Unternehmens bestimmen und die langfristige Existenz sichern:
– Wie motiviert und engagiert die Mitarbeiter sind, kann über Befragungen
und ein organisiertes Verbesserungs-Vorschlagswesen festgestellt und be-
einflusst werden.
– Kundenzufriedenheit und -loyalität sind durch Befragungen, »customer fo-
cus groups« sowie durch aktives Beschwerdemanagement identifizierbar.
• Wichtigster Feedback-Geber ist »der Kunde«.
• In einer lernenden, auf Feedback angelegten Organisation gilt das »Kunden-Liefe-
ranten-Prinzip«: Jede Person/Funktion ist Kunde und Lieferant von Informationen
und Leistungen.
• Die Einführung teamorientierter Zusammenarbeitsformen in Verbindung mit einer
prozessorientierten Ausrichtung der Leistungsaktivitäten erhöht die Zahl der Kun-
den.

Checkliste 5-5: Merkmale einer »lernenden Organisation«.

Erfolgskritisch ist ein Fragebogen, der sich an vorher definierten


Verhaltenskriterien orientiert und an bereits vorhandenen Führungs-
grundsätzen und Leitlinien anlehnt. Feedback-Nehmer und Feed-

295
Abbildung 5-39: Die 360-Grad-Methode zur Unterstützung der Wettbewerbs-
position eines Krankenhauses.

back-Geber erhalten jeweils komplementäre Fragebogen, wobei der


Feedback-Geber beschreibt, wie das Verhalten der entsprechenden
Führungskraft auf ihn wirkt. Der Feedback-Nehmer hingegen be-
schreibt sein Verhalten und die beabsichtigte Wirkung auf die Inter-
aktionspartner.
Die Ergebnisse sind den Beurteilten in deutlicher, nachvollzieh-
barer Art zu präsentieren, um die Diskrepanzen zwischen Selbst- und
Fremdeinschätzung herauszustellen. Die Betroffenen sollten in die-
sem Zusammenhang eigenständig entscheiden können, ob sie die
Ergebnisse im Team oder einzeln diskutieren möchten. Ziel der
Feedbackgespräche ist es, den Veränderungsbedarf sowie die Ent-
wicklungsmöglichkeiten zu klären. Nur eine unmittelbare, konkret
auf das Verhalten bezogene Rückmeldung sorgt für Lernerfolg und
kann eine Verhaltensänderung bewirken. Derjenige, der Feedback
erhält, muss konkrete Ergebnisziele formulieren und in einen indi-
viduellen Entwicklungsplan einfließen lassen. Die regelmäßige An-
wendung der 360-Grad-Feedback-Methode ist für ihren Erfolg von
besonderer Bedeutung.

296
5.8.1 Personalbeurteilung versus Personalentwicklung

Die 360-Grad-Methode kann als Instrument der Personalbeurteilung


(360-Grad-Beurteilung), aber auch als Instrument der Personalent-
wicklung (360-Grad-Feedback) eingesetzt werden. Einerseits können
also personalpolitische Ziele – etwa Informationssammlung für Ent-
gelt- und Karriereentscheidungen – und andererseits führungspoliti-
sche Ziele – wie die Verbesserung von Führungskompetenzen – ent-
scheidend für die Einführung der 360-Grad-Methode sein.
Aufgrund deutlich unterschiedlicher Rahmenbedingungen und
Implikationen darf das Instrument aber nicht zur Verfolgung beider
Ziele gleichzeitig eingesetzt werden. Mischformen sind in der Praxis
von Industriebetrieben zwar eher Normalität als Ausnahme, tragen
allerdings auch mehr zur Verwirrung als zur Akzeptanz bei. Perso-
nalbeurteilung und -controlling lassen sich in einem Unternehmen
durchsetzen; die Entwicklung von Führungskompetenzen und -qua-
litäten hingegen lässt sich nicht verordnen, denn sie setzen voraus,
dass sich die Person entwickeln lassen will.
Entscheidet man sich, die 360-Grad-Methode zur Personalentwick-
lung einzusetzen, hängt die Akzeptanz des Feedbackprozesses oft-
mals davon ab, inwieweit es den Projektverantwortlichen gelingt, den
Unterschied zwischen den beiden Zielrichtungen unternehmens-
intern zu kommunizieren.
Vor der Einführung des 360-Grad-Feedbacks sind die organisato-
rischen Rahmenbedingungen auf ihre Kompatibilität mit diesem
Bewertungssystem hin zu überprüfen.
Im Rahmen der erforderlichen Ist-Analyse sind die Stärken und
Schwächen der bisherigen Führungskultur zu untersuchen. Fragen
zur Arbeitsbelastung und zur Informationspolitik gehören ebenso
zur Kulturdiagnose wie die Beurteilung des Betriebsklimas und der
Umgang mit Ergebnissen aus vorangegangenen Befragungen.
Nach der Festlegung der Rahmenkonzeption ist es aus Akzeptanz-
gründen notwendig, die Ziele, Potenziale, Rahmenbedingungen und
Ablaufschritte transparent zu machen. Nach der Durchführung der
Befragung sollte ein differenzierter beratungsorientierter Ergebnis-
bericht für die jeweiligen Führungskräfte erstellt werden, aus dem

297
Abbildung 5-40: Die Ziele Personalentwicklung und Personalbeurteilung dürfen
mit der 360-Grad-Methode nicht gleichzeitig verfolgt werden.
(Quelle: 360°-Methode: Weiterentwicklung statt hitziger Rund-
umschläge, Psychonimics, Ansgar Metz, Dr. Stephan Roth, Köln)

insbesondere konkrete Entwicklungspotenziale und -perspektiven ab-


leitbar sind.
Es ist weiterhin sinnvoll, den Beurteilten ein Angebot zu Feed-
back-Gesprächen mit Berater und Coach anzubieten. Wird das 360-
Grad-Feedback richtig angewendet und kommuniziert, so kann der
Nutzen sowohl für das Unternehmen als auch für den Mitarbeiter
groß sein.

298
Möglicher Nutzen
• Vergleich von Selbst- und Fremdbild;
• Anreizsystem in Form einer immateriellen Belohnung;
• Generierung von Ideen für Personalentwicklungs- und Verhaltensänderungs-
maßnahmen;
• Verbesserung der Kommunikation zwischen den Teammitgliedern
• Steigerung der Teameffizienz;
• für Mitarbeiter die Möglichkeit, aktiv Einfluss zu nehmen und zu erfahren, dass
dem Unternehmen das Verhalten seiner Führungskräfte nicht gleichgültig ist;
• Ideen für gezielte Maßnahmen zur Verbesserung von Führungsverhalten,
-prozessen, -instrumenten und -systemen durch bereichsübergreifende
Auswertung
• Stärkung der Kundenbindung;
• Förderung von Selbstorganisations- und -steuerungsprozessen;
• Hinweise für Organisations- und Kulturentwicklungsmaßnahmen.

Checkliste 5-6: Möglicher Nutzen der 360-Grad-Methode.

Die 360-Grad-Methode wird in der Praxis – insbesondere von


Führungskräften – zum Teil heftig kritisiert: Schon die Grundan-
nahme ist Anlass, die Methode als ineffektiv einzustufen. Die Summe
vieler subjektiver Eindrücke, so die Kritiker, erzeuge nicht automa-
tisch Objektivität, denn frustrierte Mitarbeiter oder konkurrierende
Kollegen können nicht sachlich urteilen.
Häufig wird auch der Standpunkt vertreten, dass eine geheime
Rundum-Beurteilung nicht sinnvoll und in einem Unternehmen, das
ein Klima von Offenheit und Vertrauen anstrebt, kontraproduktiv sei.
Unternehmen brauchten vielmehr Mitarbeiter, die einander offen und
ehrlich die Meinung sagen. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls
häufig vertreten, dass die geheime Rundum-Beurteilung eine Kultur
voraussetze, die durch die Methode erst geschaffen werden soll.
Diese Argumente werden entkräftet, wenn die Methode gezielt für
die Personalentwicklung eingesetzt wird. Die verschiedenen Blick-
winkel lassen Stärken und Schwächen sichtbar werden. Kompetente
Führungskräfte und Mitarbeiter können gefordert, Zusammenarbeit
und Kommunikation gestärkt werden.
Eine Akzeptanz bei den Mitarbeitern kann erreicht werden, wenn
– das 360-Grad-Feedback regelmäßiger Bestandteil der Personal-
entwicklungsgespräche wird;

299
– das Verfahren von einer neutralen, fachlich qualifizierten und
machtpolitisch akzeptierten Personalabteilung gesteuert und
kritische Bestandteile im Einzelfall moderiert werden; und
– die Beurteilungsmesslatte transparent ist und das Verfahren zu
Konsequenzen führt.
Neben Verantwortungsbeschreibungen, Feedback-Karten, Beschwer-
demanagement und Kulturdiagnosen wird insbesondere die so ge-
nannte »Insights«-Technik als Instrument im Rahmen des 360-Grad-
Feedbacks eingesetzt.
– Die Arbeitsstellenanalyse fixiert die Anforderungen einer Stelle im
Hinblick auf Verhalten, Kommunikations- und Arbeitsstil.
– Der »Leadership«-Check gibt individuelles Feedback über die Kom-
munikationseinheiten einer Person sowie über deren Motivations-
struktur. Auf dieser Basis können die individuelle Entwicklung eines
Mitarbeiters und Organisationsentwicklung aufeinander abgestimmt
werden.
Das 360-Grad-Feedback entwickelt sich so zum 360-Grad-Plus-Feed-
back. Abbildung 5-41 stellt diese – um die Dimension der persön-
lichen »Innensicht« – erweiterte Variante dar.

Abbildung 5-41: 360-Grad-plus-Feedback dient der Abstimmung von Organisations-


entwicklung und individueller Entwicklung.

300
5.10 Storytelling: Was das »Erzählen von Geschichten«
mit Organisationsentwicklung und
Unternehmenskultur im Krankenhaus zu tun hat

Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel

5.10.1 Einleitung

Management steht in dem Ruf, Entscheidungen auf Zahlen, Daten


und harte Fakten zu gründen: Analysen bestimmen die Entschei-
dungsrichtung und Zahlen entscheiden, ob ein Krankenhaus überlebt
oder ob es schließen muss. Und nun sollen »Geschichten« das Kran-
kenhausmanagement voranbringen? Die Antwort lautet: Ja! Insbeson-
dere dann, wenn es darum geht, Menschen zu überzeugen, zum Mit-
machen zu bewegen, interne Widerstände zu überwinden und Wissen
zu transportieren. Geschichten können den Zuhörer auf der rationalen
und mentalen Ebene ansprechen und wirken damit anders als harte
Fakten: Sie ermöglichen emotionale Identifikation, sie sind verständ-
lich und meistens übertragbar auf die eigene Unternehmenssituation.
Fakten sind häufig bekannt. Man kennt die Zahlen, die Charts und
die Analysen zur anstehenden Fusion oder zu den Rationalisierungs-
maßnahmen. In einer Pressemitteilung heißt es dann etwa nüchtern:
»Für das Krankenhaus Eschenbach wäre bei einem Weiterbetreiben
der Geburtshilfe ein Defizit von zirka 500 000 bis eine Million Euro
vorprogrammiert. Dies ist wirtschaftlich nicht vertretbar«. (Ober-
pfalznetz 26.01.2005)
Ganz andere Gefühle und Eindrücke vermittelt die Berichter-
stattung im Oberpfalznetz unter dem Titel »Keine Babys mehr im
Krankenhaus«:
»Emma und Julian hatten Glück, obwohl sie noch nichts davon wis-
sen: Beide wurden noch wohnortnah zur Welt gebracht. Die zwei
Wonneproppen zählen zu den letzten Neugeborenen, die im Eschen-
bacher Krankenhaus das Licht der Welt erblicken. . . . Gar nicht ein-
verstanden mit der Schließung der Geburtshilfe ist Renate Wilhoit.
›Bei vielen werdenden Müttern ist eine regelrechte Panik ausgebro-
chen‹, beschreibt die Eschenbacher Hebamme die Reaktion auf die

301
›unerfreuliche Entwicklung‹. Jetzt wüssten sie aber zumindest, dass
sie mit der Hebamme ins Pegnitzer Krankenhaus gehen können.
Wenn es in Eschenbach keine Geburtshilfe mehr gibt, dann habe das
folgenschwere Auswirkungen. Renate Wilhoit: ›Eine Notfallgeburt
darf de facto nicht eintreten.‹« (Oberpfalznetz 26.01.2005)
Diese Geschichte weckt Emotionen. Man kann sich gut vorstellen,
welche Gefühle die Schließung des Krankenhauses in der Bevölke-
rung auslöst.
In der letzten Zeit hat das Interesse am systematischen Einsatz von
Geschichten in Organisationen deutlich zugenommen. In unserer
Gesellschaft hat sich Wissen zu einem Wettbewerbsvorteil etabliert.
Diese Entwicklung geht mit der Erkenntnis einher, dass sich das Wis-
sen innerhalb von Organisationen nicht vollständig mit rationalen
Methoden erfassen lässt. Wie wichtig es ist, Methoden zu finden, die
personengebundenes Wissen systematisch nutzbar machen, zeigt
die Untersuchung der Giga Information Group aus dem Jahr 2002.
In einem Unternehmen ist 80 Prozent des Wissens personengebun-
den, weitere 16 Prozent sind unstrukturiertes Wissen und vier Pro-
zent sind strukturiertes Wissen. Der Versuch Wissen zugänglich zu
machen, das sich analytischen Methoden verschließt, hat zu einer
Neuentdeckung einer der ältesten Methoden der Kommunikation ge-
führt – dem Geschichtenerzählen.

5.10.2 Die Wirkung von Geschichten


»50 MB Daten sind genauso wenig Informa-
tion, wie 50 000 Tonnen Beton ein Wolken-
kratzer sind.«
Clifford Stoll (1996)

Damit aus Daten Informationen werden und in der Folge Wissen ent-
steht, müssen diese Daten sinnvoll strukturiert werden und an etwas
anknüpfen, was bereits bekannt ist (Frenzel, Müller und Sottong
2004: 28).
Geschichten betten die Informationen in einen Gesamtzusam-
menhang ein und sind damit einprägsamer als abstrakte Informatio-

302
nen. Gute Geschichten zeichnen sich dadurch aus, dass sie anschau-
liche Informationen liefern, dass man sie sich gut merken kann und
dass sie freiwillig weitererzählt werden (Frenzel, Müller und Sottong
2004: 27). Richard Stone beschreibt noch einen weiteren Effekt von
Geschichten: Wenn er die Teilnehmer seiner Trainings bittet, fanta-
sievolle Geschichten zu erfinden, die nichts mit der Realität zu tun ha-
ben, dann werden die Teilnehmer aufgeregt und energiegeladen,
neue Ideen und Gedanken strömen aus ihnen heraus (Stone 2004).
In der Arbeitswelt wird diese Wirkung von Geschichten häufig ver-
gessen, aber wir alle haben dennoch umfangreiche Erfahrungen mit
Geschichten. Wir wachsen als Kinder mit Geschichten auf, und wir
lieben es, im Mittelpunkt zu stehen, wenn man uns zuhört, weil wir
eine gute Geschichte zu erzählen haben. Geschichten vermitteln Sinn
und stiften Identität.
Umberto Eco schrieb 1983: »Der Mensch ist von Natur aus ein
Geschichten erzählendes Wesen.« Der Kommunikationsforscher
Fischer (Fischer 1984) beschreibt die menschliche Rasse gar als
»homo narrans«.
Im Fazit heißt dies: Wo Menschen sind, da werden auch Geschich-
ten erzählt. Obwohl die Arbeitswelt auf den ersten Blick von Zahlen,
Daten und Fakten geprägt ist, so sind Geschichten dennoch allgegen-
wärtig – auch wenn sie in die Kaffeeküche, die Kantine oder den Flur
verbannt wurden.
Zunächst ist also zu fragen, welche Arten von Geschichten in Orga-
nisationen allgemein und im Krankenhaus im Besonderen existieren.

5.10.3 Geschichtstypen in Krankenhäusern

Einen ziemlich plakativen Einblick in Geschichten rund um ein Kran-


kenhaus geben uns Serien wie »Emergency Room«, »St. Angela«, »Für
alle Fälle Stefanie«, »Alphateam«, »Medicopter«, oder »Chicago Hope«.
Natürlich sind diese Serien ärgerlich, weil sie Klischees in Form von
heldenhaften Ärzten und dienenden Krankenschwestern, gewürzt mit
»sex and crime« transportieren. Doch von diesen Serien kann man auch
einiges lernen. Folgen von »Emergency Room« werden zum Beispiel

303
bereits als Trainingseinheiten für medizinisch nicht vorgebildete Epide-
miologen und Biostatiker eingesetzt. Ebenfalls können diese Serien in
der Medizinerausbildung beim Training der Arzt-Patienten-Kommuni-
kation zum Einsatz kommen. (Igersky und Schmacke 2000: 129 ff.)
Hier soll anhand der Pilotfolge von »Chicago Hope« verdeutlicht wer-
den, welche Arten von Geschichten es in Krankenhäusern gibt und wel-
che Faktoren eine gute Geschichte ausmachen.

Pilotfolge von »Chicago Hope«


»Hochbetrieb im Chicago Hope«: Die beiden jungen Chirurgen Dr. Jeffrey Geiger und
Dr. Aaron Shutt werden zu einer Notoperation gerufen. Dort sehen sie sich gezwun-
gen, den 76-jährigen Chefchirurgen beiseite zu drängen, um das Leben des Patien-
ten zu retten. Dr. Thurmond ist seinem Beruf scheinbar nicht mehr gewachsen:
Seine Hände zittern. Wie ist dem hoch angesehenen Arzt beizubringen, dass er nicht
mehr operieren soll? Kurz darauf eröffnet Chef-OP-Schwester Camille Shutt ihrem
Mann Aaron, dass sie sich von ihm scheiden lassen will. Geschockt begibt sich Dr.
Shutt zu seinem nächsten Patienten, der einen Gehirntumor hat und mit einer neu-
artigen Methode operiert werden soll. Geiger bekommt unterdessen einen neuen
Fall: Er soll ein siamesisches Zwillingspaar trennen. Die Eltern und die verantwortli-
che Ärztin wollen beide Babys retten, was Geiger aber für unmöglich hält. Als er die
Babys jedoch sieht, lässt er sich umstimmen: Er erinnert sich an seinen eigenen, vor
nicht allzu langer Zeit verstorbenen Sohn. Also bereiten sich Geiger und Shutt auf
die schwierige Operation vor.« (Luerßen 2001)

Es geht um Patienten und deren Krankheitsverlauf, um Konflikte


zwischen Patienten und den Pflegenden, um kollegiale Beziehungen
und Konflikte zwischen Kollegen, um Vorgesetzte und deren Um-
gang mit den Mitarbeitern, um Katastrophen und natürlich um Liebe
und Tod.
Der Erfolg dieser Serien basiert auf folgenden Elementen: authen-
tischem Material (den medizinischen Fakten), universalen Existenz-
themen (Liebe und Tod) und der Aufbereitung für eine bestimmte
Zielgruppe (bestimmtes Publikum). Diese Erfolgsfaktoren machen
ganz allgemein eine gute Geschichte aus (Reinmann-Rothmeier,
Erlach und Neubauer 2000: 8 ff.).
Analysiert man Fernsehsendungen und Foren oder spricht man
mit Mitarbeitern in Krankenhäusern, können damit folgende Ge-
schichtstypen in Krankenhäusern identifiziert werden:

304
– Welche Biografie hat der Patient? Welche Vorlieben und Laster
hat er? Warum ist der Patient überhaupt hier?
– Welchen unvorhergesehenen Krankheitsverlauf gab es?
Unerwarteter positiver/negativer Verlauf der Krankheit?
– Welche Dokumentations- und Berichtspflichten gibt es?
– Was ist rechtlich erlaubt?
– Wie kann man trotz der beruflichen Belastung sein persönliches
Fort- bzw. Weiterbildungsziel erreichen?

Diese krankenhausspezifischen Aspekte werden ergänzt um Leit-


fragen, die in dieser Form in allen Organisationen vorkommen.
Insgesamt haben Martin et al. (1983: 440 f.) sieben Geschichtstypen
identifiziert, die typischerweise in Organisationen auftreten:
– Was ist zu tun, wenn eine Person der oberen Ebene einen Regel-
verstoß begeht? (Wenn z. B. der Chefarzt eine falsche Entschei-
dung trifft – wie soll ein Mitarbeiter reagieren? Wird der Chefarzt
einen Hinweis durch den Mitarbeiter akzeptieren und respektie-
ren, oder gerät der Mitarbeiter in Schwierigkeiten, wenn er dem
Chefarzt offen sagt, dass dieser einen Fehler begangen hat?)
– Ist unser Boss auch menschlich?
– Kann ein einfacher Mitarbeiter eine Führungsposition erhalten?
– Werde ich schnell gefeuert?
– Hilft die Organisation bei Umzügen und beim Arbeitswechsel?
– Wie reagiert der Boss auf Fehler?
– Wie wird in der Organisation mit Problemen/Hindernissen
umgegangen?

Dass es sich lohnt, Geschichten im Krankenhaus einzusetzen, wird


deutlich, wenn man die unterschiedlichen Einsatzfelder für das
Storytelling genauer betrachtet.

5.10.4 Einsatzfelder von Geschichten


im Krankenhausmanagement

Einsatzfelder für Geschichten entstehen dann, wenn herkömmliche,


analytische Methoden versagen. Ein typisches Beispiel ist die Er-

305
fassung und Übertragung von weichem Wissen. Hierzu gehört
beispielsweise das Wissen über die Unternehmenskultur oder das
Wissen um Abläufe (Thier 2004: 11 ff.). Die Organisation wird durch
zahlreiche versteckte Spielregeln geprägt (Scott-Morgan 1994). Man
sieht in der Regel nur die Spitze des Eisbergs, was darunter liegt
bleibt verborgen. Geschichten können helfen, diese versteckten Spiel-
regeln aufzudecken. Die Abbildung 5-42 illustriert das Phänomen des
Organisations-Eisbergs (von Eiff 2000: 27).
Geschichten haben in bestimmten Situationen einen höheren
Informationswert als direkte Fragen, da sie kein Frage-Antwort-
Schema auslösen. So führen direkte Fragen eines Vorgesetzten wie:

Abbildung 5-42: Durch die versteckten Regeln wird das Unternehmen zum
schwer berechenbaren Eisberg.

306
Abbildung 5-43: Geschichten können in zahlreichen Unternehmensbereichen
eingesetzt werden.

»Sind Sie zufrieden mit Ihrer Tätigkeit?« nur selten zu ehrlichen


Antworten. Da man »ja seinen Job nicht verlieren möchte« oder
»der Chef das ja sowieso nicht verstehen würde«, erzählt man ihm
nur die halbe Wahrheit oder eben gar nichts.
Für Führungskräfte ist es also wichtig, das Zuhören zu lernen, und
auf der anderen Seite die Mitarbeiter zum Erzählen zu bewegen.
Diese Geschichten können dann gezielt für die in Abbildung 5-43 dar-
gestellten Managementaufgaben eingesetzt werden.
Welche Prozesse können mit Geschichten gesteuert werden? Wel-
che Veränderungen können bewirkt werden? Welche Methoden kom-
men in den einzelnen Feldern zum Einsatz? Diese Fragen werden
nun für die einzelnen Felder beantwortet.

307
Die Einsatzfelder Mitarbeiterführung/Mitarbeitermotivation, Ana-
lyse und Intervention werden nicht separat dargestellt, da sie in allen
Einsatzfeldern eine Rolle spielen.

5.10.5 Geschichten und Unternehmenskultur

Unternehmenskultur ist »die Summe der Geschichten, die man sich


erzählt« (Jost 2003: 13). Die Mitarbeiter in Organisationen drücken
ihr Verständnis vom Unternehmen häufig in Geschichten aus. Owen
(1987) hat vier zentrale Geschichten in Organisationen identifiziert,
die die Unternehmenskultur prägen:
– Schöpfungsgeschichten erzählen von der Gründung des Unter-
nehmens.
– Saure Geschichten schildern Misserfolge und Niederlagen der Or-
ganisation.
– Wiederauferstehungsgeschichten erzählen, wie Krisen überwun-
den wurden.
– Transformationsgeschichten erzählen von der Veränderung der Or-
ganisationsform und von Fusionen.

Diese Geschichten prägen die Organisationskultur nachdrücklich.


Geschichten eignen sich besonders, um Werte und Normen über
Generationen hinweg zu übertragen und um neue Mitarbeiter zu
sozialisieren. Eine erfahrene Pflegekraft erzählt etwa einer neuen
Pflegekraft, was im täglichen Umgang mit Ärzten und Patienten
funktioniert und was nicht (Sole und Wilson 2005: 9).
Die Anzahl der Geschichten in einem Unternehmen wirkt sich
auch positiv auf die Einstellung der Mitarbeiter zum Unternehmen
aus. In einer Untersuchung stellte Wilkins (Wilkins 1983) fest, dass
die Bindung an ein Unternehmen umso größer ist, je mehr Ge-
schichten erzählt werden.
Mit Geschichten grenzen sich die Mitarbeiter einer Organisation
auch von anderen ab, denn man ist stolz darauf bei einem Unterneh-
men wie der Adolf Würth GmbH & Co. KG zu arbeiten, das es zum
Beispiel geschafft hat, den Dalai Lama persönlich einzuladen oder
dessen Firmengebäude von Christo verhüllt wurde. Diese Erlebnisse

308
werden zu Geschichten, die sich die Mitarbeiter über Jahre hinweg
erzählen.
Die Unternehmenskultur ist ein sehr komplexes Konstrukt und
kann durch Fakten und Zahlen nicht greifbar gemacht werden. Das
Management kann eine Soll-Kultur definieren, aber die Ist-Kultur
nur bedingt beeinflussen. Zur Entschlüsselung der inoffiziellen
Unternehmenskultur kann die Storytelling-Analyse eingesetzt wer-
den. Geschichten und Anekdoten von Mitarbeitern werden analysiert;
so wird das »Unternehmen im Kopf der Mitarbeiter« aufgedeckt
(Frenzel, Müller und Sottong 2000).
Eine Methode, um die Unternehmenskultur gezielt zu verändern,
hat David Snowden von IBM entwickelt. Snowden nennt diese Methode
Story Construction. Zunächst werden im Unternehmen gezielt Anek-
doten gesammelt. Diese werden dann neu konstruiert, sodass sie die ge-
wünschten Normen und Werte enthalten, schließlich werden sie gezielt
in Umlauf gebracht (zu den einzelnen Methoden vgl. Tabelle 5-3).

5.10.6 Wissensmanagement

Ein bekanntes Sprichwort besagt: »Aus Erfahrung wird man klug«.


Im Unternehmen machen unterschiedliche Mitarbeiter unterschied-
liche Erfahrungen. Projekte scheitern, Fusionen lösen Unruhe aus,
chirurgische Eingriffe gehen schief . . . Aber wodurch kam es zu die-
sem Erfolg oder auch zu diesem Misserfolg? Warum werden die Kin-
der auf Station 1 schneller gesund als auf Station 2, obwohl sie nicht
schwerer erkrankt sind? In den meisten Unternehmen werden Er-
fahrungen nicht systematisch genutzt: »Es ist so, wie es ist, weil es ja
auch immer schon so war.« Insbesondere bei misslungenen Projek-
ten fragt man nur ungern nach und durchdenkt noch einmal den ge-
samten Prozess. Die Lehren, die man aus diesen Erfahrungen ziehen
könnte, gehen damit verloren – und, schlimmer noch, die gleichen
Fehler werden wenig später wieder gemacht.
Art Kleiner und George Roth haben mit der Methode der »Erfah-
rungsgeschichten« einen Weg gefunden dieses Erfahrungswissen zu
nutzen und für Verbesserungen im Unternehmen einzusetzen. Mit die-

309
ser Methode wird das Wissen von Mitarbeitern über entscheidende Er-
eignisse in der Vergangenheit aus unterschiedlichen Perspektiven er-
fasst, analysiert und als Geschichte aufbereitet, sodass diese Erfahrungen
zukünftig auch von anderen Personen genutzt werden können. Diese
Methode basiert auf einem mehrstufigen Verfahren und wurde bereits
überzeugend wissenschaftlich untersucht. Die einzelnen Stufen der Me-
thode sind in Tabelle 5-3 dargestellt (Kleiner und Roth 1998).
Geschichten sind im Wissensmanagement dann besonders gut ge-
eignet, wenn es darum geht, »weiches Wissen« oder »implizites Wis-
sen« sichtbar zu machen. Dieses Wissen ist in der Regel personenge-
bunden und oft ist sich der Wissensträger selbst nicht bewusst, dass
er dieses Wissen hat. Es handelt sich häufig um Wissen über den Um-
gang mit bestimmten Personen oder über den Ablauf von Prozessen.
Mit Geschichten kann dieses Wissen zutage gefördert und dann auch
anderen Mitarbeitern im Unternehmen zugänglich gemacht werden.
Geschichten eignen sich auch für die Weitergabe von Wissen, weil
sie theoretischem Material mehr Relevanz geben und so ein Lernklima
ohne Langeweile schaffen und eine höhere Aufmerksamkeit erzielen.
Das bekannteste Anwendungsbeispiel für den Einsatz von Ge-
schichten im Wissensmanagement ist die Firma Xerox. In den 80er-
Jahren suchte Xerox systematisch nach Möglichkeiten, um die Pro-
duktivität der technischen Servicemitarbeiter zu steigern. Ein Anthro-
pologe reiste daraufhin mit einer Gruppe von Technikern zu den
Kunden. Er stellte fest, dass die Techniker sich in ihren Gesprächen
untereinander immer wieder Geschichten rund um die Reparatur von
Kopiergeräten erzählten. In diesen Gesprächen ging es um besonders
knifflige Fehler und wie man diese diagnostiziert und beseitigt hat.
Das Management von Xerox setzt diese Leidenschaft, Geschichten zu
erzählen, gezielt ein, um technisches Detailwissen zu verbreiten
(Frenzel, Müller und Sottong 2004: 19 ff.).
Im Krankenhaus gibt es zahlreiche Schnittstellen, an denen Wis-
sen verloren gehen kann. Eine optimale Behandlung ist nur dann
möglich, wenn die Informationen auch an Schnittstellen korrekt
weitergegeben werden und wenn die unterschiedlichen Spezialisten
miteinander kommunizieren. Man stelle sich vor, dass die Kommu-
nikation zwischen Pflegekräften und Ärzten in einem Haus schlecht

310
ist. Die Schwester erzählt dem Arzt nicht, was der Patient ihr heute so
nebenbei über seine Ernährungsgewohnheiten erzählt hat. Dem Arzt
fehlt damit eine wesentliche Information über den Krankheitsfall.
Dass dies kein Einzelfall ist, sondern eher die Regel, zeigt die CKM-
Studie »Führung und Motivation im Krankenhaus«: 80 Prozent der
Ärzte, 61 Prozent der Pflegekräfte und 55 Prozent der leitenden Ver-
waltungsmitarbeiter erachteten die »mangelhafte Kommunikation
zwischen den Berufsgruppen« als primäres und deutlich signifikan-
tes Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsrisiko (von Eiff 2000). Wenn in
einem Krankenhaus die Kultur des Erzählens gefördert wird, können
solche Informationsverluste signifikant reduziert werden.
Ein Beispiel für Storytelling im Wissensmanagement sind die im
Rahmen des Netzwerkes »Relationship-Centered Care« veröffentlich-
ten Kurzgeschichten zur beziehungsorientierten Pflege. Das Fetzer
Institut hat im Jahr 2000 rund 200 Praktiker aus dem Gesundheits-
wesen befragt, die sich für beziehungsorientierte Pflege interessieren.
In abwechslungsreichen Kurzgeschichten erfährt der Leser, welche
Rolle die Empathie des medizinischen Personals beim Heilungspro-
zess spielen kann. Diese Kurzgeschichten transportieren das Wissen
von Einzelfällen und ermöglichen damit Ärzten und Schwestern den
Zugang zu sonst explizitem Wissen der Personen, die tatsächlich in
diese Fälle involviert waren (Fetzer 2000).

5.10.7 Markenführung

Ein ganz besonderes Beispiel für die Markenführung mittels


Geschichten ist der Mythos um die Marke VW-Käfer. Rund um den
Slogan: »Und läuft und läuft und läuft« erzählt das Unternehmen
zahlreiche Geschichten von der Unverwüstlichkeit und Zuverlässig-
keit dieses Autos und macht es damit zum Mythos. So erzählt man
sich von Damenstrümpfen, die man angeblich anstelle des gerisse-
nen Keilriemens verwenden kann. Ihren Höhepunkt erreichen diese
Geschichten in Filmen wie »Ein toller Käfer«, der von Walt Disney
produziert und mit dem dem VW-Käfer ein Denkmal gesetzt wurde
(Frenzel, Müller und Sottong 2004: 135 ff.).

311
Geschichten rund um Krankheit und Gesundheit haben die Men-
schen schon immer fasziniert. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein neuer
Artikel über dramatische Krankheitsfälle oder hilfreiche Gesund-
heitstipps publiziert wird. Krankenhäuser können daher Geschichten ge-
zielt einsetzen, um die Krankenhausmarke zu etablieren und zu stärken.
Ein Beispiel ist der Presseartikel über das Universitätsklinikum Dres-
den in der Bild-Dresden. Hier heißt es: Prof. Dr. Manfred Gahr (57), Di-
rektor der Kinderklinik: Bei ihm lernen Isabell und Rian wieder lachen.
Ein negatives Beispiel für die Auswirkung von Geschichten auf die
Marke ist die Geschichte um das Krankenhaus im bayerischen Sont-
hofen. Hier heißt es in der Überschrift: »Todes-Pfleger hatte Gift für
noch mehr Opfer (Bild.T-Online.de 31.07.2004)«. Wer möchte sich in
diesem Krankenhaus noch behandeln lassen? Geschichten können
also auch zu einem beträchtlichen Imageschaden führen.

5.10.8 Einsatz von Geschichten im Change Management

»Ein Unternehmen zu verändern heißt letztlich nichts anderes, als


seine Geschichte für die Zukunft neu zu schreiben« (Frenzel, Müller
und Sottong 2004: 17). Eine Veränderung ist auch immer ein Aben-
teuer, dessen Ausgang ungewiss ist. Abenteuergeschichten von »König
Arthus« über »Odysseus« bis zu »Die Akte« üben seit Menschenge-
denken eine unglaubliche Faszination aus. Campbell (1999) identi-
fizierte hier einen so genannten Monomythos: Einer zieht aus, um den
Schatz zu finden oder die Welt zu retten. Er besteht unzählige Aben-
teuer und kehrt schließlich als Held zurück und lebt glücklich bis an
sein Lebensende (Frenzel, Müller und Sottong 2004: 254 ff.).
Frenzel et al. empfehlen, das Modell der Abenteuerreise im Change
Management analog einzusetzen und die Mitarbeiter so zu Beteiligten
und zu Helden zu machen. Man schreibt ein Drehbuch der Verände-
rungen und macht so auch die Veränderungsprozesse transparent.
Ein Hauptgrund für die schlechte Stimmung bei Veränderungen ist
das fehlende Orientierungswissen. Insbesondere bei gravierenden
Veränderungen gilt es, die Mitarbeiter rechtzeitig und umfassend zu
informieren. Haben die Mitarbeiter das Gefühl, dass sie schlecht

312
informiert sind, konzentrieren sie sich auf den Flurfunk und die
Erörterung von Gerüchten. Demotivation und Skepsis sind die Folgen.
Das Management hat dann die Chance verpasst, die Mitarbeiter zu mo-
tivieren und die Geschichte des Unternehmens neu zu schreiben.
Führungskräfte können an dieser Stelle Geschichten einsetzen, um
Visionen und Sinnzusammenhänge überzeugend zu kommunizieren.
Ebenfalls bewährt haben sich Geschichten beim Aufbau von Ver-
trauen. Mittels Geschichten kann ein besseres Verständnis zwischen
zwei Gruppen geschaffen werden. So bietet sich der Einsatz von Ge-
schichten an, um bei einer Fusion von Krankenhäusern die Kultur des
jeweiligen anderen Hauses zu verstehen und Vertrauen zwischen den
Mitarbeitern der Häuser zu etablieren (Sole und Wilson 2005: 3 ff).
Viele Prozesse, Rituale und auch das eigene Handeln sind gut ge-
lernt und fest verankert im Bewusstsein, oftmals so fest, dass sie nicht
mehr reflektiert werden. Geschichten können helfen, sich dieser
unterbewussten Prozesse wieder bewusst zu werden und sie dann
auch zu verlernen. Eine andere Methode, die im Change Manage-
ment eingesetzt werden kann, ist die Methode des »Appreciative In-
quiry«. Hier geht es darum zu fragen: Was läuft gut im Unterneh-
men? Auf Basis der identifizierten Stärken werden positive Bilder und
Geschichten für die Zukunft entworfen. Ziel der Methode ist es,
vorhandene Stärken weiter auszubauen.

5.10.9 Die Rolle von Geschichten im Heilungsprozess

Im Krankenhaus ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Ärzte und


Pflegende über das »Knie in Zimmer 417« oder die »Hüfte in 512«
unterhalten. Diese Ausdrucksweise kann auf das Selbstverständnis
der modernen Medizin zurückgeführt werden. Der Körper wird – im
übertragenen Sinne – als Maschine verstanden. Die Aufgabe der
Medizin ist es, den Defekt zu finden und kaputte Teile zu ersetzen
oder zu reparieren. Die Geschichten des Patienten über sein Leben,
über seine Gefühle und über seine Krankheit werden als belanglos für
den Heilungsprozess eingestuft (Stone 2004).
Dass dem nicht so ist, zeigen die Geschichten, die im Rahmen der
Studie des Fetzer Institutes publiziert wurden. Hier erzählt z. B. eine

313
Patientin, die nach einem schweren Autounfall durch Verbrennungen
stark entstellt ist, wie wichtig ihr das Gefühl war, dass ihr Arzt ihren
Fall ernst nimmt. Hierzu gehörten auch Rituale wie die Anwesenheit
des behandelnden Arztes, bevor der Anästhesist die Narkose für eine
der zahlreichen plastischen Operationen gab.
In einer anderen Geschichte schildert eine Schwester, wie es ihr
gelang, mit einem Lied ein Lächeln auf das Gesicht einer mürrischen
und unkooperativen Alzheimer-Patientin zu zaubern und ihr Ver-
halten nachhaltig zu verändern (Fetzer 2000).
Was haben Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten mit Journalisten
gemeinsam? Der Kern der Arbeit dreht sich um Geschichten. 75 Pro-
zent aller Behandlungsfehler können auf Kommunikationsprobleme
zurückgeführt werden. Ein Arzt muss die wahre Geschichte seines
Patienten kennen, um ihn heilen zu können. Insbesondere sollte ein
Arzt das Zuhören lernen (Soden 2004). In seiner Rede an die Absol-
venten der »Mercer University School of Medicine« gibt NBC Medical
Correspondent Dr. Kevin Soden den Rat: »You have two ears and one
mouth – Use them in proportion«.
Auch das Erzählen von Geschichten kann Menschen auf dem Weg
der Heilung begleiten, weil sie einen neuen Blick auf die persönliche
Krankheitsgeschichte werfen. Der Körper unterscheidet nicht immer
zwischen realen und eingebildeten Ereignissen. Geschichten können
die Art und Weise verändern, wie jemand sein Schicksal wahrnimmt.
Mittels Geschichten kann dem Patienten suggeriert werden, dass er
mehr Verantwortung für sich selbst übernimmt, dass er ein Problem
nicht zu groß werden lässt, bevor er handelt, und dass er einem Prob-
lem ins Auge sehen muss, um es zu bekämpfen.

5.10.10 Methoden des Storytelling im Überblick

In der folgenden Tabelle werden die Methoden des Storytelling dar-


gestellt. Viele dieser Methoden entstanden durch die Arbeit von Bera-
tern und sind wissenschaftlich nicht überprüft. Eine Ausnahme stellt
die Methode der Erfahrungsgeschichten nach Kleiner und Roth
(1998) dar.

314
Management des intuitiven Wissens (Weidmann 1999: 2 ff.).
Intuitives Wissen ist selbst dem Wissensträger nicht bewusst; er kann es nicht in
Worte fassen. Intuitives Wissen wird automatisch in Alltagssituationen an-
gewendet. Fragt man eine erfahrene Pflegekraft »Und wie haben Sie gemerkt, dass
der Patient genau jetzt Ihre Hilfe braucht?«, dann hört man vielleicht
»Das hatte ich im Gefühl« – aber analytisch herleiten oder anderen Pflegekräften
dieses Wissen zugänglich machen kann sie nicht.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• intuitives Verhalten und Handeln • Anlass für ein Interview ist in der Re-
dem Wissensträger bewusst und gel eine aktuelle Herausforderung, für
zugänglich machen die der Interviewpartner neue Ideen
• erfolgreiche Handlungsstrategien braucht.
auf andere Mitarbeiter übertragen • halb strukturiertes Erfolgsinterview
• Inspirationsprozesse einleiten mit Einzelpersonen oder in kleinen
Gruppen
• Es wird ausschließlich über das Han-
deln gesprochen.
• gemeinsame Suche nach erfolgreichen
Handlungselementen in einer ähnlichen
Situation
• Aktivitäten und Grundhaltungen werden
in einer Mind-Map festgehalten, die sys-
tematische Verflechtungen darstellt.
• Erfolgsgeschichten werden entwickelt
und zu verschiedenen Anlässen verteilt.
• Geschichten sind kein Lehrmaterial im
klassischen Sinne, sondern sie sollen
Inspirationsprozesse einleiten. Beim Le-
sen entwickeln sich neue Ideen für ei-
gene Projekte.
Appreciate Inquiry (AI) (Cooperrider und Srivastva 1987)
Die Methode basiert auf der Annahme, dass alles, von dem man mehr haben
möchte, bereits in der Organisation existiert. Diese positiven Faktoren müssen nur
verstärkt und genutzt werden.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Mitarbeiter für neue Strategien • üblicherweise wird das 4-D-Modell
gewinnen verwendet.
• kulturelle Veränderungen einleiten – Discover: Mittels strukturierter Inter-
und begleiten views wird versucht herauszufinden,
• bevorstehende finanzielle Eng- was in der Organisation besonders
pässe kommunizieren gut funktioniert.

315
• Schwierigkeiten in Teams/Arbeits- – Dream: Diese Phase wird häufig
gruppen bewältigen bei Großgruppenkonferenzen durch-
• Enttäuschung aus der Vergangen- geführt. Die Beteiligten werden
heit überwinden animiert, sich die Organisation so
• dysfunktionale Verhaltensweise vorzustellen, als wären die in der
in Abteilungen/Gruppen korrigieren Discover-Phase entdeckten Momen-
te die Normalität und nicht die Aus-
nahme.
– Design: ein kleines Team soll nun
Wege entwerfen, wie man die in der
Dream-Phase erträumte Unterneh-
menskultur nun entwickeln kann.
– Deliver: Die Veränderungen werden
implementiert.
• Mitarbeiter werden angehalten, ihre
Kollegen nach den besten Geschichten
zu befragen.
• Geschichten werden als eine Art
Märchen präsentiert.
Messung nach innen gerichteter Flexibilität (entwickelt von der Unter-
nehmensberatung planlogos, zitiert nach Rughase 2001).
Häufig scheitern Veränderungen im Unternehmen daran, dass die Mitarbeiter und
Führungskräfte nicht flexibel genug sind. Mit dieser Methode soll die Ver-
änderungsbereitschaft der Mitarbeiter gemessen werden. Die Führungskräfte kön-
nen dann gezielt eingreifen, um die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter zu
fördern.
Anwendungsfelder und Ziele • Vorgehensweise
• Muster des kulturellen Wissens Es handelt sich um eine Methode der
ermitteln kognitiven Ethnologie und basiert
• nach innen gerichtete Flexibilität damit auf sprachlichen Äußerungen,
beschreiben: Wie flexibel sind die aus denen Rückschlüsse auf das
Mitarbeiter und Führungskräfte der zugrunde liegende Wissens- und
Organisation tatsächlich? Überzeugungssystem gezogen werden.

• Es werden 15 bis 25 ethnografische Tie-


feninterviews (ohne Gesprächsleitfaden)
geführt.
• Mitarbeiter erzählen Geschichte von
Veränderungsprozessen; der Fokus liegt
bei den Interviews auf der Frage: Wie
haben Sie diesen Prozess erlebt?
• Dauer 45 bis 90 Minuten
• Interviews werden durch eine systema-
tische, gerichtete Inhaltsanalyse ausge-
wertet.

316
• Geschichten werden in einzelne Ele-
mente zerlegt. Diese Elemente werden
in Beziehung zueinander gebracht, so-
dass ein Netzwerk von Geschichten für
jeden einzelnen Interviewten entsteht.
• Diese Netzwerke werden untereinander
verglichen.
• Im Endergebnis entsteht eine kognitive
Landkarte des Unternehmens.
Storytelling-Analyse: Entschlüsselung der inoffiziellen Unternehmenskultur
(entwickelt von: System + Kommunikation, nach Frenzel, Müller
und Sottong 2000)
Mit dieser Methode soll das »Unternehmen im Kopf der Mitarbeiter« aufgedeckt
werden. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie sehen die Mitarbeiter das Unterneh-
men tatsächlich?
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• »Unternehmen im Kopf der Mit- • Zu erreichendes Ziel im Unternehmen
arbeiter« aufdecken wird festgelegt.
• Abweichung zwischen Soll-Kultur • Einzelgespräche: Dauer ca. eine Stunde
und Ist-Kultur aufdecken • Teilnehmern wird Anonymität zugesi-
chert.
• Mitarbeiter erzählt Arbeitsbiografie
• 10 bis 50 Gespräche (aus allen Hierar-
chie- und Tätigkeitsfeldern).
• Analysemethode: Struktur-Analytische-
Interpretation (SAI).
»Springboard stories« (Denning 2001)
»Springboard stories« lösen einen mentalen Sprung aus und sollen so zu einem
besseren Verständnis von Veränderungsprozessen beitragen.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Eine »Springboard story« löst Kriterien für Springboard Stories
beim Zuhören eine eigene implizit • basiert auf einem aktuellen Ereignis
vorhandene Geschichte aus. • relativ kurz, verständlich, interessant,
Happy End

• Menschen für den Wandel • live erzählte Geschichten, da


begeistern wirkungsvoller
• Verständnis für Veränderungen • enthält implizite Message für
erzeugen Veränderung
• ermöglicht Identifikation: immer mit
einem Hauptdarsteller
• ohne schmückendes Beiwerk

317
»Story construction« (Snowden 2001)
Mit dieser Methode werden Geschichten konstruiert, die von gewünschten Regeln
und Normen erzählen und so eine Veränderung der Unternehmenskultur bewirken
sollen.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Veränderung der Unternehmens- • Reale Geschichten und Anekdoten
kultur aus dem Alltag eines Unternehmens
• reale Werte und Normen identifi- werden gesammelt und in kleinst-
zieren mögliche Komponenten zerlegt
und verwahrt.
• Unerwünschte Unterschiede zwischen
Soll- und Ist-Kultur werden identifiziert.
• Es werden Geschichten konstruiert, die
die gewünschten Werte und Regeln ent-
halten.
• Diese konstruierten Geschichten wer-
den gezielt in Umlauf gebracht.
Storytelling zur Übertragung stillen Wissens
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Stilles Wissen soll aufgedeckt und • eintägige dynamisch gestaltete Work-
weitergegeben werden. shops
• Teilnehmer sollen Anekdoten, lustige
Begebenheiten, Erfahrungen und Beob-
achtungen erzählen.
• Geschulte Beobachter haben die Auf-
gabe, Entscheidungen, Bewertungen
und gelöste oder ungelöste Probleme zu
identifizieren und zu einem Ablaufmodell
zu gruppieren.
Learning History (Erfahrungsgeschichten) (Kleiner und Roth 1998)
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Bildung von Vertrauen Das Vorgehen bei dieser Methode
• Sozialisation und Festigung des kann in sieben Schritte unterteilt
Zugehörigkeitsgefühls werden:
• Themen aufgreifen, die sonst nicht Planen (»planning«)
angesprochen werden. • Methodeneinsatz in der Organisation
abstecken
• Bewahrung und Transport von • Es wird ein Team von Erfahrungs-
Organisationskultur historikern gebildet.
• Erschließung der inoffiziellen • Suche nach »noticable results«
Unternehmenskultur (zentralen Ereignissen und Projekten)

318
• Wissenstransfer • Klärung von Vertrags- und Budget-
• Vermittlung und Speicherung fragen
von Wissen Interviewen
• Grundstock an übertragbarem • Interviews (ohne Leitfaden)
Wissen generieren mit 50 bis 200 Personen
• Change-Prozesse einleiten und (unterschiedliche Hierarchien)
unterstützen Auswerten
• Transkription der Interviews
• Erfahrungshistoriker suchen nach
bedeutenden Themen/Zitaten etc.
Erstellen (»writing«)
• Anlehnung an das anthropologische
Konzept des »jointly told tale«
Validieren
• Abstimmung der Geschichte mit allen
Beteiligten
Verbreiten
• Alle Bereiche in der Organisation wer-
den in einem Workshop mit dem Doku-
ment vertraut gemacht.
Veröffentlichen
• Erfahrungsgeschichten, die auf andere
Organisationen übertragen werden kön-
nen, sollten publiziert werden.
Geschichtenmanagement (Schütt 2003)
Natürlich vorkommende Geschichten in Unternehmen werden aufgespürt und ge-
sammelt. So entsteht ein Spiegelbild der Organisationskultur.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Geschichten sind Quellen, um • Man kann sich wie ein
etwas über heimliche Regeln oder »Schatzsucher« auf die Suche nach
implizite Wertvorstellungen zu Geschichten begeben (Personen
erfahren. direkt ansprechen, Beobachtung
in Kantine oder Kaffeeecke).
• Alternativ: Workshops durchführen
Harun-al-Raschid-Prinzip (Frenzel, Müller und Sottong, 2004)
Dies ist keine echte Methode, sondern eher eine Grundhaltung, die man einnehmen
sollte, wenn man aus den Geschichten im Unternehmen lernen möchte.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Wissen im Unternehmen zugäng- • Unerhörtes hört man nur, wenn man
lich machen. sich zurücknimmt.
• Unerhörtes hört man nur, wenn man
offen ist für das, was kommt.
• Das ganze Bild entsteht aus vielen klei-
nen Details.
• Man muss nicht weise sein, um zuzuhören.
Aber man wird weise, wenn man es tut.

319
Abenteuergeschichten im Change Management
(Frenzel, Müller und Sottong, 2004)
Bei dieser Methode wird ein Drehbuch des Veränderungsprozesses geschrieben.
Als Vorbild dienen Erfolgsmuster von Abenteuergeschichten.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Veränderungsprozesse gestalten • Drehbuch des Wandels wird geschrie-
ben
• je nach Bedarf im Stil einer Abenteuer-
oder Liebesgeschichte, eines Krimis, ei-
ner fantastischen Geschichte
• Im ersten Schritt wird der Status quo
beschrieben: Welcher Zustand soll ver-
ändert werden?
• Die »change story« sollte folgende
Punkte enthalten: Ruf des Abenteuers,
Weigerung, Begegnung mit Helfern,
Übertreten der ersten Schwelle, Weg
der Prüfungen, die entscheidende
Prüfung, Belohnung, der Weg zurück in
die Normalität
• Realität und Drehbuch sollten immer
wieder abgeglichen werden.

Tabelle 5-3: Methoden des Storytelling: Ziele, Anwendungsfelder, Vorgehensweise


(in Anlehnung an Thier 2005).

5.10.11 Grenzen des Storytelling

Damit die Methode des Storytellings Erfolg hat, kommt es darauf an, dass
die richtige Geschichte zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort erzählt
wird. Eine Geschichte, die bei einem gewissen Publikum zu einem be-
stimmten Zeitpunkt wirkt, kann bei einer anderen Zielgruppe oder zu ei-
nem anderen Zeitpunkt völlig wirkungslos sein. Allgemein gültige Regeln
oder Patentrezepte für die Gestaltung von Geschichten gibt es nicht.
Wohl finden sich in der Literatur Hinweise auf Kriterien, die die Wir-
kung von Geschichten beeinträchtigen können. Diese werden nun
kurz dargestellt:
– Wenn Geschichten zu lebhaft und ausgeschmückt erzählt werden,
entführen sie den Leser zu stark in eine andere Welt, sodass der Le-
ser Schwierigkeiten bekommt, das Gesagte auf seinen Alltag zu
übertragen.

320
– Für jede Geschichte wird eine Erzählperspektive gewählt. Hier be-
steht die Gefahr, dass der Zuhörer keine Parallelen zu seinen per-
sönlichen Erfahrungen herstellen kann, sodass die Geschichte
ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Um dieses
Problem zu umgehen, werden bei der Methode von Kleiner und
Roth Zitate von unterschiedlichen Mitgliedern der Organisation
eingefügt. Die Erzählperspektive wird dadurch um verschiedene
Meinungen bereichert.
– Geschichten sind Momentaufnahmen. Insbesondere in schrift-
licher Form stellen sie die Situation zu einem bestimmten Zeit-
punkt dar. Dies wird insbesondere dann problematisch, wenn sich
das Umfeld, in dem die Geschichte präsentiert wird, sehr dyna-
misch entwickelt.

Storytelling sollte als Ergänzung zu anderen Methoden verstanden


werden.
So lassen sich beispielsweise manche Formen des Wissens über-
haupt nicht oder nur sehr schwer über Geschichten transportieren.
Ein Beispiel hierfür ist Wissen, das auf Regeln basiert wie die DRG-
Codierung oder die Steuerrichtlinien. Auch ein Chirurg lernt am
Besten durch Übung und durch die Beobachtung eines erfahrenen
Chirurgen und nicht über Geschichten, die man ihm über Operatio-
nen erzählt, auch wenn diese Geschichten sein Wissen bereichern
(Sole und Wilson 2005: 6 ff.).

5.10.12 Fazit

Storytelling hilft dem Management, den Zugang zu den Dingen zu


finden, die im Verborgenen und im Argen liegen.
Ein Management, dem es gelingt, harte Zahlen und Fakten und
analytisches Vorgehen mit den Methoden des Storytelling zu verbin-
den, wird sicherlich ganz neue Erfolge verbuchen können. Auf der an-
deren Seite ist Storytelling ein Plädoyer zum Zuhören und wider die
Sprachlosigkeit, denn viele Dinge werden im Grunde gesagt. Das
Wissen ist vorhanden, man muss nur zuhören, um zu erfahren, wo
das eigentliche Problem liegt.

321
6. Auf der Suche nach Spitzenleistungen:
Wie man von Best Practices lernen
kann

In diesem Kaptitel stellen wir Ihnen Best Practices aus der Unterneh-
menspraxis zum Thema Unternehmenskultur vor.
Voraussetzung, um sich solchen Beispielen aus anderen Kranken-
häusern oder gar aus anderen Branchen zu öffnen, ist eine Bench-
marking-Kultur.
– Kapitel 6.1 zeigt, welche Faktoren eine Benchmarking-Kultur kenn-
zeichnen und welche Arten des Benchmarkings unterschieden
werden können.
– Das Kameda-Krankenhaus zeichnet sich durch eine hohe Kunden-
orientierung aus. Wie ein Krankenhaus den Wandel des Gesund-
heitssystems aktiv unterstützen kann, zeigt Kapitel 6.2.
– Welche Rolle die Unternehmenskultur bei der Reorganisation
spielt, zeigt das Beispiel der Vivantes-Netzwerk für Gesundheit
GmbH in Kapitel 6.3.
– Wie ein Leitbild entsteht und wie das Leitbild das Leistungsangebot
beeinflusst, wird in Kapitel 6.4 am Beispiel des Landes-Zentral-
krankenhauses Krems demonstriert.
– In Kapitel 6.5 wird die Funktionsweise des Ideenmanagements im
Universitätsklinikum Münster aufgezeigt. Das Übersetzungsheft,

323
das von Anita Cronjaeger entwickelt wurde, hat diesen Ideenwett-
bewerb gewonnen. Wie eine solche prämierte Idee aussieht, zeigt
Kapitel 6.6.
– Kunst als Element, um die Krankenhauskultur zu gestalten – die-
sem Thema widmet sich Kapitel 6.7 am Beispiel der Universitäts-
klinik Münster.
– Eine ganz besondere Unternehmenskultur zeichnet das Istituo
Europeo die Oncologia aus. Dieses Krankenhaus wird in Kapitel 6.8
vorgestellt.
– Wie das Leitbild bei der St. Franziskus-Stiftung umgesetzt wurde,
zeigt das Kapitel 6.9.

6.1 Die Benchmarking-Kultur: Best-in-class-Leistungen als


Innovationsmotor und nicht als Kopieren von Patent-
rezepten

Wilfried von Eiff

– Eine Best Practice nennt man solche vorzugswürdigen unterneh-


merischen Leistungen, durch die Qualität (Struktur-, Prozess-, So-
zial-, Ergebnisqualität) erhöht wird, Kosten gesenkt werden und
Kundenorientierung innerhalb und außerhalb des Krankenhauses
ausgeprägter bzw. deutlicher erlebbar wird.
– Best Practices sind punktuelle Innovationsleistungen mit einem in
der Praxis bewährten Resultat, durch das die Wertschöpfung hin-
sichtlich des Kunden einer Organisation gesteigert wird.
– Best Practices sind im Wesentlichen organisatorische Innovatio-
nen, die dazu beitragen, das eigentliche Kerngeschäft (Patienten-
versorgung, Versorgungsauftrag) noch zielführender und kosten-
günstiger zu erbringen bzw. das Kerngeschäft von artfremden
Kostenbelastungen (Umlagen) zu entlasten sowie von nicht wert-
schöpfenden Eingriffen Dritter freizuhalten.
– Best Practices sind eine ungewöhnliche, aber in ihrer Einfachheit
bestechende Problemlösungsidee und ein konsequentes Realisie-
rungsmanagement.

324
– Best Practices können einerseits einfache, aufwandsminimale
Verbesserungen von Details im Tagesgeschäft sein, andererseits
repräsentieren Best Practices auch ganzheitliche Konzepte, die ein
völlig neues Denken und Handeln voraussetzen (Quantensprung).

Die gezielte Suche nach Best Practices und deren konsequente Über-
tragung ist das Kennzeichen von Krankenhäusern mit einer offenen
Netzwerkkommunikation sowie einer konstruktiven Fehlerkultur.
Der Nutzen aus der Übertragung einer Best Practice bleibt solchen
Krankenhäusern verschlossen, deren Mitarbeiter grundsätzlich der
Meinung sind, sie würden bereits alles bestens erledigen, oder die
behaupten, eine gezeigte Best Practice »dem Grund nach bereits
seit Jahren« zu praktizieren. Die Übertragung von Bestleistungen ist
auch dort zum Scheitern verurteilt, wo man mit einem lapidaren:
»Das kann in der Praxis nicht funktionieren, das ist doch Theorie«,
um jeden Preis bestrebt ist, den Status quo aufrechtzuerhalten.
Best Practices können Skeptiker und Ängstliche überzeugen, neue
Wege zu beschreiten. Das Risiko organisatorischer und kultureller
Veränderungen wird durch Best Practices kalkulierbar. Bestleistun-
gen geben nämlich nicht nur Hinweise auf praxiserprobte Lösungen,
sondern sie vermitteln Informationen über Management- und Orga-
nisationsfehler während des Realisierungsprozesses, die man selbst
vermeiden kann.
Das Jahr 1993 war für den Vorstandsvorsitzenden von Eastman
Kodak kein gutes Jahr: Er wurde seines Postens enthoben mit der
Begründung, er habe versäumt, durch rechtzeitige und konsequente
Einführung von Benchmarking die auf Innovation, Wirtschaftlichkeit
und Kundenorientierung ausgerichtete Unternehmensentwicklung
abzusichern.
Benchmarking hat als universelle Allzweckwaffe des »modernen«
Managers eine neue Euphoriewelle industrieller Managementmetho-
den im Gesundheitswesen ausgelöst: Das Benchmarking-Fieber hat
ratlose Krankenhausverwalter wieder einmal auf die Suche nach dem
Patentrezept geschickt, um kurzfristig aus der Krise gelotst zu wer-
den. »Von anderen zu lernen« – ist das nicht eine zu einfache Patent-
formel? Heißt das nicht, andere, die bereits heute besser sind, zu

325
kopieren? Heißt das nicht auch, den Leistungsstand, den andere
heute schon haben, erst mit zeitlicher Verzögerung zu erreichen?
Und: Wenn jeder den anderen nachahmt, ist dann nicht »gleichzeitig
Gleichheit« die Folge? Ist nicht eher das ständige Streben nach dem
»Anderssein-als-andere« ein angemessenes Credo des Erfolges im auf
einen Verdrängungswettbewerb ausgelegten Krankenhausmarkt der
Zukunft?
Und überhaupt: Welche Veranlassung hat ein Best-in-class-Kran-
kenhaus, seine guten Ideen anderen mitzuteilen, damit diese dann
ohne großen Aufwand an Innovationskraft und Überzeugungsarbeit
gegenüber den Mitarbeitern gleichziehen können? Wer ist schon so
schizophren und zerstört seinen eigenen Vorsprung und erniedrigt
seine eigene innovative Idee, sein beispielgebendes kundenorientier-
tes Engagement zum »normalen Klassenanspruch«, weil alle anderen
Mitbewerber gleichziehen? Das Elend von Benchmarking besteht in
der amateurhaften Anwendung dieses sensiblen Instruments: Wenn
der todsichere Börsentipp in jeder Yellow-Press-Zeitung nachzulesen
ist, können Sie sicher sein: Für einen Gewinn bringenden Einstieg ist
es zu spät.
Leistungs-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsvergleiche haben in
der Betriebswirtschaftslehre und in der praktischen Unternehmens-
führung ihren Stellenwert als Führungsinstrument behalten, trotz
aller Probleme bezüglich Datenvalidität, eingeschränkter Vergleich-
barkeit, Aggregationsgrad und Informationsverlust bei Kennzahlen.
Derartige Vergleiche sind im Hinblick auf ihren Zweck, ihre Adres-
satengruppe (Vorstände, Behörden, Öffentlichkeit, Kunden) und be-
züglich ihrer Methodik unterschiedlich ausgelegt.
– Der klassische Betriebsvergleich ist ein brancheninterner Vergleich
von Unternehmen oder Unternehmensteilen mit dem Ziel, die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beurteilen und die Grund-
lagen des Unternehmenserfolges herauszufinden (Erfolgsfaktoren).
Beurteilungsgrundlage bilden aggregierte Vergleichsgrößen mit
Kennzahlencharakter; betrachtet werden Resultate, die für die
Geschäftstätigkeit sowie für den Erfolg charakteristisch (also bran-
chentypisch) sind: Marktanteil, Gewinn vor Steuern, Gewährleis-
tungskosten, Lagerumschlag u. Ä. in Industrieunternehmen; Ver-

326
weildauer, Belegungsgrad, ambulante Operationen, Schnitt-Naht-
Zeiten im Krankenhaus.
– In der Form des Wettbewerbsvergleichs zielt der Betriebsvergleich
auf die Ermittlung der momentanen Kosten-, Produkt- und Ser-
vicelücke im Verhältnis zum besten Wettbewerber. Auch diese Ver-
gleichsform basiert in der Regel auf Resultatskennzahlen.
– Das »reverse engineering« ist ein von japanischen Automobil-
herstellern entwickeltes Konzept des Wettbewerbsvergleichs, das am
Resultat »erzielbarer Marktpreis für ein Produkt mit kundengerech-
ter Funktionalität« ansetzt, dann aber zu einem Re-Engineering des
Produktentwicklungsprozesses führt. Es wird insbesondere nach
den Methoden der Wertanalyse und der Wertgestaltung festgestellt,
aus welchen Gründen (Ablauforganisation, Kostenstruktur, Kon-
struktionsart, Fertigungsart) der Best-in-class-Wettbewerber in der
Lage ist, ein Qualitätsprodukt zu konkurrenzlos niedrigen Preisen
anzubieten und wie hoch die erlaubten Kosten sein dürfen (»target
costing«).

Damit löst sich das »reverse engineering« methodisch vom reinen Re-
sultatsvergleich und bezieht den Prozessvergleich als Analyseobjekt
mit ein. Ausgangspunkt des »reverse engineering« ist das so genann-
te »Schlachten« des Produkts: Das Produkt (z. B. ein Auto) wird sys-
tematisch zerlegt, um ingenieurtechnisch zu identifizieren, welche
Komponenten, Werkstoffe und Montageprinzipien dieses Produkt
charakterisieren. Dann erfolgt der Rückschluss auf Montageart und
Konstruktionsprinzip. Im Gesundheitswesen ist dieser »market-into-
company«-Ansatz in Form von prozessorientierten Entgeltformen
(Fallpauschalen, Sonderentgelte) etabliert worden.
– »Generisches Benchmarking« sucht branchenübergreifend nach
Best-Practice-Ideen und transferiert sie innovativ auf das eigene
Unternehmen; das Minibar-System in einem Hotel in Dublin wird
zum Ideengeber für ein Schranksystem zur Versorgung einer Sta-
tion mit Medikalprodukten in einem Krankenhaus; die kundenge-
rechte Standardisierung eines Mercedes-Unimog dient als Vorlage
zur Krankenhauslogistikorganisation auf der Basis von eingriffs-
gerechten Sets.

327
Methodisch greift Benchmarking auf eine Reihe von Prüfhypothesen
zurück:
– Die Minimum-These erhebt das absolute Zeitlimit für einen
bestimmten Prozesstyp zur Vergleichsnorm.
– Die Eisberg-These unterstellt, dass die Ursache eines Problems in
einem anderen Verantwortungsbereich bzw. in einem vorgelager-
ten Prozessabschnitt zu suchen ist.
– Die Ziele-Disharmonie-These geht von der Vereinbarkeit gegen-
sätzlicher Ziele aus. Der Toyota-Ansatz gilt als prominentes Bei-
spiel: die doppelte Produktion, in der Hälfte der Zeit, mit einem
Zehntel der Fehler, auf der Hälfte der Fläche.

Aus den Erfahrungen mit Benchmarking in der industriellen Praxis


zeichnen sich sechs wesentliche Erkenntnisse ab, die für die Aussa-
gefähigkeit und den faktischen Erfolg von Betriebsvergleichen im
Sinne von Benchmarking zentrale Bedeutung haben:
– die Prozessorientierung des Vergleichs,
– die organisationskulturellen Erfolgsvoraussetzungen,
– die Methode (Vorgehensweise zur Identifikation, Adaption und
Einführung von Best Practices),
– die Innovations- und Kreativitätsorientierung (fremde Ideen weiter-
entwickeln, nicht kopieren),
– die Re-Engineering-Orientierung (das systematische »Brechen« von
Regeln, die für den Prozess, z. B. Reklamationsprozess, oder die Bran-
che bisher als typisch und in dieser Form als nicht veränderbar gelten),
– die »trapped-value«-Orientierung (Erkennen von nicht ausgeschöpf-
ten Kundenwertpotenzialen im bestehenden Leistungsangebot).

Benchmarking ist nicht auf den Vergleich von Kennzahlen gerichtet,


sondern ist die gezielte Suche nach Best Practices. Diese Suche orien-
tiert sich an den »Produktionsfaktoren« Organisation und Führungs-
kultur, an Verfahren, Handhabungstechniken und der Art des Ver-
ständnisses im Hinblick auf Kundenorientierung, Ziele und
Prozesse. Allein das Bewusstsein, dass gegensätzliche Ziele durch
innovative Organisation erreichbar gemacht werden können, ist be-
reits eine mentale Bestleistung, durch die grundlegende Verbesse-
rungen erst möglich sind.

328
Abbildung 6-1: Lernen von den Besten setzt Vergleichbarkeit der Problemstruktu-
ren voraus.

– Benchmarking ist ein methodisch durchstrukturiertes Vorgehen:


von der Problemidentifikation über die organisierte Entdeckung
bis zur Realisierung und Weiterentwicklung einer fremden Best-
lösung zur eigenen Best Practice. Zur Methodik gehört auch die
Verwendung eines einheitlichen Beschreibungsrasters für Best
Practices, um Vergleichbarkeit, Übertragbarkeit und Change-Ma-
nagement-Risiken abschätzen zu können (siehe Abbildung 6-1).
– Benchmarking ist integraler Bestandteil des Zielbildungsprozesses
in einem Unternehmen: Benchmarks sind die Leistungsvisionen
von morgen. Im Rahmen eines Benchmarking-Prozesses werden
nicht nur Ziele entwickelt, sondern insbesondere auch Umset-
zungsvorschläge für die Zielerreichung unterbreitet.

329
– Benchmarking ist Bestandteil eines von der Führung unterstützten
Prozesses der Kultur- und Organisationsentwicklung. In Bench-
marking-Firmen ist daher die Suche nach der besten Praxis, die
kreative Weiterentwicklung für die eigene Unternehmung und
der dazu notwendige Reorganisationsprozess institutionell in der
Organisation verankert.
– Benchmarking ist ein methodischer Prozess: Eine Benchmarking-
Firma arbeitet mit einem festen Benchmarking-Phasenkonzept
und schult die Mitarbeiter in den unterschiedlichen Benchmark-
ing-Techniken.
– Benchmarking ist Bestandteil der Unternehmenskultur. Die Mit-
wirkung an Benchmarking-Projekten wird in Anreizsystemen
berücksichtigt.
– Benchmarking ohne eigene Kreativität, ohne die Kraft und den
Willen zur Reorganisation degeneriert zur einfallslosen »me-too«-
Strategie.
– Benchmarking ist insbesondere branchenübergreifend angelegt:
Nur so können wirkliche »breakthrough innovations« erreicht und
Wettbewerbsvorsprünge begründet werden.
– Benchmarking entfaltet die größte Wirkung, wenn es zweistufig
ausgelegt ist: In der ersten Stufe erfolgt der brancheninterne Ver-
gleich und in der zweiten Stufe wird der branchenübergreifende
Vergleich angestellt. (Abbildung 6-2).

Als Virgin Airlines aufgrund des Konkurrenz- und Kostendrucks ver-


suchte, die teuren Standzeiten der Flugzeuge bei Ankunft und Abflug
am Terminal zu reduzieren, gelangte Richard Branson sehr schnell zu
der Einsicht, dass die Best Practice eines Mitkonkurrenten kaum
dabei helfen konnte, dieses Ziel wettbewerbswirksam zu erreichen.
Eine Studie über die Abwicklung von Boxenstopps in der Formel 1
brachte die »breakthrough«-Lösung: Neues Betankungssystem zur
schnellen Aufnahme von Kerosin, Anpassung der Reinigungsgeräte
an die Bestuhlungsmaße und Funkverbindung zu den Reinigungs-
truppen führten zum deutlichen Kostensenkungserfolg.
Außerdem schützen nur branchenübergreifende Best-Practice-Stu-
dien vor dem »Konkurrenzneutralisierungseffekt«, der zwangsläufig

330
Abbildung 6-2: Wirksames Benchmarking ist zweistufig ausgelegt: in der ersten
Stufe wird branchenbezogen verglichen, in der zweiten Stufe
branchenübergreifend.

eintritt, wenn innerhalb einer Branche innovative Ideen ausgetauscht


werden. Einen Ausweg bietet der brancheninterne internationale
Best-Practice-Vergleich. Dieser allerdings gestaltet sich sehr aufwän-
dig, wenn er systematisch und kontinuierlich betrieben wird.
Das wahllose, eher zufällige Herausgreifen punktueller Best-
leistungen ist kein Benchmarking. Ärgerlich in den Augen solider
Benchmarking-Unternehmen ist auch der zur Mode gewordene
Benchmarking-Tourismus. Delegationen von 12, 15 oder 20 Best-Prac-
tice-Suchenden fallen in Krankenhäuser in den USA ein, um dort
Patentrezepte für ihre hausgemachten Probleme zu finden. Meistens
sind diese Informationsbesuche miserabel vorbereitet, und die Mana-
ger vor Ort empfinden diese Oberflächlichkeit eher als Beleidigung
denn als fruchtbaren Dialog.

Ein Krankenhaus hat deshalb folgende Regeln aufgestellt:


– Die Besuchergruppe besteht maximal aus drei bis fünf Personen.
– Die Personen müssen aus Krankenhäusern kommen, die ihre be-
sondere Leistungsfähigkeit z. B. durch Gewinn eines Preises oder
Erreichen eines Top-Ranking-Platzes in einem Betriebsvergleich
bewiesen haben.

331
– Jede Person stellt eine Bestleistung aus dem eigenen Haus vor.
Denn Benchmarking ist balanciertes Geben und Nehmen; außer-
dem bringt Benchmarking nur im Vergleich mit den besten Häu-
sern die gewünschten Effekte. Alles andere ist Zeitverschwendung.

Benchmarking ist keine Unternehmensspionage, die durch »Beitritt«


in einen »Benchmarking-Club« legitimiert wird. Benchmarking funk-
tioniert nur auf der Basis eines strengen »code of ethics«, der die Be-
teiligten zu Offenheit und Verschwiegenheit verpflichtet. Insbeson-
dere dürfen die Daten ausschließlich für eigene Zwecke und nicht
durch kommerzielle Weitergabe an Dritte verwendet werden.
Benchmarking ist auch keine Massenware: je größer die Zahl der Teil-
nehmer, desto wertloser die Informationen. Der »Benchmark«, also die
Messlatte für den Vergleich, ist nicht der Branchendurchschnitt, hinter
dem sich ein bequemes Management nur zu gerne versteckt, sondern
das »klassenbeste« Unternehmen. Das »klassenbeste« Unternehmen ist
nicht zwingend identisch mit dem branchenbesten Wettbewerber. Eine
Bestleistung bezieht sich auf die »Klasse: Logistik«, die »Klasse: Kun-
denreklamation«, die »Klasse: Produktentwicklungsprozess« oder die
»Klasse: Rechnungsabwicklung«. Eine »Klasse« bezieht sich eher auf
einen typischen Prozess, eine bestimmte Unternehmensfunktion, einen
bestimmten Leistungs- oder Problembereich (z. B. Kundenbindung; Er-
scheinungsbildkonzept) oder eine Management-Bestleistung (z. B. ein
leistungsorientiertes Anreiz- und Entlohnungssystem). Die eigene
Branche dient nur im Rahmen des direkten Wettbewerbsvergleichs als
»Klasse«. Da aber insbesondere auch ein Best-in-class-Unternehmen
einen Gegenwert für abgegebene Informationen erhalten möchte, wird
ein »Benchmarking-Club« immer eine exklusive Vereinigung sein.
Benchmarking bringt den größten Nutzen, wenn es auf die Brenn-
punkte der eigenen Organisation bezogen wird.
Die Mitgliedschaft in einem exklusiven Golfclub kann man sich er-
kaufen. Für die Lions- oder Rotary-Mitgliedschaft ist eine Bewerbung
zwecklos: Man wird berufen! Ähnlich verhält es sich mit einem
Benchmarking-Club: Nicht durch Beitragszahlungen, sondern aus-
schließlich über klassenbeste Leistungen wird man zur Teilnahme an
Vergleichen aufgefordert.

332
• Welche Faktoren sind besonders kritisch für den Geschäftserfolg?
– Kundenzufriedenheit?
– Einweiserzufriedenheit?
– Lagerumschlag?
– Mitarbeiterqualifikation?
• Welche Bereiche bereiten Probleme
(orientiert an: Fehltagen, Kundenbeschwerden, Kosten, Qualität)?
• Welches sind die wesentlichen Leistungen dieser Bereiche, und wie werden diese ge-
messen und gesteuert?
– Zweck des Bereichs (Existenzberechtigung)
– fünf Hauptaufgaben
– Wirkungen auf die Erfolgsfaktoren des Unternehmens
– Leistungsprozesse
• Welche Leistungen werden welchen Kunden effektiv zur Verfügung gestellt?
• Welche Faktoren bestimmen die Kundenzufriedenheit?
• Welche Probleme wurden bereits identifiziert?
• Wo wird Druck aus dem Wettbewerb wahrgenommen?
• Welche Faktoren tragen am stärksten zu den Kosten bei?
• Welches sind die für den Geschäftserfolg wichtigsten vier Geschäftsprozesse, und
welche Störungen treten innerhalb dieser Prozesse auf?

Abbildung 6-3: Benchmarking soll Leistungslücken schließen und Innovationsvor-


sprünge begründen.

Abbildung 6-4: Die Benchmarking-Firmen steuern den Suchprozess nach der Best
Practice konsequent auf Basis einer transparenten Methode.
Treten Sie also keinem Benchmarking-Club bei, der Ihnen die
Vorleistung einer Best Practice erspart und dessen Bestreben darin
besteht, möglichst viele Partner der gleichen Branche einzubinden.
Ob Benchmarking, Profit-Center-Konzept, fraktales Krankenhaus, TQM
oder Balanced Scorecard – die meisten dieser Managementkonzepte
werden von innovationsarmen Verwaltern zur universellen Allzweck-
waffe hochstilisiert, deshalb bleibt der Erfolg dieser viel versprechen-
den Ansätze eher im Halbdunkel. Aber wie heißt es doch so treffend:
Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten!

6.2 Das Kameda Hospital: Das patientenfreundliche


Krankenhaus mit internationalem Markenstatus
Wilfried von Eiff

Das Centrum für Krankenhaus-Management an der Universität Müns-


ter führt seit 1998 den einzigen internationalen Krankenhaus-Be-
triebsvergleich durch.

Abbildung 6-5: Die Mitarbeiter der Service-Station sind nicht nur freundlich,
sondern von ihnen kommen die meisten Verbesserungsvorschläge
zur patientengerechten Gestaltung der Arbeitsabläufe und des
Ambientes.

334
Abbildung 6-6: Dieses Foto steht für die Leitidee des Hospitals und repräsentiert
die vier Kameda-Generationen.
Übrigens: die Weihnachtskarte mit diesem Motiv wurde als
»Beste Weihnachtskarte Japans« ausgezeichnet.

Das Kameda Hospital (Kamogawa, Japan) nimmt in diesem CKM-


Benchmarking eine Top-Position mit dem Magnet-Status »patienten-
freundliches Krankenhaus« ein.
Es sind die vielen Kleinigkeiten, die einem aufmerksamen Besucher
ins Auge fallen und die kundenorientierte Denkweise im Kameda
Hospital demonstrieren: Fünf Hostessen (»greeters«), in besonderer
Kleidung (wie man es von Luftfahrtgesellschaften gewohnt ist), neh-
men jeden Besucher in Empfang. Sie geben Informationen, die eine
reibungslose Steuerung durch das Krankenhaus ermöglichen. Sie ge-
leiten hilfsbedürftige Personen durch die Funktionsabteilungen, küm-
mern sich um Organisatorisches und sind immer freundlich und hilfs-
bereit. So wird jeder Besucher mit Betreten des Krankenhauses durch
Freundlichkeit überrascht, erklärt John Wocher das Ziel dieses unge-

335
wöhnlichen Services. Da die »greeters« in allen Bereichen des Kran-
kenhauses herumkommen, fallen Ihnen verbesserungsbedürftige Situa-
tionen und kundenunfreundliche Arbeitsabläufe sofort auf. Zahlreiche
Verbesserungsvorschläge kommen daher von diesen Hostessen.
Kameda steht im ostasiatischen Raum als Markenkrankenhaus für
exzellente Medizin und kundenorientierten Service: In Japan gilt das
Haus als Impulsgeber für die Reformierung des Gesundheitssystems
und als Ideengeber für ein Umdenken in der Gesundheitspolitik.
Der Markenstatus von Kameda hat sich über mehrere Jahre ent-
wickelt und ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass dieses
Hospital auf vielen Gebieten eine Vorreiterrolle eingenommen hat.
– Eine herausragende Rolle spielt Kameda im Hinblick auf Innovatio-
nen zur Verbesserung des japanischen Gesundheitssystems; dies ist
unter anderem feststellbar an der Beraterrolle, die das Management
für die Regierung spielt. Das Kameda-Management gilt als Trendset-
ter und Meinungsführer bei allen wichtigen Fragen, die im Hinblick
auf eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Weiterentwicklung des
japanischen Gesundheitssystems zu beantworten sind.
– Transparenz über medizinische Leistungsdaten ist in Japan verpönt;
Kameda brach mit diesem Tabu und kommuniziert Leistungszah-
len und Diagnosefehler mit finanziellen Nachteilen (z. B. falsch-po-
sitive Befunde und ihre Konsequenzen bzgl. einer »inappropriate
medicine«) an den Patienten.
– Kameda versorgt seine Patienten seit 1993 ganzheitlich im Sinne
einer integrierten Versorgung unter Einschluss niedergelassener
Vertragsärzte, kooperierender Krankenhäuser (z. B. der Universitäts-
klinik Tokio) und der Versorgung zu Hause. Kameda setzt seitdem
die Qualitätsmaßstäbe bei der so genannten »home healthcare«.
– Medizinische Prävention im Sinne von Vorsorgeuntersuchungen
und Screening-Programmen spielt in der japanischen Gesellschaft
eine untergeordnete Rolle. Kameda änderte auch hier die »Spiel-
regeln« und entwickelte ein Präventionsprogramm »human dry
dock«: Für maximal 1200 Dollar erhält der Patient einen komplet-
ten Checkup innerhalb von zwei Tagen. Zum Vergleich: Im inter-
national renommierten Johns Hopkins Hospital in Baltimore kos-
tet das gleiche Checkup-Angebot über 10 000 Dollar.

336
Abbildung 6-7: Art in the Kameda fördert Künstler und ist Einnahmequelle für
Charity-Aktionen (Foto: Anna Xi Zhao).

Kameda hat mit diesem Angebot nicht nur die Vorreiterrolle im Be-
reich der Präventionsmedizin in Japan angetreten, sondern sich auch
einen nationalen sowie internationalen Markt erschlossen. Mittler-
weile kann Kameda in diesem Bereich auf »Stammkunden« zurück-
greifen, die regelmäßig selbst wiederkommen oder Familienmitglie-
der zum »Trockendock« schicken.
– Die Wohlfühlkomponente genießt im Kameda Hospital hohen
Stellenwert: Patientenabläufe, Ambiente, Wartezonen, Farbklima,
Wellness-Einrichtungen (vom Whirlpool bis zur Sauna) sind von
»healing-environment experts« geplant worden. Zum besonderen
Ambiente im Kameda trägt auch die sichtbare Symbiose von bau-
licher Funktionalität, geschmackvoller, zweckmäßiger Möblierung
und künstlerischen Präsentationen bei.
– Das Programm »Art in the Kameda« ist mit einem separaten Bud-
get ausgestattet: Gezeigt werden die Werke bekannter Künstler
ebenso wie von Nachwuchstalenten. Zwei Mal im Jahr finden Kunst-
auktionen zugunsten wohltätiger Zwecke statt (Abbildung 6-7).

337
Abbildung 6-8: Oben Außenansicht des Kameda Hospital,
unten links die Wartezone des Krankenhauses und rechts der
Eingangsbereich des Krankenhauses.

– Bereits im Jahr 1996 begann das Kameda-Management mit der


Einführung der elektronischen Patientenakte. Heute gilt Kameda
als das Vorzeige-Haus auf dem Gebiet der Informatisierung von
medizinischen und betriebswirtschaftlichen Leistungsprozessen.
Die durch Digitalisierung der Prozesse erreichte Unaufdringlich-
keit der Verwaltung sowie die damit verbundene Reduktion von
Wartezeiten und organisatorisch begründeten Patientenrisiken
demonstriert die Kundenorientierung des Krankenhauses. Zwi-
schenzeitlich wurde das mit der Einführung der elektronischen
Patientenakte gewonnene Spezial-Know-how gebündelt und zu

338
einem neuen Geschäftsfeld entwickelt: Beratungsleistungen rund
um die Einführung der elektronischen Patientenakte einschließlich
Prozessoptimierung und Bereitstellung/Pflege der Anwendungs-
software.
– Im Jahr 1998 begründete Kameda seine Vorreiterrolle durch Ein-
führung telemedizinischer Diagnosestellung im Verbund mit aus-
gewählten niedergelassenen Vertragsärzten: Insbesondere einge-
schränkt transportfähige Patienten können im ländlichen Umfeld
von Kamogawa vorbildlich medizinisch versorgt werden.

Kameda steht für konsequente Nutzung innovativer Informations-


technologien. Im telemedizinischen Verbund können die speziellen
medizinischen Leistungsangebote, das spezielle Wissen der Kameda-
Ärzte für niedergelassene Ärzte und für Krankenhäuser in ländlichen
Gegenden verfügbar gemacht werden. Weiterhin ist der Telemedizin-
Service eine Schlüsselkomponente bei der immer bedeutender wer-
denden »home healthcare«. Er eröffnet neue Möglichkeiten, den
Patienten ständig in den Behandlungsprozess (auch zuhause) einzu-
binden. Auch die internationalen Verbindungen zu Partnerkranken-
häusern mit hoch spezialisiertem Leistungsangebot wie z. B. die
Universitätsklinik Iowa oder die Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim
steigern den Nutzen für die Kameda-Patienten. Kameda gehört zu
den Pionierkrankenhäusern weltweit auf dem Gebiet des »virtual hos-
pital concept« zum Wohle des Patienten: kontinuierliche Information
und Patientenerziehung, Tipps zur Selbstmedikation und Selbstdiag-
nose, Lernen durch Patientengeschichten und Angebot neuer »home
healthcare«-Produkte.
Informationstechnologische Dienste dienen dem Patienten auf
vielfältige Weise. Zu den »Wow-Serviceangeboten« gehört das
»home healthcare shopping«: Vom Bett aus kann der Patient Ein-
käufe aller Art elektronisch tätigen. Die bestellten Waren werden am
Tag der Entlassung nach Hause gebracht. So werden Patienten über-
rascht von ungewöhnlichen Serviceangeboten zu ungewöhnlichen
Zeitpunkten: Zum Beispiel erhält genau ein Jahr nach der Geburt ei-
nes Kindes das Elternpaar einen Gutschein für ein Candle-Light-Din-
ner für zwei Personen.

339
Abbildung 6-9: Der kleine Dienst am Kunden: Lesebrillen in drei verschiedenen
Stärken stehen an den Info-Leitstellen für vergessliche oder eitle
Patienten zur Verfügung (Foto: Gerhard Schwab).

Das Dienstleistungsangebot geht weit über Marketing-Gimmicks hi-


naus: Spezialisierte Kameda-Sozialarbeiter beraten z. B. Hüftpatien-
ten, wie sie ihre Wohnung sturzfrei umgestalten und nehmen die
Veränderungen vor, bevor der Patient in die häusliche Umgebung
zurückkommt.
Alle (meist kostenlosen) Wow-Service-Angebote (wie z. B.: Fuß-
massage, ein Photo des Neugeborenen, etc.) können vom Empfang
abgerufen werden.
Auch das Fundraising (Einwerbung von Sponsorengeldern) von
Kameda ist innovativ. Die Mitgliedschaft im Francis Club bietet den
Club-Mitgliedern die Möglichkeit, jederzeit einen Termin bei einem
der Kameda-Chefärzte bzw. -Spezialisten zu bekommen. Für einen
solchen Termin bezahlt das Mitglied pauschal 250 Euro (eine Stunde
Dauer). Die »Mitgliedsgebühr« wird in Form eines Sponsor-Betrags
erhoben, wobei der Minimum-Jahresbeitrag bei 50 000 Dollar liegt.
Bereits im ersten Jahr traten 760 Personen dem Verein bei.

340
Abbildung 6-10: Das Freundlichkeitstraining ist Pflicht für alle (neuen) Mit-
arbeiter.

An jeder Patientenleitstelle ist eine Auswahl von Lesebrillen in drei


unterschiedlichen Stärken »ausleihbar«. Insbesondere ältere Patien-
ten vergessen häufig ihre Brillen, jüngere Patienten verzichten aus
Eitelkeitsgründen auf das Tragen von Sehhilfen. Damit das Ausfüllen
des Formulars reibungslos geht, kann der Patient kurzfristig auf die
Ersatzbrillen zurückgreifen: ein in Japan (kulturbedingt) gerne an-
genommener Service (Abbildung 6-9).
Kameda steht in Japan auch für generisches Benchmarking: Auf
der Suche nach der besten Praxis wurden kundenorientierte Organi-
sationslösungen und Serviceangebote vom Raffles-Hotel in Singapur,
von Wal Mart, aus der Autoindustrie (»one-piece flow system«) und
dem Einzelhandel (»one-stop shop«) übernommen. Die baulich funk-
tionalen Rahmenbedingungen, die Anordnung der einzelnen medizi-
nischen Spezialgebiete sowie die Patientenabläufe sind so organisiert,
dass kein Patient Leistungen auf mehr als zwei direkt übereinander
liegenden Stockwerken empfangen muss.
Das komplette Service- und Pflegepersonal, ebenso die administra-
tiven Mitarbeiter mit Kundenkontakt haben ein zweitägiges Kunden-
freundlichkeitstraining durchlaufen, das Mitarbeiter von Japanese
Airlines leiten. Für jeden neu eingestellten Mitarbeiter in kundenna-
hen Bereichen gehört dieses Training zum Pflichtprogramm.

341
Jede Schwester verbringt außerdem einen eintägigen Aufenthalt (mit
Übernachtung) in einem servicefreundlichen Hotel Tokios, um dort
selbst zu erleben, was bester Service und Wohlfühlatmospähre bedeuten.
Das gesamte Personal wird systematisch und nachhaltig auf die
»say-yes culture« trainiert: Was immer der Patient nachfragt und
verlangt, wird ernsthaft zu erfüllen versucht.
Teil der Führungskultur des Kameda Hospital ist es, dass alle
Berufsgruppen mit den medizinischen Abläufen, mit den Problemen
von Patienten und Angehörigen vertraut sind.
– Ärzte werden mit Marketing-Daten, mit Patientenbefindlichkeiten
(Beschwerden) und Finanzdaten regelmäßig vertraut gemacht.
– Verwaltungsmitarbeiter und nicht-medizinisches Personal lernen
die medizinischen Rituale, die Patienten und Angehörigen Verhal-
tenssicherheit geben: Wie betrittt man einen OP-Saal und wie eine
Intensivstation? Wie verhält man sich, wenn Patienten und Ange-
hörige dabei sind? Wie bewegt man sich durch ein Krankenhaus?

Eine große Rolle im Kameda-Führungskonzept spielen »dashboards«,


die alle wichtigen (alle entscheidungsrelevanten) »cockpit indicators«
enthalten, so z. B.:
– Revisionseingriffe,
– Wiederaufnahme innerhalb von 48 Stunden nach Entlassung,
– Sterbefall eines Neugeborenen mit über 2000 Gramm Geburts-
gewicht,
– ambulante Behandlung, die wegen eines Fehlers eine vollstationäre
Behandlung erforderlich macht.

Das Management des Kameda-Hospitals geht davon aus, dass me-


dizinische Qualität eine ethisch selbstverständliche Leistung ist und
daher der gute Ruf eines Krankenhauses, also die Möglichkeit zur Dif-
ferenzierung (Alleinstellung) gegenüber anderen Krankenhäusern, in
erster Linie durch emotionale Erlebnisse im Sinne von «ungewöhnli-
chen«, »überraschenden« Dienstleistungen sowie «besonders freund-
licher Kommunikation und kundenorientiertem Verhalten« begrün-
det wird.
John Wocher, »Executive Vice President« des Kameda-Hospitals,
definiert das Mission-Statement so: »Patientenzufriedenheit ist für

342
uns kein Ziel! Wir wollen unsere Kunden begeistern, indem wir sie
immer wieder überraschen mit herausragendem und ungewöhn-
lichem Ambiente, ungewöhnlichen Service-Einrichtungen, unge-
wöhnlichen kleinen Dienstleistungen und auffallender Freundlich-
keit aller Mitarbeiter in jeder Situation.«

Andere Aussagen Wochers:


– »Das größte Kompliment für unser Hospital, das ein entlassener Pa-
tient aussprach, war: ›Es sah gar nicht aus wie ein Krankenhaus.‹«
– »Wenn man ein Krankenhaus betritt, der erste Eindruck –
das ist ein entscheidender Teil von Branding.«
– »Wir wollen nicht den Patienten zufrieden stellen – wir über-
raschen ihn, indem wir ihm Dienstleistungen anbieten und ein
Verhalten zeigen, das Patienten und ihre Angehörigen einfach
nicht in einem Krankenhaus erwarten.«

Damit setzt Kameda die Strategieempfehlungen des KANO-Modells


(vgl. Kapitel 3.1), das 1987 ursprünglich für die Autoindustrie entwi-
ckelt wurde, systematisch um.
Ein Markenstatus für ein Krankenhaus wird im Wesentlichen
durch folgende Leistungsmerkmale begründet:
– regelmäßig herausragende/auffallende Leistungen in Kommunika-
tion und Service, getragen von dem Bestreben, Kunden nicht nur
zufrieden zu stellen, sondern auch zu überraschen; Durchsetzen
neuer »Spielregeln« im Umgang mit Patienten und Angehörigen:
Ethik der Kundenorientierung.
– Wahrnehmen einer Gestalterrolle bei der Weiterentwicklung des
Gesundheitssystems; als qualifizierter, sachorientierter Berater für
Regierung, Verbände und öffentliche Kommissionen.
– Übernahme von »corporate citizenship«.

343
6.3 Das Landesklinikum Krems:
Wie ein Leitbild entsteht und das Leistungsangebot
beeinflusst

Christa Stelzmüller, Jana Bockholdt, Gerhard P. Schwab

Die Situation der Krankenhäuser ist in den vergangenen Jahren


besonders durch eine zunehmende Diskussion über die Finanzier-
barkeit des Gesundheitswesens bei einem gleichzeitigen Überange-
bot an Krankenhausbetten geprägt worden.
Weltweit sind die Ausgaben für das Gesundheitswesen an der
Grenze der Leistbarkeit angelangt, wobei gleichzeitig durch den wis-
senschaftlichen Fortschritt in der Medizin die technische Machbarkeit
kontinuierlich zunimmt und damit verbunden, auch das Durch-
schnittsalter der Bevölkerung sowie die Kosten des Gesundheits-
systems. Parallel zu dieser Entwicklung nimmt der Bedarf an Akut-
betten im Krankenhaus kontinuierlich ab, zumal viele Therapien, die
früher nur im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes möglich wa-
ren, jetzt auch im ambulanten Setting durchführbar sind.
Die Folge dieser Entwicklung ist eine zunehmende Konkurrenz-
situation zwischen den einzelnen Krankenhäusern, die in Deutsch-
land bekanntlich bereits zum Schließen mehrerer Häuser geführt
hat. In Österreich ist eine ähnliche Entwicklung zu erwarten.
Dieser zunehmende Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern
ist die Ursache dafür, dass in zunehmendem Maße auch im Ge-
sundheitswesen Qualitätsmanagementsysteme implementiert wer-
den. Grundlage aller bekannten Qualitätsmanagementsysteme ist die
Festschreibung von Mission, Vision und Strategie als jene Werte,
nach denen sich alle Prozesse der betreffenden Unternehmung zu
orientieren haben.
Im Folgenden sollen die Vorgangsweise der Leitbildentwicklung
und die Auswirkungen des Leitbildes auf die Unternehmenskultur
und die Patientenzufriedenheit am Beispiel des Landesklinikums
Krems, einem Schwerpunktkrankenhaus, beschrieben werden.

344
6.3.1 Leitbildentwicklung im Landesklinikum Krems:
Ein Ziel, drei Wege

Das Landesklinikum der Stadt Krems ist ein Krankenhaus mit 500
Betten unterteilt in 15 klinische Abeilungen und Institute, mit 25 000
stationären und 46 000 ambulanten Patienten jährlich. Die Mitarbei-
ter sind hoch motiviert und gut ausgebildet. Ein Großteil der Beleg-
schaft besteht aus hoch spezialisierten Fachkräften, die zum überwie-
genden Teil zur selbstständigen Berufsausübung berechtigt sind. Die
Struktur des Hauses steht entsprechend dem in Österreich gesetzlich
verankerten Prinzip der kollegialen Krankenhausführung auf drei Säu-
len: Verwaltung, Pflege, Ärzte. Diese Dreiteilung, verbunden mit einer
relativ starken hierarchischen Gliederung der einzelnen Säulen, birgt
in sich die Gefahr der isolierten Gruppenbildung der verschiedenen
Berufsbereiche und erschwert eine interprofessionelle Teambildung.
Verstärkt wird dieses Risiko durch die zum Teil starre vertikale Gliede-
rung in verschiedene klinische Abteilungen. Diese vertikale Gliede-
rung erschwert eine umfassende interdisziplinäre Teambildung.
Ende der 90er-Jahre wurde von Seiten der Pflegedirektion der
Entschluss gefasst, für das Krankenhaus Krems ein Pflegeleitbild zu
entwickeln. Etwa zeitgleich wurde von Seiten der kaufmännischen
Direktion ein Projekt zur Entwicklung eines Krankenhausleitbildes
in Auftrag gegeben. Unabhängig davon wurde fast zeitgleich im Zu-
sammenhang mit der Implementierung des Qualitätsmanagement-
systems ISO 9002 : 2000 an der Abteilung für Chirurgie ein eigenes
Leitbild entwickelt. Das Mission Statement war für die drei Leitbilder
dasselbe: »Ihre Zufriedenheit ist unser Erfolg«. Der Zugang zur Leit-
bildentwicklung war hingegen unterschiedlich.

6.3.2 Entwicklung des Hausleitbildes

Bereits im Jahr 1998 wurden die ersten Schritte einer Leitbilderstel-


lung für das Klinikum Krems gesetzt. Zielsetzung war es, rasch ein
Leitbild zu erstellen. Eine Gruppe von 25 Mitarbeitern aus allen Be-
rufsgruppen, inklusive der kollegialen Führung (ärztlicher Direktor,

345
kaufmännischer Direktor und Pflegedirektorin), legte die Ausgangs-
lage fest. In dieser Phase musste erkannt werden, dass die Mitarbei-
ter im Projekt zwar hoch motiviert waren, an einem gemeinsamen Er-
gebnis zu arbeiten, jedoch forderte die Klärung der Sinnfrage, warum
ein Leitbild erstellt werden sollte, mehr Zeit, als ursprünglich ange-
nommen.
Durch die kollegiale Führung wurden die Argumente für die Not-
wendigkeit eines Leitbildes kommuniziert und es wurde ein grober
Rahmen für die Bearbeitung und Zielrichtung vorgegeben. Genannte
Gründe für die Leitbilderstellung waren zum Beispiel:
– die Festlegung der strategischen Ausrichtung der Führung,
– die positive Beeinflussung der Unternehmenskultur,
– den Mitarbeitern eine gemeinsame Orientierung zu geben,
– Unternehmensgrundsätze festzulegen,
– Werte und Normen zu definieren,
– eine Basis für die Ableitung jährlicher Unternehmensziele zu errei-
chen.

Die Erstellung der konkreten Inhalte des Leitbildes wurde im An-


schluss von der Projektgruppe erstellt und wiederum der Führung
zur Freigabe vorgelegt. Nach vielfachen intensiven Diskussionen und
mehrmaliger Überarbeitung des Konzeptes konnte nach drei Jahren
das Krankenhausleitbild freigegeben werden. Es wurde an einer zen-
tralen Stelle in der Krankenhauseingangshalle montiert und im Rah-
men einer Jubiläumsfeier »125 Jahre Krankenhaus Krems« offiziell
enthüllt und der Öffentlichkeit präsentiert.
Einen Ansatzpunkt zur Umsetzung des Krankenhausleitbildes
stellt die jährliche Festlegung strategischer Zielsetzungen der Unter-
nehmensleitung im Mitarbeitergespräch dar.
Es ist jedoch kritisch anzumerken, dass erst im Jahr 2004 auch im
ärztlichen Bereich (ärztlicher Direktor mit Primarärzten) Mitarbeiter-
gespräche stattgefunden haben. Dadurch entstand ein Ungleich-
gewicht bei der Umsetzung von strategischen Unternehmenszielen
in den einzelnen Berufsgruppen. Auch in den einzelnen Abteilungen
wurden Unterschiede bei der Umsetzung der Unternehmensziele
deutlich, da es den Abteilungsleitern (Primarärzten) freigestellt war,

346
ob sie Mitarbeitergespräche führen wollten oder nicht. Dies wie-
derum führte zu einem unterschiedlichen Wissensstand und einer
fehlenden Verbindlichkeit für alle Mitarbeiter, die gemeinsamen Ziele
umzusetzen. Demnach kann derzeit von einer Umsetzung des
Krankenhausleitbildes in einzelnen Abteilungen und Berufsgruppen
ausgegangen werden. Eine vollständige Umsetzung ist jedoch noch
nicht erfolgt.

Leitbild Krankenhaus Krems


Patient und Mensch
Das Wohl unserer Patienten steht im Mittelpunkt.

Wir gehen auf die jeweiligen Erwartungen und Vorstellungen der Patienten ein. Wir be-
rücksichtigen auch die psychische und soziale Befindlichkeit
unserer Patienten und respektieren ihre religiös-ethischen Werte.
Die persönliche Intimsphäre der Patienten wahren wir.
Unseren Patienten lassen wir eine kompetente medizinische und pflegerische Betreu-
ung auf hohem Niveau zuteil werden
und begegnen ihnen in respektvoller und wertschätzender Weise.
Die individuelle, menschenwürdige Begleitung und Betreuung
Schwerstkranker und ihrer Angehörigen ist uns ein wesentliches Anliegen.
Wir verpflichten uns, unsere Patienten über geplante und
durchzuführende Untersuchungen und Therapiemaßnahmen
umfassend aufzuklären und zu beraten.

Mitarbeiter – Qualität durch Kompetenz


Als Mitarbeiter des Krankenhauses Krems stellen wir
unsere Fähigkeiten, unser Wissen und unsere Einsatzbereitschaft
dem Wohl unserer Patienten zur Verfügung.
Unsere Mitarbeiter zeichnen sich durch Fachkompetenz,
Leistungsbereitschaft und interdisziplinäre Zusammenarbeit
auf allen betrieblichen Ebenen aus.
In der Durchsetzung von Chancengleichheit für Frauen und Männer
sehen wir ein betriebliches Ziel.
Wir üben unsere Tätigkeit eigenverantwortlich, ergebnisorientiert
und in vereinbarter Qualität für unsere Patienten und Mitarbeiter aus.
Wir stellen sicher, dass die begrenzten finanziellen Ressourcen
bestmöglich zum Wohle der Patienten eingesetzt werden.

MOTTO
Unser Erfolg ist die Zufriedenheit der Patienten.

Abbildung 6-11: Hausleitbild des Landesklinikums Krems.

347
6.3.3 Entwicklung des Pflegeleitbildes

Im Krankenhaus Krems sind rund 500 Mitarbeiter in der Pflege tätig.


Im Jahr 1998 kam es nach einer 25-jährigen Amtsperiode der Pflege-
direktorin zu einem Wechsel in der obersten Führungsebene. Die
Mitarbeiter im Pflegedienst kannten eine streng hierarchische, auto-
ritäre, wenig transparente Führung ohne konkrete gemeinsame Ziel-
richtung. Somit galt es, in erster Linie eine gegenseitige Vertrauens-
basis herzustellen, die als Fundament für die zukünftige gemeinsame
Arbeit an Zielen in der Pflege zwingend erforderlich war. Das er-
forderliche Engagement der einzelnen Mitarbeiter in der Pflege, im
Speziellen auch der leitenden Pflegekräfte, war vorhanden; ebenso die
Bereitschaft, an bestehenden Strukturen sowie an weiterführenden
Strategien zu arbeiten.
Es kam bereits vor der Erstellung des Pflegeleitbildes zu wesent-
lichen Veränderungen in der Grundhaltung des Miteinanders, und
der Stellenwert der Pflegekräfte aus interner und externer Sicht nahm
einen deutlichen Wandel. Mit dieser Motivation als Rückenwind kam
eine Gruppe von Pflegekräften – vorwiegend leitende Pflegekräfte –
zu dem Entschluss, nicht auf die Fertigstellung eines Hausleitbildes
warten zu wollen, und forderte förmlich die Erstellung eines
«eigenen« Leitbildes.
Grundlage dafür waren die bereits richtungsgebenden Verände-
rungen, Orientierungen und Zielrichtungen. Somit war die erfor-
derliche Akzeptanz der Mitarbeiter für die Erstellung und Umsetzung
eines Leitbildes bereits im Vorfeld gegeben und der Prozess der
Erstellung konnte in kürzester Zeit – in sechs Monaten – umgesetzt
werden.
Das Ergebnis wurde in einer öffentlichen Feier in der Eingangs-
halle des Krankenhauses präsentiert. Der Ort der Präsentation wurde
bewusst gewählt, um Patienten und deren Angehörige bereits bei der
Präsentation auf die zukünftige Zielrichtung und auf das Miteinander
der Berufsgruppen aufmerksam zu machen.
Die Erwartungshaltung der Pflegekräfte zur konkreten Umsetzung
»ihres« Pflegeleitbildes war enorm hoch und konnte somit unmittelbar
genutzt werden, um konkrete Umsetzungsmaßnahmen festzulegen.

348
Der erste Schritt war, dass jede Pflegekraft, die im Krankenhaus
Krems tätig ist, sich mit den Inhalten, Werten und Normen des Pfle-
geleitbildes auseinander setzt und bereit ist, einen eigenen Beitrag
zur Umsetzung zu leisten. Dafür konnte das jährliche Mitarbeiter-
gespräch, das bereits seit dem Jahr 1999 im Pflegebereich und im
kaufmännischen Bereich flächendeckend eingeführt worden war,
herangezogen werden.
Es werden seither jährlich drei bis vier so genannte allgemeine
»Pflegeziele« vorgegeben, die aus dem Leitbild abgeleitet werden und
als Zielrichtung für die Stationsleitungen verbindlich sind. Jede Füh-
rungskraft ist aufgefordert, für ihre Station und darüber hinaus für
jede einzelne Pflegekraft den konkreten Beitrag zur Erfüllung der
Zielrichtung des Leitbildes und der konkreten Vorgaben festzulegen.
Diese Vereinbarungen werden jährlich evaluiert und gegebenenfalls
adaptiert. Die Aufgabe der obersten Führungsebene ist dabei, klar
festzulegen, welche Jahresziele zu erreichen sind, ohne jedoch den
konkreten Weg vorzugeben.
Ein Leitbild hat nur eine Berechtigung, wenn es alle Mitarbeiter in
die Richtung auf die Zufriedenstellung der Kunden, aber auch der an-
deren »Stakeholder« in Bewegung setzt. Erfüllt das Leitbild dieses
Ziel nicht, hat es nur eine Alibifunktion. Das Leitbild muss konkrete
Jahresziele setzen (Hinterhuber und Krauthammer 2005: 106).
Ein weiterer Ansatz zur Umsetzung des Leitbildes ist es, die In-
halte des Pflegeleitbildes bei der Auswahl neuer Mitarbeiter heran-
zuziehen, um bereits bei der Rekrutierung neuer Pflegekräfte die
Zielrichtung des Krankenhauses und im speziellen die Zielrichtung
der Pflege im Krankenhaus Krems als Einstellungskriterium zu-
grunde zu legen. Durch diese Maßnahme kann sichergestellt werden,
dass die grundlegenden Werte, Normen und Zielrichtungen den
potenziellen neuen Mitarbeitern bekannt sind und die Erwartungs-
haltung für das zukünftige Arbeitsverhältnis klar kommuniziert ist.
Die Ergebnisse bezüglich der Mitarbeiterauswahl der letzten Jahre
bestätigen diese Vorgehensweise.
Die Berechtigung, ein eigenes Leitbild für die Pflege zu erstellen
und zu leben, findet sich einerseits in der biografischen Entwicklung
der Pflege im Krankenhaus Krems. Andererseits kann ein Leitbild für

349
das gesamte Krankenhaus nicht auf die spezifischen Zielrichtungen
einer Berufsgruppe konkret eingehen.
Die Formulierungen in einem Krankenhausleitbild lassen meist
nur globale, allgemein gültige Aussagen zu, da dieses für alle Mitar-
beiter Gültigkeit besitzt. Die Grundsätze und Ziele des Krankenhaus-
leitbildes können somit als Basis und Ausgangslage für die Formulie-
rung des Pflegeleitbildes verstanden werden. Das Pflegeleitbild
beschreibt das zu erreichende Pflegeverständnis sowie die Bezie-
hungsgestaltung zwischen Pflegenden und Patienten. Es gibt damit
allen am Pflegeprozess beteiligten Mitarbeitern eine Handlungs-
orientierung mit dem Ziel, den größtmöglichen Patientennutzen zu
erreichen.

Pflege den Menschen – nicht seine Krankheit


Wir erkennen, dass jeder Mensch Gesundheit und Krankheit individuell wahrnimmt und
befassen uns mit den menschlichen Erfahrungen und Bedürfnissen, welche mit Gesund-
sein und Kranksein, Krisensituationen und Behinderungen zu tun haben.
Wir fördern ihre Eigenverantwortung und Selbstständigkeit und unterstützen sie bei
der Bewältigung ihrer veränderten Lebenssituation.
Die individuelle, menschenwürdige Begleitung Schwerkranker, Sterbender und deren
Angehörigen ist uns ein wesentliches Anliegen.
Pflege macht sich ein Bild
Pflege ist eine professionelle Tätigkeit, die einen eigenständigen, qualifizierten Bereich
im Gesundheitssystem einnimmt.
Wir leisten qualitativ adäquate, zeitlich abgestimmte, geplante Pflege mit ausreichen-
der Dokumentation zur Nachvollziehbarkeit.
Den Beziehungsprozess gestalten wir in Form von Bereichs-/ Bezugspflege. Wir sehen
es als unsere Aufgabe, sie und ihre Angehörigen in den Pflegeprozess mit einzubeziehen,
ihnen Informationen zum Verständnis ihrer Krankheit in Bezug auf pflegerische Leistun-
gen zu geben und ihre Selbstständigkeit zu erhalten, wiederherzustellen und zu fördern.
Durch regelmäßige Teambesprechungen, Fortbildungen, Weiterbildungen, rege Beteili-
gung am fachlichen Austausch, Pflegevisite, Einhalten von gesetzlichen Vorgaben, Richt-
linien und Standards ist eine kontinuierliche Qualität gewährleistet.
Jeder Mitarbeiter erfüllt seine Aufgaben eigenverantwortlich.
Miteinander zum Erfolg
Zusammenarbeit funktioniert in unserem Krankenhaus gut, da wir ein gemeinsames Ziel
anstreben: Ihre Zufriedenheit.
Klar definierte Aufgabenbereiche der Mitarbeiter im Krankenhaus Krems ermöglichen
unseren Erfolg durch gute Zusammenarbeit.

350
Wir erweisen uns gegenseitig Achtung, Wertschätzung und pflegen respektvollen Um-
gang miteinander.
Wir verpflichten uns, Probleme nicht nur aufzuzeigen, zu beschreiben und zu analy-
sieren, sondern auch, gemeinsam konstruktive Lösungen anzustreben.
Pflege beinhaltet die Fürsorge für Not und Verzweiflung
Mit Mitgefühl und Toleranz wahren wir individuelle Bedürfnisse und Ihre Würde.
Als Ihre unmittelbaren Ansprechpartner für Wünsche, Sorgen oder Ängste bieten wir Ih-
nen Hilfestellung im Rahmen unserer Möglichkeiten.
»Eine dynamische Führung wird durch ein dynamisches Team getragen«
Wir streben einen partnerschaftlichen Umgang miteinander an und respektieren die Per-
sönlichkeit des Einzelnen, schaffen Atmosphäre, Offenheit und Vertrauen, auch zum Ziel
der gegenseitigen Motivation.
Wir streben einen transparenten Führungsstil an, der alle Mitarbeiter in klare, dyna-
mische Entscheidungsprozesse mit einbezieht.
Wir sehen Konflikte als berechtigten Ausdruck gegensätzlicher Interessen, die zu einer
positiven Entwicklung beitragen können.
Wir verpflichten uns zu ständiger Weiterentwicklung der Qualität unserer Pflege, so-
wie die vorhandenen Ressourcen wirtschaftlich und ökologisch zu nutzen.
Ausblick
Wir wissen, dass ein Pflegeleitbild kein starres Produkt ist, sondern immer wieder der
Überarbeitung und Überprüfung bedarf, sowie sich an den jeweils neuen Bedingungen
und Veränderungen orientiert. ...

Abbildung 6-12: Pflegeleitbild des Landesklinikums Krems.

6.3.4 Entwicklung des Leitbildes Chirurgie

Die Abteilung für Chirurgie hat 90 Betten. Jährlich werden 5000 Pa-
tienten stationär und etwa 10 000 Patienten ambulant behandelt. In
der Abteilung arbeiten 18 Ärzte, 59 diplomierte Gesundheits- und
Krankenpfleger und 13 Verwaltungsmitarbeiter.
Im Januar 2000 wurde die Position des Vorstandes der Abteilung
für Chirurgie neu besetzt. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten über
80 Mitarbeiter seit Jahren in Teams zusammen. Über 80 Prozent der
Mitarbeiter waren hoch spezialisierte Fachkräfte, und mehr als die
Hälfte der Fachärzte waren über zehn Jahre älter als der neue Vor-
stand.

351
Die Art der Behandlungsmethode bei den einzelnen Krankheitsbil-
dern war zwischen den Ärzten nicht abgestimmt, sondern war davon
abhängig, welcher Chirurg gerade die Behandlung eines bestimmten
Patienten übernommen hat. Die Kommunikation zwischen der Be-
rufsgruppe der Ärzte und des Pflegepersonals war mangelhaft, und
auch die Pflegeprozesse waren an den verschiedenen Bettenstationen
der Abteilung unterschiedlich.
Hauptaufgabe des neuen Vorstandes war es, die Entwicklung der
Abteilung unter der neuen Führung so auszurichten, dass einerseits
die Vorstellungen des Abteilungsleiters Berücksichtigung finden, an-
dererseits aber Akzeptanz und »commitment« für Veränderungen in
der Abteilung bei den Mitarbeitern sichergestellt werden. Zugleich
sollten die durch das Prinzip der »kollegialen Krankenhausführung«
entstandenen starren Strukturen – hier Arzt, dort Pflegekraft – mög-
lichst aufgebrochen und durch ein weniger hierarchisches Prozess-
management ersetzt werden. Verantwortlich für einen Prozess soll
zukünftig derjenige sein, der für den jeweiligen Prozess verantwort-
lich zeichnet bzw. der ihn überwiegend durchführt, unabhängig da-
von, welcher Berufsgruppe er angehört.
Im Team wurde die Vorgehensweise festgelegt, um diese Vorgaben
zu erfüllen. Abläufe wurden überdacht und als Prozess schriftlich
festgehalten.
Zugleich sollte in der Abteilung für Chirurgie ein Management-
system nach den Normen von ISO 9002 : 2000 implementiert werden.
Grundvoraussetzung für die Einführung eines Qualitätsmanage-
mentsystems ist die Erstellung eines Leitbildes, an dem sich alle wei-
teren Prozesse und die Strategie auszurichten haben. Da zu Beginn
der Vorbereitungsarbeiten des neuen Qualitätsmanagementsystems
weder das Krankenhausleitbild noch das Pflegeleitbild freigegeben
waren, musste für die Abteilung für Chirurgie ein eigenes Leitbild
festgeschrieben werden.
Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Wegen der Leitbildent-
wicklung durch Pflege oder kaufmännische Direktion wurde in der
Chirurgie ein »top down«-Zugang gewählt.
Die Beschreibung der Organisations-, Strategie- oder Leistungs-
prozesse sollte im Team durch die Betroffenen unter Einbeziehung

352
möglichst aller Mitarbeiter erfolgen. Nach Auffassung des Abtei-
lungsvorstandes der Abteilung für Chirurgie gehört aber die Erstel-
lung eines Leitbildes zu den nicht delegierbaren Leadership-Aufgaben
und sollte daher durch den Abteilungsleiter erfolgen. Natürlich wurde
das erstellte Leitbild im Nachhinein den Mitarbeitern kommuniziert
und hinsichtlich eines möglichen Widerstandes durch die Belegschaft –
auf den gegebenenfalls auch eingegangen würde – hinterfragt.
Das vom Vorstand vorgeschlagene Leitbild wurde im Rahmen einer
Personalversammlung von allen ohne Widerspruch angenommen.
Das Leitbild kann der Abbildung 6-13 entnommen werden.

Leitbild der Abteilung für Chirurgie


»Ihre Zufriedenheit ist unser Erfolg«
Wir, die Mitarbeiter der Abteilung für Chirurgie, prägen die Identität und gestalten die
Ziele der chirurgischen Abteilung.
Unsere Abteilung wird in besonderer Weise durch die Motivation ihrer Mitarbeiter ge-
prägt.
Zu unseren wesentlichen Grundsätzen gehört das Streben nach ständiger Verbesserung.
Unsere Patienten erwarten von uns hohe fachliche und menschliche Kompetenz. Aus-,
Fort- und Weiterbildung werden in besonderer Weise gefördert. Dadurch sind wir in der
Lage, unsere Fähigkeiten am aktuellen Stand der Wissenschaft zu halten.
Wir wollen partnerschaftlich zusammenarbeiten
... mit den Patienten und ihren Angehörigen
Wir binden unsere Patienten und deren Angehörige aktiv in ihren Gesundheitsprozess ein
und achten ihre Würde und ihre Persönlichkeit. Sie sollen sich bei ganzheitlicher Betreu-
ung unter den Prinzipien der Qualitätssicherung geborgen fühlen können.
... mit unseren Kollegen, Mitarbeitern und Partnern
Wir sind bestrebt, eine Kultur der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts mit-
zugestalten, die es allen Interessenspartnern der Abteilung ermöglichen soll, ihr Bestes
einzubringen.
... mit den Auszubildenden
Wir wollen ihnen nicht nur Wissen, sondern auch ein wertvolles Berufsbild in einer part-
nerschaftlichen Form vermitteln.
... mit der kollegialen Führung und dem Rechtsträger
Wir bemühen uns, die ökonomischen und strategischen Ziele der kollegialen Führung so-
wie des Rechtsträgers zu erfüllen.

Abbildung 6-13: Leitbild der Abteilung für Chirurgie des Landesklinikums Krems.

353
Das Motto »Ihre Zufriedenheit ist unser Erfolg« stand bereits aus
der Leitbildentwicklung von Verwaltung und Pflege zu Verfügung
und wurde übernommen. Mag dieser Spruch auch banal klingen, so
scheint er uns als Dienstleistungsunternehmen doch von ausschlag-
gebender Bedeutung. Die Zufriedenheit der Patienten ist letztlich
die wichtigste indirekte Kennzahl für alle erbrachten Leistungen in
einem Krankenhaus und beurteilt weit mehr als nur die Qualität der
medizinischen Betreuung.
Subjektive Aspekte wie »ernst genommen werden«, Freundlich-
keit, »sich Zeit nehmen«, oder Kommunikation sind wesentliche Ein-
flussgrößen, die in die Einschätzung von Zufriedenheit mit eingehen
und damit wesentliche Qualitätsmerkmale für Dienstleistungsbe-
triebe darstellen. Die im Mission Statement ausgedrückte Zufrieden-
heit beschränkt sich darüber hinaus nicht nur auf Patienten, sondern
bezieht sich auch auf deren Angehörige, Mitarbeiter, Studenten,
Zulieferer und Vorgesetzte.

6.3.5 Leitbild-Sicht einer Mitarbeiterin aus der Pflege

»Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer


zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und
die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht
nach dem weiten, endlosen Meer.« Dieser Satz von Antoine de
Saint-Exupéry drückt aus, was mit einem Leitbild gemeint ist.
Die Tat der Durchführung folgt dem Gedanken, ob man es will oder
nicht.
Aus einem klar formulierten Leitbild folgt eine Identität – wozu
sind wir da, was ist der Sinn unseres Tuns? Das Leitbild als Motiva-
tion in Verbindung mit der persönlichen Einzelaufgabe jedes Mit-
arbeiters zu sehen! Das persönliche Jahresziel wird, im Rahmen des
jährlichen Mitarbeitergespräches mit der Pflegedirektorin, vereinbart
und festgeschrieben. Diesem Ziel liegt immer ein Teil des Leitbildes
zugrunde. Das verleiht dem Leitbild eine zusätzliche Lebendigkeit,
denn es verschwindet dadurch nicht in der Schublade, nachdem es
mühevoll von den Mitarbeitern erarbeitet wurde.

354
»Was wollen wir in der Pflege sein bzw. werden, und was ist mein
Anteil an der Umsetzung dieser Vision, nach der wir streben?«
Die Vision wird, wie bereits erwähnt, jährlich neu kommuniziert
und sie ist für jeden sichtbar. Sichtbar heißt natürlich vorrangig,
dass das Leitbild präsent ist. Es ist für jeden lesbar auf den Stationen
angebracht, dadurch ist es für Patienten sowie deren Angehörige
transparent und jederzeit einforderbar. Das Leitbild ist somit eine
Art der Qualitätssicherung in der Pflege, bei der jeder einzelne
Mitarbeiter sich veranlasst sieht, die Qualität seiner eigenen Leis-
tung zu hinterfragen und sich sein persönliches Jahresziel vor
Augen zu führen.
Mehrere in einem Haus existierende Leitbilder, wie im Kranken-
haus Krems, auch wenn sie sich ergänzen und in keiner Weise wider-
sprechen, bergen aus der Sicht des Mitarbeiters jedoch die Gefahr der
Überflutung – »ein zu viel des Guten«. Der Mitarbeiter wendet sich
dem Leitbild zu, das seinem Jahresziel zugrunde liegt, das ihn bei
seiner täglichen Arbeit begleitet.
Es ist nicht ausreichend, das Leitbild täglich visuell zu sehen,
an ihm vorbeizugehen. Sondern es ist wichtig, mit ihm zu leben,
es zu verinnerlichen und es immer neu kommuniziert zu bekom-
men. Das Leitbild muss auch durch Patienten, Angehörige, Kol-
legen, Zulieferer und Vorgesetzte kommuniziert und eingefordert
werden. Dann und nur dann wird die persönliche Einzelaufgabe
einer jeden Pflegekraft als ein Bestandteil des Ganzen gesehen.
Als Teil eines großen Ziels, an dem es, entfernt von jeder Hierarchie
und Gruppenbildung, gemeinsam täglich zu arbeiten gilt.
Inzwischen sind am Krankenhaus Krems alle drei oben beschrie-
benen Leitbilder genehmigt und verbindlich: Hausleitbild für alle
Bediensteten des Krankenhauses, Pflegeleitbild für alle Pflegekräfte
und Chirurgieleitbild nur für die Mitarbeiter der Abteilung für
Chirurgie.
Als wesentliche Voraussetzung, dass in einem Krankenhaus drei
Leitbilder zugleich gelten können, ist anzuführen, dass alle drei das-
selbe Mission Statement verwenden und sich auch in den weiteren
Ausführungen nicht gegenseitig widersprechen.

355
6.3.6 Vom Leitbild zur Änderung der Unternehmenskultur

Die oben beschriebenen Leitbilder wurden im selben Jahr fertig


gestellt und im Rahmen einer Feier für den jeweiligen Bereich als
verbindlich erklärt.
Hinsichtlich des Pflege- und des Chirurgie-Leitbildes wird von
Seiten des verantwortlichen Managements insofern auf eine Nachhal-
tigkeit des Leitbildes geachtet, als dass das Engagement für das Leit-
bild im Rahmen der Mitarbeitergespräche regelmäßig hinterfragt
wird. In der Abteilung für Chirurgie sind beide Leitbilder in allen Sta-
tionen und Ambulanzen an zentraler Stelle als Aushang angebracht,
um den Inhalt des Leitbildes auch den Patienten und ihren Ange-
hörigen zu kommunizieren. Es ist so sichergestellt, dass das Leitbild
in der Abteilung für Chirurgie nicht nur eine leere Floskel darstellt,
sondern auch gelebt wird.
Strategische Ausrichtung der Abteilung, Mitarbeiterentwicklung,
Budgetierung usw. erfolgen unter konsequenter Ausrichtung auf das
Leitbild und bewirken so eine entsprechende Änderung des Grund-
verhaltens der Mitarbeiter. Durch das Bekanntmachen des Leitbildes
unter den Patienten und Angehörigen wird diesen Interessengruppen
bewusst das Bedürfnis und die Erwartung gefördert, in den angekün-
digten Nutzen dieses Leitbildes zu kommen. Entsprechend wird die
Erfüllung des Leitbildes erwartet und gegebenenfalls auch eingefor-
dert.
In den übrigen Abteilungen des Hauses ist die Nachhaltigkeit
lediglich hinsichtlich des Pflegeleitbildes sichergestellt, nicht aber
hinsichtlich des Hausleitbildes. Entsprechend wird hier das Leitbild
auch nur von der Berufsgruppe der Pflege gelebt, nicht aber von den
Ärzten.
Ein Einfluss des Leitbildes auf die Arbeitskultur, wie für die chi-
rurgische Abteilung beschrieben, ist für die übrigen Abteilungen
des Hauses aus diesem Grunde nicht zu beobachten.
Im Folgenden soll der Einfluss des Leitbildes auf die Unterneh-
menskultur anhand des Beispiels der Chirurgischen Abteilung
beschrieben und ein Vergleich mit einer anderen klinischen Abtei-
lung versucht werden.

356
6.3.7 Einfluss des Leitbildes auf die Betriebskultur
der Abteilung für Chirurgie

Zeitgleich mit der Entwicklung des Leitbildes wurde an der Abteilung


auch ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9002 : 2000 im-
plementiert. In der Beurteilung lässt sich aus diesem Grunde nicht
sicher feststellen, ob etwaige Kulturänderungen auf das Leitbild oder
auf das Prozessmanagementsystem zurückzuführen sind. Nach Ein-
schätzung der verantwortlichen Leitung hat aber das Leitbild den
größten Einfluss auf die Änderung der Betriebskultur während der
vergangenen Jahre gehabt.
So banal das Motto »Ihre Zufriedenheit ist unser Erfolg« auch
klingt, es hat ohne Zweifel das Verhalten der Mitarbeiter beeinflusst.
Es ist in allen Stationen und Ambulanzen an der Wand zur Einsicht
angebracht, für alle Patienten und Angehörige sichtbar. Es kommt zur
Ausbildung einer Feedback-Schleife: Die Erwartungen der Patienten
steigen durch die Ankündigungen im Leitbild. Dies beeinflusst auch
das Verhalten der Mitarbeiter zu einer Befriedigung der Patienten-
erwartungen, gefolgt von einer Erhöhung der Patientenzufriedenheit.
Medien nehmen Notiz von Veränderungen und berichten darüber, die
Erwartungshaltung der Patienten steigt weiter, und die Feedback-
schleife setzt sich in positiver Weise fort. Sofern von Seiten der Abtei-
lung den Erwartungen auch entsprochen werden kann, entwickelt
sich ein positives Image, welches von von Eiff als »Magnetspital« be-
zeichnet wird (vgl. Kapitel 3.1).
Um den Grad der Patientenzufriedenheit zu evaluieren und mit an-
deren Abteilungen vergleichen zu können, haben wir uns an einem
Benchmarkprojekt »Patientenorientierung« beteiligt, organisiert vom
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen.
Projektziel war, die Lebensqualität und Zufriedenheit von Patienten
und Mitarbeitern zu evaluieren und zu verbessern. 23 Krankenhäuser
haben sich mit je einer internistischen und einer chirurgischen
Abteilung an dem Projekt beteiligt.
Zu Beginn des Projekts wurde eine Patienten- und Mitarbeiter-
befragung durchgeführt, um die Ausgangssituation zu erfassen. Nach
Auswertung der Fragebögen durch die Studienzentrale wurde ein

357
Ranking der teilnehmenden Abteilungen hinsichtlich Mitarbeiter-
und Patientenzufriedenheit erstellt. Die chirurgische Abteilung un-
seres Krankenhauses lag dabei an fünfter Stelle von 21 Chirurgien,
während die Abteilung für Innere Medizin Rang 17 von 20 teilneh-
menden internen Abteilungen belegte.
In der Interpretation dieser Ergebnisse kamen wir zur Über-
zeugung, dass der Hauptgrund für das bessere Abschneiden der chi-
rurgischen Abteilung in erster Linie im konsequenten Bestreben der
Mitarbeiter nach Einhalten des Leitbildes zu finden ist. Wir fühlen
uns durch dieses Ergebnis in unserer Politik bestärkt, alle Aktivitäten
der Abteilung nach dem Ziel der Leitbilderfüllung auszurichten.
Die Abteilung für innere Medizin hat aus den Ergebnissen der Ein-
gangsbefragung von Mitarbeitern und Patienten insofern Konsequen-
zen gezogen, als dass sie aus dem Benchmark-Projekt ausgestiegen
ist.

6.4 Ideenwettbewerb in der Praxis –


»Domuz eti yermisiniz?«

Petra Conradi

Das ist Türkisch und bedeutet: »Essen Sie Schweinefleisch?« »Haben


Sie Allergien?«, »Brauchen Sie eine Schlaftablette?«. Dies sind Bei-
spiele für Fragen an Patientinnen und Patienten, die in Anita Cron-
jaegers Arbeitsalltag häufig vorkommen. Doch nicht jeder, der zur Be-
handlung in die Universitätsklinik Münster kommt, versteht
genügend Deutsch, um diese pflegerelevanten Fragen zu verstehen
und auch beantworten zu können. Einerseits wird die deutsche Ge-
sellschaft selbst immer multikultureller, andererseits suchen auch Pa-
tienten aus dem Ausland, bislang hauptsächlich aus den Niederlan-
den, die Universitätsklinik auf, um sich von den hiesigen hoch
qualifizierten Spezialisten behandeln zu lassen. Klar, zur Not geht es
auch mit Händen und Füßen. Doch es wäre besser, wenn die Patien-
ten, zumindest mittelbar, in ihrer Landessprache angesprochen wür-
den, fand Anita Cronjaeger.

358
Die ausgebildete Krankenschwester arbeitet auf der Station 16 A Ost
(Urologie/Strahlentherapie) »Mit Türkisch habe ich dann angefan-
gen, nur für mich«, berichtet die Bayerin, die vor drei Jahren mit ih-
rem Mann und dem jetzt siebenjährigen Sohn aus Bad Reichenhall
nach Münster kam und direkt eine Anstellung in der Universitäts-
klinik Münster fand. In Anlehnung an den Aufnahmefragebogen
formulierte Cronjaeger insgesamt 40 Fragen, eingeteilt in die Kate-
gorien »Essen und Trinken«, »Ruhen und Schlafen«, »Ausscheidung«,
»Pflegen und Kleiden«, »Sich wahrnehmen«, »Bewegen und Dre-
hen«, »Allgemeines« und übersetzte sie ins Englische.
Alle Fragen sind durch Kopfschütteln oder andere Gesten leicht
beantwortbar. Schnell fanden sich in Cronjaegers großem Freundes-
kreis, zu dem auch viele Ausländer zählen, Freiwillige, die die Fragen
ins Niederländische und Russische übersetzten. Dr. Majed Ibrahim,
Assistenzarzt in der Strahlentherapie, fertigte auf seiner Schreibma-
schine schließlich noch die Übertragung ins Hocharabische an.
Erfolgreich eingeführt werden konnte Anita Cronjaegers 20-seiti-
ges Übersetzungsheft, weil sie ihr Projekt als Vorschlag im Rahmen
des Betrieblichen Ideenwettbewerbs eingereicht hat. Hier wurde
dafür gesorgt, dass es in 200-facher Auflage gedruckt und an alle
Stationen des Klinikums verteilt wurde. Seitdem wird das Heft im
Bedarfsfall von den Kolleginnen und Kollegen gern genutzt, um
Verständigungsschwierigkeiten mit ausländischen Patienten aus dem
Weg zu räumen. Für ihren Vorschlag hat Anita Cronjaeger bei der Ur-
kundenverleihung durch Dr. Gotthardt im April eine Prämie erhalten.
Besonders hervorgehoben wurde hier ihre Eigenleistung. Denn sie
hat nicht nur eine Idee geliefert, sondern diese auch gleichzeitig um-
gesetzt. So freut sich die Mitarbeiterin über einen Zuschuss für die
Haushaltskasse.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion: Pulsschlag,


Zeitschrift für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKM.

359
6.5 Die Universitätsklinik Münster: Kunst im Krankenhaus
prägt die Kultur des Krankenhauses und dessen
Erscheinungsbild

Wilfried von Eiff

Der Servicebereich eines Krankenhauses, der neben den klassischen


Wahlleistungen auch weitere Sonder- und Zusatzleistungen umfasst,
wird zukünftig in doppelter Hinsicht an Relevanz gewinnen: als zu-
sätzliche Einnahmequelle des Krankenhauses und vor allem als ein
wesentliches Kompetenzmerkmal zur Differenzierung im Wettbe-
werb. Dies belegen aktuelle Studien über Patientenzufriedenheit und
Einflussfaktoren bei der Wahl eines Krankenhauses: Art und Umfang
der angebotenen Serviceleistungen haben einen zunehmend hohen
Einfluss auf die Krankenhauswahl sowie die Bewertung eines statio-
nären Aufenthaltes. Sieger im Kampf um die Gunst des Patienten
werden dabei diejenigen Krankenhäuser sein, die neben den gän-
gigen Sonderleistungen originelle Angebote mit differenzierender
Wirkung am Markt entwickeln.
Vor diesem Hintergrund sind Kunst und Kultur in den vergan-
genen Jahren zu einem neuen Betätigungsfeld im Service des Kran-
kenhauses und zu einem nicht zu unterschätzenden Marketingfaktor
geworden. Immer mehr Krankenhäuser bieten ihren Patienten neue
Möglichkeiten für eine sinnvolle »Freizeitgestaltung« in Form von
Ausstellungen, Konzerten, Theater, Tanz, Malerei und sonstigem En-
tertainment. Erste empirische Evaluationen zeigen dabei, dass Kunst
und Kultur im Krankenhaus helfen,
– einen Beitrag zu einer ganzheitlichen Patientenversorgung im
Sinne einer körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheits-
förderung zu leisten,
– Angst während des Krankenhausaufenthalts abzubauen und (ins-
besondere bei Kindern) Vertrauen und Compliance zu verstärken,
– die Identifikation der Mitarbeiter mit dem eigenen Haus zu
erhöhen sowie
– neue Kontaktmöglichkeiten zwischen dem Krankenhaus und
Besuchern sowie der sonstigen Öffentlichkeit zu schaffen.

360
Im Rahmen des Projekts »Kultur im Pulse« bieten die Universitäts-
kliniken Münster seit 1993 über 700 Kulturveranstaltungen im Jahr
für Patienten, Besucher, Angehörige und Mitarbeiter an. Überregio-
nale Anerkennung kommt dem Kulturreferat insbesondere aufgrund
seiner Förderung des Einsatzes von Klinik-Clowns im Krankenhaus-
sektor zu. Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts
untersuchte das CKM im Auftrag des Kulturreferats den Stellenwert
des angebotenen Programms aus Sicht der stationären Patienten.
Die durchgeführte Studie ergab: Kulturelle Angebote im Kranken-
haus werden von den Patienten grundsätzlich geschätzt und im Rah-
men ihres Krankenhausaufenthaltes zur Kenntnis genommen.
– 85 Prozent der befragten Patienten bekundeten ein grundsätz-
liches kulturelles Interesse.
– 90 Prozent der Befragten bewerteten die Idee, Kultur im
Krankenhaus anzubieten, mit sehr wichtig oder wichtig.
– 71 Prozent der Befragten wussten von der Existenz des Kultur-
programms und hatten sich zum Teil mit dem Programm
auseinander gesetzt.

Und dennoch: Von den befragten Patienten nahmen lediglich 25 Prozent


die kulturellen Angebote der Universitätsklinik Münster wahr. Wie erklärt
sich diese Diskrepanz zwischen Interesse und tatsächlicher Teilnahme?
Zentrale Ursachen hierfür sind zum einen in einer eingeschränkten
Mobilität der Patienten und zum anderen in einer zu dezenten inter-
nen »Vermarktung« der kulturellen Veranstaltungen zu sehen. Gemäß
dem Motto »Tue Gutes und rede darüber!« gestaltet sich die Kultur-
arbeit im Krankenhaus damit zum klassischen Marketing-Problem.
Krankenhäuser sollten sich neben einer patientenorientierten Pro-
grammgestaltung mit folgenden Fragen auseinander setzen:
– Wie können wir den Patienten vor, während und nach seinem
Aufenthalt über die Inhalte, Veranstaltungszeiten und -orte
unseres Kulturprogramms effektiv informieren?
– Wie können wir unsere Patienten zu einer tatsächlichen Teilnahme
motivieren?
– Wie können wir unser Kunst- und Kulturangebot zu einer eigen-
ständigen Servicemarke weiterentwickeln?

361
6.6 Das Istituto Europeo di Oncologia –
Patienten und Angehörige in Grenzsituationen
durch eine besondere Unternehmenskultur begleiten

Theresia Hardegger

Dank einer vierwöchigen Weiterbildung war mir als Fachärztin für


Onkologie und Hämatologie die Gelegenheit geboten, meine bisheri-
gen Kenntnisse und Erfahrungen im »Istituto Europeo di Oncologia«
in Mailand zu überprüfen und damit unter anderen Rahmenbedin-
gungen als gewohnt zu vertiefen. In freier Auswahl der Aspekte
möchte ich im Folgenden kurz darüber berichten.
Baulich erhebt sich das Zentrum als dreistöckiges, geräumiges
Atrium-Gebäude im Süden von Mailand im Grünen, mit Sicht auf die
Alpen im Norden. Vor den Eingangsportalen herrscht reger Verkehr;
Taxi und Kleinbusse bringen oder holen Patienten, die häufig von
Angehörigen begleitet sind, und Personen, die das Zentrum auf-
suchen. Im Verlauf meines Aufenthalts erkenne ich die Bedeutung
des Zentrums auch darin, dass Patienten aus ganz Italien und aus
dem südeuropäischen Raum anreisen. Einigen von ihnen und ihren
Begleitungen bin ich häufig begegnet: in einem Kleinbus beim Trans-
fer vom Hotel und zurück.
Das Zentrum empfängt die Patienten in zwei großzügigen Ein-
gangshallen mit vielen bequemen Sitz- und Wartemöglichkeiten.
Zwei Schrifttafeln geben einen Überblick über die vielseitigen Dienst-
leistungen des Zentrums. Das Angebot ist beeindruckend: Neben der
medizinischen Onkologie findet sich je eine Abteilung für Hämato-
logie und Transplantationen, Thorax- und Viszeralchirurgie, Gynä-
kologie (Mammotome-Vakuumbiopsie), Urologie, Gastroenterologie,
Kardiologie und für Radiotherapie.
Die diagnostischen Anliegen erfüllen je eine Abteilung für Radio-
logie und Nuklearmedizin (mit CT, MRI und PET-Scan) sowie für
Pathologie. Zugeordnet sind zudem auf der dritten Etage diverse For-
schungslabors. Auch den allgemeinen Bedürfnissen der Ärzte, des
Personals, der Patienten und der Besucher wird aufmerksame Beach-
tung zuteil. Ein gut eingespieltes Team bedient und verwöhnt jeweils

362
von 12 bis 15 Uhr Mitarbeiter und Besucher des Zentrums mit einem
reichhaltigen, qualitativ und preislich vorzüglichen Menü-Angebot.
Aufgefallen ist mir, dass Ärzte und Personal die Mahlzeiten nicht in
ihren Berufskleidern einnehmen. Erwähnenswert ist ebenfalls ein
stiller Raum im dritten Stock, die Kapelle, die nicht nur von Patienten
rege besucht wird.
Die medizinische Onkologie verfügt nebst der stationären Abtei-
lung über ein Ambulatorium und eine Tagesklinik. Letztere besteht
aus einem einzigen Raum (Octagon) mit zehn Liegeplätzen für
ambulante Therapien. Die stationäre Abteilung verfügt über maximal
30 Betten (Zwei-Bett-Zimmer). Die Chemotherapeutika werden nach
schriftlicher Bestellung via Apotheke zentral zubereitet und auf die
Abteilungen geliefert. Oft werden Infusionen zur kontinuierlichen
Verabreichung über mehrere Tage vorbereitet. Ein- und Austritte an
jedem Tag sind die Regel, entsprechend hoch ist die Belegung der Bet-
ten.
Die Planung der Hospitalisationen und die damit gleichzeitig vor-
gesehenen diagnostischen Untersuchungen werden mit der Ober-
schwester abgesprochen und von ihr veranlasst. Sie persönlich ruft
die Patienten am Vortag einer Hospitalisation an, um sie daran zu
erinnern und sicherzustellen, dass die notwendigen Dokumente mit-
gebracht werden. Bei notfallmäßigen Hospitalisationen findet sich
immer eine Lösung, selbst in anderen Abteilungen.
In der Regel führen zwei Ärzte eine Abteilung mit etwa zehn
Patienten, wobei ein Assistenzarzt mit Erfahrung einen jüngeren Kol-
legen beruflich einführt und kontrolliert. Diverse Oberärzte bzw. lei-
tende Ärzte, die ein oder mehrere Spezialgebiete betreuen, begleiten
und beraten ihrerseits die ihnen unterstellten Assistenzärzte, wenn
sich entsprechende Probleme ergeben. Auch die Assistenzärzte ha-
ben und pflegen ihre Spezialgebiete; sie werden dazu veranlasst,
ihren Wissensvorsprung darzulegen, sich in Diskussionen argumen-
tativ zu behaupten und/oder sich an Behandlungsprotokollen zu
beteiligen.
Die Motivation zur Behandlung gemäß einem Therapieprotokoll
(Phase I, II) ist groß, bietet dies doch einerseits für den hauptverant-
wortlichen Arzt die Möglichkeit einer Publikation, andererseits profi-

363
tiert auch das Zentrum, indem ihm daraus Mittel zufließen. Die Be-
handlung gemäß diesen Protokollen hat überdies zur Folge, dass eine
Reihe von Data-Managerinnen mitbeschäftigt sind: Expertinnen in
der Studie, die sie betreuen.
Ein augenfälliges und hörbares Gütezeichen des Zentrums ist die
interne Kommunikation zwischen dem Pflegeteam und den Ärzten
sowie unter den Ärzten der verschiedenen Abteilungen. So finden
diverse Tumorboards statt (gastroenterologische, urologische, senolo-
gische). Die senologische Tumorfallbesprechung ist in ihrer Vielfalt
beeindruckend, werden doch wöchentlich von Prof. Dr. Goldhirsch
30 bis 40 Mammakarzinomfälle – schriftlich detailliert – den Chirur-
gen, Radiotherapeuten, Onkologen und Pathologen vorgestellt: etwa
2600 Fälle pro Jahr! Die therapeutischen Empfehlungen werden in-
nerhalb von 24 Stunden elektronisch an die behandelnden Ärzte
weitergeleitet.
Forschungserkenntnisse werden im kleinen Kreis mit den zustän-
digen Spezialärzten diskutiert; in kürzester Zeit wird ein Behand-
lungsprotokoll entwickelt, redigiert und für die Behandlung ange-
boten. In Fortbildungsanlässen, die wöchentlich einmal stattfinden,
werden diese Ergebnisse dem ganzen Team vorgestellt und kritisch
hinterfragt.
Wer als Arzt tätig ist, trägt einen Pager und ein Handy. Damit ist er
jederzeit ansprechbar für die Patienten, die nach Studienprotokollen
(Phase I oder II) behandelt werden – oder der Arzt selbst tritt in Kon-
takt mit ihnen für einen Follow-up. Die Ärzte schreiben die Antritts-
berichte ihrer Patienten auf dem Computer selbst und geben den
Patienten, die sie entlassen, schriftliche Therapie- und Verhaltens-
anweisungen bei Komplikationen mit. Sie setzen den Zeitpunkt für
Blutuntersuchungen und den nächsten Zyklus fest. Im Vergleich zu
anderen Zentren sind Sekretärinnen rar.
Und es bleibt ein nachhaltiger Gesamteindruck: Das »Istituto
Europeo di Oncologia« in Mailand behandelt und betreut vor allem
Patientinnen mit Mammakarzinomen nach neuesten Erkenntnissen,
entwickelt laufend innovative Behandlungsprotokolle und pflegt eine
verbale und elektronische Kommunikation auf hohem Niveau. Es hat
mich stets beeindruckt, wie engagiert, kollegial und motiviert die Mit-

364
arbeiter auf allen Stufen und in allen Dingen mitdenken und zu-
sammenwirken. Dieses Zentrum erfüllt seine Aufgabe hervorragend;
es verdankt seine Qualität vor allem einer soliden und umsichtigen
Strategie sowie einer menschlich offenen und kompetenten Führung,
die Prof. Dr. Goldhirsch wahrnimmt. Niemand ist ausgegrenzt, alle
sind einbezogen. Auch ich war Teil des Teams.

6.7 Kulturwandel als Unternehmensaufgabe –


Die Umsetzung des Leitbildes in der
St. Franziskus-Stiftung

Michael Fischer

Jedes Unternehmen hat ein eigenes Gesicht. Nicht nur einzelne


Personen besitzen eine Identität, sondern auch Organisationen als
Ganzes. Zumeist prägen die Gründungsväter und Gründungsmütter
entscheidend das Gesicht und die Identität eines Unternehmens.
Diese Identität drückt sich in seiner Kultur aus, vor allem in seinen
Denkmustern, Wertorientierungen, Einstellungen, Verhaltensnor-
men und seiner Organisationsstruktur (Peter 1995).
Dabei ist die Kultur eines Unternehmens nicht für alle Zeiten fest-
gelegt, sondern dem Wandel unterworfen. Unternehmen sind keine
naturwüchsigen Systeme, deren Kultur gleichsam schicksalhaft
bestimmt und vorgegeben wäre. Sie werden vielmehr von Menschen
gestaltet, die sich für die Erreichung ihres Unternehmensziels be-
stimmte Strukturen und Regeln geben. Die Kultur eines Unter-
nehmens entwickelt sich also dadurch, dass sie von innen her ge-
plant, geleitet und gelenkt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass
Unternehmenskulturen beliebig planbar und gestaltbar sind und je
nach Lage der Dinge von heute auf morgen grundlegend verändert
werden könnten. Vielmehr reifen und gedeihen Unternehmenskultu-
ren in längeren Zeitspannen, vielleicht vergleichbar mit der Persön-
lichkeit eines Menschen.
Es gibt Zeiten, in denen Unternehmenskulturen über lange Pha-
sen hinweg sehr stabil sein können und auch keine äußeren Anlässe

365
existieren, die Kultur des Unternehmens zu verändern oder weiter zu
entwickeln. Es gibt allerdings auch Zeiten, in denen Unternehmen
durch den Wandel der Rahmenbedingungen gar nicht anders kön-
nen, als ihre Kultur zu überdenken und den neuen Erfordernissen
anzupassen. So ergeht es zurzeit der St. Franziskus-Stiftung Münster
und deren Einrichtungen. Herausgefordert durch den turbulenten
Transformationsprozess im Gesundheitswesen, der durch den Um-
bau des Sozialstaats bedingt ist, sowie durch ordensinterne Verände-
rungen, steht die St. Franziskus-Stiftung vor epochalen und neuen
Herausforderungen, die auch einen enormen Einfluss auf die Weiter-
entwicklung der Unternehmenskultur zeigen. Weiterentwicklung –
das legt dieser Begriff schon nahe – bedeutet keinen Bruch mit der ei-
genen Tradition, sondern Veränderung gerade in Bewahrung der Tra-
dition.

6.7.1 Kulturwandel in der St. Franziskus-Stiftung

Die St. Franziskus-Stiftung ist Trägerin mehrerer Krankenhäuser,


Altenheime und Behinderteneinrichtungen in Nordrhein Westfalen
mit derzeit ungefähr 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die Stiftung geht zurück auf die Ordensgemeinschaft der Franzis-
kanerinnen Münster-St. Mauritz, die auf eine über 160-jährige
Geschichte im Dienste kranker und gebrechlicher Menschen zurück-
blicken kann. Gegründet wurde sie im Jahre 1844 in Telgte. Seitdem
ist sie national und international vor allem in der Krankenpflege
tätig. Damit leisten die Schwestern des Ordens und die Mitarbeiter
der Fachkliniken und der Akutkrankenhäuser seit langem einen
wertvollen Beitrag zur Behandlung und Betreuung kranker Men-
schen.
Die Wurzeln der ersten Krankenhausgründungen liegen in der
christlichen Tradition. Schon in den ersten Jahrhunderten nach Chri-
sti Geburt haben sich Ordensgemeinschaften in so genannten Hospi-
zen um Reisende, Kranke und Bedürftige gekümmert. Eine enorme
Gründungswelle von Krankenhäusern gab es im 19. Jahrhundert, als
in Folge der zunehmenden Industrialisierung weite Teile der Bevöl-

366
kerung verarmten. Es kam zu vielen Ordensgründungen, die sich der
Krankenpflege annahmen. Ebenso wurden zahlreiche ordenseigene
oder kirchliche Hospitäler errichtet.
In diese Zeit fällt auch die Geburtsstunde der Ordensgemeinschaft
der Franziskanerinnen Münster-St. Mauritz. Mit bescheidenen Mit-
teln und nur wenigen Frauen begann ihr Dienst, um bedürftigen und
kranken Menschen in ihrer Not zu helfen. Doch der bescheidene wie
ärmliche Anfang strahlte in seiner Glaubwürdigkeit aus und bewegte
viele junge Frauen, sich dieser Bewegung anzuschließen. Die Zahl
der Ordensschwestern wuchs und parallel dazu die Anzahl ihrer
barmherzigen Werke. Eine Erfolgsgeschichte – weltweit! Der Orden
und seine Werke entwickelten sich zu einem ansehnlichen Unter-
nehmen (Frese 1994; Elsner 1948).
Einen deutlichen Einbruch im Gedeihen der barmherzigen Werke
gab es durch den Rückgang der Ordensschwestern. Immer weniger
Frauen wollten sich der Ordensgemeinschaft in einer lebenslangen
Verpflichtung für den heilenden Dienst anschließen. Weil also der
Nachwuchs im Orden ausblieb, konnte die Ordensgemeinschaft im-
mer weniger Schwestern für die Versorgung kranker Menschen in die
Krankenhäuser schicken. Nach und nach wurden die Ordens-
schwestern durch so genanntes freies Personal ersetzt, also Kranken-
schwestern, die nicht der Ordensgemeinschaft angehören. Heute
sind nur noch vereinzelt Ordensschwestern in der Versorgung kran-
ker Menschen tätig.
Aufgrund dieser prekären Personalsituation – das Durchschnitts-
alter der Ordensschwestern beträgt immerhin 71 Jahre – musste sich
der Orden überlegen, was mit seinen Krankenhäusern geschehen
sollte. Die Entscheidung ist gefallen: Die Schwestern haben die Ver-
antwortung für die Krankenhäuser in »weltliche« Hände übergeben,
weil sie sich nicht mehr in der Lage sehen, sie in eine marktum-
kämpfte Zukunft zu führen.
Diese Übergabe der ordenseigenen Werke markiert einen tiefen Ein-
schnitt in das Selbstverständnis des Ordens, denn sie übergaben nicht
nur Einrichtungen, sondern einen wesentlichen Teil ihres Lebens-
werks. Die Generaloberin der Franziskanerinnen Münster-St. Mauritz,
Mary Ann, drückte dies in ihrer Ansprache anlässlich der Feier zur

367
Übergabe der ordenseigenen Krankenhäuser in die hierfür gegrün-
dete St. Franziskus-Stiftung sehr deutlich aus:
»Dieses Ereignis ist wirklich ein schmerzvolles für uns Schwes-
tern, aber gleichzeitig ist es auch eine Zeit, um über eine neue Vision
für unsere Zukunft nachzudenken . . . Wir selber lebten sehr arm und
waren Tag und Nacht verfügbar für jene, die unseren Dienst brauch-
ten. Wir waren sehr glücklich und verbreiteten unsere Freude bei
allen, mit denen wir zusammentrafen. Wir gaben bereitwillig unser
ganzes Leben für die Menschen und wurden immer wieder gestärkt
durch unser Gebet und die heilige Eucharistie . . . Wir alle fanden
unsere größte Zufriedenheit und Erfüllung darin, dass wir Christi
heilende Hände für die Geringsten der Brüder und Schwestern sein
durften . . .
Diejenigen von Ihnen, die nun die Verantwortung übernommen
haben für die Fortsetzung des Apostolates der Schwestern in unseren
Hospitälern, haben ein sehr, sehr wertvolles Erbe erhalten. Ihnen ist
viel mehr anvertraut worden, als nur Land, Gebäude und Geld. In
Ihre Hände gelegt sind die Tradition von 160 Jahren hingegebenen
Dienstes an den Kranken, 160 Jahre persönliches Opfer und 160 Jahre
vom Gebet getragenes Engagement. Ihnen ist die Geschichte und das
geistliche Vermächtnis, das in den Herzen und im Geist der Schwes-
tern lebendig ist, anvertraut.«
Es kann wohl kaum deutlicher in Worte gefasst werden: Es geht bei
der Übergabe nicht nur um Gebäude, es geht nicht nur um Vermö-
gen und es geht nicht nur um Grund und Boden, vielmehr geht es im
Kern um eine über Jahre gewachsene Unternehmensidentität und
-kultur. Diese Kultur – so ist es in die Stiftungsurkunde eingeschrie-
ben – gilt es ohne die Anwesenheit der Ordensschwestern zu be-
wahren und fortzuführen. Waren bislang die Ordensschwestern als
Personen die Garantie dafür, dass es sich um ein christliches Kran-
kenhaus handelt, ist das in Zukunft nicht mehr der Fall.
Gleichwohl ist der Stiftung die Weiterführung des geistlichen
Erbes der Franziskanerinnen aufgetragen. Die Generaloberin drückt
in der Feier ihre Hoffnung aus: »Wir glauben, dass Sie unser Erbe
weitertragen, unser Erbe der Liebe und des Dienstes an den Kranken,
den Armen, den Ausgestoßenen und allen, die nicht für sich selbst

368
sorgen können. . . . Tragen Sie dieses kostbare Erbe mit seiner Vision,
der Philosophie der Pflege, des Mitgefühls, der Freude und des Enga-
gements tief in Ihrem Herzen.«
Für die Stiftung und deren Krankenhäuser geht es darum, dieses
Erbe anzunehmen, es als ihren zentralen Auftrag zu verstehen und
es immer neu im unternehmerischen Gestalten, Lenken und Leiten
umzusetzen. Dies ist sowohl eine auf das gesamte Unternehmen be-
zogene Herausforderung als auch Auftrag an jede Mitarbeiterin und
jeden Mitarbeiter.
Dieses Erbe umzusetzen ist schon Auftrag genug. Erschwert wird
dieser Auftrag noch durch die derzeitigen Rahmenbedingungen im
Gesundheitswesen: Der Sozialstaat ist an die Grenzen seiner Finan-
zierbarkeit gelangt. Wesentliche Säulen des Sozialstaates werden daher
zurzeit umgebaut, so auch das Gesundheitswesen. Erkennbare Re-
formlinien der bereits begonnenen Transformation sind: die Vergü-
tung anhand von Fallpauschalen (DRG-System), die zunehmende Auf-
hebung der Sektorengrenzen sowie strukturelle Veränderungen in der
Versorgung der Patienten. Das erstrebte Reformziel ist die Entwick-
lung von fairen Preisen (gleiche Vergütung für gleiche Leistung), die
Förderung des (Qualitäts-)Wettbewerbs zwischen den Krankenhäu-
sern und der Einstieg in, bzw. der Umbau zu einer marktgerechten
Krankenhauslandschaft (Klauber, Robra und Schellenschmidt 2004).
Es ist deutlich geworden: Sowohl die Entwicklung innerhalb des
Ordens und die daraus folgende Übergabe der Krankenhäuser in eine
Stiftung, als auch die Veränderung der äußeren Rahmenbedingun-
gen, unter denen Krankenhäuser in Zukunft agieren müssen, stellen
die St. Franziskus-Stiftung vor die Transformationsaufgabe, sich dem
Markt anzupassen ohne dabei ihr franziskanisches Erbe aus den
Augen zu verlieren.

6.7.2 Ein Leitbild als Grundstein einer Unternehmenskultur

Wer sich auf den Weg macht, tut gut daran, sich vor dem Aufbruch
auf ein gemeinsames Ziel und auf gemeinsame Werte zu besinnen.
Aus diesem Grund haben sich die Verantwortlichen für die Entwick-

369
lung eines Unternehmensleitbildes verständigt. Natürlich hatte auch
der Orden ein großes Interesse an der Entstehung eines Leitbildes,
weil die Ordensschwestern ja nicht nur ihre Werke, sondern ebenso
ihre damit verbundenen Werte weitergeben wollten.
Ein Leitbildprozess soll einen Raum schaffen, in dem die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter einer Organisation sich auf gemeinsame
– unter Umständen auch vorgegebene – Werte verständigen können.
Daher inszenieren Leitbildprozesse sozusagen einen kreativen Werte-
und Zielaushandlungsprozess (Fischer 2003; zur Übersicht über das
Thema Leitbild vgl. auch Matje 1996 und zum Prozessdesign einer
Leitbildentwicklung im Krankenhaus Ehrhardt und Röhrßen 1996).
Dies gelingt natürlich nur, wenn die Mitarbeiter in einem ange-
messenen Maß an der Entstehung des Leitbildes beteiligt sind. Wenn
Organisationen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern ein Leitbild ent-
wickeln, so spüren diese, dass sie ernst genommen werden und dass
ihre Gedanken und Anregungen für die Leitung wichtig sind. Dieses
Vertrauen, das den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegen-
gebracht wird, ist ein entscheidender Schritt zu einem guten Für- und
Miteinander.
Es gibt auch eine andere Möglichkeit: Leitbilder werden – von wem
auch immer – entwickelt und den Mitarbeitern »geschenkt«. Das geht
mitunter schnell und ist daher der Vorteil einer solchen Vorgehens-
weise. Wenn sich aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mit
diesem Leitbild identifizieren, dann ist es nicht ihr Leitbild und sie
werden sich kaum dafür stark machen. Man hat also genau das
Gegenteil von dem erreicht, wofür ein Leitbild stehen soll: für die
dauerhafte Identität einer Organisation und ihrer Mitarbeiter.
Abbildung 6-14 verdeutlicht das Prozessdesign einer Leitbildent-
wicklung. Die Verantwortung für die Entwicklung eines Leitbilds liegt
immer bei der Unternehmensleitung. In Variante eins ist der Prozess
der Entstehung sehr schlank gehalten. Man kann hierbei eigentlich
nicht von einer gemeinsamen Entwicklung sprechen, sondern tref-
fender von einer Leitbildvorgabe. Der Vorteil: Es werden Kosten und
Zeit gespart, aber – und das ist der damit verbundene Nachteil – es ist
nicht das Leitbild der Mitarbeiter, mit dem sie sich identifizieren kön-
nen. Allerdings muss die durch dieses schlanke Verfahren einge-

370
Abbildung 6-14: Entwicklung eines Leitbilds.

sparte Zeit darauf verwendet werden, den Mitarbeitern zu erklären,


dass dies nun ihr Leitbild ist. Zweifel sind angebracht, ob das über-
haupt gelingen kann.
Variante zwei und drei wählen einen anderen Weg. Die Verantwor-
tung für die Erstellung liegt zwar auch bei der Leitungsebene, aber die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Subjekte des Entwick-
lungsprozesses, weil sie in angemessener Weise am Entstehungs-
prozess beteiligt sind. Die beiden Varianten unterscheiden sich ledig-
lich in der Intensität der Beteiligung: Je breiter die Raute wird, umso
mehr sind die Mitarbeiter einbezogen. Wie basisorientiert das Pro-
zessdesign angelegt wird, hängt von der Branche und dem jeweiligen
Unternehmen ab. Wer seine Mitarbeiter einbezieht, unterstellt ihnen
ein hohes Maß an Reife.
Für die St. Franziskus-Stiftung war klar, dass das Leitbild unter
möglichst breiter Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
entwickelt werden sollte. Der Startschuss für die Leitbildentwicklung
wurde im Jahr 1995 gegeben. In so genannten Informations- und Mo-
derationsveranstaltungen erstellten die Mitarbeiter zunächst eine Ist-
Analyse, um dann im weiteren Fortgang gemeinsame Leitlinien zu

371
erarbeiten. Die Mitarbeiter trafen sich in ihren Hospitälern, um mit
den Kollegen vor Ort um die anstehenden Themen zu besprechen.
Hospitalübergreifende Treffen koordinierten den Diskussionsprozess
und bündelten die Ergebnisse.
Das Prozessdesign war streng an der Maßgabe ausgerichtet, einen
breit angelegten Dialog zu ermöglichen. In dessen Verlauf konnten
die Interessen der Ordensschwestern, der Unternehmensleitung so-
wie der Mitarbeiter in einen konstruktiven, durchaus auch kontrover-
sen und gut ausbalancierten Dialog gebracht werden. Der gesamte
Prozess dauerte 18 Monate.
Das Ergebnis liegt als formuliertes Leitbild vor, das den Anforde-
rungen eines zukunftsweisenden Managements gerecht wird, zu-
gleich aber auch wesentliche Elemente franziskanischer Spiritualität
enthält. Einleitend ist das Selbstverständnis der Franziskanerinnen
dargestellt. Es folgen Kapitel zu den Themenbereichen »Der Pa-
tient«, »Die Zusammenarbeit«, »Das Unternehmen« und »Das Hos-
pital und die Öffentlichkeit«. In den jeweiligen Kapiteln ist ausführ-
lich beschrieben, wie die Konkretion der Themenbereiche aussehen
soll, wie beispielsweise eine gute Zusammenarbeit umgesetzt wer-
den kann.

6.7.4 Maßnahmen zur Umsetzung des Leitbilds

Das Leitbild ist der Grundstein für die Ausgestaltung der Unterneh-
menskultur. Ein Grundstein allein ergibt aber noch kein Haus oder
ein Unternehmen. Der Grundsteinlegung folgen weitere Bauab-
schnitte, die aufgemauert auf dem Grundstein ein Gesamtwerk
entstehen lassen. Dazu gehören viele Schritte der Unternehmens-
entwicklung, die als weitere Bausteine für die Ausgestaltung des
Unternehmens und seiner Kultur folgen müssen. Daher heißt es
wohlweislich im Schlusswort des Leitbilds: »Mit unserem Leitbild
haben wir ein Ziel definiert, an dem wir uns zukünftig orientieren
wollen. Um die im Leitbild formulierten Ansprüche spürbar werden
zu lassen, ist es uns ein großes Anliegen, die Umsetzung voranzu-
bringen und uns selbst immer wieder aufs Neue mit unseren Anfra-

372
gen und Vorstellungen aktiv einzubringen.« (»In guten Händen«,
Leitbild der Hospitalgesellschaften der Franziskanerinnen Münster-
St. Mauritz).
Um die Umsetzung eines Leitbildes voranzubringen, bedarf es
einer umfassenden Strategie, die in der Unternehmensführung ver-
ankert ist. Es genügt nicht, die Inhalte eines Leitbildes allen Mitarbei-
tern und Mitarbeiterinnen bekannt zu machen gemäß der floskel-
haften Formel: Das Leitbild muss kommuniziert werden. Leitbilder
werden nicht mit Sonntagsreden, sondern im Alltagshandeln umge-
setzt. Aus dem Leitbild müssen konkrete Projekte erwachsen, die zu
einem kontinuierlichen Prozess ausgestaltet werden.
Was wird beispielsweise getan, um eine berufsübergreifende Zu-
sammenarbeit zu unterstützen? Mit welchen Maßnahmen fördert die
Personalabteilung ihre Mitarbeiter? Gibt es ein professionelles Projekt-
management? Werden Prozessabläufe hinterfragt und verändert? Erst
wenn die Inhalte eines Leitbildes in konkreten Projekten bearbeitet
werden, sollte von einer Umsetzung des Leitbildes gesprochen werden.
In der theoriegeleiteten Diskussion über Leitbilder ist viel über den
Sinn und die Bedeutung von Leitbildern die Rede, von der unbeding-
ten Notwendigkeit, Leitbilder in den betrieblichen Alltag umzusetzen.
So beredt sich allerdings die Leitbilddiskussion in Bezug auf den Nut-
zen und deren Inhalte darstellt, so still wird es bei der Frage, wie Leit-
bilder umgesetzt werden sollen. Es existieren so gut wie keine ausge-
arbeiteten Modelle, die sich mit der Frage beschäftigen, in welcher
Form Leitbilder in einem Unternehmen umgesetzt werden können.
Das mag auch einer der Gründe dafür sein, warum Leitbilder so sel-
ten den Weg vom Wort zur Tat finden. In Abbildung 6-15 sind in chro-
nologischer Reihenfolge die wichtigsten Maßnahmen und Projekte
aufgeführt, die in der St. Franziskus-Stiftung initiiert wurde, um das
Leitbild nach und nach im betrieblichen Alltag umzusetzen.
Auf den ersten Blick wird schon deutlich, dass eine Vielzahl unter-
schiedlicher Maßnahmen und Projekte durchgeführt wurden, um die
Unternehmenskultur der St. Franziskus-Stiftung auf der Grund-
lage des Leitbildes zu gestalten. Im Folgenden werden nicht alle ein-
zelnen Maßnahmen ausgeführt, sondern thematisch gebündelt kurz
skizziert.

373
Abbildung 6-15: Maßnahmen zur Entwicklung der Unternehmenskultur.

Aufbau eines umfassenden Qualitätsmanagements


Das Qualitätsmanagement im Krankenhaus hat in den vergangenen
Jahren einen enormen Stellenwert erlangt. Galt es noch vor wenigen
Jahren als randständiges Thema, ist es heute in das Zentrum der ge-
sundheitspolitischen Diskussion gerückt. Dieser Bedeutungszuwachs
spiegelt sich in eindrücklicher Weise in den Gesetzesvorlagen der
vergangenen Jahre wider, insbesondere in § 137 SGB V.
Leitbilder und die Philosophie des Qualitätsmanagements haben
neben vielen Unterschieden auch eine gemeinsame Stoßrichtung:
Sie beschäftigen sich beide mit den zentralen Qualitäten eines Unter-
nehmens. Freilich verstehen sich Leitbilder in einem umfassenderen
Sinn. Dennoch zeigt allein ein formaler Vergleich der Themen, mit
denen sich Leitbilder und Qualitätsmanagementphilosophien be-
schäftigen, eine beträchtliche Übereinstimmung.
Daher liegt es nahe, die Umsetzung eines Leitbildes sehr eng mit
dem Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems zu verknüpfen.
In der Diskussion um die Umsetzung von Leitbildern mangelt es an
ausgearbeiteten Konzepten, wie Leitbilder umgesetzt werden können.
Diese Lücke schließt gleichsam das Qualitätsmanagement: Ausgerüs-

374
tet mit einem lang erprobten und reichhaltigen Methodenrepertoire
tritt es an, Unternehmen in einem umfassenden Sinn zu entwickeln.
Es bietet sich daher geradezu an, dieses Wissen zu rezipieren und für
die Umsetzung von Leitbildern fruchtbar zu machen.
In der St. Franziskus-Stiftung ist die Umsetzung des Leitbildes eng
mit dem Aufbau eines umfassenden Qualitätsmanagements ver-
knüpft. Der offizielle Sprachgebrauch dafür lautet: Das Leitbild wird
mit den Methoden des Qualitätsmanagements umgesetzt – nicht aus-
schließlich, aber doch zu einem beträchtlichen Teil. Es versteht sich
von selbst, dass man sich dabei nicht von der mächtigen Qualitäts-
offensive unhinterfragt überrollen lassen und dass das eigene Quali-
tätsmanagement nicht zum Erfüllungsgehilfen politischer Interessen
werden darf, die den eigenen Unternehmenszielen widersprechen.
Von der Sache her ergibt sich eine enge Verzahnung und Ausrichtung
des Qualitätsmanagements an den Inhalten des eigenen Leitbilds.

Aufbau einer flächendeckenden Projektstruktur


Was in komplexen Organisationen nicht strukturell verankert ist, geht
früher oder später im Alltagsgeschäft unter. Qualitätsprojekte und
-maßnahmen bedürfen klarer Verantwortungsstrukturen und kon-
kreter Verbindlichkeiten. Um der Gefahr vorzubeugen, planlose und
unkoordinierte Projekte zu starten, wurde die in Abbildung 6-16 dar-
gestellte Struktur zur Umsetzung des Leitbilds geschaffen. Diese
Unternehmensstruktur ist die organisationale Grundlage für eine
weitere Entwicklung der Unternehmenskultur. Auch heute noch ist
sie die Basis der meisten Leitbildaktivitäten.
Das Ziel dieser Unternehmensstruktur ist das verbindliche und ab-
gestimmte Vorgehen in der gesamten Stiftung. In jedem Haus ist
eine so genannte Projektsteuerungsgruppe eingerichtet, die die Maß-
nahmen in Abstimmung mit der Stiftung im entsprechenden Haus
initiiert und steuert. Vertreten sind dort der Geschäftsführer, der ärzt-
liche Direktor, der Pflegedirektor, der so genannte Leitbildbeauftragte,
ein Angehöriger der Mitarbeitervertretung sowie einige weitere Mitar-
beiter. In jedem Haus gibt es einen Verantwortlichen für die Leitbild-
umsetzung, den Leitbildbeauftragten, der von Qualitätsbeauftragten
in den jeweiligen Abteilungen unterstützt wird.

375
Abbildung 6-16: Organisationsstruktur für die Umsetzung des Leitbilds in der
St. Franziskus-Stiftung.

In den größeren Häusern sind inzwischen Leitbildabteilungen


bzw. Qualitätsmanagement-Center entstanden, in denen die Per-
sonen versammelt sind, die nötig sind, um das Leitbild umzusetzen:
die Leitbildbeauftragten, die innerbetrieblichen Fortbilder und die
medizinischen Controller. Auf Stiftungsebene existiert ein zentraler
Lenkungsausschuss, der den gesamten Prozess innerhalb der Stif-
tung steuert. Vertreten sind dort alle Direktoriumsmitglieder der je-
weiligen Häuser. Unterstützt wird diese Arbeit durch einen Leitbild-
koordinator, der in der Stiftung angesiedelt ist. Regelmäßige Treffen
des Leitbildkoordinators mit den Leitbildbeauftragten garantieren die
Abstimmung der einzelnen Projekte und ermöglichen eine koor-
dinierte Durchführung hausübergreifender Maßnahmen.

Arbeit in Projektgruppen
Seit Beginn der Leitbildumsetzung arbeiten in allen Krankenhäusern
kontinuierlich Projektgruppen, um das Leitbild umzusetzen. Bis
heute haben über 100 Projektgruppen ihre Arbeit abgeschlossen;
zurzeit existieren 70 laufende Projektgruppen und Qualitätszirkel.
Das ist eine beachtliche Zahl. Quantität allein ist zwar kein Indikator
für den Erfolg, aber diese hohe Zahl dokumentiert doch sehr deutlich

376
Die Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit Der Patient
Der Patient
Reorganisation therapeutischer Dienste medizinisch-pflegerische Dokumentation
Mitarbeiterbefragung koordinierte Patienteneinbestellung
Qualitätsmanagement-Handbuch Pflege koordinierte Entlassung
Mitarbeitergespräche Patientenbefragung
Infotage Pflegeüberleitung
Teamcoaching Risiko-Management
Intranet Ethik-Aktivitäten
optimierte Reparaturanforderungen Schwerkranke und Sterbende
Archiv/Krankenakten Seelsorgekonzept
OP-Koordination Bobath-Konzept
Speisenversorgung Stationen
vor- und nachstationäre Versorgung
Das Hospitalundund
Das Hospital diedie Öffentlichkeit
Öffentlichkeit DasUnternehmen
Das Unternehmen
Gesundheitszentrum Personalentwicklung
Patientenbroschüre Einführung neuer Mitarbeiter
einheitliches Erscheinungsbild Einarbeitungskonzept Pflege/Schule
Einweiserbefragung Modellprojekt PCC
Tag der offenen Frauenklinik innerbetriebliche Fortbildung
50 Jahre Stadt Kamp-Lintfort OP-Standards
Tag der offenen Intensivstation

Abbildung 6-17: Projektgruppen im St. Bernhard-Hospital.

das große Engagement vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die


Durchführung der Projektgruppen steht in Zusammenhang mit der
Leitbildumsetzung. Als Beispiel soll das St. Bernhard-Hospital in
Kamp-Lintfort dienen. In der obigen Aufstellung ist ersichtlich, wel-
che Projekte die Mitarbeiter dort im Rahmen der Leitbildumsetzung
in den letzten Jahren durchgeführt haben.
Mittlerweile kann die St. Franziskus-Stiftung auf mehrere Jahre
Projekterfahrung zurückblicken. Es war eine erfahrungsreiche Zeit.
Die Arbeit der Projektgruppen ist professioneller geworden, und aus
anfänglichen Fehlern wurde viel gelernt. Vor allen Dingen wurde
gelernt, Projektgruppen so einzusetzen, dass sie ihren Beitrag zur
Weiterentwicklung der Hospitäler leisten können: Projektgruppen
müssen ein klar definiertes und erreichbares Ziel haben; ihre Arbeit

377
muss gut begleitet und ihre Ergebnisse müssen umgesetzt werden.
Auch darf die Auswertung in einer anschließenden Evaluation nicht
fehlen.

Patienten- und Mitarbeiterbefragung


Ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung einer lernbereiten
Unternehmenskultur sind regelmäßige Mitarbeiter- und Patienten-
befragungen (Schupeta und Hildenbrandt 1999). Regelmäßige Rück-
meldungen sowohl von den Patienten wie von den Mitarbeitern sind
hilfreich, um das eigene Handeln zu professionalisieren. In die Mit-
arbeiterbefragung ist ein Vergleich mit einem externen Benchmark
und eine Führungskräftebeurteilung integriert. Was bei der Durch-
führung von Befragungen gerne vergessen wird, ist die Tatsache, dass
die eigentliche Arbeit erst nach der Durchführung und der Auswer-
tung der Ergebnisse beginnt. Die Ergebnisse nützen nur dann etwas,
wenn mit ihnen weiter gearbeitet wird. In der St. Franziskus-Stiftung
müssen sich alle Abteilungen mit ihren Ergebnissen beschäftigen,
dem Direktorium darüber Rückmeldung geben, um dann gemein-
sam verbindliche Projekte und Maßnahmen zu beschließen. Dieser
Teil der Projektdurchführung ist der schwierigere, weil sich erst darin
erweist, wie hoch die Verbindlichkeit der Befragungen ist und in
welchem Maß sich die Leitung dafür stark macht.

Zertifizierung
Wer ein funktionierendes und umfassendes Qualitätsmanagement
aufgebaut hat, braucht eine Zertifizierung nicht zu fürchten. Im
Gegenteil: Das Zertifizierungsverfahren sollte Anlass dafür sein, die
eigenen Aktivitäten auf einen externen Prüfstand zu stellen. Nach
jahrelangen Diskussionen über den Sinn und den Unsinn einer Zer-
tifizierung im Krankenhaus haben sich die entscheidenden Vertrags-
partner auf ein Zertifizierungsverfahren verständigt. Es ist das KTQ-
Zertifizierungsverfahren. Das Kürzel KTQ steht für Kooperation,
Transparenz und Qualität im Krankenhaus. Darin werden in sechs
Kategorien die Kernbereiche eines Krankenhauses auf die Güte ihrer
Qualität befragt. Das KTQ-Zertifizierungsverfahren ist im Grunde ge-
nommen eine Kombination der beiden Grundlagenmodelle DIN ISO

378
und EFQM. Darin werden die Herzstücke der beiden Grundlagen-
modelle kombiniert: die Selbstbewertung und die Zertifizierung
(zu einem ausführlichen Vergleich der beiden Verfahren EFQM und
KTQ vgl. Möller 2001).
In Anlehnung an und in Kooperation mit KTQ gibt es ein speziel-
les Zertifizierungsverfahren für konfessionelle Krankenhäuser, näm-
lich das proCum Cert (pCC). Dieses Verfahren versucht, die spezifi-
sche Qualität kirchlicher Krankenhäuser abzubilden. Die St.
Franziskus-Stiftung und die ihnen angeschlossenen Häuser haben
sich auf die Zertifizierung nach proCum Cert verständigt, weil darin
in besonderer Weise deren Unternehmenskultur abgebildet wird.

6.7.5 Maßnahmen zur Personalentwicklung

Die Kultur eines Unternehmens kommt sowohl in seinen Strukturen


als auch im Verhalten seiner Mitarbeiter zum Ausdruck. Die Unter-
nehmenskultur steht demnach auf zwei Beinen: einem organisatio-
nalen wie einem personalen. Um das personale Standbein zu stärken,
sind Maßnahmen zur Personalentwicklung notwendig. Die St. Fran-
ziskus-Stiftung hat in den letzten Jahren Geld und Zeit investiert, um
in der Personalentwicklung einen Schritt weiterzukommen. Eine Pro-
jektgruppe erarbeitete auf Stiftungsebene ein umfangreiches Konzept
zur Personalentwicklung, das folgende Bausteine umfasst: Personal-
planung, Personalbeurteilung, Personalförderung und – um den Er-
folg solcher Maßnahmen einzuschätzen – ein begleitendes Control-
ling.

Mitarbeitergespräche
An dieser Stelle soll nur eine Maßnahme etwas eingehender be-
schrieben werden, weil sie die Grundlage für eine gezielte Unterneh-
mensführung bildet: die jährlichen Mitarbeitergespräche (Jetter und
Skrotzki 2000). Im Leitbild heißt es dazu: »Die Führungskräfte neh-
men individuelle Stärken wahr. Sie fördern gezielt die Mitarbeiter,
erkennen aber auch Defizite und zeigen Entwicklungsmöglichkeiten
auf. Durch ein regelmäßiges Feedback, durch das Übergeben von Ver-

379
antwortung und durch verbindliche Zielabsprachen steigern sie die
Motivation und die Fortentwicklung aller Mitarbeiter.«
Seit drei Jahren werden in der St. Franziskus-Stiftung und deren
Einrichtungen jährlich stattfindende Mitarbeitergespräche geführt.
Diese Gespräche gliedern sich in drei Teile: eine Rückschau auf das
vergangene Jahr, die Klärung der persönlichen Ziele eines Mitar-
beiters und gemeinsame Zielvereinbarungen für das kommende Jahr.
In der Einführungsphase standen sowohl die Führungskräfte wie die
Mitarbeiter diesen Gesprächen zunächst skeptisch gegenüber. Aller-
dings hat sich diese Zurückhaltung weitgehend gelegt, nachdem die
meisten den Nutzen solcher Gespräche erkannt haben.
Eine Auswertung der ersten Zielvereinbarungsgespräche brachte
deutlich zum Ausdruck, dass zwei Dimensionen alle Beteiligten als
sehr hilfreich empfanden. Zum einen ist es die Wertschätzung des
Vorgesetzten gegenüber seinen Mitarbeitern, die allein darin ihren
Ausdruck findet, dass sich die Vorgesetzten für ein solches Gespräch
Zeit nehmen und sich auf ihre Gesprächspartner einstellen. Zum
anderen ist es die konkrete Vereinbarung von Zielen, die für die Ge-
samtsteuerung des Unternehmens unersetzlich sind. Gemeinsame
Ziele schaffen Verbindlichkeit. Einen Nutzen bringen die Zielverein-
barungen nur dann, wenn sie verbindlich angewandt werden. Um die
Verbindlichkeit des Instruments selbst herzustellen, muss natürlich
die Durchführung der Gespräche in den jeweiligen Abteilungen fest-
gehalten werden (Schmidt 2004: 395–401).

Einführung neuer Mitarbeiter


Sollen Mitarbeiter eine bestimmte Unternehmenskultur leben, brau-
chen sie zunächst die Möglichkeit, sich mit dieser Kultur vertraut zu
machen. Für die St. Franziskus-Stiftung bedeutet dies, den Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern überhaupt die Gelegenheit zu geben, sich
mit der Spiritualität des Heiligen Franziskus, mit der Geschichte des
Ordens und seiner aktuellen Ausrichtung zu beschäftigen. Dieses
Anliegen hat dazu geführt, das Konzept zur Einführung neuer Mit-
arbeiter zu überdenken. Bisher standen weniger die Fragen nach der
Spiritualität des Ordens im Vordergrund, sondern die Einführung be-
schränkte sich auf die praktischen Fragen des Krankenhausalltags.

380
Um hier einen anderen Akzent zu setzen, werden mittlerweile ganz-
tägige Einführungsveranstaltungen angeboten, in denen es aus-
schließlich um die Fragen geht: Wer war der Heilige Franziskus?
Welche Geisteshaltung prägte ihn? Was ist der Orden heute, und was
sind seine Zielsetzungen und Schwerpunkte?

Das Weiterbildungsstudium »Theologia Curae«


Führungskräfte in einem kirchlichen Krankenhaus stehen vermehrt
in der Spannung zwischen Ökonomie und Ethik. Um diese Span-
nung gut meistern zu können, bedürfen sie sowohl einer hohen
Fachkompetenz, ebenso aber auch einer spirituellen, theologischen
und ethischen Basiskompetenz. Aus diesem Grund hat die St. Fran-
ziskus-Stiftung Münster in Kooperation mit der philosophisch-theo-
logischen Hochschule der Kapuziner in Münster ein grundlegendes
Weiterbildungsstudium entwickelt, das die theologischen Dimen-
sionen der Führungsarbeit beleuchtet. Es befähigt und unterstützt
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihre Führungsaufgaben im
Sinne einer christlich verantworteten Führungskompetenz wahrzu-
nehmen.

Im Einzelnen verfolgt das Studium folgende Ziele:


– die spirituelle Dimension in helfenden Berufen wahrzunehmen,
– christliche Wertvorstellungen zu vermitteln und zu vertiefen,
– die berufliche Führungskompetenz mit einer christlichen
Identität zu verknüpfen,
– die christliche Spiritualität in die Strukturen einer Organisation
einzubringen.

Das Weiterbildungsstudium erstreckt sich über vier Semester und


besteht aus insgesamt 13 Modulen (jeweils zweieinhalb Tage). In der
Regel finden drei Module pro Semester statt. Der Inhalt des Studiums
gliedert sich so:
– Kirchengeschichte
(Geschichte der organisierten Krankenversorgung und die Rolle
der Orden),
– biblische Theologie/Dogmatik,
– theologische Anthropologie,

381
– zur Theologie der Gesundheit, der Krankheit und des Todes,
– zur Theologie des Alterns und Sterbens,
– Moraltheologie,
– Grundzüge medizinischer Ethik,
– Theologie der Spiritualität,
– Beruf, Berufung, Professionalität,
– die spirituelle Erfahrungsdimension in helfenden Berufen,
– Leitbilder christlicher Diakonie.
Jedes Semester endet mit einem Modul »praktisch-theologischer
Transfer«. Darin werden die während des Semesters besprochenen
Themen im Organisationskontext anwendungsbezogen bearbeitet.
Dieses Modul bildet somit die Scharnierstelle zwischen Theorie und
Praxis. Aufgrund der überaus positiven Erfahrungen und guten Rück-
meldungen des ersten Studienkurses läuft bereits ein weiterer Kurs.

6.7.6 Die Bearbeitung unternehmensethischer Fragen

In den letzten beiden Jahrzehnten sind die Bedeutung und die


öffentliche Wahrnehmung wirtschaftsethischer Fragen gestiegen.
Die alte Fiktion, eine gute Unternehmensführung sei eine wertfreie
Sache der reinen betriebswirtschaftlichen Logik, verliert angesichts
der erfahrbaren Tatsache, dass unternehmerische Entscheidungen
immer öfter in Werte- und Interessenkonflikte geraten, an Überzeu-
gungskraft (Ulrich 1998: 15). Unternehmensleitungen sind heute ge-
fordert, mit gesellschaftlichen Wertefragen ebenso rational um-
zugehen, wie mit den gewohnten geschäftsbezogenen Strategien.
Die Notwendigkeit, ökonomische Sachlogik mit ethischer Vernunft in
zukunftsweisender und lebensdienlicher Weise zu verbinden, ist zu
einer zentralen Zukunftsherausforderung geworden. Das gilt natür-
lich in besonderer Weise für das Krankenhaus.

Ethischer Stress im Krankenhaus


Ärzte, Pflegende und Verwaltung stehen vor äußerst komplexen und
teilweise neuen Entscheidungssituationen. Es gibt unterschiedliche
Ansichten über das Maß der Therapie, insbesondere wenn sie mit

382
wirtschaftlichen Kriterien in Einklang gebracht werden sollen. Span-
nungen entstehen, weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine ein-
deutigen Antworten auf drängende Fragen haben und in Wertkon-
flikte geraten. Diese bleiben oft ungelöst, weil es nicht immer
angemessene Möglichkeiten zur Bearbeitung dieser Dilemmata gibt.
So konfliktbelastet einen ohnehin anstrengenden Arbeitstag zu meis-
tern, kostet Kraft.
Neben eigenen ungeklärten Konflikten treten Meinungsverschie-
denheiten mit den Kollegen auf. Ein Kollege trifft beispielsweise eine
Entscheidung, die man selbst so nicht fällen würde. Dabei bleibt oft
im Dunkeln, aus welchen Beweggründen ein anderer zu seiner Ent-
scheidung kommt. Ärzte und Pflegekräfte handeln fast alle unter
einem belastenden Zeitdruck. Zeitnot verhindert klärende Gespräche,
die für alle Beteiligten dringend notwendig wären.
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen aufgrund ethischer
Dilemmata starke Spannungen ertragen. Ärzte, Schwestern und
Patienten wissen, wie schwer es oft ist, aus dem Hin und Her der
Argumente, aus dem Durcheinander der damit verbundenen Stim-
mungen und einer sich ständig verändernden Situation Entscheidun-
gen zu treffen. Gleichwohl sprechen sie nur selten Spannungen und
konfliktträchtige Situationen an. Das kann ihnen niemand anlasten,
weil der Arbeitsdruck ohnehin hoch genug ist. Und wer legt schon
seine Finger in eine offene Wunde, wenn er noch Patienten versorgen
muss? Das alles ist gut zu verstehen (Fischer 2003).
Werden Konflikte allerdings nicht angesprochen und verhandelt,
sinken die Zufriedenheit und der Leistungswille der Mitarbeiter.
Umso wichtiger ist es, nach den Gründen für die Konfliktvermeidung
zu fragen. Warum finden die notwendigen Gespräche nicht in einem
ausreichenden Maße statt? Dafür gibt es viele nachvollziehbare
Gründe: Nicht selten existiert ein ungeschriebenes Gesetz des ver-
ordneten Schweigens: Kritische Anmerkungen dürfen nicht gemacht
werden; oft ist der offene Dialog nicht eingeübt. Oft wird die Zeit zu
Hilfe genommen. »Sie soll dann sozusagen am Menschen vorbei,
aber entsprechend seiner ›Natur‹ entscheiden. Damit hätte sozusagen
niemand die Last der Entscheidung zu tragen, da niemand in der
Lage ist, die Zeit zu beherrschen. Dass dies gerade im klinischen Zu-

383
sammenhang oft nicht stimmt, ist unter Insidern kein Geheimnis.«
(Gillen 1999: 25)
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von (unbewussten) Strategien,
um ethischen Konfliktsituationen auszuweichen. Beispielsweise wird
ein Sachzwang konstruiert, der bei näherer Betrachtung nicht auf-
rechtzuerhalten ist. Oder es werden Situationen so konfiguriert,
dass nur eine Entscheidung möglich ist. Man beruft sich darauf, nach
bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben. Es gibt also zahl-
reiche gewichtige Gründe, die Bearbeitung ethischer Dilemmata zu
institutionalisieren.

Auf dem Weg zu einer Ethikkultur


Am Beispiel der Einrichtung von Ethikkomitees wird deutlich, dass
Kulturveränderungen nicht einfach von heute auf morgen gemacht
werden können. Es erfordert Zeit und Geduld, Verbindlichkeit und
Tatkraft, um kulturelle Eigenheiten aufzubrechen und zu verändern.
Ethische Fragestellungen sind von hoher Bedeutung, weil sie in eine
Tiefendimension der Unternehmenskultur vordringen. Ethische und
damit auch das eigene Gewissen tangierende Fragen sind sehr
persönliche Fragen, die nicht einfach so zu Markte getragen werden.
Wer also bei solch heiklen Fragen glaubt, so einfach eine gewünschte
Kultur aus dem Boden stampfen zu können, wird eine harte Bauch-
landung machen. Das jedenfalls belegen die Erfahrungen mit der
Einrichtung von Ethikkomitees im Krankenhaus.
Vor ungefähr zehn Jahren haben der Evangelische und der Katho-
lische Krankenhausverband eine gemeinsame Empfehlung an ihre
Mitglieder herausgegeben, Klinische Ethikkomitees in den Kranken-
häusern einzurichten. Ethikkomitees sollen im Krankenhaus einen
geschützten Raum schaffen, um offene und freie Gespräche zu
führen. Damit verbunden ist die Hoffnung, in der immer komplexer
werdenden Alltagswirklichkeit eines Krankenhauses ethisch verant-
wortetes Handeln zu unterstützen.
Gemäß dieser Empfehlung ist es die Aufgabe von Ethikkomitees,
betroffenen Menschen in ethischen Konfliktsituationen beratend zur
Seite zu stehen. Jeder betroffene Mitarbeiter und jeder Patient kann
sein ethisches Problem in das Komitee einbringen, um für seine

384
eigene Entscheidung ein Votum als Orientierungshilfe einzuholen
(Evangelischer und Katholischer Krankenhausverband 1997). Nun
haben sich einige Krankenhäuser daran gemacht, entsprechend den
Empfehlungen ein solches Ethikkomitee einzurichten – und dann die
bittere Erfahrung gemacht, dass dieses Komitee in keiner Weise ak-
zeptiert wurde und die Mitarbeiter es nicht genutzt haben. Im Grunde
genommen muss das nicht wundern, weil durch die bloße Einrich-
tung eines Komitees eine über Jahrzehnte eingeschliffene Kultur
nicht verändert werden kann.
Die St. Franziskus-Stiftung war sich dieses Problems bewusst und
hat daher einen Weg gewählt, um die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter mit auf den Weg zu nehmen. Um eine möglichst breite Basis
für das Anliegen zu schaffen, gab es zu diesem Thema eine zentrale
Auftaktveranstaltung für alle Häuser der Stiftung, zu der alle leiten-
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeladen waren.
Am Ende der Veranstaltung war klar, dass jedes Krankenhaus die
Erforderlichkeit eines Ethikkomitees für sich prüfen muss, um einen
Weg zu gehen, der seinen Voraussetzungen angemessen ist. Die Er-
fahrung jener Häuser, die sich mit dem Ziel, Ethikkomitees einzu-
richten, auf den Weg gemacht haben, haben zahlreiche Etappen zu-
rückgelegt: die Einrichtung eines interdisziplinären Arbeitskreises,
zahlreiche Veranstaltungen für die Mitarbeiter zu diesem Thema –
unter anderem auch mit realitätsbezogenen Kasuistiken –, die ge-
zielte Weiterqualifizierung von Multiplikatoren und die Einführung
ethischer Fallbesprechungen auf Stationsebene. Erst nach diesen in-
tensiven Vorarbeiten waren die Krankenhäuser reif, Ethikkomitees im
Sinne der Empfehlung des Katholischen und des Evangelischen Kran-
kenhausverbands einzurichten (vgl. zu dem Themenkomplex ethi-
scher Fallbesprechungen und Ethikkomitees in Krankenhäusern
Steinkamp und Gordijn 2003).

6.7.7 Aufbau und Vernetzung des Wissens

Je größer und komplexer ein Unternehmen wird, umso dringlicher


stellt sich die Frage, wie das erworbene Wissen gesammelt, verarbeitet,

385
anderen zur Verfügung gestellt und im Sinne eines Benchmark und ei-
ner Best-Practice genutzt werden kann. Diese Frage hat derzeit für die
St. Franziskus-Stiftung eine hohe Bedeutung. Auch hier bestätigt sich
die Erfahrung, dass das Teilen von Wissen keine unternehmenskul-
turelle Selbstverständlichkeit ist, sondern dass diese Fähigkeit aufge-
baut, eingeübt und organisational verankert werden muss. Es sollen
nur kurz einige unternehmensbezogene Bausteine auf dem Weg zu
einem wissensvernetzten Krankenhaus erwähnt werden.
Ein Transferkreis, in dem sich die Leitbild- und Qualitätsbeauftrag-
ten der einzelnen Häuser regelmäßig treffen, soll – wie es der Name
bereits nahe legt – den Transfer der Wissensbestände unter den Häu-
sern fördern. Der Transferkreis hat sich in hohem Maß bewährt, weil
dort die wertvollen Erfahrungen der jeweiligen Häuser zusammen-
fließen und weiterverarbeitet werden.
Die Vernetzung des Wissens geschieht auch auf Stiftungsebene in
Form der so genannten Direktorenkonferenzen und Lenkungsaus-
schüsse. An diesen regelmäßig stattfindenden Konferenzen nehmen
sämtliche Direktoriumsmitglieder aller Häuser der Stiftung teil.
Inzwischen hat allerdings der Umfang dieser Gruppe durch das
Wachstum der Stiftung die kritische Größe erreicht, sodass andere
Formen der Zusammenkünfte überlegt werden.
Ebenfalls bewährt hat sich das so genannte Leitbildforum, das jedes
Jahr in der Stiftung stattfindet. An diesem Tag nehmen ungefähr
400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung teil. Es werden
wichtige und erfolgreiche Projekte vorgestellt, neue Entwicklungen
skizziert und Vernetzungen unter Personen ermöglicht.
Der gegenseitige Besuch in den Krankenhäusern und die Beratung
bei Projekten sind weitere Bausteine in der Vernetzung und Weiter-
gabe des Wissens.
In eigenen Schulungen wird das erworbene Wissen an die Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter weitergegeben.
Aufbau und Anwendung von informationstechnologischen Wissens-
datenbanken funktionieren nur dann, wenn eine lernoffene Unterneh-
menskultur entwickelt ist oder in der Einführung einer solchen Daten-
bank wächst. Oft wird übersehen, dass die Einführung technischer
Lösungen einer unternehmenskulturellen Grundlage bedürfen.

386
6.7.8 Die Bedeutung der Unternehmenskulturen
bei Kooperation und Fusion

Die Entwicklung auf dem Krankenhaushausmarkt macht die Koope-


ration zwischen Krankenhäusern unumgänglich. Nicht nur aufgrund
finanzieller Notwendigkeiten liegt eine Kooperation oder Fusion mit
anderen Krankenhäusern nahe, sondern auch wegen der Möglichkeit
einer Wissensvernetzung und einer Lernpartnerschaft. Ein größerer
Verbund kann für solche Aufgaben Mitarbeiter freistellen und das an-
gesammelte Wissen den jeweiligen Häusern zur Verfügung stellen.
Für die Krankenhäuser kommt es also in den nächsten Jahren da-
rauf an, sinnvolle Formen der Kooperation mit anderen Häusern und
Trägern zu suchen. Freilich ist das Maß der Verbindlichkeit und Ko-
operation sehr unterschiedlich. Für eine Kooperation bieten sich
grundsätzlich drei Formen an, die sich in ihrer Verbindlichkeit und
Langfristigkeit unterscheiden: Es besteht erstens die Möglichkeit, rela-
tiv unverbindliche Kooperationen einzugehen, zweitens die Über-
nahme einer Geschäftsbesorgung, in der sich die möglichen Partner nä-
her kennen lernen können, und drittens – als verbindlichste Form – die
gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen, wie sie eine Fusion darstellt.
Alle drei Formen haben Vorteile, bergen aber auch Risiken. Bevor
Krankenhäuser kooperieren, sollten sie genau überlegen, welche
Form der Kooperation für sie in Frage kommt. Formen der Koopera-
tion unterliegen bestimmten Erfolgsfaktoren, die im Rahmen einer
Zusammenarbeit gut bedacht sein müssen. Gescheiterte Koopera-
tionsbemühungen sind ein beredtes Zeugnis dafür, dass diesen Fak-
toren keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde (Goedereis 2004).
In diesem Zusammenhang kommt den Unternehmenskulturen
eine hohe Bedeutung zu. Passen sie nicht zusammen, wird eine
fruchtbare Kooperation schwierig. Das bezieht sich sowohl auf die
unternehmensphilosophischen Aussagen, die in den Leitbildern oder
sonstigen Äußerungen zum Ausdruck kommt wie auf die gelebte Kul-
tur vor Ort, die sich im Verhalten der Mitarbeiter und den Organisa-
tionsstrukturen ausdrückt. Eine äußere unternehmensrechtliche
Klammer hält nur dann zusammen, wenn es im Innern einen Zu-
sammenhalt und eine kompatible Unternehmenskultur gibt. Neben

387
einer gemeinsam getragenen Unternehmenskultur sind natürlich
klare Entscheidungsstrukturen, juristische Fragen sowie gemeinsame
strategische Ausrichtung unentbehrlich. Bestehende Konkurrenzsi-
tuationen beispielsweise im Leistungsspektrum, müssen durch Lö-
sungen überwunden werden, die beiden Seiten Vorteile bringen
(Kösters 2004).

6.7.9 Kulturwandel: Vom Projekt zum Prozess

Es ist deutlich geworden: Die gezielte Entwicklung einer gewünsch-


ten Unternehmenskultur ist eine Aufgabe, die Sachverstand, Tatkraft
und einen langen Atem erfordert. Freilich steht diese Einsicht im
Widerspruch zu manch vorfindlicher Praxis in Unternehmen. Die Be-
deutung, die der Veränderung einer Unternehmenskultur beige-
messen wird, findet oft keine Entsprechung in den Maßnahmen, die
dafür notwendig wären. Wer sich auf den Weg macht, einen organi-
satorischen Wandel einzuleiten, macht viele Erfahrungen – ermuti-
gende wie enttäuschende. Im Folgenden sollen einige zentrale Ein-
sichten abschließend und zusammenfassend dargestellt werden:
– Führungskräfte sind Kulturträger eines Unternehmens. Diese
Funktion ist nicht delegierbar. Handeln Führungskräfte nicht vor-
bildhaft, wird deren Reden schnell als Lippenbekenntnis gebrand-
markt und deren Tun als machterhaltendes Handeln disqualifi-
ziert. Die Glaubwürdigkeit der gesamten Unternehmenskultur
steht somit auf dem Spiel. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
spüren sehr schnell, ob der Prozess zur Entwicklung einer be-
stimmten Unternehmenskultur ernsthaft gewollt ist oder ob er
eine Feigenblattfunktion hat. Kulturentwicklungsprozesse gelin-
gen also nur, wenn sich die Leitungsverantwortlichen uneinge-
schränkt mit dem Vorhaben und den sich daraus ergebenden Kon-
sequenzen identifizieren.
– Bei der Umsetzung eines Leitbildes stehen die verbindliche und
die freiwillige Teilnahme in einem Spannungsverhältnis, das nicht
vorschnell wegdiskutiert werden sollte. Ein Prozess ohne Verbind-
lichkeit, gerade in den Kernbereichen einer Organisation, büßt

388
innerhalb kürzester Zeit seine motivierende Kraft ein. In diesem
Fall lohnen sich weder die Zeit noch die entstehenden Kosten, um
solch einen Prozess zu initiieren. Ohne Verbindlichkeit gelingt also
kein Leitbildprozess.
Ebenso scheitert der Prozess, wenn die Teilnahme nicht aus freier
Entscheidung und aus Einsicht geschieht. Denn ohne Einsicht in
die Notwendigkeit solcher Prozesse haben Mitarbeiter viele subtile
Methoden zur Auswahl, um nicht gewünschte Prozesse zu torpe-
dieren oder zu ignorieren, und zwar so lange, bis das Projekt schei-
tert. Die Kunst des Veränderungsmanagements besteht darin,
Druckwirkung und Anreize im richtigen Moment einzusetzen.
– Wer sich auf den Weg macht, braucht ein Ziel. In einem Leitbild
kann dieses Ziel formuliert werden und somit der Grundstein für
die Entwicklung einer Unternehmenskultur sein. Leitbilder haben
nur dann einen Sinn, wenn sie in den Mitarbeitern verankert sind.
Wer meint, sich mit übernommenen und vorgefertigten Leitbil-
dern auf dem Weg des Erfolges nach vorne katapultieren zu kön-
nen, wird ein gutes Stück weiter hinten landen. Die Entwicklung
von Leitbildern ist ein Entschluss dafür, sich auf einen umfassen-
den Veränderungsprozess einzulassen. Wer dies aus welchen
Gründen auch immer nicht möchte, braucht kein Leitbild zu ent-
wickeln.
– Eine Organisationsentwicklung steht auf zwei Beinen: einem per-
sonalen und einen organisationalen. Beide Bereiche bedingen sich
gegenseitig. Die Umsetzung von Leitbildern leidet mitunter daran,
dass sie zu wenig in das strategische Management integriert sind.
Strategische Unternehmensentscheidungen und Leitbildprozesse
sind zu häufig nebeneinander hergehende Unternehmenslinien.
Beides ist im Grunde genommen nicht zu trennen, denn vorfind-
bare Organisationsstrukturen beeinflussen immer auch die Unter-
nehmenskultur.
Eine Entscheidung zugunsten einer Center-Organisation beispiels-
weise hat Auswirkungen auf die Unternehmenskultur, auf die
Frage, in welchem Ausmaß in einem Unternehmen dezentralisiert
und delegiert wird. Dies wiederum setzt entsprechende Instru-
mente der Personalführung voraus. Wie aber kann das Kapitel über

389
die Mitarbeiterorientierung im Leitbild glaubhaft sein, wenn in sol-
chen Entscheidungen nicht mitbedacht wird, welche leitbildkon-
formen Instrumente zur Umsetzung solcher Entscheidungen not-
wendig sind?
– Für umfassende Prozesse gilt der Grundsatz: Weniger ist mehr.
Es hat keinen Sinn, ständig neue Projekte zu initiieren, solange die
vorhergehenden noch nicht abgeschlossen sind. Projektgruppen
sind erst dann erfolgreich abgeschlossen, wenn deren Ergebnisse
in die Praxis umgesetzt sind. Insbesondere bei Projektgruppen be-
steht die Gefahr, sich zu verzetteln.
Für diejenigen, die sich in solchen Gruppen engagiert haben, hat
dies fatale Auswirkungen: Sie sind aus verständlichen Gründen für
keine weitere Mitarbeit mehr zu begeistern. Wer investiert schon
gerne seine Zeit und seine Mitarbeit, um für den Papierkorb zu ar-
beiten? Der Grundsatz, dass weniger mehr ist, gilt für die kleinen
wie für die großen Projekte. Verhängnisvollerweise besteht zuwei-
len ein Zusammenhang zwischen misslungenen Projekten und
der Tendenz, schnell ein weiteres aufzulegen.
– Veränderungen provozieren Widerstände. An einem konstruktiven
Umgang mit Widerständen zeigt sich die Dialogfähigkeit einer
Unternehmensleitung. Das bedeutet in keiner Weise, dass auf-
kommenden Widerständen ohne ein Hinterfragen nachgegeben
werden sollte, aber die Art und Weise, wie Konflikte bewältigt wer-
den, ist der verlässlichste Seismograf für produktive Erschütterun-
gen in einem Unternehmen.

390
Verzeichnis der Abkürzungen
ABB Asea Brown Boveri
AT außertariflich
BAT Bundesangestelltentarifvertrag
BMW Bayerische Motoren Werke AG
BPflV Bundespflegesatzverordnung
BSC Balanced Scorecard
BVW Betriebliches Vorschlagswesen
CIPD Chartered Institute of Personnel and Development
CKM Centrum für Krankenhausmanagement
DGFP Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V.
DIN Deutsches Institut für Normen
DRG Diagnosis Related Groups: Diagnosebezogene Fallgruppen
EFQM European Foundation for Quality Management
EPA elektronische Patientenakte
FMEA Failure Mode and Effects Analysis
(Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse)
gGmbH gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung
ICU Intensive Care Unit
ISO International Organization for Standardization
KIS Krankenhausinformationssystem
KTQ Kooperation, Transparenz und Qualität im Krankenhaus
KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, eine aus dem
japanischen Kaizen entwickelte Qualitätsmanagement-
strategie
MA Mitarbeiter
MAV Mitarbeitervertretung
med. medizinisch
MG Messgröße
MOT Moment of Truth
NHS National Health System: Das National Health System besteht
aus Krankenhäusern und Krankenkassen in Großbritannien.
Es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und ver-
sorgt jeden Briten im stationären Bereich, unabhängig da-
von, ob er Krankenversicherungsbeiträge zahlt oder nicht.
Damit ist es Teil des britischen Sozialversicherungssystems.
OE Organisationsentwicklung
OZ Operatives Ziel
PACS Picture Archiving and Communication System:
Der Begriff Pacs bezeichnet in der Medizin Bild-
archivierungs- und Kommunikationssysteme auf der Basis
digitaler Rechner und Netzwerke.
PIX Personalmanagement-Professionalisierungs-Index
POPM Prozessorientiertes Personalmanagement
proCum Cert spezielles Zertifizierungsverfahren für konfessionelle
(pCC) Krankenhäuser

391
QM Qualitätsmanagement
Reha Rehabilitation
RIS Radiologieinformationssystem
SGB Sozialgesetzbuch
SHRM Society for Human Resource Management
SZ strategisches Ziel
TEP Totalendoprothese
Tibia Schienbein
TVöD Tarifvertrag öffentlicher Dienst
TQM Total Quality Management
UKM Universitätsklinikum Münster
VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium
WOP wertorientiertes Personalmanagement

Literatur
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