im Gesundheitswesen
Band 1
Unternehmenskultur im Krankenhaus
Wilfried von Eiff
Kerstin Stachel (Hrsg.)
Unternehmenskultur
im Krankenhaus
Band 1 der Reihe
„Leistungsorientierte Führung und
Organisation im Gesundheitswesen“
I-XII_Titelei.qxd 24.11.2006 12:38 Uhr Seite IV
2. Auflage 2007
© 2007 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Verantwortlich: Martin Spilker
Lektorat: Michael Kühlen
Herstellung: Sabine Reimann
Umschlaggestaltung: Nadine Humann
Umschlagabbildung: ©William Whitehurst/CORBIS
Satz: BlackArt, Berlin
Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld
ISBN 978-3-89204-904-3
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX
2. Erfolgsfaktor Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
V
3.4 Professionalisierung im Personalmanagement –
der Ansatz der DGFP e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Hans Böhm, Sascha Armutat
3.5 Innovations-Management: Vom Verbesserungsvor-
schlag zum High-Tech-Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Wilfried von Eiff
3.6 Ideenmanagement am Universitätsklinikum Münster 119
Stefan Jax
3.7 Mitarbeiterzufriedenheit und Patientenzufriedenheit 129
Wilfried von Eiff
3.8 Messung der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit
in den Helios-Kliniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Andreas Faut
3.9 Kriterien für erfolgreiche Fusionen und Übernahmen 147
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
3.10 Zur Psychologie der Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Winfried Berner
4. Die Diagnose von Unternehmenskulturen . . . . . . . . . . . . 163
4.1 Möglichkeiten der Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
4.2 Fehlerkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Wilfried von Eiff
4.3 Unternehmenskultur im Krankenhaus:
Analyse und Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Hans de Waard, Bram Neuijen
5. Die Entwicklung von Unternehmenskulturen . . . . . . . . . . 199
5.1 Bedeutung der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
5.2 Integrationsprozess bei der Einführung dezentraler
Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Andreas Greulich
5.3. Bedeutung der Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Wilfried von Eiff
VI
5.4 Zunehmende Bedeutung leistungs- und erfolgs-
orientierter Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Martin von Hören
5.5 Bedeutung der Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Wilfried von Eiff
5.6 Rekrutierung und Auswahl von Führungskräften
und Spezialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Torsten Quadt
5.7 Verschwendungsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
Wilfried von Eiff
5.8 Persönliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Wilfried von Eiff
5.9 360-Grad-plus-Methode: Systematisches Rundum-
Feedback als Grundlage der lernenden Organisation . . 294
Wilfried von Eiff, Birgit Hans
5.10 Storytelling: Was das »Erzählen von Geschichten«
mit Organisationsentwicklung und Unternehmens-
kultur im Krankenhaus zu tun hat . . . . . . . . . . . . . . . 301
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel
VII
6.4 Ideenwettbewerb in der Praxis –
»Domuz eti yermisiniz?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
Petra Conradi
6.5 Die Universitätsklinik Münster:
Kunst im Krankenhaus prägt die Kultur des Kranken-
hauses und dessen Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . 360
Wilfried von Eiff
6.6 Das Istituto Europeo di Oncologia – Patienten und
Angehörige in Grenzsituationen durch eine besondere
Unternehmenskultur begleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
Theresia Hardegger
6.7 Kulturwandel als Unternehmensaufgabe – Die Um-
setzung des Leitbildes in der St. Franziskus-Stiftung 365
Michael Fischer
VIII
Vorwort
IX
– berufsübergreifende Job Rotation, konstruktives Fehlerbewusstsein
und eine zielführende Streitkultur als Merkmale einer lernenden
Organisation.
X
»geschickt«, und sie wurden vorher nicht mit den Arbeitstechniken des
Qualitätszirkelmanagements vertraut gemacht.
In deutschen Krankenhäusern wird viel und vollmundig über
Qualitätsmanagement geredet, aber von einer Qualitätszirkelkultur
sind die meisten Krankenhäuser weiter entfernt als vor Beginn dieser
Etikettendiskussion.
Ähnlich verhielt es sich mit Leitbildaktivitäten: Für die meisten
Krankenhausmanager ist der Leitbildprozess abgeschlossen, wenn
eine Hochglanzbroschüre mit markanten Worthülsen über Selbstver-
ständlichkeiten und Utopien fertig gestellt ist. Warum, so fragt man
sich, muss in einer Leitbildbroschüre fixiert sein, dass der Patient im
Mittelpunkt steht?
Bedrückend mutet die vielerorts anzutreffende Misstrauenskultur
an: Auch wenn die Führung Prozesse der Partizipation einleitet, Qua-
litätszirkelprogramme initiiert und Kommunikationstraining anbie-
tet, nehmen die meisten Mitarbeiter eher eine abwartende bis skepti-
sche Grundhaltung ein: Zu lange sind sie zentralistisch und direktiv
geführt worden; jetzt fehlt ihnen der Glaube an die Ernsthaftigkeit der
Partizipationsbemühungen ihrer Führung.
Mit diesem Handbuch soll dem Praktiker das komplexe und
schwer greifbare Konzept »Unternehmenskultur« und seine erfolgs-
kritische Bedeutung näher gebracht werden. Es werden konkrete Ge-
staltungs- und Handlungsempfehlungen für die direkte Umsetzung
in die Krankenhauspraxis dargestellt.
Das Handbuch will Praktikern eine Antwort auf folgende Fragen
geben:
– Wie kann eine Unternehmenskultur unternehmensindividuell und
zielorientiert entwickelt werden?
– Welche Kultur ist für welche Art von Unternehmen vorteilhaft?
– Welche Merkmale zeichnen eine Unternehmenskultur aus?
– Gibt es »die« Kultur?
– Welche Vorgehensweise und Instrumente eignen sich zur Kultur-
diagnose, zur Kulturfindung und zur Kulturentwicklung?
– Wie »managt« man einen Kulturentwicklungsprozess?
XI
1. Die Situation: Organisation,
Führung und Motivation
in deutschen Krankenhäusern
»Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser
werden wird, wenn es anders wird; aber so
viel kann ich sagen, es muss anders werden,
wenn es gut werden soll.«
G. C. Lichtenberg 1742–1799
1
1.1 Die neue Marktdynamik im Gesundheitswesen
Wilfried von Eiff
2
nach § 26 BPflV bzw. § 63 SGB V schrittweise zu medizinisch
abgesicherten, ökonomischen Leistungs- und Entgeltstrukturen
(insbesondere Fortschreibung von Fallpauschalen und Sonderent-
gelten) vorzustoßen.
– Managed-Care-Tendenzen sind unverkennbar: Die Gesundheitsreform
sieht eine monistische Finanzierung für Krankenhäuser (also Investi-
tions- und Betriebskostenfindung über Preise) vor, setzt auf Gate-
keeper-Modelle zur Patientensteuerung im regionalen Gesundheits-
netzwerk und bevorzugt Einkaufsmodelle für die Krankenkassen.
3
Abbildung 1-1: Die »neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen produziert für die
Krankenhäuser eine grundlegende strategische Zieldisharmonie:
Kosten versus Qualität.
4
von Leistungsprozessen sowie Patientenwirksamkeit bei »Produkt«
und »produktnaher« Dienstleistung zu Erfolgsfaktoren eines Kran-
kenhauses werden.
Zur Bewältigung der Managementherausforderungen sind die
Krankenhäuser zu einer neuen Art dynamischen, auf schnelle Re-
sultatserzielung ausgelegten Lernens gefordert: Das bestmögliche, in
Wettbewerbsvorteile transformierbare, zur Verhinderung von Wett-
bewerbsnachteilen mobilisierbare Experten- und Problemlösungswis-
sen muss schnellstmöglich, mit geringstem Aufwand, bei überschau-
barem Risiko des Scheiterns zur Wirkung gebracht werden.
Es geht also um die Fähigkeit, Bestleistungen anderer Kranken-
häuser, aber auch Bestleistungen aus anderen Branchen zu erkennen,
an die eigene Situation anzupassen und zu einer eigenen Bestleistung
weiterzuentwickeln.
Personalmanagement ist gefordert, die Lern- und Wissenstrans-
ferprozesse im Unternehmen zu organisieren. Die Initiierung von
Qualitätszirkelprogrammen gehört ebenso zu dieser »Strategie des
lernenden Unternehmens« wie die Einführung von Benutzer-Service-
gruppen für Informationstechnologien, die Förderung von Infor-
mations-Märkten sowie die systematische Entwicklung einer Bench-
marking-Kultur. Von zentraler Bedeutung wird die Anwendung von
Methoden der zielgerichteten Kreativität, um insbesondere durch ge-
nerisches (also branchenübergreifendes) Benchmarking zu so ge-
nannten »breakthrough innovations« zu gelangen.
Das Management der Wertschöpfungskette wird zur Herausforde-
rung der Führungskräfte. Personalmanagement bildet einen Teil der
Infrastruktur der Wertschöpfungskette. Die Abbildung 1-2 verdeut-
licht diese Zusammenhänge.
Diese »Neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen erfordert die
Führung des Krankenhauses als Unternehmen: Kundennähe und Fle-
xibilität, Schnelligkeit im Erkennen von neuen attraktiven Marktfel-
dern, Konsequenz in der Öffnung von Märkten durch gezielte
Kooperationen, Entwicklung von Produkt- bzw. Dienstleistungsinno-
vationen, Entscheidungsschnelligkeit gepaart mit Entscheidungs-
qualität umreißen die Fähigkeitsstruktur des Krankenhauses der
Zukunft.
5
Abbildung 1-2: Das Management der Wertschöpfungskette wird zur Herausforde-
rung für Führungskräfte im Krankenhaus. Personalmanagement
bildet einen Teil der Infrastruktur einer Wertschöpfungskette.
Fragenkatalog:
Welche Merkmale charakterisieren die so genannte
»Neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen?
• Welche Auswirkungen, Anforderungen und Herausforderungen sind im Hinblick auf
Organisation und Zusammenarbeit, Führung, Mitarbeitermotivation, Mitarbeiterqualifi-
kation sowie Unternehmenskultur für die Krankenhäuser absehbar?
6
Abbildung 1-3: Dezentrale Organisation, kundenorientierte Entscheidungs-
strukturen und leistungsorientierte Führung werden den Erfolg des
Krankenhauses in Zukunft ausmachen.
7
• Auf welche Qualifikationsmerkmale legt man in deutschen Krankenhäusern heute bei
der Auswahl und Karrierebeurteilung von Führungskräften und Mitarbeitern Wert und
finden sich diese Merkmale auch in den Qualifikationsprogrammen und Laufbahn-
systemen wieder?
• Auf welche Art und durch welche personalpolitischen Maßnahmen wird personelle
Qualifikation entwickelt und welche Rolle spielen personalpolitische Instrumente wie
beispielsweise Personalentwicklungsprogramme in Verbindung mit Laufbahnsystemen,
Job Rotation, Training-off-the-Job, etc?
8
Erfolg versprechendes sportliches Konzept und wählten die geeig-
neten Mitarbeiter aus. Beide Mannschaften trainierten hart, um am
Tage des großen Wettkampfs bei höchster Leistungsfähigkeit zu sein.
Der Ausgang des ersten Rennens war deprimierend: Die Amerika-
ner schlugen die Deutschen um Längen.
Nach dieser vernichtenden Niederlage war das TopMedi-Team sehr
niedergeschlagen und völlig demotiviert. In einer Krisensitzung ent-
schied der Vorstand, dass der Grund für diese peinliche Niederlage
unbedingt herausgefunden werden müsse. Ein Projektteam wurde
eingesetzt, um das Problem zu untersuchen und geeignete Maß-
nahmen zu empfehlen. Damit auch jeder Geschäftsbereich in diesem
Prozess der Schwachstellenfindung angemessen vertreten war, wur-
den 15 Mitarbeiter aus den verschiedenen Geschäftsbereichen, ins-
besondere Stabsmitarbeiter aus Qualitätssicherung, Personalverwal-
tung, Controlling usw. für das Projektteam rekrutiert.
Die Untersuchung deckte die Ursache der Niederlage schonungslos
auf: Bei den Amerikanern ruderten sieben Mann und einer steuerte,
während im TopMedi-Team ein Mann ruderte und sieben Mann steuer-
ten, die insbesondere darauf spezialisiert waren, den Ruderer anzufeu-
ern.
Der Vorstand bedankte sich bei dem Projektteam für die präzise
Analyse und engagierte sofort eine renommierte Consulting-Firma,
um eine international vergleichende Best-Practices-Studie über die
Struktur und Teamkultur des TopMedi-Teams anfertigen zu lassen.
Nach fünf Monaten intensiver Untersuchung kamen die Consultants
zur entscheidenden Schlussfolgerung (die sie sich übrigens mit
1,4 Millionen Euro vergüten ließen): »Es steuern zu viele Leute, und
es rudern zu wenige!«
Damit das Kräftemessen im nächsten Jahr nicht wieder in einer
herben Niederlage für das eigene Team enden würde, schlugen die
Berater (für ein zusätzliches Honorar in Höhe von 0,9 Mio. Euro)
eine völlig neue, revolutionäre Teamstruktur vor: Im Sinne von Lean-
Management wurde radikal von sieben auf vier Steuerleute reduziert.
Zwecks besserer Koordination schlugen die Consultants die Einrich-
tung von zwei Obersteuerleuten vor. Um eine bessere hierarchische
Akzeptanz der neuen Organisation zu erwirken, wurde ein Steue-
9
rungsdirektor auf hoher Hierarchieebene eingerichtet; damit war die
Positionsmacht für das TopMedi-Team im Krankenhaus gesichert.
Weiterhin führte man ein Leistungsbewertungssystem ein, um den
Mann, der das Boot rudern sollte, zu größerer Anstrengung zu moti-
vieren, damit er auf diese Weise zu einem echten Leistungsträger
werde.
»Wir müssen seinen Aufgabenbereich erweitern und ihm mehr
Verantwortung übertragen. Nur über Motivation lässt sich Leistung
erzeugen«, begeisterte sich der Personalvorstand.
Aber auch der Controllingvorstand wusste einen Beitrag zur moti-
vationsorientierten Mitarbeiterführung zu leisten: »Wir müssen den
Ruderer in unser Berichtswesen einbinden. Er muss regelmäßig in
Wochen-, Monats- und Quartalsberichten über seinen Trainings-
zustand Auskunft geben«, sprach der Controllingvorstand und war
überzeugt, zum Teamerfolg beitragen zu können.
Der nächste Wettkampf kam – und wieder gewannen die Amerika-
ner. Diesmal hatte sich der Vorsprung sogar verdoppelt. Jetzt handelte
der Vorstand rasch und konsequent: Der Ruderer, der seine traum-
hafte Chance zur Personalentwicklung nicht genutzt hatte, wurde
wegen schlechter Leistung entlassen; Boot und Ruder wurden ver-
kauft. Darüber hinaus wurden alle Investitionen in motivierende
Maßnahmen für die Mitarbeiter gestoppt. Die bereits angelaufene
Entwicklung für ein neues Wunderboot wurde eingestellt.
Die Beratungsfirma wurde vom Vorstand für ihre hervorragende
Arbeit öffentlich belobigt. Das eingesparte Geld wurde in Form einer
Erfolgsprämie an den oberen Führungskreis ausgeschüttet. Schließ-
lich sollte das Management nicht für die miserablen Leistungen des
Mannes an den Riemen bestraft werden.
10
Diese Fragen sollten Sie stellen, wenn Sie einem Problem wirklich auf den Grund
gehen wollen:
Welche Faktoren sind besonders kritisch für den Geschäftserfolg?
• Kundenzufriedenheit?
• Einweiserzufriedenheit?
• Lagerumschlag?
• Mitarbeiterqualifikation?
• Welche Bereiche bereiten Probleme?
(orientiert etwa an: Fehltagen, Kundenbeschwerden, Kosten, Qualität)
Welches sind die wesentlichsten Leistungen dieser Bereiche
und wie werden diese gemessen und gesteuert?
• Zweck des Bereichs (Existenzberechtigung)
• Welche fünf Hauptaufgaben werden von diesem Bereich erledigt?
• Wie wirkt sich die Tätigkeit des Bereichs auf die Erfolgsfaktoren des Unternehmens
aus?
Analyse der Leistungsprozesse
• Welche Leistungen werden welchen Kunden effektiv zur Verfügung gestellt?
• Welche Faktoren bestimmen die Kundenzufriedenheit?
• Welche Probleme wurden bereits identifiziert?
• Wo wird Druck aus dem Wettbewerb wahrgenommen?
• Welche Faktoren tragen am stärksten zu den Kosten bei?
• Welches sind die für den Geschäftserfolg wichtigsten vier Geschäftsprozesse, und wel-
che Störungen treten innerhalb dieser Prozesse auf?
11
Beratungsunternehmen finden die jungen Akademiker oft attrakti-
vere Arbeitsbedingungen.
Der Wettbewerb um qualifiziertes medizinisches Personal ist
härter geworden. Im Krankenhaus gibt es einen »War for talent«.
Nachwuchs bekommt man nur, wenn der Beruf attraktiv ist (Richter-
Reichhelm 2003: o. S.).
Mittlerweile antworten 35 Prozent auf die Frage der Bundesärztekam-
mer, ob sie sich noch mal für den Arztberuf entscheiden würden, mit
Nein. Mehr als die Hälfte sind mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrie-
den. Dabei sind die niedergelassenen Ärzte mit durchschnittlich 59 Pro-
zent unzufriedener als ihre Kollegen in Krankenhäusern mit 48 Prozent.
Diese Unzufriedenheit hat weit reichende Folgen, denn sie wirkt sich
auf die Patientenzufriedenheit aus.
Das wichtigste Ersatzkriterium, um die Qualität der medizinischen
Dienstleistung zu beurteilen, ist das Verhalten der Krankenhaus-
mitarbeiter untereinander. So ergab eine CKM-Studie: Wenn der Pa-
tient den Eindruck hat, die Mitarbeiter seien unkollegial, im Umgang
miteinander unfreundlich, es würde gegenseitig Schuld zugewiesen,
Informationen werden zurückgehalten oder Hierarchie ausgespielt,
dann ist dies im Beurteilungsbild der Patienten ein augenscheinliches
Indiz für Unsicherheit und mangelnde Fachkompetenz.
Die Zahlen sprechen für sich: Der »Kulturschock Krankenhaus«
führte dazu, dass von 12 106 Erstsemestern 1996 im Jahr 2002 noch
gerade 6675 als Arzt im Praktikum anfingen. Im Jahr 1998 hatten
12
sich immerhin noch 7862 bei den Ärztekammern als Arzt im Prakti-
kum angemeldet. Dies entspricht einem Rückgang um 15 Prozent in
nur vier Jahren (Kopetsch 2003).
Gut 20 Prozent der jährlich rund 11 000 Studienanfänger brechen
ihr Studium ab. Viele wechselten in nichtärztliche Berufe, zogen Jobs
in Unternehmensberatungen, Versicherungen, der Pharmaindustrie
und neuerdings auch in medizinischen Call-Centern vor. Von rund
374 000 Ärzten in Deutschland waren 2001 rund 77 000 ohne ärzt-
liche Tätigkeit – Tendenz steigend. Und auch die Abwanderung in das
für deutsche Ärzte immer attraktiver werdende Ausland wird größer
– nicht zuletzt aufgrund massiver Abwerbung: Inzwischen arbeiten
circa 2600 deutsche Mediziner allein in Großbritannien und 650 in
Norwegen. In Schweden wurden seit 1994 708 Lizenzen vergeben.
Die Auswirkungen in deutschen Krankenhäusern und Kliniken
sind schon heute – zumindest regional – fatal: Besonders in den
neuen Bundesländern suchen Klinikchefs händeringend nach Ärzten
im Praktikum, Assistenten und Fachärzten. Dasselbe Schicksal ereilt
zunehmend auch die Krankenhäuser und Fachkliniken für Rehabili-
tations-Medizin in ländlichen Gegenden. Selbst große Kliniken mit
einem hervorragenden Portfolio an Weiterbildungs-Ermächtigungen
signalisieren zunehmend Schwierigkeiten bei der Besetzung freier
Stellen. Hinzu kommt, dass bis 2010 rund 22 000 Hausärzte aus
dem Berufsleben ausscheiden werden. Der Altersdurchschnitt der
niedergelassenen Ärzte liegt heute schon bei 50 Jahren, der der Kran-
kenhausärzte ist auf 40 Jahre angestiegen.
Im Osten gilt die Faustregel »55 Prozent aller niedergelassenen
Ärzte sind älter als 55 Jahre«. Dagegen sackte der Anteil der Ärzte
unter 35 Jahren unter 18 Prozent ab. Als heilende Ressource sind auch
die rund 8500 in Deutschland arbeitslos gemeldeten Humanmedizi-
ner äußerst vorsichtig zu bewerten. Viele gelten als immobil, andere,
zumeist Medizinerinnen, die eine Familie gegründet haben, stehen
aufgrund fehlender, notwendiger Teilzeitangebote vor allem in der
Fläche de facto nicht zur Verfügung (Kopetsch 2003).
Das Ärzteblatt hat mittlerweile ein eigenes Forum eingerichtet mit
dem Titel »Der Nachwuchs geht«. Hier findet man dann Diskus-
sionsbeiträge unter Überschriften wie »Der Nachwuchs geht – der
13
Abbildung 1-4: Im Forum des Deutschen Ärzteblatts spiegelt sich die Stimmung
der deutschen Ärzteschaft wider.
Russe kommt«, »400 Ärzte haben 2003 Bayern verlassen« oder »Seit
1.6.04: Jetzt noch bessere Chancen in der Schweiz«.
Ihrem Unmut Luft gemacht haben auch die Ärzte der Charité.
In Heft 36/2004 des Deutschen Ärzteblattes schalteten die Ärzte
eine sehr ungewöhnliche Anzeige. Dort heißt es unter anderem:
»270 Fachärzte und Assistenzärzte (w/m) der Charité (. . .) in unge-
kündigter Stellung, wissenschaftlich ausgewiesen, in Klinik und
Lehre engagiert, suchen aufgrund verschlechterter Arbeitsbedingun-
gen durch neue Tarifverträge neue, interessante Aufgaben (auch im
Ausland) . . .«
Die Ärzte protestieren damit gegen die Sparvorgaben der Kliniklei-
tung. In einem Leserbrief kommentiert Dr. med. Wolfhart Priesack
den Artikel wie folgt: »Den mutigen Ärztinnen und Ärzten der
14
Abbildung 1-5: Das Stellengesuch der Ärzte aus der Charité aus dem Ärzteblatt
vom 3. September 2004 zeigt die Brisanz der Situation.
15
2. Erfolgsfaktor Unternehmenskultur
»Mit einer hoch motivierten Mannschaft,
die auf alten Maschinen in einer Bruchbude
arbeitet, erreicht man mehr als mit einer
unmotivierten Gruppe, die über modernste
Maschinen und Gebäude verfügt.«
Reinhold Würth
Rudolf Jost beginnt sein Buch mit der folgenden Frage: »Was haben
ein Pudding und Unternehmenskultur gemeinsam?« Auf den ersten
Blick nichts. Und doch viel: »Unternehmenskultur zu ergründen,
gleicht dem Versuch einen Pudding an die Wand zu nageln. Nur
dürfte das den wenigsten schon gelungen sein.« (Jost 2003: 9)
In diesem Kapitel soll der Begriff Unternehmenskultur definiert
werden.
17
2.1 Zweck, Merkmale und Elemente
von Unternehmenskulturen
18
Abbildung 2-1: Die Unternehmenskultur ist der wichtigste Erfolgsförderer, der
gleichzeitig den höchsten Schutz vor Imitation durch Wettbewerber
aufweist.
19
Abbildung 2-2: Die Sozialqualität ist der entscheidende Erfolgsförderer in einer
Organisation.
20
2.1.2 Was ist Unternehmenskultur?
21
Nach Hofstede (2001: 8 ff.) manifestiert sich Kultur durch ihre
sichtbaren Elemente wie Symbole, Helden und Rituale (unter dem
Oberbegriff Bräuche (Praktiken) zusammengefasst) und ihre unsicht-
baren Elemente wie Werte.
– Symbole werden von denen erkannt, die der gleichen Kultur ange-
hören. So haben etwa Farben eine höchst unterschiedliche Bedeu-
tung in den Kulturen. Schwarz steht in Deutschland für Trauer, in
China hingegen für Macht, Geld und Nachdenken.
– In jeder Kultur gibt es Helden. Diese Personen besitzen Eigen-
schaften, die in einer Kultur hoch angesehen sind.
– Auch Rituale definieren die Zugehörigkeit zu einer Kultur. So be-
grüßen sich die Franzosen mit einem Kuss auf die Wange, in
Deutschland gibt man sich die Hand. In Japan ist es wiederum sehr
wichtig, dass man der Visitenkarte des Geschäftspartners große
Aufmerksamkeit schenkt.
– Schließlich wird die Kultur noch durch Werte geprägt. Werte sind
allgemeine Neigungen, einen Umstand einem anderen vorzuzie-
hen. So kann die Unternehmenskultur in einem Krankenhaus z. B.
durch die Werte der katholischen Kirche geprägt sein. Viele Dinge
werden hier ganz anders entschieden als in einem weltlichen
Krankenhaus.
Es sind die vielen Kleinigkeiten, die das große Ganze ausmachen und
die man versteht, ohne sie benennen zu können. Ähnlich verhält es
sich mit der Unternehmenskultur. Ein Opelaner weiß schon ziemlich
genau, wie es sich anfühlt ein Opelaner zu sein. Aber kann er es auch
präzise beschreiben? Wohl kaum.
Der Begriff Unternehmenskultur wird in der Literatur nicht eindeutig
definiert. Die nachfolgenden Definitionen vermitteln exemplarisch
einen Eindruck.
– »Ein System von Wertvorstellungen, Verhaltensnormen, Denk-
und Handlungsweisen, das von einem Kollektiv von Menschen
erlernt und akzeptiert worden ist und bewirkt, dass sich diese
soziale Gruppe deutlich von anderen Gruppen unterscheidet.«
(Bleicher 1991: 732)
22
Abbildung 2-3: Das Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur (in Anlehnung
an Schein 1995) zeigt, aus welchen Komponenten sich die Unter-
nehmenskultur zusammensetzt.
23
fällig und wichtig? Eine Hilfestellung können hierbei standardisierte
Kulturtypen leisten.
2.1.3 Kulturtypen
Abbildung 2-4: Die Kulturtypen nach Deal und Kennedy (1987) zeigen verein-
facht, welche Kulturtypen prinzipiell existieren können.
24
Alles-oder-Nichts-Kultur
– Motto: »Zeige mir den Berg und ich werde ihn erklimmen«;
– Welt von Individualisten, »Stars mit großen Ideen«;
– draufgängerisches Handeln, hohes Risiko;
– Erfolg und Misserfolg bestimmen alles: Ansehen, Einkommen,
Macht;
– jugendliches, leicht aus dem Rahmen fallendes Erscheinungsbild;
– Emotionen werden gezeigt (bis auf Schmerz);
– unkonventionelle Sprache (Wortschöpfungen).
Brot-und-Spiele-Kultur
– Motto: »Die Umwelt steckt voller Möglichkeiten, du musst sie nur
nutzen«;
– geringes Risiko und rasches Feedback;
– unkomplizierte Zusammenarbeit im Team;
– Aktivismus ist gefragt;
– Held ist, wer schwierige Kunden überzeugt;
– auf freundliches, ansprechendes Auftreten wird Wert gelegt;
– fröhliche Feste und Auszeichnungen;
– Bilder sind aus der Sportwelt entnommen
(rote Karte, Halbzeit etc.);
– Firmensprache ist knapp und voller rätselhafter Kürzel.
Analytische Projekt-Kultur
– hohes Risiko bei langsamem Feedback (z. B. Flugzeughersteller);
– Umwelt vorwiegend als Bedrohung angesehen
(Prognosen, Analysen);
– vertraut wird auf wirtschaftlich-technische Rationalität;
– Fehlentscheidungen sind zu vermeiden (sorgfältiges Überlegen);
– ideal ist die gesetzte, reife Persönlichkeit
(Karriere wird schrittweise gemacht);
– Helden haben sich mit unerschütterlicher Zähigkeit durchgebissen;
– Kleidung ist korrekt und unauffällig;
– höfliche Umgangsformen, Emotionen sind verpönt.
25
Prozesskultur
– perfekter und diskreter Arbeitsvollzug stehen an erster Stelle
(keine Fehler);
– Misstrauens- und Absicherungsmentalität
(alles wird registriert, dokumentiert);
– starke hierarchische Ordnung
(Kleidung, Kreis der Kontaktpartner, Gehalt, Umgangsformen);
– Beförderung als beliebtes Gesprächsthema
(Statussymbole und Privilegien);
– Helden sind Mitarbeiter, die trotz widriger Umstände fehlerfrei
arbeiten;
– Sprache ist korrekt und detailbesessen.
Eine andere Unterscheidung trifft Kellner (1997). Folgende Typen
werden unterschieden: Dorfkultur, Dschungel-Kultur, Stadt-Kultur
und Wanderkultur.
Dorf-Kultur
Von einer Dorf-Kultur spricht man, wenn ein Unternehmen Ähnlich-
keiten mit einem traditionellen Dorf aufweist. Ein typisches Beispiel
sind Handwerksbetriebe, Restaurants oder Neugründungen. Merk-
male sind:
– jeder kennt jeden;
– Transparenz über die Arbeit der Kollegen
(was und wie wird gearbeitet);
– Solidarität gegenüber den Älteren;
– gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme auf private Belastungen;
– Chef ist der absolute Fürst (Patriarch);
– Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Betrieb;
– jüngere Kollegen ordnen sich den Älteren unter;
– wenig Bürokratie.
Dschungel-Kultur
In einer Dschungelkultur kennt nicht mehr jeder jeden. Wenn man
gerade glaubt, man kenne die Zusammenhänge, dann ist schon wie-
der alles ganz anders. Eine Dschungelkultur findet man häufig in
26
Unternehmen, die sehr schnell gewachsen sind, z. B. in jungen Soft-
wareunternehmen. Merkmale sind:
– keine überschaubare Gemeinschaft;
– verworrene Strukturen, Beziehungen, Regeln und Vorschriften
und Machtverhältnisse;
– bürokratismusfeindlich;
– ungeregelte Kommunikationswege;
– jeder hat die Chance, sich durchzusetzen;
– effiziente Teams und Räuberbanden.
Stadt-Kultur
Merkt der Gründer dann, dass die Verhältnisse im Unternehmen cha-
otisch sind, entwickelt sich die Stadtkultur. Diese Entwicklung erfolgt
meist schrittweise. Nach und nach werden z. B. erste Formulare ein-
geführt. Merkmale sind:
– alles ist geregelt (Strukturen, Kommunikationswege, Kernzeit);
– Formulare (Bestellzettel, Urlaubsanträge, Reisekostenabrechnung);
– einheitliche Präsentationsfolien;
– Mitarbeitergespräche sind im bestimmten Zeitintervall vorge-
schrieben;
– Gehaltsregelungen sind einheitlich und transparent
(Probezeit, Firmenwagen, Karrierestufen).
Wanderkultur
Man spricht von einer Wanderkultur, wenn es in einem Unterneh-
men nicht vorgesehen ist, dass man lange bleibt. Es wird mehr Wert
auf ständig frisches Personal gelegt, das neue Ideen einbringt und
möglichst geringe Gehaltswünsche äußert. Typische Wanderkulturen
finden sich in der Werbebranche, in großen Hotels oder in Fast-Food-
Ketten. Merkmale sind:
– Mitarbeiterverhältnisse sind nicht auf Dauer angelegt;
– ständig neues, unverbrauchtes Personal mit geringen Gehalts-
wünschen;
– Unternehmen rühmen sich mit dem geringen Durchschnittsalter
der Mitarbeiter (Modernität und Flexibilität);
27
– tatsächlich existieren aber eher traditionelle Werte
(autoritäre Führung);
– unkomplizierte Zusammenarbeit über verschiedene Abteilungen
hinweg;
– Scheinkollegialität und Scheinfreundlichkeit.
2.1.4 Fazit
28
2.2 Unternehmensleitbild als Voraussetzung einer zukunfts-
orientierten Unternehmenskultur – Thesen zur Änderung
der Organisationskultur in Krankenhäusern
These 1:
Die meisten Leitbilder stellen sich als Etikettenschwindel heraus. Wie jede
andere Führungstechnik läuft gerade das Leitbild Gefahr, als Patentrezept
für die Bewältigung von Führungsversäumnissen der Vergangenheit miss-
braucht zu werden.
Jedes Thema kann zum Modethema degenerieren, wenn man sich
nur etikettenhaft und oberflächlich damit auseinander setzt. Es ist in
der Praxis immer wieder beobachtbar, dass die meisten Manager in
dem Irrglauben leben, mit der Formulierung eines Leitbildes hätten
sie bereits ein Patentrezept für alle ungelösten Führungs-, Verhaltens-
und Kommunikationsprobleme eingeführt. Ich stelle damit nicht den
29
Wert eines Leitbildes in Frage, sondern ich kritisiere die Art der Leit-
bildentwicklung und der Leitbildverwendung. Ein Leitbild kann nicht
von Stabsmitarbeitern und Beratern am grünen Tisch im stillen Käm-
merlein ausgedacht, schön formuliert, als Hochglanzbroschüre ge-
druckt und anschließend an alle Mitarbeiter durch Anhängen an die
Gehaltszettel per Posteinwurf verteilt werden.
Ein Leitbild ist das in Worte gefasste Zwischenergebnis eines müh-
samen und Zeit beanspruchenden Dialogs zwischen Führung und
Mitarbeiter, zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen und Hierar-
chieebenen. Dieser Dialog muss offen geführt werden: Erwartungen,
Meinungen, Ängste, Forderungen und Unzufriedenheiten müssen
transparent gemacht werden. Dies bedeutet harte Kommunikations-
arbeit für alle Beteiligten, insbesondere setzt es die Bereitschaft zum
konstruktiven Dialog sowie zum Zuhören voraus.
These 2:
Jedes soziale System benötigt akzeptierte Kommunikations- und Ver-
haltensregeln, die das Miteinander vor einem Gegeneinander schützen. Leit-
bilder sind ein wichtiges Führungsinstrument zur Unterstützung der Unter-
nehmensziele.
Überall, wo Menschen miteinander in Kontakt treten, sei es am Ar-
beitsplatz, auf dem Fußballfeld oder in der Familie, gibt es Regeln, die
das Abgleiten dieses Miteinanders in ein zerstörerisches Gegeneinan-
der verhindern sollen.
Solche Regelwerke geben den Menschen Verhaltenssicherheit, und
sie verpflichten jeden Beteiligten, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen
oder zu unterlassen. Wichtig ist es die Regeln zu kennen, d. h. Klar-
heit darüber zu erhalten, was vom Mitarbeiter erwartet wird und
was er von Kollegen und Vorgesetzten erwarten darf. Ein Leitbild ver-
mittelt deshalb ein Stück kulturelle Identität.
30
These 3:
Ein Leitbild muss Auskunft geben über die Rollenerwartungen aller Mit-
arbeiter, und es muss die Frage nach dem »Warum« unseres Handelns
bewusst stellen und schlüssig beantworten.
Ein Leitbild trifft eine Aussage über die Ziele, Absichten, Verhaltens-
normen und Werte, die in einem Krankenhaus zukünftig gewünscht
und/oder bereits heute faktisch gelebt werden.
Ein Leitbild ist eine »Persönlichkeitsbeschreibung« und umfasst
eine Reihe von Charakterisierungsmerkmalen. Ein Leitbild fasst in
Worte, was ein Dritter über uns wissen muss, damit er uns als Part-
ner einschätzen kann.
– Was ist das Besondere an unserem Krankenhaus? Wofür stehen
wir? Wodurch wird ein Patient veranlasst, gerade unserem Kran-
kenhaus zu vertrauen?
– Wer sind unsere primären Bezugsgruppen? Wer ist für uns aus
welchem Grund wichtig? Welche Rolle spielen Patient, Angehörige,
Besucher und niedergelassene Ärzte? Wie beabsichtigen wir, mit
diesen Bezugsgruppen zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren
und sie zu behandeln?
– Welche Erwartungen werden an unsere Mitarbeiter gestellt, und wel-
che Gründe haben uns veranlasst, solche Anforderungen aufzustel-
len? Welche Verpflichtungen geht jeder neue Mitarbeiter ein, der
sich für einen Arbeitsplatz in unserem Krankenhaus entscheidet?
– Was darf der Mitarbeiter, der sich für unsere Leistungs- und So-
zialgemeinschaft engagiert, im Gegenzug erwarten? Welche ver-
pflichtende Rolle spielt in unserem Haus die Führung?
Ein Leitbild ist der in Worte gefasste Spiegel einer Unternehmens-
kultur. Entsprechend enthält es Aussagen zum Menschenbild, Zu-
sammenarbeit und Führungsstil, ebenso die Regeln der innerbetrieb-
lichen Kommunikation und die Führungsgrundsätze.
31
These 4:
Leitbilder geben unserem Handeln Richtung und Sinn. Aber im Mittel-
punkt des Leitbildes steht eine Vereinbarung über den Umgang miteinan-
der. Denn nur durch Sozialqualität entstehen Servicequalität und Kun-
denorientierung.
Natürlich gibt es solche Leitbilder. Es kommt immer darauf an, welche
besonderen Verhaltensbereiche einer Organisation in einem Leitbild
abgebildet werden sollen. Faszinierend ist in diesem Zusammenhang
das Leitbild des amerikanischen Motorradherstellers Harley-Davidson.
Die Führung von Harley-Davidson geht davon aus, dass der wichtigste
Erfolgsfaktor für ein Unternehmen darin besteht, die arbeitstägliche
Kommunikation zwischen allen Mitarbeitern und Hierarchieebenen
zielführend zu gestalten. Das Leitbild dieses Unternehmens ist präzise
und prägnant auf diesen Aussagekern ausgerichtet und umfasst nur
fünf Leitlinien:
– die Wahrheit sagen;
– Zusagen einhalten;
– fair sein;
– den Einzelnen respektieren;
– Neugier fördern.
These 5:
In den meisten Leitbildern ist von einer paradiesischen Krankenhauskultur
die Rede. Leitbilder werden oft formuliert als Anspruch an eine heile Welt.
Dadurch verlieren sie an Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit – und sie
erfüllen ihre Funktion als Orientierungsgeber nicht, sondern tragen eher
zur Desorientierung bei.
Leider sind die meisten Leitbilder das Hochglanzpapier nicht wert,
auf dem sie gedruckt sind. Sie sind zu visionär, zu überkandidelt,
zu allgemeingültig und zu wenig fassbar. Mit anderen Worten:
Es fehlt ihnen an Bodenhaftung. Hinter der Formulierung »der
32
Mensch steht bei uns im Mittelpunkt« steht kein wirkliches Bekennt-
nis, keine Verpflichtung zum Konkreten, kein Einfühlungsvermögen
in die Situation der Patienten, keine Selbstverpflichtungserklärung.
Solche Formulierungen reizen durch ihre Oberflächlichkeit dazu,
durch verniedlichende Verballhornung Lächerlichkeit herbeizufüh-
ren: ». . . deshalb steht uns der Mensch im Wege«.
Dagegen ist der Leitsatz: »Wir wahren die Intimsphäre unserer
Patienten und deren Angehörigen« schon eher als eine konkrete
Verpflichtungserklärung aufzufassen. Wir adressieren das Thema
Intimsphäre als wichtig. Wir demonstrieren, dass jeder von uns auf-
gerufen ist, initiativ Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen, die
Intimsphäre der Patienten zu wahren. Und wir fordern uns gegen-
seitig auf, ständig einen Dialog über Verbesserungsmaßnahmen zu
diesem Themenbereich zu pflegen.
Nur wenn ein Leitbild Bodenhaftung hat, wirkt es glaubwürdig, ist
für Mitarbeiter nachvollziehbar und regt die Mitarbeiter zu eigener
Initiative an.
These 6:
Menschen brauchen weniger herausfordernde visionäre Ziele, sondern eher
die ständige glaubwürdige, informatorische Verbindung zur Führung.
Natürlich enthält ein Leitbild auch visionäre Ziele, aber die Vision von
einer konfliktfreien Arbeitswelt lässt sehr schnell Ernüchterung, ja so-
gar Enttäuschung aufkommen, wenn erkennbare Fortschritte auf die-
sem Weg ausbleiben. Kennedys Vision vom ersten Amerikaner auf dem
Mond war eben keine politische Durchhalteparole. Hinter Kennedys Vi-
sion stand ein Programm, bestehend aus einer Vielzahl aufeinander
abgestimmter Ziele und Maßnahmen, die alle konsequent dazu beitru-
gen, diesen Traum einer Nation in weniger als zehn Jahren zu erfüllen.
Das »Bündnis für Arbeit«, um ein Negativbeispiel zu nennen,
demaskiert hingegen in aller Peinlichkeit die Kluft zwischen einer
ideenlosen Führung ohne Macherqualitäten und Geführten, deren
Interessen, Ängste und Nöte undiskutiert bleiben. Visionen ohne
Programme, also Proklamationen und Durchhalteparolen, stehen für
eine Führung, die abgehoben ist vom Kunden, vom Mitarbeiter und
von den Problemen des Tagesgeschäfts.
33
Viel wichtiger ist es, einen Konsens darüber zu erreichen, dass
jeder in einem Unternehmen seine Hausaufgaben macht, vor der
eigenen Haustür kehrt und in Ordnung bringt, was durch eigene
Entscheidungen beeinflussbar ist. Die Führung pflegt Visionen, und
der Mitarbeiter steckt alleine gelassen in der Tagesarbeit – das ist
mit Sicherheit der falsche Weg. Die richtige Vision: »Go to gemba«.
Das ist eine Maxime der in Japan entwickelten Kaizen-Methode und
bedeutet »Geh an den Ort der Wertschöpfung«.
These 7:
Ein qualifiziertes Leitbild hat den Charakter eines »psychologischen
Kontrakts«. Aber ein Leitbild ist kein Bestandteil des Arbeitsvertrags.
Ein schriftlich vorliegendes Leitbild sollte kein juristisch einklagbarer
Bestandteil des Arbeitsvertrages werden. Denn ein Leitbild ist kein Ge-
setzbuch, das einmal verabschiedet wird und dann wie das BGB für die
nächsten 100 Jahre seine Gültigkeit behält, sondern ein jetzt formulier-
tes Leitbild ist zu verstehen als Anstoß und Plattform für einen offenen
Dialog aller Mitarbeiter. Leitlinien sind niemals endgültig, auch wenn
sie gedruckt sind. Leitlinien machen ein Angebot und laden zur kriti-
schen Diskussion ein. Durch die Leitlinien werden wichtige Themen
zur Sprache gebracht und gegensätzliche Standpunkte ausgetauscht. Es
wird versucht, zu wichtigen Fragen der Unternehmenskultur Konsens
zu erreichen auf der Basis eines konstruktiven Dialogs. Insofern sind
Leitlinien eine Lernhilfe auf dem Weg zum Verständnis füreinander
und für gegenseitige Akzeptanz. Das Leitbild beinhaltet als größte Ver-
pflichtung, Fragen zu stellen, sich gegenseitig zuzuhören und offen
über gegensätzliche Meinungen zu wichtigen Sachverhalten zu reden.
These 8:
Ein Leitbild ist Anstoß zum offenen, fairen und ehrlichen Dialog über die
arbeitstäglichen Fragen der konkreten Zusammenarbeit zwischen den Mit-
arbeitern untereinander, zwischen Mitarbeiter und Führung, aber insbe-
sondere auch zwischen Mitarbeiter und Kunden.
Ob das Kantinenessen gut oder schlecht, billig oder teuer ist, darf
nur nachrangig ein leitbildfähiges Thema sein. Durch das Leitbild
müssen strittige Fragen aufgegriffen werden, die für jeden Mitarbei-
34
ter in seiner Tagesarbeit Bedeutung haben. Dabei heißt »Tagesarbeit«:
Umgang mit Patient, Angehörigen, Kolleginnen insbesondere in
Situationen, die vom Normalen und Gewünschten abweichen.
Ein Beispiel: das Thema Wirtschaftlichkeit, das in den meisten
Krankenhäusern geradezu als Tabuthema verdrängt wird: »Wir sind
dem Patienten verpflichtet und nicht einem seelenlosen Budget«,
hört man von den meisten Berufsgruppen des Krankenhauses. Wir
müssen wieder lernen, zu diskutieren und uns von dem Niveau inte-
ressengeleiteter Meinungsterroristen lösen. Es hat noch nie gescha-
det, Spitzenleistung zu realisieren und gleichzeitig zu versuchen, das
hohe Leistungsniveau kostengünstiger zu erbringen. Es geht doch
nicht darum, Leistungen einzuschränken, sondern Verschwendung
zu vermeiden. Denn was heute gespart wird, ist die Finanzierungs-
basis für Investitionen der Zukunft, mit deren Hilfe die Patienten-
versorgung verbessert und die Arbeitsumgebung mitarbeitergerecht
gestaltet werden kann. Die Ethik des Arztes und auch der Pflegekraft
wird um die Dimension der Wirtschaftlichkeit erweitert. Noch ein-
mal: Es geht darum, am Überflüssigen zu sparen. In einem Kranken-
haus gilt immer die Reihenfolge: medizinische Qualität vor Kosten.
These 9:
Die Initiative zur Leitbildbearbeitung, ebenso die Erarbeitung einer ersten
konkreten Diskussionsvorlage für ein Leitbild ist eine nicht delegations-
fähige Aufgabe der obersten Führung.
Von der Führung wird erwartet, dass sie die Geschichte des Kranken-
hauses strategisch lenkt, Orientierung gibt, Ziele entwickelt, Prioritä-
ten setzt und Ideen für die Zukunft des Krankenhauses entwickelt.
Ein Leitbild ist eine spezielle Form der Richtungsfestlegung und der
demokratischen Richtungsdiskussion. Allen Menschen schön getan
ist eine Kunst, die keiner kann. Ein Leitbild in Grundzügen zu ent-
werfen ist eine nicht delegationsfähige Aufgabe der obersten Füh-
rung. Von einer Führung wird ja gerade erwartet, dass sie Orientie-
rung gibt, Ziele entwickelt, Prioritäten setzt und Ideen für die
zukünftige Entwicklung des Krankenhauses entwickelt.
Allerdings tut jede Führung gut daran, das Leitbild mit einer
repräsentativen Anzahl von Mitarbeitern zu diskutieren. Diese Diskus-
35
sionen sind wichtig, um das Leitbild mit Bodenhaftung zu versehen. Der
Prozess der Leitbildentwicklung läuft vorbildlich, wenn er durch die Füh-
rung veranlasst und kritisch mit den Mitarbeitern der unterschiedlichs-
ten Bereiche und Hierarchieebenen diskutiert wird. Zunächst sollte ein
berufsgruppenübergreifend zusammengesetztes Kernteam das Leitbild
in seinen Grundzügen entwickeln. Anschließend wird ein so genanntes
Reflexionsteam, ebenfalls berufsübergreifend zusammengesetzt, beauf-
tragt, selbst Leitbildaspekte herauszuarbeiten. In einem anschließenden
gemeinsamen Informationsmarkt werden die unterschiedlichen Voraus-
setzungen ausgetauscht und konsensfähig gemacht. Danach wird mit
der Gruppe der leitenden Chefärzte unter Beteiligung von Oberärzten
ein Grundkonsens hergestellt. Diskussionen mit den Pflegekräften und
Informationsveranstaltungen mit Mitarbeitern aller beruflichen Grup-
pierungen und Hierarchieebenen schließen sich an. Danach liegt es an
den »Informierten«, insbesondere den Führungskräften, für einen ent-
sprechenden Weitertransport der Informationen zu sorgen.
These 10:
Führungsgrundsätze sind zwingender Bestandteil eines Leitbildes, denn es
ist die Führung, die den Prozess der Leitbildentwicklung initiieren, durch
eigene Ideen speisen und durch aktives Vorleben ständig vorantreiben muss.
Ein Leitbild drückt aus, was von einer Führungskraft erwartet wird: im
Hinblick auf die Art und Weise, wie mit Mitarbeitern umzugehen ist, aber
auch bezogen auf die Verpflichtung, klare, nachvollziehbare Entschei-
dungen zu treffen. Die wichtigste Aufgabe der Führung besteht darin, or-
ganisatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Mitarbei-
ter durch eigene Entscheidungen sichtbare Resultate erzielen können.
These 11:
Ein Leitbild muss Transparenz über die Rolle des Mitarbeiters herbei-
führen, insbesondere über seine Verpflichtungen an die Erwartungen, die
an ihn gestellt werden.
Ein Leitbild nimmt auch die Mitarbeiter in die Verpflichtung. Wer
sich als Person für den Arbeitsplatz in einem bestimmten Unterneh-
men entscheidet, unterwirft sich mit dieser Entscheidung auch den
Spielregeln dieser Organisation. Insbesondere tut jeder Mitarbeiter
36
gut daran, sich vor seiner endgültigen Entscheidung Klarheit darüber
zu verschaffen, ob er die grundsätzlichen Ziele und Arbeitsschwer-
punkte der Institution grundsätzlich mittragen kann. Wer sich für ein
Unternehmen der Rüstungsindustrie entscheidet, verhält sich unfair,
wenn er nach Antritt der Stelle alles daran setzt, den Unternehmens-
zweck aufgrund seiner persönlichen pazifistischen Einstellung in
Richtung Fahrradproduktion umzudirigieren.
»Führung« ist doch kein Konsumobjekt getreu dem Motto: »Ich als
Mitarbeiter mache die Arbeit, die in meiner Stellenbeschreibung steht,
für alles andere wie z. B. Kundenfreundlichkeit, Verbesserung von Ar-
beitsabläufen usw. sind ›die da oben‹ zuständig.« Den Satz »Ich bin
weder Organisationsberater noch Lufthansa-Stewardess, sondern Kran-
kenschwester«, habe ich in deutschen Krankenhäusern wiederholt ver-
nommen. Initiativen zu ständigen Verbesserungen der Arbeitspro-
zesse und Kundenfreundlichkeit sind offenbar für eine Reihe von
Mitarbeitern noch nicht normaler Bestandteil ihrer Aufgabe.
These 12:
Ein Leitbild muss als Führungstechnik des Dialogs verstanden werden.
Merkmal dieser Führungstechnik ist das Go-Gemba-Prinzip der Führung.
Das Leitbild bietet einen Anlass sich mit dem eigenen Verhalten
selbstkritisch auseinander zu setzen: »Ist das eigentlich richtig, wie
ich mich in bestimmten Situationen verhalte?«
Durch den Dialog mit anderen Kollegen gerät der eigene Stand-
punkt auf den Prüfstand anderer Denkweisen. Aber bis dahin ist es ein
weiter Weg. Oft ist es die Führung, die jede Mitarbeiterinitiative im
Keim erstickt. Vielerorts in deutschen Krankenhäusern hat man den
Eindruck, dass herausragende Leistungen von Mitarbeitern der Füh-
rung zum Trotz erbracht werden. Jeder Mitarbeiter ist nur so initiativ,
problembewusst und kundenfreundlich, wie es ihm die Führung aktiv
vorlebt und wie die Führung ihm diese Aktivitäten gestattet.
Die Qualität einer Führung zeigt sich an drei Merkmalen:
– am Umgang mit Fehlern;
– an der Art und Weise, wie auf Ideen und Vorschläge von Mitarbei-
tern reagiert wird;
– daran, wie die Führung mit gegensätzlichen Meinungen umgeht.
37
Es kommt im Wesentlichen auf zwei Dinge an:
– Wenn man als Führungskraft etwas verändern will, muss man den
Dialog mit dem Mitarbeiter aufnehmen. Ich halte es mit dem Füh-
rungsprinzip des Toyota-Werkleiters Taichi Ohno: »Gehe an den
Ort, an dem eine Leistung für unseren Kunden erbracht wird, und
frage die Mitarbeiter, die die Arbeit machen!« Damit wir uns rich-
tig verstehen: Dieser Führungsgrundsatz des »Go to gemba« unter-
stellt nicht, dass die Mitarbeiter die alleinigen Wissensträger sind,
sondern dahinter steht das Führungsprinzip des Dialogs. Führung
ist so erfolgreich, wie es ihr gelingt, Akzeptanz für Ideen, Reorga-
nisationsnotwendigkeiten, Projekte usw. von den Mitarbeitern zu
erhalten, die später die neuen Konzepte mit Leben erfüllen müs-
sen. Und das bedeutet verständliche Kommunikation im Vorfeld ei-
ner Entscheidung. Das wichtigste Merkmal einer Führungskraft
ist, berechenbar und fair zu sein.
– Mitarbeiter engagieren sich aus meiner Erfahrung dann, wenn ih-
nen die Gelegenheit gegeben wird, durch eigene Entscheidungen
die eigene Arbeitsumgebung zu gestalten. Insofern darf sich die
Führung nicht darauf beschränken, Aufgaben zu delegieren oder,
wie es ja auch »modern« ist, Ziele zu vereinbaren, sondern es
kommt darauf an, Problemlösungsverantwortung an die Mitarbei-
ter zu delegieren.
These 13:
Leitbild und Unternehmenskultur sind Führungstechniken, mit deren
Hilfe in besonderer Weise das Problem der Delegationsfalle überwunden
werden kann: Nicht Aufgaben und Tätigkeiten sind primär Gegenstand der
Delegation, sondern die Übertragung von Problemlösungsverantwortung.
Für die Glaubwürdigkeit und für die Bodenhaftung eines Leitbildes
ist die Art der Delegation ausschlaggebend. Im Zentralkrankenhaus
Sankt-Jürgen-Straße (jetzt: Klinikum Bremen-Mitte gGmbH) war die
Entwicklung des Leitbildes von Anfang an auf beispielgebende kleine
Projekte gerichtet, an denen verdeutlicht werden sollte, welche The-
men wichtig sind, wie die Mitarbeiter zusammenarbeiten, welche
Rolle die Führung bei der Projektrealisierung einnimmt und auf wel-
che Art über die erreichten Resultate kommuniziert wird.
38
Es gibt momentan Teams, die sich mit dem Thema »Intimsphäre
in der Endoskopie« oder mit der Verbesserung des Telefonverhaltens
beschäftigen. Ein anderes Team setzt sich mit Möglichkeiten »der
freundlichen Patientenaufnahme« auseinander, während ein viertes
Team die »Entlassungen der Patienten« reibungslos zu organisieren
versucht. Über solche »Leitprojekte« erzeugt man leitbildgerechte
Verhaltensbeispiele, die zur Nachahmung anregen sollen.
These 14:
Leitbildprojekte sind nicht der Start in eine völlig neue Kulturzunft,
sondern sie sind ein Teil eines Prozesses der kontinuierlichen Verbesserung,
innerhalb dessen die erlebte Vergangenheit mit ihren positiven und negati-
ven Erfahrungsaspekten zukunftsfähig und lebenswert gemacht wird.
Leitbildprojekte müssen immer als Fortsetzung und Intensivierung
des Weges begriffen und kommuniziert werden, den ein Haus bereits
begonnen hat. Patienten- und Einweiserbefragung, Mitarbeiterzeit-
schrift und Patientenratgeber sind in vielen Unternehmen bereits er-
griffene Maßnahmen zur Verbesserung der bereichsübergreifenden
Kommunikation.
Über Leitbild und Kultur sollte man keine Sonntagsreden führen,
weil diese, ebenso wie eher ermüdende Appelle nach dem Motto
»Wir sitzen doch alle in einem Boot«, de facto nichts verändern.
Leitbild und Kultur entstehen nur durch das, was man tut; nur das
Getane erzielt Wirkung, erreicht und überzeugt die Mitarbeiter – zu-
mindest lässt sich ein Dialog über etwas Konkretes wesentlich zielge-
richteter und emotionsfreier führen.
These 15:
Auch ein schriftlich fixiertes Leitbild ist weder vollständig noch endgültig.
Ein Leitbild-Dialog mit der Bodenhaftung durch Projekte, die von Mit-
arbeitern durchgeführt werden, braucht seine Zeit. Deshalb kommen
zum Fragen und Zuhören noch die Notwendigkeit der Geduld und
die Fähigkeit, Rückschläge einzustecken, hinzu.
In jedem Haus gibt es vorzeigefähige Leistungen im Hinblick auf
Patientenfreundlichkeit und Kostensenkung, in jedem Haus lassen
sich Vorzeigefälle für herausragendes Engagement von Mitarbeitern
39
finden, die als Anregung für weitere Initiativen dienen können. Jedes
Krankenhaus hat eine Kultur, verfügt über handlungsbestimmende
Werte und geheime soziale Spielregeln, die den Umgang miteinander
und das Verhalten leiten und beeinflussen. Jedes Unternehmen
»lebt« durch drei Elemente, durch die Richtung und Orientierung
fixiert werden: Vision, Kompetenz und Tradition. Odo Marquardt
stellt fest: »Zukunft braucht Herkunft«. Die Zukunft wird also gene-
riert durch das Weiterentwickeln der eigenen Kultur und der eigenen
Stärken.
These 16:
Wenn Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen, aus unterschiedlichen
Organisationseinheiten und unterschiedlichen Hierarchieebenen in einen
offenen Dialog treten sollen, bedarf dies eines völlig anderen Verständnisses
von Kommunikation. Kommunikation muss im Sinne einer konstruktiven
Streitkultur verstanden werden. Es muss ein anderes Verständnis von
Machtausübung durch Vorgesetzte entwickelt werden. Die Mitarbeiter müs-
sen »sich trauen«, und man muss ihnen auch etwas »zutrauen«.
Ein Leitbild muss auch getragen sein vom Willen zur Herstellung von
Transparenz: über persönliche Meinungen und Absichten, indivi-
duelle Ärgernisse, aber immer auch verbunden mit einer klaren Äu-
ßerung darüber, wie man sich selbst den zukünftig wünschenswerten
Zustand vorstellt.
Grundregel der Kommunikation ist: Nenne immer das gewünschte
Verhalten, rede mit. Wähle Ich-Botschaften und adressiere die
Botschaft an den, den sie angeht: »Ich fühle mich von Ihnen schlecht
behandelt.«
Mängel aufdecken ist wichtig; noch wichtiger und viel wertvoller ist
es jedoch, Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Konkrete Vorschläge
sind Voraussetzung für eine konkrete Diskussion und fast schon ein
Erfolgsgarant für konkrete Resultate. Wer Mitarbeiter nach dem Prin-
zip »Befehl und Gehorsam« führt, wird als Führungskraft selbst bald
zum Entscheidungsengpass. Befehlsempfänger führen Anweisungen
aus, aber sie lösen keine Probleme; die Problemlösung ist Führungs-
kraftaufgabe, da die Mitarbeiter dafür keine Kompetenz haben. Solche
Mitarbeiter spielen das Spiel »Rückdelegation«.
40
Die Probleme einer komplexen Umwelt lassen sich nur dadurch
bewältigen, dass viele Mitarbeiter sofort im Sinne der übergeordneten
Ziele reagieren, ohne vorher den Chef zu fragen oder sich durch
Aktennotizen oder »Zeugen« abzusichern.
These 17:
Ein Leitbild muss glaubwürdig sein. Was aber nicht heißt, dass alle Anfor-
derungen, die das Leitbild an die Zusammenarbeit, an die Kommuni-
kation und an die Orientierung stellt, auch bereits realisiert sein müssen,
bevor das gedruckte Leitbild an die Mitarbeiter verteilt wird.
Ein Leitbild, das mit der Realität nicht übereinstimmt, wirkt ganz
bestimmt verunsichernd oder sogar erheiternd auf die Mitarbeiter.
Man amüsiert sich dann auf Mitarbeiterebene köstlich über die reali-
tätsferne, abgehobene Führung. Aber dennoch: Ein Leitbild repräsen-
tiert Vergangenheit, Gegenwart und gewünschte Zukunft zugleich.
Ein Leitbild muss Tradition, Kompetenz und Vision zu einer ver-
ständlichen Symbiose vereinigen. Tradition ist immer mit Werten wie
Beständigkeit und Dauerhaftigkeit verbunden.
41
3. Bedeutung der Unternehmenskultur
für das Krankenhaus
43
3.1 Hospital Branding:
Von der Markenkultur zum Magnet-Krankenhaus
Wilfried von Eiff
Eine Marke ist ein Name, Ausdruck, Symbol, Zeichen oder eine Kom-
bination davon. Sie dient dazu, das Produkt- oder Leistungsangebot
eines Anbieters zu kennzeichnen und von der Konkurrenz abzuhe-
ben. Eine Marke steht für vermutete bzw. erwiesene Qualität und sig-
nalisiert umfassende, herausragende Kompetenz auf einem Fachge-
biet. Die Unternehmenskultur prägt das Verhalten der Mitarbeiter
eines Unternehmens. Damit leistet sie einen entscheidenden Beitrag
zur Markenbildung. Auch von potenziellen Arbeitnehmern wird eine
Marke mit Eigenschaften verbunden, so kann eine Marke z. B. mit
einer positiven Unternehmenskultur verbunden werden. Menschen
sind beispielsweise stolz darauf, wenn sie bei einem Arbeitgeber
arbeiten, der ein gutes Ansehen in der Region genießt.
44
– Auch für ausländische Patienten sind diese Häuser attraktiv (zu-
sätzliche Einnahmen im Privat- und Wahlleistungsbereich).
– Sie werben Sponsorengelder ein, z. B. für die Verbesserung des
Dienstleistungsangebots, der Bausubstanz, des Ambientes und der
medizintechnischen Ausrüstung sowie zur Finanzierung von
Weiterbildung und Ausdehnung der Personalstellen.
45
Abbildung 3-1: Das Krankenhaus mit Markenprofil wirkt im wachsenden Wett-
bewerb des Gesundheitsmarkts wie ein Magnet.
Ein Paradebeispiel ist das Unternehmen Zynx, das Software für kli-
nisches Prozessmanagement anbietet. Das höchst erfolgreiche Un-
ternehmen wurde von Mitarbeitern des Cedar Sinaii Hospital in Los
Angeles gegründet und durch eine Kapitalverflechtung mit Finanz-
mitteln ausgestattet. Zynx hat sich selbst mittlerweile als Marken-
unternehmen etabliert.
46
3.1.2 Die Merkmale einer Marke:
Was die Krankenhausmarke von Handelsmarken
unterscheidet
47
Markenwert und Markenfunktion
Eine Marke ist immer mit einem Wertangebot verbunden, das von be-
stimmten Zielgruppen als vorzugswürdig gegenüber allen anderen
zur Auswahl stehenden Angeboten eingestuft wird.
Die Grundstruktur dieses Wertangebots einer Marke unterscheidet
sich in Abhängigkeit von der Art des Produkts, der Art des Kunden-
problems, das es zu lösen gilt und dem Risiko, das mit einer Aus-
wahlentscheidung für den Kunden verbunden ist.
Das Wertangebot einer Marke für den Kunden lässt sich aus den
drei Grundfunktionen einer Marke ableiten (vgl. Abbildung 3-2), die
eine wertvolle Hilfe im »Kauf-/Dienstleistungsentscheidungspro-
zess« bieten:
– Funktion der Risikoreduktion: Eine Marke steht für »vermutete bzw.
erwiesene Qualität« (Qualitätsversprechen; Qualitätsgarantie) und
signalisiert umfassende, herausragende Kompetenz auf einem
Fachgebiet. Damit verringert sich die (subjektiv eingeschätzte) Ge-
fahr einer Fehlentscheidung. Insbesondere im Gesundheitsmarkt,
den Märkten für hochwertige Gebrauchsgüter sowie Investitions-
gütermärkten spielt diese Markenfunktion die zentrale Rolle.
– Funktion des Identifikationsnutzens: Eine Marke bietet dem Kunden
die Möglichkeit zur Selbstdarstellung bzw. zum Ausdruck eines
48
individuellen Lebensstils; der Kunde identifiziert sich mit der
Marke und möchte mit dem Markenprodukt in seiner sozialen
Umgebung wahrgenommen werden. Für medizinische Leistungen
hat diese Markenfunktion kaum Bedeutung, eher für Konsumgüter
(Designerware) und Dienstleistungen (Exklusiv-Reisen).
– Funktion der Selektionshilfe: Durch ihr unverwechselbares Erschei-
nungsbild, in Verbindung mit einer Qualitätsvermutung, heben
sich Marken von anderen Angeboten ab. Marken haben häufig ei-
nen Best-in-class-Status, durch den sie eine Messlattenfunktion für
andere einnehmen. Marken differenzieren und erleichtern dem su-
chenden Kunden den Weg zum für ihn richtigen Produkt. Der
Such- und Entscheidungsprozess wird vereinfacht.
Markenansätze
Um die Bedeutung von Marken für die Auswahlentscheidung zu
verstehen, ist es erforderlich, sehr genau zwischen
– Konsumgütermarken wie Coca-Cola oder McDonalds,
– Gebrauchsgütermarken wie Mercedes oder Saeco,
– Investitionsgütermarken wie Caterpillar oder IBM,
– Dienstleistungsmarken wie FedEx oder McKinsey und insbeson-
dere
– Krankenhausmarken wie Johns Hopkins Hospital, UCLA Medical
Center, MAYO Clinic, Great Ormond Street Hospital oder Charité
zu unterscheiden.
49
sames Zeichen (Logo, Slogan, Farbklima, Gebäude, Ambiente) soll
Unverwechselbarkeit sichergestellt werden.
Idealerweise lassen die eingesetzten Symbole das Feld herausra-
gender Kompetenz erkennen und ermöglichen die Emotionalisie-
rung einer Sachbotschaft. Es gilt die Grundregel der Kommunika-
tion: Nur eine emotionalisierte Botschaft bleibt in Erinnerung und
fordert zum Handeln auf. Ausgesprochen schwierig gestalten sich
so genannte »Logo-Entscheidungen«: Das »ideale Logo« ist un-
kompliziert und einfach im Aufbau, lässt sich schnell dekodieren,
wirkt emotionalisierend, bleibt gut im Gedächtnis und repräsen-
tiert im Idealfall sogar das Kerngeschäft.
Veränderungen an Logos oder Slogans sind eine strategische Grat-
wanderung; denn solche Zeichen korrelieren im Meinungsbild
von relevanten Zielgruppen mit einer »vermuteten Kompetenz«;
diese vermutete Kompetenz kann in der Wahrnehmung der
Öffentlichkeit durch einen Symbolwechsel beeinträchtigt werden.
– Der identifikationsbasierte Ansatz bietet dem Kunden neben einem
Qualitätsversprechen insbesondere eine »emotionale Heimat«.
Konsum- und Gebrauchsgüter haben die Besonderheit, dass sie für
ihren Käufer/Benutzer neben dem reinen Genuss-/Gebrauchs-
nutzen einen »Identifikationswert« aufweisen können. Das heißt,
der Gebrauch der Marke drückt gleichzeitig ein Lebensgefühl aus:
Der Käufer definiert über die Marke einen Teil seiner Persönlich-
keit; mit dem Produktgebrauch demonstriert er sein individuelles
Lebens- und Selbstwertgefühl gegenüber seiner sozialen Umge-
bung.
– Der risikobasierte Ansatz zielt darauf ab, Vertrauen in Qualität und
Leistungsfähigkeit bei den relevanten Zielgruppen zu erreichen.
Dieser Ansatz geht (ähnlich wie das Brand Leadership Model
von Aaker und Joachimsthaler) davon aus, dass Marken von innen
heraus entstehen und nicht ausschließlich und vorzugswürdig an
Kundenwünschen orientiert sind. Dieser Ansatz stellt zwei Aspekte
in den Fokus der Markenbildung: bewiesene herausragende Fach-
kompetenz sowie Sozialqualität und Unternehmenskultur als
Voraussetzungen für positive Medienberichte und gesteigerte Be-
reitschaft zur Weiterempfehlung. Eine Marke entsteht also nicht
50
durch Marketing, sondern durch bewiesene Leistung. Dieser An-
satz hat im Gesundheitswesen herausragende Bedeutung.
51
Abbildung 3-3: Marken im Gebrauchs-/Konsumgüterbereich haben eine psycho-
logische Funktion, d. h. über ihren Gebrauch definiert der Käufer
einen Teil seiner eigenen Persönlichkeit.
52
Ebenso wenig ist es vorstellbar, dass Patienten nach erfolgreicher
Inkontinenz-Operation oder einer radikalen Prostataentfernung sich
in der Öffentlichkeit präsentieren, um die Markenbildung des Kran-
kenhauses zu fördern. Andererseits können solche Informationen
über Selbsthilfegruppen und Patientenvereine den relevanten Ziel-
gruppen verfügbar gemacht werden; dies stellt aber eher eine organi-
sierte Art der Mund-zu-Mund-Propaganda dar. Die Stadtklinik Baden-
Baden ebenso wie das Rabin Medical Center in Tel Aviv verschenken
an Neugeborene T-Shirts mit der Aufschrift »I was born at RMC«.
Auch diese Aktion ist eher als Marketing-Gimmick zu beurteilen,
denn als Faktor, der dazu beiträgt, mit dem Tragen des T-Shirts ein be-
stimmtes emotionales Lebensgefühl auszudrücken. Außerdem dürf-
ten Neugeborene bestimmt noch kein Markengefühl entwickeln;
ebenso wenig veranlasst dieser Gimmik einen Markenbewusstseins-
prozess bei den Eltern, der wie bei Calvin Klein (siehe oben) ein »Ver-
langen nach mehr« auslöst.
An dieser Stelle wird auch deutlich, dass Krankenhausleistungen
keiner eindeutigen, sondern einer eher heterogenen Assoziations-
struktur unterliegen.
– Zunächst ist ein klarer Unterschied zwischen geburtshilflichen
Abteilungen und anderen Krankenhausabteilungen zu machen.
99,5 Prozent aller Leistungen in der Geburtshilfe sind grundsätzlich
mit einem »freudigen Ereignis« verbunden (einschließlich der
neunmonatigen Vorfreude). Marketing-Maßnahmen mit Marken-
bildungswirkung lassen sich für diesen Bereich problemlos in die
Öffentlichkeit tragen. Schwangerschaft ist keine Krankheit, und die
Geburt eines Nachkömmlings anzuzeigen ist mit Stolz verbunden,
der in der sozialen Umgebung gerne kommuniziert wird. Insofern
ist das Thema »Krankenhaus als Marke« höchst differenziert zu dis-
kutieren: Onkologie, Gynäkologie oder Kardiologie/Herzchirurgie
genügen völlig anderen Markengesetzen als eine Abteilung für Ge-
burtshilfe. Deshalb sind alle Erkenntnisse der Markenpolitik im
Bereich Geburtshilfe nur sehr eingeschränkt auf den sonstigen
Krankenhausbetrieb zu übertragen.
– Assoziationen zum Begriff Krankenhaus sind ebenso unterschied-
lich wie gegensätzlich: Mit Krankenhäusern werden Begriffe wie
53
Krankheit, Tod, Schmerzen, Verlust der Intimsphäre und Ausge-
liefertsein negativ assoziiert (siehe Teststudie 1995). Diese negative
Assoziationstendenz, die mit dem Begriff Krankenhaus verbunden
ist, liegt in der Natur der Sache.
Krankenhausleistungen
– sind in der Regel veranlasst durch gesundheits- und/oder lebens-
bedrohliche Gefährdungen von Menschen,
– bergen iatrogene Risiken (Narkose, Komplikationen) und
– rufen bei vielen Menschen ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervor.
Abbildung 3-4: Ein Krankenhaus mit Markenstatus hat erreicht, dass eine Asso-
ziationsverschiebung zwischen »dem Krankenhaus« als anony-
mer Institution und dem eigenen Haus als Leistungs- und Sym-
pathieträger stattfindet.
54
wir Ihre Bandscheibe operiert, heute liegen Sie mit Ihren Freundin-
nen am Strand – und niemand hat Ihren Krankenhausaufenthalt be-
merkt«, so eine Werbeanzeige des Florida Spine Institute.
Einseitige Produktversprechen haben nichts mit Markenbildung zu
tun, sondern gehören in die Kategorie Werbung; im Gesundheitswesen
wird durch medizinische Erfolgsversprechen die ethische Grenze zum
unlauteren Wettbewerb überschritten. Markenbildende Assoziationen
entstehen durch erlebte Qualität, über die von Betroffenen berichtet wird
(»Mund-zu-Mund-Propaganda«). Auf diese Weise entsteht schrittweise
ein »guter Ruf« auf der Basis erlebter (und damit glaubwürdiger kom-
munizierbarer) Leistungen. Assoziationen entstehen aber auch durch
Medienberichte und Expertenurteile (z. B. des niedergelassenen Arztes).
Berichterstattung in den Medien ist aber nur unter zwei Gesichts-
punkten »Marken bildend«:
– Die Berichte beziehen sich auf Leistungen des Kerngeschäfts,
indem die Behandlung einer prominenten Persönlichkeit (z. B.
schwierige Therapie von Raissa Gorbatschow im Uniklinikum
Münster), die Inbetriebnahme eines innovativen medizintechni-
schen Geräts oder ein Programm zur Information der Bevölkerung
über Prävention, Diagnose und Therapie häufiger oder auch
spezieller Krankheitsbilder durch Ärzte des Krankenhauses darge-
stellt werden. Diese Berichte vermitteln Kompetenz und erzeugen
»vermutete medizinische Qualität«. Die »Abendvisite«, eine Initia-
tive der Westfälischen Nachrichten in Kooperation mit Münstera-
ner Krankenhäusern, kann hier beispielgebend genannt werden.
– Die Berichte informieren über Leistungen, die Sympathie zur
Institution Krankenhaus und den Mitarbeitern aufbauen. Die kos-
tenlose Operation eines achtjährigen herzkranken russischen Mäd-
chens, einschließlich der Organisation einer Spendenaktion zur
Finanzierung von Transport- und Medikamentenkosten, wirkt pro-
filgebend im Sinne eines Markenstatus.
55
kenhaus stellt jedes Jahr über 20 Praktikumsplätze für Schüler aus
Haupt-, Real- und Oberschulen zur Verfügung. Der Effekt: Die Schü-
ler bewirken als Kommunikations-Multiplikatoren eine tendenzielle
Verschiebung des Krankenhaus-Images und des Images von Kran-
kenhausberufen zum Positiven; außerdem wird die Rekrutierung von
Personal erleichtert.
56
tendenziell keine Bedeutung im Sinne eines »aktiven Konsumen-
tenstatus«.
57
gleichzeitig wurde aber deutlich, dass die wenigsten Patienten in der
Lage sind, diese wirklich fachlich zu beurteilen. Dennoch fand durch
Patienten und Angehörige eine derartige Beurteilung statt, allerdings
auf der Basis eines »Ersatzkriteriums«, nämlich »Kommunikation
mit dem Patienten« in Verbindung mit dem »wahrgenommenen
Betriebsklima«. Damit ist die erlebte »Sozialqualität« (Rolle des
»Kunden«; Umgang mit Fehlern, Ideen und Widerspruch von Mit-
arbeitern) ein entscheidender Erfolgsfaktor zur Steigerung der Bereit-
schaft zur Weiterempfehlung.
Entscheidende Erkenntnisse über die Bedeutung der Sozialqualität
für die Markenbildung von Krankenhäusern lieferte der zweite Teil
der CKM-Studie: Patienten wurden befragt, welches Leistungsmerk-
mal das wichtigste ist, an dem sie die Beurteilung der Leistungs-
fähigkeit eines Krankenhauses festmachen. Die verschiedenen Leis-
tungsmerkmale wurden in drei Hauptkategorien zusammengefasst:
Medizinische Qualität, Kommunikationsqualität und Sozialklima,
Serviceleistungen und Hotelqualität. Auf Basis dieser Kriterienstruk-
tur wurden 461 Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer
Krankenhaus-Karriere nach ihrer Einschätzung befragt. Die Ergeb-
nisse dieser Analyse waren einigermaßen überraschend, gaben
gleichwohl grundlegende Einblicke in den Prozess der Markenent-
wicklung eines Krankenhauses, der offenbar völlig anderen Gesetz-
mäßigkeiten genügt als dies bei industriellen Markenbildungspro-
zessen der Fall ist (siehe Abbildung 3-5).
Eine CKM-Studie zum Markenstatus von Krankenhäusern stellte
fest, dass ehemalige Patienten die Gesamt-Qualität (inklusive der
medizinischen Leistungsfähigkeit) eines Krankenhauses aufgrund der
Art und Weise beurteilten, in der mit ihnen kommuniziert und umge-
gangen worden ist. Das heißt, neben der medizinischen Qualität und
der Service-Qualität spielt insbesondere die Kontaktqualität (also die Fä-
higkeit des Krankenhauspersonals, Patienten und Angehörigen das Ge-
fühl von Geborgenheit, Verständnis, Hilfsbereitschaft und individueller
Betreuung zu vermitteln) die wichtigste Rolle für die Markenbildung.
Befragt man Patienten drei bis fünf Wochen nach Entlassung aus dem
Krankenhaus nach den wichtigsten (also Image und Ruf bildenden) Er-
lebnissen, Empfindungen und Assoziationen, so steht der Faktor Kon-
58
Abbildung 3-5: Markenstatus entsteht durch erlebte Kontakt-/Sozialqualität und
bewirkt eine medizinische Qualitätsvermutung.
59
Alle reden von klassischen Dimensionen der Qualität im Kranken-
haus (Donabedian 1966): Ergebnis-, Prozess- und Strukturqualität.
Aber die wichtigste Qualitätsdimension ist die Sozialqualität (von Eiff
2000: 21 ff.). Sie ist einerseits Voraussetzung, damit die klassischen
Qualitäts-Dimensionen erst mit Leben erfüllt werden, und bewirkt
andererseits direkt Kundenzufriedenheit bzw. Kundenbegeisterung.
Damit wird auch deutlich, dass ein Markenstatus nicht von heute auf
morgen entsteht und auch nicht durch Werbung, Propaganda oder
Marketing-Gimmicks herbeigezaubert werden kann: Weder ein neues
Logo noch der interessante Internetauftritt noch hochtrabende Be-
zeichnungen wie »Gesundheitszentrum« geben alleine eine solide
Markenbasis ab; herausragende medizinische Leistungen in Verbin-
dung mit Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Einfühlungsver-
mögen des Personals sind die Marken bildenden Faktoren.
Eine Krankenhaus-Marke entsteht damit von innen heraus auf
zwei Wegen (vgl. Abbildung 3-6):
– Setzen eines Profils im Sinne eines Leistungsversprechens, das bei
relevanten Zielgruppen eine Qualitätserwartung aufbaut,
– Erfüllung des Kompetenzanspruchs in den arbeitstäglichen Leis-
tungsprozessen.
Abbildung 3-6: Die Krankenhaus-Marke entsteht von innen heraus, dabei kön-
nen zwei Wege unterschieden werden.
60
Die Bereitschaft zur Weiterempfehlung resultiert im Wesentlichen
aus der erlebten Kommunikations-, Kontakt- und Sozialqualität wäh-
rend eines Krankenhausaufenthaltes. Bemerkenswert ist dabei, dass
die Intensität der positiven Berichterstattung wesentlich davon ab-
hängt, inwieweit Erwartungen erfüllt oder deutlich übertroffen wur-
den. Patienten, die durch innovative Serviceleistungen und/oder be-
sondere Herzlichkeit des Personals positiv überrascht wurden,
werden zum »Advokaten des Krankenhauses« in der Öffentlichkeit.
Die Methodik von KANO demonstriert, dass nur die Erfüllung von
»Begeisterungsanforderungen« (siehe Abbildung 3-7) in besonderer
Weise Beiträge zur Markenbildung leistet.
Ein Weg zur Erreichung von Weiterempfehlungsbereitschaft ist die
Anwendung der »moments of truth«-Methode: der Blick in die Kran-
kenhausprozesse durch das Auge des Patienten.
Bei der Ermittlung von »Begeisterungsanforderungen« führen
Patientenbefragungen nur sehr begrenzt weiter. Denn durch Be-
fragungen bekommt man eher heraus, durch welche Aktivitäten Unzu-
friedenheit vermieden wird. Innovative Dienstleistungen müssen ini-
tiativ entwickelt und dem Patienten offeriert werden: Clown-Doktoren
in der Kinderambulanz, psychologische Betreuung für Angehörige Ver-
storbener oder Tageshort für Kinder stationär behandelter Eltern.
61
Abbildung 3-8: »Moments of truth« (Momente der Wahrheit) sind regelmäßige
Gelegenheiten, Situationen oder Orte, an denen ein Leistungsan-
bieter die Chance hat, Servicebewusstsein, Qualität und Flexibi-
lität gegenüber seinem Kunden zu demonstrieren.
62
Abbildung 3-9: Tradition, Kompetenz und Sozialqualität sind die Basis für
Vertrauen und Sympathie. Aus diesen Komponenten entsteht ein
Markenstatus.
3.1.4 Fazit
63
Abbildung 3-10: Die Übereinstimmung von »Reden« und »Handeln« in Verbin-
dung mit einem unverwechselbaren »Profil« bildet die Basis für
die Entwicklung eines Markenstatus.
65
– 60 Prozent der jährlich etwa 15 000 juristisch anerkannten Be-
handlungsfehler betreffen die medizinische Versorgung in Kran-
kenhäusern.
66
Abbildung 3-11: Investitionen in die Fehlerverhütung (beherrschter Prozess) sen-
ken die Qualitäts- und Risikokosten insgesamt.
67
Abbildung 3-12: Jeder Aktivitätsbereich einer Stelle kann nach Wertschöpfungs-,
Wertvernichtungs- und Innovationsanteilen aufgeteilt werden.
68
sondern dem Desaster gehen zahlreiche, als unbedeutend beurteil-
te Arbeitsfehler, Nachlässigkeiten, Funktionseinschränkungen und
dysfunktionale organisatorische Arbeitsabläufe voraus. Wenn alles
normal abläuft, sind diese Fehler in ihrer Wirkung begrenzt und das
Risiko solcher Fehlermöglichkeiten scheint beherrschbar. Sobald
aber die Organisation und die in ihr arbeitenden Menschen durch
besondere Anforderungen unter Leistungsdruck geraten, multipli-
zieren sich die Einzelfehler und schaukeln sich zum Desaster-Fall auf
(Abbildung 3-13).
Heinrichs Gesetz legt nahe, die Katastrophen, die am »spitzen
Ende« des Risiko-Eisbergs ersichtlich für jeden eintreten, durch kon-
zentrierte Fehlererkennung, Fehlervermeidung und Fehlerbehebung
am »stumpfen Ende« des Eisbergs zu vermeiden.
69
3.2.4 Tools zum Risikomanagement
70
– Ableitung von Maßnahmen zur dauerhaften Fehlerbehebung und
Qualitätsverbesserung.
Ziel der FMEA ist es,
– auf Fehlermöglichkeiten und Fehlereffekte vorbereitet zu sein,
– Fehler im Prozess systematisch zu bekämpfen und
– Fehler abzubauen und zukünftig zu vermeiden.
Die systematische Erstellung von FMEAs bedeutet Arbeits- und
Zeitaufwand und erfordert darüber hinaus vom Bearbeiter fundierte
Kenntnis des betroffenen Geschäftsprozesses sowie Innovations-
fähigkeit und Kreativität. Diesem Aufwand stehen andererseits er-
hebliche Vorteile gegenüber:
– methodischer Zwang zur systematischen und vollständigen Er-
fassung potenzieller Probleme mit dem Ziel der Vermeidung von
Fehlern in der Struktur eines Leistungsangebots sowie in der
Organisation von Arbeitsprozessen;
– Verringerung der Gefahr von Kundenbeschwerden, Revisionsein-
griffen und Verlängerung der Verweildauer durch gezielte Verfol-
gung aller kritischen Fehler;
– Reduzierung von Kosten und Zeit für die nachträgliche Anpassung
von Leistungsstrukturen und Prozessen aufgrund der Beschwer-
den unzufriedener Kunden (Patienten/Angehörige/niedergelas-
sene Ärzte/Kooperationspartner);
– Reduzierung von Kosten und Zeit für erhöhten Prüfaufwand durch
frühzeitige Fehlereingrenzung und gezielte Fehlerverhütung;
– systematische Erfassung und Dokumentation von Problemfeldern
zur Vermeidung von Wiederholungsfehlern oder Doppelarbeit;
– Dokumentation von Fach-Know-how.
In der FMEA werden
– alle möglichen Fehler systematisch aufgelistet;
– auf ihre Folgen für den Kunden beurteilt;
– die möglichen Fehlerursachen bestimmt;
– die vorgesehenen Leistungsinhalte im Hinblick auf ihr Fehlerrisiko
bewertet;
– notwendige Methoden zur Prozessüberwachung entwickelt, um
den Fehlereintritt sofort erkennen zu können;
71
Abbildung 3-14: FMEA-Tableaus werden dazu verwendet, potenzielle Defekte und
Defektauswirkungen zu erkennen und zu klassifizieren –
Aktivitäten, die die Möglichkeit einer Fehlerwiederholung ver-
hindern oder vermindern, zu identifizieren und den Prozess zu
dokumentieren.
72
Ein Krankenhaus, das die FMEA wahrheitsgetreu ausfüllt und diese
Instrumente als Lern- und Gestaltungshilfe betrachtet, könnte im Fall
eines Kunstfehlerprozesses aber auch selbst den Nachweis für die ei-
gene Schuld liefern.
73
in den Rationalisierungsüberlegungen von Beratungsunternehmen
und Krankenhausmanagern spielt.
– Die TQM-Protagonisten unterstellen, dass Qualität nicht durch das
»System« entsteht, sondern nur durch qualitätsbewusste Mitarbei-
ter realisierbar ist. Allerdings ist der Mitarbeiter in den wenigsten
Fällen mit den Techniken der Problemlösung (z. B. Kaizen) ver-
traut, und es fehlt auf Grund des Tagesgeschäftes die Zeit zur
Durchführung von Qualitätszirkeln, Speed-Teams oder Projekt-
gruppen.
– Die Rationalisierungs-Vertreter stellen fest, dass 70 Prozent der
Kosten im Krankenhaus durch den »Faktor Personal« verursacht
werden und nur etwa 18 Prozent durch Verbrauchsmaterial. Der
vermeintlich logische Schluss: Kostensenkungsmaßnahmen im
Krankenhaus müssen am Personalbestand ansetzen und weniger
an der Medikalproduktelogistik, der Apothekenversorgung oder der
Patientensteuerung.
Offenbar nicht!
Letztlich ist es der Mensch, der die Leistung zu erbringen im
Stande ist, die gerade von einem Krankenhaus als Dienstleister für
Menschen gefordert wird.
Wer den Faktor Personal zum Rationalisierungsschwerpunkt er-
hebt, kann nicht gleichzeitig die Mitarbeiter auffordern, sich an Or-
ganisationsoptimierung, Qualitätsverbesserung und Kostensenkung
zu beteiligen. Und er kann auch nicht gleichzeitig eine verstärkte
menschliche Zuwendung gegenüber dem Patienten fordern. Wer ein-
seitig Personal rationalisiert, bewirkt eine deutliche Verschlechterung
74
der Kommunikation und wirkt so einer reibungslosen Zusammen-
arbeit entgegen.
Der Gesinnungswandel im Personalmanagement muss schon bei
den Begrifflichkeiten anfangen: Personal ist kein Produktionsfaktor,
dessen Substituierbarkeit durch andere Faktoren wie Betriebsmittel
oder Finanzmittel ständig auf dem Prüfstand betriebswirtschaftlicher
Betrachtung steht. Wirkliche Ressourcen sind: Sinngebung in der
Arbeit, Bereitschaft zum Mittun, produktive Neugier. An dieser Stelle
ist aktives Personalmanagement gefordert.
Personalarbeit in deutschen Krankenhäusern mutet zwiespältig an:
Auf der einen Seite mangelt es nicht an dem Anspruch, Personalar-
beit müsse im Sinne von Human-Resource-Management eng an die
strategische Entwicklung des Unternehmens gekoppelt sein. Auf der
anderen Seite offenbart sich vielerorts eine traurige Realität: die Per-
sonalabteilungen administrieren den »Kostenfaktor: Personal« und
realisieren als auftragsnehmender Dienstleister der Betriebsleitung
Personalreduktionsprogramme.
Nach der CKM-Studie »Führung und Motivation in Kranken-
häusern« (von Eiff 2000) sind 64 Prozent der befragten leitenden
Ärzte (Chefärzte und Oberärzte) der Meinung, die Personalabteilung
habe ausschließlich eine Berechtigung als verwaltende Funktion.
78 Prozent der befragten leitenden Ärzte konnten mindestens ein
Beispiel dafür nennen, dass die Personalabteilung die in sie gesetzten
Erwartungen nicht erfüllt hat.
75
die Führungskräfte (Ärzte, leitende Pflegekräfte) die rechtlichen Mög-
lichkeiten der Personalabteilung beispielsweise bei Kündigungen und
Versetzungen in vielen Fällen falsch einschätzen. Sieben befragte
Krankenhäuser konnten vom Fall der nicht vollzogenen Kündigung
in erstaunlich übereinstimmender Weise berichten. Die zuständige
Führungskraft (Chefarzt) verlangte die Entlassung eines Mitarbeiters,
der schon seit längerer Zeit als Minderleister auffiel, allerdings wurde
die Personalabteilung erst informiert, als der Chefarzt die Entlassung
akut forderte. Offenbar waren die Personalabteilungen dieser Kran-
kenhäuser bisher nicht in der Lage gewesen, den Management-Auf-
trag zu umreißen, den eine jede Führungskraft verantwortlich hat,
und gegenüber der Rolle der Personalabteilung als gestaltender
Dienstleister abzugrenzen.
Andererseits ist das Wissen der Führungskräfte über rechtliche
Notwendigkeiten und die Einführung von Personalführungsgrund-
sätzen wenig ausgeprägt. Anscheinend wird nicht deutlich, welcher
Management-Service vom aktiven Personalmanagement geleistet
werden kann. Und es besteht bei vielen Führungskräften nicht die
Einsicht, dass Personalführung keine Aufgabe der Personalabteilung
ist, sondern als nicht delegationsfähige Verantwortung einer jeden
Führungskraft obliegt.
Allerdings: Personalpolitische Instrumente, die den Führungs-
kräften eines Krankenhauses die Aufgabe der Personalführung er-
leichtern sollen, sind in maximal 15 Prozent der befragten Kranken-
häuser vorhanden und auch dort äußerst rudimentär. So werden etwa
kaum eingesetzt: Beurteilungssysteme, Laufbahnsysteme, Trennung
nach Fach- und Führungslaufbahn, Programme zur Einführung
neuer Mitarbeiter und Anreizsysteme auf Basis der Entwicklung von
Selbstmotivation. Hier besteht konzeptioneller Nachholbedarf.
Personalmanagement ist gefordert, die Aspekte des Paradigmen-
wechsels und der »neuen Marktdynamik« zu berücksichtigen. Diese
weisen geradezu fordernd darauf hin, dass der Erfolg eines Kran-
kenhauses in Zukunft wesentlich davon abhängt, wie es gelingt,
den »Faktor Personal« auf diese Herausforderungen des »change
managements« mental (Einstellung zum Wandel), methodisch
(Beherrschen der Reorganisations- und Problemlösungstechniken)
76
Abbildung 3-15: Welchen Einflüssen und Anforderungen müssen sich die Kranken-
häuser im Personalmanagement heute und in Zukunft stellen?
77
Zur Debatte steht, durch welche Weiterbildungs- und Qualifi-
zierungsstrategien die Managementlücken bei Führungskräften im
Krankenhaus schnell und effektiv geschlossen werden und auf welche
Art und Weise die Personalabteilungen dazu beitragen können, dass ein
aktives Personalmanagement in die Krankenhäuser Eingang findet.
Zweck des Personalmanagements ist es, die bedarfsgerechte und
wirtschaftliche Bereitstellung, den Einsatz und die Weiterentwicklung
des Personals zu gewährleisten; diese Aufgabe umfasst:
– die Entwicklung und Überwachung der einheitlichen Anwendung
personalpolitischer Grundsätze und Handlungsleitlinien der Per-
sonalarbeit,
– die Entwicklung und Bereitstellung geeigneter Methoden und
Techniken der Personalführung und
– die Unterstützung der Führungskräfte in der Wahrnehmung ihrer
Personalführungsaufgabe, damit diese sich auf die Ausführung
ihrer Fachaufgabe konzentrieren können.
Insbesondere in zwei Bereichen hat Personalmanagement Unterstüt-
zung zu leisten:
– Bereitstellung von Methoden und Instrumenten zur Steuerung von
Entscheidungsprozessen,
– Durchführung von Qualifizierungsprogrammen im Sinne von Ent-
scheidungstraining.
78
mens, d. h. Träger, Kapitalgeber, Management, Aufsichtsrat Berück-
sichtigung finden;
– Personalabteilung, die durch verwaltende, beratende und ge-
staltende Dienstleistungen dazu beiträgt, den Faktor Personal als
Ressource, also als Investitionsgut zu verstehen, von dem die wich-
tigsten Wertschöpfungsleistungen ausgehen. Der Personalmana-
ger gibt allen Entscheidungs- und Mitwirkungsinstanzen an den
Strategieentwicklungs- und Leistungsprozessen Hilfestellung, die
Ressource Personal leistungsorientiert zu führen.
79
– zur Implementierung von bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Per-
sonalführungs-Instrumenten, damit alle Führungskräfte im Unter-
nehmen spürbare Hilfe in ihrer Personalführungsaufgabe erhalten
und
– zur Organisationsentwicklung, um die Innovations- und Anpas-
sungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.
Abbildung 3-17: Nur durch ein integriertes Personalmanagement, das auf die
Unternehmensstrategien abgestimmt ist, kann die Personalarbeit
effektiv und zielführend gestaltet werden.
80
Abbildung 3-18: Prozessorientiertes Personalmanagement gestaltet den kompletten
Prozess des Personalmanagements von der Personalbeschaffung
über den Personaleinsatz, die Personalentwicklung bis hin zum
Personalaustritt.
81
Personalführungsaufgabe der disziplinarisch zuständigen Führungs-
kraft sein. Die Personalabteilung entwickelt bedarfsgerechte und
wirtschaftliche Regeln für eine betriebliche Arbeitszeitregelung (z. B.
Lebensarbeitszeitkonto), stellt den Führungskräften geeignete Instru-
mente zur Steuerung zur Verfügung, informiert die Betroffenen über
Neuregelungen rechtzeitig und umfassend und sorgt für die Abstim-
mung mit den Arbeitnehmervertretern.
Die Personalabteilung ist auch nicht zuständig für Abmahnungen
und Kündigungen. Beide personalpolitischen Maßnahmen müssen
durch den zuständigen Vorgesetzten vorbereitet werden (z. B. durch
ein Leistungsbeurteilungsgespräch mit einem Mitarbeiter, dem
wiederholt Arbeitsfehler unterlaufen). Gerade in Abmahnungs- und
Kündigungsfällen ist die Personalabteilung eher ausführender und
beratender Dienstleister für Führungskräfte. Andererseits stellt die
Personalabteilung der Führungskraft rechtzeitig Führungsinstru-
mente (Struktur eines Bewerbungsgesprächs; Technik des Konflikt-
gesprächs) zur Verfügung und berät die Führungskräfte vorbeugend
hinsichtlich des Verhaltens im Konfliktfall mit Mitarbeitern.
Die Personalabteilung ist aber nicht einseitig »Anwalt der Füh-
rungskräfte«, sondern muss sich als Vertreter des Unternehmens ver-
stehen, der gleichzeitig auch Vertreter der Ressource Personal ist.
Zu den Aufgabenschwerpunkten, die in Zukunft zum erstrangigen
Kerngeschäft der Personalabteilung gehören werden, zählen:
– Personalplanung und -beschaffung,
– Anwerbung, Einstellung und Einsatz qualifizierter Mitarbeiter,
– Personalentwicklung,
– Auswahl und Entwicklung zu fördernder Mitarbeiter,
– fachliche und überfachliche Weiterbildung, Training von Schlüssel-
qualifikationen,
– Führungskräfteentwicklung auf allen Ebenen,
– Konfliktbewältigung in der Zusammenarbeit von Mitarbeitern
(als Moderator und Trainer),
– Organisation,
– Gestaltung motivationsfördernder Organisations- und Verantwor-
tungsstrukturen,
– Planung und Durchführung von Reorganisationsmaßnahmen,
82
– Implementierung von Führungsinstrumenten,
– Schaffung und Überwachung von bedarfsgerechten, wirtschaft-
lichen und kulturell abgestimmten Anreizsystemen,
– Betreuung von Qualitätszirkeln und Förderung einer Qualitäts-
zirkelkultur,
– Förderung einer Projektmanagementkultur,
– Schaffung der qualifikatorischen und instrumentellen Vorausset-
zungen für Projektarbeit.
83
die Gestaltung von Auswahlverfahren, die Personalentwicklung und
die Rekrutierungspolitik.
– Auswahlverfahren: Die Art der Auswahlverfahren bestimmt ent-
scheidend die Führungsqualitäten im Unternehmen. Es ist daher
genauestens zu überlegen, welche Fach-, Methoden-, Sozial- und
Persönlichkeitskompetenz mit welcher Gewichtung in ein An-
forderungsprofil aufgenommen werden sollen. Trainings- und
Fortbildungsmaßnahmen können nur begrenzt Einstellungen,
Werte und soziale Kompetenzen verändern. Deshalb müssen in der
Auswahlphase neben Fachqualifikationen insbesondere Persön-
lichkeiten »passend« ausgewählt werden. Bei der Auswahl genügt
es nicht, sich auf die heutigen Anforderungen zu beschränken; das
Anforderungsprofil muss vielmehr auch auf die Zukunft pro-
jizierbar sein, um auch langfristig eine erfolgreiche Zusammen-
arbeit sicherzustellen.
– Personalentwicklung: Eine zentrale Herausforderung an das Perso-
nalmanagement besteht darin herauszufinden, welche Mitarbeiter
entwicklungsfähig und förderungswürdig sind; gleichzeitig muss
aber auch dem Teil des Personals mit nur begrenztem Entwick-
lungspotenzial Wertschätzung entgegengebracht werden. Die Er-
möglichung von Fachkarrieren verhindert, dass Mitarbeiter als gute
Fachkräfte verloren gehen und als schlechte Führungskräfte das
Arbeitsklima und die Unternehmenskultur schädigen.
– Rekrutierungspolitik: Um jederzeit über einen qualifizierten Mitar-
beiterstamm zu verfügen, sollten Mitarbeiter »auf Vorrat«, d. h.
antizyklisch, eingestellt werden, um so genannte Alpha- bzw. Beta-
Fehler zu vermeiden:
– Alpha-Fehler: In Zeiten, in denen hoher Personalbedarf besteht,
werden viele – darunter auch weniger qualifizierte Mitarbeiter –
eingestellt.
– Beta-Fehler: In Zeiten, in denen das Arbeitsangebot qualifiziert
ist, verhindern finanzielle Restriktionen und Stellenreduktionen
die Einstellung neuer Mitarbeiter.
84
Zentrale Aufgaben des Personalmanagements
• Kreatives Potenzial der Mitarbeiter fördern,
• Zielvereinbarungen gemeinsam mit den Führungskräften gestalten,
• Feedback-Informationen über Grad der Zielerreichung durch Mitarbeitergespräche,
• strategie- und strukturadäquates Auswahlsystem für Mitarbeiter gestalten,
• Erfolgskontrolle der individuellen und kollektiven Leistungen,
• Ausgestaltung eines Anreiz- und Belohnungssystems,
• Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Arbeit steigern,
• geeignete Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln.
3.3.3 Fazit
85
3.4 Professionalisierung im Personalmanagement –
der Ansatz der DGFP e. V.
Hans Böhm, Sascha Armutat
Seit ihrer Gründung im Jahr 1952 haben sich diverse Gremien der
Deutschen Gesellschaft für Personalführung e. V. (DGFP) immer
wieder mit der Frage beschäftigt, wie gutes Personalmanagement zu
verstehen und wie es wirkungsvoll in unseren Wirtschaftsunterneh-
men zu betreiben ist. Dabei wurde es regelmäßig abgelehnt, zu
diesen Fragen eine eigene klare Position der DGFP zu entwickeln
und der Praxis des Personalmanagements mit den entsprechenden
Umsetzungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Die Haupt-
argumente dafür waren:
– Wir sind keine »Edelgewerkschaft« für Personalmanager und ha-
ben kein entsprechendes Mandat unserer Mitgliedsunternehmen.
– Wir wollen unseren Mitgliedsunternehmen keine »Vorschriften«
machen, sondern lediglich Foren und Netzwerke zur Verfügung
stellen, in denen die Personalverantwortlichen miteinander und
voneinander lernen können und ihre eigenen Sichtweisen und
Konzepte von gutem Personalmanagement entwickeln.
86
die spezifischen Beiträge des Personalmanagements zum Unterneh-
menserfolg transparenter und rechenbar zu machen.
Die teils turbulenten Veränderungsgeschwindigkeiten haben, in
nahezu allen Handlungsfeldern, den Zwang zur Flexibilisierung von
Arbeitszeiten, Arbeitsorganisation und Arbeitskosten unausweichlich
werden lassen. Diese Entwicklungen beinhalten auch in vielen Fällen
das Management von internationalen Standortverlagerungen und ih-
rer Folgen.
Die Ungleichgewichte in den Arbeitsmärkten und der »Kampf
um die Besten« haben dazu geführt, dass Rekrutierungspolitiken
und -instrumente optimiert werden müssen und ein umfassendes
Wissensmanagement aufgebaut werden muss, mit dem das Lernen
auf allen Ebenen und in allen Bereichen wirkungsvoll organisiert
wird.
Die real vorfindbaren Situationen des Personalmanagements in
deutschen Unternehmen haben sich in diesem Kontext höchst unter-
schiedlich, ja teilweise geradezu gegensätzlich entwickelt.
Abbildung 3-20 zeigt einen knappen historischen Abriss der Ent-
wicklung des Personalmanagements in Deutschland und diagnosti-
ziert seit den 90er-Jahren eine bipolare Diffusion des Verständnisses
und der Praxis von »gutem Personalmanagement«.
87
Das Scheitern hat vornehmlich zwei Gründe:
– Personalmanagement hat sich zu einer sehr anspruchsvollen multi-
disziplinären und komplexen Funktion entwickelt. Führungskräfte
sind in keinem Fall in der Lage, neben ihren vielfältigen sonstigen
Führungsaufgaben professionelle »state of the art«-Personalarbeit
zu leisten. Sie brauchen kompetente Beratung und Unterstützung,
ansonsten ist ein schleichender, aber verheerend schädlicher Pro-
fessionalitätsverlust der betrieblichen Personalarbeit unvermeidlich.
– Die meisten Unternehmen haben sich in Profit Centern oder
strategischen Geschäftseinheiten mit ergebnisverantwortlichen de-
zentralen Managern organisiert. Wenn Personalmanagement aus-
schließlich als integrierter Bestandteil der Führungsaufgaben ver-
standen wird, werden diese ergebnisverantwortlichen Manager
auch die volle Autonomie in allen Fragen des Personalmanage-
ments beanspruchen. Dies führt mittelfristig unausweichlich zu
fortschreitenden Koordinationsverlusten, die eine einheitliche Per-
sonalpolitik mit gemeinsamen Instrumenten und Methoden und
vor allem eine einheitliche Management-Entwicklung unmöglich
werden lassen.
88
Abbildung 3-20: Entwicklung des Personalmanagements (DGFP 2002 : 32).
89
Im Spannungsfeld dieser Entwicklungen und Diskussionen wurde
an die Vorstände und die Geschäftsführung der DGFP von Praktikern
immer drängender die Frage gerichtet, warum die DGFP als die
Fachorganisation des Personalmanagements in Deutschland nicht
Orientierungshilfen gebe und klare Handlungsempfehlungen er-
arbeite, wie gutes Personalmanagement in der Praxis zu verstehen
und zu betreiben sei. Als Ergebnis dieser Diskussion setzte der
DGFP-Vorstand im Juli 1998 den Arbeitskreis »Zukunft der Perso-
nalfunktion« ein. Der Arbeitskreis erhielt den Auftrag, den Versuch
zu unternehmen, für das Personalmanagement in Deutschland pro-
fessionelle Standards zu erarbeiten, wie wir sie im Rahmen unserer
internationalen Kontakte mit der Society for Human Resources
Management (SHRM) in den USA und vor allem mit dem Chartered
Institute for Personnel and Development (CIPD) in Großbritannien
kennen lernen konnten.
Wertschöpfungsmanagement
Hier geht es darum, die Beiträge der praktischen Personalarbeit zum
Unternehmenserfolg nach Möglichkeit quantitativ messbar und da-
mit transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren. Neben einer
umfassenden Abbildung der Kostenstrukturen soll insbesondere der
quantitative Nutzen der Personalarbeit für den ökonomischen Erfolg
90
Abbildung 3-22: Umwelteinflüsse und Hauptherausforderungen für das Personal-
management der Zukunft (DGFP 2002 : 16).
91
Kompetenzmanagement
Instrumentenmanagement
92
Selektions- und Einstellungsverfahren, Personalbedarfs- und -einsatz-
planung sowie Personalmarketing- und Personalcontrollingsysteme
als Querschnittsfunktionen. Auch Instrumente und Methoden zur
Pflege und Entwicklung der betrieblichen Sozialpartnerschaft und der
betrieblichen Sozialpolitik gehören in diesen Bereich.
93
delt, im Zweifel aber auch konsequent unter Einsatz der verfügbaren
professionellen Methoden aus dem Unternehmen entfernt werden.
Kulturprägende Aufgaben
Das Personalmanagement soll die Prozesse der Definition kultur-
prägender Werte des Unternehmens initiieren, koordinieren und ihre
94
Abbildung 3-23: Handlungsfelder des Personalmanagements (DGFP 2002 : 18).
Strategische Aufgaben
Neben einer klaren strategischen Orientierung und Ausrichtung der
gesamten Personalarbeit auf die Strategien des Unternehmens ist das
institutionelle Personalmanagement auch aufgefordert, fundierte Bei-
träge zur Fortentwicklung der gesamten Unternehmensstrategien
überzeugend einzubringen. Dabei wird es in der Regel um Chancen
und Restriktionen gehen, die sich aus den verfügbaren oder kurzfris-
tig realisierbaren quantitativen und qualitativen Humanressourcen
ergeben.
95
Aufgaben zur Pflege der betrieblichen Sozialpartnerschaft
Es gilt eine Unternehmenskultur zu entwickeln, in der kompetente
Betriebsratsarbeit geschätzt wird. Das deutsche Modell der Mit-
bestimmung und Mitwirkung der Arbeitnehmerseite kann seine
positiven Potenziale nur dann entfalten, wenn die Unternehmens-
leitung – vertreten durch die Personalleitung – und der Betriebsrat
wirklich vertrauensvoll zusammenarbeiten und auch bei den Be-
triebsräten ein ausgeprägtes betriebswirtschaftliches Verständnis
herrscht.
Besonders kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten
keinesfalls von ihrem Interesse an der Betriebsratsarbeit zurückge-
halten werden. Sie sollten vielmehr wissen, dass ihnen die Kandida-
tur für den Betriebsrat beruflich in keinem Fall schadet, sondern auch
nach einer längeren Periode aktiver Betriebsratsarbeit die erfolgreiche
Fortsetzung der beruflichen Karriere in einem Fachbereich (auch im
Personalmanagement) möglich ist. Verhandlungen und Konflikte mit
den Belegschaftsvertretungen müssen professionelle Personalmana-
ger kompetent zu unternehmerisch vertretbaren Lösungen bzw. Kom-
promissen führen; dies erfordert vor allem ausgeprägtes Verhand-
lungsgeschick und soziale Kompetenz.
96
Die Ergebnisse des Arbeitskreises »Zukunft der Personalfunktion«
sind in der Schriftenreihe der DGFP e. V. veröffentlicht (DGFP 2002).
97
3.4.6 PIX – der Personalmanagement-Professionalisierungs-
Index der DGFP
Stakeholder-orientiertes Personalmanagement
Professionalität konstituiert sich immer auch in den Augen der
Anspruchsgruppen, mit denen professionelle Akteure im Personal-
98
management konfrontiert sind. Über eine Identifikation der wichti-
gen unternehmensinternen und -externen Anspruchsgruppen des
Personalmanagements und eine Analyse von deren Erwartungen ist
es möglich, zentrale stakeholder-orientierte Managementaufgaben
herauszuarbeiten, die ein wesentliches Kriterium des Professionali-
tätsbegriffs sind.
Stakeholder des Personalmanagements sind Gruppen und Perso-
nen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die Einfluss auf
Entscheidungen im Personalmanagement haben. Wichtige unter-
nehmensinterne Stakeholder für das Personalmanagement sind die
Unternehmensleitung, die Führungskräfte des Unternehmens, die
Mitarbeiter sowie besondere Mitarbeitergruppen, hier vor allem
die Mitarbeitervertretungen. Bedeutende unternehmensexterne An-
spruchsgruppen sind Kapitalgeber, Arbeitgeberverbände, Gewerk-
schaften, potenzielle Bewerber sowie Akteure des kommunalen und
politischen Umfelds.
Systematisiert man die Erwartungen der internen und externen
Stakeholder, dann erhält man die folgenden vier Managementaufga-
ben:
– Wertmanagement, bei dem es um die Begründung und die Generie-
rung von strategischen Wertbeiträgen des Personalmanagements
geht und das sich aus Aufgaben des strategischen Managements
und des controllinggestützten Wertschöpfungsmanagements zu-
sammensetzt;
– Beziehungsmanagement, bei dem es um die Gestaltung der Arbeits-
beziehungen zu den verschiedenen Stakeholdern des Personalma-
nagements geht und das einerseits das Management der internen,
andererseits der externen Arbeitsbeziehungen zum Inhalt hat;
– Instrumenten- und Prozessmanagement, das sich mit den struktu-
rellen Grundlagen des betrieblichen Personalmanagements be-
schäftigt und einerseits Aufgaben der Schaffung einer integrierten
Instrumentenlandschaft, andererseits die Gestaltung effektiver und
effizienter Personalprozesse umfasst;
– Kultur- und Kompetenzmanagement, das auf eine Gestaltung der
personalbezogenen, intangiblen erfolgskritischen Werte des Unter-
nehmens abzielt und bei dem die Entwicklung der Unternehmens-
99
kultur (Unternehmenskulturmanagement) und die Gestaltung des
organisationalen Wandels und der personalen Kompetenzentwick-
lung (Kompetenzmanagement) im Vordergrund stehen.
Ein professionelles Personalmanagement, so lautet die Prämisse des
DGFP-Ansatzes, erfüllt diese Managementaufgaben mit Exzellenz.
100
Abbildung 3-25: Professionalitätskonzept (DGFP 2005 : 53).
3.4.8 PIX-Messkonzept
101
Befragt werden verantwortliche Personalmanager der Unterneh-
men zu ihrer Einschätzung der Ausprägung der definierten Profes-
sionalitätskriterien in ihren Unternehmen. Die Ergebnisse der Bewer-
tung werden zu Indizes zusammengefasst und zu einem Gesamtindex
PIX verrechnet. Aussagen erhält man zum Stand der Professionalität
auf Konfigurations- und Wirkungsebene und bezogen auf die entspre-
chenden Subskalen.
Die Indexwerte haben einen Wertebereich von 0 bis 4, wobei 0 für
die geringste und 4 für maximale Professionalitätsausprägung steht.
Flankierend dazu werden Betriebsräte und Linienführungskräfte
der Unternehmen mit dem gleichen Fragebogen befragt; so ergeben
sich Hinweise zur Validität der Aussagen der Personalmanager.
Ergänzt wird die Befragung um Angaben zum Unternehmens-
erfolg, durch die es möglich wird, den PIX ins Verhältnis zu ökono-
mischen Erfolgsgrößen zu setzen.
An der dritten PIX-Erhebung im Mai 2006 haben sich 188 Unter-
nehmen aller Größenordnungen und Branchen beteiligt (zu den
Detailergebnissen vgl. DGFP 2006).
Die Auswertungen zeigen, dass die Professionalität des Personal-
managements unabhängig von der Unternehmensgröße ist.
Deutlich wird außerdem, dass die Unternehmen professionell mit
den eher operativen Aufgaben des internen Beziehungs- und Prozess-
managements umgehen; hier liegen die durchschnittlich erreichten
Werte bei 2,84 bzw. 2,92. Dagegen wird das Wertschöpfungsmana-
gement mit einer Ausprägung von 1,77 mit vergleichsweise geringer
Professionalität betrieben.
Bei der Betrachtung der Wirkungen des Personalmanage-
ments fällt auf, dass vor allem bei der Innovationsfähigkeit der Or-
ganisation ein Professionalisierungsbedarf besteht (2,24), ebenso
wie bei der Strategiedurchdringung (2,44). Die Gestaltung der So-
zialpartnerschaft (2,88) und der Arbeitgeberattraktivität (3,02) wer-
den dagegen wiederum vergleichsweise professionell gehandhabt.
102
Konfiguration
Wirkung
103
3.4.9 Schlussfolgerungen für die Professionalisierung
des Personalmanagements
Hier ist ein zentraler Ansatzpunkt für die Professionalisierung des Per-
sonalmanagements: Durch die Etablierung eines wertorientierten Per-
sonalmanagements wird zum einen der Anspruch einer strategischen
Ausrichtung erfüllt, zum anderen die Anforderung einer Orientierung
der Personalmanagementaktivitäten am ökonomischen Wertbeitrag.
Wie ein entsprechendes Steuerungskonzept aufgebaut werden
kann, wird im Folgenden dargestellt.
104
mer weitgehend unzureichend gelöste Problem einer quantitativen
Transparenz der Erfolgsbeiträge unterschiedlicher Personalmanage-
mentaktivitäten, eine weitere die damit zusammenhängende Sprach-
losigkeit von Personalmanagern bei einer zunehmend zahlenbezoge-
nen strategieorientierten Unternehmenssteuerung.
105
vom Personalmanagement erstellt und beeinflusst werden, sind stra-
tegische Erfolgsfaktoren des Personalmanagements.
Die Aktivitäten des Personalmanagements bestehen aus einer Viel-
zahl von Prozessen. Für diese Prozessvielzahl gilt Ähnliches wie für
die Personalmanagementergebnisse: Die meisten von ihnen sind
wichtig; nur einige wenige Prozesse jedoch sind strategisch bedeu-
tend, weil sie direkt die strategischen Erfolgsfaktoren beeinflussen
und sich auf die Entwicklung des Unternehmenswertes auswirken.
Die Prozesse, die unmittelbar einen strategischen Erfolgsfaktor be-
einflussen und exklusiv durch das Personalmanagement gesteuert
werden, sind strategische Erfolgsprozesse des Personalmanagements.
Personalprozesse lassen sich mit Hilfe von Kenngrößen – so ge-
nannten Prozesstreibern – quantitativ abbilden. Strategisch relevant
sind aus der Vielzahl der Kenngrößen wiederum nur diejenigen, die
in einem direkten Zusammenhang zu einem strategischen Erfolgs-
prozess und damit zu einem strategischen Erfolgsfaktor stehen.
Wenn eine Kenngröße diese Voraussetzung erfüllt und eine exklusiv
durch das Personalmanagement handhabbare und beeinflussbare
Größe des täglichen Personalgeschäfts ist, dann ist sie ein Werttreiber
(Cordes, Genz, Küsperts und Weber 2001).
Diese Werttreiber als kleinste quantitative Einheit sind der Aus-
gangspunkt für die Quantifizierung des Modells: Die Werttreiber
eines strategischen Erfolgsprozesses lassen sich zu Erfolgsprozess-
indizes zusammenfassen, diese fließen in Erfolgsfaktorindizes ein,
die sich wiederum zu einem Erfolgsbeitragswert für das Personal-
management aggregieren lassen. Erfolgsfaktorindizes und Erfolgs-
beitragswert lassen sich dann im Zeitverlauf ins Verhältnis zu der
Entwicklung der unternehmensspezifisch genutzten Kenngröße für
den ökonomischen Wert des Unternehmens setzen.
106
sich auf der Grundlage der Erfahrungen der beteiligten Unternehmen
ein Baukasten aus etablierten strategischen Erfolgsfaktoren, strate-
gischen Erfolgsprozessen und Werttreibern definieren, der je nach
Bedarf für die Konzeption genutzt werden kann.
Auf der Basis einschlägiger Literaturanalysen und vor dem Hinter-
grund des Expertenwissens lassen sich die in der Tabelle (S. 109) an-
geführten strategischen Erfolgsfaktoren mit entsprechenden strategi-
schen Erfolgsprozessen und Werttreibern (hier nur beispielhaft
aufgeführt) identifizieren.
Wichtige Voraussetzung für die Quantifizierung des Modells ist
die einheitliche Definition der Werttreiber. Sie sind trennscharf zu
definieren, einheitlich so zu polen, dass ihre Maximalausprägung
den größten Wertbeitrag anzeigt, und auf eine einheitliche Skala – im
Modell eine 100-Prozent-Skala – zu beziehen.
107
Abbildung 3-28: Wertorientiertes Personalmanagement – ein Modellvorschlag
(DGFP 2004 : 31).
108
strategische Erfolgsfaktoren strategische Erfolgsprozesse Werttreiber u.a.
Qualität und Verfügbarkeit Personalbedarfsplanung Flexibilität
des Personals Arbeitskräftekapazität
Personalrekrutierung und Auswahlqualität
-auswahl
Personalentwicklung Förderquote
Personaleinsatz Einsatzflexibilität
Effizienz der Personal- Arbeitsorganisation flexible Arbeitsstruk-
prozesse turen
Prozessmanagement Planerreichungsgrad
Personalcontrolling Mitarbeiterproduk-
tivität
innovative Organisation Wissensmanagement Diffusionsquote
Best Practice
E-HRM Digitalisierungsgrad
Unternehmenskommunikation Strategie-
durchdringung
Arbeitgeberattraktivität Personalmarketing Erfolgsquote
Mitarbeiterbindung Bindungsquote
Compensation Variabilität
Entgeltsystem
Führungsqualität Führungsprozesse und Umsetzungsquote
-systeme Führungsprozess
Führungskräftenachfolge- Förderquote
planung und -entwicklung Führungskräfte
Förderliche Rahmenbedingungen
109
Abbildung 3-30: Auswertungsportfolio für ein wertorientiertes Personalmanage-
ment.
110
Feedbacksysteme gegeben sein. Nur so lässt sich das wertorien-
tierte Personalmanagement erfolgreich in den Unternehmens-
alltag übersetzen.
– Erforderlich ist dazu noch ein weiteres: die Bereitschaft der Perso-
nalmanager, sich der Herausforderung zu stellen, den harten Kern
der weichen Faktoren zu identifizieren, zu quantifizieren und
damit transparent zu machen. Die Chance ist günstig, sich so als
strategischer Partner der Unternehmensleitung zu etablieren.
3.5 Innovations-Management:
Vom Verbesserungsvorschlag zum High-Tech-Patent
111
bewirken offenbar eine Unternehmenskultur der schrittweisen De-
motivation und Gleichgültigkeit gegenüber dem Unternehmen.
112
vor Ort, wird von dem gelebt, der mit dem Kunden unmittelbar in
Kontakt steht. Kundenorientierung setzt daher engagierte Mitarbeiter
voraus; folglich bedingt Geschäftserfolg konsequentes Mobilisieren
von Mitarbeiter-Know-how. Die Überzeugung für eine delegations-
orientierte Führung in Verbindung mit subsidiären Centerstrukturen
zeichnet sich unter diesen Dynamik-Ausprägungen als notwendig ab.
Es kommt letztendlich in Zukunft darauf an, schnell Marktsegmente
zu erschließen, das heißt, die beste kundenwirksame Praxis schnell
zu erkennen und schnell umzusetzen. Die Fähigkeit zum »change
management« wird zum kritischen Erfolgsfaktor (siehe Abbil-
dung 3-31).
Diese »neue Marktdynamik« im Gesundheitswesen erfordert die
Führung des Krankenhauses als Unternehmen: Kundennähe und Fle-
xibilität, Schnelligkeit im Erkennen von neuen attraktiven Marktfel-
dern, Konsequenz in der Öffnung von Märkten durch gezielte
Kooperationen, Entwicklung von »Produkt- bzw. Dienstleistungs-
innovationen«, Entscheidungsschnelligkeit gepaart mit Entschei-
dungsqualität umreißen die Fähigkeitsstruktur des Krankenhauses
der Zukunft.
113
Marktöffnende Innovationen müssen erkannt, für die eigene Orga-
nisationskultur weiterentwickelt und im Konsens realisiert werden,
um auf Dauer erfolgreich als »Unternehmen Krankenhaus« Bestand
haben zu können.
Innovations- und Lernfähigkeit sowie die Fähigkeit zum geplanten
organisatorischen Wandel (»change management«) hängt von der
Qualität der Mitarbeiter ebenso ab wie von der Organisation, die
Engagement leistungswilliger Mitarbeiter ermöglicht oder behindert.
Kreativität und Neugier gelten als Mitarbeitertugenden der post-
modernen Arbeitswelt. Kreativität ist die Grundlage für Prozess-
verbesserungen, gilt als Basis für Wettbewerbsvorsprünge. Und
dennoch: Auffallend viele Mitarbeiter verweigern kreatives Denken,
weil sie »zu oft« schlechte Erfahrungen mit Verbesserungsvor-
schlägen gemacht haben. »Haben Sie Zeit für kreative Spinnereien?
Offenbar sind Sie nicht richtig ausgelastet! Erfüllen Sie erst mal
Ihre eigentliche Arbeit richtig, und wenn Sie dann noch Zeit haben,
können Sie immer noch kreativ sein!«, so oder ähnlich werden
Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern nicht selten abgewimmelt.
Für die meisten Führungskräfte ist Kreativität gleichzusetzen mit
Spinnerei im Sinne von Zeitverschwendung für realitätsuntaugliche
Lösungsvorschläge; kreative Prozesse machen zwar allen Spaß, aber
sie zeigen keine verwertbaren Ergebnisse. Die Methode der »zielge-
richteten Kreativität« (»directed creativity«) ist keine Spinnerei, son-
dern repräsentiert eine solide Vorgehensweise zur Entwicklung von
Lösungen, wenn die »analytische Denk- und Vorgehensweise« nicht
mehr weiterhilft (siehe Abbildung 3-32).
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn vermeintlich gegensätz-
liche Ziele (z. B. Qualitätssteigerung und Kostensenkung) erreicht
werden sollen.
Ein typischer Fall aus dem Alltag einer Klinik: Ein Patient wird
operiert, der zu Hause wartende Angehörige macht sich Sorgen und
ruft irgendwann im Krankenhaus an. Er erreicht den Arzt jedoch
nicht, weil dieser schon wieder im OP steht, gerade auf Intensiv-Visite
ist oder einen dringenden Notfall zu versorgen hat. Zwei- oder drei-
mal ruft der Angehörige an, wird jedes Mal vertröstet und bekommt
allmählich das Gefühl, dass er den Ablauf in der Klinik stört.
114
Abbildung 3-32: Es gibt drei Schlüsselprinzipien, um kreative Lösungen zu ent-
wickeln.
115
zu senken. Die Besonderheit dieses Ansatzes liegt darin, diese beiden,
auf den ersten Blick widersprüchlichen Ziele miteinander in Einklang
zu bringen. Dies geschieht dadurch, dass man einerseits ein kun-
denorientiertes Verhalten organisatorisch festlegt, andererseits mit
gerade diesem Verhalten die Organisation entlastet oder sogar be-
herrschbarer macht: eine kreative Leistung.
Abbildung 3-33: Die Erfindung der Post-Its zeigt, welche Elemente eine innovative
Unternehmenskultur auszeichnen.
116
Kreativität als Aufgabe, als personelle Fähigkeit, als Maxime eines
Zusammenarbeitsprozesses, als Voraussetzung für herausragende
Leistungen, spielt in den Köpfen der Krankenhausmanager nicht nur
eine untergeordnete Rolle, sondern wird von den meisten Führungs-
kräften im Krankenhaus als überflüssig, ja sogar kontraproduktiv
beurteilt.
Um festzustellen, inwieweit das eigene Denken das Potenzial hat,
zu kreativen Meisterkonzepten zu führen, von destruktiven Restrikto-
ren im Zaum gehalten eher zu langweiligen Kompromissvorschlägen
tendiert oder sich im lamentierenden »Das geht ohnehin nicht« ver-
liert, hilft ein Test, der in Abbildung 3-34 skizziert ist. Die Aufgabe lau-
tet: »Verbinden Sie die neun Punkte mit vier Geraden, indem Sie die
vier Geraden hintereinander zeichnen, ohne den Stift abzusetzen.«
Personalmanagement ist gefordert, den Stellenwert kreativen Den-
kens im Verhältnis zum analytischen Denken herauszustellen, indem
einerseits Kreativitätstechniken trainiert werden, aber andererseits
auch ein Klima gefördert wird, das kreative Prozesse in der Tages-
arbeit ermöglicht.
117
Innovationsförderliche kommunikative und strukturelle Rahmenbedingungen
beinhalten:
• umfassende Information der Mitarbeiter,
• Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen,
• Übertragung von Verantwortung,
• Partizipation der Mitarbeiter am Erfolg ihrer Arbeit,
• Belohnung von neuen Gedanken und Ideen,
• toleranten Umgang mit Fehlern,
• proaktiven Umgang mit Widerständen gegen Innovationen im Unternehmen.
Teamarbeit erfordert:
• Geschwindigkeit und Wichtigkeit,
• schnelle Entscheidungen,
• Erwartungen, die Flexibilität unterstützen,
• Gefühl von persönlicher Unabhängigkeit, die zu Handlungen ermutigt,
• Einsatz durch Auswahlmöglichkeiten.
118
3.6 Ideenmanagement am Universitätsklinikum Münster
Stefan Jax
119
Das betriebliche Vorschlagswesen erweist sich als ein sehr guter
Gradmesser für die Unternehmenskultur, zeigt es doch, ob und wie
stark Mitarbeiter bereit sind, sich für ihr Unternehmen zu engagie-
ren. Hapert es hier bei der Beteiligung, ist irgendwo etwas in Un-
ordnung geraten. Das Vorhandensein eines Ideenwesens signalisiert,
dass ein Unternehmen generell daran interessiert ist, das Potenzial
der »Ressource Mitarbeiter« verstärkt für sich zu nutzen. Die Absich-
ten, die damit verbunden sind, können jedoch sehr unterschiedlich
sein.
In den Anfängen des betrieblichen Vorschlagswesens (Krupp’sches
Generalregulativ aus dem Jahr 1888) war die Sichtweise der Unter-
nehmen auf rein ökonomische Ziele begrenzt. Die weiterführenden
Chancen, die sich mit der Berücksichtigung der Mitarbeiterpotenziale
bieten, wurden erst nach und nach erkannt. Für ein modernes Ideen-
management machen Unternehmen heute wesentlich vielschich-
tigere Ziele geltend. Neben ökonomischen Aspekten ist mehr und
mehr der Mitarbeiter ins Blickfeld gerückt, im Rahmen des Total
Quality Management (TQM) auch Fragen der Qualität und der Kun-
denzufriedenheit.
120
Aus der Perspektive des Mitarbeiters sind viele dieser Punkte eben-
falls von Belang. Im Normalfall sollte jeder Mitarbeiter daran inte-
ressiert sein, dass sein Unternehmen effizient arbeitet, allein schon,
da auch sein Arbeitsplatz davon abhängig ist. Die Verwirklichung
ökonomischer Ziele seines Arbeitgebers liegt also in seinem eigenen
Interesse. Darüber hinaus gibt es für den Mitarbeiter eine ganze
Reihe weiterer intrinsischer Motivationsfaktoren zum Einbringen
seiner Ideen. Es ist zunächst für jeden Menschen wichtig, in seiner
Tätigkeit einen Sinn zu erkennen (Frey und Schulz-Hardt 2000: 20).
Jemand der weiß, warum er etwas tut und sich mit dem Ziel iden-
tifizieren kann, wird deutlich motivierter und verantwortungsbewuss-
ter vorgehen. Ist man sich dessen bewusst, ist es umso erschrecken-
der, die in den letzten Jahren aufgekommene Diskussion um die
»innere Kündigung« zu verfolgen. Die Zahl der Mitarbeiter mit ge-
ringer oder ohne emotionale Bindung zum Job stagniert auf hohem
Niveau (ohne Verfasser 2004).
Was kann das Ideenmanagement leisten, um dem entgegenzu-
wirken? Welche Wünsche verbinden die Menschen mit ihrer aktiven
Teilnahme?
Der Mitarbeiter ist in seinem Bereich ein Experte. Muss er Tag für
Tag Tätigkeiten verrichten, die er als unproduktiv oder überflüssig
identifiziert und die ihn beispielsweise von der Verrichtung wichtige-
rer Aufgaben abhalten, wird sich das negativ auf seine Motivation
auswirken. Mit seinen Ideen bietet sich ihm jetzt die Möglichkeit,
Missstände zu beheben, seine eigene Arbeit zu erleichtern oder auch
effizienter zu gestalten. Es kann sich dabei um Dinge handeln, die
bisher niemandem aufgefallen sind oder die vielleicht nur deswegen
noch aktuell sind, weil sie schon immer so gemacht wurden. Über ein
»das ist nun mal so« wird sich schon mancher geärgert haben. Die
Motivation dazu, selbst aktiv zu werden, ist also vorhanden.
Weiterhin kann das Unternehmen seine Mitarbeiter an sich bin-
den, indem es sie einbezieht und aus Betroffenen Beteiligte macht.
Jemand, der sieht, dass er im Betrieb etwas bewegen kann, dass seine
Stimme eine Bedeutung hat, wird sich eher mit seinem Unterneh-
men identifizieren. Aus einem »Die da oben« kann so ein »Wir« wer-
den.
121
Natürlich spielt bei der Motivation der Mitarbeiter zum Einreichen
eines Vorschlages auch eine mögliche Geldprämie eine wichtige
Rolle. Erzielt das Unternehmen durch einen Vorschlag Mehreinnah-
men oder kann seine Ausgaben senken, freut sich jeder Einreicher
über eine angemessene Honorierung.
Eine entscheidende Voraussetzung für das Engagement jedes Ein-
zelnen ist die Art, in der im Unternehmen miteinander umgegangen
wird. In einem Klima der Wertschätzung bringt man sich gerne ein.
Erntet man grundsätzlich Ablehnung für seine Ideen, befürchtet
Nachteile und hat Angst vor Blamage, Misserfolg, den Kollegen oder
dem Chef, wird man sich lieber zurückhalten. Neben einer ganzen
Fülle von Chancen gibt es also auch einige Hindernisse, die der erfolg-
reichen Annahme und Umsetzung von Vorschlägen entgegenstehen
können. Einige sind in der menschlichen Natur begründet, andere
eine Frage der Unternehmenskultur.
Nicht jeder Gutachter reagiert auf eingereichte Vorschläge mit
Begeisterung. Jede Idee stellt zunächst einmal den derzeitigen Zu-
stand in Frage, bedeutet also potenziell auch Kritik an denjenigen, die
bisher verantwortlich waren. Es ist nahe liegend, dass sich die Betrof-
fenen fragen, welche Reaktionen im Betrieb zu erwarten sind, wenn
Vorschläge in ihrem Bereich eingereicht werden.
In einem innovationsfeindlichen Klima könnte das folgender-
maßen aussehen: »Warum hat Abteilungsleiter Schmitz nicht längst
das gemacht, was sogar schon seinem Sachbearbeiter Fritze auffällt?
Wer hat hier eigentlich das Sagen? Was haben wir jahrelang für Geld
verschwendet, weil Abteilung xy nicht ordentlich gearbeitet hat!
Hat der seinen Laden nicht im Griff? Ständig muss er sich von seinen
eigenen Leuten aushelfen lassen, der ist ja wohl absolut inkom-
petent.«
Es besteht die Gefahr, dass nicht das Positive, also die Chance zur
Veränderung im Vordergrund steht, sondern die Frage nach dem
Schuldigen. Ist das so, muss man damit rechnen, dass Gutachter
(meistens die Führungskraft des betroffenen Bereichs) routinemäßig
in eine Verteidigungshaltung rücken. Vorschläge werden dann wo-
möglich auf Argumente, die dagegen sprechen, geprüft, anstatt die
damit verbundenen Chancen zu ermitteln. Solche defensiven Verhal-
122
tensmuster werden unwahrscheinlicher, wenn die Geschäftsleitung
voll hinter dem Ideenmanagement steht. Die Signale, die von dort ge-
setzt werden, prägen das Verhalten aller nachfolgenden Führungs-
kräfte und Mitarbeiter (Frey und Schulz-Hardt 2008: 18).
Verbunden damit ist die Einsicht, dass niemand allein so viel weiß
wie alle gemeinsam. Niemand hat sämtliche Informationen aus jeder
Abteilung und zu jedem Arbeitsschritt präsent. Niemand kann auf
alle Probleme eine passende Antwort parat haben (Höckel 1964: o. S.).
Es lohnt sich also, möglichst alle mit ins Boot zu holen.
In ihrer Freizeit übernehmen Menschen in den unterschiedlichs-
ten Bereichen Verantwortung. Sie erziehen ihre Kinder, müssen ver-
antwortungsvolle Entscheidungen treffen, pflegen ältere oder kranke
Familienangehörige und organisieren für sie die notwendigen Maß-
nahmen bei Behörden. Sie treffen wirtschaftliche Entscheidungen für
sich und ihre Angehörigen, bauen ein Haus oder finanzieren Autos
und Urlaube. Sie sind in Vereinen, Elternpflegschaften, der Jugend-
arbeit oder sonstigen Bereichen ehrenamtlich tätig. All diese Dinge
erfordern ein hohes Maß an Kompetenz und Organisationsvermögen
(Raffel 2000: 98). Warum sollte dieses Potenzial nicht auch im beruf-
lichen Rahmen genutzt werden?
Das Universitätsklinikum Münster hat sich 1991 entschlossen,
diese Möglichkeiten zu nutzen und mit der Einführung eines be-
trieblichen Vorschlagswesens auf die Kreativität und das Engagement
der Beschäftigten zu setzen. Für einen Krankenhausbetrieb war dies
ungewöhnlich. Mit einem erfolgreichen Vorschlagswesen wurde
schließlich allgemein eher die produzierende Industrie in Verbin-
dung gebracht. Im öffentlichen Dienst hingegen spielte das betrieb-
liche Vorschlagswesen bislang kaum eine Rolle. Betrachtet man sich
jedoch, wie viele unterschiedliche Aufgabenfelder und Bereiche am
Universitätsklinikum Münster vertreten sind, wird deutlich, wie viel-
fältig das Mitarbeiterpotenzial für Verbesserungen und Innovationen
ist. Insgesamt arbeiten 7500 Beschäftigte in den unterschiedlichsten
Bereichen. Beispielhaft genannt seien die ärztliche Versorgung, der
Pflegebereich, Materialeinkauf, Versorgung, Großküche, Schneiderei,
Wäscherei, Druckerei, Technik, Forschung, Verwaltung, Institute und
Ausbildungseinrichtungen.
123
Der Erfolg dieses Pilotprojektes war nicht selbstverständlich, doch
schon bald war absehbar, dass das neue Werkzeug von den Beschäf-
tigten sehr gut angenommen wurde. 13 Jahre nach Einführung des
betrieblichen Ideenwettbewerbs am Universitätsklinikum Münster
konnte der 5000. Verbesserungsvorschlag entgegengenommen wer-
den. Die Gesamtersparnis beträgt inzwischen fast 14 Millionen Euro.
Dass es gelungen ist, diese Erfolge zu erzielen, war nur möglich, weil
sowohl Vorstand als auch Personalräte voll hinter dem Konzept stan-
den.
In der Präambel der Dienstvereinbarung, die beide Parteien
miteinander abgeschlossen haben, heißt es: »Ziel des Betrieblichen
Ideenwettbewerbs ist es, die Mitarbeiter zu motivieren, ihre Kennt-
nisse und Erfahrungen über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus zum
Nutzen des Universitätsklinikums einzubringen. Dabei sollen durch
Maßnahmen aufgrund von Verbesserungsvorschlägen die Wirtschaft-
lichkeit erhöht, die allgemeinen Arbeitsbedingungen und die Zu-
sammenarbeit der Beschäftigten untereinander verbessert, Arbeitssi-
cherheit erhöht und der Umweltschutz gefördert werden. Besonders
jedoch werden Vorschläge begrüßt, die im Rahmen der Kranken-
versorgung das Befinden und die medizinische Versorgung der Pa-
tienten verbessern.«
In der Vereinbarung werden Abläufe und Organe des Betrieblichen
Ideenwettbewerbs exakt geregelt. Unter anderem wird definiert:
– Wer ist vorschlagsberechtigt?
– Was gilt überhaupt als Verbesserungsvorschlag?
– Wer entscheidet über die Annahme oder Ablehnung?
– Wie ist die Prämierung geregelt?
124
stundenlang nach passenden Formulierungen suchen. Wichtig ist die
Idee, nicht die Form.
Auf Wunsch des Einreichers kann ein Vorschlag auch anonym
behandelt werden, eine Möglichkeit, die jedoch nicht allzu oft in
Anspruch genommen wird. Denn für die Entwicklung einer Idee
vom Rohzustand bis zu einer fertigen Verbesserung ist es optimal,
wenn Einreicher und Gutachter sich gegenseitig mit Informationen
versorgen können und Pro und Contra diskutiert werden. Zudem ist
in der Dienstvereinbarung eindeutig geregelt, dass kein Mitarbeiter
aufgrund seines Vorschlages Nachteile erfahren darf. Würden hier zu
viele Beschäftigte um anonyme Behandlung des Vorschlages bitten,
wäre dies ein ernsthaftes Warnsignal.
Wie wichtig die Haltung der Gutachter in diesem Prozess ist,
wurde bereits thematisiert. Es ist am Universitätsklinikum Münster
gelungen, die Führungskräfte als Gutachter, Kommissionsmitglieder
und auch als Einreicher von Vorschlägen zu integrieren.
Es wurde eigens ein Leitfaden für Gutachter von Verbesserungs-
vorschlägen erstellt, in dem mögliche Fragen zu Aufgaben und Ab-
läufen beantwortet werden. Im Vordergrund steht, herauszufinden,
ob und wie ein Verbesserungsvorschlag optimal genutzt werden
kann. Bremsender Formalismus steht im Hintergrund. Gutachten
können getippt oder handschriftlich abgegeben werden, je nachdem
was sich für den betroffenen Gutachter als Zeit sparender erweist.
Zusätzliche Informationen oder Rückfragen erfolgen persönlich oder
telefonisch.
Viele Gutachter sind selbst als Einreicher von Ideen in Erscheinung
getreten, haben also den betrieblichen Ideenwettbewerb aus beiden
Perspektiven kennen gelernt – eine wichtige Erfahrung. Denn je-
mand, der weiß, welche Reaktion er selber gerne auf seine Idee be-
käme, wird sich in der anderen Rolle dementsprechend verhalten.
Zudem sehen die Beschäftigten, dass Ihre Vorschläge in der Abtei-
lung willkommen sind, wenn auch ihre Vorgesetzten sich beteiligen.
Die endgültige Entscheidung über die Annahme eines Vorschlages
trifft auf Basis der Gutachten eine Kommission, in der Vertreter der
Personalräte sowie Experten aus den verschiedensten Arbeitsberei-
chen vertreten sind. Es wird unterschieden zwischen Vorschlägen, bei
125
denen der rechenbare Nutzen ermittelbar ist, und so genannten nicht-
rechenbaren Vorschlägen. Wie sich die Honorierung der Einreicher
prozentual an den Einnahmen aus rechenbaren Vorschlägen orien-
tiert, ist in der Dienstvereinbarung genau definiert. Bei nicht rechen-
baren Vorschlägen wird anhand des Auswirkungsgrades und der
möglichen Anwendungshäufigkeit einer Idee die Höhe der Prämie
festgelegt.
Sollte ein Vorschlag nicht angenommen werden können, wird viel
Wert auf eine plausible und ausführliche Begründung gelegt. Denn
die Mitarbeiter sollen nicht verprellt werden, sondern sich bei der
nächsten Gelegenheit erneut beteiligen.
Durch regelmäßige Sonderaktionen, Werbemaßnahmen und die
Veröffentlichung von angenommenen Verbesserungsvorschlägen ist
der Bekanntheitsgrad des Ideenwettbewerbs sehr groß. Im Internet
und Intranet sind ausführliche Informationen für die Beschäftigten
einsehbar. Um eine zügige und strukturierte Bearbeitung der Vor-
schläge zu ermöglichen, kommt seit 2001 eine spezielle Ideenma-
nagement-Software zum Einsatz.
Die folgenden vier Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen
zeigen, wie Mitarbeitervorschläge am Universitätsklinikum Münster
zu enormen Verbesserungen geführt haben. Es wurden neue High-
tech-Verfahren ermöglicht, Materialkosteneinsparungen erzielt und
die Sicherheit von Patienten, Besuchern und Angestellten verbessert:
– Umrüstung von Kleiderbügeln: Anhand des ersten Beispiels wird
deutlich, dass auf den ersten Blick scheinbar einfache Modifikatio-
nen einen großen Nutzen bringen können. Bei diesem Vorschlag
wurde die Umrüstung von Kleiderbügeln angeregt. In der Wäsche-
rei und Schneiderei kommen bestimmte Kleiderfaltmaschinen
zum Einsatz. Für einen effektiven Arbeitsablauf an diesen Maschi-
nen sind genormte Bügel erforderlich, die sowohl für Kleider als
auch für Hosen zu gebrauchen sind. Die Produktion dieser spe-
ziellen Bügel wurde eingestellt, eine Umstellung der Maschinen
und die Beschaffung von entsprechend passenden Kunststoff-
bügeln hätte jedoch eine Ausgabe von 37 000 Euro bedeutet. Die
Einreicher schlugen vor, vorhandene Kleiderbügel in Eigenarbeit so
weit zu modifizieren, dass sie mit dem bestehenden System kom-
126
patibel sind. Durch diese Eigenleistung konnte die Anschaf-
fungssumme eingespart werden.
– Mehrfachverwendung von Kombibehältern: Ein anderer Vorschlag
regte die Mehrfachverwendung von Kombibehältern an. Diese
wurden zur Sammlung von Lösemittelabfällen verwendet. Nach
Entsorgung der Abfälle vernichtete man die Behälter, dementspre-
chend wurden Neuanschaffungen notwendig. Diese Vorgehens-
weise fiel zwei Mitarbeitern auf, die sich die Frage stellten, ob es
nicht möglich sei, umweltbewusster und gleichzeitig wirtschaft-
licher vorzugehen. Dabei waren zudem verschiedene Sicherheits-,
Abfall- und Hygienebestimmungen zu beachten. Es gelang den
Einreichern, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem die Kombi-
behälter in Eigenleistung wieder aufbereitet und mehrfach genutzt
werden können. Durch diese Idee wurden jährliche Kosten von
19 000 Euro eingespart.
– Steuerung von Aufzugsanlagen im Brandfall: Ein Vorschlag, dessen
Nutzen nicht in Zahlen auszudrücken ist, bewirkte eine immense
Verbesserung im Bereich der Sicherheit von Patienten, Besuchern
und Angestellten. Es ging hierbei um die Optimierung der Steue-
rung von Aufzugsanlagen im Brandfall. Bei einem Großbrand in
einem stark besuchten öffentlichen Gebäude in Deutschland hat-
ten sich die Aufzugsanlagen für die Besucher als Fallen entpuppt,
da sie standardmäßig eine bestimmte Ebene ansteuerten, die aber
von der Rauchentwicklung am stärksten betroffen war. Die Besu-
cher des Gebäudes wurden auf diese Weise direkt in das Zentrum
der Gefahr transportiert. Durch den Verbesserungsvorschlag sollte
eine ähnliche Gefahr am Universitätsklinikum Münster ausgeschlos-
sen werden. Die Aufzugsanlage wurde so konfiguriert, dass die Auf-
züge im Brandfall flexibel reagieren können und automatisch eine
Ebene ansteuern, die nicht gefährdet ist. Einem vergleichbaren Un-
glück konnte so vorgebeugt werden.
Neben der Reduzierung von Kosten, der Einsparung von Material, der
Verbesserung des Leistungsangebotes oder der Sicherheit haben
zahlreiche Vorschläge am UKM zudem zur Entwicklung und Nut-
zung neuer Hightech-Verfahren geführt. Komplexe Aufgabenstellun-
127
gen wie diese erfordern meist das Wissen und die Kreativität mehre-
rer Mitarbeiter. Auf diese Weise werden nicht nur qualitativ bessere
Ergebnisse hervorgebracht, sondern auch das Zusammengehörig-
keitsgefühl der Teammitglieder gefördert und die Arbeitsmotivation
gestärkt.
– Warmwasseraufbereitung: Als Beispiel hierfür sei ein Gruppenvor-
schlag aus dem Bereich der Wärmetechnik vorgestellt. Er bezog
sich auf die Gebrauchswarmwasseraufbereitung. Im Rahmen die-
ses Verfahrens entsteht Kondensat mit einer Temperatur von 100°
Celsius, das ursprünglich ungenutzt in das Kondensatnetz zurück-
geführt wurde. Die Einreicher entwickelten gemeinsam ein Sys-
tem, mit dessen Hilfe man dieses Kondensat über einen Wärme-
austauscher führen konnte. Dadurch konnte es zur Aufbereitung
von Heizwasser genutzt werden. Es erwies sich, dass durch diese
Neuregelung eine dauerhafte Energieersparnis von rund 45 000
Euro pro Jahr eintrat.
128
3.7 Mitarbeiterzufriedenheit und Patientenzufriedenheit
129
Abbildung 3-36: Die Art, wie die Mitarbeiter miteinander umgehen, beeinflusst
Patienten und Angehörigen bei der Beurteilung der medizini-
schen Qualität.
130
Abbildung 3-37: Jeder zehnte Arzt, jede fünfte Pflegekraft und jeder fünfte Verwal-
tungsmitarbeiter ist mit dem Zusammenarbeitsklima extrem un-
zufrieden.
– gegenseitige Schuldzuweisung,
– »Die-da-drüben«-Rollenverständnis,
– »ist nicht meine Aufgabe«,
– »zuerst muss die oberste Führung klare Vorgaben machen, damit
ich richtig zielführend arbeiten kann«.
131
Abbildung 3-38: Wie wichtig ist die Kundenorientierung in Krankenhäusern?
132
Abbildung 3-39: Die »soziale Kompetenz« des Unternehmens ist der entscheidende
Kundenbindungsfaktor.
133
Abbildung 3-40: Die Einschätzung kundenorientierten Verhaltens ist vielfach durch
das Phänomen der selektiven Wahrnehmung gekennzeichnet.
134
3.8 Messung der Patienten- und Mitarbeiter-
zufriedenheit in den Helios-Kliniken
Andreas Faut
Solche und ähnliche Aussagen hört man häufig von den Führungs-
kräften aus Krankenhäusern, die zwar solche Befragungen über sich
ergehen lassen, jedoch nicht wirklich dahinter stehen. Ziel dieses Bei-
trags ist die Darstellung eines Prozesses zur nachhaltigen Messung
der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit und der kontinuierlichen
Ableitung von Optimierungsmaßnahmen. Die Darstellung bezieht
im Bereich der Mitarbeiterbefragung konzernweite Erfahrungen ein.
Im Bereich der Patientenbefragung können nur Erfahrungen aus
einem Pilotbereich dargestellt werden.
Dabei ist das mittelfristige Ziel, die optimale Ausrichtung der
»weichen« Faktoren zu einem gleichwertigen Bestandteil der Leis-
tungserbringung zu machen. Das wesentliche Problem solcher Be-
fragungen liegt weniger darin, dass sie nicht professionell durchge-
führt werden, sondern dass es nur wenigen Organisationen gelingt,
eine nachhaltige Verankerung eines solchen Vorgehens in die Ge-
schäftsprozesse zu erreichen. Dabei soll in diesem Beitrag offen über
135
das Erreichte, aber auch über die Schwierigkeiten der Einführung
eines solchen Instrumentes berichtet werden.
Die Darstellung erfolgt am Beispiel des Helios-Konzerns, in dessen
Zentrale der Verfasser als Leiter der Personal- und Organisationsent-
wicklung seit zwei Jahren tätig ist. Die Helios-Kliniken GmbH in
Fulda ist einer der größten privaten Träger von Akutkliniken. Derzeit
gehören dem Konzern 25 Kliniken an. Als einzige Klinikgruppe
Deutschlands führt Helios Krankenhäuser der Grundversorgung ab
46 Betten bis zur Maximalversorgungsstufe mit über 1000 Betten in
eigener Trägerschaft. Einige der Kliniken des ärztlich gegründeten
und geprägten Unternehmens genießen hohe Reputation über die
Grenzen Deutschlands hinaus. Historisch hat man sich bei Helios
früh mit der Bedeutung der Patientenversorgung beschäftigt und
Konzepte entwickelt, die sich vorwiegend auf die optimale medizi-
nische Versorgung beziehen. So wurde frühzeitig das Konzept des
»auftragsbezogenen Patientennutzens« etabliert, um sicherzustellen,
dass nur solche medizinischen Interventionen durchgeführt werden,
die unmittelbar zu einem erkennbaren Nutzen führen. Allerdings
beziehen sich diese Maßnahmen in erster Linie auf den Bereich
der Messung der medizinischen Qualität und blenden die wahr-
genommene Zufriedenheit mit dem Dienstleistungsunternehmen
»Krankenhaus« aus.
Um diesen Aspekt angemessen zu berücksichtigen, gibt es seit
mehreren Jahren im Bereich der Messung der Patientenzufriedenheit
ein Verfahren, das im Wesentlichen auf einem »Benchmarking-
Ansatz« beruht. Dabei werden in einem standardisierten Fragebogen,
der einen Vergleich mit über 100 Krankenhäusern erlaubt, Fragen zu
den üblichen Bereichen der Zufriedenheit von Patienten erhoben
(z. B. Hotelcharakter der Klinik). Diese Befragung wird einmal im
Jahr in allen Häusern durchgeführt und ermöglicht einen internen
und externen Vergleich.
An diesem Vorgehen wird zunehmend Kritik geäußert. Aus der
Sicht der einzelnen Häuser bestehen erhebliche Schwierigkeiten
darin, mit den Ergebnissen zielführend zu arbeiten. Darüber hinaus
hegt besonders das Pflegepersonal zunehmend berechtigte Zweifel an
der »Validität« des eingesetzten Instrumentes. Parallel dazu wurde im
136
letzten Jahr erstmalig eine weitere konzernweite Mitarbeiterbefra-
gung initiiert, die sich mit den vorhandenen Leistungspotenzialen der
einzelnen Kliniken aus der Sicht der Mitarbeiter beschäftigt. Insge-
samt wurde diese Situation zum Anlass genommen, das bisherige
Vorgehen unter den folgenden Leitfragen grundsätzlich kritisch zu
überdenken.
Diese Aspekte werden meine Ausführungen auf den folgenden
Seiten strukturieren:
– Wie lässt sich für diesen Themenkomplex eine nachhaltige
Akzeptanz in den Kliniken schaffen?
– Sind die gestellten Fragen die richtigen Fragen?
(Leitbild- und Fragebogenentwicklung)
– Wie kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse der
Befragung auch zu einer Umsetzung von Maßnahmen führen
(Aufbau eines Berichtswesens)?
– Wie lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Patienten- und
der Mitarbeiterbefragung herstellen?
– Was passiert, wenn ein Bereich schlechte Ergebnisse erzielt hat?
– Welche Erfahrungen sind bisher gemacht worden, und welche
Ergebnisse konnten erzielt werden?
Um sich dieser Frage zu nähern, gibt es aus der Sicht des Verfassers
drei wesentliche Aspekte. Zunächst ist es im Sinn einer konzeptio-
nellen Vorbereitung wichtig, die Messung der Patientenzufriedenheit
in irgendeiner Form in den Prozess der Strategieumsetzung zu inte-
grieren, um später eventuell das Erreichen bestimmter Zufrieden-
heitswerte, etwa in Form von Zielerreichungsgraden, zu überprüfen.
Danach ist es für die erfolgreiche Umsetzung wichtig, im Rahmen
eines konzernweiten Projektmanagements die Personen zu betei-
ligen, die dazu unmittelbare Beiträge leisten können bzw. über aus-
reichenden Einfluss verfügen, um Veränderungen voranzutreiben.
Schließlich sind einige Vorgehensweisen verpflichtend zu definieren,
die eine nachhaltige Umsetzung fördern.
137
Abbildung 3-41: Strategische Zielfelder.
Der Helios-Konzern hat früh erkannt, dass es für den Erfolg wichtig
ist, in den wesentlichen geschäftsrelevanten Aspekten zielorientiert
und strategiegeleitet vorzugehen. So gibt es seit einigen Jahren die
Strategie der selektiven Privatisierung, die Leitlinien dafür definiert,
welche Krankenhäuser im Falle eines »Zukaufs« den Konzern gezielt
verstärken könnten. Die medizinische Leistungserstellung wird durch
ein Qualitätsmanagement gesteuert, das auf der Definition und der
nachhaltigen Kontrolle von medizinischen Zielen basiert. Insgesamt
ging es im letzten Jahr darum, die einzelnen strategischen Prozesse
ganzheitlich zusammenzuführen und die »weichen« Faktoren zu
extrahieren und messbar zu machen, die den Erfolg der einzelnen
Häuser nachhaltig unterstützen.
Die Überlegungen wurden dabei von zwei Leitgedanken bestimmt.
Erstens sollte es möglich sein, keine zu hohe Komplexität zu erzeu-
gen, sodass die Umsetzung der strategischen Vorgaben die einzelnen
Kliniken bei ihrer Entwicklung nicht hemmt, sondern im Gegenteil
alle Kräfte auf die Erreichung der gemeinsamen Ziele ausrichtet.
In diesem Zusammenhang wurden etwa auch EFQM-Ansätze kri-
tisch diskutiert und verworfen, da sie häufig zu aufwändigen Zertifi-
zierungswellen führen, die jedoch nicht wirklich die Qualität der Pro-
zesse und Produkte verbessern. Zweitens sollte der strategische
138
Abbildung 3-42: Beispielmaßnahme aus Teilstrategie Personal.
139
ging es darum, durch eine Projektstruktur frühzeitig wichtige Ent-
scheidungsträger einzubeziehen, um das Projekt ausreichend in den
Kliniken zu verankern. Dabei wurden in dem Projektteam leitende
Vertreter aller Berufsgruppen paritätisch beteiligt. Zunächst wurde
ein Haus der Maximalversorgung ausgewählt, das pilothaft mit die-
sem Prozess Erfahrungen machen sollte. Schließlich wurde vor dem
Projektstart von der Geschäftsführung ein Konzept verabschiedet, das
die wesentlichen Rahmenparameter für die Durchführung verbind-
lich festlegt:
– Alle Bereiche nehmen verpflichtend an der Befragung teil.
– Die Ergebnisse der Patientenbefragung werden bis auf die Ebene
der einzelnen Station ausgewertet.
– Das Leitbild gilt verpflichtend für alle Bereiche; im Bereich des Fra-
gebogens hat jedes Haus die Möglichkeit, einige Fragen zu ergän-
zen.
– Das Projekt Patientenbefragung wird zunächst in einem Haus der
Maximalversorgung pilothaft eingeführt und dann schrittweise auf
den Konzern übertragen.
140
Abbildung 3-43: Prozessmodell Befragung.
141
Abbildung 3-45: Teilprozess Leitbild-Fragebogenentwicklung.
142
liche Maßnahmen abgeleitet werden. Werden dennoch Maßnahmen
abgeleitet, wird die Messung der Effekte der nächsten Befragung
überlassen. Wesentlich dabei ist die zeitnahe Kommunikation der
Ergebnisse in Form einer Ergebniskarte, in der jeder Bereich
unmittelbar an der unterschiedlichen Einfärbung erkennen kann,
wo Handlungsbedarfe bestehen.
Die mittlere Führungsebene (Stationsleitungen, bzw. Oberärzte)
hat dann die Aufgabe, in Form eines Workshops die Ergebnisse mit
den Mitarbeitern zu diskutieren und sofort Maßnahmen abzuleiten.
Darauf wurde dieser Mitarbeiterkreis flächendeckend in der Form
von Trainings vorbereitet (Moderation, Umgang mit Widerständen).
Das Ergebnis dieser Workshops sind »Aktionspläne«, die sofort
umgesetzt werden und in dem jeweiligen Leitungsgremium zu be-
richten sind. So wird eine Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit des Vor-
gehens garantiert. Die Befragung, die zweimal im Jahr durchgeführt
wird, liefert also eine unmittelbare Rückmeldung über den Erfolg der
eingeleiteten Maßnahmen, sodass eine kontinuierliche Verfolgung
des Faktors »Patientenzufriedenheit« gegeben ist.
Dieses Vorgehen ermöglicht zusätzlich eine quasi »natürliche«
Evaluation, da Verbesserungen in einem Bereich so lange durchge-
führt werden, bis eine flächendeckende Optimierung erreicht werden
konnte. Dann wird dieser Aspekt für einen definierten Zeitraum nicht
mehr Gegenstand der Befragung sein, weil das Ziel erreicht wurde.
In der vorhergehenden Abbildung findet sich die exemplarische Dar-
stellung einer solchen Berichtskarte.
143
Abbildung 3-46: Berichtswesen »Ergebniskarte«.
144
potenziale aus der Sicht der Mitarbeiter im Konzern vorhanden sind
und wie man sie fördern könnte.
In diesem Zusammenhang entstand auch die Frage, wie eine Be-
ziehung zwischen Patienten- und Mitarbeiterbefragung herzustellen
sei, die die Umsetzung der Prozesse fördert. Dazu wurde in den
Fragenkatalog eine Dimension (Wie sehen uns unsere Patienten?)
einbezogen. In diesem Bereich tauchen wesentliche Aspekt, des im
Rahmen der Entwicklung der Patientenbefragung entwickelten Leit-
bildes auf, in dem die Mitarbeiter um ihre Sichtweise gebeten werden.
Wie sehen uns unsere Patienten? Trifft Trifft Teils- Trifft eher Trifft über-
voll zu eher zu teils nicht zu haupt nicht zu
Ich glaube, dass unsere Patienten unsere
Klinik bedenkenlos weiterempfehlen. I I I I I
Ich glaube, dass sich unsere Patienten
aufgrund ihrer Erfahrungen mit Helios
im Bedarfsfall erneut für Helios ent-
scheiden werden. I I I I I
Ich glaube, Helios wird insgesamt von
unseren Patienten wie folgt bewertet: I I I I I
Aus Patientensicht bietet Helios eine
qualitativ hervorragende und innovative
medizinische Versorgung. I I I I I
Aus Patientensicht bietet Helios eine
hervorragende pflegerische Betreuung. I I I I I
Aus Patientensicht bietet Helios eine
hervorragende Küche. I I I I I
Aus Patientensicht hat Helios den
Verwaltungsaufwand für Patienten
auf ein Minimum reduziert. I I I I I
Aus Patientensicht werden alle Infor-
mationsbedürfnisse erfüllt (z. B.: Erläuterung
der Stations- und Behandlungsabläufe). I I I I I
Aus Patientensicht kommunizieren wir
höflich, professionell und aufmerksam
(z. B.: Eingehen auf Beschwerden; mit
dem Patienten sprechen, nicht über ihn). I I I I I
Aus Patientensicht werden die Abläufe
konsequent nach seinen Bedürfnissen aus-
gerichtet (z. B.: Wartezeiten, Fertigstel-
lung der Unterlagen am Entlassungstag). I I I I I
145
So können die Mitarbeiter, die täglich Umgang mit den Patienten
haben und damit deren Wahrnehmung entscheidend beeinflussen, die
Qualität der erbrachten Dienstleistungen selbstkritisch einschätzen.
146
schlechten Abschneiden in diesem Bereich mittelfristig negative
Konsequenzen verbunden sein könnten.
Naturgemäß können wir keine ausgedehnten Studien über die
Reliabilität bzw. Validität des eingeschlagenen Vorgehens erheben.
Es zeigt sich jedoch ein deutlicher Vorteil darin, ein eigenes Leitbild
und daraus abgeleitete Fragen entwickelt zu haben, da so die Mitar-
beiter den Prozess aktiv mitgestalten konnten. Sehr bewährt hat sich
der Versuch, Quervergleiche zwischen den Ergebnissen der beiden
Befragungen zu ziehen.
In Zukunft wird es darum gehen, diese beiden Befragungsinstru-
mente noch stärker zu vernetzen, um eine Art »Treiberanalyse« vor-
zulegen (Wie müssen die »weichen« Faktoren ausgerichtet sein, um
optimalen ökonomischen Erfolg zu generieren?). Zweitens werden
erste Bezüge zu den »harten Analyseinstrumenten« hergestellt (z. B.
medizinische Qualität), um zu eruieren, ob eine Unzufriedenheit der
Patienten und/oder der Mitarbeiter einen Einfluss auf die optimale
medizinische Versorgung hat. Insgesamt ist es sicher schon jetzt ge-
lungen, einen Prozess in Gang zu setzen, der die Zufriedenheit der
internen und externen Kunden stärker in das Bewusstsein der Ver-
antwortlichen hebt – ein Unterfangen, mit dem auch Dienstleister
im Bereich von Industrieunternehmen erkennbare Schwierigkeiten
haben. Dieser Artikel basiert auf dem Projektstand von April 2005.
147
Krankenhausmanagement Kriterien für eine erfolgreiche Fusion bzw.
eine erfolgreiche Übernahme identifiziert:
Wie man es besser nicht machen sollte, zeigt ein Artikel aus der Stutt-
garter Zeitung vom 6. Dezember 2003 über die Auflösung des Lan-
desgewerbeamts. Der Artikel beginnt mit dem bezeichnenden Satz:
»Die Mitarbeiter wussten gestern noch nichts von dem drohenden
Aus für ihre Behörde.« Stellen Sie sich vor: Die Mitarbeiter dieser
Behörde sitzen am Samstagmorgen beim Frühstück, schlagen die
Stuttgarter Zeitung auf und lesen diesen Artikel.
148
Glauben Sie, dass diesen Mitarbeitern der Kaffee noch schmeckt?
Sicherlich nicht. Wahrscheinlich haben die Mitarbeiter schon das eine
oder andere geahnt. Aber dennoch – eine Auflösung ist schon etwas
anderes als eine Umstrukturierung und hätte den Mitarbeitern zuerst
kommuniziert werden müssen.
Was geschah dann am Montag? Erstaunlicherweise nichts!
Der Personalrat, die Führungskräfte und die Mitarbeiter wurden
unruhig und bedrängten die Amtsleitung. Was hat das zu bedeuten?
Was geschieht nun? Wie geht es mit uns weiter?
Die Tage vergingen und schließlich kam am Donnerstag eine
E-Mail von der Amtsleitung: Man möge es der Amtsleitung nicht übel
nehmen, aber sie könne nicht zu jeder Pressemeldung Stellung be-
ziehen.
Hier geht es um die Existenz von Mitarbeitern. Natürlich sind in
einer Behörde viele Mitarbeiter unkündbar. Aber kann man trotzdem
davon ausgehen, dass es reichen muss, dass es bei der Umsetzung
der Verwaltungsreform in Baden-Württemberg keine betriebsbeding-
ten Kündigungen geben darf? Dass die Mitarbeiter froh sein dürfen,
dass sie am Ende des Monats ihr Gehalt erhalten? Schließlich wird
man im öffentlichen Dienst ja für die Anwesenheit bezahlt.
In jedem Fall führte das Verhalten der Amtsleitung dazu, dass eine
völlige Demotivation der Mitarbeiter einsetzte, der Flurfunk brummte
und die Gerüchteküche brodelte.
Winfried Berner
149
schaftlich abgesichert und stellt eine bunte Mischung aus Legenden
(Autobiografien), Angstmache und Eigenwerbung (Berater-Publika-
tionen) dar.
Dieser Artikel ist der Versuch, auf Basis der Erfahrung aus der teil-
nehmenden Beobachtung und Mitgestaltung von rund 15 großen und
kleinen Fusionen einige provisorische Brücken zwischen Theorie und
Praxis zu schlagen, die Bausteine für eine psychologisch fundierte
Technologie der Post-Merger-Integration werden könnten. Das beson-
dere Augenmerk gilt dabei den Fällen, wo psychologische Überlegun-
gen zu kontraintuitiven Schlussfolgerungen führen – einfach des-
halb, weil der praktische Nutzen der Psychologie dort am größten ist,
wo sie uns auf Fallen aufmerksam macht, in die wir bei vermeintlich
vernünftigem Handeln tappen würden.
150
Damit beginnt eine Phase, die für die Mitarbeiter aller Hierarchie-
ebenen (mit Ausnahme derjenigen, die die Verträge ausgehandelt
haben) die typischen Merkmale eines Kontrollverlusts hat: Vom einen
auf den anderen Moment sind sie nicht mehr Herr ihres eigenen
Schicksals, sondern – zumindest in ihrer dramatisierenden Wahr-
nehmung – wehrloser Spielball der Entwicklungen, die da auf sie
zukommen – was bei Psychologen natürlich Assoziationen an die
Theorie der gelernten Hilflosigkeit (Meyer 2000) weckt. Nach der in-
tegrierten Theorie von Wortman und Brehm (Herkner 1991) sollten
die Mitarbeiter auf eine solche Zäsur zunächst mit Widerstand rea-
gieren, nach dessen Scheitern mit Hilflosigkeit und Apathie.
In der Tat lassen sich solche Reaktionen sowohl auf individueller wie
auch auf kollektiver Ebene beobachten; allerdings laufen sie nicht so
geordnet und sequenziell ab wie im sozialpsychologischen Lehrbuch.
– Manche mutlosen Mitarbeiter werfen die Flinte sofort ins Korn und
warten tatenlos ab, was Betriebsrat und Arbeitsamt für sie tun.
151
– Andere versuchen auf unterschiedlichste Art – z. B. durch aktive
Jobsuche oder durch Bewerbung für Integrationsteams –, wieder
zu Herren ihres eigenen Lebens zu werden.
– Auch der »Schläfer-Effekt« der Reaktanz ist für unliebsame Über-
raschungen gut: Manche Mitarbeiter, die sich scheinbar in ihre
neue Rolle eingefunden hatten, entdecken plötzlich eine Chance,
ihre verlorene Freiheit wiederherzustellen – und informieren den
verdutzten Vorgesetzten von ihrer Kündigung.
– Andere schließen sich zu informellen »Bruderschaften der alten
Welt« zusammen und lassen die neuen Kollegen nach allen Regeln
der Kunst auflaufen.
152
• Phase 5: Auseinandersetzung. Die Auseinandersetzung mit der neuen Situation mün-
det in persönliche Weichenstellungen: Anpassung, Kampf, Rückzug, Resignation/De-
pression oder Abwanderung.
• Phase 6: Neue Normalität. Die »normative Kraft des Faktischen« greift; die neuen
Strukturen, Abläufe und Systeme fangen »irgendwie« zu arbeiten an; unter dem
Schatten der jüngsten Erfahrungen entsteht ein neuer, weitgehend wieder berechen-
barer Alltag.
• Phase 7: Nachbeben. Oft mit erheblichem zeitlichen Abstand zu den voraus-
gegangenen Phasen werden Entscheidungen korrigiert, die im ersten Anlauf (Phase 4)
nicht genau oder nicht konsequent genug getroffen wurden; die Bandbreite reicht von
marginalen Anpassungen bis zu dramatischen Einschnitten, wenn zum Beispiel ein
»Sofortprogramm« zur Erreichung der Synergieziele – sprich: eine zweite Runde von
Personalabbau – ausgerufen wird.
Wer sollte etwas dagegen einzuwenden haben, dass man sich bei
der Integration zweier Unternehmen um größtmögliche Fairness,
153
Gerechtigkeit und Objektivität bemüht? Wegen ihres Appeals von
Integrität ist die Fusionsstrategie »Merger of Equals« (Fusion unter
Gleichen) das bei weitem beliebteste Konzept für Fusionen und Inte-
grationen jedenfalls bei denen, die es noch nicht ausprobiert haben.
Wer es schon miterlebt hat, weiß, dass die a priori so überzeugende
Idee bei der Realisierung einige Tücken aufweist, die den edlen Ge-
danken in sein hässliches Gegenteil verkehren können.
Der Grund für diese Paradoxie ist, dass ein »Merger of Equals«
zwei Nebenwirkungen hat, die im Kontext einer Fusion äußerst pro-
blematisch sind: Eine solche Vorgehensweise kostet viel Zeit, und sie er-
zeugt Komplexität. Denn wenn die Fusionsstrategie »Verschmelzung
von Gleichen« lautet, heißt das Programm für die Umsetzung fast
zwangsläufig »Best of Both Worlds«. Und damit beginnen die Kompli-
kationen. Denn wie stellt man fest, was das Beste aus beiden Welten ist?
Gleich, ob es um die Qualität von Führungskräften, von Prozessen
oder von IT-Systemen geht, jede Entscheidung setzt gemeinsam an-
erkannte Kriterien voraus. In der Praxis zeigt sich jedoch schnell, dass
es genau daran fehlt – nicht nur »aus politischen Gründen«, sondern
auch, weil beide Seiten unterschiedliche Kulturen haben und auf
unterschiedliche Arten das Geschäft betreiben, möglicherweise sogar
unterschiedliche Erfolgsmaßstäbe haben.
Die Suche nach dem »Besten der beiden Welten« wird daher zu
einem mühseligen Ringen um Kriterien – und zwar auf allen Ebenen,
die bei einer Integration abzudecken sind. Das ist unglaublich viel Ar-
beit, die in kürzester Zeit – und in einem sehr angespannten Klima –
bewältigt werden muss. Hat man die Kriterien schließlich, braucht
man weiter ein möglichst transparentes und objektives Bewertungs-
verfahren – ebenfalls für Produkte, Systeme, Prozesse und Menschen.
Noch schlimmer als Komplexität und Arbeitsbelastung ist der Zeit-
bedarf, um all das zu realisieren. Der Auswahlprozess für die Neube-
setzung der Führungsebenen dauert oft mehrere Monate und ist für die
betroffenen Führungskräfte ebenso schwer zu ertragen wie für deren
Mitarbeiter. Je länger die Wartezeit, desto mehr Leistungsträger werden
über ihre beruflichen Alternativen nicht bloß nachdenken, sondern
handeln – mit tatkräftiger Unterstützung zahlreicher Headhunter, die
fusionierende Unternehmen alsbald umkreisen (Berner 2005 c).
154
In diesen Monaten läuft im Unternehmen nicht sehr viel. Das Ta-
gesgeschäft funktioniert »mit halber Kraft voraus«, Kunden werden
vernachlässigt, Spielzüge von Wettbewerbern zu spät registriert und
beantwortet, Veränderungsinitiativen verpuffen. In dieser Phase sind
fusionierende Unternehmen extrem angreifbar durch klug eingefä-
delte Attacken von Wettbewerbern, gleich ob sie auf wichtige Kunden
zielen oder auf die Abwerbung von Führungskräften. In den USA gibt
es inzwischen Ratgeber, wie man am meisten Kapital aus Fusionen
und Umstrukturierungen von Wettbewerbern schlagen kann (Grubb/
Lamb 2000). So wird der »Merger of Equals« zum Beispiel dafür, dass
Gerechtigkeit (oder Fairness) nicht bloß eine inhaltliche, sondern
auch eine zeitliche Dimension hat, und dass eine Lösung, die zu
lange dauert, weder gerecht ist noch den Betroffenen gerecht wird.
Festzuhalten bleibt, dass sich alle Überlegungen an einer simplen
betriebswirtschaftlichen Tatsache ausrichten müssen: Jede Fusion
und jede Übernahme – und auch jede Umstrukturierung – ist eine
massive Beeinträchtigung des operativen Geschäfts, also dessen, wo-
von die Unternehmen leben. Die zentrale Aufgabe des Integrations-
managements ist es, diese Störung so kurz wie möglich zu halten,
ihren Schaden zu begrenzen und das neue Unternehmen so rasch
wie möglich wieder handlungsfähig zu machen – und trotzdem die
versprochenen Synergien einzulösen. Das gelingt am ehesten, wenn
man nicht ausschließlich auf Kostensynergien (Berner 2005b) starrt,
sondern frühzeitig neues Wachstum ansteuert (Habeck, Kröger und
Träm 1999).
155
vermeiden, was ihn in Gefahr bringen könnte – wollen sie hingegen
einen drohenden Verlust (oder Nachteil) abwenden, sind sie durchaus
risikobereit.
Bei Fusionen, Übernahmen und Integrationsprozessen steht der
Hierarchie des übernommenen Unternehmens die Hierarchie des
Übernehmers gegenüber, und es lassen sich auf jeder Seite drei große
Gruppen unterscheiden; jede davon ist geprägt von ganz typischen
Ängsten und Befürchtungen (Abbildung 3-48) im übernehmenden
und übernommenen Unternehmen. Vier dieser sechs Gruppen sind
mit dem Rechtskräftigwerden der Fusion in einer »Verlustposition«,
das heißt in einer Situation, wo sie erhebliche persönliche Nachteile
nur noch abwenden können, wenn sie handeln und etwas riskieren.
Die beiden Ausnahmen, die nichts zu riskieren brauchen, sondern
nur ihren Besitzstand bewahren und verteidigen müssen, sind die
Mitarbeiter und das mittlere Management des übernehmenden
Unternehmens.
– Das Top-Management des Übernehmers ist »zum Erfolg ver-
urteilt«; es muss bei Strafe seiner unehrenhaften Ablösung den
Beweis erbringen, dass die versprochenen Synergien tatsächlich
156
realisiert werden können und der Wert des Unternehmens durch
die Übernahme steigt.
– Dem Top-Management des übernommenen Unternehmens steht
entweder – bei einer feindlichen Übernahme – sein Abgang un-
mittelbar bevor. Oder es hat der Fusion zugestimmt; dann ist es
jetzt in der gleichen Situation wie das Management des überneh-
menden Unternehmens: Es ist den Shareholdern schuldig, alles in
seinen Kräften Stehende zu tun, um die Fusion zum Erfolg zu füh-
ren.
– Das mittlere Management wie auch die Mitarbeiter des übernom-
menen Unternehmens müssen die Spielregeln akzeptieren, die
vom Übernehmer gesetzt werden; was ihnen an Besitzständen
verbleibt, ergibt sich aus den Modalitäten der Fusion, aus § 613 a
BGB (den gesetzlichen Regeln zum Betriebsübergang) und aus
dem Kündigungsschutzgesetz. Wenn sie in dem fusionierten
Unternehmen noch etwas werden wollen, müssen sie daher die
Initiative ergreifen und etwas riskieren. Falls sie ihren Job be-
halten, befinden sie sich in den neuen Abteilungen meist in
einer Minderheitenposition. Auch dann müssen sie handeln und
auf ihre neuen Kollegen zugehen, wenn sie nicht »versauern« wol-
len.
– Ganz anders das mittlere Management und die übrigen Mitarbei-
ter des übernehmenden Unternehmens. Sie befinden sich in ei-
ner relativ komfortablen Position: Sie ahnen zwar, dass die Inte-
gration wohl auch für sie einige Verwerfungen bringen wird, doch
sie behalten nicht nur ihre Jobs, sondern im Wesentlichen auch
ihre Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeiter. Auch die eingespiel-
ten Abläufe, Informationskanäle und Seilschaften bleiben zu-
nächst einmal erhalten. Sie müssen also nur ihren Besitzstand
gegen die unliebsame Konkurrenz verteidigen. Und genau das
tun sie auch!
Die größte Gefahr für den Erfolg einer Fusion geht daher nicht etwa
von den Abwehrreaktionen des übernommenen Unternehmens aus
und auch nicht von der viel beschworenen »Unverträglichkeit
der Unternehmenskulturen«, sondern von den eigenen Leuten.
157
Sie fühlen sich einerseits als Sieger, spüren andererseits die dro-
hende Konkurrenz durch die »Neuankömmlinge«. Also sind sie sich
auch ohne formale Absprache schnell darüber einig, dass man den
ungebetenen Eindringlingen erst einmal deutlich machen muss,
»wo der Hammer hängt«. Das heißt, Mitarbeiter und mittleres Ma-
nagement des übernehmenden Unternehmens lassen ihre neuen
Kollegen nach allen Regeln der Kunst auflaufen, bremsen sie aus,
werfen ihnen Knüppel zwischen die Beine – und sind davon allen-
falls durch ein gutes Management der Integration abzubringen
(siehe Kasten).
158
Je unterschiedlicher die Unternehmenskulturen der beteiligten
Unternehmen sind, desto häufiger kommen Missverständnisse und
Fehlinterpretationen vor und desto schwerer tun sich die Beteiligten,
miteinander warm zu werden. Besonders schwierig wird es nach un-
seren Erfahrungen, wenn eine offene, hohe persönliche Gestaltungs-
spielräume bietende Kultur von einer sehr patriarchalischen oder
bürokratischen Organisation übernommen wird.
Das heißt aber noch lange nicht, dass die Integration einfach ist,
wenn die Kulturen sich ähnlich sind. Vielmehr kommt es in solchen
Fällen zu einer »Kontrastverstärkung«, das heißt, die Mitarbeiter –
insbesondere die des übernehmenden Unternehmens – betonen die
Unterschiede und blähen sie auf. Mit anderen Worten, wer unüber-
brückbare Unterschiede sucht, wird sie finden, unabhängig von deren
objektiven Größe.
Wie die Ähnlichkeit oder Unterschiedlichkeit der Unternehmens-
kulturen die Abstoßungsreaktionen beeinflusst, lässt sich anhand des
in Abbildung 3-49 dargestellten Schemas vorhersagen:
– Bei stark unterschiedlichen Unternehmensgrößen mündet die
Kontrastverstärkung, wenn niemand steuernd eingreift, in das Ent-
stehen von Enklaven, also von kleinen Inseln der übernommenen
Kultur in der des Übernehmers. Mittelfristig droht diesen Kulturen
der Untergang – entweder durch Konflikte und »Vertreibung« oder
durch »Aussterben«. Zur Assimilation, also zum völligen Aufgehen
der einen Kultur in der anderen, kommt es dann, wenn die Mit-
arbeiter des übernommenen Unternehmens so weit zerstreut wer-
den, dass nirgendwo die kritische Masse für eine eigene Subkultur
bestehen bleibt. Denn zwei oder drei Leute können auf die Dauer
keine lebensfähige eigene Kultur bilden. Andererseits zeigen viele
Beispiele aus Politik und Gesellschaft, dass für eine Enklavenbil-
dung schon relativ wenige Personen reichen – wenigstens für ei-
nige Jahre oder Jahrzehnte. Auch in Unternehmen findet man
manchmal noch Jahre nach einer Fusion solche Inseln einer (stili-
sierten) alten Kultur, die meistens auch von ihrer Umgebung als
»Staat im Staat« empfunden und bezeichnet werden.
– Wenn keine der beiden Kulturen stark genug ist, um sich durchzu-
setzen, kann, eventuell nach vorausgegangener Kontrastverstär-
159
kung, der ungünstigste Fall eintreten: ein »Stellungskrieg« zwi-
schen den Kulturen, der alle Merkmale eines »kalten Konflikts«
hat. Das militärische Vokabular ist in diesem Fall angebracht, denn
zwischen den Lagern kommt es tatsächlich zu anhaltenden Feind-
seligkeiten, die mit hoher destruktiver Energie und erheblichen
Kollateralschäden für das Geschäft ausgefochten werden. Häufig
finden solche Stellungskriege mit ausländischen Tochtergesell-
schaften statt, wo die einen darum kämpfen, ihre verbliebene Auto-
nomie zu wahren, während die anderen sich verzweifelt bemühen,
die widerspenstige Tochter endlich »in den Griff zu bekommen«.
Angesichts der Tatsache, dass die größte Bedrohung für den Erfolg
einer Integration von den eigenen Leuten ausgeht, stellt sich die
Frage: Was kann man tun, um dem entgegenzuwirken?
Ein erster wichtiger Schritt ist mit dem Erkennen der Problemlage
bereits getan. Denn oftmals dauert es unglaublich lange, bis das Top-
Management überhaupt bemerkt, was sich da in seinem »toten Win-
kel« abspielt. Wenn man sich der Gefahr bewusst ist, hat man das
Problem zwar noch nicht gelöst, weiß aber zumindest, worauf man
gefasst sein muss.
Der zweite Schritt besteht darin, eine innere Linie für den Umgang
mit diesen Verhaltenstendenzen zu finden. Einerseits darf man ein
solches Verhalten nicht zulassen, wenn man nicht den Erfolg der
Integration aufs Spiel setzen will; andererseits hat es keinen Sinn,
darauf wütend zu reagieren oder in moralische Entrüstung zu verfal-
len. Denn was wir hier erleben, ist keine Bösartigkeit, sondern ganz
normales menschliches Risikoverhalten.
Die Tendenz zur »Abwehr der Eindringlinge« lässt sich großflächig
nur durch eine Veränderung der Rahmenbedingungen der Integra-
tion reduzieren. Denn es hilft alles nichts: Solange sie Besitzstände zu
bewahren haben, werden sich die meisten Mitarbeiter risikoscheu
und defensiv verhalten. Erst wenn ihnen selbst ein Verlust droht, wird
ihre Risikobereitschaft ansteigen. Die Aufgabe ist also, die eigenen
Mitarbeiter und Führungskräfte in eine Situation zu bringen, wo sie
etwas tun müssen, um einen drohenden Verlust abzuwenden.
Anhaltspunkte dafür, wie dies geschehen kann, liefern die frühen
Sherif-Experimente (Hofstätter 1976: 108 ff.), die untersuchten, wie
160
sich getrennte (Sub-)Kulturen wieder zusammenbringen lassen. She-
rif fand heraus, dass dies genau dann gelingt, wenn es einen konkre-
ten übergeordneten Grund gibt, der es wert ist bzw. erforderlich
macht, die Gruppenegoismen hintan zu stellen und mit den anderen
zu kooperieren.
In der Wirtschaft wird hier sehr häufig das Argument der Wettbe-
werbsfähigkeit oder noch dramatischer, der »Kampf ums Überleben«
bemüht. Doch meine wiederkehrende Erfahrung ist, dass keines von
beiden geeignet ist, als dauerhafte Energiequelle zu dienen. Das mag
damit zusammenhängen, dass negativ formulierte Ziele proble-
matisch sind. Nicht nur, dass unser Gehirn angeblich – eine seriöse
neurologische Quelle hierfür ist mir nicht bekannt – außerstande ist,
Negationen zu verarbeiten; noch wichtiger dürfte sein, dass Vermei-
dungsziele (»Auf keinen Fall absteigen!«) Dauerstress auslösen, der
früher oder später in einer Erschöpfungsreaktion endet. Und genau
das ist es, was Mitarbeiter einem sagen, wenn der Kampf ums Über-
leben über Jahre hinweg als Argument strapaziert wird: »Lieber ein
Ende mit Schrecken!«
Der beste Weg, die eigenen Leute aus ihrer defensiven Haltung
herauszuholen und die Kulturen zusammenzuführen, ist, das Unter-
nehmen unmittelbar nach der Fusion mit einer gemeinsamen Auf-
gabe zu konfrontieren, die die Manager aufs Äußerste fordert und sie
unabhängig von ihrer Herkunft zur Zusammenarbeit zwingt. Zum
ersten Mal habe ich dieses Herangehen Anfang der 90er Jahre bei der
großen Fusion von Asea und Brown Boveri zu ABB erlebt. Unmittel-
bar nach dem Merger konfrontierte die Konzernleitung das gesamte
Unternehmen mit der Forderung, die Durchlaufzeiten um 50 Prozent
zu verkürzen, 15 Prozent der Kosten einzusparen und zugleich die
Qualität zu verbessern. Diese »unmöglichen Ziele« waren nur durch
die komplette Neustrukturierung sämtlicher Abläufe – und damit
durch die »kreative Zerstörung« (Schumpeter) der alten Welten – zu
erreichen. Und sie gelang. In ähnlicher Weise leistete bei der Fusion
von Krupp und Hoesch das 4K-Programm einen entscheidenden
Beitrag zum Erfolg der Integration.
161
a
4. Die Diagnose von Unternehmens-
kulturen
163
4.1 Möglichkeiten der Diagnose
164
Abbildung 4-2: Die Tagesklinik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an
der Technischen Universität Dresden ist mit modernster Technik
ausgestattet. Die Farben wirken hell und freundlich.
Abbildung 4-3: Die Sitzecke in der Kinder- und Frauenklinik in der Universitäts-
klinik Dresden lädt zum Verweilen ein.
165
Abbildung 4-4: Im Aufenthaltsraum für Patienten und deren Gäste stehen auf
der Station Erfrischungsgetränke bereit.
166
Abbildung 4-5: Die Informationstheke an der Uniklinik in Dresden wirkt hell
und freundlich.
167
Abbildung 4-7: Durch eine spontane Zurufabfrage wird eine Unternehmens-
kultur in ihren Eckpunkten charakterisiert.
– Befragung: Worauf kommt es hier an? Wie erfährt man davon? Was
gilt für alle? Wofür steht das Unternehmen? Wer prägt es? (Regeln,
Mythen, implizite Spielregeln);
– Dokumentenanalyse: Was vermitteln Medien/Dokumente? Gibt es
einheitlich-klare Botschaften? (Medien, Kommunikation);
168
Abbildung 4-8: Trailer-Abfragen in Organisationsentwicklungs-Workshops sowie
auf Kongressen, Strategietagungen und im Rahmen von Pro-
grammen zur Entwicklung der Unternehmenskultur in Kranken-
häusern sind der erste Schritt zur Kulturdiagnose.
– Workshop: Worauf sind wir stolz? Was hat die Mitarbeiter früher
stolz gemacht? Was macht sie heute stolz? Was trägt in diesem
Unternehmen? Woher bekommt man Unterstützung? Was ist hier
etwas wert? Was sollte man hier besser lassen? (Regeln, Werte, Nor-
men, Spiele);
169
– Interventionstechniken aus der Organisationsentwicklung (Projek-
tionsintervention).
Die Grafiken (S. 167–169) zeigen Beispiele aus Workshops, bei denen
die Unternehmenskultur mit verschiedenen Methoden diagnostiziert
wurde.
170
Bitte geben Sie an, welches der beiden Wörter aktuell
die Unternehmenskultur in Ihrem Krankenhäusern beschreibt.
stimmt stimmt teils/ stimmt stimmt
genau eher teils eher genau
bekannt I I I I I unbekannt
abweisend I I I I I einladend
modern I I I I I altmodisch
leistungsfähig I I I I I nicht leistungsfähig
unfreundlich I I I I I freundlich
langsam I I I I I schnell
sorgfältig I I I I I oberflächlich
unsympathisch I I I I I sympathisch
offen I I I I I verschlossen
flexibel I I I I I starr
fortschrittlich I I I I I konservativ
organisiert I I I I I unorganisiert
gleichgültig I I I I I interessiert
zuverlässig I I I I I unzuverlässig
fair I I I I I unfair
misstrauisch I I I I I vertrauensvoll
nicht erfolgreich I I I I I erfolgreich
unterstützend I I I I I behindernd
selbstbewusst I I I I I zurückhaltend
interessant I I I I I langweilig
attraktiv I I I I I unattraktiv
kompetent I I I I I inkompetent
dynamisch I I I I I träge
171
4.2 Fehlerkultur
Bei der Diagnose der Unternehmenskultur ist die Analyse der Feh-
lerkultur sehr hilfreich, da diese in der organisationskulturellen Wir-
kungskette eine wichtige Rolle spielt. Denn die Art und Weise, wie
mit Fehlern umgegangen wird, bestimmt automatisch den Stellen-
wert des Faktors Engagement in einer Organisationskultur.
Das Thema Fehlerkultur füllt Bände theoretischer Abhandlungen,
fehlt in nahezu keinem Leitbild und wird von den TQM-Protagonis-
ten als Grundlage des QM-Erfolges deklariert:
– »Fehler sind eine Lernchance«
– »Probleme sind Schätze«
– »Wer keine Fehler macht, arbeitet nicht«
Aber die Realität sieht deutlich anders aus: Es dominiert das Phäno-
men der »verborgenen Fabrik«: Fehler werden vertuscht. Fehlerpro-
duzierende Organisationsabläufe werden nicht reorganisiert, sondern
durch kosmetische Maßnahmen in ihren Fehlerwirkungen erträglich
gemacht.
In einer Autofabrik wird ein Computer benötigt, um Ausschuss
und Nacharbeit »optimal« zu steuern; anstatt einen beherrschten Pro-
zess zu installieren, der Ausschuss und Nacharbeit gar nicht erst
entstehen lässt. Im Krankenhaus werden Springer eingesetzt, um
fehlende Medikalprodukte während einer Operation aus dem Lager
zu holen. Egal ob Computer oder Springer: Beide Maßnahmen sind
172
Investitionen in die »verborgene Fabrik«; sie stellen Investitionen in
Ressourcen und Arbeitsabläufe dar, die ohne wirkliche Wertschöp-
fung für den Kunden sind. Sie kommen zustande durch Planungs-
fehler, durch nicht beherrschte Arbeitsprozesse, durch eine unabge-
stimmte Organisation, usw.
Warum werden solche »hidden factory«-Strukturen nicht ver-
bessert? Weil in den meisten Organisationen eine Fehlerkultur vom
Typ A anzutreffen ist:
– Fehler werden durch Personen verursacht.
– Damit Personen in Zukunft keine Fehler mehr machen, müssen
sie für Fehler bestraft werden.
– Bestrafte Personen begehen dann auch keine Fehler mehr, weil sie
ab sofort Fehler vermeiden.
173
kultur geht davon aus, dass Fehler durch ein System erzeugt werden:
also durch das Zusammenwirken von Organisation, Person, Ge-
bäude, Technik usw. Personen spielen eine besondere Rolle: Sie ver-
fügen über die Fähigkeit der Fehlererkennung und Fehlerabstellung,
also der Systemverbesserung.
In dieser Kultur sind Fehler keine Ergebnisse, sondern Episoden
bzw. Zwischenschritte auf dem Weg zu Innovationen und Wett-
bewerbsvorteilen.
Wie wichtig eine vertrauensbasierte Unternehmenskultur ist, zeigt
sich in Ausnahmesituationen. Für autoritär und zentralistisch ge-
führte Unternehmen ist es charakteristisch, dass in kritischen Si-
tuationen (Kunde konfrontiert uns mit einem peinlichen Fehler und
verlangt einen sofortigen erheblichen Preisnachlass) sich kein Mitar-
beiter traut, ohne Rücksprache mit dem Chef eine kundengerechte
Entscheidung zu treffen. Wie man aus verunsicherten, unzufrie-
denen Kunden solche mit Loyalität zum Unternehmen macht, hat
Daimler-Benz im Nachgang zum Elchtest-Drama um die neue
A-Klasse gezeigt. Man hat den Kunden ernst genommen, sich öffent-
lich entschuldigt und die A-Klasse technologisch so aufgerüstet, dass
völlig neue Maßstäbe für die A-Klasse insgesamt etabliert wurden;
sehr zum Leidwesen der Konkurrenz, die zähneknirschend und
renditefeindlich reagieren musste.
174
In Ausnahmesituationen erlebt der
Kunde die »Momente der Wahrheit«
und er spürt die Sozialqualität eines
Unternehmens. Krankenpfleger Ste-
phan Vahrenholt bestellt Pizza für
alle Patienten und löst damit ein Ver-
sorgungsproblem der Küche kunden-
orientiert. Foto: Evangelisches Kran-
kenhaus Herne.
um Auslagenersatz bat. Nun waren seine obersten Chefs von ihm und
seiner kundenorientierten Handlungsweise begeistert: Ein erlebbarer
Beweis für eine Vertrauenskultur war durch die oberste Führung und
einen Stationspfleger überzeugend erbracht.
Anmerkung: Nicht auszudenken, welche schädlichen und kaum
reparablen Wirkungen im Hinblick auf die Entwicklung einer Ver-
trauenskultur eingetreten wären, wenn die Geschäftsführer den Sta-
tionspfleger Vahrenholt auf seiner Kundenorientierung hätten sitzen
lassen!
»Wir, das Management, trauen unseren Mitarbeitern zu, für den
Patienten die richtigen Entscheidungen zu treffen«, kommentierte
Walter Tschirch, Geschäftsführer der Krankenhäuser des Kirchen-
kreises Herne, die Führungsphilosophie seines Hauses.
Und was lernen wir daraus?
In einer kundenorientierten Unternehmenskultur entscheidet je-
der Mitarbeiter im Zweifelsfall immer primär für den Kunden und
sekundär im Hinblick auf die Kosten.
175
Ausnahmesituationen Ritz-Carlton
Eine Best Practice auf dem Gebiet der Mitarbeitermotivation zeigt die
Ritz-Carlton Hotelkette. Sie erhielt für ihre kundenfreundliche Organi-
sation im Jahr 1992 und 1999 den Malcolm Baldrige Award. Der Mal-
colm Baldrige National Quality Award ist die höchste Auszeichnung für
unternehmerische Leistungen, die ein amerikanisches Unternehmen er-
halten kann. Ein Detail der ausgezeichneten Führungs- und Organisa-
tionskonzeption war besonders bemerkenswert: Ein Zimmermädchen
verfügt über ein Budget von 2000 Dollar, um durch eigene Entschei-
dung akute Probleme eines Übernachtungsgastes zu lösen. Vielleicht
liegt in diesem Vertrauensvorschuss gegenüber den Mitarbeitern das
wirkliche Merkmal einer delegationsorientierten Unternehmenskultur.
4.3.1 Einführung
176
wenn wir es merken, vergessen wir wieder, dass wir uns angepasst ha-
ben. Das neue Verhalten ist unser »gewöhnliches« Verhalten geworden.
Pflegepersonal und andere Berufsgruppen sind in der Lage, sich bei
wechselnden Abteilungen, Arbeitgebern und Führungskräften immer
wieder an andere Interpretationen von Normalität anzupassen. Die
Unterschiede sind oft enorm und das Anpassungsvermögen erstaun-
lich groß. Es geht so weit, dass wir, wenn es die Umstände verlangen,
mit scheinbarer Leichtigkeit sogar ein Verhalten zeigen, das wir selbst
als unerwünscht ansehen. Wir ordnen uns der Macht anderer unter
und verhalten uns nach Werten, die wir eigentlich nicht teilen.
Unternehmenskultur beschäftigt sich damit, was in einer Arbeits-
organisation normal ist, mit dem »Tun« und »Nichttun« in der
Arbeitsumgebung. Sie gibt uns Halt. Unser Verhalten und das von
anderen wird ersichtlich und damit auch sicherer: Man weiß, woran
man ist, und braucht nicht jedes Mal aufs Neue nachzudenken, wie
man reagieren soll. Darum lassen sich einmal geformte Verhaltens-
muster trotz unserer Flexibilität nur schwierig verändern.
Aber schwierig ist nicht unmöglich. In diesem Beitrag wird be-
schrieben wie wir wieder lernen können, die Verhaltensmuster wahr-
zunehmen, wie wir sie in Worte fassen und sogar messen können.
Damit wird es dann möglich, die Unternehmenskultur zu verändern
und sie durch eine neue zu ersetzen.
Unternehmenskultur ist der Motor der erfolgreichen Veränderung
in Organisationen. Sie bestimmt sowohl den Widerstand gegen die
Veränderung als auch die Verankerung und Beständigkeit einer reali-
sierten Veränderung. Sie ist damit zugleich das am meisten vernach-
lässigte und das stärkste Instrument, um Verbesserungen zu realisie-
ren oder unerwünschte Situationen zu korrigieren.
177
ten europäischen Unternehmen fotografiert und unter dem Titel
»The tables of power« veröffentlicht.
Sie fotografierte unter anderem das Büro der Geschäftsführung der
Daimler Benz AG – ein Büro, das auffällt durch seine reiche Deko-
ration und moderne Kunst, darunter ein Bild von Andy Warhol (Mer-
cedes-Benz Formel-1-Rennwagen). Der Raum liegt im höchsten Stock-
werk des Gebäudes und ist nur über andere Büros erreichbar, die
zunehmend luxuriöser und reicher eingerichtet sind. Der Vorstand
hat sich persönlich um die Innenausstattung gekümmert.
Einen ganz anderen Eindruck bekommen wir vom Büro der
Geschäftsführung der ehemaligen ABB. Dort sitzt der Präsident am
oberen Ende eines ovalen Tisches. Die Produktmanager sitzen alle zu
seiner linken Seite, während die Ländermanager rechts von ihm
platziert sind. So kann man sich ein Bild der Unternehmenskultur
machen. Das Büro der Geschäftsführung von BMW fällt durch die
lange gläserne Wand auf, die eine gute Sicht nach draußen bietet,
während das Büro der Direktoren der RWIR AG sich durch Ge-
schlossenheit auszeichnet: Es fällt gar kein Tageslicht ein.
Viele Arbeitssituationen sagen uns etwas über die Symbole und Ri-
tuale in einem Unternehmen. Sie erzählen uns vielleicht auch etwas
über die Werte, die in einem Betrieb gelten oder vorherrschen, über
Themen und Dinge, die die dort Beschäftigten miteinander teilen und
die sie wichtig finden.
In den ersten drei Monaten in einem neuen Unternehmen wird
man vielleicht feststellen, dass man vom Verhalten der Menschen
dort gelegentlich überrascht wird. Später lernt man dann, dass dieses
Verhalten im Unternehmen durchaus als normal gilt. Häufig über-
nimmt man es im Laufe der Zeit in das eigene Unterbewusstsein.
Wenn man das Verhalten anderer Menschen betrachtet, sollte man
sich fragen: Ist das Verhalten typisch für diese Person, typisch für diese
Abteilung oder typisch für dieses Unternehmen? Und man beginnt, ein
Gespür dafür zu entwickeln, was Unternehmenskultur eigentlich ist.
Man muss immer daran denken, dass die Organisationskultur nur
einen Daseinszweck hat: Sie soll die Umwelt ein wenig berechenbarer
und somit sicherer machen. Jede Änderung der Unternehmenskultur
löst in gewissem Umfang Angst und Besorgnis aus. Vorsichtiges Ma-
178
nagement, ein gesicherter Kommunikationsfluss, ein klares Bild der
nahen Zukunft und der Verfahrensweisen bzw. Verhaltensregeln, die
von oben nach unten wie von unten nach oben hin gelten, werden sol-
che Ängste besänftigen oder ganz beseitigen können.
Äußerste Vorsicht ist bei der Interpretation der Wahrnehmungen
geboten. Ist es reiner Zufall, dass der eine Kollege in das Zimmer
eines Vorgesetzten eintritt, ein anderer jedoch auf der Schwelle zö-
gert? Sind das Anzeichen für eine Kultur, in der persönliche Freund-
schaften Privilegien mit sich bringen? Weisen sie möglicherweise auf
das (noch nicht erreichte) Alter hin oder auf die Dauer der Betriebs-
zugehörigkeit, die Ausbildung, den Dienstrang?
Es mag sein, dass der Vorgesetzte dem Untergebenen gegenüber
durchaus kommunikationsbereit ist, aber derjenige, der zögerte, ge-
rade Streit hatte mit dem, den er aufsuchte. Oder vielleicht fiel der
Mitarbeiterin gerade ein, was ihr ein Arbeitskollege zugeraunt hatte,
nämlich, dass der betreffende Vorgesetzte ein ziemlicher Casanova sei.
Man muss also einen Schritt zurücktreten und versuchen, sich ein
Bild von der Gesamtsituation zu machen. Mit anderen Worten: Der
weite Blickwinkel ist gefragt. Erst dann sollte man seiner Intuition
trauen. Und wer die ungeschriebenen Regeln des Spiels, in dem er
sich befindet, nicht kennt, erkundigt sich am besten bei anderen.
Dass man die Unternehmenskultur »lesen« lernt, ist eine wichtige
Voraussetzung, wenn man auf der Grundlage der Unternehmens-
kultur arbeiten möchte. Der Blick auf andere Unternehmen macht
einem bewusst, wie es im eigenen Unternehmen oder in der eigenen
Abteilung zugeht. Man lernt die eigene Kultur besser kennen und in
Worte zu fassen. Was selbstverständlich ist oder unausgesprochen
bleibt, kann auch in Bildern ausgedrückt werden und bekommt somit
ein Gesicht. Und dieses Gesicht bzw. eine Ansammlung dieser Bilder
ist ein wertvoller Ausgangspunkt für die Diagnose und die Verände-
rung des Unternehmens und seiner Kultur.
Eine Studie verglich, wie in vier mittelgroßen regionalen Kranken-
häusern, in York, Alkmaar, Oldenburg und Deurne, Patienten mit einer
Hüftarthrose behandelt wurden. Es ging in dieser Studie nicht um die
Qualität der einzelnen Krankenhäuser, sondern um die Unterschiede
zwischen den Ländern, in denen die Krankenhäuser angesiedelt sind.
179
Abbildung 4-9: Innenansicht eines englischen Krankenhauses.
180
Abbildung 4-10: Innenansicht eines niederländischen Krankenhauses.
wird. Das Foto stimmt den Betrachter nicht unbedingt fröhlich. Der
Mann in der Mitte des Fotos ist ein Arzt/Spezialist. Er trägt einen An-
zug und keinen weißen Arztkittel. Der Arzt hat eine Privatklinik und
auch noch einen Vertrag mit dem »National Health Service«. Er lässt
sich lieber mit »Mister« als mit »Doctor« ansprechen, außerdem
nennt er sich »Consultant«. Wahrscheinlich unterstreicht die Klei-
dung auf dem Foto seinen Status.
Die Aufnahme in Abbildung 4-10 stammt aus einem ganz anderen
Krankenhaus. Für uns als Autoren und Niederländer ist es sofort
deutlich, dass es sich um ein holländisches Krankenzimmer handelt.
Die Betten, die Griffe über den Betten, die Karten an der Wand, der
bewegbare Tropfständer neben dem Bett – das sieht man so in bei-
nahe jedem Stadt/Kreiskrankenhaus in den Niederlanden. Es ist ein
Gemisch von medizinischen und persönlichen Gegenständen, die zu-
sammen einen etwas unaufgeräumten Eindruck machen. Das Foto
zeigt, dass niederländische Patienten viel persönliche Dinge ins
Krankenhaus mitnehmen: Es muss gemütlich sein.
In Abbildung 4-11 klärt ein Arzt eine Gruppe von Patienten über
die bevorstehende Operation auf. Dass der Arzt Sportschuhe trägt,
181
Abbildung 4-11: Arzt im Gespräch mit Patienten.
182
Abbildung 4-13: Krankengymnastin, die mit Patienten Übungen in einem Unter-
wassermassagebad durchführt.
kommt schon mal vor, aber er trägt auf jeden Fall einen weißen Kittel,
der deutlich als Arztkittel zu erkennen ist – Krankenpfleger und
Schwestern laufen sicher nicht in einem solchen Kittel herum. Wäh-
rend des Studiums und auf der Krankenstation wird viel Wert auf
Kommunikation zwischen Arzt und Patient gelegt. Darüber gibt es
auch viel Klagen: zu wenig Zeit, zu unpersönlich, zu unfreundlich und
zu technisch, so die Vorwürfe. Manchmal wird auch die informelle
und ungezwungene Umgangsform des niederländischen Arztes kriti-
siert, dass er z. B. Witze macht oder lässig in den Umgangsregeln ist.
Auf dem Foto in Abbildung 4-12 sehen wir wieder ein Zimmer
einer Krankenstation. Es ist ein Krankenzimmer in einem deutschen
Krankenhaus. Das Zimmer sieht nicht so unordentlich aus, wie die
auf den vorhergehenden Aufnahmen: aufgeräumt und nicht so voll.
Die Patienten haben nicht so viele persönliche Dinge um sich herum.
183
Abbildung 4-14: Foto aus einem belgischen Krankenhaus.
Es fehlen auch andere Dinge. Was am meisten auffällt, ist das Fehlen
von Wandschirmen zwischen den Betten. Wie geht das eigentlich,
wenn der Patient gewaschen wird oder auf die Toilette muss? Diese
Fragen beschäftigen einen Niederländer intensiv. Zufällig wird das
Zimmer zur Zeit der Aufnahme gerade gereinigt.
Das Foto in Abbildung 4-13 zeigt eine Krankengymnastin, die mit
Patienten Übungen in einem Unterwassermassagebad durchführt.
Viele deutsche Patienten werden nach der Hüftoperation zur Rehabi-
litation (Reha) überwiesen.
Dies gilt übrigens nicht für niederländische Patienten, die wegen
der langen Wartezeiten in den Niederlanden in deutschen Kranken-
184
häusern behandelt werden. Sie gehen nach acht Tagen nach Hause
mit einem Prospekt, in dem die Gymnastikübungen beschrieben
sind. Ein Chefarzt sagt dazu: »Als Ärzte sind wir vor ein paar Jahren
schon gebeten worden, solche Gymnastikübungen nicht mehr vor-
zuschreiben, aber die Patienten erwarten das eben.«
Schließlich noch ein Foto (Abbildung 4-14) aus einem belgischen
Krankenhaus. Dieses ist tatsächlich schwieriger zu interpretieren.
Es zeigt ein Sprechzimmer eines Arztes. Der Arzt im weißen Kittel
und der Patient in Boxershorts stehen zusammen vor einem Termin-
kalender, um den nächsten Arzttermin für den Patienten abzuspre-
chen.
Der Unterschied zwischen den Krankenhäusern in Europa ist sehr
groß, die Art der Gesundheitsversorgung in den unterschiedlichen
Ländern ebenfalls. In der Gesundheitsversorgung können wir sicher-
lich nicht von einem globalen Markt sprechen. Betrachten wir die
Therapie/Behandlung, die in den oben genannten Ländern durchge-
führt wird, und vor allem die Art und Weise wie sie ausgeführt wird,
dann kommen wir zu folgendem Bild:
Deutschland: Das Krankenhaus als geölte Maschine. Wo Wörter
wie »Effizienz« gebraucht werden und wo Kosten und Sachkenntnis
wichtige Themen darstellen. Man kennt fast keine Wartezeiten. Er-
worbene Rechte von Patienten und erworbene Positionen von Ärzten
spielen eine wichtige Rolle.
England: Wer seine neue Hüfte schnell und zeitig möchte, muss
sich an Privatkliniken wenden. Auch bemerken wir Unterschiede in
Ethik und Normen. Englische Patienten mit Übergewicht sind nicht
für eine Hüftoperation vorgesehen, zumindest nicht innerhalb des
NHS (National Health Service), sie müssen erst abnehmen.
Belgien: Ein Einkaufsmodell. Wer als Patient in einem gut ausge-
rüsteten Gesundheitswarenhaus einkauft, der wird sofort behandelt.
Für belgische Spezialisten spielt Übergewicht kaum eine Rolle.
Patienten, die eine Hüftoperation wünschen, bekommen sie auch.
Niederlande: Das »Poldermodell«. Die Ärzte brauchen viel Zeit
für die Schreibarbeit. Man legt viel Wert auf Überlegungen und
Abstimmungen. Beziehungen und persönlicher Kontakt sind wich-
tig.
185
Diese Unterschiede sind bedingt durch:
– externe Variablen: die finanzielle Struktur, die Gesetzgebung,
Politik etc.
– nationale Kultur: Werte, Erwartungen von Betroffenen
– professionelle Kultur: Entwicklung der Berufsgruppe, Berufscode,
Status etc.
– Unternehmenskultur: gemeinschaftliche Übereinstimmung,
Bräuche, Geschichte etc.
Das Verständnis bezieht sich auf die Ideen, Normen und Werte, die
man teilen kann. Für Mitglieder des Betriebes kann das gemeinsame
Verständnis selbstverständlich werden: Sie sind sich dessen kaum
noch bewusst. Neue Kollegen müssen sich aber an das gemeinsame
Verständnis, das heißt die »richtige« Art des Denkens, Fühlens,
Wahrnehmens und Handelns erst einmal gewöhnen, es sich noch
aneignen.
Bei der Unternehmenskultur geht es nicht nur um die Kultur eines
Unternehmens, sondern auch um die Unterschiede zwischen den
Unternehmen.
Daraus ergibt sich die logische Frage: In welchen Verhaltensmustern
drücken sich diese Unterschiede am ehesten aus? Es werden und wur-
den viele Bücher zum Thema Organisationskultur geschrieben. Größ-
tenteils beruhen sie auf Intuition und gesundem Menschenverstand.
Nur wenige sind das Ergebnis ernsthafter wissenschaftlicher Forschung.
186
Abbildung 4-15: Unternehmenskultur als Eisberg.
Ein Teil des Verständnisses ist direkt sichtbar und kommt in Sym-
bolen und Ritualen zum Ausdruck. Ein anderer Teil ist nicht direkt
sichtbar – zumindest nicht für Außenstehende – und liegt unter der
Oberfläche verborgen. Jede Organisation entwickelt ein Selbst-
verständnis, wie Ereignisse in der Organisation zustande kommen
und eigene Verhaltensmuster zustande kommen. Dies hat mit den
Werten zu tun, denen sich Menschen verbunden fühlen. Solche
Werte werden neuen Mitarbeitern als die richtige Weise zu denken,
zu fühlen und wahrzunehmen vermittelt. Diese Verhaltensmuster
entwickeln sich aber auch zu eingeschliffenen Gewohnheiten. Die
Unternehmenskultur prägt manchmal die Energie einer Organisa-
tion, kann in einem Prozess der Organisationsveränderung jedoch
auch hinderlich sein.
Die Unternehmenskultur kann man als einen Eisberg sehen. Ein
Teil davon ist sichtbar, aber ein anderer, viel größerer Teil liegt unter
187
der Oberfläche verborgen und bleibt implizit. Der Teil über der
Oberfläche ist der direkt sichtbare und formbare Teil. Er wird durch
Aussagen von Menschen über ihr Handeln oder ihr Tun charakte-
risiert. So zum Beispiel die Unternehmenspolitik. »Mission state-
ments« sind ein anderes Beispiel. Auffällig ist, dass sich die »mission
statements« von ganz unterschiedlichen Betrieben sehr ähneln. Im-
mer wieder kommen Redewendungen vor wie: gut für die Mitarbeiter,
gut für die Aktionäre, gut für die Umwelt, kundenorientiert und fle-
xibel.
Die »mission statements« mögen sich (sehr) ähneln, das Konglo-
merat von Regeln, Normen und Werten, das unter der Wasserober-
fläche liegt, ist jedoch viel unterschiedlicher und widersprüchlicher.
Die Frage ist immer wieder: Wie sind sie miteinander verbunden?
Und: Wie aktiviert man die Mitarbeiter?
Wenn man sich die Vergangenheit eines Unternehmens anschaut,
wird man mehr über den verborgenen Teil, also die kritischen Mo-
mente erfahren. In Krisenzeiten geht es nicht mehr um Aussagen, die
Personen über ihr Handeln treffen, sondern darum, was in diesen
Momenten tatsächlich vor sich geht; welche Entscheidungen getrof-
fen werden und weshalb sie getroffen werden. Es handelt sich dann
um Fragen wie: Was bedeutet Loyalität für die Mitarbeiter in diesem
Betrieb? Mit wem oder was fühlen Sie sich verbunden? Wo liegt Ihr
Engagement, wo das der Mitarbeiter? Wie oder wodurch beteiligen sie
sich, womit fühlen sie sich verbunden? Wie viel Platz gibt es im
Unternehmen für Intuition und Kreativität?
188
Abbildung 4-16: Sechs Dimensionen in zwei Abteilungen eines niederländischen
Unternehmens.
189
Ohne an dieser Stelle auf die tiefere Bedeutung dieses Ansatzes
einzugehen, fällt sofort auf:
– Die erste Abteilung legt mehr Wert auf die Einhaltung von Verfah-
ren, während die zweite Abteilung den Schwerpunkt auf das Erzie-
len von Ergebnissen legt.
– Die Kommunikation in der ersten Abteilung ist weitaus offener als
in der zweiten.
– In der zweiten Abteilung werden Vorschriften und Vereinbarungen
strikter gehandhabt.
Beispiel Intensivstation
In einer großen, vergleichenden Untersuchung des Managements
von Intensivstationen in Europa (Miranda, Ryan, Schaufeli und Fidler
1998) sind unter anderem diese sechs Kulturdimensionen gemessen
worden. Die Verbindungen und Beziehungen zwischen der Unter-
nehmenskultur und der Effektivität der Intensivstationen wurden da-
bei erforscht. In Bezug auf die Effektivität wurde ein Maßstab ent-
wickelt; dabei wurden verschiedene Faktoren in Betracht gezogen und
zufällige Unterschiede beseitigt. In dieser Studie stellte sich eine
starke Verbindung zwischen der Dimension »ergebnisorientierte
Kultur« und Effektivität der Intensivstationen heraus. Auch wurden
immer wieder charakteristische Verbindungen zwischen den Aspek-
ten »offene Kommunikation« und »personenorientierter Stil« der
Führungskräfte und der Effektivität der ICUs gefunden. Aiken und
Sloane (Aiken und Sloane 2002: 265–278) fanden in Untersuchun-
gen in Bezug auf die Autonomie, das Engagement und den Stil von
Führungskräften in englischen Krankenhäusern vergleichbare Ergeb-
nisse für die Dimension »ergebnisorientiert« bzw. »personenorien-
tiert«.
Dass es diese Beziehungen in deutschen allgemeinen Kranken-
häusern gleichermaßen gibt, ist nicht bewiesen. Eine Investition
deutscher Krankenhäuser in den Bereich Organisationskultur würde
190
sich jedoch lohnen, vor allem, wenn dabei die Ergebnisorientierung,
die offene Kommunikation und der personenorientierte Stil der Füh-
rungskräfte entwickelt bzw. verstärkt werden.
Arbeiten auf der Grundlage der Unternehmenskultur beinhaltet,
dass wir diese Kultur beschreiben, sowohl qualitativ wie auch quan-
titativ. Wir müssen Einsicht in die ungeschriebenen Regeln, in die Ri-
tuale, in die Normen und Werte bekommen. Aber es ist ebenfalls
wichtig, dabei quantitative Methoden anzuwenden, sodass ein genau-
eres Bild entsteht und Veränderungen auch gemessen und nachge-
wiesen werden können. Dazu bieten die sechs Dimensionen der
Unternehmenskultur ein verlässliches und erprobtes Instrument.
– Die sechs Dimensionen bieten ein Instrument, mit dem Kultur-
unterschiede gemessen werden können. Anschließend kann die
Organisationskultur als ernst zu nehmendes Gesprächsthema in
Frage kommen. Dabei werden Fakten von Stereotypen bzw. Fan-
tasien unterschieden.
– Die Unternehmenskultur kann auf eine verlässliche und sinnvolle
Art und Weise erläutert werden. Wir können das Unternehmen zu
anderen, vergleichbaren Unternehmen in Bezug setzen. Wir kön-
nen innerhalb des Unternehmens Unterschiede und Übereinstim-
mungen in den Kulturdimensionen aufzeigen.
– Mit Hilfe der Dimensionen und des dadurch ermöglichten spezi-
fischen Blickes auf das Unternehmen kann man erörtern, was in
einem Unternehmen verändert werden sollte; man kann aber auch
klar benennen, welche Kulturaspekte im Unternehmen beibehal-
ten und gepflegt werden sollten.
– Immer wieder stellt sich die Frage: Was sind für uns die wichtigs-
ten Kulturaspekte, die für die ganze Organisation gelten bzw. gel-
ten sollen? Und wie können einzelne Unternehmensbereiche ihre
eigene Kultur entwickeln?
– Die Dimensionen der Unternehmenskultur geben dem Manage-
ment ein Steuerungsinstrument in die Hand, vor allem wenn es
sich bei der beabsichtigten Änderung um eine zielgerichtete, ent-
weder notwendige oder aber erwünschte Veränderung handelt.
191
4.3.5 Kulturveränderung
Vorbemerkung 1
Das Frustrierende an den Arbeiten auf der Grundlage der Unter-
nehmenskultur besteht darin, dass die Tätigkeit Ähnlichkeit mit der
Arbeit einer Hausfrau hat. Kaum ist eine Ecke fertig geputzt, kann
man in der nächsten von vorne anfangen.
Vorbemerkung 2
Arbeiten auf der Grundlage der Organisationskultur geht nicht nach
einem vorgegebenen, starren Rezept. Wie man es angeht, hängt von
der Situation ab, von komplizierten und oftmals verborgenen Teilen
unseres Bewusstseins. Einfache Lösungen gibt es nicht. Es scheint,
als würde man mitten in einem gründlichen Umbau der Küche zum
ersten Mal ein ganz besonderes Essen kochen, ohne zu wissen, wel-
che Zutaten verwendet werden sollten; die neuen Eigentümer sind
noch unbekannt, von der Anzahl der Gäste und von deren Geschmack
weiß man nur, dass sie kein japanisches Essen mögen.
Eine recht komplizierte Aufgabe. Aber sie lohnt sich.
192
– Es besteht eine Übersicht aller verfügbaren internen Kommunika-
tionsmöglichkeiten, und es ist bekannt, wie hoch die Bereitschaft
der Führungskräfte ist, sich für das Ziel der Veränderung tatsäch-
lich einzusetzen. Beispiele: eine neue Unternehmenszeitung oder
die Website des Unternehmens und die Zeit, die für Rücksprachen
und Beratungen mit Management und Mitarbeitern, Betriebsrat
und Vertretern von Gewerkschaften zur Verfügung steht. Zusätz-
lich besteht die Möglichkeit, während formeller und informeller
Zusammenkünfte die Aufmerksamkeit auf die neue Kultur und
deren Folgen zu richten. Eine regelmäßige, offene und ehrliche
Kommunikation, sowohl »top down« als auch »bottom up«, ist Vo-
raussetzung für das Gelingen einer Veränderung.
– Informationen über die wichtigsten Aspekte der Kulturverände-
rung und die Rolle, die dieser Faktor in der eigenen Organisation
spielt: Viele Personen erfahren die Unternehmenskultur fast nur
an der Oberfläche, sie verstehen darunter die Berufskleidung, das
Stethoskop, das Gebäude, das Briefpapier, das Logo, die Vorschrif-
ten und den ethischen Verhaltenscodex, die Bekanntgaben am
schwarzen Brett und so weiter. Der verborgene Teil hat aber einen
viel größeren Einfluss.
193
sation angewendet werden (Schein 1992): Das kommt unter ande-
rem in Auswahlverfahren sowie Leistungs- und Beurteilungsge-
sprächen zum Ausdruck. Daraus werden mächtige Instrumente,
wenn es darum geht, die erwünschten Veränderungen zustande zu
bringen – oder aber tödliche Waffen mit einem erheblich kontra-
produktiven Effekt, wenn sie falsch eingesetzt werden.
Beispiel
Ein Abteilungsleiter nahm sich viel Zeit für seine Mitarbeiter. Das war
der Grund dafür, dass er seinen Monatsbericht zu spät einreichte.
In einem Beurteilungsgespräch wurde er deswegen kritisiert, ohne
dass er für die verbesserten Verhältnisse in seiner Abteilung gelobt
wurde. Eine bereits zugesagte Gehaltserhöhung wurde ausgesetzt.
Seine Bereitschaft, sich für den Veränderungsplan einzusetzen, nahm
daraufhin stark ab. Das wirkte sich auch auf seine Kollegen negativ
aus.
Der bestimmende Einfluss von Führungskräften auf die Verhal-
tensmuster von Mitarbeitern erfordert auch die Bereitschaft vom
höchsten Management, sich durch vorbildliches, teilweise oft neues
Verhalten, auszuzeichnen und Entscheidungen auf der Grundlage
von neuen Kriterien zu treffen. Man soll klar erkennen können, dass
es ihnen mit dem Veränderungsplan ernst ist.
Dies gilt zuallererst für das Topmanagement, aber ebenso für das
mittlere Management und die informellen Träger der Unterneh-
menskultur. Zusammen bilden sie die Gruppe der so genannten
»Kulturträger«.
Beispiel
Eine englische Firma entschloss sich zu einem Veränderungsplan,
der zu einem besseren Gleichgewicht zwischen den Interessen der
Mitarbeiter und den Zielen der Organisation führen sollte. Die Ar-
beitszufriedenheit sollte verbessert werden. Einige Wochen nach der
Bekanntgabe des Entschlusses wurde ein Mitarbeiter, der überall als
grob und als schlechter Zuhörer bekannt war, befördert. Die Glaub-
würdigkeit des Managements schmolz dahin.
194
Die wohlüberlegte Kulturveränderung muss ausdrücklicher Wunsch
des Topmanagements sein und zugleich durch die Organisation im
Ganzen getragen werden – »Effektivität ist das Produkt von Qualität
und Akzeptanz« (Karel Noordzij, ehem. CEO der niederländischen
Eisenbahngesellschaft).
Der rote Faden muss durch das Topmanagement festgelegt, be-
gründet und diskutiert werden. Die detaillierte Durchführung im
Arbeitsbereich kann am besten vor Ort bestimmt und durch Füh-
rungskräfte auf dieser unteren Ebene evaluiert werden.
195
Diese Fallgrube gilt vor allem für Fachärzte in Krankenhäusern,
weil sie oft für sehr lange Zeiträume einem Krankenhaus verbunden
sind und gelegentlich vergessen, dass die Arbeit, die sie leisten, in an-
deren Krankenhäusern von anderen kulturellen Verhaltensmustern
gesteuert wird.
In der Krankenhauskultur ist der bestimmende Faktor eher die
Abteilung als das Krankenhaus als Ganzes. Die Urologie wird z. B. in
der Regel eine andere Kultur aufweisen als die Kinderabteilung. Es ist
jedoch keineswegs so, dass alle urologischen Abteilungen (oder Kin-
derabteilungen) in allen deutschen Krankenhäusern eine vergleich-
bare Kultur aufweisen.
196
Rolle im Veränderungsprojekt spielen kann. Dabei sind der Akzep-
tanzgrad und das Vertrauen, über das diese Abteilungen im Unter-
nehmen verfügen, sowie ihre Position innerhalb der Organisation
wichtig.
Das Management von Organisationskultur beinhaltet vor allem
das Vereinfachen und Steuern eines Prozesses. Mögliche Gegensätze
in der Organisation machen dabei den Kern der Komplexität aus.
Es müssen sowohl die Ideen der Mitarbeiter wie auch die Ziele des
Managements berücksichtigt werden.
197
4.3.7 Fazit
198
5. Die Entwicklung
von Unternehmenskulturen
In diesem Kapitel werden die Bereiche vorgestellt, die bei einer syste-
matischen Entwicklung der Unternehmenskultur berücksichtigt wer-
den müssen.
199
– Welche Rolle spielt die Organisation? (Kapitel 5.1 und 5.2)
– Was kann durch die Art der Führung verändert werden? (Kapitel 5.3)
– Welche Rolle spielt eine leistungs- und erfolgsorientierte Vergü-
tung bei der Entwicklung der Unternehmenskultur? (Kapitel 5.4)
– Wie kann die Motivation der Mitarbeiter beeinflusst werden? (Ka-
pitel 5.5)
– Wie kann die Rekrutierung von Führungskräften professionell ge-
staltet werden? (Kapitel 5.6)
– Mit welchen Instrumenten kann Verschwendung im Krankenhaus
vermieden werden? (Kapitel 5.7)
– Welche Rolle spielt das persönliche Verhalten der Mitarbeiter und
Führungskräfte bei der Bildung von Teams und bei der Entwick-
lung der Führungskultur? (Kapitel 5.8)
– Welche Methoden können bei der Entwicklung der Unterneh-
menskultur angewendet werden? (Kapitel 5.9 und 5.10)
200
bzw. Krankenhausleitung hinsichtlich der Effektivität ihrer Führung.
Der Träger legt die ökonomische, sachliche und soziale Grundaus-
richtung eines Krankenhauses fest und trägt damit wesentlich zur
Prägung der Unternehmenskultur bei. Insbesondere bei Häusern in
öffentlicher Trägerschaft wird die Kultur maßgeblich durch die deut-
sche Verwaltungskultur geprägt. Dieter Wehe (2003) beschrieb diese
auf dem CKM-Workshop im November 2003 als:
– fragmentiert,
– detailliert,
– kompliziert,
– immobil,
– am Status quo orientiert,
– formalisiert,
– auf Konflikt und Misstrauen basierend.
201
Organisationsgestaltung, sondern die Krankenhausorganisation hat
sich über die Jahre hinweg ohne aktive Gestaltungsprozesse entwi-
ckelt.
Die im ärztlichen Dienst herrschende, eher militärisch geprägte
Führungsstruktur lässt sich durch einen Blick in die Geschichte bes-
ser verstehen. Nach der Niederlage von Austerlitz durch die Franzosen
im Jahr 1806 waren zahlreiche Reformen notwendig, um in Preußen
ein modernes Staatswesen zu etablieren. Ein wesentliches Element
dieser Reform war die Ausbildung guter Militärärzte an der Pépinière.
Hier war die Medizin nach militärischem Vorbild organisiert: Spätes-
tens ab 1852 gab es den Ober- und den Unterarzt. Da die Professoren
der Pépinière gleichzeitig Professoren an der Charité waren, wurde so
das Chefarztsystem an die Berliner Universität gebracht – und hat sich
von dort in den deutschsprachigen Raum verbreitet.
Die Ausbildung von Ärzten nach »militärischen Grundsätzen«
bedeutet auch, dass Gehorsam und widerspruchsfreies Verhal-
ten Lob und Anerkennung erfahren, wohingegen Widerspruch
und abweichendes Verhalten bestraft werden. In einem militärischen
und hierarchischen Umfeld ist kein Platz für Kreativität, soziales
Engagement und einfühlsames patientenzentriertes Verhalten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es für die Unternehmens-
führung darum, die Grundlagen der Massenproduktion zu schaffen:
Standardisierung der Produkte, exzessive Arbeitsteilung, Bildung rie-
siger, hierarchisch fest gefügter Unternehmen. Diese Entwicklung
machte auch vor den Krankenhäusern nicht Halt. Hier entwickelte
sich eine Organisation von Spezialisten. Die Arbeitsteilung auf hori-
zontaler Ebene erfolgt primär nach medizinischen Fachgebieten wie
Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie und Pädiatrie.
Diese medizinischen Fachabteilungen werden von einem Chefarzt
geleitet. Dieser trägt die zentrale organisatorische und therapeutische
Verantwortung für seine Abteilung und die dort erbrachten Leistun-
gen. Der Chefarzt ist gegenüber den Oberärzten, Assistenzärzten und
Medizinstudenten in seiner Abteilung weisungsbefugt. Als wichtigs-
tes Kriterium für den Aufstieg gilt die fachliche Qualifikation, so dass
Sozial- und Führungskompetenzen bei der Besetzung von Führungs-
positionen kaum eine Rolle spielen.
202
Der Wandel von der Industriegesellschaft zur Wissens- und Dienst-
leistungsgesellschaft erfordert neue Organisationsstrukturen, um
Effizienzreserven zu erschließen und den veränderten Anforderun-
gen des Marktes gerecht zu werden. Es kommt darauf an, Schranken
zu beseitigen, die der Entfaltung der Menschen entgegenstehen.
Es geht darum, Initiative, Kreativität und Unternehmensgeist zu
wecken. Managementkonzepte wie Lean Management, Kaizen und
Total Quality Management rücken die Organisation als strategischen
Erfolgsfaktor in den Vordergrund.
Die Geschäftsprozesse in den meisten Branchen, insbesondere
aber in den Krankenhäusern, werden tendenziell immer komplexer.
Je komplizierter Geschäftsprozesse sind und je kundennäher ein
Unternehmen am Markt operieren will, desto ausgeprägter ist der
Zwang zur Dezentralisation: Die Umsetzung der Prinzipien der De-
legation und der Übertragung fallabschließender Verantwortung setzt
einerseits delegationsfähige Mitarbeiter mit vielseitigen Qualifika-
tionen voraus und macht andererseits die Zusammenarbeit in Teams
erforderlich.
Die Strukturierung nach der Organisation des Centerprinzips
sowie die Übertragung von ganzheitlichen prozessorientierten Auf-
gabenbereichen nach dem Kriterium der fallabschließenden Verant-
wortung sind zum einen entscheidende Voraussetzungen für die
Entwicklung von Selbstmotivation; zum anderen sind diese organisa-
torischen Rahmenbedingungen geeignet, demotivierende Effekte zu
begrenzen.
203
5.2 Integrationsprozess bei der Einführung
dezentraler Organisationsstrukturen
Andreas Greulich
Seit Anfang der 90er-Jahre beschäftigt sich das Inselspital Bern mit
der Frage einer geeigneten Ausrichtung seiner Organisation auf die
bekannten Herausforderungen im Gesundheitswesen. Das Inselspi-
tal hat sich dabei für eine vergleichsweise stark ausgeprägte Dezen-
tralisierung seiner Einheiten entschieden, was Mittelpunkt der nach-
folgenden Ausführungen sein wird. Diese Dezentralisierung ist
wahrscheinlich auch maßgeblich verantwortlich dafür, dass über-
haupt eine Auseinandersetzung mit strategischen Fragestellungen
auf dieser Ebene erfolgte.
204
Spezialistinnen und Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen und Berufsgruppen
werden strukturell zusammengefasst.
205
– Schaffung optimaler Behandlungsprozesse durch Förderung der
Patienten- und Prozessorientierung
– Schaffung von günstigen Voraussetzungen für die inter-
disziplinäre Lehre und Forschung
– Schaffung einer föderalen Struktur (teilautonome und weitgehend
ergebnisverantwortliche Departemente im Kontext gesamtunter-
nehmerischer Rahmenbedingungen)
206
chirurgie in Berührung. Auch die administrative Verlagerung der
Kompetenzen Betriebswirtschaft, Informatik und Personal in das
Departement hinein sorgte für zusätzliche neue Kulturaspekte.
Durch die strukturelle Zusammenführung dieser Einheiten im ge-
meinsamen Departement musste man sich mehr als vorher mit
den Ideen und Vorgehensweisen des anderen auseinander setzen.
Schließlich war es ja gerade ein Ziel der Departementsbildung, eine
Basis zu schaffen, die die Vorteile von mehr Kooperation für die ein-
zelnen Einheiten im Hinblick auf eine verbesserte Patientenbehand-
lung und -betreuung sichtbar machen konnte.
Es darf an dieser Stelle betont werden, dass das Herz- und Gefäß-
zentrum im Zuge der Departementsbildung eine gute Ausgangslage
hatte. Es gab kaum Meinungsverschiedenheiten darüber, dass im De-
partement Einheiten zusammengeführt und damit einander näher
gebracht werden, die inhaltlich auch zusammengehören. Ein Patient
ist ja z. B., zumindest aus einer Laienperspektive, in erster Linie krank
am Herzen und erst in zweiter Linie ein »chirurgisches oder nicht-
chirurgisches Problem«.
Ausgehend von den theoretischen Gedanken zur Unternehmens-
kultur erschien es im Kontext der Strategieentwicklung deshalb
zuerst einmal notwendig, sich gegenseitig auszutauschen, einander
noch besser kennen zu lernen und sich mit den Perspektiven der
Partner auseinander zu setzen. Damit sollte der Grundstein für die
Erarbeitung einer integralen Strategie (des Departements) gelegt wer-
den, die in einem weiteren Schritt dann an die Belange und Be-
sonderheiten der Einheiten angepasst und somit auf die Klinik- und
Abteilungsebene »heruntergebrochen« werden sollte.
Die vorbereitenden umfangreichen Zusammenkünfte im Rahmen
der Departementsbildung haben hierzu einen wichtigen Beitrag ge-
liefert. Zwar waren sich die Einheiten vorher keineswegs unbekannt;
dennoch wurde durch die strukturelle Zusammenführung der Druck
zur Kooperation erhöht und damit auch die Notwendigkeit, vermehrt
andere Sichtweisen in die eigenen Perspektiven zu integrieren.
Das Herz- und Gefäßzentrum hat sich im Anschluss an die Erar-
beitung einer gemeinsamen Vision und abgeleiteten Ausrichtungen
entschlossen, ein Leitbild der integrierten medizinischen und chirur-
207
gischen Einheiten zu erstellen und zu verabschieden. Dieser Schritt
lag nahe, existierten doch durch die beschriebenen Vorarbeiten die
meisten wichtigen Inputs für ein entsprechendes Leitbild. Auch war
der gewählte Zeitpunkt insofern sehr passend, da ein umfassendes
Qualitätsmanagement drei Monate zuvor installiert wurde, das eben
auch nach Aussagen im Sinne eines Leitbildes fragte.
Nachdem abschließend die Broschüre gestaltet und gedruckt war,
wurde sie allen Mitarbeitern nach Hause geschickt. Diese sonst eher
unübliche Vorgehensweise sollte die besondere Bedeutung des Leit-
bildes für das zukünftige Zusammenarbeiten hervorheben und das
Interesse an der geleisteten Arbeit wecken. Dieser Postsendung
wurde zudem ein kleiner Fragebogen beigelegt, auf dem die Adres-
saten ihr Interesse an einer persönlichen Mitarbeit im Qualitätsma-
nagement (Teilnahme an einem Qualitätszirkel) bekunden konnten.
Der Erhalt des Leitbildes wird nun für alle neu eintretenden Mit-
arbeiter dadurch sichergestellt, dass die Personalverantwortliche den
Eintrittsunterlagen auch diese Broschüre beilegt.
Durch die hier vorgestellten Maßnahmen hatte das Schweizer
Herz- und Gefäßzentrum Bern seine Basis für eine strategisch abge-
stützte Ausrichtung erhalten. Doch waren diese Vorarbeiten für eine
von den Mitarbeitern abgestützte Umsetzung im täglichen Ablauf
noch nicht ausreichend, da die gemachten Aussagen nicht weit über
die Zielformulierung hinausgingen. Die Fragen, wie diese Ziele zu er-
reichen sind und wie dieses Erreichen zu messen ist, konnten zu
diesem Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Aus diesem Grund
setzte sich das Direktorium im nächsten Schritt mit der Herausfor-
derung auseinander, wie die vermittelten Visionen und das erstellte
Leitbild nun in umsetzbare Ziele verfeinert werden konnten. Diese
Vorgehensweise und das dabei eingesetzte Instrument der Balanced
Scorecard werden nachfolgend beschrieben.
208
heiten im Departement geschaffen. Die grundsätzliche Ausrichtung
konnte somit allen Mitarbeitern aufgezeigt werden.
Doch bereits zum Zeitpunkt der Präsentation der Vision und der Stra-
tegien wurde deutlich, dass das Kommunizierte von einer Reihe von Mit-
arbeitern als zu abstrakt und für den Alltag wenig brauchbar empfunden
wurde. Aussagen wie »Was nützt mir die Vision von einem führenden
Zentrum, wenn mehrmals am Tag das Computersystem versagt?« waren
keine Seltenheit. Dass das eine mit dem anderen zwar nicht direkt, aber
durchaus indirekt zu tun hat, war schwer zu vermitteln.
Es wurde also offensichtlich, dass es für eine erfolgreiche Im-
plementierung dieser Unternehmensgrundsätze einer Methodik be-
durfte, die eine Verfeinerung der Grobausrichtung auf differenzierte
und operative Ziele ermöglichte. So wurde in der Folgezeit beschlos-
sen, die Umsetzung der strategischen Vorgaben durch das Manage-
mentsystem der Balanced Scorecard zu realisieren. Dieses System er-
schien deswegen geeignet, weil es klar von der Vision eines
Unternehmens ausgeht und versucht, verständliche und umsetzbare
Ziele zu formulieren. Auch überzeugte es aufgrund der Zuordnung
von entsprechenden Messgrößen zu den einzelnen Zielen. Dies er-
langte deshalb eine hohe Bedeutung bei der Auswahl, da auch das be-
reits eingeleitete Qualitätsmanagement klar auf Zielerreichung und
entsprechende Messgrößen abstellte. Diese Philosophie war also
schon bei den direkt und indirekt beteiligten Mitarbeitern akzeptiert
und kam in verschiedenen Qualitätszirkeln zur Anwendung.
Für das Krankenhaus als Expertenorganisation (Grossmann 1997)
kann aus dem Gesagten abgeleitet werden, dass die Herausforderung
darin liegt, leitendes Personal aus den Kliniken dahingehend zu be-
gleiten, diesen Prozess aus eigener Überzeugung einzuleiten und an
ihm festzuhalten. Dies gilt umso mehr in teilautonomen Einheiten,
wie sie hier beschrieben werden, in denen die Verantwortung für den
Erfolg oder Misserfolg insbesondere bei den Chefärzten und dem lei-
tenden Pflegepersonal liegt. Bewusst wird hier von Begleitung und
nicht von Überredung durch andere gesprochen, da sich bei der Ana-
lyse von gescheiterten Projekten nur allzu häufig zeigt, dass Füh-
rungsebenen sich halbherzig und wenig motiviert für das Voran-
schreiten dieser Projekte eingesetzt hatten.
209
Als Konsequenz daraus sollte die Führungsinstanz einer Einheit
den Ansatz der Balanced Scorecard aus eigenem Antrieb beschließen,
ihn ausreichend kommunizieren und auch inhaltlich gestalten. Dies
schließt aber nicht aus, dass Mitarbeitende aus den unterschiedlichen
Berufsgruppen und Hierarchieebenen in den Prozess involviert
werden; im Gegenteil kann Detailwissen keinesfalls schaden. Aber
die Verantwortung muss klar bei der Führungsebene belassen wer-
den.
Das Vorhandensein einer Vision oder strategischen Ausrichtung ist
daher Voraussetzung, da alle weiteren Verfeinerungen der Balanced
Scorecard immer von der grundsätzlichen Stoßrichtung ausgehen
müssen. Es handelt sich um ein absolut logisches Gebilde, das dem
einzelnen Mitarbeiter den Weg von abstrakten Vorstellungen hin zur
konkreten Umsetzung aufzeigt. Ohne diesen Ausgangspunkt bleiben
willkürlich gesetzte Ziele in einer Balanced Scorecard nach wie vor
nicht nachvollziehbar und somit auch nicht zwingend erstrebenswert.
So beginnt der Weg zur Balanced Scorecard zuerst einmal mit der
Auseinandersetzung mit vorhandenen oder nicht vorhandenen Visio-
nen und Ausrichtungen.
Eines wird dabei bereits hier deutlich: Eine Balanced Scorecard
lässt sich nicht in kurzer Zeit realisieren, wenn sie auf Dauer Erfolg
für das Krankenhaus bringen soll. Bevor die Ableitung der operatio-
nalen Ziele beginnen kann, müssen diese Grundlagen vorhanden
sein und häufig auch aktualisiert werden.
In unserem Beispiel wurde sowohl eine grundsätzliche Vision
als auch spezifische Ausprägungen mit Blick auf die verschiedenen
Aufträge des Herz- und Gefäßzentrums (Patientenbehandlung und
-Betreuung, Forschung und Ausbildung) gebildet, wie aus der Ab-
bildung 5-2 ersichtlich wird.
Von den Aussagen in Abbildung 5-2 ausgehend, wurde diese Ein-
teilung jeweils für die drei Auftragsbereiche vorgenommen. Dazu
wurden in einer Brainstorming-Runde die wichtigsten Stoßrichtun-
gen des Herz- und Gefäßzentrums identifiziert und den vier Pers-
pektiven der Balanced Scorecard zugeordnet. Im Einzelnen handelte
es sich um folgende Aussagen:
210
Abbildung 5-2: Ableitung der auftragsbezogenen Visionen von der Grundvision.
211
– Eine zusätzliche internationale Ausrichtung bei der Akquisition
von Patienten erhöht den Deckungsgrad der Kosten und verschafft
so mehr finanziellen Spielraum. Diese Ausrichtung zielt insbeson-
dere auf eine optimale Nutzung vorhandener Ressourcen und ist
aufgrund der Ertragszugewinne der Finanzperspektive zugehörig.
– Eine Ausweitung der Leistungsmenge ist nur bei entsprechendem
Ressourcenzuwachs anzustreben. Diese Zielsetzung berücksichtigt
die hohe Belastung des Personals und setzt entsprechende Entlas-
tungen vor eine weitere Leistungssteigerung. Sie gehört damit zur
Potenzial-Perspektive.
– Bedingt durch eine überdurchschnittliche Steigerung der Leis-
tungsmenge in den letzten Jahren, bedarf es einer erhöhten Be-
achtung der Qualitätssicherung. Diese Qualitätssicherung bezieht
sich insbesondere auf die medizinische und pflegerische Leistung
und hat im Gegensatz zum Qualitätsmanagement die Prozess- und
Potenzial-Perspektive im Fokus.
212
Abbildung 5-3: Übersicht strategischer Ziele des Schweizer Herz- und Gefäß-
zentrums Bern.
ben wurde. Wichtig ist hierbei, den Patientenbegriff nicht aus klassi-
scher Kundensicht zu sehen, sondern als eigentliche Mission zu be-
greifen. Die Patientenzufriedenheit der Ebene Kunden ist dagegen
eindeutig auf die individuelle Zufriedenheit bezogen und hat daher
eher Marketingcharakter. Aus dieser Situation heraus ergaben sich
zwei konkrete Ziele, die auch im Leitbild als oberstes Primat formu-
liert wurden:
– Optimale medizinische Versorgung rund um die Uhr ist garantiert.
– Patientengerechte Betreuung und Behandlung sind gewährleistet.
Diese Abweichung von der Norm zeigt klar auf, dass das System der
Balanced Scorecard nicht als Zwangskorsett, sondern vielmehr als
gedankliche Unterstützung zu verstehen ist. Die Akzeptanz bei den
Beteiligten ist durch den flexiblen Umgang mit dem Instrument
sicherlich gestiegen. Hinzu kommt, dass nun auch die Mitarbeiter
klarer die Zielsetzungen und Zusammenhänge verstehen können.
213
Eine Ausrichtung auf die Finanzperspektive hätte wohl noch stärker
die Furcht vor der alles dominierenden Ökonomie im Gesundheits-
bereich vergrößert.
Somit war der Boden für die weitere Differenzierung der strategi-
schen Ausrichtung bereitet. Die Teilnehmer waren gefordert, zu den
verabschiedeten strategischen Zielen entsprechende Zielformulie-
rungen festzulegen und damit mehr Transparenz in die knappen
Aussagen zu bringen. Die Idee dahinter ist, jedem Mitarbeiter durch
das Lesen dieser Zielformulierung eine klare Umschreibung der
ursprünglich kurzen Statements zu geben. Diese Aufgabe verblieb
bei den anwesenden Workshopteilnehmenden, da eine Delegierung
dieser Arbeit an Externe nicht die gleichen Ergebnisse gebracht
hätte.
Ist man an dem Punkt angelangt, dass die strategischen Ziele defi-
niert, überprüft und miteinander verknüpft sind, so stellt sich im
nächsten Schritt die Frage, wie diese Ziele zu erreichen sind und
wie darüber hinaus eine Messung der Zielerreichung erfolgen kann.
Während die Frage nach den Maßnahmen zur Zielerreichung für die-
sen Beitrag zu weit führen würde, soll an dieser Stelle kurz auf die
möglichen Messgrößen, strategische Kennzahlen genannt, eingegan-
gen werden. Aus unserer Philosophie heraus müssen zudem erst
dann Maßnahmen generiert werden, wenn ein tatsächlicher Hand-
lungsbedarf besteht. Und dafür braucht es zuerst einmal die Messung
des Zustandes.
Die Komplexität der Balanced Scorecard wird in der Phase der
Messgrößendefinition rasch deutlich. Da das Herz- und Gefäßzen-
trum anfangs insgesamt 22 strategische Ziele definiert hat und diese
auch gemessen werden sollen, kann man davon ausgehen, dass durch
die Festlegung von durchschnittlich zwei Messgrößen pro Ziel schnell
insgesamt über 40 Messgrößen entstehen. Dies war sicher weniger
ein Problem bei der Erarbeitung der Messgrößen, aber umso mehr
bei der kontinuierlichen Überwachung dieser Kennzahlen.
214
Es soll hier also keinesfalls die Botschaft vermittelt werden, ebenso
viele Messgrößen finden zu müssen, wie das Beispiel aufzeigt, son-
dern jeweils individuell das richtige Maß zu finden.
Einige der gewählten Messgrößen sind im Rahmen von zuvor ini-
tiierten Projekten bereits gebildet worden und brauchten daher keine
intensive Aufarbeitung. Etwa die Hälfte der definierten Messgrö-
ßen musste allerdings über mehrere Brainstorming-Runden gefun-
den werden und basieren häufig auf nicht automatisierten Daten-
quellen.
Da bereits seit zwei Jahren ein umfassendes Qualitätsmanagement
mit einer Reihe von Qualitätszirkeln und Zielsetzungen existierte,
ergaben sich wiederum bestimmte Größen und Ansätze praktisch
von selbst. Man kann sicher sogar so weit gehen zu sagen, dass die
operative Steuerung durch Total Quality Management hiermit um
den strategischen Aspekt erweitert wurde und mehr einen über-
geordneten Rahmen bekam (siehe hierzu Abbildung 5-4).
Abbildung 5-4: Verknüpfung zwischen Balanced Scorecard und TQM über Mess-
größen.
215
5.2.5 Fazit
216
nehmenskultur wird ihren Beitrag bei Integrationsprozessen in Spi-
tälern leisten – positiv-unterstützend oder negativ-hemmend –, und
genau das macht sie zu einem kritischen Erfolgsfaktor.
217
Unternehmen. Reinhard Mohn, Bill Gore oder Reinhold Würth haben
eine erfolgreiche und eigenwillige Unternehmenskultur durch ihren
Führungsstil und ihre Persönlichkeit geprägt.
Wer die Persönlichkeitsprofile dieser Spitzenführungskräfte stu-
diert, entdeckt insbesondere drei gemeinsame Leistungsmerkmale:
– die Fähigkeit zur überzeugenden und klaren Kommunikation in
Verbindung mit einer konsequenten Zielorientierung;
– die Sensibilität, die »richtigen« (also in die eigene Unternehmens-
kultur passenden) Mitarbeiter gezielt anzuwerben, treffsicher aus-
zuwählen, leistungsgerecht einzusetzen sowie talentgerecht zu ent-
wickeln;
– das Vermögen, selbstmotivierte Hochleistungsteams zusammen-
zustellen, die delegationsfähig sind und Spitzenleistungen hervor-
bringen.
218
Oder die Führungskraft fungiert als Moderator und Gesprächspart-
ner, der dem Mitarbeiter hilft, sein eigenes Problemlösungspotenzial
zu erkennen und nutzbar zu machen. In anderen Situationen
schlüpft sie in die Rolle des »hierarchielosen Kollegen«, z. B., wenn
seine besondere Expertise auf einem bestimmten Gebiet gefragt ist.
Oder die Führungskraft gibt Sicherheit als Regelgeber, Organisator
und verlässlicher Stratege. Die Führungskraft im schlanken Unter-
nehmen zeichnet sich durch folgende Fähigkeitsbereiche aus: Fach-
kompetenz, Lehrkompetenz, Innovationsfähigkeit, Problemlösungs-
fähigkeit und Sozialkompetenz.
Die Kritik an Führungsfähigkeiten und Kommunikationskultur fiel
im Rahmen einer CKM-Studie deutlich aus. Danach besitzt kaum die
Hälfte der leitenden Ärzte die Eigenschaft einer erfolgreichen und
akzeptierten Führungskraft.
Nur 45 Prozent der heutigen Chefärzte spricht man Führungs-
fähigkeiten zu; in der Verwaltung vermutet man immerhin bei 57 Pro-
zent der Manager die gewünschten Führungsqualitäten. Generell
wurde angegeben, dass bei Ärzten die größten Führungsdefizite zu
vermuten sind.
Bei der Beurteilung der ärztlichen Führungskräfte durch die Mit-
arbeiter bemängeln 63 Prozent der Befragten die Fähigkeiten ihres
Vorgesetzten als »Konferenz-/Besprechungsmanager«. Langwierige,
nicht zielführende Besprechungen stehen auf der Verärgerungsliste
ganz oben.
83 Prozent der Befragten empfinden es als frustrierend bis ver-
ärgernd, dass die Führungskräfte viel zu wenig über die arbeits-
täglichen Organisationshemmnisse sowie die Zusammenarbeitspro-
bleme und »menschlichen« Reibereien Bescheid wissen und daher
oft vermeidbare Fehlentscheidungen treffen. Die Abwesenheit des
Chefs vor Ort gilt als Zeichen dafür, dass der Vorgesetzte ihre Aufgabe
als nicht so wichtig erachtet; außerdem führe der Mangel an »go to
gemba«-Bereitschaft zu realitätsfernen und sprunghaften Entschei-
dungen.
Die CKM-Studie macht die schlimmsten Führungsfehler transpa-
rent, die von Führungskräften aus Sicht betroffener Mitarbeiter im
Krankenhaus begangen werden.
219
Abbildung 5-5: Der schlimmste Führungsfehler besteht darin, Mitarbeiter nicht
ernst zu nehmen: ihre Initiative zu ignorieren, ihre Neugier zu
unterdrücken, ihre Fehler zu bestrafen und ihre Persönlichkeit zu
demontieren.
220
– keine Zeit für Mitarbeitergespräche,
– Abwürgen berechtigter Kritik,
– zu frühe oder subjektive Entscheidungen,
– keine Information, keine Verantwortung, kein Vertrauen,
– falsch verstandene Nachgiebigkeit, insbesondere den Leistungsver-
weigerern und auf die »Sozialtour« sich verstehenden Mitarbeitern
gegenüber,
– keine Maßregelung und Kündigung von Quertreibern, dadurch eine
Subkultur von versteckten sozialen Regeln, die sich gegen das »Unter-
nehmen Krankenhaus« und gegen die Interessen der Patienten rich-
ten – Engagierte bleiben auf der Strecke, Bequeme werden belohnt,
– durch schlechte Organisation schlechte Medizin (Fehler) machen,
ohne dass konkrete Anstrengungen unternommen werden, die Ab-
läufe zu reorganisieren.
Der Erfolg eines Managers hängt von zwei Voraussetzungen ab, die er
beide im Sinn einer Vertrauensvorleistung beeinflussen kann: Loyali-
tätsgrad der Mitarbeiter und Selbstständigkeitsgrad der Organisation.
Das Delegationskontinuum der Führung nach Mc Gregor verdeut-
licht Merkmale und Einflussfaktoren der Führungsrolle unter den
Aspekten der Partizipation sowie der Kommunikation.
Mitarbeiter entwickeln Delegationsbewusstsein auf der Grundlage
eines eigenständigen Delegationsbereiches, indem sie durch eigene
Entscheidungen sichtbare Resultate erreichen können.
Kooperative Entscheidungsprozesse führen schneller zu qualifi-
zierten Resultaten als autoritäre Einzelentscheidungen.
Management ist die Fähigkeit, das bestmögliche Problemlösungs-
Know-how zu mobilisieren, durch Herstellen einer transparenten
»psychologischen Kontrakt-Situation« zielführende Konzepte zu rea-
lisieren und akzeptierte, zielführende Konzepte umzusetzen.
221
Abbildung 5-6: Die Loyalität der Mitarbeiter und die Selbstständigkeit der
Organisation sind Voraussetzungen für den Führungserfolg des
Managers.
222
Abbildung 5-8: Die Delegation von Problemlösungsverantwortung bildet die
Grundlage einer leistungsorientierten Führung.
223
Abbildung 5-10: Die Entscheidungsschleife charakterisiert den Prozess der Führung
delegationsfähiger Mitarbeiter.
224
5.4 Zunehmende Bedeutung leistungs-
und erfolgsorientierter Vergütung
225
politik nicht nur dazu, von der Seite der Personalkosten sowie am
Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu sein, sondern vor allem dazu, dass
sich Wettbewerbsvorteile des Unternehmens durch Qualifikation,
Engagement, Leistungen und Ergebnisse der Mitarbeiter realisieren.
Vergütungspolitik wird damit zum Umsetzungshebel der Unter-
nehmensstrategie (vgl. Abbildung 5-11).
Grundsätzlich gilt diese Aussage für alle Vergütungskomponenten.
Einen besonderen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang frei-
lich variable Vergütungsbestandteile, da sich in ihnen der Beitrag, den
Mitarbeiter zum Erfolg des Unternehmens leisten, besonders deut-
lich zum Ausdruck bringen lässt. Aus diesem Grund ist die Bedeu-
tung der variablen Bezüge (Boni, Tantiemen, Gratifikationen) in den
vergangenen Jahren erheblich gewachsen und hat mittlerweile auch
große Teile des Tarifbereichs erfasst.
226
– Die Anwendung variabler Vergütung dringt von den leitenden
Angestellten, bei denen sie aufgrund geringerer rechtlicher Res-
triktionen relativ leicht eingeführt werden konnte, auf weitere
Kreise wie die gesamten außertariflichen Angestellten und zuneh-
mend die Gesamtbelegschaften vor.
– Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Tariflandschaft nieder,
die nach einigen prominenten Haustarifverträgen (Debis, Jenoptik,
Deutsche Telekom) jetzt auch große Branchentarife wie das Bank-
gewerbe erreicht hat.
– Neben dieser vertikalen Verbreitung ist eine horizontale Ausdeh-
nung zu verzeichnen: Nachdem mittlerweile Industrie, Handel,
Banken und Versicherungen einen ähnlichen Stand erreicht ha-
ben, werden in Gestalt des neuen Tarifvertrags für den öffentlichen
Dienst flächendeckend auch der öffentliche Sektor und damit
große Teile der Krankenhauswelt mit einer neuen, leistungsorien-
tierten Entgeltsystematik konfrontiert. Im Rahmen des Tarifver-
trags für den öffentlichen Dienst ist ab 2007 schrittweise für alle
Mitarbeiter ein variables Entgeltvolumen von anfangs einem, spä-
ter acht Prozent der Entgeltsumme vorgesehen.
Diese unübersehbaren Tendenzen hin zu einer stärker leistungs- und
erfolgsorientierten Entgeltgestaltung sind also auch im Krankenhaus-
bereich unübersehbar – wenn auch mit erheblicher Verzögerung. Der
Vergleich der Verbreitungsgrade variabler Vergütungsbestandteile in
den Krankenhäusern mit Industrie und Handel zeigt, dass – sieht
man von den gesondert zu betrachtenden Vergütungsregelungen der
Chefärzte ab – bislang erst bei den Geschäftsführern bzw. Vorständen
und den Verwaltungsdirektoren der Kliniken ein größerer Anteil leis-
tungs- und erfolgsabhängig vergütet wird (vgl. Abbildung 5-12). Auch
der Anteil der variablen Gehaltsbestandteile an den Gesamtbezügen
liegt deutlich niedriger als in der Industrie.
Aber immerhin: Die Tendenz ist unübersehbar. Bei allem fest-
stellbaren Gefälle gegenüber der gewerblichen Wirtschaft darf nicht
unerwähnt bleiben, dass sich auch dort hinter den variablen Ver-
gütungssystemen oftmals noch Regelungen wie die klassische Er-
messenstantieme verbergen, bei denen die Steuerungs- und Anreiz-
wirkung wenig ausgeprägt ist.
227
5.4.3 Verbindung von Zielvereinbarungen
und variabler Vergütung
Was lässt sich nun aus den Entwicklungen, die sich in vielen Unter-
nehmen in der jüngeren Vergangenheit vollzogen haben und heute
noch vollziehen, für die Einführung leistungs- und erfolgsorientierter
Vergütung in Krankenhäusern lernen?
In aller Regel wird heute variable Vergütung bei Führungskräften,
zunehmend aber auch auf den unteren Hierarchierängen, im engen
Zusammenhang mit Zielvereinbarungssystemen gesehen. Auch im
Rahmen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst wird analog zu
anderen Tarifwerken an mit den Mitarbeitern vereinbarten Zielen an-
geknüpft. Die Integration von Zielvereinbarungen und an die Ziel-
erreichung gekoppelter variabler Vergütung (vgl. Abbildung 5-13) ist
heute weitgehend ohne Alternative.
Die wesentlichen Gründe dafür sind:
– Zunehmender Wettbewerbsdruck, im Krankenhausbereich ergänzt
um den Kostendruck aufgrund politischer Rahmenbedingungen,
zwingt zur Hebung aller unausgenutzten Effizienzreserven.
228
Abbildung 5-14: Zielorientierung im Unternehmen.
229
Abbildung 5-15: Vorteile von Zielbonussystemen.
230
Abbildung 5-16: Typische Vergütungsstruktur bei Zielbonussystemen.
231
stimmte Regeln der Systementwicklung (vgl. Abbildung 5-17) zurück-
zuführen.
Hierzu einige Anmerkungen:
– Ein häufig auftretendes Phänomen besteht darin, dass Führungs-
kräfte den großen Aufwand für Zielvereinbarungen beklagen. Dem
liegt meist ein – mitunter durch das Unternehmen selbst geschür-
tes – Missverständnis zugrunde, dass nämlich Zielvereinbarungen
»für die Vergütungsfindung« getroffen werden müssen. Diese sind
dann häufig völlig losgelöst von den sonstigen Führungsinstru-
menten, verfehlen damit ihren eigentlich Zweck (s. o.) und sind
dann in der Tat »zu aufwändig«.
– Neben der Frage der »richtigen« Formulierung von Zielen gerade
bei Tätigkeiten, die sich schwer in Zahlen fassen lassen, stellt sich
oft die Frage, auf was sich Ziele inhaltlich beziehen sollen. Aus der
richtigen Erkenntnis heraus, dass Ziele nur mit einer gewissen An-
spannung erreichbar sein sollen, wird dann mitunter der Schluss
gezogen, dass das so genannte »Tagesgeschäft« nicht zum Gegen-
stand von Zielen gemacht werden darf. Dies bereitet jedoch bei
vielen Tätigkeiten unnötige Schwierigkeiten, wenn nämlich die Be-
wältigung und Optimierung dieser Tagesarbeit die eigentliche He-
rausforderung darstellt. Insofern ist es wichtig zu verdeutlichen,
dass neben herausgehobenen Sonderaufgaben und Projekten auch
Verbesserungen in diesem Tagesgeschäft Inhalt von Zielen sein
können, vorausgesetzt aber eben, dass es sich wirklich um Verbes-
serungen handelt, die eine zusätzliche Vergütung rechtfertigen
(vgl. Abbildung 5-18).
– Gerade in Krankenhäusern, die aus einer durch den BAT oder ähn-
liche kirchliche Tarife (und damit letztlich das Gedankengut des
Beamtenrechts) geprägten Vergütungswelt kommen, besteht häu-
fig die Gefahr, dem dieser Welt entlehnten Gerechtigkeitsstreben
durch eine sehr komplexe Gestaltung der variablen Vergütungsre-
gelungen zu entsprechen. Auch das Bemühen, alle erdenklichen
Eventualitäten durch spezifische Regelungen in einem Bonussys-
tem zu berücksichtigen, führt nicht selten zu Systemen, die von
vielen Betroffenen kaum mehr verstanden, geschweige denn gelebt
werden.
232
Abbildung 5-17: Regeln zur Systementwicklung.
– Nicht nur der zuvor genannte Aspekt verweist auf die besondere
Bedeutung der Aufgabe, die Akzeptanz der Neugestaltungen bei
den Betroffenen sicherzustellen. Grundsätzlich rufen Verände-
rungen im Vergütungssystem Befürchtungen und Ängste hervor:
Die Befürchtungen richten sich vor allem auf eine mögliche
Reduzierung der Einkommen aufgrund unrealistisch hoher
Leistungsmaßstäbe. Diesen Befürchtungen gilt es, glaubwürdig
entgegenzutreten. Dies geschieht zum einen durch faire Rege-
lungen bei der Systemgestaltung und insbesondere bei der Über-
leitung von den bisherigen Regelungen, zum anderen durch eine
Einbeziehung der Betroffenen und ihrer Vertreter bei der Sys-
tementwicklung.
– In Unternehmen wird häufig die Frage nach dem »richtigen Zeit-
punkt« für die Einführung variabler Vergütungssysteme gestellt.
Dahinter verbirgt sich meistens die Vorstellung, dass stets eine
Reihe unabdingbarer Voraussetzungen gegeben sein müssten,
zum Teil aber auch die Hoffnung auf ein »ruhiges Jahr«, in dem
ein solches Vergütungsprojekt angegangen werden kann. Letztere
Erwartung ist schon seit einigen Jahren und wohl auch für die
233
Abbildung 5-18: Zielvereinbarungen – zwei Typen von Zielen.
234
CKM: Welche grundlegenden Charakteristika zeichnen Ihrer Meinung nach eine
nachahmenswerte bzw. erstrebenswerte Unternehmenskultur aus?
Andreas Greulich: Eine nachahmenswerte Unternehmenskultur zeichnet sich in
erster Linie dadurch aus, dass sie dazu beiträgt, Unternehmensziele über die unter-
schiedlichen Interessens- und Berufsgruppen hinweg gemeinsam zu verfolgen. An-
ders ausgedrückt, sie muss es schaffen, vorhandenen Subkulturen ihren Raum zu
lassen und trotzdem das gemeinsame Verbindende (Verpflichtende) in den Mittel-
punkt zu stellen.
CKM: Was fällt Ihnen spontan zum Status quo der Unternehmenskultur in deut-
schen Krankenhäusern ein?
Andreas Greulich: Sie ist geprägt von dem Einfluss der Subkulturen und lässt das
oben beschriebene Gemeinsame zumeist vermissen. Die Förderung einer gemein-
samen Unternehmenskultur wurde bislang im Krankenhaus-Management nicht als
Erfolgsfaktor erkannt.
CKM: Aus welchen Gründen wird der Faktor Unternehmenskultur für Krankenhäu-
ser in Zukunft wichtig bzw. wichtiger als in der Vergangenheit sein?
Andreas Greulich: Wenn wir vom Ist-Zustand ausgehen, verstehen die Berufsgrup-
pen in der Regel das Zusammenspiel der verschiedenen Subkulturen mehr als not-
wendiges Übel denn als erstrebenswertes Ziel. Solange der wirtschaftliche Druck
nicht in hohem Maße auf die Krankenhäuser einwirkt, können diese Abgrenzungen
und unterschiedlichen Wertvorstellungen durchaus nebeneinander leben. Die He-
rausforderung, die aktuell die deutschen Krankenhäuser erleben, ist der gleich-
zeitige Druck auf Kostenersparnisse und Qualitätserhaltung bzw. -verbesserung.
Dieser Druck erfordert ein neues Verständnis für das Zusammenspiel im Behand-
lungsprozess und damit die aktive Auseinandersetzung mit den darin involvierten
Berufsgruppen.
Die Konzentration auf nur eine der beteiligten Berufsgruppen im Sinne von
Leadership lässt sich nicht durchsetzen. Die Vorbehalte der Ärzteschaft gegenüber
der emanzipierten Rolle der Pflege; der Versuch des Aufbrechens und Widersetzens
von tradierten Strukturen der Ärzte; die Verwaltung als gemeinsames Feindbild: Un-
ter diesen Voraussetzungen kann nur das Herausarbeiten gemeinsamer Werte und
Ziele eine Chance für das Überleben der Krankenhäuser bedeuten.
CKM: Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Unternehmenskultur und
unternehmerischem Erfolg?
Andreas Greulich: Die Antwort ergibt sich aus dem, was ich bereits im ersten Punkt
angedeutet habe. Eine gemeinsame Unternehmenskultur schafft die Ausrichtung im
Sinne von Leitplanken, um ein unternehmerisches Ziel zu erreichen. Es unterstützt
diese gemeinsame Stoßrichtung durch die teils sichtbaren, teils unbewusst vorhan-
denen Werte, die von den Mitarbeitern gelebt und gefördert werden.
CKM: Auf welcher Ebene kann Unternehmenskultur am effektivsten nachhaltig ver-
ändert werden?
Andreas Greulich: Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass sich Unter-
nehmenskultur definitiv nicht verordnen lässt. Nicht einmal dann, wenn sie von der
obersten Führung proklamiert wird. Dagegen kann genau diese oberste Führung ei-
nen Prozess in Gang setzen, der vorbildhaft eine offene und transparente Mitarbei-
terförderung lebt. Dabei ist es wichtig, immer die Arbeit an sich in den Mittelpunkt
235
zu stellen. Es geht nicht darum, dass sich alle lieb haben müssen. Vielmehr muss er-
kannt werden, wie wichtig die Rolle eines jeden Einzelnen für die Auftragsbewälti-
gung ist und welche Abhängigkeiten im positiven Sinne vorhanden sind. Ohne diese
gemeinsame Ausrichtung erscheint mir alles Bemühen um die Unternehmenskultur
langfristig nutzlos.
CKM: Welche Faktoren üben Ihrer Meinung nach einen positiven Einfluss auf die
Unternehmenskultur in deutschen Krankenhäusern aus?
Andreas Greulich: Da lässt sich vielleicht die gemeinsame Bedrohung durch Ge-
setzgebung und Kostendruck nennen. Erst durch den Leidensdruck entstehen er-
fahrungsgemäß die Bereitschaft und das Engagement, sich für sein Unternehmen
einzusetzen und Vorbehalte über Bord zu werfen. Eigentlich ergäbe sich ja die ge-
meinsame Ausrichtung aus der vielfach zitierten Aussage, im Mittelpunkt aller Be-
mühungen steht der Patient. Doch das wage ich mal ernsthaft in Frage zu stellen.
CKM: Welche Faktoren können Sie demgegenüber identifizieren, die sich negativ
auf die Unternehmenskultur in deutschen Krankenhäusern auswirken?
Andreas Greulich: Aus meiner mittlerweile räumlich distanzierten Sicht und den Er-
fahrungen, die ich in der Schweiz seit rund neun Jahren mache, würde ich ein ge-
wisses Risiko in den nach wie vor geförderten Verbandsstrukturen in Deutschland
sehen. Das gesamte deutsche Gesundheitswesen baut darauf auf und beruft sich
dabei auf die Erkenntnis, dass Entscheidungen auf der Ebene getroffen werden sol-
len, wo die Beteiligten sitzen. Das hört sich gut an und vermittelt den Eindruck von
starker Dezentralisierung. Fakt ist, dass sich in all den Jahren der Selbstverwaltung
nur in den seltensten Fällen eine gemeinsame Entscheidungsfindung durchsetzen
konnte. Im Regelfall verkörpern alle beteiligten Verbände in gewisser Weise die An-
sichten und Werte der Subkulturen und festigen diese nachhaltig und teilweise un-
erbittlich. Keine gute Voraussetzung für das Abbauen von Grenzen und Vorurteilen
...
CKM: Mit welchen personalwirtschaftlichen Instrumenten nehmen Sie auf die
Unternehmenskultur im Krankenhaus Einfluss?
Andreas Greulich: Da wäre sicherlich einmal das jährlich stattfindende Mitarbei-
tergespräch zu nennen. Diese Form der Bewertung teilt die zu beurteilende Leistung
in die Aspekte fachliche, soziale und persönliche Kompetenz. Dies ist eine hervor-
ragende Gelegenheit, bestimmte Werte und Einstellungen zu diskutieren und Ver-
haltensänderungen anzustoßen. Problematisch ist dabei, dass die Vorstellungen zu
diesen Aspekten von Chef zu Chef unterschiedlich sind. Ich sehe daher die derzeit
laufende Einführung der Balanced Scorecard mit verpflichtenden Unternehmens-
zielen und einer (hoffentlich) damit verbundenen Ergebnisverantwortung als wich-
tige Voraussetzung für die Förderung gemeinsamer Werte und Ziele.
CKM: Welchen Einfluss wird Ihrer Meinung nach die Einführung der »diagnosis-re-
lated groups« (DRGs) auf die Unternehmenskultur im Krankenhaus haben?
Andreas Greulich: Ich habe dies bereits vorhin schon angesprochen: Die Einfüh-
rung der DRGs bedeutet sicherlich eine Erhöhung des ökonomischen Drucks auf die
Krankenhäuser und teilweise sogar das Rütteln an den Grundfesten einzelner Häu-
ser. Erfahrungsgemäß sorgen die Bedrohung der Existenz und entsprechende Sze-
narien für eine stärkere Bereitschaft zum Zusammenhalt. Unter diesem Aspekt kann
sicherlich das inhaltlich häufig kritisierte Gesundheitsstrukturgesetz mit allen sei-
236
nen Nachfolgegesetzen und Verordnungen schon als Erfolg für die Bereitschaft zur
Veränderung gewertet werden.
CKM: Wenn Sie die Unternehmenskultur in deutschen Krankenhäusern beschrei-
ben sollten: Mit welchem Spiel (Gesellschafts-, Karten-, Rollenspiel, Sportart etc.)
könnte man die Unternehmenskultur am ehesten vergleichen? Wenn Ihnen kein
spezielles Spiel einfällt, denken Sie sich einfach einen Namen aus, der Ihrer Ein-
schätzung nach am meisten zutrifft!
Andreas Greulich: Diese Frage ist schwer zu beantworten. Aber wenn ich vom der-
zeitigen Ist-Zustand ausgehe, würde ich es mit Poker vergleichen. Die drei wichtigs-
ten Spielregeln dieses Spiels:
1. Keiner lässt sich in die Karten schauen.
2. Auf den richtigen Moment warten und seine Trümpfe ausspielen.
3. Hier wird’s schnell ernst, denn es geht auch um Geld ...
237
Abbildung 5-19: Die mangelhafte Kommunikation zwischen den Berufsgruppen
als Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsrisiko (CKM-Trendstudie:
Führung und Motivation in deutschen Krankenhäusern
(1999)).
238
Der CKM-Studie »Führung und Motivation in Krankenhäusern«
zufolge bemängeln 52 Prozent der Ärzte die nicht ausreichend ziel-
führende Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegepersonal und Ver-
waltung; ebenso negativ urteilen 70 Prozent der Verwaltungsmit-
arbeiter und sogar 75 Prozent der Pflegekräfte.
Die Folge: erhebliche Frustration bis zur inneren Kündigung und
Verschlechterung der Sozialqualität, d. h. der Umgang der Mitarbeiter
untereinander und der Führungskräfte mit den Mitarbeitern. Dies
führt zu mangelhaftem Eingehen auf die Patientenbedürfnisse, also
zu kundenfeindlichen Konsequenzen.
Um die Sozialqualität in deutschen Krankenhäusern ist es offenbar
schlecht bestellt. Gerade im Bereich Kommunikation und Zusam-
menarbeit werden von allen Berufsgruppen massive Nachholbedarfe
reklamiert: 80 Prozent der Ärzte befürchten, dass aufgrund mangel-
hafter Kommunikation zwischen den Berufsgruppen die Kosten- und
Qualitätsherausforderungen nicht bewältigt werden können.
Gerade vor dem Hintergrund, dass die Krankenhäuser zunehmend
gefordert sind, ihre Leistungsstrukturen marktorientiert auszurichten
und die Dienstleistungen verstärkt kundennutzenorientiert zu er-
bringen, ist eine effektive und effiziente Zusammenarbeit innerhalb
und zwischen den Berufsgruppen unerlässlich. In solchen Umbruch-
situationen werden die Faktoren Organisation, Führung und Unter-
nehmenskultur zu dominanten Erfolgsfaktoren.
239
keiten gekennzeichnet ist. »Verbesserungsvorschläge unterbreite ich
nicht mehr, denn ich lasse mich nicht noch einmal fragen, ob ich
nichts Besseres zu tun hätte, als über meine Arbeitssituation zu
lamentieren.« Die Liste solcher frustrationsgeprägten Äußerungen
ließe sich einerseits beliebig verlängern, andererseits darf auch nicht
unterschlagen werden, dass es in einer Reihe von Krankenhäusern
bzw. in einzelnen Krankenhausbereichen hoch engagierte Mitarbeiter
gibt, die mit ihren Vorgesetzten im ständigen Dialog zielführend,
partnerschaftlich und kundennutzenorientiert zusammenarbeiten.
In über 60 Workshops mit insgesamt etwa 750 Teilnehmern wur-
den im Rahmen der CKM-Studie motivationsfördernde und demoti-
vierende Einflüsse sowie Bedingungen analysiert.
Abfragen per Metaplantechnik mit anschließender Diskussion auf
Basis eines inzidenzorientierten Analyseansatzes brachten Erkennt-
nisse, die sich in der Tendenz auffallend einheitlich darstellen (siehe
Abbildung 5-20).
– Selbstmotivation entwickeln Mitarbeiter, wenn sie durch eigenes
Tun und eigenes Entscheiden ein sichtbares Resultat erzielen, das
von anderen (insbesondere dem Chef, den Kollegen und dem Kun-
den) anerkannt und das auch der eigenen Person als Leistung zu-
gerechnet wird.
– Demotiviert fühlen sich Mitarbeiter, wenn sie nicht ernst genom-
men werden, indem man ihnen nichts zutraut und sie nicht in die
Informationsprozesse einbindet. Ein Mitarbeiter, dessen Meinung
nicht zählt, fühlt sich ausgestoßen oder wertlos.
240
Abbildung 5-20: Vertrauen, Zutrauen und Fordern unterstützen die Entwicklung
von Selbstmotivation.
Die Qualität einer Führung, und damit (als Folge der Vorbildfunk-
tion der Führung) auch die Zusammenarbeits- und Kommunika-
tionsqualität einer Organisationskultur, zeigt sich in der Praxis insbe-
sondere an folgenden Merkmalen:
– Umgang mit Initiative und Ideen,
– Umgang mit Fehlern,
– Umgang mit Widerspruch und anderen Meinungen,
– Umgang mit Ressourcen (»Die kleinen Nachlässigkeiten und
Gedankenlosigkeiten, die unnützen Verschwendungen im Tages-
geschäft«),
– Besprechungs- und Informationsverhalten.
241
solcher anerkannt wird, ist eine wesentliche Voraussetzung für Ent-
wicklung von Selbstmotivationsfähigkeit (siehe Abbildung 5-21).
Insofern kann es auch immer nur die Aufgabe der Führung sein,
organisatorische Rahmenbedingungen und kulturelle Spielregeln zu
manifestieren, in deren Rahmen Mitarbeiter Motivation und Engage-
ment, Arbeitsfreude und Begeisterung für ihr Krankenhaus selbst
entwickeln. Man könnte auch sagen: Es ist nicht die Aufgabe der Füh-
rung, Mitarbeiter zu motivieren, sondern sie nicht zu demotivieren.
Wie eine Umfrage unter 63 Pflegekräften und 26 Assistenzärzten
zeigt, bewegen sich die Ansprüche an selbstständiges Arbeiten und
eigenverantwortliches Tun in Delegationsbereichen, die das Tages-
geschäft bzw. den konkreten Aufgabenbereich von Mittelmanagern
betreffen. So wird es von den Mitarbeitern als selbstmotivierendes
Erlebnis empfunden, wenn diese ein Arbeitsergebnis, an dessen Er-
reichung sie maßgeblich mitwirkten, auch den obersten Chefs per-
sönlich präsentieren durften.
Die in zahlreichen Workshops herausgearbeiteten »Auslöser« und
»Verstärker« für Motivation (im Sinne von Selbstmotivation) und
Demotivation (im Sinne von Frustration und innerer Kündigung)
242
sind in Abbildung 5-22 und Abbildung 5-23 zusammengestellt. In die-
sen beiden Übersichten wird weiterhin gezeigt, durch welche konkre-
ten Verhaltensweisen eine Führungskraft dazu beitragen kann, der
Frustration entgegenzuwirken bzw. die Entwicklung von Selbstmoti-
vation zu fördern.
243
In diesem Zusammenhang ist eine weitere Erkenntnis von großer
Bedeutung für die Führungspraxis: Die verhaltens- und einstellungs-
prägenden Rahmenbedingungen für Motivations- und Demotivations-
erlebnisse entstehen im Verlauf einer Gestaltungskette, an deren Aus-
gangspunkt nicht das unmittelbare Führungsverhalten, sondern die
direkten, den Mitarbeiter betreffenden Arbeitsbedingungen stehen.
Damit sind organisatorische Gestaltungsparameter im Wechselspiel
mit den gelebten sozialen Spielregeln der Ausgangspunkt für die Ent-
wicklung motivierender oder demotivierender Einstellungs- und Ver-
haltensmuster in einer Organisation. Mit anderen Worten: Die Über-
tragung einer fallabschließenden Verantwortung (dies umfasst
Prozess-, Resultat- und Problemlösungsverantwortung) in Verbindung
mit der Einhaltung der akzeptierten sozialen Spielregeln durch die Mit-
arbeiter (wobei die Führungskräfte eine »Wächterfunktion« überneh-
men, durch die die Einhaltung der Spielregeln garantiert wird) stellt den
eigentlichen Effizienz- und Qualitätsförderer in einer Organisation dar.
Der größte Fehler der Führung liegt nach den Ergebnissen der
CKM-Studie darin, dass nicht nur falsch motiviert, sondern insbeson-
dere falsch delegiert wird. Die klassische Form der Delegation erfolgt
244
Abbildung 5-25: Die Bandbreite der Delegation reicht von repetitiven Tätigkeiten
bis zum innovativen Projektmanagement.
245
Abbildung 5-27: Die Analyse der Demotivationsfaktoren erfolgte in Kleingruppen.
246
Abbildung 5-28: Die organisatorische Gestaltung insbesondere einer fallabschlie-
ßenden Verantwortung ist die Grundlage zur Entwicklung selbst-
motivierender Rahmenbedingungen.
tate erreichen können, ist diese Form von Delegation eher kontra-
produktiv: Die Motivationswirkungen von Projektarbeit und heraus-
fordernden Zielen sind unbestritten, aber Ziele lassen sich fast immer
nur in Verbindung mit Projekten vergeben; und welche Tagesarbeit
ist schon projektfähig?
Die Übertragung von Aufgaben bzw. Tätigkeiten beinhaltet einen
»Durchführungsauftrag« für den Normalfall. Eine Stellenbeschrei-
bung hilft nicht weiter, wenn ein bisher unbekanntes Kundenproblem
nur durch Flexibilität und eine schnelle, klare Entscheidung zu lösen
ist.
Die Art der Delegation bestimmt den Selbststeuerungsgrad einer
Organisation und ist Zeichen für die erreichte Stufe einer Vertrauens-
und Zutrauenskultur (siehe Abbildung 5-25).
Es kommt darauf an, den wichtigsten Frustrationserlebnissen
(Demotivationsfaktoren) entgegenzuwirken und gleichzeitig Enga-
gement förderndes Führungsverhalten vorzuleben.
Selbstmotivation setzt ein System von Förderfaktoren voraus.
247
5.6 Rekrutierung und Auswahl von Führungskräften
und Spezialisten
Torsten Quadt
248
segment. Es geht um eine perspektivisch bedachte, zukunftsorien-
tierte und strategiekonforme Führungskräfteauswahl und -entwick-
lung.
Auch im Rahmen der Vergütung der Leistungsträger muss ein
Umdenken einsetzen. Es gilt auch hier, möglichst früh immaterielle
Anreizsysteme zu definieren, um sich gegenüber den Mitbewerbern
zu positionieren. Ausschließlich monetäre Leistungsanreize sind er-
fahrungsgemäß auf die Dauer nicht zufrieden stellend. Daher kommt
dem Personalentwicklungskonzept, verbunden mit einer intelligen-
ten Vergütungspolitik, eine herausragende Rolle zu.
Der oben skizzierte Prozess setzt die Anwendung geeigneter Me-
thoden der Personalselektion, insbesondere im Managementsektor,
voraus. Dabei stellt sich die Frage nach der richtigen Auswahl- und
Rekrutierungsmethode.
Die hohen Anforderungen, die heute berechtigterweise an die
soziale Kompetenz bzw. Intelligenz einer Führungskraft gestellt
werden, schließen auch und gerade die Fähigkeit ein, stark hetero-
gene Belegschaften zu organisieren, zu führen und hinter gemein-
samen Zielen zu bündeln.
Die ideale klinische Führungskraft ist dennoch letztlich ein
Mythos. Zu vielfältig sind die Aufgaben, Anforderungen und die Art
der Verantwortung. Dennoch bleibt für den Entscheider die Frage
offen, an welchem idealtypischen Bild einer Führungskraft er sich
orientieren soll? Zusammenfassend lässt sich eine Führungskraft
recht differenziert mit vier »geclusterten« Dimensionen beschreiben.
So bilden die klinisch-fachliche, die soziale, die verhaltensorientierte
sowie die konzeptionell-betriebswirtschaftliche Dimension die we-
sentlichen Entscheidungsperspektiven ab.
Wird auf Basis dieser vier Dimensionen ein Bewertungs- und Be-
trachtungsprofil entwickelt, so umfasst dieses für eine idealtypische
Führungs(nachwuchs)kraft nachfolgende Kernpunkte:
249
– eine überdurchschnittliche Formalbildung (Studium und berufsbe-
gleitende Weiterqualifikation),
– Auslandserfahrungen,
– angemessene Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Par-
kettsicherheit,
– eine nachgewiesene Fachkompetenz, jedoch – je nach Profil – eine
Generalisten-Prägung mit fachlicher Breite und tragfähiger Allge-
meinbildung bzw. das Streben nach Bildung im besten Sinne, da-
her ein breites Interessenspektrum,
– Neugier,
– unternehmerischer Antrieb bzw. unternehmerisches Talent,
– Verantwortungs- und Risikobereitschaft,
– eine ausgeprägte Patienten-, Kunden- und Serviceorientierung (in-
tern wie extern),
– das Streben nach Innovationsfähigkeit,
– Kreativität,
– eine hochwertige Managementkompetenz,
– strategisch-konzeptionelle Befähigungen,
– analytischer Tiefgang,
– Strukturierungsfähigkeit und Planungskompetenz,
– Führungsstärke,
– Ergebnisorientierung,
– Entscheidungsmut und Problemlöser-Qualitäten,
– eine beachtliche soziale und emotionale Intelligenz,
– Kommunikations- und Integrationsfähigkeit,
– interkulturelle Feinfühligkeit,
– Teamfähigkeit,
– Einfühlungsvermögen,
– Eigenreflexion,
– Selbstkritik,
– Mitarbeitermotivation,
– Begeisterungsfähigkeit.
250
mäß den jeweiligen Ansprüchen und Herausforderungen an eine
Aufgabe/Position sollte unabhängig von der vorausgesetzten hohen
fachlichen Qualifikation vor dem Auswahlprozess eine Gewichtung
erfolgen. Basierend auf den Ausprägungen sollten dann die Inter-
views durch möglichst neutrale Instanzen erfolgen.
Vorausgesetzt, die fachlichen Kompetenzen wurden bereits durch
Reputation, Publikationen und/oder praktisch-operative Referenzen
dokumentiert, so verbleiben die Managementkompetenzen. Durch
den Ordnungsrahmen wird dem geschulten Betrachter und Inter-
viewpartner ein strukturiertes und differenziertes Analysieren der
Managementkompetenz erleichtert.
– Wie geht die Führungskraft mit Problemen, Patienten/Kunden um?
– Was hat die Führungskraft über die letzten Jahre in ihrem Verant-
wortungsbereich umstrukturiert oder Kreatives umgesetzt?
– Wie ist ihr Verhalten mit unterstellten Mitarbeitern?
– Ist die Führungskraft in der Lage Mitarbeiter auf Dauer zu motivie-
ren?
– Wie wird motiviert?
251
Die Führungskräfteentwicklung ist per se ein permanenter Pro-
zess. Neben der Qualifizierung und Unterstützung von Mitarbeitern
in ihren gegenwärtigen Aufgaben legen zahlreiche Kliniken großen
Wert darauf, auch Potenziale und Fähigkeiten, die für die weitere Ent-
wicklung und Karriere der Mitarbeiter wichtig sind, zu entdecken und
weiterzuentwickeln. Der Grundgedanke dabei ist, Führungskräfte aus
den eigenen Reihen zu entwickeln und auf ihre nächste Position vor-
zubereiten und gleichzeitig das Team um externe Kompetenzträger
zu erweitern, um immer wieder externe Impulse und neue Arbeits-
und Herangehensweisen kennen zu lernen.
Sofern das Qualifikationspotenzial und/oder die Kompetenz oder
Anzahl der internen Mitarbeiter nicht genügt bzw. dezimiert Fach-
und Führungskräfte benötigt werden, wird die externe Akquisition
bzw. Rekrutierung vorgenommen.
5.6.2 Rekrutierungsinstrumente
252
eigentlich nicht zugrunde liegen sollte. Weiterhin ermöglicht die An-
zeigenschaltung kein adäquates Benchmarking. Es ist nicht bekannt,
welche Qualitätsebene über die Anzeige erreicht wurde, es wird aus
dem Kreis der vermeintlich geeigneten Bewerber ausgewählt. Ferner
findet die Anzeige primär im Kreis der latent unzufriedenen Klientel
oder bei Personen, die sich in der Phase der aktiven beruflichen Neu-
orientierung befinden, ihren Niederschlag.
E-Rekrutierung
Bei der E-Rekrutierung handelt es sich, ähnlich wie beim Einsatz von
Anzeigen, um einen eher passiven Ansatz. Von Arbeitgeber- oder von
Bewerberseite wird, auf einer der vielen Plattformen, ein Signal in
den Markt gegeben. Im Rahmen der »Internetvermittlung« erfolgt
ein reiner Datenaustausch bzw. ein »Hin- und Herschieben« von
Lebensläufen, wobei dem jeweiligen Arbeitgeber aufgegeben ist,
zunächst Profile und dann Kandidaten zu begutachten. Diese Aus-
wertung basiert jedoch nicht auf einem »externen Benchmarking«,
253
das die Kandidaten in einen Quervergleich zu den Gegebenheiten
und Qualitätsstandards des Gesamtmarktes stellt.
Diese Methode kann bestenfalls auf Mitarbeiter- bzw. unterer Spe-
zialistenebene als ein gerade noch taugliches Instrument der Perso-
nalgewinnung eingesetzt werden. Es wäre jedoch verantwortungslos,
diese vergleichsweise einfache Vorgehensweise auch auf die Be-
setzung von Management- oder wichtigen Spezialistenpositionen
auszudehnen. Das Netz kann nur Rohdaten vertreiben, aber keine
Qualifikationen und Persönlichkeiten begutachten. Im Übrigen ver-
fangen sich Personal- und Fachabteilungen – wie teilweise auch beim
Anzeigenansatz – in einem aufreibenden, Zeit fressenden Koordinie-
rungs- und Evaluierungsprozess, der noch dazu nur unterdurch-
schnittliche Ergebnisse zeigen kann.
Die Anzahl der Personalberater ist riesig, und allzu gerne treten die
meisten der Consultants als omnipotente Problemlöser auf. Daher ist
es für das Management eines Klinikbetreibers zielführend, mit meh-
reren Personalberatungen zusammenzuarbeiten und sich nicht auf
einen Kooperationspartner zu reduzieren. Damit hält sich der Klinik-
betreiber zum einen von möglichst vielen »Angriffen« bzw. Anspra-
chen von außen frei, und er bekommt eine breitere Expertise. Obwohl
sich viele der Berater als Generalisten präsentieren, kristallisieren
sich sehr schnell Schwerpunktgebiete heraus. Die einen haben ihre
Kompetenzen in der Rekrutierung über Anzeigen gesammelt, andere
sind Profis für Direktansprachen (Headhunting), wiederum andere
haben ihren Fokus im Bereich der Internetdienstleistungen. Darüber
hinaus existieren Personalberater, die sich auf Trainings und Schu-
lungen konzentriert haben, andere bieten Vergütungsberatungen
oder Outplacement an.
Der Personalberater sollte neben einem repräsentativen Auftritt
(er ist auch »Marketingarm« im Markt), einer gewissen Seniorität und
bekannter Reputation auch über entsprechende medizinische, psy-
chologische und kaufmännische bzw. klinische Expertise verfügen.
254
Die Auswahl eines Beraters einer namhaften (internationalen) Per-
sonalberatung ist bei weitem kein Garant für eine glückliche Beset-
zung einer vakanten Position. Denn leider findet man in den Top-Ten-
Beratungen (deutschland- und/oder weltweit) selten Berater mit einer
fundierten psychologischen oder medizinischen Ausbildung und
einer Rekrutierungsexpertise im medizinischen Kontext. Zudem wer-
den Honorare unabhängig vom Projektstand in Rechnung gestellt.
Als Faustformel gilt: Im Rahmen einer Direktsuche sollte das Hono-
rar des Beraters grob zwischen einem Viertel und einem Drittel der
Jahresgesamtbezüge liegen. Hinzu kommen üblicherweise Reise-
kosten (15 bis 20 Prozent) und Mehrwertsteuer.
255
Ratsam ist es weiterhin, die Honorare des Suchprozesses an kon-
krete Meilensteine anzulegen, um nicht im Nachhinein alle Raten
(üblicherweise drei) bezahlt zu haben und schließlich ohne Kandidat
dazustehen. Ferner sollte man eher auf Personalberater setzen, die
sich für eine Suche festlegen und nicht ausschließlich erfolgsorien-
tiert arbeiten. Solchen Beratern geht – da sie 100 Prozent in Vorleis-
tungen gehen müssen – bei herausfordernden bzw. schweren Suchen
schnell die Luft aus und somit steht der Auftraggeber nach Monaten
immer noch ohne Kandidaten da. Eine Verpflichtung beider Seiten
plus ein Leistungshonorar sind somit am zielführendsten und for-
dern beide Seiten, zielgerichtet an der Besetzung zu arbeiten.
Im Zusammenhang mit der Auswahl des »richtigen Beraters« im
Rahmen von Direktsuchen befragte die Personalberatung MSU über
50 Entscheidungsträger auf dem ersten und zweiten Führungslevel.
70 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass es hilfreich ist,
wenn der beauftragte Berater über einen akademisch-medizinischen
und/oder psychologischen Hintergrund verfügt. Neben einem besse-
ren Verständnis für klinisch relevante Prozesse wurde in diesem Zu-
sammenhang insbesondere die größere Akzeptanz bei Kandidaten
unterstrichen. Einen Mehrwert lieferten ferner die Berater, die über
Erfahrung bei der Managementdiagnostik verfügen und somit auch
dem Klienten als diagnostische Kompetenzträger zur Seite stehen
können.
Ob eine Anzeige oder eine Direktsuche bei dieser Methode zielfüh-
render ist, ist nach Ansicht von Entscheidungsträgern stark von der
Hierarchie und/oder der Region abhängig, in welcher der Kompetenz-
träger gesucht wird. Insbesondere in entlegenen Regionen (derzeit
Ostdeutschland) und ab Oberarzt-Level aufwärts sowie bei der
Besetzung von Spezialisten (in kaufmännischen und/oder medizi-
nischen Funktionen) wird die Direktansprache als zielführendste
Vorgehensweise eingestuft. Lediglich kleinere Kliniken können bei
diesem Kampf um Talente kaum mithalten, da sie selten über ent-
sprechende Beraterbudgets verfügen. Resultierend aus diesem man-
gelnden Personalmarketing verlieren viele Häuser an Attraktivität und
Anziehungskraft. Hier beginnt bereits die Abwärtsspirale für die weni-
ger finanzstarken Häuser, die lediglich auf die »zweite Wahl« zurück-
256
greifen können. Nach dem Motto: »First class hires first class, second-
class hires third-class«. Strategische Weitsicht ist leider in zahlreichen
kleineren und mittleren Häusern noch ein unterentwickeltes Lernfeld.
5.6.4 Führungskompetenz
Historisch hat man sich bereits ausgiebig und intensiv mit Manage-
menttypologien auseinander gesetzt. Bereits in den 60er-Jahren
konnte Steward (Steward 1967) basierend auf Faktoren- und Cluster-
analysen unterschiedliche Managementtypologien aufzeigen. Die da-
malige Typologie unterschied zwischen »Emissären« (Kontakter nach
außen), Schreibern, Diskutierern, Krisenmanagern und Kommis-
sionsmenschen. Ähnliche und wiederholende Managementtypen,
mit neuen Begrifflichkeiten versehen, finden sich heute in den zahl-
reichen Managementlektüren und der Managementpresse.
Obgleich unterschiedliche Autoren zu unterschiedlichen Auflis-
tungen relevanter Führungsaktivitäten gelangen, werden doch die
nachfolgenden (Gerbert und von Rosenstiel 1996) am häufigsten be-
stätigt:
– die Zusammenarbeit der Teammitglieder fördern,
– Konflikte schlichten,
– das Team nach außen repräsentieren,
– motivieren,
– Ziele definieren,
– Abläufe organisieren,
– das Team informieren,
– Arbeitsergebnisse kontrollieren,
– Entscheidungen fällen,
– sich um das Wohl des Einzelnen kümmern.
257
orientiert zu führen. Ergänzend sei hier allerdings erwähnt, dass ein
»aufgabenbezogener Führungsstil« des Vorgesetzten lediglich dann
positiv gekrönt ist, wenn die Situation für die Führungskraft »sehr
günstig« oder »sehr ungünstig« ist. Bei »mittlerer Günstigkeit«
bedarf es dagegen eher eines personenbezogenen Führungsstils, da-
mit die Ergebnisse positiv verlaufen (Gerbert und von Rosenstiel
1996).
5.6.5 Führungskräfteentwicklung
258
Auch leichtfertig »zusammengeschusterte« Assessment Center
bergen zahlreiche Gefahren. Neben der Tatsache, dass Vielredner mit
eindrucksvollem Auftreten und/oder Durchsetzungsvermögen sub-
jektiv eher bevorzugt und positiv bewertet werden, werden Frauen,
die sich weniger profilierend inszenieren, meist schlechter abschnei-
den. Hinzu kommt, dass häufig auch ungeschulte Linienvorgesetzte
der aufnehmenden Organisation Teile der Beobachtergruppe darstel-
len. Weiterhin werden ablehnende Bescheide häufig wenig empa-
thisch und/oder unsensibel mitgeteilt. Diese Resonanz kann Bewer-
ber verunsichern und langfristig beeinträchtigen.
Meta-Analysen bezüglich der prognostischen Validität zeigen
»eine gewisse Ernüchterung früherer hochgesteckter Erwartungen«
(Gerbert und von Rosenstiel 1996: 225). Die prognostische Validität
gibt Aufschluss über die Aussagen der Teilnehmer am Assessment
Center zum Zeitpunkt der Untersuchung und wie diese die künftige
Bewährung angemessen vorhersagen.
Insbesondere klinische Führungskräfte haben es in ihrem Arbeits-
alltag häufig mit der Bewältigung komplexerer Herausforderungen
zu tun. War man früher noch der Auffassung, durch den Einsatz von
abgewandelten Persönlichkeits- und Intelligenztests auch die Befähi-
gung von Personen zum Umgang mit komplexen Problemen voraus-
sagen zu können, so ist dieser Optimismus inzwischen einer eher
skeptischen Haltung gewichen.
Über die fachlichen Kompetenzen hinaus bedarf es einer entspre-
chenden sozialen Kompetenz und eines teamorientierten Führungs-
verständnisses. Zukunftsprognosen über die klinische Arbeitswelt
von morgen machen Tendenzen deutlich. Die traditionellen Kranken-
haushierarchien und Organisationsformen haben keinen Bestand
mehr. Positionsbezeichnungen und Titel verlieren an Bedeutung.
Die Autorität wird immer weniger aus den übertragenen Titeln und
Hierarchien kommen. Führungskräfte bekommen sie zunehmend
aus ihrer eigenen, speziellen Fachkompetenz.
Ferner werden, ähnlich der Industrie, in kaufmännisch-organi-
satorischen Instanzen Projektarbeiten und damit Projektverantwort-
liche zunehmen. Diese Veränderungen erfordern von jedem Ein-
zelnen die permanente Bereitschaft, sich ständig fortzubilden und
259
weiterzuentwickeln. Die klinische oder kaufmännische Fachkompe-
tenz kann aber nur dann schlagkräftig für die Klinik umgesetzt
werden, wenn Führungskräfte ein hohes Maß an sozialer Kompetenz
aufweisen. Soziale Kompetenz entscheidet zukünftig den Wett-
bewerb und ist die Grundvoraussetzung dafür, reibungslos mit
den Kollegen zu kommunizieren, zu interagieren, gemeinsam Auf-
gaben zu lösen und verantwortungsbewusste Entscheidungen zu
treffen.
»Man erkennt, dass Karriere offensichtlich auf anderen Bedingungen
als Führungserfolg beruht und in starkem Maß von der »Bezie-
hungspflege« abhängt, während der Erfolg durch Routinekommuni-
kation, u. a. dem Sachgespräch über die Alltagsaufgaben und dem
›Human Resource-Management‹, der Zuwendung zu den Mitarbei-
tern, bedingt wird.« (Gerbert und von Rosenstiel 1996: 163).
In Bezug auf Kollegen, Patienten und Kooperationspartner bedarf
es Kooperations-, Kommunikations- und Integrationsfähigkeit, Fair-
ness und Empathie, die eine moderne Führungskraft ausmachen.
Hinzu kommt die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, der
Ethik und der Natur. Dennoch darf »soziale Kompetenz« in diesem
Kontext nicht mit Sozialromantik verwechselt werden. Viele Füh-
rungskräfte spielen den freundlichen Ideal-Vorgesetzten (»every-
body’s darling«). Dabei haben sie schlicht Angst, sich unbeliebt zu
machen. Sie kaschieren ihr Handeln hinter dem Deckmantel des
kooperativen Führungsstils. In Wahrheit fehlt ihnen lediglich der
Mut, von ihrem Team Leistung zu fordern und Grenzen aufzuzei-
gen.
Die meisten kaufmännischen und klinischen Aufgaben können
nur in Teamarbeit zufrieden stellend gelöst werden. Daher ist eine
offene Kommunikation, Kooperation und gemeinsames Handeln
essenziell. Kommunikation und Interaktion bilden den Lebensnerv
einer erfolgreichen Klinikmannschaft. Informationen müssen flie-
ßen, und hierzu muss die Führungskraft den Mitarbeitern Frei-
räume und ein Klima der Offenheit schaffen. Zusätzlich muss sie die
Informationsflüsse lenken und kanalisieren. Um diese Herausforde-
rung erfolgreich zu bewältigen, ist wiederum soziale Kompetenz ge-
fordert. Sozial kompetent zu handeln ist ein Balanceakt zwischen
260
Selbstverwirklichung und Adaptation an Rahmenbedingungen sowie
Normen und Erwartungen. Der aufstrebenden klinischen oder kauf-
männischen Führungskraft, die diesen Balanceakt erfolgreich be-
schreitet, winken neben dem ökonomischen Erfolg auch mehr
Freude an der Arbeit und in der Zusammenarbeit mit Kollegen und
Mitarbeitern.
Durch Trainingsbausteine, wie Führungskräftetrainings, können
den Führungskräften gezielt Hilfestellungen und Tools zur Verfü-
gung gestellt werden. Hier haben Führungskräfte die Gelegenheit, in
einem geschützten Rahmen kritisch den eigenen Führungsstil zu re-
flektieren und darüber hinaus Alternativen kennen zu lernen. Gleich-
zeitig erfahren sie viel über die eigene Person und gelangen somit in
die Lage, authentischer und damit auch souveräner ihren eigenen
Führungsstil zu entwickeln. Dennoch ist hier zu unterstreichen, dass
Trainings eher der Feinjustierung dienen. Trainings sind nicht im-
stande (und sollen es auch nicht), aus einem in sich gekehrten Fach-
spezialisten ohne Mitarbeiterverantwortung eine souveräne und/oder
charismatisch nach außen gerichtete Führungspersönlichkeit zu ma-
chen. Außerdem entspricht es sehr häufig der Wirklichkeit, dass sich
ohnehin lediglich die Führungskräfte zu Führungstrainings anmel-
den, die ohnehin schon ein entsprechendes Kompetenzprofil zeigen.
Diejenigen, die sich eher am anderen Ende des Kontinuums befin-
den, wollen sich mit reflektorischen und anregend-inspirierenden
Trainingsbausteinen auch nicht auseinander setzen. Latent wissen sie
häufig um ihre Führungsdefizite bzw. Lernfelder. Es fehlt ihnen nur
an Größe und Souveränität, sich einen Ruck zu geben.
Entsprechend ist das Training von Führungskräften weniger ent-
scheidend, als vielmehr eine geeignete Auswahl und Platzierung von
Führungskräften (Gerbert und von Rosenstiel 1996). Nur durch eine
geeignete Auswahl gelingt es, eine für den Führungserfolg wichtige
Entsprechung zwischen Vorgesetztenorientierung und Situation si-
cherzustellen.
Ein seit einigen Jahren existierendes und probates Instrument, um
sich ein differenziertes Bild seiner Leistungsträger zu verschaffen, ist
das Management Audit.
261
5.6.6 Managementanalyse-Instrument: Management-Audit
262
des eigenen Führungsteams zu nutzen. Denn nur wer seine Füh-
rungsmannschaft wirklich kennt, kann sie entsprechend ihrer spezi-
fischen Stärken wirkungsvoll einsetzen.
Losgelöst vom klinischen Tagesgeschäft und ungetrübt von sub-
jektiven Vorurteilen kann der beauftragte Berater bei einem Ma-
nagement-Audit in einer stressfreien und wertschätzenden
Gesprächsatmosphäre die Qualifikationen der befragten Führungs-
kraft oder des Spezialisten erfassen und die Person in ihrer Gesamt-
heit, mit ihren motivierenden bzw. demotivierenden Instanzen ver-
stehen. Das Management Audit ist somit ein differenzial-psycho-
logisch-diagnostischer Ansatz, der zum Inhalt hat, Entscheider und
Gestalter eines Klinikums im Hinblick auf ihr persönliches Stärken-/
Lernfelderprofil zu untersuchen. Während ein Assessment Center
für Hochschulabsolventen und Berufsanfänger zielführend ist, bie-
tet das Vorgehen über das Management-Audit eine »senioritätsge-
rechte« und kompetente Ergänzung. Darüber hinaus trifft es bei den
zu auditierenden Gesprächspartnern auf eine wertschätzende Reso-
nanz und Akzeptanz.
Basierend auf den Ergebnissen kann dann z. B. die Machbarkeit
von anstehenden Veränderungsprozessen genauer überprüft werden.
Dabei ist der strategische Bezug im Hinblick auf seine organisato-
rischen Auswirkungen einschließlich Beförderung, Rochaden oder
Personalabbau besonders zu betonen. Weiterhin ist es von entschei-
dender Wichtigkeit, die häufig unternehmenstypischen Kommunika-
tionsstrukturen zu erfassen, um daraus ein transparentes Abbild der
offiziellen und inoffiziellen Berichtswege zu dokumentieren.
Erfahrungsgemäß gibt jedes Interagieren mit anderen uns umge-
benden Menschen und jedes Verhalten Aufschluss über unsere Per-
sönlichkeit. Üblicherweise handelt ein Individuum persönlichkeits-
konform. Das heißt, ein Individuum agiert in unterschiedlichen
Lebensbereichen ähnlich und immer vor dem Hintergrund seiner
individuellen Prägung. Somit gibt jedes Verhalten, z. B. der Umgang
mit den eigenen Kindern, das Verhalten in der Freizeit und das Pfle-
gen von Freizeitbeschäftigungen/Hobbys reichhaltige Informatio-
nen über den Führungsstil und die Persönlichkeit eines Indivi-
duums.
263
Neben der fachlichen Qualifikation steht somit für den auditierenden
Berater vor allem die Managementkompetenz im Vordergrund. Mittels
eines vertraulichen »Vieraugengesprächs« werden durch externe Bera-
ter die konzeptionelle, soziale und Verhaltensdimension hinterfragt,
um ein differenziertes Bild der Gesamtpersönlichkeit zu erlangen.
Dabei ist zu betonen, dass es konkret nicht um »gute« oder
»schlechte«, sondern um passende und weniger passende Persön-
lichkeiten für die jeweilige Aufgabe geht. Jeder Standort eines Kli-
nikums und jede Region hat ihre individuelle Konstellation, He-
rausforderung, Unternehmenskultur oder Konkurrenzsituation. Eine
Führungskraft, die an dem einen Klinikum erfolgreich wirkt, muss
nicht automatisch auch an dem anderen Krankenhaus mit anderen
Rahmenbedingungen ebenso erfolgreich sein.
Das Interview sollte durch zwei Berater abgehalten werden, die zeit-
versetzt mit dem Gesprächspartner ein fünf- bis siebenstündiges Vierau-
gengespräch führen. Zwei Berater erhöhen die Objektivität der Betrach-
tung und damit das Interviewergebnis zum Wohle des Auftraggebers
und des Interviewten. Ferner können mögliche Tagesschwankungen der
Interviewten durch zeitversetzte Gespräche ein wenig ausgeglichen wer-
den. Erfahrungsgemäß kratzen Gespräche, die weniger Zeit in Anspruch
nehmen, eher an der Oberfläche, lassen wenig Nachfragen zu und wer-
den somit weniger der Differenziertheit des Interviewpartners gerecht.
Zahlreiche Personalberater sind, wie bereits oben angedeutet, eher
umsatzfokussiert und daher bleibt bei vielen Beratungen die Qualität
der Ergebnisse unzureichend. Außerdem finden sich kaum Berater,
die über eine akademisch-psychologische Expertise verfügen und Er-
fahrungen in Interviewtechniken vorweisen können. Bei der Auswahl
der Berater sollte der Auftraggeber daher die akademische und prak-
tische Expertise der Berater genau hinterfragen! Viele der selbster-
nannten Experten verweisen hier lediglich auf ihre vielen Hunderte
von Interviews, ohne dabei auf ein theoretisch fundiertes Basiswissen
zurückgreifen zu können. Akademisch fundierte Interviewtechniken,
Testgütekriterien und Testtheorie oder psychologische Theorien sind
hier meist nicht vorhanden.
Der zu auditierende Interviewpartner sollte sich im Gespräch mög-
lichst authentisch zeigen. Hilfreich ist es, wenn der Interviewte offen
264
Abbildung 5-31: Management Audit: Dimensionen.
265
Auswertung aller zusammengetragenen Informationen stattfinden.
Dabei sollte ein erfahrener Berater in einem differenzierten State-
ment seine Wahrnehmung dem Interviewpartner transparent ma-
chen. Darauf aufbauend kann der Interviewte das gegebene Feedback
anschließend mit vertrauten Personen und/oder seinem Vorgesetzten
überprüfen und daran arbeiten.
Die Evaluierung der existierenden Führungskräfte sollte immer im
Quervergleich zu Profilen extern verfügbarer Manager erfolgen. In
diesem Zusammenhang ist gerade die professionelle Begleitung von
externen und branchenversierten Beratern sinnvoll, da diese eher im-
stande sind, losgelöst von etwaigen subjektiven und/oder politischen
Einschätzungen einen Vergleich mit externen Benchmarks herbei-
zuführen. Daher sollten die zwei interviewenden Berater aus einem
möglichst ähnlichen akademischen Feld wie der Interviewpartner
kommen. Im konkreten Kontext sollte mindestens einer der beiden
Berater Mediziner oder praxiserfahrener Psychologe sein.
Checkliste:
Anregungen für »Betroffene« eines Management-Audits
• Bleiben Sie authentisch und spielen Sie keine Rolle.
• Erinnern Sie sich an konkrete Beispiele aus Ihrer beruflichen Vergangenheit. Wann
gab es welche Probleme, und wie haben Sie diese gemeistert? Welche kurz- und
langfristigen Strategien haben Sie mit Ihrem Team und mit sich für die Zukunft?
• Holen Sie sich Feedback von einem Freund oder Ihrem Lebenspartner ein. Kon-
sultieren Sie einen vertrauten Menschen oder einen Coach, der Ihnen aus seiner
Perspektive Ihre Stärken und Schwächen aufzeigt. Wie erlebt er Sie, und wie ge-
hen Sie mit Konflikten oder Schwierigkeiten um?
• Bitten Sie Ihren Vorgesetzten vor dem Audit-Interview um eine detaillierte Rück-
meldung Ihrer Arbeit. Wie beurteilt er Sie, und wo sieht er Sie in der Zukunft?
• Fragen Sie nach. Da die meisten Fragen des Beraters offen gestellt werden, be-
stimmen Sie mit Ihren Antworten, in welche Richtung das Gespräch verläuft. Ha-
ken Sie nach: »Habe ich das verständlich gemacht?«
• Vermeiden Sie ausschweifende Antworten. Bringen Sie Ihre Antwort auf den
Punkt.
• Vermeiden Sie es, sich im anschließenden Feedbackgespräch zu rechtfertigen,
wenn die Beurteilung nicht mit Ihrer Einschätzung übereinstimmt. Bitten Sie Ihren
Gesprächspartner lieber, Ihnen konkrete Situationen oder Kriterien zu nennen, um
Ihnen Transparenz zu verschaffen.
266
Die Informationen aus der Summe der Einzelgespräche werden –
in Abhängigkeit des Audit-Typs – üblicherweise in ein bis zwei Do-
kumentationen zusammengefasst. Zum einen wird aus jedem der
individuellen Interviews ein umfassendes und differenziertes Exposé
erstellt, das Aussagen hinsichtlich Persönlichkeit, Motivation, Leis-
tungsbereitschaft und Qualifikation für weiterführende Aufgaben ent-
hält. Weiterhin werden die aus den einzelnen Audits gewonnenen Be-
obachtungen und Erkenntnisse, die dem Auftraggeber wichtige
Informationen liefern, aufgenommen und gesondert zusammen-
gefasst.
In diesem Zusammenhang können Aussagen zur Zukunft des Kli-
nikums, Befürchtungen, Zweifel, Hinweise und Empfehlungen zur
Struktur- und Ablauforganisation, Kommunikation und Unterneh-
menskultur wichtige Informationen liefern. Zumeist resultieren hie-
raus konkrete, kurzfristige Maßnahmen sowie Ansatzpunkte für
mittel- und langfristige Führungskräfteentwicklungen und für die
Entwicklung der Struktur- und Ablauforganisation. Parallel dazu soll-
ten die am Management-Audit beteiligten Führungskräfte ein unmit-
telbares Feedback erhalten sowie darüber hinaus summarisch über
das Gesamtbild informiert werden.
267
legen auf gleicher Ebene und dem übergeordneten Management zu
unterscheiden.
Mögliche Fehler:
– Zahlreiche Führungskräfte fragen nur unzureichend ihre Vorge-
setzten nach den einfachsten Dingen, wie Kriterien und Meilenstei-
nen, die ausgesprochen und implizit von ihnen erwartet werden.
– Ferner stimmen sich nur die wenigsten neuen Führungskräfte mit
ihren Kollegen auf gleicher Ebene ab. Kollegen erwarten, dass sich
der Neue nach den »Spielregeln« erkundigt, sich an diese hält und
neue bzw. konsequenzentragende Ideen vorsichtig und in Abstim-
mung präsentiert. Kollegen wünschen sich Respekt sowie Anerken-
nung.
– Weiterhin wird zu wenig die Erwartungshaltung des neuen Teams
und der unterstellten Mitarbeiter geklärt. Dabei gilt es zwischen
Teamaufgaben und Teamzielen einerseits und persönlichen Erwar-
tungen andererseits zu unterscheiden.
268
Abbildung 5-32: Erwartungen an neue Führungskräfte.
269
Erst wenn Sie ein grobes Bild der Kontextfaktoren haben, nehmen
Sie sich vorsichtig und sensibel Ihrer eigenen gesteckten Ziele an.
Stürzen Sie sich dabei nicht auf ein Problem, welches angeblich ganz
dringend gelöst werden muss.
Erfolgreichen Führungswechslern gelingt es von Anfang an, ein posi-
tives Veränderungsklima zu entwickeln (Fischer 1997). Es gelingt ih-
nen, ihr Team auf die anstehenden Veränderungen einzustimmen,
die anfängliche Skepsis aufzulösen und ein positives »Wir-Gefühl« zu
entwickeln. Diese positive Teamhaltung bildet die Basis, um auch ehr-
geizige Projekte zu meistern.
5.6.8 Teamentwicklung
Ein intaktes Team ist für einen klar definierten Arbeitsvorgang ver-
antwortlich. Teams leisten nicht nur die ihnen übertragene Aufgabe,
sondern regulieren und organisieren sich auch selbst. Basis einer
erfolgreichen Teamarbeit ist ein offen-konstruktiver und vertrauens-
voller Umgang.
Selbst steuernde Teams haben u. a. folgende Eigenschaften:
– Sie definieren sich im Kontext der übergeordneten Ziele ihre
eigenen Teilziele.
– Sie sind an Management- und Führungsfunktionen beteiligt.
– Sie planen und überprüfen die Qualität ihrer Arbeit und
beurteilen so die Leistung der Gruppe.
– Sie erstellen sich ihre eigenen Arbeitspläne und regulieren die
Materialbeschaffung und die Lagerung. In diesem Zusammenhang
planen sie das Budget und stimmen die Zusammenarbeit mit
kooperierenden Abteilungen ab.
– Sie kümmern sich ziel- und aufgabenorientiert um die berufliche
Weiterbildung einzelner Mitglieder.
270
bung ist ein klares Signal hin zu einer mündigen Gruppe, die quasi
als »Miniklinik« organisiert und kontrolliert wird.
Wie oben skizziert, geht es also um die Übergabe/Delegation von
Autorität und Verantwortung an die Teammitglieder. Durch dieses
Vorgehen werden die Teammitglieder angeregt, Verantwortung zu
übernehmen, sich selbst zu regulieren und mehr aus ihrem Wissen
und ihrer Lernfähigkeit herauszuholen. Ein weiterer Vorteil ist, dass
der Vorgesetzte sich durch diese Delegation von zahlreichen adminis-
trativen Aufgaben frei macht und sich somit mehr um Patienten, die
Vertiefung seiner fachlichen Kompetenz und um seine Team-
mitglieder kümmern kann.
Ein leistungsfähiges Team besteht somit aus hoch motivierten Einzel-
individuen, die einander vertrauen, zielgerichtet arbeiten, durch
Sprechen und Handeln wirkungsvoll kommunizieren, gemeinsam
entscheiden, ihre Planung, Entscheidungsfindung und Qualitätskon-
trolle systematisch verfolgen sowie Fehler und Zuwiderhandlungen
selbst maßregeln (Byham, Wellins und Wilson 1992).
271
272
273
274
275
276
277
278
279
280
Abbildung 5-33: Checkliste Zielvereinbarungsgespräch.
281
5.7 Verschwendungsmanagement
282
Abbildung 5-35: Manager delegieren Aufgaben und Tätigkeiten, und sie vereinba-
ren Ziele. Erfolgreiche Manager delegieren sinnvolle Arbeiten an
wertvolle Arbeitsplätze.
283
Abbildung 5-36 Jeder Aktivitätsbereich einer Stelle kann nach Wertschöpfungs-,
Wertvernichtungs- und Innovationsanteilen aufgeteilt werden.
284
Abbildung 5-37: Die wichtigste Ursache für Verschwendung ist mangelhafte Kom-
munikation und mangelhafte Zusammenarbeit.
285
5.8 Persönliches Verhalten
Wilfried von Eiff
286
rungsherausforderung besteht darin, diese unterschiedlichen Typen
auf eine gemeinsame Linie zu bringen. Das Unternehmen Kranken-
haus ist wie jedes andere Unternehmen daher so erfolgreich, wie es
gelingt, Chef und Mitarbeiter zu einem Team, besser zu einem Hoch-
leistungsteam zusammenzuschließen. Hochleistungsteams setzen
sich selten aus Mitarbeitern zusammen, die zueinander passen, weil
sie gleiche Ansichten teilen, gleiche Ausbildungsrichtungen absol-
viert haben oder gleiche Funktionen wahrnehmen. So viel Gleichheit
führt in der Regel zu innovationsarmen Lösungen. Daher sollten sich
die Teams aus Mitarbeitern zusammensetzen,
– deren Fachqualifikation sich ergänzt, aber dabei aus unterschied-
lichen Professionen und Erfahrungshintergründen stammt, und
– die vom Verhaltenstyp her divergente Pole besetzen: strukturierter
Denker, Logiker, Kreativer, Analyst, Finanzorientierter, Überprü-
fender, Macher.
287
– Der Analytiker sorgt für solide Entscheidungsgrundlagen.
– Der Systematiker hält den Leistungsprozess transparent und nach-
vollziehbar.
– Der Konzeptionalist strickt den Konzeptrahmen für eine qualifi-
zierte Lösung.
Wer andere führen will, muss sich selbst führen können. Dazu muss
die Führungskraft wissen,
– welche Persönlichkeits- und Motivationsstruktur ihr Denken und
Handeln leitet;
– wie das eigene Verhalten, der eigene Kommunikationsstil auf andere
wirkt;
– welche anderen Persönlichkeits- und Motivationstypen es gibt
und wie diese Menschen in der arbeitstäglichen Realität auf Kom-
munikation reagieren;
– welche Stärken ihre Persönlichkeit bestimmen;
– welche Schwächen sie daran hindern, die eigenen Stärken wir-
kungsvoll zu entfalten;
– welcher Menschen- bzw. Persönlichkeitstyp kommunikativ am
nächsten liegt;
– welcher Menschen- bzw. Persönlichkeitstyp in der täglichen Zu-
sammenarbeit eine eigene Verhaltensänderung erfordert, um ge-
meinsame Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können;
– welche Verhaltensmuster über Jahre eingeübt wurden, weil man
annahm, die soziale Umgebung erwarte dies und
– wie weit dieses »Masken-Verhalten« von der tatsächlichen, typen-
gerechten Einstellung entfernt ist.
288
Abbildung 5-38: Psychologische Grundfunktionen (nach Jung): Wahrnehmung
und Beurteilung als Stufen in einem Entscheidungsprozess sind
geprägt durch individuelle Präferenzen.
289
Analysegrundlage für diese acht Verhaltenstypen ist die Unter-
teilung zwischen Wahrnehmungsmuster (Detailorientierung versus
Gesamtorientierung) und Urteilsmuster (Sachorientierung versus
Gefühlsorientierung) eines Menschen.
Es gibt zwei Wahrnehmungsmuster, die ein Mensch in der Kind-
heit entwickelt, und die prägen, wie er als Erwachsener die Welt wahr-
nimmt:
– Detailorientierung: Menschen mit ausgeprägtem Realitätssinn und
einem Bedürfnis nach Fakten und Daten nehmen die Umwelt über
die fünf Sinne wahr (Sinneswahrnehmung/Empfinden). Dies hat
eine hohe Detailorientierung zur Folge.
– Gesamtorientierung: Erfasst ein Mensch die Welt hingegen mehr
über den sechsten Sinn, über die Intuition, dann sieht er vor-
nehmlich die Möglichkeiten in allen Dingen, erfasst das große
Gesamtbild und orientiert sich in seinem Handeln wesentlich an
Visionen (Zielen) über seine Zukunft.
290
Beobachter Systeme auf Machbarkeit und Wirksamkeit überprüfen
Reformer neue Methoden entwickeln und innovative Konzepte systematisch
einführen
Direktor schnelle Orientierung, pragmatische Ziele ableiten, im Pilot testen
und durchsetzen
Motivator neue Ideen kreieren, andere begeistern und zielorientiert deren
Engagement aktivieren
Inspirator die Ideen verständlich aufbereiten und an andere weitervermitteln
Berater sich mit anderen beraten und abstimmen, alternative Sichten ken-
nen lernen, Kompromisse finden und gemeinsam ohne Wider-
stände realisieren
Unterstützer Strukturen und entsprechende Hilfen anbieten sowie Coach sein
Koordinator sich an bereits bewährte Verfahren halten und innovative Entwick-
lungen auf den Prüfstand der aktuellen Realität legen
291
Liegen Basisstil und adaptierter Stil deutlich auseinander, wirkt
sich dies auf das individuelle Wohlbefinden aus oder kann zu Stress-
reaktionen führen.
Führung findet nicht im »luftleeren Raum« statt, sondern ist im-
mer auch als Prozess der Kommunikation zwischen Vorgesetzten
und Mitarbeitern zu sehen. Jeder Kommunikationstyp wirkt aufgrund
seiner Eigenarten auf andere Kommunikationstypen in unterschied-
licher Weise:
Tabelle 5-2: Jeder Kommunikationstyp ist durch »typische« Verhaltens- und Kom-
munikationsmuster geprägt.
292
Standardvorwurf Reaktion
Beobachter Seien Sie nicht so theoretisch! Teams müssen Konzepte
sorgfältig analysieren, bevor
sie effektiv arbeiten können.
Reformer Seien Sie nicht so grob! Manchmal braucht dieses
Team einen Tritt, um wieder
an die Arbeit zu gehen.
Direktor Treiben Sie uns nicht an! Wir haben harte Arbeit vor
uns, die sofort erledigt
werden muss.
Motivator Kommen Sie nicht dauernd Innovation verschafft uns
auf neue Ideen! neue Aufträge.
Inspirator Reden Sie nicht so viel! Für den Erfolg des Teams ist
es wichtig, Spaß miteinander
zu haben.
Berater Machen Sie sich nicht dauernd Es tut uns gut auf die Bedürf-
Sorgen um jemanden! nisse jedes Einzelnen zu
achten.
Unterstützer Seien Sie nicht dauernd belei- Unsere tiefsten Überzeugun-
digt! gen zu erkunden, hält uns
auf dem richtigen Weg.
Koordinator Seien Sie nicht so kleinlich! Präzision und Genauigkeit
der Informationen helfen un-
serem Team, gute Arbeit zu
leisten.
293
5.9 360-Grad-plus-Methode:
Systematisches Rundum-Feedback als Grundlage der
lernenden Organisation
294
täglichen Kunden«: Führungskräfte werden durch Vorgesetzte, Kolle-
gen, Mitarbeiter und auch durch interne und externe Kunden beur-
teilt. Die Außenwahrnehmungen werden mit der Selbstwahrneh-
mung des jeweiligen Managers verglichen, sodass Unterschiede
zwischen Selbst- und Fremdbild hervortreten und die Qualität des Be-
ziehungsgefüges zwischen Beurteiltem und Beurteilendem sichtbar
wird. Es werden alle »kundenrelevanten« Perspektiven eingeholt, um
einseitige Einschätzungen zu vermeiden.
Das Instrument dient im Besonderen den Führungskräften, um
auf der Basis sozialer Wahrnehmungsprozesse im Arbeitsalltag ihren
Führungsstil und die Wirksamkeit ihres Verhaltens zu analysieren.
295
Abbildung 5-39: Die 360-Grad-Methode zur Unterstützung der Wettbewerbs-
position eines Krankenhauses.
296
5.8.1 Personalbeurteilung versus Personalentwicklung
297
Abbildung 5-40: Die Ziele Personalentwicklung und Personalbeurteilung dürfen
mit der 360-Grad-Methode nicht gleichzeitig verfolgt werden.
(Quelle: 360°-Methode: Weiterentwicklung statt hitziger Rund-
umschläge, Psychonimics, Ansgar Metz, Dr. Stephan Roth, Köln)
298
Möglicher Nutzen
• Vergleich von Selbst- und Fremdbild;
• Anreizsystem in Form einer immateriellen Belohnung;
• Generierung von Ideen für Personalentwicklungs- und Verhaltensänderungs-
maßnahmen;
• Verbesserung der Kommunikation zwischen den Teammitgliedern
• Steigerung der Teameffizienz;
• für Mitarbeiter die Möglichkeit, aktiv Einfluss zu nehmen und zu erfahren, dass
dem Unternehmen das Verhalten seiner Führungskräfte nicht gleichgültig ist;
• Ideen für gezielte Maßnahmen zur Verbesserung von Führungsverhalten,
-prozessen, -instrumenten und -systemen durch bereichsübergreifende
Auswertung
• Stärkung der Kundenbindung;
• Förderung von Selbstorganisations- und -steuerungsprozessen;
• Hinweise für Organisations- und Kulturentwicklungsmaßnahmen.
299
– das Verfahren von einer neutralen, fachlich qualifizierten und
machtpolitisch akzeptierten Personalabteilung gesteuert und
kritische Bestandteile im Einzelfall moderiert werden; und
– die Beurteilungsmesslatte transparent ist und das Verfahren zu
Konsequenzen führt.
Neben Verantwortungsbeschreibungen, Feedback-Karten, Beschwer-
demanagement und Kulturdiagnosen wird insbesondere die so ge-
nannte »Insights«-Technik als Instrument im Rahmen des 360-Grad-
Feedbacks eingesetzt.
– Die Arbeitsstellenanalyse fixiert die Anforderungen einer Stelle im
Hinblick auf Verhalten, Kommunikations- und Arbeitsstil.
– Der »Leadership«-Check gibt individuelles Feedback über die Kom-
munikationseinheiten einer Person sowie über deren Motivations-
struktur. Auf dieser Basis können die individuelle Entwicklung eines
Mitarbeiters und Organisationsentwicklung aufeinander abgestimmt
werden.
Das 360-Grad-Feedback entwickelt sich so zum 360-Grad-Plus-Feed-
back. Abbildung 5-41 stellt diese – um die Dimension der persön-
lichen »Innensicht« – erweiterte Variante dar.
300
5.10 Storytelling: Was das »Erzählen von Geschichten«
mit Organisationsentwicklung und
Unternehmenskultur im Krankenhaus zu tun hat
5.10.1 Einleitung
301
›unerfreuliche Entwicklung‹. Jetzt wüssten sie aber zumindest, dass
sie mit der Hebamme ins Pegnitzer Krankenhaus gehen können.
Wenn es in Eschenbach keine Geburtshilfe mehr gibt, dann habe das
folgenschwere Auswirkungen. Renate Wilhoit: ›Eine Notfallgeburt
darf de facto nicht eintreten.‹« (Oberpfalznetz 26.01.2005)
Diese Geschichte weckt Emotionen. Man kann sich gut vorstellen,
welche Gefühle die Schließung des Krankenhauses in der Bevölke-
rung auslöst.
In der letzten Zeit hat das Interesse am systematischen Einsatz von
Geschichten in Organisationen deutlich zugenommen. In unserer
Gesellschaft hat sich Wissen zu einem Wettbewerbsvorteil etabliert.
Diese Entwicklung geht mit der Erkenntnis einher, dass sich das Wis-
sen innerhalb von Organisationen nicht vollständig mit rationalen
Methoden erfassen lässt. Wie wichtig es ist, Methoden zu finden, die
personengebundenes Wissen systematisch nutzbar machen, zeigt
die Untersuchung der Giga Information Group aus dem Jahr 2002.
In einem Unternehmen ist 80 Prozent des Wissens personengebun-
den, weitere 16 Prozent sind unstrukturiertes Wissen und vier Pro-
zent sind strukturiertes Wissen. Der Versuch Wissen zugänglich zu
machen, das sich analytischen Methoden verschließt, hat zu einer
Neuentdeckung einer der ältesten Methoden der Kommunikation ge-
führt – dem Geschichtenerzählen.
Damit aus Daten Informationen werden und in der Folge Wissen ent-
steht, müssen diese Daten sinnvoll strukturiert werden und an etwas
anknüpfen, was bereits bekannt ist (Frenzel, Müller und Sottong
2004: 28).
Geschichten betten die Informationen in einen Gesamtzusam-
menhang ein und sind damit einprägsamer als abstrakte Informatio-
302
nen. Gute Geschichten zeichnen sich dadurch aus, dass sie anschau-
liche Informationen liefern, dass man sie sich gut merken kann und
dass sie freiwillig weitererzählt werden (Frenzel, Müller und Sottong
2004: 27). Richard Stone beschreibt noch einen weiteren Effekt von
Geschichten: Wenn er die Teilnehmer seiner Trainings bittet, fanta-
sievolle Geschichten zu erfinden, die nichts mit der Realität zu tun ha-
ben, dann werden die Teilnehmer aufgeregt und energiegeladen,
neue Ideen und Gedanken strömen aus ihnen heraus (Stone 2004).
In der Arbeitswelt wird diese Wirkung von Geschichten häufig ver-
gessen, aber wir alle haben dennoch umfangreiche Erfahrungen mit
Geschichten. Wir wachsen als Kinder mit Geschichten auf, und wir
lieben es, im Mittelpunkt zu stehen, wenn man uns zuhört, weil wir
eine gute Geschichte zu erzählen haben. Geschichten vermitteln Sinn
und stiften Identität.
Umberto Eco schrieb 1983: »Der Mensch ist von Natur aus ein
Geschichten erzählendes Wesen.« Der Kommunikationsforscher
Fischer (Fischer 1984) beschreibt die menschliche Rasse gar als
»homo narrans«.
Im Fazit heißt dies: Wo Menschen sind, da werden auch Geschich-
ten erzählt. Obwohl die Arbeitswelt auf den ersten Blick von Zahlen,
Daten und Fakten geprägt ist, so sind Geschichten dennoch allgegen-
wärtig – auch wenn sie in die Kaffeeküche, die Kantine oder den Flur
verbannt wurden.
Zunächst ist also zu fragen, welche Arten von Geschichten in Orga-
nisationen allgemein und im Krankenhaus im Besonderen existieren.
303
bereits als Trainingseinheiten für medizinisch nicht vorgebildete Epide-
miologen und Biostatiker eingesetzt. Ebenfalls können diese Serien in
der Medizinerausbildung beim Training der Arzt-Patienten-Kommuni-
kation zum Einsatz kommen. (Igersky und Schmacke 2000: 129 ff.)
Hier soll anhand der Pilotfolge von »Chicago Hope« verdeutlicht wer-
den, welche Arten von Geschichten es in Krankenhäusern gibt und wel-
che Faktoren eine gute Geschichte ausmachen.
304
– Welche Biografie hat der Patient? Welche Vorlieben und Laster
hat er? Warum ist der Patient überhaupt hier?
– Welchen unvorhergesehenen Krankheitsverlauf gab es?
Unerwarteter positiver/negativer Verlauf der Krankheit?
– Welche Dokumentations- und Berichtspflichten gibt es?
– Was ist rechtlich erlaubt?
– Wie kann man trotz der beruflichen Belastung sein persönliches
Fort- bzw. Weiterbildungsziel erreichen?
305
fassung und Übertragung von weichem Wissen. Hierzu gehört
beispielsweise das Wissen über die Unternehmenskultur oder das
Wissen um Abläufe (Thier 2004: 11 ff.). Die Organisation wird durch
zahlreiche versteckte Spielregeln geprägt (Scott-Morgan 1994). Man
sieht in der Regel nur die Spitze des Eisbergs, was darunter liegt
bleibt verborgen. Geschichten können helfen, diese versteckten Spiel-
regeln aufzudecken. Die Abbildung 5-42 illustriert das Phänomen des
Organisations-Eisbergs (von Eiff 2000: 27).
Geschichten haben in bestimmten Situationen einen höheren
Informationswert als direkte Fragen, da sie kein Frage-Antwort-
Schema auslösen. So führen direkte Fragen eines Vorgesetzten wie:
Abbildung 5-42: Durch die versteckten Regeln wird das Unternehmen zum
schwer berechenbaren Eisberg.
306
Abbildung 5-43: Geschichten können in zahlreichen Unternehmensbereichen
eingesetzt werden.
307
Die Einsatzfelder Mitarbeiterführung/Mitarbeitermotivation, Ana-
lyse und Intervention werden nicht separat dargestellt, da sie in allen
Einsatzfeldern eine Rolle spielen.
308
werden zu Geschichten, die sich die Mitarbeiter über Jahre hinweg
erzählen.
Die Unternehmenskultur ist ein sehr komplexes Konstrukt und
kann durch Fakten und Zahlen nicht greifbar gemacht werden. Das
Management kann eine Soll-Kultur definieren, aber die Ist-Kultur
nur bedingt beeinflussen. Zur Entschlüsselung der inoffiziellen
Unternehmenskultur kann die Storytelling-Analyse eingesetzt wer-
den. Geschichten und Anekdoten von Mitarbeitern werden analysiert;
so wird das »Unternehmen im Kopf der Mitarbeiter« aufgedeckt
(Frenzel, Müller und Sottong 2000).
Eine Methode, um die Unternehmenskultur gezielt zu verändern,
hat David Snowden von IBM entwickelt. Snowden nennt diese Methode
Story Construction. Zunächst werden im Unternehmen gezielt Anek-
doten gesammelt. Diese werden dann neu konstruiert, sodass sie die ge-
wünschten Normen und Werte enthalten, schließlich werden sie gezielt
in Umlauf gebracht (zu den einzelnen Methoden vgl. Tabelle 5-3).
5.10.6 Wissensmanagement
309
ser Methode wird das Wissen von Mitarbeitern über entscheidende Er-
eignisse in der Vergangenheit aus unterschiedlichen Perspektiven er-
fasst, analysiert und als Geschichte aufbereitet, sodass diese Erfahrungen
zukünftig auch von anderen Personen genutzt werden können. Diese
Methode basiert auf einem mehrstufigen Verfahren und wurde bereits
überzeugend wissenschaftlich untersucht. Die einzelnen Stufen der Me-
thode sind in Tabelle 5-3 dargestellt (Kleiner und Roth 1998).
Geschichten sind im Wissensmanagement dann besonders gut ge-
eignet, wenn es darum geht, »weiches Wissen« oder »implizites Wis-
sen« sichtbar zu machen. Dieses Wissen ist in der Regel personenge-
bunden und oft ist sich der Wissensträger selbst nicht bewusst, dass
er dieses Wissen hat. Es handelt sich häufig um Wissen über den Um-
gang mit bestimmten Personen oder über den Ablauf von Prozessen.
Mit Geschichten kann dieses Wissen zutage gefördert und dann auch
anderen Mitarbeitern im Unternehmen zugänglich gemacht werden.
Geschichten eignen sich auch für die Weitergabe von Wissen, weil
sie theoretischem Material mehr Relevanz geben und so ein Lernklima
ohne Langeweile schaffen und eine höhere Aufmerksamkeit erzielen.
Das bekannteste Anwendungsbeispiel für den Einsatz von Ge-
schichten im Wissensmanagement ist die Firma Xerox. In den 80er-
Jahren suchte Xerox systematisch nach Möglichkeiten, um die Pro-
duktivität der technischen Servicemitarbeiter zu steigern. Ein Anthro-
pologe reiste daraufhin mit einer Gruppe von Technikern zu den
Kunden. Er stellte fest, dass die Techniker sich in ihren Gesprächen
untereinander immer wieder Geschichten rund um die Reparatur von
Kopiergeräten erzählten. In diesen Gesprächen ging es um besonders
knifflige Fehler und wie man diese diagnostiziert und beseitigt hat.
Das Management von Xerox setzt diese Leidenschaft, Geschichten zu
erzählen, gezielt ein, um technisches Detailwissen zu verbreiten
(Frenzel, Müller und Sottong 2004: 19 ff.).
Im Krankenhaus gibt es zahlreiche Schnittstellen, an denen Wis-
sen verloren gehen kann. Eine optimale Behandlung ist nur dann
möglich, wenn die Informationen auch an Schnittstellen korrekt
weitergegeben werden und wenn die unterschiedlichen Spezialisten
miteinander kommunizieren. Man stelle sich vor, dass die Kommu-
nikation zwischen Pflegekräften und Ärzten in einem Haus schlecht
310
ist. Die Schwester erzählt dem Arzt nicht, was der Patient ihr heute so
nebenbei über seine Ernährungsgewohnheiten erzählt hat. Dem Arzt
fehlt damit eine wesentliche Information über den Krankheitsfall.
Dass dies kein Einzelfall ist, sondern eher die Regel, zeigt die CKM-
Studie »Führung und Motivation im Krankenhaus«: 80 Prozent der
Ärzte, 61 Prozent der Pflegekräfte und 55 Prozent der leitenden Ver-
waltungsmitarbeiter erachteten die »mangelhafte Kommunikation
zwischen den Berufsgruppen« als primäres und deutlich signifikan-
tes Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsrisiko (von Eiff 2000). Wenn in
einem Krankenhaus die Kultur des Erzählens gefördert wird, können
solche Informationsverluste signifikant reduziert werden.
Ein Beispiel für Storytelling im Wissensmanagement sind die im
Rahmen des Netzwerkes »Relationship-Centered Care« veröffentlich-
ten Kurzgeschichten zur beziehungsorientierten Pflege. Das Fetzer
Institut hat im Jahr 2000 rund 200 Praktiker aus dem Gesundheits-
wesen befragt, die sich für beziehungsorientierte Pflege interessieren.
In abwechslungsreichen Kurzgeschichten erfährt der Leser, welche
Rolle die Empathie des medizinischen Personals beim Heilungspro-
zess spielen kann. Diese Kurzgeschichten transportieren das Wissen
von Einzelfällen und ermöglichen damit Ärzten und Schwestern den
Zugang zu sonst explizitem Wissen der Personen, die tatsächlich in
diese Fälle involviert waren (Fetzer 2000).
5.10.7 Markenführung
311
Geschichten rund um Krankheit und Gesundheit haben die Men-
schen schon immer fasziniert. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein neuer
Artikel über dramatische Krankheitsfälle oder hilfreiche Gesund-
heitstipps publiziert wird. Krankenhäuser können daher Geschichten ge-
zielt einsetzen, um die Krankenhausmarke zu etablieren und zu stärken.
Ein Beispiel ist der Presseartikel über das Universitätsklinikum Dres-
den in der Bild-Dresden. Hier heißt es: Prof. Dr. Manfred Gahr (57), Di-
rektor der Kinderklinik: Bei ihm lernen Isabell und Rian wieder lachen.
Ein negatives Beispiel für die Auswirkung von Geschichten auf die
Marke ist die Geschichte um das Krankenhaus im bayerischen Sont-
hofen. Hier heißt es in der Überschrift: »Todes-Pfleger hatte Gift für
noch mehr Opfer (Bild.T-Online.de 31.07.2004)«. Wer möchte sich in
diesem Krankenhaus noch behandeln lassen? Geschichten können
also auch zu einem beträchtlichen Imageschaden führen.
312
informiert sind, konzentrieren sie sich auf den Flurfunk und die
Erörterung von Gerüchten. Demotivation und Skepsis sind die Folgen.
Das Management hat dann die Chance verpasst, die Mitarbeiter zu mo-
tivieren und die Geschichte des Unternehmens neu zu schreiben.
Führungskräfte können an dieser Stelle Geschichten einsetzen, um
Visionen und Sinnzusammenhänge überzeugend zu kommunizieren.
Ebenfalls bewährt haben sich Geschichten beim Aufbau von Ver-
trauen. Mittels Geschichten kann ein besseres Verständnis zwischen
zwei Gruppen geschaffen werden. So bietet sich der Einsatz von Ge-
schichten an, um bei einer Fusion von Krankenhäusern die Kultur des
jeweiligen anderen Hauses zu verstehen und Vertrauen zwischen den
Mitarbeitern der Häuser zu etablieren (Sole und Wilson 2005: 3 ff).
Viele Prozesse, Rituale und auch das eigene Handeln sind gut ge-
lernt und fest verankert im Bewusstsein, oftmals so fest, dass sie nicht
mehr reflektiert werden. Geschichten können helfen, sich dieser
unterbewussten Prozesse wieder bewusst zu werden und sie dann
auch zu verlernen. Eine andere Methode, die im Change Manage-
ment eingesetzt werden kann, ist die Methode des »Appreciative In-
quiry«. Hier geht es darum zu fragen: Was läuft gut im Unterneh-
men? Auf Basis der identifizierten Stärken werden positive Bilder und
Geschichten für die Zukunft entworfen. Ziel der Methode ist es,
vorhandene Stärken weiter auszubauen.
313
Patientin, die nach einem schweren Autounfall durch Verbrennungen
stark entstellt ist, wie wichtig ihr das Gefühl war, dass ihr Arzt ihren
Fall ernst nimmt. Hierzu gehörten auch Rituale wie die Anwesenheit
des behandelnden Arztes, bevor der Anästhesist die Narkose für eine
der zahlreichen plastischen Operationen gab.
In einer anderen Geschichte schildert eine Schwester, wie es ihr
gelang, mit einem Lied ein Lächeln auf das Gesicht einer mürrischen
und unkooperativen Alzheimer-Patientin zu zaubern und ihr Ver-
halten nachhaltig zu verändern (Fetzer 2000).
Was haben Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten mit Journalisten
gemeinsam? Der Kern der Arbeit dreht sich um Geschichten. 75 Pro-
zent aller Behandlungsfehler können auf Kommunikationsprobleme
zurückgeführt werden. Ein Arzt muss die wahre Geschichte seines
Patienten kennen, um ihn heilen zu können. Insbesondere sollte ein
Arzt das Zuhören lernen (Soden 2004). In seiner Rede an die Absol-
venten der »Mercer University School of Medicine« gibt NBC Medical
Correspondent Dr. Kevin Soden den Rat: »You have two ears and one
mouth – Use them in proportion«.
Auch das Erzählen von Geschichten kann Menschen auf dem Weg
der Heilung begleiten, weil sie einen neuen Blick auf die persönliche
Krankheitsgeschichte werfen. Der Körper unterscheidet nicht immer
zwischen realen und eingebildeten Ereignissen. Geschichten können
die Art und Weise verändern, wie jemand sein Schicksal wahrnimmt.
Mittels Geschichten kann dem Patienten suggeriert werden, dass er
mehr Verantwortung für sich selbst übernimmt, dass er ein Problem
nicht zu groß werden lässt, bevor er handelt, und dass er einem Prob-
lem ins Auge sehen muss, um es zu bekämpfen.
314
Management des intuitiven Wissens (Weidmann 1999: 2 ff.).
Intuitives Wissen ist selbst dem Wissensträger nicht bewusst; er kann es nicht in
Worte fassen. Intuitives Wissen wird automatisch in Alltagssituationen an-
gewendet. Fragt man eine erfahrene Pflegekraft »Und wie haben Sie gemerkt, dass
der Patient genau jetzt Ihre Hilfe braucht?«, dann hört man vielleicht
»Das hatte ich im Gefühl« – aber analytisch herleiten oder anderen Pflegekräften
dieses Wissen zugänglich machen kann sie nicht.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• intuitives Verhalten und Handeln • Anlass für ein Interview ist in der Re-
dem Wissensträger bewusst und gel eine aktuelle Herausforderung, für
zugänglich machen die der Interviewpartner neue Ideen
• erfolgreiche Handlungsstrategien braucht.
auf andere Mitarbeiter übertragen • halb strukturiertes Erfolgsinterview
• Inspirationsprozesse einleiten mit Einzelpersonen oder in kleinen
Gruppen
• Es wird ausschließlich über das Han-
deln gesprochen.
• gemeinsame Suche nach erfolgreichen
Handlungselementen in einer ähnlichen
Situation
• Aktivitäten und Grundhaltungen werden
in einer Mind-Map festgehalten, die sys-
tematische Verflechtungen darstellt.
• Erfolgsgeschichten werden entwickelt
und zu verschiedenen Anlässen verteilt.
• Geschichten sind kein Lehrmaterial im
klassischen Sinne, sondern sie sollen
Inspirationsprozesse einleiten. Beim Le-
sen entwickeln sich neue Ideen für ei-
gene Projekte.
Appreciate Inquiry (AI) (Cooperrider und Srivastva 1987)
Die Methode basiert auf der Annahme, dass alles, von dem man mehr haben
möchte, bereits in der Organisation existiert. Diese positiven Faktoren müssen nur
verstärkt und genutzt werden.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Mitarbeiter für neue Strategien • üblicherweise wird das 4-D-Modell
gewinnen verwendet.
• kulturelle Veränderungen einleiten – Discover: Mittels strukturierter Inter-
und begleiten views wird versucht herauszufinden,
• bevorstehende finanzielle Eng- was in der Organisation besonders
pässe kommunizieren gut funktioniert.
315
• Schwierigkeiten in Teams/Arbeits- – Dream: Diese Phase wird häufig
gruppen bewältigen bei Großgruppenkonferenzen durch-
• Enttäuschung aus der Vergangen- geführt. Die Beteiligten werden
heit überwinden animiert, sich die Organisation so
• dysfunktionale Verhaltensweise vorzustellen, als wären die in der
in Abteilungen/Gruppen korrigieren Discover-Phase entdeckten Momen-
te die Normalität und nicht die Aus-
nahme.
– Design: ein kleines Team soll nun
Wege entwerfen, wie man die in der
Dream-Phase erträumte Unterneh-
menskultur nun entwickeln kann.
– Deliver: Die Veränderungen werden
implementiert.
• Mitarbeiter werden angehalten, ihre
Kollegen nach den besten Geschichten
zu befragen.
• Geschichten werden als eine Art
Märchen präsentiert.
Messung nach innen gerichteter Flexibilität (entwickelt von der Unter-
nehmensberatung planlogos, zitiert nach Rughase 2001).
Häufig scheitern Veränderungen im Unternehmen daran, dass die Mitarbeiter und
Führungskräfte nicht flexibel genug sind. Mit dieser Methode soll die Ver-
änderungsbereitschaft der Mitarbeiter gemessen werden. Die Führungskräfte kön-
nen dann gezielt eingreifen, um die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter zu
fördern.
Anwendungsfelder und Ziele • Vorgehensweise
• Muster des kulturellen Wissens Es handelt sich um eine Methode der
ermitteln kognitiven Ethnologie und basiert
• nach innen gerichtete Flexibilität damit auf sprachlichen Äußerungen,
beschreiben: Wie flexibel sind die aus denen Rückschlüsse auf das
Mitarbeiter und Führungskräfte der zugrunde liegende Wissens- und
Organisation tatsächlich? Überzeugungssystem gezogen werden.
316
• Geschichten werden in einzelne Ele-
mente zerlegt. Diese Elemente werden
in Beziehung zueinander gebracht, so-
dass ein Netzwerk von Geschichten für
jeden einzelnen Interviewten entsteht.
• Diese Netzwerke werden untereinander
verglichen.
• Im Endergebnis entsteht eine kognitive
Landkarte des Unternehmens.
Storytelling-Analyse: Entschlüsselung der inoffiziellen Unternehmenskultur
(entwickelt von: System + Kommunikation, nach Frenzel, Müller
und Sottong 2000)
Mit dieser Methode soll das »Unternehmen im Kopf der Mitarbeiter« aufgedeckt
werden. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie sehen die Mitarbeiter das Unterneh-
men tatsächlich?
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• »Unternehmen im Kopf der Mit- • Zu erreichendes Ziel im Unternehmen
arbeiter« aufdecken wird festgelegt.
• Abweichung zwischen Soll-Kultur • Einzelgespräche: Dauer ca. eine Stunde
und Ist-Kultur aufdecken • Teilnehmern wird Anonymität zugesi-
chert.
• Mitarbeiter erzählt Arbeitsbiografie
• 10 bis 50 Gespräche (aus allen Hierar-
chie- und Tätigkeitsfeldern).
• Analysemethode: Struktur-Analytische-
Interpretation (SAI).
»Springboard stories« (Denning 2001)
»Springboard stories« lösen einen mentalen Sprung aus und sollen so zu einem
besseren Verständnis von Veränderungsprozessen beitragen.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Eine »Springboard story« löst Kriterien für Springboard Stories
beim Zuhören eine eigene implizit • basiert auf einem aktuellen Ereignis
vorhandene Geschichte aus. • relativ kurz, verständlich, interessant,
Happy End
317
»Story construction« (Snowden 2001)
Mit dieser Methode werden Geschichten konstruiert, die von gewünschten Regeln
und Normen erzählen und so eine Veränderung der Unternehmenskultur bewirken
sollen.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Veränderung der Unternehmens- • Reale Geschichten und Anekdoten
kultur aus dem Alltag eines Unternehmens
• reale Werte und Normen identifi- werden gesammelt und in kleinst-
zieren mögliche Komponenten zerlegt
und verwahrt.
• Unerwünschte Unterschiede zwischen
Soll- und Ist-Kultur werden identifiziert.
• Es werden Geschichten konstruiert, die
die gewünschten Werte und Regeln ent-
halten.
• Diese konstruierten Geschichten wer-
den gezielt in Umlauf gebracht.
Storytelling zur Übertragung stillen Wissens
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehensweise
• Stilles Wissen soll aufgedeckt und • eintägige dynamisch gestaltete Work-
weitergegeben werden. shops
• Teilnehmer sollen Anekdoten, lustige
Begebenheiten, Erfahrungen und Beob-
achtungen erzählen.
• Geschulte Beobachter haben die Auf-
gabe, Entscheidungen, Bewertungen
und gelöste oder ungelöste Probleme zu
identifizieren und zu einem Ablaufmodell
zu gruppieren.
Learning History (Erfahrungsgeschichten) (Kleiner und Roth 1998)
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Bildung von Vertrauen Das Vorgehen bei dieser Methode
• Sozialisation und Festigung des kann in sieben Schritte unterteilt
Zugehörigkeitsgefühls werden:
• Themen aufgreifen, die sonst nicht Planen (»planning«)
angesprochen werden. • Methodeneinsatz in der Organisation
abstecken
• Bewahrung und Transport von • Es wird ein Team von Erfahrungs-
Organisationskultur historikern gebildet.
• Erschließung der inoffiziellen • Suche nach »noticable results«
Unternehmenskultur (zentralen Ereignissen und Projekten)
318
• Wissenstransfer • Klärung von Vertrags- und Budget-
• Vermittlung und Speicherung fragen
von Wissen Interviewen
• Grundstock an übertragbarem • Interviews (ohne Leitfaden)
Wissen generieren mit 50 bis 200 Personen
• Change-Prozesse einleiten und (unterschiedliche Hierarchien)
unterstützen Auswerten
• Transkription der Interviews
• Erfahrungshistoriker suchen nach
bedeutenden Themen/Zitaten etc.
Erstellen (»writing«)
• Anlehnung an das anthropologische
Konzept des »jointly told tale«
Validieren
• Abstimmung der Geschichte mit allen
Beteiligten
Verbreiten
• Alle Bereiche in der Organisation wer-
den in einem Workshop mit dem Doku-
ment vertraut gemacht.
Veröffentlichen
• Erfahrungsgeschichten, die auf andere
Organisationen übertragen werden kön-
nen, sollten publiziert werden.
Geschichtenmanagement (Schütt 2003)
Natürlich vorkommende Geschichten in Unternehmen werden aufgespürt und ge-
sammelt. So entsteht ein Spiegelbild der Organisationskultur.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Geschichten sind Quellen, um • Man kann sich wie ein
etwas über heimliche Regeln oder »Schatzsucher« auf die Suche nach
implizite Wertvorstellungen zu Geschichten begeben (Personen
erfahren. direkt ansprechen, Beobachtung
in Kantine oder Kaffeeecke).
• Alternativ: Workshops durchführen
Harun-al-Raschid-Prinzip (Frenzel, Müller und Sottong, 2004)
Dies ist keine echte Methode, sondern eher eine Grundhaltung, die man einnehmen
sollte, wenn man aus den Geschichten im Unternehmen lernen möchte.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Wissen im Unternehmen zugäng- • Unerhörtes hört man nur, wenn man
lich machen. sich zurücknimmt.
• Unerhörtes hört man nur, wenn man
offen ist für das, was kommt.
• Das ganze Bild entsteht aus vielen klei-
nen Details.
• Man muss nicht weise sein, um zuzuhören.
Aber man wird weise, wenn man es tut.
319
Abenteuergeschichten im Change Management
(Frenzel, Müller und Sottong, 2004)
Bei dieser Methode wird ein Drehbuch des Veränderungsprozesses geschrieben.
Als Vorbild dienen Erfolgsmuster von Abenteuergeschichten.
Anwendungsfelder und Ziele Vorgehen
• Veränderungsprozesse gestalten • Drehbuch des Wandels wird geschrie-
ben
• je nach Bedarf im Stil einer Abenteuer-
oder Liebesgeschichte, eines Krimis, ei-
ner fantastischen Geschichte
• Im ersten Schritt wird der Status quo
beschrieben: Welcher Zustand soll ver-
ändert werden?
• Die »change story« sollte folgende
Punkte enthalten: Ruf des Abenteuers,
Weigerung, Begegnung mit Helfern,
Übertreten der ersten Schwelle, Weg
der Prüfungen, die entscheidende
Prüfung, Belohnung, der Weg zurück in
die Normalität
• Realität und Drehbuch sollten immer
wieder abgeglichen werden.
Damit die Methode des Storytellings Erfolg hat, kommt es darauf an, dass
die richtige Geschichte zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort erzählt
wird. Eine Geschichte, die bei einem gewissen Publikum zu einem be-
stimmten Zeitpunkt wirkt, kann bei einer anderen Zielgruppe oder zu ei-
nem anderen Zeitpunkt völlig wirkungslos sein. Allgemein gültige Regeln
oder Patentrezepte für die Gestaltung von Geschichten gibt es nicht.
Wohl finden sich in der Literatur Hinweise auf Kriterien, die die Wir-
kung von Geschichten beeinträchtigen können. Diese werden nun
kurz dargestellt:
– Wenn Geschichten zu lebhaft und ausgeschmückt erzählt werden,
entführen sie den Leser zu stark in eine andere Welt, sodass der Le-
ser Schwierigkeiten bekommt, das Gesagte auf seinen Alltag zu
übertragen.
320
– Für jede Geschichte wird eine Erzählperspektive gewählt. Hier be-
steht die Gefahr, dass der Zuhörer keine Parallelen zu seinen per-
sönlichen Erfahrungen herstellen kann, sodass die Geschichte
ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Um dieses
Problem zu umgehen, werden bei der Methode von Kleiner und
Roth Zitate von unterschiedlichen Mitgliedern der Organisation
eingefügt. Die Erzählperspektive wird dadurch um verschiedene
Meinungen bereichert.
– Geschichten sind Momentaufnahmen. Insbesondere in schrift-
licher Form stellen sie die Situation zu einem bestimmten Zeit-
punkt dar. Dies wird insbesondere dann problematisch, wenn sich
das Umfeld, in dem die Geschichte präsentiert wird, sehr dyna-
misch entwickelt.
5.10.12 Fazit
321
6. Auf der Suche nach Spitzenleistungen:
Wie man von Best Practices lernen
kann
In diesem Kaptitel stellen wir Ihnen Best Practices aus der Unterneh-
menspraxis zum Thema Unternehmenskultur vor.
Voraussetzung, um sich solchen Beispielen aus anderen Kranken-
häusern oder gar aus anderen Branchen zu öffnen, ist eine Bench-
marking-Kultur.
– Kapitel 6.1 zeigt, welche Faktoren eine Benchmarking-Kultur kenn-
zeichnen und welche Arten des Benchmarkings unterschieden
werden können.
– Das Kameda-Krankenhaus zeichnet sich durch eine hohe Kunden-
orientierung aus. Wie ein Krankenhaus den Wandel des Gesund-
heitssystems aktiv unterstützen kann, zeigt Kapitel 6.2.
– Welche Rolle die Unternehmenskultur bei der Reorganisation
spielt, zeigt das Beispiel der Vivantes-Netzwerk für Gesundheit
GmbH in Kapitel 6.3.
– Wie ein Leitbild entsteht und wie das Leitbild das Leistungsangebot
beeinflusst, wird in Kapitel 6.4 am Beispiel des Landes-Zentral-
krankenhauses Krems demonstriert.
– In Kapitel 6.5 wird die Funktionsweise des Ideenmanagements im
Universitätsklinikum Münster aufgezeigt. Das Übersetzungsheft,
323
das von Anita Cronjaeger entwickelt wurde, hat diesen Ideenwett-
bewerb gewonnen. Wie eine solche prämierte Idee aussieht, zeigt
Kapitel 6.6.
– Kunst als Element, um die Krankenhauskultur zu gestalten – die-
sem Thema widmet sich Kapitel 6.7 am Beispiel der Universitäts-
klinik Münster.
– Eine ganz besondere Unternehmenskultur zeichnet das Istituo
Europeo die Oncologia aus. Dieses Krankenhaus wird in Kapitel 6.8
vorgestellt.
– Wie das Leitbild bei der St. Franziskus-Stiftung umgesetzt wurde,
zeigt das Kapitel 6.9.
324
– Best Practices können einerseits einfache, aufwandsminimale
Verbesserungen von Details im Tagesgeschäft sein, andererseits
repräsentieren Best Practices auch ganzheitliche Konzepte, die ein
völlig neues Denken und Handeln voraussetzen (Quantensprung).
Die gezielte Suche nach Best Practices und deren konsequente Über-
tragung ist das Kennzeichen von Krankenhäusern mit einer offenen
Netzwerkkommunikation sowie einer konstruktiven Fehlerkultur.
Der Nutzen aus der Übertragung einer Best Practice bleibt solchen
Krankenhäusern verschlossen, deren Mitarbeiter grundsätzlich der
Meinung sind, sie würden bereits alles bestens erledigen, oder die
behaupten, eine gezeigte Best Practice »dem Grund nach bereits
seit Jahren« zu praktizieren. Die Übertragung von Bestleistungen ist
auch dort zum Scheitern verurteilt, wo man mit einem lapidaren:
»Das kann in der Praxis nicht funktionieren, das ist doch Theorie«,
um jeden Preis bestrebt ist, den Status quo aufrechtzuerhalten.
Best Practices können Skeptiker und Ängstliche überzeugen, neue
Wege zu beschreiten. Das Risiko organisatorischer und kultureller
Veränderungen wird durch Best Practices kalkulierbar. Bestleistun-
gen geben nämlich nicht nur Hinweise auf praxiserprobte Lösungen,
sondern sie vermitteln Informationen über Management- und Orga-
nisationsfehler während des Realisierungsprozesses, die man selbst
vermeiden kann.
Das Jahr 1993 war für den Vorstandsvorsitzenden von Eastman
Kodak kein gutes Jahr: Er wurde seines Postens enthoben mit der
Begründung, er habe versäumt, durch rechtzeitige und konsequente
Einführung von Benchmarking die auf Innovation, Wirtschaftlichkeit
und Kundenorientierung ausgerichtete Unternehmensentwicklung
abzusichern.
Benchmarking hat als universelle Allzweckwaffe des »modernen«
Managers eine neue Euphoriewelle industrieller Managementmetho-
den im Gesundheitswesen ausgelöst: Das Benchmarking-Fieber hat
ratlose Krankenhausverwalter wieder einmal auf die Suche nach dem
Patentrezept geschickt, um kurzfristig aus der Krise gelotst zu wer-
den. »Von anderen zu lernen« – ist das nicht eine zu einfache Patent-
formel? Heißt das nicht, andere, die bereits heute besser sind, zu
325
kopieren? Heißt das nicht auch, den Leistungsstand, den andere
heute schon haben, erst mit zeitlicher Verzögerung zu erreichen?
Und: Wenn jeder den anderen nachahmt, ist dann nicht »gleichzeitig
Gleichheit« die Folge? Ist nicht eher das ständige Streben nach dem
»Anderssein-als-andere« ein angemessenes Credo des Erfolges im auf
einen Verdrängungswettbewerb ausgelegten Krankenhausmarkt der
Zukunft?
Und überhaupt: Welche Veranlassung hat ein Best-in-class-Kran-
kenhaus, seine guten Ideen anderen mitzuteilen, damit diese dann
ohne großen Aufwand an Innovationskraft und Überzeugungsarbeit
gegenüber den Mitarbeitern gleichziehen können? Wer ist schon so
schizophren und zerstört seinen eigenen Vorsprung und erniedrigt
seine eigene innovative Idee, sein beispielgebendes kundenorientier-
tes Engagement zum »normalen Klassenanspruch«, weil alle anderen
Mitbewerber gleichziehen? Das Elend von Benchmarking besteht in
der amateurhaften Anwendung dieses sensiblen Instruments: Wenn
der todsichere Börsentipp in jeder Yellow-Press-Zeitung nachzulesen
ist, können Sie sicher sein: Für einen Gewinn bringenden Einstieg ist
es zu spät.
Leistungs-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsvergleiche haben in
der Betriebswirtschaftslehre und in der praktischen Unternehmens-
führung ihren Stellenwert als Führungsinstrument behalten, trotz
aller Probleme bezüglich Datenvalidität, eingeschränkter Vergleich-
barkeit, Aggregationsgrad und Informationsverlust bei Kennzahlen.
Derartige Vergleiche sind im Hinblick auf ihren Zweck, ihre Adres-
satengruppe (Vorstände, Behörden, Öffentlichkeit, Kunden) und be-
züglich ihrer Methodik unterschiedlich ausgelegt.
– Der klassische Betriebsvergleich ist ein brancheninterner Vergleich
von Unternehmen oder Unternehmensteilen mit dem Ziel, die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beurteilen und die Grund-
lagen des Unternehmenserfolges herauszufinden (Erfolgsfaktoren).
Beurteilungsgrundlage bilden aggregierte Vergleichsgrößen mit
Kennzahlencharakter; betrachtet werden Resultate, die für die
Geschäftstätigkeit sowie für den Erfolg charakteristisch (also bran-
chentypisch) sind: Marktanteil, Gewinn vor Steuern, Gewährleis-
tungskosten, Lagerumschlag u. Ä. in Industrieunternehmen; Ver-
326
weildauer, Belegungsgrad, ambulante Operationen, Schnitt-Naht-
Zeiten im Krankenhaus.
– In der Form des Wettbewerbsvergleichs zielt der Betriebsvergleich
auf die Ermittlung der momentanen Kosten-, Produkt- und Ser-
vicelücke im Verhältnis zum besten Wettbewerber. Auch diese Ver-
gleichsform basiert in der Regel auf Resultatskennzahlen.
– Das »reverse engineering« ist ein von japanischen Automobil-
herstellern entwickeltes Konzept des Wettbewerbsvergleichs, das am
Resultat »erzielbarer Marktpreis für ein Produkt mit kundengerech-
ter Funktionalität« ansetzt, dann aber zu einem Re-Engineering des
Produktentwicklungsprozesses führt. Es wird insbesondere nach
den Methoden der Wertanalyse und der Wertgestaltung festgestellt,
aus welchen Gründen (Ablauforganisation, Kostenstruktur, Kon-
struktionsart, Fertigungsart) der Best-in-class-Wettbewerber in der
Lage ist, ein Qualitätsprodukt zu konkurrenzlos niedrigen Preisen
anzubieten und wie hoch die erlaubten Kosten sein dürfen (»target
costing«).
Damit löst sich das »reverse engineering« methodisch vom reinen Re-
sultatsvergleich und bezieht den Prozessvergleich als Analyseobjekt
mit ein. Ausgangspunkt des »reverse engineering« ist das so genann-
te »Schlachten« des Produkts: Das Produkt (z. B. ein Auto) wird sys-
tematisch zerlegt, um ingenieurtechnisch zu identifizieren, welche
Komponenten, Werkstoffe und Montageprinzipien dieses Produkt
charakterisieren. Dann erfolgt der Rückschluss auf Montageart und
Konstruktionsprinzip. Im Gesundheitswesen ist dieser »market-into-
company«-Ansatz in Form von prozessorientierten Entgeltformen
(Fallpauschalen, Sonderentgelte) etabliert worden.
– »Generisches Benchmarking« sucht branchenübergreifend nach
Best-Practice-Ideen und transferiert sie innovativ auf das eigene
Unternehmen; das Minibar-System in einem Hotel in Dublin wird
zum Ideengeber für ein Schranksystem zur Versorgung einer Sta-
tion mit Medikalprodukten in einem Krankenhaus; die kundenge-
rechte Standardisierung eines Mercedes-Unimog dient als Vorlage
zur Krankenhauslogistikorganisation auf der Basis von eingriffs-
gerechten Sets.
327
Methodisch greift Benchmarking auf eine Reihe von Prüfhypothesen
zurück:
– Die Minimum-These erhebt das absolute Zeitlimit für einen
bestimmten Prozesstyp zur Vergleichsnorm.
– Die Eisberg-These unterstellt, dass die Ursache eines Problems in
einem anderen Verantwortungsbereich bzw. in einem vorgelager-
ten Prozessabschnitt zu suchen ist.
– Die Ziele-Disharmonie-These geht von der Vereinbarkeit gegen-
sätzlicher Ziele aus. Der Toyota-Ansatz gilt als prominentes Bei-
spiel: die doppelte Produktion, in der Hälfte der Zeit, mit einem
Zehntel der Fehler, auf der Hälfte der Fläche.
328
Abbildung 6-1: Lernen von den Besten setzt Vergleichbarkeit der Problemstruktu-
ren voraus.
329
– Benchmarking ist Bestandteil eines von der Führung unterstützten
Prozesses der Kultur- und Organisationsentwicklung. In Bench-
marking-Firmen ist daher die Suche nach der besten Praxis, die
kreative Weiterentwicklung für die eigene Unternehmung und
der dazu notwendige Reorganisationsprozess institutionell in der
Organisation verankert.
– Benchmarking ist ein methodischer Prozess: Eine Benchmarking-
Firma arbeitet mit einem festen Benchmarking-Phasenkonzept
und schult die Mitarbeiter in den unterschiedlichen Benchmark-
ing-Techniken.
– Benchmarking ist Bestandteil der Unternehmenskultur. Die Mit-
wirkung an Benchmarking-Projekten wird in Anreizsystemen
berücksichtigt.
– Benchmarking ohne eigene Kreativität, ohne die Kraft und den
Willen zur Reorganisation degeneriert zur einfallslosen »me-too«-
Strategie.
– Benchmarking ist insbesondere branchenübergreifend angelegt:
Nur so können wirkliche »breakthrough innovations« erreicht und
Wettbewerbsvorsprünge begründet werden.
– Benchmarking entfaltet die größte Wirkung, wenn es zweistufig
ausgelegt ist: In der ersten Stufe erfolgt der brancheninterne Ver-
gleich und in der zweiten Stufe wird der branchenübergreifende
Vergleich angestellt. (Abbildung 6-2).
330
Abbildung 6-2: Wirksames Benchmarking ist zweistufig ausgelegt: in der ersten
Stufe wird branchenbezogen verglichen, in der zweiten Stufe
branchenübergreifend.
331
– Jede Person stellt eine Bestleistung aus dem eigenen Haus vor.
Denn Benchmarking ist balanciertes Geben und Nehmen; außer-
dem bringt Benchmarking nur im Vergleich mit den besten Häu-
sern die gewünschten Effekte. Alles andere ist Zeitverschwendung.
332
• Welche Faktoren sind besonders kritisch für den Geschäftserfolg?
– Kundenzufriedenheit?
– Einweiserzufriedenheit?
– Lagerumschlag?
– Mitarbeiterqualifikation?
• Welche Bereiche bereiten Probleme
(orientiert an: Fehltagen, Kundenbeschwerden, Kosten, Qualität)?
• Welches sind die wesentlichen Leistungen dieser Bereiche, und wie werden diese ge-
messen und gesteuert?
– Zweck des Bereichs (Existenzberechtigung)
– fünf Hauptaufgaben
– Wirkungen auf die Erfolgsfaktoren des Unternehmens
– Leistungsprozesse
• Welche Leistungen werden welchen Kunden effektiv zur Verfügung gestellt?
• Welche Faktoren bestimmen die Kundenzufriedenheit?
• Welche Probleme wurden bereits identifiziert?
• Wo wird Druck aus dem Wettbewerb wahrgenommen?
• Welche Faktoren tragen am stärksten zu den Kosten bei?
• Welches sind die für den Geschäftserfolg wichtigsten vier Geschäftsprozesse, und
welche Störungen treten innerhalb dieser Prozesse auf?
Abbildung 6-4: Die Benchmarking-Firmen steuern den Suchprozess nach der Best
Practice konsequent auf Basis einer transparenten Methode.
Treten Sie also keinem Benchmarking-Club bei, der Ihnen die
Vorleistung einer Best Practice erspart und dessen Bestreben darin
besteht, möglichst viele Partner der gleichen Branche einzubinden.
Ob Benchmarking, Profit-Center-Konzept, fraktales Krankenhaus, TQM
oder Balanced Scorecard – die meisten dieser Managementkonzepte
werden von innovationsarmen Verwaltern zur universellen Allzweck-
waffe hochstilisiert, deshalb bleibt der Erfolg dieser viel versprechen-
den Ansätze eher im Halbdunkel. Aber wie heißt es doch so treffend:
Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten!
Abbildung 6-5: Die Mitarbeiter der Service-Station sind nicht nur freundlich,
sondern von ihnen kommen die meisten Verbesserungsvorschläge
zur patientengerechten Gestaltung der Arbeitsabläufe und des
Ambientes.
334
Abbildung 6-6: Dieses Foto steht für die Leitidee des Hospitals und repräsentiert
die vier Kameda-Generationen.
Übrigens: die Weihnachtskarte mit diesem Motiv wurde als
»Beste Weihnachtskarte Japans« ausgezeichnet.
335
wöhnlichen Services. Da die »greeters« in allen Bereichen des Kran-
kenhauses herumkommen, fallen Ihnen verbesserungsbedürftige Situa-
tionen und kundenunfreundliche Arbeitsabläufe sofort auf. Zahlreiche
Verbesserungsvorschläge kommen daher von diesen Hostessen.
Kameda steht im ostasiatischen Raum als Markenkrankenhaus für
exzellente Medizin und kundenorientierten Service: In Japan gilt das
Haus als Impulsgeber für die Reformierung des Gesundheitssystems
und als Ideengeber für ein Umdenken in der Gesundheitspolitik.
Der Markenstatus von Kameda hat sich über mehrere Jahre ent-
wickelt und ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass dieses
Hospital auf vielen Gebieten eine Vorreiterrolle eingenommen hat.
– Eine herausragende Rolle spielt Kameda im Hinblick auf Innovatio-
nen zur Verbesserung des japanischen Gesundheitssystems; dies ist
unter anderem feststellbar an der Beraterrolle, die das Management
für die Regierung spielt. Das Kameda-Management gilt als Trendset-
ter und Meinungsführer bei allen wichtigen Fragen, die im Hinblick
auf eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Weiterentwicklung des
japanischen Gesundheitssystems zu beantworten sind.
– Transparenz über medizinische Leistungsdaten ist in Japan verpönt;
Kameda brach mit diesem Tabu und kommuniziert Leistungszah-
len und Diagnosefehler mit finanziellen Nachteilen (z. B. falsch-po-
sitive Befunde und ihre Konsequenzen bzgl. einer »inappropriate
medicine«) an den Patienten.
– Kameda versorgt seine Patienten seit 1993 ganzheitlich im Sinne
einer integrierten Versorgung unter Einschluss niedergelassener
Vertragsärzte, kooperierender Krankenhäuser (z. B. der Universitäts-
klinik Tokio) und der Versorgung zu Hause. Kameda setzt seitdem
die Qualitätsmaßstäbe bei der so genannten »home healthcare«.
– Medizinische Prävention im Sinne von Vorsorgeuntersuchungen
und Screening-Programmen spielt in der japanischen Gesellschaft
eine untergeordnete Rolle. Kameda änderte auch hier die »Spiel-
regeln« und entwickelte ein Präventionsprogramm »human dry
dock«: Für maximal 1200 Dollar erhält der Patient einen komplet-
ten Checkup innerhalb von zwei Tagen. Zum Vergleich: Im inter-
national renommierten Johns Hopkins Hospital in Baltimore kos-
tet das gleiche Checkup-Angebot über 10 000 Dollar.
336
Abbildung 6-7: Art in the Kameda fördert Künstler und ist Einnahmequelle für
Charity-Aktionen (Foto: Anna Xi Zhao).
Kameda hat mit diesem Angebot nicht nur die Vorreiterrolle im Be-
reich der Präventionsmedizin in Japan angetreten, sondern sich auch
einen nationalen sowie internationalen Markt erschlossen. Mittler-
weile kann Kameda in diesem Bereich auf »Stammkunden« zurück-
greifen, die regelmäßig selbst wiederkommen oder Familienmitglie-
der zum »Trockendock« schicken.
– Die Wohlfühlkomponente genießt im Kameda Hospital hohen
Stellenwert: Patientenabläufe, Ambiente, Wartezonen, Farbklima,
Wellness-Einrichtungen (vom Whirlpool bis zur Sauna) sind von
»healing-environment experts« geplant worden. Zum besonderen
Ambiente im Kameda trägt auch die sichtbare Symbiose von bau-
licher Funktionalität, geschmackvoller, zweckmäßiger Möblierung
und künstlerischen Präsentationen bei.
– Das Programm »Art in the Kameda« ist mit einem separaten Bud-
get ausgestattet: Gezeigt werden die Werke bekannter Künstler
ebenso wie von Nachwuchstalenten. Zwei Mal im Jahr finden Kunst-
auktionen zugunsten wohltätiger Zwecke statt (Abbildung 6-7).
337
Abbildung 6-8: Oben Außenansicht des Kameda Hospital,
unten links die Wartezone des Krankenhauses und rechts der
Eingangsbereich des Krankenhauses.
338
einem neuen Geschäftsfeld entwickelt: Beratungsleistungen rund
um die Einführung der elektronischen Patientenakte einschließlich
Prozessoptimierung und Bereitstellung/Pflege der Anwendungs-
software.
– Im Jahr 1998 begründete Kameda seine Vorreiterrolle durch Ein-
führung telemedizinischer Diagnosestellung im Verbund mit aus-
gewählten niedergelassenen Vertragsärzten: Insbesondere einge-
schränkt transportfähige Patienten können im ländlichen Umfeld
von Kamogawa vorbildlich medizinisch versorgt werden.
339
Abbildung 6-9: Der kleine Dienst am Kunden: Lesebrillen in drei verschiedenen
Stärken stehen an den Info-Leitstellen für vergessliche oder eitle
Patienten zur Verfügung (Foto: Gerhard Schwab).
340
Abbildung 6-10: Das Freundlichkeitstraining ist Pflicht für alle (neuen) Mit-
arbeiter.
341
Jede Schwester verbringt außerdem einen eintägigen Aufenthalt (mit
Übernachtung) in einem servicefreundlichen Hotel Tokios, um dort
selbst zu erleben, was bester Service und Wohlfühlatmospähre bedeuten.
Das gesamte Personal wird systematisch und nachhaltig auf die
»say-yes culture« trainiert: Was immer der Patient nachfragt und
verlangt, wird ernsthaft zu erfüllen versucht.
Teil der Führungskultur des Kameda Hospital ist es, dass alle
Berufsgruppen mit den medizinischen Abläufen, mit den Problemen
von Patienten und Angehörigen vertraut sind.
– Ärzte werden mit Marketing-Daten, mit Patientenbefindlichkeiten
(Beschwerden) und Finanzdaten regelmäßig vertraut gemacht.
– Verwaltungsmitarbeiter und nicht-medizinisches Personal lernen
die medizinischen Rituale, die Patienten und Angehörigen Verhal-
tenssicherheit geben: Wie betrittt man einen OP-Saal und wie eine
Intensivstation? Wie verhält man sich, wenn Patienten und Ange-
hörige dabei sind? Wie bewegt man sich durch ein Krankenhaus?
342
uns kein Ziel! Wir wollen unsere Kunden begeistern, indem wir sie
immer wieder überraschen mit herausragendem und ungewöhn-
lichem Ambiente, ungewöhnlichen Service-Einrichtungen, unge-
wöhnlichen kleinen Dienstleistungen und auffallender Freundlich-
keit aller Mitarbeiter in jeder Situation.«
343
6.3 Das Landesklinikum Krems:
Wie ein Leitbild entsteht und das Leistungsangebot
beeinflusst
344
6.3.1 Leitbildentwicklung im Landesklinikum Krems:
Ein Ziel, drei Wege
Das Landesklinikum der Stadt Krems ist ein Krankenhaus mit 500
Betten unterteilt in 15 klinische Abeilungen und Institute, mit 25 000
stationären und 46 000 ambulanten Patienten jährlich. Die Mitarbei-
ter sind hoch motiviert und gut ausgebildet. Ein Großteil der Beleg-
schaft besteht aus hoch spezialisierten Fachkräften, die zum überwie-
genden Teil zur selbstständigen Berufsausübung berechtigt sind. Die
Struktur des Hauses steht entsprechend dem in Österreich gesetzlich
verankerten Prinzip der kollegialen Krankenhausführung auf drei Säu-
len: Verwaltung, Pflege, Ärzte. Diese Dreiteilung, verbunden mit einer
relativ starken hierarchischen Gliederung der einzelnen Säulen, birgt
in sich die Gefahr der isolierten Gruppenbildung der verschiedenen
Berufsbereiche und erschwert eine interprofessionelle Teambildung.
Verstärkt wird dieses Risiko durch die zum Teil starre vertikale Gliede-
rung in verschiedene klinische Abteilungen. Diese vertikale Gliede-
rung erschwert eine umfassende interdisziplinäre Teambildung.
Ende der 90er-Jahre wurde von Seiten der Pflegedirektion der
Entschluss gefasst, für das Krankenhaus Krems ein Pflegeleitbild zu
entwickeln. Etwa zeitgleich wurde von Seiten der kaufmännischen
Direktion ein Projekt zur Entwicklung eines Krankenhausleitbildes
in Auftrag gegeben. Unabhängig davon wurde fast zeitgleich im Zu-
sammenhang mit der Implementierung des Qualitätsmanagement-
systems ISO 9002 : 2000 an der Abteilung für Chirurgie ein eigenes
Leitbild entwickelt. Das Mission Statement war für die drei Leitbilder
dasselbe: »Ihre Zufriedenheit ist unser Erfolg«. Der Zugang zur Leit-
bildentwicklung war hingegen unterschiedlich.
345
kaufmännischer Direktor und Pflegedirektorin), legte die Ausgangs-
lage fest. In dieser Phase musste erkannt werden, dass die Mitarbei-
ter im Projekt zwar hoch motiviert waren, an einem gemeinsamen Er-
gebnis zu arbeiten, jedoch forderte die Klärung der Sinnfrage, warum
ein Leitbild erstellt werden sollte, mehr Zeit, als ursprünglich ange-
nommen.
Durch die kollegiale Führung wurden die Argumente für die Not-
wendigkeit eines Leitbildes kommuniziert und es wurde ein grober
Rahmen für die Bearbeitung und Zielrichtung vorgegeben. Genannte
Gründe für die Leitbilderstellung waren zum Beispiel:
– die Festlegung der strategischen Ausrichtung der Führung,
– die positive Beeinflussung der Unternehmenskultur,
– den Mitarbeitern eine gemeinsame Orientierung zu geben,
– Unternehmensgrundsätze festzulegen,
– Werte und Normen zu definieren,
– eine Basis für die Ableitung jährlicher Unternehmensziele zu errei-
chen.
346
ob sie Mitarbeitergespräche führen wollten oder nicht. Dies wie-
derum führte zu einem unterschiedlichen Wissensstand und einer
fehlenden Verbindlichkeit für alle Mitarbeiter, die gemeinsamen Ziele
umzusetzen. Demnach kann derzeit von einer Umsetzung des
Krankenhausleitbildes in einzelnen Abteilungen und Berufsgruppen
ausgegangen werden. Eine vollständige Umsetzung ist jedoch noch
nicht erfolgt.
Wir gehen auf die jeweiligen Erwartungen und Vorstellungen der Patienten ein. Wir be-
rücksichtigen auch die psychische und soziale Befindlichkeit
unserer Patienten und respektieren ihre religiös-ethischen Werte.
Die persönliche Intimsphäre der Patienten wahren wir.
Unseren Patienten lassen wir eine kompetente medizinische und pflegerische Betreu-
ung auf hohem Niveau zuteil werden
und begegnen ihnen in respektvoller und wertschätzender Weise.
Die individuelle, menschenwürdige Begleitung und Betreuung
Schwerstkranker und ihrer Angehörigen ist uns ein wesentliches Anliegen.
Wir verpflichten uns, unsere Patienten über geplante und
durchzuführende Untersuchungen und Therapiemaßnahmen
umfassend aufzuklären und zu beraten.
MOTTO
Unser Erfolg ist die Zufriedenheit der Patienten.
347
6.3.3 Entwicklung des Pflegeleitbildes
348
Der erste Schritt war, dass jede Pflegekraft, die im Krankenhaus
Krems tätig ist, sich mit den Inhalten, Werten und Normen des Pfle-
geleitbildes auseinander setzt und bereit ist, einen eigenen Beitrag
zur Umsetzung zu leisten. Dafür konnte das jährliche Mitarbeiter-
gespräch, das bereits seit dem Jahr 1999 im Pflegebereich und im
kaufmännischen Bereich flächendeckend eingeführt worden war,
herangezogen werden.
Es werden seither jährlich drei bis vier so genannte allgemeine
»Pflegeziele« vorgegeben, die aus dem Leitbild abgeleitet werden und
als Zielrichtung für die Stationsleitungen verbindlich sind. Jede Füh-
rungskraft ist aufgefordert, für ihre Station und darüber hinaus für
jede einzelne Pflegekraft den konkreten Beitrag zur Erfüllung der
Zielrichtung des Leitbildes und der konkreten Vorgaben festzulegen.
Diese Vereinbarungen werden jährlich evaluiert und gegebenenfalls
adaptiert. Die Aufgabe der obersten Führungsebene ist dabei, klar
festzulegen, welche Jahresziele zu erreichen sind, ohne jedoch den
konkreten Weg vorzugeben.
Ein Leitbild hat nur eine Berechtigung, wenn es alle Mitarbeiter in
die Richtung auf die Zufriedenstellung der Kunden, aber auch der an-
deren »Stakeholder« in Bewegung setzt. Erfüllt das Leitbild dieses
Ziel nicht, hat es nur eine Alibifunktion. Das Leitbild muss konkrete
Jahresziele setzen (Hinterhuber und Krauthammer 2005: 106).
Ein weiterer Ansatz zur Umsetzung des Leitbildes ist es, die In-
halte des Pflegeleitbildes bei der Auswahl neuer Mitarbeiter heran-
zuziehen, um bereits bei der Rekrutierung neuer Pflegekräfte die
Zielrichtung des Krankenhauses und im speziellen die Zielrichtung
der Pflege im Krankenhaus Krems als Einstellungskriterium zu-
grunde zu legen. Durch diese Maßnahme kann sichergestellt werden,
dass die grundlegenden Werte, Normen und Zielrichtungen den
potenziellen neuen Mitarbeitern bekannt sind und die Erwartungs-
haltung für das zukünftige Arbeitsverhältnis klar kommuniziert ist.
Die Ergebnisse bezüglich der Mitarbeiterauswahl der letzten Jahre
bestätigen diese Vorgehensweise.
Die Berechtigung, ein eigenes Leitbild für die Pflege zu erstellen
und zu leben, findet sich einerseits in der biografischen Entwicklung
der Pflege im Krankenhaus Krems. Andererseits kann ein Leitbild für
349
das gesamte Krankenhaus nicht auf die spezifischen Zielrichtungen
einer Berufsgruppe konkret eingehen.
Die Formulierungen in einem Krankenhausleitbild lassen meist
nur globale, allgemein gültige Aussagen zu, da dieses für alle Mitar-
beiter Gültigkeit besitzt. Die Grundsätze und Ziele des Krankenhaus-
leitbildes können somit als Basis und Ausgangslage für die Formulie-
rung des Pflegeleitbildes verstanden werden. Das Pflegeleitbild
beschreibt das zu erreichende Pflegeverständnis sowie die Bezie-
hungsgestaltung zwischen Pflegenden und Patienten. Es gibt damit
allen am Pflegeprozess beteiligten Mitarbeitern eine Handlungs-
orientierung mit dem Ziel, den größtmöglichen Patientennutzen zu
erreichen.
350
Wir erweisen uns gegenseitig Achtung, Wertschätzung und pflegen respektvollen Um-
gang miteinander.
Wir verpflichten uns, Probleme nicht nur aufzuzeigen, zu beschreiben und zu analy-
sieren, sondern auch, gemeinsam konstruktive Lösungen anzustreben.
Pflege beinhaltet die Fürsorge für Not und Verzweiflung
Mit Mitgefühl und Toleranz wahren wir individuelle Bedürfnisse und Ihre Würde.
Als Ihre unmittelbaren Ansprechpartner für Wünsche, Sorgen oder Ängste bieten wir Ih-
nen Hilfestellung im Rahmen unserer Möglichkeiten.
»Eine dynamische Führung wird durch ein dynamisches Team getragen«
Wir streben einen partnerschaftlichen Umgang miteinander an und respektieren die Per-
sönlichkeit des Einzelnen, schaffen Atmosphäre, Offenheit und Vertrauen, auch zum Ziel
der gegenseitigen Motivation.
Wir streben einen transparenten Führungsstil an, der alle Mitarbeiter in klare, dyna-
mische Entscheidungsprozesse mit einbezieht.
Wir sehen Konflikte als berechtigten Ausdruck gegensätzlicher Interessen, die zu einer
positiven Entwicklung beitragen können.
Wir verpflichten uns zu ständiger Weiterentwicklung der Qualität unserer Pflege, so-
wie die vorhandenen Ressourcen wirtschaftlich und ökologisch zu nutzen.
Ausblick
Wir wissen, dass ein Pflegeleitbild kein starres Produkt ist, sondern immer wieder der
Überarbeitung und Überprüfung bedarf, sowie sich an den jeweils neuen Bedingungen
und Veränderungen orientiert. ...
Die Abteilung für Chirurgie hat 90 Betten. Jährlich werden 5000 Pa-
tienten stationär und etwa 10 000 Patienten ambulant behandelt. In
der Abteilung arbeiten 18 Ärzte, 59 diplomierte Gesundheits- und
Krankenpfleger und 13 Verwaltungsmitarbeiter.
Im Januar 2000 wurde die Position des Vorstandes der Abteilung
für Chirurgie neu besetzt. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten über
80 Mitarbeiter seit Jahren in Teams zusammen. Über 80 Prozent der
Mitarbeiter waren hoch spezialisierte Fachkräfte, und mehr als die
Hälfte der Fachärzte waren über zehn Jahre älter als der neue Vor-
stand.
351
Die Art der Behandlungsmethode bei den einzelnen Krankheitsbil-
dern war zwischen den Ärzten nicht abgestimmt, sondern war davon
abhängig, welcher Chirurg gerade die Behandlung eines bestimmten
Patienten übernommen hat. Die Kommunikation zwischen der Be-
rufsgruppe der Ärzte und des Pflegepersonals war mangelhaft, und
auch die Pflegeprozesse waren an den verschiedenen Bettenstationen
der Abteilung unterschiedlich.
Hauptaufgabe des neuen Vorstandes war es, die Entwicklung der
Abteilung unter der neuen Führung so auszurichten, dass einerseits
die Vorstellungen des Abteilungsleiters Berücksichtigung finden, an-
dererseits aber Akzeptanz und »commitment« für Veränderungen in
der Abteilung bei den Mitarbeitern sichergestellt werden. Zugleich
sollten die durch das Prinzip der »kollegialen Krankenhausführung«
entstandenen starren Strukturen – hier Arzt, dort Pflegekraft – mög-
lichst aufgebrochen und durch ein weniger hierarchisches Prozess-
management ersetzt werden. Verantwortlich für einen Prozess soll
zukünftig derjenige sein, der für den jeweiligen Prozess verantwort-
lich zeichnet bzw. der ihn überwiegend durchführt, unabhängig da-
von, welcher Berufsgruppe er angehört.
Im Team wurde die Vorgehensweise festgelegt, um diese Vorgaben
zu erfüllen. Abläufe wurden überdacht und als Prozess schriftlich
festgehalten.
Zugleich sollte in der Abteilung für Chirurgie ein Management-
system nach den Normen von ISO 9002 : 2000 implementiert werden.
Grundvoraussetzung für die Einführung eines Qualitätsmanage-
mentsystems ist die Erstellung eines Leitbildes, an dem sich alle wei-
teren Prozesse und die Strategie auszurichten haben. Da zu Beginn
der Vorbereitungsarbeiten des neuen Qualitätsmanagementsystems
weder das Krankenhausleitbild noch das Pflegeleitbild freigegeben
waren, musste für die Abteilung für Chirurgie ein eigenes Leitbild
festgeschrieben werden.
Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Wegen der Leitbildent-
wicklung durch Pflege oder kaufmännische Direktion wurde in der
Chirurgie ein »top down«-Zugang gewählt.
Die Beschreibung der Organisations-, Strategie- oder Leistungs-
prozesse sollte im Team durch die Betroffenen unter Einbeziehung
352
möglichst aller Mitarbeiter erfolgen. Nach Auffassung des Abtei-
lungsvorstandes der Abteilung für Chirurgie gehört aber die Erstel-
lung eines Leitbildes zu den nicht delegierbaren Leadership-Aufgaben
und sollte daher durch den Abteilungsleiter erfolgen. Natürlich wurde
das erstellte Leitbild im Nachhinein den Mitarbeitern kommuniziert
und hinsichtlich eines möglichen Widerstandes durch die Belegschaft –
auf den gegebenenfalls auch eingegangen würde – hinterfragt.
Das vom Vorstand vorgeschlagene Leitbild wurde im Rahmen einer
Personalversammlung von allen ohne Widerspruch angenommen.
Das Leitbild kann der Abbildung 6-13 entnommen werden.
Abbildung 6-13: Leitbild der Abteilung für Chirurgie des Landesklinikums Krems.
353
Das Motto »Ihre Zufriedenheit ist unser Erfolg« stand bereits aus
der Leitbildentwicklung von Verwaltung und Pflege zu Verfügung
und wurde übernommen. Mag dieser Spruch auch banal klingen, so
scheint er uns als Dienstleistungsunternehmen doch von ausschlag-
gebender Bedeutung. Die Zufriedenheit der Patienten ist letztlich
die wichtigste indirekte Kennzahl für alle erbrachten Leistungen in
einem Krankenhaus und beurteilt weit mehr als nur die Qualität der
medizinischen Betreuung.
Subjektive Aspekte wie »ernst genommen werden«, Freundlich-
keit, »sich Zeit nehmen«, oder Kommunikation sind wesentliche Ein-
flussgrößen, die in die Einschätzung von Zufriedenheit mit eingehen
und damit wesentliche Qualitätsmerkmale für Dienstleistungsbe-
triebe darstellen. Die im Mission Statement ausgedrückte Zufrieden-
heit beschränkt sich darüber hinaus nicht nur auf Patienten, sondern
bezieht sich auch auf deren Angehörige, Mitarbeiter, Studenten,
Zulieferer und Vorgesetzte.
354
»Was wollen wir in der Pflege sein bzw. werden, und was ist mein
Anteil an der Umsetzung dieser Vision, nach der wir streben?«
Die Vision wird, wie bereits erwähnt, jährlich neu kommuniziert
und sie ist für jeden sichtbar. Sichtbar heißt natürlich vorrangig,
dass das Leitbild präsent ist. Es ist für jeden lesbar auf den Stationen
angebracht, dadurch ist es für Patienten sowie deren Angehörige
transparent und jederzeit einforderbar. Das Leitbild ist somit eine
Art der Qualitätssicherung in der Pflege, bei der jeder einzelne
Mitarbeiter sich veranlasst sieht, die Qualität seiner eigenen Leis-
tung zu hinterfragen und sich sein persönliches Jahresziel vor
Augen zu führen.
Mehrere in einem Haus existierende Leitbilder, wie im Kranken-
haus Krems, auch wenn sie sich ergänzen und in keiner Weise wider-
sprechen, bergen aus der Sicht des Mitarbeiters jedoch die Gefahr der
Überflutung – »ein zu viel des Guten«. Der Mitarbeiter wendet sich
dem Leitbild zu, das seinem Jahresziel zugrunde liegt, das ihn bei
seiner täglichen Arbeit begleitet.
Es ist nicht ausreichend, das Leitbild täglich visuell zu sehen,
an ihm vorbeizugehen. Sondern es ist wichtig, mit ihm zu leben,
es zu verinnerlichen und es immer neu kommuniziert zu bekom-
men. Das Leitbild muss auch durch Patienten, Angehörige, Kol-
legen, Zulieferer und Vorgesetzte kommuniziert und eingefordert
werden. Dann und nur dann wird die persönliche Einzelaufgabe
einer jeden Pflegekraft als ein Bestandteil des Ganzen gesehen.
Als Teil eines großen Ziels, an dem es, entfernt von jeder Hierarchie
und Gruppenbildung, gemeinsam täglich zu arbeiten gilt.
Inzwischen sind am Krankenhaus Krems alle drei oben beschrie-
benen Leitbilder genehmigt und verbindlich: Hausleitbild für alle
Bediensteten des Krankenhauses, Pflegeleitbild für alle Pflegekräfte
und Chirurgieleitbild nur für die Mitarbeiter der Abteilung für
Chirurgie.
Als wesentliche Voraussetzung, dass in einem Krankenhaus drei
Leitbilder zugleich gelten können, ist anzuführen, dass alle drei das-
selbe Mission Statement verwenden und sich auch in den weiteren
Ausführungen nicht gegenseitig widersprechen.
355
6.3.6 Vom Leitbild zur Änderung der Unternehmenskultur
356
6.3.7 Einfluss des Leitbildes auf die Betriebskultur
der Abteilung für Chirurgie
357
Ranking der teilnehmenden Abteilungen hinsichtlich Mitarbeiter-
und Patientenzufriedenheit erstellt. Die chirurgische Abteilung un-
seres Krankenhauses lag dabei an fünfter Stelle von 21 Chirurgien,
während die Abteilung für Innere Medizin Rang 17 von 20 teilneh-
menden internen Abteilungen belegte.
In der Interpretation dieser Ergebnisse kamen wir zur Über-
zeugung, dass der Hauptgrund für das bessere Abschneiden der chi-
rurgischen Abteilung in erster Linie im konsequenten Bestreben der
Mitarbeiter nach Einhalten des Leitbildes zu finden ist. Wir fühlen
uns durch dieses Ergebnis in unserer Politik bestärkt, alle Aktivitäten
der Abteilung nach dem Ziel der Leitbilderfüllung auszurichten.
Die Abteilung für innere Medizin hat aus den Ergebnissen der Ein-
gangsbefragung von Mitarbeitern und Patienten insofern Konsequen-
zen gezogen, als dass sie aus dem Benchmark-Projekt ausgestiegen
ist.
Petra Conradi
358
Die ausgebildete Krankenschwester arbeitet auf der Station 16 A Ost
(Urologie/Strahlentherapie) »Mit Türkisch habe ich dann angefan-
gen, nur für mich«, berichtet die Bayerin, die vor drei Jahren mit ih-
rem Mann und dem jetzt siebenjährigen Sohn aus Bad Reichenhall
nach Münster kam und direkt eine Anstellung in der Universitäts-
klinik Münster fand. In Anlehnung an den Aufnahmefragebogen
formulierte Cronjaeger insgesamt 40 Fragen, eingeteilt in die Kate-
gorien »Essen und Trinken«, »Ruhen und Schlafen«, »Ausscheidung«,
»Pflegen und Kleiden«, »Sich wahrnehmen«, »Bewegen und Dre-
hen«, »Allgemeines« und übersetzte sie ins Englische.
Alle Fragen sind durch Kopfschütteln oder andere Gesten leicht
beantwortbar. Schnell fanden sich in Cronjaegers großem Freundes-
kreis, zu dem auch viele Ausländer zählen, Freiwillige, die die Fragen
ins Niederländische und Russische übersetzten. Dr. Majed Ibrahim,
Assistenzarzt in der Strahlentherapie, fertigte auf seiner Schreibma-
schine schließlich noch die Übertragung ins Hocharabische an.
Erfolgreich eingeführt werden konnte Anita Cronjaegers 20-seiti-
ges Übersetzungsheft, weil sie ihr Projekt als Vorschlag im Rahmen
des Betrieblichen Ideenwettbewerbs eingereicht hat. Hier wurde
dafür gesorgt, dass es in 200-facher Auflage gedruckt und an alle
Stationen des Klinikums verteilt wurde. Seitdem wird das Heft im
Bedarfsfall von den Kolleginnen und Kollegen gern genutzt, um
Verständigungsschwierigkeiten mit ausländischen Patienten aus dem
Weg zu räumen. Für ihren Vorschlag hat Anita Cronjaeger bei der Ur-
kundenverleihung durch Dr. Gotthardt im April eine Prämie erhalten.
Besonders hervorgehoben wurde hier ihre Eigenleistung. Denn sie
hat nicht nur eine Idee geliefert, sondern diese auch gleichzeitig um-
gesetzt. So freut sich die Mitarbeiterin über einen Zuschuss für die
Haushaltskasse.
359
6.5 Die Universitätsklinik Münster: Kunst im Krankenhaus
prägt die Kultur des Krankenhauses und dessen
Erscheinungsbild
360
Im Rahmen des Projekts »Kultur im Pulse« bieten die Universitäts-
kliniken Münster seit 1993 über 700 Kulturveranstaltungen im Jahr
für Patienten, Besucher, Angehörige und Mitarbeiter an. Überregio-
nale Anerkennung kommt dem Kulturreferat insbesondere aufgrund
seiner Förderung des Einsatzes von Klinik-Clowns im Krankenhaus-
sektor zu. Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts
untersuchte das CKM im Auftrag des Kulturreferats den Stellenwert
des angebotenen Programms aus Sicht der stationären Patienten.
Die durchgeführte Studie ergab: Kulturelle Angebote im Kranken-
haus werden von den Patienten grundsätzlich geschätzt und im Rah-
men ihres Krankenhausaufenthaltes zur Kenntnis genommen.
– 85 Prozent der befragten Patienten bekundeten ein grundsätz-
liches kulturelles Interesse.
– 90 Prozent der Befragten bewerteten die Idee, Kultur im
Krankenhaus anzubieten, mit sehr wichtig oder wichtig.
– 71 Prozent der Befragten wussten von der Existenz des Kultur-
programms und hatten sich zum Teil mit dem Programm
auseinander gesetzt.
361
6.6 Das Istituto Europeo di Oncologia –
Patienten und Angehörige in Grenzsituationen
durch eine besondere Unternehmenskultur begleiten
Theresia Hardegger
362
von 12 bis 15 Uhr Mitarbeiter und Besucher des Zentrums mit einem
reichhaltigen, qualitativ und preislich vorzüglichen Menü-Angebot.
Aufgefallen ist mir, dass Ärzte und Personal die Mahlzeiten nicht in
ihren Berufskleidern einnehmen. Erwähnenswert ist ebenfalls ein
stiller Raum im dritten Stock, die Kapelle, die nicht nur von Patienten
rege besucht wird.
Die medizinische Onkologie verfügt nebst der stationären Abtei-
lung über ein Ambulatorium und eine Tagesklinik. Letztere besteht
aus einem einzigen Raum (Octagon) mit zehn Liegeplätzen für
ambulante Therapien. Die stationäre Abteilung verfügt über maximal
30 Betten (Zwei-Bett-Zimmer). Die Chemotherapeutika werden nach
schriftlicher Bestellung via Apotheke zentral zubereitet und auf die
Abteilungen geliefert. Oft werden Infusionen zur kontinuierlichen
Verabreichung über mehrere Tage vorbereitet. Ein- und Austritte an
jedem Tag sind die Regel, entsprechend hoch ist die Belegung der Bet-
ten.
Die Planung der Hospitalisationen und die damit gleichzeitig vor-
gesehenen diagnostischen Untersuchungen werden mit der Ober-
schwester abgesprochen und von ihr veranlasst. Sie persönlich ruft
die Patienten am Vortag einer Hospitalisation an, um sie daran zu
erinnern und sicherzustellen, dass die notwendigen Dokumente mit-
gebracht werden. Bei notfallmäßigen Hospitalisationen findet sich
immer eine Lösung, selbst in anderen Abteilungen.
In der Regel führen zwei Ärzte eine Abteilung mit etwa zehn
Patienten, wobei ein Assistenzarzt mit Erfahrung einen jüngeren Kol-
legen beruflich einführt und kontrolliert. Diverse Oberärzte bzw. lei-
tende Ärzte, die ein oder mehrere Spezialgebiete betreuen, begleiten
und beraten ihrerseits die ihnen unterstellten Assistenzärzte, wenn
sich entsprechende Probleme ergeben. Auch die Assistenzärzte ha-
ben und pflegen ihre Spezialgebiete; sie werden dazu veranlasst,
ihren Wissensvorsprung darzulegen, sich in Diskussionen argumen-
tativ zu behaupten und/oder sich an Behandlungsprotokollen zu
beteiligen.
Die Motivation zur Behandlung gemäß einem Therapieprotokoll
(Phase I, II) ist groß, bietet dies doch einerseits für den hauptverant-
wortlichen Arzt die Möglichkeit einer Publikation, andererseits profi-
363
tiert auch das Zentrum, indem ihm daraus Mittel zufließen. Die Be-
handlung gemäß diesen Protokollen hat überdies zur Folge, dass eine
Reihe von Data-Managerinnen mitbeschäftigt sind: Expertinnen in
der Studie, die sie betreuen.
Ein augenfälliges und hörbares Gütezeichen des Zentrums ist die
interne Kommunikation zwischen dem Pflegeteam und den Ärzten
sowie unter den Ärzten der verschiedenen Abteilungen. So finden
diverse Tumorboards statt (gastroenterologische, urologische, senolo-
gische). Die senologische Tumorfallbesprechung ist in ihrer Vielfalt
beeindruckend, werden doch wöchentlich von Prof. Dr. Goldhirsch
30 bis 40 Mammakarzinomfälle – schriftlich detailliert – den Chirur-
gen, Radiotherapeuten, Onkologen und Pathologen vorgestellt: etwa
2600 Fälle pro Jahr! Die therapeutischen Empfehlungen werden in-
nerhalb von 24 Stunden elektronisch an die behandelnden Ärzte
weitergeleitet.
Forschungserkenntnisse werden im kleinen Kreis mit den zustän-
digen Spezialärzten diskutiert; in kürzester Zeit wird ein Behand-
lungsprotokoll entwickelt, redigiert und für die Behandlung ange-
boten. In Fortbildungsanlässen, die wöchentlich einmal stattfinden,
werden diese Ergebnisse dem ganzen Team vorgestellt und kritisch
hinterfragt.
Wer als Arzt tätig ist, trägt einen Pager und ein Handy. Damit ist er
jederzeit ansprechbar für die Patienten, die nach Studienprotokollen
(Phase I oder II) behandelt werden – oder der Arzt selbst tritt in Kon-
takt mit ihnen für einen Follow-up. Die Ärzte schreiben die Antritts-
berichte ihrer Patienten auf dem Computer selbst und geben den
Patienten, die sie entlassen, schriftliche Therapie- und Verhaltens-
anweisungen bei Komplikationen mit. Sie setzen den Zeitpunkt für
Blutuntersuchungen und den nächsten Zyklus fest. Im Vergleich zu
anderen Zentren sind Sekretärinnen rar.
Und es bleibt ein nachhaltiger Gesamteindruck: Das »Istituto
Europeo di Oncologia« in Mailand behandelt und betreut vor allem
Patientinnen mit Mammakarzinomen nach neuesten Erkenntnissen,
entwickelt laufend innovative Behandlungsprotokolle und pflegt eine
verbale und elektronische Kommunikation auf hohem Niveau. Es hat
mich stets beeindruckt, wie engagiert, kollegial und motiviert die Mit-
364
arbeiter auf allen Stufen und in allen Dingen mitdenken und zu-
sammenwirken. Dieses Zentrum erfüllt seine Aufgabe hervorragend;
es verdankt seine Qualität vor allem einer soliden und umsichtigen
Strategie sowie einer menschlich offenen und kompetenten Führung,
die Prof. Dr. Goldhirsch wahrnimmt. Niemand ist ausgegrenzt, alle
sind einbezogen. Auch ich war Teil des Teams.
Michael Fischer
365
existieren, die Kultur des Unternehmens zu verändern oder weiter zu
entwickeln. Es gibt allerdings auch Zeiten, in denen Unternehmen
durch den Wandel der Rahmenbedingungen gar nicht anders kön-
nen, als ihre Kultur zu überdenken und den neuen Erfordernissen
anzupassen. So ergeht es zurzeit der St. Franziskus-Stiftung Münster
und deren Einrichtungen. Herausgefordert durch den turbulenten
Transformationsprozess im Gesundheitswesen, der durch den Um-
bau des Sozialstaats bedingt ist, sowie durch ordensinterne Verände-
rungen, steht die St. Franziskus-Stiftung vor epochalen und neuen
Herausforderungen, die auch einen enormen Einfluss auf die Weiter-
entwicklung der Unternehmenskultur zeigen. Weiterentwicklung –
das legt dieser Begriff schon nahe – bedeutet keinen Bruch mit der ei-
genen Tradition, sondern Veränderung gerade in Bewahrung der Tra-
dition.
366
kerung verarmten. Es kam zu vielen Ordensgründungen, die sich der
Krankenpflege annahmen. Ebenso wurden zahlreiche ordenseigene
oder kirchliche Hospitäler errichtet.
In diese Zeit fällt auch die Geburtsstunde der Ordensgemeinschaft
der Franziskanerinnen Münster-St. Mauritz. Mit bescheidenen Mit-
teln und nur wenigen Frauen begann ihr Dienst, um bedürftigen und
kranken Menschen in ihrer Not zu helfen. Doch der bescheidene wie
ärmliche Anfang strahlte in seiner Glaubwürdigkeit aus und bewegte
viele junge Frauen, sich dieser Bewegung anzuschließen. Die Zahl
der Ordensschwestern wuchs und parallel dazu die Anzahl ihrer
barmherzigen Werke. Eine Erfolgsgeschichte – weltweit! Der Orden
und seine Werke entwickelten sich zu einem ansehnlichen Unter-
nehmen (Frese 1994; Elsner 1948).
Einen deutlichen Einbruch im Gedeihen der barmherzigen Werke
gab es durch den Rückgang der Ordensschwestern. Immer weniger
Frauen wollten sich der Ordensgemeinschaft in einer lebenslangen
Verpflichtung für den heilenden Dienst anschließen. Weil also der
Nachwuchs im Orden ausblieb, konnte die Ordensgemeinschaft im-
mer weniger Schwestern für die Versorgung kranker Menschen in die
Krankenhäuser schicken. Nach und nach wurden die Ordens-
schwestern durch so genanntes freies Personal ersetzt, also Kranken-
schwestern, die nicht der Ordensgemeinschaft angehören. Heute
sind nur noch vereinzelt Ordensschwestern in der Versorgung kran-
ker Menschen tätig.
Aufgrund dieser prekären Personalsituation – das Durchschnitts-
alter der Ordensschwestern beträgt immerhin 71 Jahre – musste sich
der Orden überlegen, was mit seinen Krankenhäusern geschehen
sollte. Die Entscheidung ist gefallen: Die Schwestern haben die Ver-
antwortung für die Krankenhäuser in »weltliche« Hände übergeben,
weil sie sich nicht mehr in der Lage sehen, sie in eine marktum-
kämpfte Zukunft zu führen.
Diese Übergabe der ordenseigenen Werke markiert einen tiefen Ein-
schnitt in das Selbstverständnis des Ordens, denn sie übergaben nicht
nur Einrichtungen, sondern einen wesentlichen Teil ihres Lebens-
werks. Die Generaloberin der Franziskanerinnen Münster-St. Mauritz,
Mary Ann, drückte dies in ihrer Ansprache anlässlich der Feier zur
367
Übergabe der ordenseigenen Krankenhäuser in die hierfür gegrün-
dete St. Franziskus-Stiftung sehr deutlich aus:
»Dieses Ereignis ist wirklich ein schmerzvolles für uns Schwes-
tern, aber gleichzeitig ist es auch eine Zeit, um über eine neue Vision
für unsere Zukunft nachzudenken . . . Wir selber lebten sehr arm und
waren Tag und Nacht verfügbar für jene, die unseren Dienst brauch-
ten. Wir waren sehr glücklich und verbreiteten unsere Freude bei
allen, mit denen wir zusammentrafen. Wir gaben bereitwillig unser
ganzes Leben für die Menschen und wurden immer wieder gestärkt
durch unser Gebet und die heilige Eucharistie . . . Wir alle fanden
unsere größte Zufriedenheit und Erfüllung darin, dass wir Christi
heilende Hände für die Geringsten der Brüder und Schwestern sein
durften . . .
Diejenigen von Ihnen, die nun die Verantwortung übernommen
haben für die Fortsetzung des Apostolates der Schwestern in unseren
Hospitälern, haben ein sehr, sehr wertvolles Erbe erhalten. Ihnen ist
viel mehr anvertraut worden, als nur Land, Gebäude und Geld. In
Ihre Hände gelegt sind die Tradition von 160 Jahren hingegebenen
Dienstes an den Kranken, 160 Jahre persönliches Opfer und 160 Jahre
vom Gebet getragenes Engagement. Ihnen ist die Geschichte und das
geistliche Vermächtnis, das in den Herzen und im Geist der Schwes-
tern lebendig ist, anvertraut.«
Es kann wohl kaum deutlicher in Worte gefasst werden: Es geht bei
der Übergabe nicht nur um Gebäude, es geht nicht nur um Vermö-
gen und es geht nicht nur um Grund und Boden, vielmehr geht es im
Kern um eine über Jahre gewachsene Unternehmensidentität und
-kultur. Diese Kultur – so ist es in die Stiftungsurkunde eingeschrie-
ben – gilt es ohne die Anwesenheit der Ordensschwestern zu be-
wahren und fortzuführen. Waren bislang die Ordensschwestern als
Personen die Garantie dafür, dass es sich um ein christliches Kran-
kenhaus handelt, ist das in Zukunft nicht mehr der Fall.
Gleichwohl ist der Stiftung die Weiterführung des geistlichen
Erbes der Franziskanerinnen aufgetragen. Die Generaloberin drückt
in der Feier ihre Hoffnung aus: »Wir glauben, dass Sie unser Erbe
weitertragen, unser Erbe der Liebe und des Dienstes an den Kranken,
den Armen, den Ausgestoßenen und allen, die nicht für sich selbst
368
sorgen können. . . . Tragen Sie dieses kostbare Erbe mit seiner Vision,
der Philosophie der Pflege, des Mitgefühls, der Freude und des Enga-
gements tief in Ihrem Herzen.«
Für die Stiftung und deren Krankenhäuser geht es darum, dieses
Erbe anzunehmen, es als ihren zentralen Auftrag zu verstehen und
es immer neu im unternehmerischen Gestalten, Lenken und Leiten
umzusetzen. Dies ist sowohl eine auf das gesamte Unternehmen be-
zogene Herausforderung als auch Auftrag an jede Mitarbeiterin und
jeden Mitarbeiter.
Dieses Erbe umzusetzen ist schon Auftrag genug. Erschwert wird
dieser Auftrag noch durch die derzeitigen Rahmenbedingungen im
Gesundheitswesen: Der Sozialstaat ist an die Grenzen seiner Finan-
zierbarkeit gelangt. Wesentliche Säulen des Sozialstaates werden daher
zurzeit umgebaut, so auch das Gesundheitswesen. Erkennbare Re-
formlinien der bereits begonnenen Transformation sind: die Vergü-
tung anhand von Fallpauschalen (DRG-System), die zunehmende Auf-
hebung der Sektorengrenzen sowie strukturelle Veränderungen in der
Versorgung der Patienten. Das erstrebte Reformziel ist die Entwick-
lung von fairen Preisen (gleiche Vergütung für gleiche Leistung), die
Förderung des (Qualitäts-)Wettbewerbs zwischen den Krankenhäu-
sern und der Einstieg in, bzw. der Umbau zu einer marktgerechten
Krankenhauslandschaft (Klauber, Robra und Schellenschmidt 2004).
Es ist deutlich geworden: Sowohl die Entwicklung innerhalb des
Ordens und die daraus folgende Übergabe der Krankenhäuser in eine
Stiftung, als auch die Veränderung der äußeren Rahmenbedingun-
gen, unter denen Krankenhäuser in Zukunft agieren müssen, stellen
die St. Franziskus-Stiftung vor die Transformationsaufgabe, sich dem
Markt anzupassen ohne dabei ihr franziskanisches Erbe aus den
Augen zu verlieren.
Wer sich auf den Weg macht, tut gut daran, sich vor dem Aufbruch
auf ein gemeinsames Ziel und auf gemeinsame Werte zu besinnen.
Aus diesem Grund haben sich die Verantwortlichen für die Entwick-
369
lung eines Unternehmensleitbildes verständigt. Natürlich hatte auch
der Orden ein großes Interesse an der Entstehung eines Leitbildes,
weil die Ordensschwestern ja nicht nur ihre Werke, sondern ebenso
ihre damit verbundenen Werte weitergeben wollten.
Ein Leitbildprozess soll einen Raum schaffen, in dem die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter einer Organisation sich auf gemeinsame
– unter Umständen auch vorgegebene – Werte verständigen können.
Daher inszenieren Leitbildprozesse sozusagen einen kreativen Werte-
und Zielaushandlungsprozess (Fischer 2003; zur Übersicht über das
Thema Leitbild vgl. auch Matje 1996 und zum Prozessdesign einer
Leitbildentwicklung im Krankenhaus Ehrhardt und Röhrßen 1996).
Dies gelingt natürlich nur, wenn die Mitarbeiter in einem ange-
messenen Maß an der Entstehung des Leitbildes beteiligt sind. Wenn
Organisationen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern ein Leitbild ent-
wickeln, so spüren diese, dass sie ernst genommen werden und dass
ihre Gedanken und Anregungen für die Leitung wichtig sind. Dieses
Vertrauen, das den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegen-
gebracht wird, ist ein entscheidender Schritt zu einem guten Für- und
Miteinander.
Es gibt auch eine andere Möglichkeit: Leitbilder werden – von wem
auch immer – entwickelt und den Mitarbeitern »geschenkt«. Das geht
mitunter schnell und ist daher der Vorteil einer solchen Vorgehens-
weise. Wenn sich aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mit
diesem Leitbild identifizieren, dann ist es nicht ihr Leitbild und sie
werden sich kaum dafür stark machen. Man hat also genau das
Gegenteil von dem erreicht, wofür ein Leitbild stehen soll: für die
dauerhafte Identität einer Organisation und ihrer Mitarbeiter.
Abbildung 6-14 verdeutlicht das Prozessdesign einer Leitbildent-
wicklung. Die Verantwortung für die Entwicklung eines Leitbilds liegt
immer bei der Unternehmensleitung. In Variante eins ist der Prozess
der Entstehung sehr schlank gehalten. Man kann hierbei eigentlich
nicht von einer gemeinsamen Entwicklung sprechen, sondern tref-
fender von einer Leitbildvorgabe. Der Vorteil: Es werden Kosten und
Zeit gespart, aber – und das ist der damit verbundene Nachteil – es ist
nicht das Leitbild der Mitarbeiter, mit dem sie sich identifizieren kön-
nen. Allerdings muss die durch dieses schlanke Verfahren einge-
370
Abbildung 6-14: Entwicklung eines Leitbilds.
371
erarbeiten. Die Mitarbeiter trafen sich in ihren Hospitälern, um mit
den Kollegen vor Ort um die anstehenden Themen zu besprechen.
Hospitalübergreifende Treffen koordinierten den Diskussionsprozess
und bündelten die Ergebnisse.
Das Prozessdesign war streng an der Maßgabe ausgerichtet, einen
breit angelegten Dialog zu ermöglichen. In dessen Verlauf konnten
die Interessen der Ordensschwestern, der Unternehmensleitung so-
wie der Mitarbeiter in einen konstruktiven, durchaus auch kontrover-
sen und gut ausbalancierten Dialog gebracht werden. Der gesamte
Prozess dauerte 18 Monate.
Das Ergebnis liegt als formuliertes Leitbild vor, das den Anforde-
rungen eines zukunftsweisenden Managements gerecht wird, zu-
gleich aber auch wesentliche Elemente franziskanischer Spiritualität
enthält. Einleitend ist das Selbstverständnis der Franziskanerinnen
dargestellt. Es folgen Kapitel zu den Themenbereichen »Der Pa-
tient«, »Die Zusammenarbeit«, »Das Unternehmen« und »Das Hos-
pital und die Öffentlichkeit«. In den jeweiligen Kapiteln ist ausführ-
lich beschrieben, wie die Konkretion der Themenbereiche aussehen
soll, wie beispielsweise eine gute Zusammenarbeit umgesetzt wer-
den kann.
Das Leitbild ist der Grundstein für die Ausgestaltung der Unterneh-
menskultur. Ein Grundstein allein ergibt aber noch kein Haus oder
ein Unternehmen. Der Grundsteinlegung folgen weitere Bauab-
schnitte, die aufgemauert auf dem Grundstein ein Gesamtwerk
entstehen lassen. Dazu gehören viele Schritte der Unternehmens-
entwicklung, die als weitere Bausteine für die Ausgestaltung des
Unternehmens und seiner Kultur folgen müssen. Daher heißt es
wohlweislich im Schlusswort des Leitbilds: »Mit unserem Leitbild
haben wir ein Ziel definiert, an dem wir uns zukünftig orientieren
wollen. Um die im Leitbild formulierten Ansprüche spürbar werden
zu lassen, ist es uns ein großes Anliegen, die Umsetzung voranzu-
bringen und uns selbst immer wieder aufs Neue mit unseren Anfra-
372
gen und Vorstellungen aktiv einzubringen.« (»In guten Händen«,
Leitbild der Hospitalgesellschaften der Franziskanerinnen Münster-
St. Mauritz).
Um die Umsetzung eines Leitbildes voranzubringen, bedarf es
einer umfassenden Strategie, die in der Unternehmensführung ver-
ankert ist. Es genügt nicht, die Inhalte eines Leitbildes allen Mitarbei-
tern und Mitarbeiterinnen bekannt zu machen gemäß der floskel-
haften Formel: Das Leitbild muss kommuniziert werden. Leitbilder
werden nicht mit Sonntagsreden, sondern im Alltagshandeln umge-
setzt. Aus dem Leitbild müssen konkrete Projekte erwachsen, die zu
einem kontinuierlichen Prozess ausgestaltet werden.
Was wird beispielsweise getan, um eine berufsübergreifende Zu-
sammenarbeit zu unterstützen? Mit welchen Maßnahmen fördert die
Personalabteilung ihre Mitarbeiter? Gibt es ein professionelles Projekt-
management? Werden Prozessabläufe hinterfragt und verändert? Erst
wenn die Inhalte eines Leitbildes in konkreten Projekten bearbeitet
werden, sollte von einer Umsetzung des Leitbildes gesprochen werden.
In der theoriegeleiteten Diskussion über Leitbilder ist viel über den
Sinn und die Bedeutung von Leitbildern die Rede, von der unbeding-
ten Notwendigkeit, Leitbilder in den betrieblichen Alltag umzusetzen.
So beredt sich allerdings die Leitbilddiskussion in Bezug auf den Nut-
zen und deren Inhalte darstellt, so still wird es bei der Frage, wie Leit-
bilder umgesetzt werden sollen. Es existieren so gut wie keine ausge-
arbeiteten Modelle, die sich mit der Frage beschäftigen, in welcher
Form Leitbilder in einem Unternehmen umgesetzt werden können.
Das mag auch einer der Gründe dafür sein, warum Leitbilder so sel-
ten den Weg vom Wort zur Tat finden. In Abbildung 6-15 sind in chro-
nologischer Reihenfolge die wichtigsten Maßnahmen und Projekte
aufgeführt, die in der St. Franziskus-Stiftung initiiert wurde, um das
Leitbild nach und nach im betrieblichen Alltag umzusetzen.
Auf den ersten Blick wird schon deutlich, dass eine Vielzahl unter-
schiedlicher Maßnahmen und Projekte durchgeführt wurden, um die
Unternehmenskultur der St. Franziskus-Stiftung auf der Grund-
lage des Leitbildes zu gestalten. Im Folgenden werden nicht alle ein-
zelnen Maßnahmen ausgeführt, sondern thematisch gebündelt kurz
skizziert.
373
Abbildung 6-15: Maßnahmen zur Entwicklung der Unternehmenskultur.
374
tet mit einem lang erprobten und reichhaltigen Methodenrepertoire
tritt es an, Unternehmen in einem umfassenden Sinn zu entwickeln.
Es bietet sich daher geradezu an, dieses Wissen zu rezipieren und für
die Umsetzung von Leitbildern fruchtbar zu machen.
In der St. Franziskus-Stiftung ist die Umsetzung des Leitbildes eng
mit dem Aufbau eines umfassenden Qualitätsmanagements ver-
knüpft. Der offizielle Sprachgebrauch dafür lautet: Das Leitbild wird
mit den Methoden des Qualitätsmanagements umgesetzt – nicht aus-
schließlich, aber doch zu einem beträchtlichen Teil. Es versteht sich
von selbst, dass man sich dabei nicht von der mächtigen Qualitäts-
offensive unhinterfragt überrollen lassen und dass das eigene Quali-
tätsmanagement nicht zum Erfüllungsgehilfen politischer Interessen
werden darf, die den eigenen Unternehmenszielen widersprechen.
Von der Sache her ergibt sich eine enge Verzahnung und Ausrichtung
des Qualitätsmanagements an den Inhalten des eigenen Leitbilds.
375
Abbildung 6-16: Organisationsstruktur für die Umsetzung des Leitbilds in der
St. Franziskus-Stiftung.
Arbeit in Projektgruppen
Seit Beginn der Leitbildumsetzung arbeiten in allen Krankenhäusern
kontinuierlich Projektgruppen, um das Leitbild umzusetzen. Bis
heute haben über 100 Projektgruppen ihre Arbeit abgeschlossen;
zurzeit existieren 70 laufende Projektgruppen und Qualitätszirkel.
Das ist eine beachtliche Zahl. Quantität allein ist zwar kein Indikator
für den Erfolg, aber diese hohe Zahl dokumentiert doch sehr deutlich
376
Die Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit Der Patient
Der Patient
Reorganisation therapeutischer Dienste medizinisch-pflegerische Dokumentation
Mitarbeiterbefragung koordinierte Patienteneinbestellung
Qualitätsmanagement-Handbuch Pflege koordinierte Entlassung
Mitarbeitergespräche Patientenbefragung
Infotage Pflegeüberleitung
Teamcoaching Risiko-Management
Intranet Ethik-Aktivitäten
optimierte Reparaturanforderungen Schwerkranke und Sterbende
Archiv/Krankenakten Seelsorgekonzept
OP-Koordination Bobath-Konzept
Speisenversorgung Stationen
vor- und nachstationäre Versorgung
Das Hospitalundund
Das Hospital diedie Öffentlichkeit
Öffentlichkeit DasUnternehmen
Das Unternehmen
Gesundheitszentrum Personalentwicklung
Patientenbroschüre Einführung neuer Mitarbeiter
einheitliches Erscheinungsbild Einarbeitungskonzept Pflege/Schule
Einweiserbefragung Modellprojekt PCC
Tag der offenen Frauenklinik innerbetriebliche Fortbildung
50 Jahre Stadt Kamp-Lintfort OP-Standards
Tag der offenen Intensivstation
377
muss gut begleitet und ihre Ergebnisse müssen umgesetzt werden.
Auch darf die Auswertung in einer anschließenden Evaluation nicht
fehlen.
Zertifizierung
Wer ein funktionierendes und umfassendes Qualitätsmanagement
aufgebaut hat, braucht eine Zertifizierung nicht zu fürchten. Im
Gegenteil: Das Zertifizierungsverfahren sollte Anlass dafür sein, die
eigenen Aktivitäten auf einen externen Prüfstand zu stellen. Nach
jahrelangen Diskussionen über den Sinn und den Unsinn einer Zer-
tifizierung im Krankenhaus haben sich die entscheidenden Vertrags-
partner auf ein Zertifizierungsverfahren verständigt. Es ist das KTQ-
Zertifizierungsverfahren. Das Kürzel KTQ steht für Kooperation,
Transparenz und Qualität im Krankenhaus. Darin werden in sechs
Kategorien die Kernbereiche eines Krankenhauses auf die Güte ihrer
Qualität befragt. Das KTQ-Zertifizierungsverfahren ist im Grunde ge-
nommen eine Kombination der beiden Grundlagenmodelle DIN ISO
378
und EFQM. Darin werden die Herzstücke der beiden Grundlagen-
modelle kombiniert: die Selbstbewertung und die Zertifizierung
(zu einem ausführlichen Vergleich der beiden Verfahren EFQM und
KTQ vgl. Möller 2001).
In Anlehnung an und in Kooperation mit KTQ gibt es ein speziel-
les Zertifizierungsverfahren für konfessionelle Krankenhäuser, näm-
lich das proCum Cert (pCC). Dieses Verfahren versucht, die spezifi-
sche Qualität kirchlicher Krankenhäuser abzubilden. Die St.
Franziskus-Stiftung und die ihnen angeschlossenen Häuser haben
sich auf die Zertifizierung nach proCum Cert verständigt, weil darin
in besonderer Weise deren Unternehmenskultur abgebildet wird.
Mitarbeitergespräche
An dieser Stelle soll nur eine Maßnahme etwas eingehender be-
schrieben werden, weil sie die Grundlage für eine gezielte Unterneh-
mensführung bildet: die jährlichen Mitarbeitergespräche (Jetter und
Skrotzki 2000). Im Leitbild heißt es dazu: »Die Führungskräfte neh-
men individuelle Stärken wahr. Sie fördern gezielt die Mitarbeiter,
erkennen aber auch Defizite und zeigen Entwicklungsmöglichkeiten
auf. Durch ein regelmäßiges Feedback, durch das Übergeben von Ver-
379
antwortung und durch verbindliche Zielabsprachen steigern sie die
Motivation und die Fortentwicklung aller Mitarbeiter.«
Seit drei Jahren werden in der St. Franziskus-Stiftung und deren
Einrichtungen jährlich stattfindende Mitarbeitergespräche geführt.
Diese Gespräche gliedern sich in drei Teile: eine Rückschau auf das
vergangene Jahr, die Klärung der persönlichen Ziele eines Mitar-
beiters und gemeinsame Zielvereinbarungen für das kommende Jahr.
In der Einführungsphase standen sowohl die Führungskräfte wie die
Mitarbeiter diesen Gesprächen zunächst skeptisch gegenüber. Aller-
dings hat sich diese Zurückhaltung weitgehend gelegt, nachdem die
meisten den Nutzen solcher Gespräche erkannt haben.
Eine Auswertung der ersten Zielvereinbarungsgespräche brachte
deutlich zum Ausdruck, dass zwei Dimensionen alle Beteiligten als
sehr hilfreich empfanden. Zum einen ist es die Wertschätzung des
Vorgesetzten gegenüber seinen Mitarbeitern, die allein darin ihren
Ausdruck findet, dass sich die Vorgesetzten für ein solches Gespräch
Zeit nehmen und sich auf ihre Gesprächspartner einstellen. Zum
anderen ist es die konkrete Vereinbarung von Zielen, die für die Ge-
samtsteuerung des Unternehmens unersetzlich sind. Gemeinsame
Ziele schaffen Verbindlichkeit. Einen Nutzen bringen die Zielverein-
barungen nur dann, wenn sie verbindlich angewandt werden. Um die
Verbindlichkeit des Instruments selbst herzustellen, muss natürlich
die Durchführung der Gespräche in den jeweiligen Abteilungen fest-
gehalten werden (Schmidt 2004: 395–401).
380
Um hier einen anderen Akzent zu setzen, werden mittlerweile ganz-
tägige Einführungsveranstaltungen angeboten, in denen es aus-
schließlich um die Fragen geht: Wer war der Heilige Franziskus?
Welche Geisteshaltung prägte ihn? Was ist der Orden heute, und was
sind seine Zielsetzungen und Schwerpunkte?
381
– zur Theologie der Gesundheit, der Krankheit und des Todes,
– zur Theologie des Alterns und Sterbens,
– Moraltheologie,
– Grundzüge medizinischer Ethik,
– Theologie der Spiritualität,
– Beruf, Berufung, Professionalität,
– die spirituelle Erfahrungsdimension in helfenden Berufen,
– Leitbilder christlicher Diakonie.
Jedes Semester endet mit einem Modul »praktisch-theologischer
Transfer«. Darin werden die während des Semesters besprochenen
Themen im Organisationskontext anwendungsbezogen bearbeitet.
Dieses Modul bildet somit die Scharnierstelle zwischen Theorie und
Praxis. Aufgrund der überaus positiven Erfahrungen und guten Rück-
meldungen des ersten Studienkurses läuft bereits ein weiterer Kurs.
382
wirtschaftlichen Kriterien in Einklang gebracht werden sollen. Span-
nungen entstehen, weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine ein-
deutigen Antworten auf drängende Fragen haben und in Wertkon-
flikte geraten. Diese bleiben oft ungelöst, weil es nicht immer
angemessene Möglichkeiten zur Bearbeitung dieser Dilemmata gibt.
So konfliktbelastet einen ohnehin anstrengenden Arbeitstag zu meis-
tern, kostet Kraft.
Neben eigenen ungeklärten Konflikten treten Meinungsverschie-
denheiten mit den Kollegen auf. Ein Kollege trifft beispielsweise eine
Entscheidung, die man selbst so nicht fällen würde. Dabei bleibt oft
im Dunkeln, aus welchen Beweggründen ein anderer zu seiner Ent-
scheidung kommt. Ärzte und Pflegekräfte handeln fast alle unter
einem belastenden Zeitdruck. Zeitnot verhindert klärende Gespräche,
die für alle Beteiligten dringend notwendig wären.
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen aufgrund ethischer
Dilemmata starke Spannungen ertragen. Ärzte, Schwestern und
Patienten wissen, wie schwer es oft ist, aus dem Hin und Her der
Argumente, aus dem Durcheinander der damit verbundenen Stim-
mungen und einer sich ständig verändernden Situation Entscheidun-
gen zu treffen. Gleichwohl sprechen sie nur selten Spannungen und
konfliktträchtige Situationen an. Das kann ihnen niemand anlasten,
weil der Arbeitsdruck ohnehin hoch genug ist. Und wer legt schon
seine Finger in eine offene Wunde, wenn er noch Patienten versorgen
muss? Das alles ist gut zu verstehen (Fischer 2003).
Werden Konflikte allerdings nicht angesprochen und verhandelt,
sinken die Zufriedenheit und der Leistungswille der Mitarbeiter.
Umso wichtiger ist es, nach den Gründen für die Konfliktvermeidung
zu fragen. Warum finden die notwendigen Gespräche nicht in einem
ausreichenden Maße statt? Dafür gibt es viele nachvollziehbare
Gründe: Nicht selten existiert ein ungeschriebenes Gesetz des ver-
ordneten Schweigens: Kritische Anmerkungen dürfen nicht gemacht
werden; oft ist der offene Dialog nicht eingeübt. Oft wird die Zeit zu
Hilfe genommen. »Sie soll dann sozusagen am Menschen vorbei,
aber entsprechend seiner ›Natur‹ entscheiden. Damit hätte sozusagen
niemand die Last der Entscheidung zu tragen, da niemand in der
Lage ist, die Zeit zu beherrschen. Dass dies gerade im klinischen Zu-
383
sammenhang oft nicht stimmt, ist unter Insidern kein Geheimnis.«
(Gillen 1999: 25)
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von (unbewussten) Strategien,
um ethischen Konfliktsituationen auszuweichen. Beispielsweise wird
ein Sachzwang konstruiert, der bei näherer Betrachtung nicht auf-
rechtzuerhalten ist. Oder es werden Situationen so konfiguriert,
dass nur eine Entscheidung möglich ist. Man beruft sich darauf, nach
bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben. Es gibt also zahl-
reiche gewichtige Gründe, die Bearbeitung ethischer Dilemmata zu
institutionalisieren.
384
eigene Entscheidung ein Votum als Orientierungshilfe einzuholen
(Evangelischer und Katholischer Krankenhausverband 1997). Nun
haben sich einige Krankenhäuser daran gemacht, entsprechend den
Empfehlungen ein solches Ethikkomitee einzurichten – und dann die
bittere Erfahrung gemacht, dass dieses Komitee in keiner Weise ak-
zeptiert wurde und die Mitarbeiter es nicht genutzt haben. Im Grunde
genommen muss das nicht wundern, weil durch die bloße Einrich-
tung eines Komitees eine über Jahrzehnte eingeschliffene Kultur
nicht verändert werden kann.
Die St. Franziskus-Stiftung war sich dieses Problems bewusst und
hat daher einen Weg gewählt, um die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter mit auf den Weg zu nehmen. Um eine möglichst breite Basis
für das Anliegen zu schaffen, gab es zu diesem Thema eine zentrale
Auftaktveranstaltung für alle Häuser der Stiftung, zu der alle leiten-
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeladen waren.
Am Ende der Veranstaltung war klar, dass jedes Krankenhaus die
Erforderlichkeit eines Ethikkomitees für sich prüfen muss, um einen
Weg zu gehen, der seinen Voraussetzungen angemessen ist. Die Er-
fahrung jener Häuser, die sich mit dem Ziel, Ethikkomitees einzu-
richten, auf den Weg gemacht haben, haben zahlreiche Etappen zu-
rückgelegt: die Einrichtung eines interdisziplinären Arbeitskreises,
zahlreiche Veranstaltungen für die Mitarbeiter zu diesem Thema –
unter anderem auch mit realitätsbezogenen Kasuistiken –, die ge-
zielte Weiterqualifizierung von Multiplikatoren und die Einführung
ethischer Fallbesprechungen auf Stationsebene. Erst nach diesen in-
tensiven Vorarbeiten waren die Krankenhäuser reif, Ethikkomitees im
Sinne der Empfehlung des Katholischen und des Evangelischen Kran-
kenhausverbands einzurichten (vgl. zu dem Themenkomplex ethi-
scher Fallbesprechungen und Ethikkomitees in Krankenhäusern
Steinkamp und Gordijn 2003).
385
anderen zur Verfügung gestellt und im Sinne eines Benchmark und ei-
ner Best-Practice genutzt werden kann. Diese Frage hat derzeit für die
St. Franziskus-Stiftung eine hohe Bedeutung. Auch hier bestätigt sich
die Erfahrung, dass das Teilen von Wissen keine unternehmenskul-
turelle Selbstverständlichkeit ist, sondern dass diese Fähigkeit aufge-
baut, eingeübt und organisational verankert werden muss. Es sollen
nur kurz einige unternehmensbezogene Bausteine auf dem Weg zu
einem wissensvernetzten Krankenhaus erwähnt werden.
Ein Transferkreis, in dem sich die Leitbild- und Qualitätsbeauftrag-
ten der einzelnen Häuser regelmäßig treffen, soll – wie es der Name
bereits nahe legt – den Transfer der Wissensbestände unter den Häu-
sern fördern. Der Transferkreis hat sich in hohem Maß bewährt, weil
dort die wertvollen Erfahrungen der jeweiligen Häuser zusammen-
fließen und weiterverarbeitet werden.
Die Vernetzung des Wissens geschieht auch auf Stiftungsebene in
Form der so genannten Direktorenkonferenzen und Lenkungsaus-
schüsse. An diesen regelmäßig stattfindenden Konferenzen nehmen
sämtliche Direktoriumsmitglieder aller Häuser der Stiftung teil.
Inzwischen hat allerdings der Umfang dieser Gruppe durch das
Wachstum der Stiftung die kritische Größe erreicht, sodass andere
Formen der Zusammenkünfte überlegt werden.
Ebenfalls bewährt hat sich das so genannte Leitbildforum, das jedes
Jahr in der Stiftung stattfindet. An diesem Tag nehmen ungefähr
400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung teil. Es werden
wichtige und erfolgreiche Projekte vorgestellt, neue Entwicklungen
skizziert und Vernetzungen unter Personen ermöglicht.
Der gegenseitige Besuch in den Krankenhäusern und die Beratung
bei Projekten sind weitere Bausteine in der Vernetzung und Weiter-
gabe des Wissens.
In eigenen Schulungen wird das erworbene Wissen an die Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter weitergegeben.
Aufbau und Anwendung von informationstechnologischen Wissens-
datenbanken funktionieren nur dann, wenn eine lernoffene Unterneh-
menskultur entwickelt ist oder in der Einführung einer solchen Daten-
bank wächst. Oft wird übersehen, dass die Einführung technischer
Lösungen einer unternehmenskulturellen Grundlage bedürfen.
386
6.7.8 Die Bedeutung der Unternehmenskulturen
bei Kooperation und Fusion
387
einer gemeinsam getragenen Unternehmenskultur sind natürlich
klare Entscheidungsstrukturen, juristische Fragen sowie gemeinsame
strategische Ausrichtung unentbehrlich. Bestehende Konkurrenzsi-
tuationen beispielsweise im Leistungsspektrum, müssen durch Lö-
sungen überwunden werden, die beiden Seiten Vorteile bringen
(Kösters 2004).
388
innerhalb kürzester Zeit seine motivierende Kraft ein. In diesem
Fall lohnen sich weder die Zeit noch die entstehenden Kosten, um
solch einen Prozess zu initiieren. Ohne Verbindlichkeit gelingt also
kein Leitbildprozess.
Ebenso scheitert der Prozess, wenn die Teilnahme nicht aus freier
Entscheidung und aus Einsicht geschieht. Denn ohne Einsicht in
die Notwendigkeit solcher Prozesse haben Mitarbeiter viele subtile
Methoden zur Auswahl, um nicht gewünschte Prozesse zu torpe-
dieren oder zu ignorieren, und zwar so lange, bis das Projekt schei-
tert. Die Kunst des Veränderungsmanagements besteht darin,
Druckwirkung und Anreize im richtigen Moment einzusetzen.
– Wer sich auf den Weg macht, braucht ein Ziel. In einem Leitbild
kann dieses Ziel formuliert werden und somit der Grundstein für
die Entwicklung einer Unternehmenskultur sein. Leitbilder haben
nur dann einen Sinn, wenn sie in den Mitarbeitern verankert sind.
Wer meint, sich mit übernommenen und vorgefertigten Leitbil-
dern auf dem Weg des Erfolges nach vorne katapultieren zu kön-
nen, wird ein gutes Stück weiter hinten landen. Die Entwicklung
von Leitbildern ist ein Entschluss dafür, sich auf einen umfassen-
den Veränderungsprozess einzulassen. Wer dies aus welchen
Gründen auch immer nicht möchte, braucht kein Leitbild zu ent-
wickeln.
– Eine Organisationsentwicklung steht auf zwei Beinen: einem per-
sonalen und einen organisationalen. Beide Bereiche bedingen sich
gegenseitig. Die Umsetzung von Leitbildern leidet mitunter daran,
dass sie zu wenig in das strategische Management integriert sind.
Strategische Unternehmensentscheidungen und Leitbildprozesse
sind zu häufig nebeneinander hergehende Unternehmenslinien.
Beides ist im Grunde genommen nicht zu trennen, denn vorfind-
bare Organisationsstrukturen beeinflussen immer auch die Unter-
nehmenskultur.
Eine Entscheidung zugunsten einer Center-Organisation beispiels-
weise hat Auswirkungen auf die Unternehmenskultur, auf die
Frage, in welchem Ausmaß in einem Unternehmen dezentralisiert
und delegiert wird. Dies wiederum setzt entsprechende Instru-
mente der Personalführung voraus. Wie aber kann das Kapitel über
389
die Mitarbeiterorientierung im Leitbild glaubhaft sein, wenn in sol-
chen Entscheidungen nicht mitbedacht wird, welche leitbildkon-
formen Instrumente zur Umsetzung solcher Entscheidungen not-
wendig sind?
– Für umfassende Prozesse gilt der Grundsatz: Weniger ist mehr.
Es hat keinen Sinn, ständig neue Projekte zu initiieren, solange die
vorhergehenden noch nicht abgeschlossen sind. Projektgruppen
sind erst dann erfolgreich abgeschlossen, wenn deren Ergebnisse
in die Praxis umgesetzt sind. Insbesondere bei Projektgruppen be-
steht die Gefahr, sich zu verzetteln.
Für diejenigen, die sich in solchen Gruppen engagiert haben, hat
dies fatale Auswirkungen: Sie sind aus verständlichen Gründen für
keine weitere Mitarbeit mehr zu begeistern. Wer investiert schon
gerne seine Zeit und seine Mitarbeit, um für den Papierkorb zu ar-
beiten? Der Grundsatz, dass weniger mehr ist, gilt für die kleinen
wie für die großen Projekte. Verhängnisvollerweise besteht zuwei-
len ein Zusammenhang zwischen misslungenen Projekten und
der Tendenz, schnell ein weiteres aufzulegen.
– Veränderungen provozieren Widerstände. An einem konstruktiven
Umgang mit Widerständen zeigt sich die Dialogfähigkeit einer
Unternehmensleitung. Das bedeutet in keiner Weise, dass auf-
kommenden Widerständen ohne ein Hinterfragen nachgegeben
werden sollte, aber die Art und Weise, wie Konflikte bewältigt wer-
den, ist der verlässlichste Seismograf für produktive Erschütterun-
gen in einem Unternehmen.
390
Verzeichnis der Abkürzungen
ABB Asea Brown Boveri
AT außertariflich
BAT Bundesangestelltentarifvertrag
BMW Bayerische Motoren Werke AG
BPflV Bundespflegesatzverordnung
BSC Balanced Scorecard
BVW Betriebliches Vorschlagswesen
CIPD Chartered Institute of Personnel and Development
CKM Centrum für Krankenhausmanagement
DGFP Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V.
DIN Deutsches Institut für Normen
DRG Diagnosis Related Groups: Diagnosebezogene Fallgruppen
EFQM European Foundation for Quality Management
EPA elektronische Patientenakte
FMEA Failure Mode and Effects Analysis
(Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse)
gGmbH gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung
ICU Intensive Care Unit
ISO International Organization for Standardization
KIS Krankenhausinformationssystem
KTQ Kooperation, Transparenz und Qualität im Krankenhaus
KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, eine aus dem
japanischen Kaizen entwickelte Qualitätsmanagement-
strategie
MA Mitarbeiter
MAV Mitarbeitervertretung
med. medizinisch
MG Messgröße
MOT Moment of Truth
NHS National Health System: Das National Health System besteht
aus Krankenhäusern und Krankenkassen in Großbritannien.
Es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und ver-
sorgt jeden Briten im stationären Bereich, unabhängig da-
von, ob er Krankenversicherungsbeiträge zahlt oder nicht.
Damit ist es Teil des britischen Sozialversicherungssystems.
OE Organisationsentwicklung
OZ Operatives Ziel
PACS Picture Archiving and Communication System:
Der Begriff Pacs bezeichnet in der Medizin Bild-
archivierungs- und Kommunikationssysteme auf der Basis
digitaler Rechner und Netzwerke.
PIX Personalmanagement-Professionalisierungs-Index
POPM Prozessorientiertes Personalmanagement
proCum Cert spezielles Zertifizierungsverfahren für konfessionelle
(pCC) Krankenhäuser
391
QM Qualitätsmanagement
Reha Rehabilitation
RIS Radiologieinformationssystem
SGB Sozialgesetzbuch
SHRM Society for Human Resource Management
SZ strategisches Ziel
TEP Totalendoprothese
Tibia Schienbein
TVöD Tarifvertrag öffentlicher Dienst
TQM Total Quality Management
UKM Universitätsklinikum Münster
VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium
WOP wertorientiertes Personalmanagement
Literatur
Aiken, Linda, und Douglas Sloane. »Hospital Organization and Culture«.
Hospitals in a Changing Europe. European Observatory on Health Care Sys-
tems Series. Hrsg. Martin McKee und Judith Healy. London 2002.
265–278.
»Arbeitsmoral auf dem Tiefpunkt«. Netzeitung.de 28.01.2004.
www.netzeitung.de/servlets/page?section=784&item=270780
(Download 29.11.2005).
Armutat, Sascha. »Mit professioneller Personalarbeit zum Erfolg«. Personal –
Zeitschrift für Human Resource Management (56) 2 2004. 35– 39.
»Bayern: Mordserie im Krankenhaus. Todes-Pfleger hatte Gift für noch mehr
Opfer«. Bild.T-Online.de 31.07.2004.
www.bild.t-online.de/BTO/news/2004/08/01/todes_pfleger/todes_pfleger.html
(Download 14.11.2005).
Berner, Winfried. Praktische Strategien zur Veränderung der Unternehmens-
kultur. Freiburg 2000.
Berner, Winfried. Bleiben oder Gehen – Ihre persönliche Erfolgsstrategie für
Fusion, Übernahmen und Umstrukturierungen. Frankfurt 2001.
Berner, Winfried. »Synergieeffekte – Grund und zwingende Vorgabe für
Fusionen«. www.pmi-post-merger-integration.de/synergieeffekte.php
(Download 07.11.2005 a).
Berner, Winfried. »Abwanderung – Drohende Erosion der Leistungsträger«.
www.umsetzungsberatung.de/veraenderungsstrategie/abwanderung.php
(Download 07.11.2005 b).
Berner, Winfried. »Vorhersagbare Emotionen – Eine kleine Massenpsycho-
logie der Fusion«.
www.pmi-post-merger-integration.de/massenpsychologie.php
(Download 07.11.2005 c).
392
Bleicher, Knut. Organisation. 2. Auflage. Wiesbaden 1991.
Böhm, Hans. »Personalarbeit für das ›Lernunternehmen‹. Überlegungen zu
den theoretischen Grundlagen und pragmatische Ansätze«. Personal-
führung (25) 8 1992. 628–635.
Böhm, Hans, und Christoph Hauke. Personalmanagement in der Praxis.
Köln 1995.
Boudreau, John W., Benjamin B. Dunford und Peter M. Ramstad.
»The Human Capital ›Impact‹ on E-Business: The Case of Encyclopedia
Britannica«. Working Paper. 15.05.2000.
www.ilr.cornell.edu/depts/cahrs/PDFs/WorkingPapers/WP00-05.pdf
(Download 07.11.2005).
Byham, William C., Richard S. Wellins und Jeanne M. Wilson. Power-Teams:
Spitzenleistungen mit autonomen Arbeitsgruppen. Landsberg/Lech 1992.
Camp, Robert C. Benchmarking. München 1994.
Campbell, Joseph. Der Heros in tausend Gestalten. Frankfurt am Main 1999.
Cooperrider, David L. »Positve Image, Positive Action: The Affirmative Basis
of Organizing«. Appreciative Inquiry: Rethinking Human Organization
Toward a Positive Theory of Change. Hrsg. David L. Cooperrider, Peter F.
Sorensen Jr., Therese F. Yaeger, und Diana Whitney. Champaign IL 2001.
29 – 53.
Cooperrider, David L., und Suresh Srivastva. »Appreciative Inquiry in Orga-
nizational Life«. Research in Organizational Change and Development
(1) 1 1987. 129– 169.
Cordes, Eckhard, Manfred Gentz, Peter Küsperts und Michael Weber.
»Wertorientierte Unternehmensführung bei DaimlerChrysler. Strategi-
sche Planung und Controlling in einem globalen System«. Wertorientierte
Controllingkonzepte PuK. Hrsg. Dietger Hahn und Harald Hungenberg.
6. Auflage. Wiesbaden 2001. 969 – 1031.
Deal, Terrence E., und Allan A. Kennedy. Corporate Cultures: The Rites and
Rituals of Corporate Life. Boston 1982.
Deal, Terrence E., und Allan A. Kennedy. Unternehmenserfolg durch Unter-
nehmenskultur. Bonn 1987.
Denning, Steve. The Springboard: How Storytelling Ignites Action in Know-
ledge-Era Organizations. Woburn 2001.
Deyhle, Albrecht. Controller Handbuch. 5. Auflage. Gauting 2003.
DGFP – Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. Herausforderung
Personalmanagement – Auf dem Weg zu professionellen Standards.
Ergebnisse des Arbeitskreises »Personalfunktion der Zukunft«. Frankfurt
am Main 2002.
DGFP – Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. »Professionalisie-
rung des Personalmanagements. Ergebnisse der PIX Befragung 2006«.
PraxisPapiere 5/2006. www.dgfp.de/praxispapier
(Download: 26. 09. 2006).
393
DGFP – Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. Wertorientiertes
Personalmanagement. Quantitativer Beitrag zum Unternehmenserfolg.
Bielefeld 2004b.
DGFP – Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. PIX – der Per-
sonalmanagement-Professionalisierungs-Index der DGFP. Grundlagen,
Konzept, Messmethodik. Bielefeld 2005.
Donabedian, Avedis. »Evaluating the quality of medical care«. Milbank Memo-
rial Fund Quarterly (3) 44 Suppl. 1966. 166 – 206.
Dreidoppel, Jürgen, und Wilhelm Lücke. »Zielvereinbarungen im Rahmen wert-
orientierter Führung«. Zielvereinbarungsgespräche. Konzeption. Durch-
führung. Gestaltungsmöglichkeiten mit Praxisbeispielen und Handlungs-
anleitungen. Hrsg. Frank Jetter und Rainer Skrotzki. Stuttgart 2000.
Drucker, Peter F. Management in turbulenter Zeit. Düsseldorf 1997.
Eco, Umberto. Reflections on the Name of the Rose. London 1993.
Ehrhardt, Helmut und Thomas Röhrßen. »Leitbild und Unternehmenskultur
im Krankenhaus«. Krankenhausmanagement. Hrsg. Dietrich Adam.
Wiesbaden 1996. 59 – 73.
Eiff, Wilfried von. Krankenhaus-Betriebsvergleich, Controlling-Instrumente
für das Krankenhaus-Management. Neuwied, Kriftel und Berlin 2000.
Eiff, Wilfried von. Führung und Motivation in Krankenhäusern. Perspektiven
und Empfehlungen für Personalmanagement und Organisation. Stuttgart
2000.
Elsner, Salesius. Die Genossenschaft der Krankenschwestern des hl. Franzis-
kus von St. Mauritz-Münster. Eine Geschichte dienender Liebe. Münster
1948.
Fetzer. Relationship-Centered Care Conference. »The stories: Experiences of
relationship-centered care«. Kalamazoo 2000.
Fischer, Michael. »Ethik kann Brücken bauen. Zunehmende Ökonomisierung
erfordert institutionalisierten Ethikdiskurs«. Krankendienst (76) 3 2003.
65– 71.
Fischer, Michael. »Identität im Wandel. Mit Leitbildern Werte in Werke
einstiften«. OrganisationsEthik. Organisationsentwicklung in Kirchen,
Caritas und Diakonie. Hrsg. Andreas Heller und Thomas Krobath.
Freiburg 2003. 278–293.
Fischer, Peter. Neu auf dem Chefsessel. Landsberg/Lech 1997.
Fisher, Walter R. »Narration as Human Communication Paradigm: The Case
of Public Moral Argument«. Communication Monographs 51 1984. 1– 22.
Fleer, Andre. Der Leistungsbeitrag der Personalabteilung. Systematisierung
und Ansätze zu dessen Beurteilung. Lohmar und Köln 2001.
Frenzel, Karolina, Michael Mueller und Hermann Sottong. Das Unternehmen
im Kopf. Schlüssel zum erfolgreichen Change Management. München
2000.
394
Frenzel, Karolina, Michael Mueller und Hermann Sottong. Storytelling.
Das Harun-al-Raschid-Prinzip. München 2004.
Frese, Werner. Die Mauritzer Franziskanerinnen. Münster 1994.
Frey, Dieter, und Stefan Schulz-Hardt. »Zentrale Führungsprinzipien und Cen-
ter-of-Excellence-Kulturen«. Vom Vorschlagswesen zum Ideenmanage-
ment. Zum Problem von Änderungen der Mentalitäten, Verhalten und
Strukturen. Hrsg. Dieter Frey und Stefan Schulz-Hardt. Göttingen 2000.
15– 46.
Gerbert, Diether, und Lutz von Rosenstiel. Organisationspsychologie. Stuttgart
1996.
Gillen, Erny. »Frag nur – ethische Reflexionen zu den Fragestellungen im
Klinischen Ethik-Komitee«. Ethikkomitee im Krankenhaus. Erfahrungs-
berichte zur Einrichtung von Klinischen Ethik-Komitees, Hrsg. Katho-
lischer Krankenhausverband Deutschlands und Deutscher Evangelischer
Krankenhausverband. Freiburg 1999.
Goedereis, Klaus. »Kooperation und Fusion aus Sicht eines konfessionellen
Krankenhausträgers«. Perspektiven konfessioneller Krankenhäuser. Fest-
schrift für Dr. Rudolf Kösters. Hrsg. Klaus Goedereis. Münster 2004.
107– 127.
Greulich, Andreas, Alberto Onetti und Volker Schade. Balanced Scorecard
im Krankenhaus – Von der Planung bis zur Umsetzung – Ein Praxis-
handbuch. Heidelberg 2002.
Grossmann, Ralph. Besser Billiger Mehr. Zur Reform der Expertenorgani-
sation Krankenhaus, Schule, Universität. Wien und New York 1997.
Grubb, Thomas M., und Robert B. Lamb. Capitalize On Merger Chaos –
Six Ways to Profit from your Competitors’ Consolidation and Your Own.
New York u. a. 2000.
Gutbrod, Eckhard, und Wilhelm Lücke. »Zielvereinbarungen – ein wesent-
liches Element wertorientierter Unternehmensführung bei DaimlerChrys-
ler«. Zielvereinbarungen erfolgreich umsetzen. Konzepte, Ideen und Pra-
xisbeispiele auf Gruppen- und Organisationsebene. Hrsg. Walter Bungard
und Oliver Kohnke. Wiesbaden 2002. 387– 410.
Habeck, Max M., Fritz Kröger und Michael Träm. Wi(e)der das Fusionsfieber
– Die sieben Schlüsselfaktoren erfolgreicher Fusionen. Wiesbaden 1999.
Hall, Joe, und Sue Hammond. »What is appreciative Inquiry?«. Copyright
1998. http://lib1.store.vip.sc5.yahoo.com/lib/thinbook/whatisai.pdf
(Download am 11.03.2005).
Hassink, Jacqueline. The Tables of Power. Amsterdam 1996.
Herkner, Werner. Lehrbuch Sozialpsychologie. 5. Auflage. Bern u. a. 1991.
Hinterhuber, Hans H., und Eric Krauthammer. Leadership – mehr als
Management. 4. Auflage. Wiesbaden 2005.
395
Höckel, Günther. Keiner ist so klug wie alle. Chancen und Praxis des be-
trieblichen Vorschlagswesens. Düsseldorf 1964.
Hofstääter, Peter R. Gruppendynamik – Kritik der Massenpsychologie. Rein-
bek 1976.
Hofstede, Geert. Culture’s Consequences: International Differences in Work-
Related Values. Comparing Values, Behaviors, Institutions and Organiza-
tions Across Nations. 2. Auflage. Newbury Park CA 2001.
Hofstede, Geert, Bram Neuijen, Denise Daval Ohayv und Geert Sanders.
»Measuring Organizational Cultures: a Qualitative and Quantitative
Study across Twenty Cases«. Administrative Science Quarterly (35) 2 1990.
286 – 317.
Igersky, Sabine, und Norbert Schmacke. »Und wo bleiben die Patienten . . . ?
Eine Analyse von Arzt- und Krankenhausserien im deutschen Fernsehen«.
Gesundheitskommunikation. Hrsg. Dietmar Jazbinsek. Wiesbaden 2000.
129– 147.
Jetter, Frank, und Rainer Skrotzki. Handbuch Zielvereinbarungsgespräche:
Konzeption, Durchführung, Gestaltungsmöglichkeiten; mit Praxisbei-
spielen und Handlungsanleitungen. Stuttgart 2000.
Jost, Hans Rudolf. Unternehmenskultur. Wie weiche Faktoren zu harten
Fakten werden. Zürich 2003.
Kahneman, Daniel, und Amos Tversky. Judgement Under Uncertainty –
Heuristics and Biases. Cambridge MA 1982.
»Keine Babys mehr im Krankenhaus. Geburtshilfe macht Ende Januar dicht –
Landrat: ›Weiterbestand wirtschaftlich nicht vertretbar‹. Oberpfalznetz
(26.01.2005). www.zeitung.org/onetz/669359-127,1,0.html (Download
02.03.2005).
Kellner, Hedwig. Die Teamlüge. Von der Kunst, den eigenen Weg zu gehen.
Frankfurt 1997.
Kienbaum Consultants International GmbH. »Kienbaum-Studie: Human Re-
source – Benchmark im Krankenhaussektor«. Pressemitteilung. 03.03.2004.
www.kienbaum.de/cms/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung_
detail.cfm?Datum=2004&ObjectID=8853D096-6116-4AFC-
A829D4FDAA12B533 (Download 21.11.2005).
Klauber, Jürgen, Bernt-Peter Robra und Henner Schellschmidt. Krankenhaus-
report 2003. Stuttgart 2004.
Kleiner, Art, und George Roth. »Wie sich Erfahrungen in Unternehmen besser
nutzen lassen«. Harvard Business Manager (20) 5 1998. 9– 15.
Kopetsch, Thomas. »Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus!
Ergebnisse der 2. aktualisierten und überarbeiteten Auflage der Studie
zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung der Kassenärztlichen Bun-
desvereinigung und der Bundesärztekammer«. Pressemitteilung vom
27.08.2003. www.bundesaerztekammer.de/10/005Arztzahlen/index.html
(Download 08.11.2005).
396
Kösters, Rudolf. »Wachstum ja, aber keine aktive Expansion«. Klinik Markt
inside 24 2004. 10– 11.
Lerpold, Lin, und Lena Zander. »Managing International Alliance and Acqui-
sition Integration«. International Management, Theories and Practices.
Hrsg. Monir Tayeb. London 2003. 132– 155.
Luhmann Niklas. »Autopoiesis als soziologischer Begriff«. Sinn, Kommunika-
tion und soziale Differenzierung. Hrsg. Hans Haferkamp und Michael
Schmid. Frankfurt am Main 1987. 307– 324.
Luerßen, Bjoern. »Chicago Hope. Pilot – Triumph der Chirurgen«. Episoden-
führer aktualisiert am 09.09.2001. www.epguides.de/chicago_hope.htm
(Download 14.11.2005).
Martin, Joanne, Martha S. Feldman, Mary Jo Hatch, Sim B. Sitkin. »The
uniqueness paradox in organizational stories«. Administrative Science
Quarterly (28) 1983. 438– 453.
Matje, Andreas. Unternehmensleitbilder als Führungsinstrument: Kompo-
nenten einer erfolgreichen Unternehmensidentität. Wiesbaden 1996.
Maturana, Humberto, und Francisco Varela. Autopoiesis and Cognition. Dord-
recht 1980.
Meinold, H. »Medizinische Fakultäten und Universitätsklinika im DRG-Zeit-
alter (I)«. Das Krankenhaus (97) 8 2004. 611– 622.
Meyer, Wulf-Uwe. Lehrbuch Gelernte Hilflosigkeit – Grundlagen und
Anwendungen für Schule und Unterricht. Bern und Stuttgart 2000.
Middendorf, Conrad. Klinisches Risikomanagement. Implikationen, Me-
thoden und Gestaltungsempfehlungen für das Management klinischer
Risiken in Krankenhäusern. Münster 2005.
Miranda Dinis R., David W. Ryan, Wilmar B. Schaufeli und Vaclav Fidler.
Organisation and Management of Intensive Care. A prospective study
in 12 European countries. Berlin 1998.
Möller, Johannes. »Qualitätsmanagement im Krankenhaus durch Bewertung
(EFQM) und Zertifizierung (KTQ)«. Gesundheitsökonomie & Qualitäts-
management (6) 6 2001. 112– 117.
Monnery, Neil und Art Peck. The Work Begins After the Deal is Closed. BCG
Perspectives. 2000.
Neuijen, Bram. Diagnosing Organizational Cultures: patterns of continuance
and change. Groningen 1992.
Ohne Verfasser (2004). Nur Dienst nach Vorschrift http://www.gmx.net/
de/themen/beruf/karriere/business/521996.html?c=1754&f=portal_gmx&
l=uebersicht_themen_click&s=vNqm4 [Download: 19.10.2004].
Owen, Harrison. Spirit: Transformation and Development in Organizations.
Potomac MD 1987.
397
Peters, Thomas J., und Robert H. Watermann. In Search of Excellence.
New York 1982.
Peters, Thomas J., und Robert H. Watermann. Auf der Suche nach Spitzenleis-
tungen, Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann.
4. Auflage. München und Landsberg/Lech 1993.
Raffel, G. »Der Weg vom traditionellen Vorschlagswesen zum modernen
Ideenmanagement bei Porsche«. Vom Vorschlagswesen zum Ideen-
management. Zum Problem von Änderungen der Mentalitäten, Verhalten
und Strukturen. Hrsg. Dieter Frey und Stefan Schulz-Hardt. Göttingen
2000. 98.
Reinmann-Rothmeier, Gabi, Christine Erlach und Andrea Neubauer. Erfah-
rungsgeschichten durch Story Telling – eine multifunktionale Wissens-
management-Methode. München 2000.
Richter-Reichhelm, Manfred. »Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die
Ärzte aus! Statement des Ersten Vorsitzenden der KBV Dr. med. Manfred
Richter-Reichhelm«. Pressemitteilung vom 27.08.2003.
www.bundesaerztekammer.de/10/005Arztzahlen/Richter.html
(Download 07.11.2005).
Rosenthal, Thomas, und Erwin Wagner. Organisationsentwicklung und
Personalmanagement im Gesundheitswesen. Heidelberg 2004.
Rughase, Olaf G. »Strategische Flexibilität in Organisationen – Ethnographi-
sche Methoden in der Strategieberatung. Umsetzung der Herausforde-
rung in der Strategieberatung«. Konferenzbeitrag vom 17.02.2001.
www.arbeitskulturen.de/down/09rughase_p.htm (Download 15.03.2005).
Schein, Edgar H. Organizational Culture and Leadership. San Francisco 1992.
Schütt, Peter. »Geschichten als Maß und Motor der Unternehmenskultur«.
Wissensmanagement (1) 3 2003. 8– 11.
Schuster, Norbert, und Thomas Schmidt. »Kann man Kirchlichkeit lernen?
Qualitätskriterien für theologische Qualifizierungsprogramme«. Neue
Caritas (106) 1 2005. 20– 23.
Schuler, R. »Betriebliches Vorschlagswesen«. Management Enzyklopädie.
Bd. 9. München 1984.
Schupeta, Eckhard, und Helmut Hildebrandt. Patientenzufriedenheit messen
und steigern. Was Krankenhäuser von Patienten lernen können. Erfah-
rungen und Folgerungen aus einem Vergleich von 45 Krankenhäusern
durch die Versicherten der DAK. Bonn 1999.
Scott-Morgan, Peter. The unwritten rules of the game: master them, shatter
them, and break through the barriers to organizational change. New York
u. a. 1994.
Simon, Hermann. Die heimlichen Gewinner. 2. Auflage. Frankfurt am Main
1996.
Snowden, David. »Narrative Patterns – the perils and possibilities of using
story in organisations«. Knowledge Management (4) 10 2001. 10– 15.
398
Soden, Kevin. »Medicine Commencement. NBC Correspondent Medicine
Commencement Speaker«. Rede vom 11.05.2004.
www2.mercer.edu/News/Articles/040511medicine.htm (Download 07.11.2005).
Sole, Deborah, und Daniel Wilson. »Storytelling in Organizations: The power
and traps of using stories to share knowledge in organizations«.
http://lila.pz.harvard.edu/_upload/lib/ACF14F3.pdf (Download 07.11.2005).
Sonntag, Karlheinz. »Ermittlung tätigkeitsbezogener Merkmale: Qualifi-
kationsanforderungen und Voraussetzungen menschlicher Aufgaben-
bewältigung«. Personalentwicklung in Organisationen. Psychologische
Grundlagen, Methoden, Strategien. Hrsg. Karlheinz Sonntag. Göttingen
1993. 135– 155.
Steinkamp, Norbert, und Bert Gordijn. Ethik in der Klinik – ein Arbeitsbuch.
Zwischen Leitbild und Stationsalltag. Wiesbaden 2003.
Steinmann, Horst und Georg Schreyögg. Management – Grundlagen der
Unternehmensführung; Konzepte, Funktionen, Fallstudien. Wiesbaden
2005.
Steward, Julian H. Contemporary change in traditional societies. Urbana 1967.
Stone, Richard. »Patient Safety and Storytelling«.
www.storywork.com/safety.html. (Download 10.11.2004).
Stone, Richard. »The Selig of Leadership«. www.storywork.com/selig.html
(Download 10.11.2004).
Stone, Richard. »Storytelling: The Imaginal path to Healing«.
www.storywork.com/imaginalpath.html (Download 10.11.2004).
Suchsland, Rüdiger. »Die Arztserie der neuen Generation. Zur Geschichte der
Arztserien«. http://homepages.compuserve.de/senpai145/erfans/news.htm
(Download 08.03.2004).
Thier, Karin. Die Entdeckung des Narrativen für Organisationen. Hamburg
2004.
Triandis, Harry C. »Interpersonal Relations in International Organizations.«
International Business and Management, Vol. 2, The Impact of National
Culture on Management. Hrsg. Derek S. Pugh und Allan R. Plath. London
2003.
Ulrich, Peter, und Edgar Fluri. Management: eine konzentrierte Einführung.
Bern, Stuttgart und Wien 1995.
Ulrich, Peter. »Worauf kommt es in der ethikbewussten Unternehmensfüh-
rung grundlegend an? Integrative Unternehmensethik in fünf Thesen«.
Unternehmensethik in der Praxis: Impulse aus den USA, Deutschland
und der Schweiz. Hrsg. Peter Ulrich und Josef Wieland. Bern, Stuttgart
und Wien 1998. 15– 27.
Wagner, Dieter, und Achim Seisreiner. Entwicklungstrends im Personal-
management. Ergebnisse einer aktuellen Befragung von Führungsexper-
ten aus Wissenschaft und Praxis. Potsdam 2001.
399
Walt Disney World Co. Seminar Productions. The Disney Approach to People
Management. Burbank CA o. J.
Wehe, Dieter. »Der Einfluss der Personalentwicklung auf die Unternehmens-
kultur«. Vortrag im Rahmen des CKM-Expertenkreises Personalmanage-
ment im Gesundheitswesen. Münster, 05./06.11.2003.
Weidemann, R. »Das intuitive Wissen in Organisationen erschließen«.
Personalführung (32) 12 1999. 42– 53.
Weiner, Bernard. Motivationspsychologie. München 1988.
Wilkins, Alan L. »Organizational Stories as Symbols Which Control the
Organization«. Organizational Symbolism. Hrsg. Louis Pondy, Peter.
Frost, Gareth Morgan, und Thomas Dandridge. Greenwich, Conn. u. a.
1983. 69– 92.
Wollert, Artur. Führen, Verantworten, Werte schaffen. Personalmanagement
für eine neue Zeit. Frankfurt am Main 2001.
Womack, James P., Daniel T. Jones und Daniel Roos. The Machine That
Changed The World. New York 1989.
Wucknitz, Uwe D. Handbuch der Personalbewertung, Messgrößen, Anwen-
dungsfelder, Fallstudien. Stuttgart 2002.
Wunderer, Rolf. »Das Personalwesen auf dem Weg zum Wertschöpfungs-
center«. Personal (44) 4 1992.
Wunderer, Rolf und Sabina von Arx. Personalmanagement als Wertschöp-
fungs-Center. Integrierter Organisations- und Personalentwicklungs-
ansatz. 3. Auflage. Wiesbaden 2002.
Wunderer, Rolf und Petra Dick. Personalmanagement – quo vadis? Analysen
und Prognosen bis 2010. 3. Auflage. Neuwied 2001.
Zairi, Mohamed. Effective Benchmarking, Learning from the Best. London
1996.
400