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Kohärenz
Mit Kohärenz ist ein Textzusammenhang gemeint, der nicht durch grammatisches, sondern
durch kulturelles Wissen hergestellt wird.
Kulturelles Wissen umfasst:
- das lexikalische Wissen, d.h. die Kenntnis der in einer Kultur gängigen Wörter und
ihrer semantischen Zusammenhänge
- das Welt- und Handlungswissen, d.h. die Kenntnis von Fakten und
Zusammenhängen in der Welt sowie das Wissen, wie man bestimmte Handlungen
vollzieht
- das Textwissen, d.h. die Regeln, wie Texte typischerweise aussehen, die man in
bestimmten Situationen zu bestimmten Zwecken verfasst werden.
1. Lexikalisches Wissen
Inhaltswörter = die Wörter und Phraseologismen (feste Wortverbindungen), mit denen man
sich auf Objekte und Sachverhalte in der Welt inhaltlich bezieht, also sie tragen
Bedeutungen. Inhaltswörter sind vor allem Substantive, Adjektive und Verben, aber auch
viele Adverbien.
Die Bedeutungen der Inhaltswörter stehen untereinander in Beziehungen, die also
semantische Zusammenhänge herstellen.
(!! Funktionswörter produzieren Zusammenhänge zwischen Sätzen im Rahmen
grammatischer Kategorien: Pronomen beziehen sich auf Inhaltswörter durch Konguenz –
acord gramatical – mit ihnen in Person, Numerus, Genus. Ihre Bedeutung wird durch ihre
Inhalswörter bestimmt.)
Inhaltswörter produzieren Textkohärenz, indem sie in ikonische Beziehungen zueinander
treten. Ikonizität (= Ähnlichkeit, von griechisch ikona, Abbild) maniferstiert sich in
verschiedenen Aspekten:
a. Schon die formale Ikonizität (ohne realen Bedeutungszusammenhang) kann
Textzusammenhang herstellen oder stützen:
Bsp.
(Überschrift von einem Zeitungsartikel): Arm ab, arm dran. Die Regierung operiert an der
gesetzlichen Unfallversicherung. Es drohen Sparmaßnahmen zu Lasten der Betroffenen.
b. Ikonizität der begrifflichen (konzeptuellen) Bedeutung spielen eine wichtige Rolle.
Traditionell unterscheidet man hier:
- Synonyme: anfangen – beginnen
- Antonyme – kontradiktorische A. (= die Pole schließen sich aus: lebendig – tot) und
konträre A. (= die Pole bilden die beiden Enden einer Skala: Freund – Feind)
- Hyperonyme (Oberbegriffe) und Hyponyme (Unterbegriffe): Gemüse – Tomate
- Kohyponyme (= Hyponyme zu demselben Hyperonym): Tomate, Kartoffel, Gurke
- Heteronyme (= Wörter ohne formale Beziehung, die aber semantisch eng
zusammenhängen): rot, gelb, grün, blau
c. Ikonizität der dargestellten Welt betrifft die Referenz (= Realität, auf die der
jeweilige Begriff sich bezieht) der Inhaltswörter.
Für die Kohärenz von Texten spielt besonders die wiederholte Referenz auf dieselben
Personen, Objekte oder Sachverhalte einen wichtige Rolle (Referenzidentität). Dieser
wiederholte Bezug heißt auch explizite Wiederaufnahme (Brinker) und spielt eine ähnliche
Rolle wie phorisch oder deiktisch verwendete Pronomen und Pronominaladverbien.
Zu den referenzidentischen Beziehungen gehören:
- Rekurrenz (= dasselbe Inhaltswort wird wörtlich wiederholt): Brennstoffzellen
erzeugen zu Hause Strom. Und das umveltfreundlich dank Katalysatoren aus der
Chemie. Sie ermöglichen es, dass Brennstoffzellen Strom viel effizienter als bisherige
Systeme produzieren.
Es gibt auch teilweise Rekurrenz: dasselbe Wort wird durch Wortbildung verändert
wiederholt: Bestimmte Gene sorgen dafür, dass eine Zelle nicht krankhaft wächst. Wird ein
solches Schutzgen ausgeschaltet, geht seine Wirkung verloren.
Bei Ellipsen wird das Wort weggelassen, ist aber aus dem Kontext zu ergänzen: Die
Deutschen hadern weiter mit ihrer Regierung. Über ein Drittel [der Deutschen – hier
ausgelassen!] sind mit deren Arbeit unzufrieden.
- Wortsubstitution: Ein bestimmtes Wort (Substituendum) wird referenzidentisch
durch ein bestimmtes Wort (Substituens) ersetzt:
Zur Freude der Bauer war der Frühling regnerisch. Nachdem sie wegen einer langen
Dürreperiode um ihre Ernten gezittert hatten, konnten die Landwirte nun endlich
wieder aufatmen. (Substitution durch Synonym)
Eine Libanesin machte beim Öffnen einer Auster den Fund ihres Lebens: In der
Muschel fand sie 26 Perlen. (Substitution durch Hyperonym)
Der Hund eines alten Rentners wurde zum Helden des Tages. Der Dalmatiner rettete
das Leben seines Herrn, indem er durch sein Bellen die Nachbarschaft auf einen
Brand, der in der Wohnung ausgebrochen war, aufmerksam machte.( Substitution
durch Hyponym)
Die Mischung aus hohen Profiten und illegalen Methoden zieht auch die Unterwelt
an: Sowohl die italienische als auch die japanische Mafia sollen tief in das Geschäft
mit Thunfisch involviert sein. (Substitution durch Bedeutungsexpansion = ein Wort
wird durch eine Wortgruppe wiederaufgenommen.)
- Wortgruppensubstitution:
Zwei Lottospieler aus Niederbayern und Nordrhein-Westfalen haben den Jackpot
geknackt und und je 6 Millionen Euro gewonnen. Die Glückspilze hatten sechs
Richtige und die passende Superzahl 0. (Substitution durch Bedeutungskondensation =
die erneute Referenz erfolgt in einem zusammenfassenden Ausdruck.)
Häufig liegt im Textverlauf keine Referenzidentität vor, die Referenz basiert nur auf
inhaltlicher Verwandtschaft. In solchen Fällen spricht man von impliziter Wiederaufnahme
(Brinker):
Das Kind kann nicht mal eine halbe Stunde mit der Freundin im Park sein. Gleich ist die
Mutter wieder da und schimpft.
Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer.
3. Textwissen
Textwissen ist vor allem das Wissen über allgemeine Formen und Funktionen von Texten in
bestimmten Kommunikationssituationen. Dieses Wissen konkretisiert sich in der
Zuordnung von einzelnen Texten zu Textsorten, d.h. Klassen von Texten die spezifische
Merkmale gemeinsam haben.Eine typische Kombination von Merkmalen wird als
Textmuster einer Textsorte bezeichnet.