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Eömische Geschichte

ТОП

В. G. N i e b u h r
Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

N e u e A x is g a b e
von

M. I s le r .

Z w e i t e r B a n d .

B E R L IN ,
V e rla g von S. C a lv a ry à Co.
1873.
V o rred e zu m z w e ite n T h e ile , E rste r A u sgab e.

D ie G e s c h ic h te d es an d erthalb h u n (Jertjäh rigen K am p fs


z w is c h e n P a tr ic ie r n und P le b e jern , a u s dem zu erst in den
z w ö lf T a fe ln g le ic h e s b ü r g e r lic h e s R ech t, d an n e in e g le ic h e
T h e ilu n g d er h ö c h ste n G ew a lt h e r v o r g in g ; d ie der allm äh ­
lic h e n A u s b ild u n g der V e r fa ssu n g w ä h ren d d ie se s Z eitraum s,
un d U n tersu ch u n g en ü b er w ic h tig e T h e ile d es röm isch en
S ta a t s r e c h ts , w orü b er m e iste n s g a n z f a ls c h e , w e n ig ste n s
v erw o rren e V o r s te llu n g e n a n g en o m m en s in d , m a ch en in
e in e m u n g le ic h ü b e r w ie g e n d e n 'V e r h a ltn is s, im U m fa n g w ie
in der W ic h tig k e it, d en b e d e u te n d e r e n In h a lt d es g e g e n ­
w ä r t ig e n B a n d e s au s.
B e i d em rö m isch en G esch ic h tsch reib er h errsch t e in
ganz a n d e r e s V e r h ä ltn iss zw isch en d ie se m T h e il der G e­
sc h ic h t e u n d dem der K r ie g e , u n d eb en so v ersch ied en von
d en m e in ig e n sin d d ie A n s ic h te n n a ch d en en sein e D a r­
s t e llu n g e n g e f a s s t sin d . Jene V e r sch ied en h eit d es E b e n -
m a a ss e s e n tsc h u ld ig e ic h n ic h t; jed er m u ss sie b illig e n
d er in je d e m Z eitrau m d as e i g e n t ü m li c h W ic h tig s te , n ic h t
in a lle n n u r ein e e in z ig e A rt der G e g e n s tä n d e ;su c h t, u n d
ein r ä u m t, d a ss d ie U n te r su c h u n g e n n ic h t en tb e h r lic h sin d :
ü b er d ie zw ey te h ab e ic h m ich w ie d e r h o lt im L au fe der
A b h a n d lu n g g e r e c h tfe r tig t u n d m u ss e s d en n och n ich t für
ü b e r flü s sig h a lte n a u ch h ier an ih rem E in g ä n g e e in ig e
W orte für d en ern sten u n d b eru fen en M itfo rsch er zu sagen»
Es wäre nm. die Geschichte gethan, und ein sonst
grosser Geschichtschreiber, der nicht zugleich das unbe-
stochene Gemüth und den tiefdringenden Blick des Thuky-
dides und Polybius hätte, wäre ein wahrer Unheilbringer
für das Andenken der vergangenen Zeiten, wenn seine
Ansicht den nachfolgenden Geschlechtern Geseze vorschrei-
ben dürfte. Die freye und immer rege Prüfung die allen
Wissenschaften allein das Leben erhalten kann, darf der
Geschichte nicht fehlen. Unter dom Druck eines gegen­
wärtigen Uebels, wie im Rausch des Factionsgeistes, ver­
breiten sich oft höchst ungerechte Urtheile, und bemäch­
tigen sich auch sehr tüchtiger Geister. Nicht zu reden
von den Knechten der Mode und der Lüge, unbehülfiichen
literarischen Gauklern und Springern, wie stark auch dies
Unkraut in Deutschland wuchert. Wenn aber unter jenen
M ä n n ern , die wir ehren, einzelno die päpstliche H ierar-
chie lobpreisen, Luther und Gustav Adolph schmähen,
werden wir uns irre machen lassen, und nicht mit der
Wahrheit des Geschehenen ihr Urthoil von unserm Ge-
jnüthe ab wen den?
Ueber den Rhetor Dionysius als kritischen oder ur-
theilenden Historiker zu reden lohnt es der Mühe gar
nicht, Livius als Autorität der Ansicht darf ich schon
wegen der Inconsequenz und der Widersprüche verwerfen,
welche in dieser Geschichte so oft gerügt sind.
Für ächt kann in der ältern Geschichte Ro ms nur der
kürzeste Begriff der Vorfälle selbst gelten : jede Ausführ­
lichkeit ist verdächtig: die beurfcheilendo Erzählung das
Werk einer späten, dem Alterthum ganz fremd geworde­
nen Zeit. Und wie fremd! Sallust ist im Urtheil und im
Verständniss der Geschichte, ohne Vergleich über Livius,
wie wenig aber auch er nur einen Begriff davon hatte
worin die innere Geschichte der alten Zeit von der des
Jahrhunderts seiner Väter nnd seiner Jugend verschieden
und gar nicht mit ihr zu vergleichen war, muss jedem
klar werden, der ihn aufmerksam liest. Wie Livius durch die
Täuschung gleichlautender Worte die mit den Jahrhunder­
ten einen ganz ändern Sinn angenommen hatten und den
Zauber der Factionsnamen irre geleitet ward, erklärt sich
sehr leicht.
In der neuern Geschichte ist es nicht schwer, unser
Urtheil unabhängig zu erhalten : gleichzeitige Zeugen reden
noch mit tausend Zungen, jedem vernehmlich der sie
hören will. In der griechischen hat nur Xenophon ver­
fälscht. Auch über die römische können wir nicht irren.
Ich nehme die einzelnen Begebenheiten: den-Mord des
Genucius: die beschüzten Gewalttätigkeiten der frechen
Jugend: Appius den Decemvir, und die Patricier seiner
Zeit: den Wuchergräuel: den Bruch jedes Vertrags, die
Verweigerung einer Armee an den plebejischen Dictator
als das Vaterland bedroht war: eine ganze Reihe von
Thaten in demselben Geist; — und ihnen stelle ich der Ple­
bejer Ruhe, Gelassenheit und Gesezlichkeit entgegen, die
auch nicht durch eine einzige Beschuldigung angetastet
wird.
Darum halte mich Niemand der lächerlichen Meynung
fähig, die Stände Roms, wie sie verschiednen Nationalur­
sprungs waren, wären, der eine ein niederes und gottloses,
der andere ein höheres und tugendhaftes Geschlecht ge­
wesen, und ich behauptete diesen Vorrang für die Plebejer.
Wohl aber bewährt es sich in dieser Geschichte, wie
in der aller spätem, auch der gepriesensten, Aristokratieen,
dass dié Herrschaft eines S ta n d e s — unter der Monar­
chie ist sie unmöglich — notw endig argwöhnisch,-unge­
recht und unedel ist, und ihn se lb st,. weit mehr als die
Unterthanen, verderbt. So wird hingegen auch dieser Ge­
TI —

schichte Fortgang bewähren, dass abgesondert bestehende


Stände zur Fortdauer einer Republik, oder einer gemisch­
ten Verfassung, nothwendig sind : denn nur festgegründote
Schranken können, bey der wenigen Fähigkeit welche die
Menschen zu allen Zeiten gehabt haben Freyheit zu er­
tragen, das Zerstörende ihrer Bewegungon aufheben.
So war anfänglich die Opposition der Plebs heilsam:
das Gleichgewicht beyder Stände war die Vollkommenheit;
als sie zusammenflossen verlor die Verfassung alle Haltung.

Vorrede zur zweyten Auflage des zwey ten Theiles.


Dieser Theil erscheint drey Jahre später als ich bey
der Vollendung des umgearbeiteten ersten für ausgemacht
hielt: und wer damals beachtete dass in der Vorrede die
bevorstehende Ausgabe nur als eine „vervollkommne“ der
früheren bezeichnet ward, hat sicher nichts weniger als
so lange Verzögerung erwartet. Wohlwollenden, die sie
getadelt haben, muss ich hier erklären wie es so gekom­
men ist.
Gegen den Inhalt des zweyten Theils hatte ich, seit­
dem die Eortsezung unterbrochen war, in einem ganz ändern
Verhältniss gestanden als zu dem des ersten. Dieser hörte
nie auf mich zu beschäftigen : jede erworbene Kunde über
ursprüngliche Institutionen anderer Völker vereinigte sich
mit den darin begonnenen Untersuchungen ȟber verwandte
römische; sehr vieles mit der Anschauung von Rom und
Italien: der zweyte, welcher nur Einzelheiten der römischen
Zustände und Rechte betrifft, nie durch solche Veranlas­
sungen zurückgerufen, war mir fremd geworden. Indessen
wusste ich sehr wohl dass die darin enthaltenen Abhand-
— ѵп —

liingen ohne Vergleich gereifter und vollendeter waren als


die im ersten Theil: an ihnen, vornämlich an der über
das agrarische Hecht, deren Untersuchungen durchgeführt
waren ehe der Gedanke die römische Geschichte zu bear­
beiten erregt ward, war nichts zu berichtigen, wenig hin­
zuzufügen. Andre Untersuchungen, die eingeschaltet wer­
den sollten, waren freylich noch nicht für den Druck nie­
dergeschrieben, doch aber -zum Theil, wie die über Muni-
cipium und Isöpolitie schon zu Bom, entworfen; der Inhalt
von allen wiederholt mündlich vorgetragen. So blieb die
historische Erzählung übrig, von der ich als sicher an­
nahm, es sey unmöglich zu grösserer Bestimmtheit zu ge­
langen als sie in der ersten Ausgabe hatte; und so war
es zum wenigsten nuzlos auf Ereignisse von so kleinem
Maassstab mehr Sorgfalt und Ausführlichkeit zu verwenden,
Nach dieser Ansicht konnte eine vervollkommte Bear­
beitung freylich in einigen Monaten geschaffen werden:
aber bald ward es klar dass die Kritik, der Skepsis zum
Troz, eine sichre und glaubhafte Geschichte seit dem An­
fang dieses Zeitraums hersteilen und behaupten könne;
und dann lohnte es der Mühe mit höchster Sorgfalt jede
Einzelheit zu erforschen; eben hier nicht zu übergehen
was in einer Zeit grösserer Ereignisse als geringfügig aus­
geschlossen werden muss. Eben so liess sich erkennen
dass es gelingen werde die Veränderungen der Verfassung
Schritt vor Schritt zu entdecken. Unter begünstigenden
Umständen hätte auch dies Unternehmen rasch ausgeführt
werden können, wie manche Forschungen im ersten Theil:
aber diesen hätte ich in einer Erschöpfung geschlossen
welche Folge der während sechszehn Monaten, bis auf sehr
wenige dinzelne Tage, ohne einige Unterbrechung fortge*
sezten Anstrengung aller, auf jenen einzigen Gegenstand
gerichteten, Seelenkräfte war. Jezt erblindete das* Gesiebt*
— пи —

indem es leidenschaftlich das Dunkel zu überwinden strebte* ;


und, wenn nicht ein vorläufiges Werk entstehen sollte,
welches früher oder später durch eine völlige Umarbeitung
ersezt werden musste, so war es nöthig abzuwarten was
die Zeit allmählich brachte; die auch nicht karg war, und,
obwohl langsam, Entdeckung zu Entdeckung treten liess.
Aber verschweigen darf ich auch nicht, dass, aus jener
eigentlich dem Bausch eines Ueberwachfeen verwandten
Ermüdung, da# allerlebhafteste Bedürfniss einer abwech­
selnden Beschäftigung entstanden war, welches auf das,
neben einem Beruf wie diese Geschichtschreibung, unüber­
legte Beginnen der Ausgabe der Byzantiner führte: wo­
durch, und durch andre höchst anstrengende Geschäfte,
namentlich die Ueberarbeitung des ersten Theils zur jüng­
sten Ausgabe, das Fortschreiten des zweymal umgebildeten
Entwurfs sehr aufgehalten ward; und, da ich alles neben
einander fortführen wollte, für eine Zeitlang* Gesundheit,
Heiterkeit und Klarheit verschwanden.
Endlich war ich von vielen Störungen los ; viele waren
überstanden: ich fühlte mich wieder frey und froh: Manu­
script für die ersten Bogen war ausgearbeitet, und es
sollte am folgenden Morgen an die Druckerey abgehen,
als das Unglück, welohes um Mitternacht mein Haus traf,
dasselbe bis auf ein zufällig geborgenes Blatt vernichtete.
Doch die Vorarbeiten waren erhalten, und mein Muth:
sieben Wochen nach dem Unglück war das Verlorne her­
gestellt, und der Druck eingeleitet. In andorn Zeiten
würde diese Verzögerung ohne Einfluss auf die Ausarbei­
tung gewesen seyn: aber diese hatte erst zwey Drittheile
erreicht als der Wahnwiz des französischen Hofs défit Ta­
lisman zerschlug welcher den Dämon der Revolution ge­
bunden hielt: das übrige ist geschrieben um das Begot>*
nene pflichtgemäss nicht unvollendet zu lasseti: mit steteöi
Abwehren der sich aufdrängenden kummervollen Sorgen
über den für Vermögen, die liebsten Besizthümer, und
jedes erfreuliche Verhältniss drohenden Untergang. Der
erste Theil war in der heitersten Gegenwart und ihrem
dankbaren innigsten Genuss, in der vollkommensten Sorg­
losigkeit über die Zukunft, geschrieben: jezt blicken wir
vor uns in eine, wenn Gott nicht wunderbar hilft, bevor­
stehende Zerstörung, wie die römische Welt sie um die
Mitte des dritten Jahrhunderts unsrer Zeitrechnung erfuhr:
auf Vernichtung des Wohlstands, der Freyheit, der Bildung,
der Wissenschaft. Wenn aber auch Verwilderung lange
Jahre hindurch Musen und Gelehrsamkeit ganz verscheu­
chen sollte, so wird doch einmal eine Zeit wiederkommen
wo, anders freylich als im fünfzehnten Jahrhundert, die
römische Geschichte aufs neue beachtet und geliebt wer­
den wird.
Ohne den Ausbruch dieser entsezlichen Zeit würde
ich, nach kurzer Erholung, zur Vollendung und Heraus­
gabe des dritten Theils geeilt seyn; von dem, was noch
in den Gränzen des zweyten der früheren Ausgabe liegt,
entworfen ist, — das fernere, bis zum ersten punischen
Krieg, nur noch der lezten Hand bedarf. Wird uns einige
Ruhe gewährt, so soll keine andre Beschäftigung dieser
vorgehen. Jezt ist mein nächstes Geschäft das Register
zu diesen beyden Bänden fertig zu machen, welches ab­
gesondert wird, um nicht in einem fortlaufenden Werk
störend einzutreten.
In dem gegenwärtigen Bande ist der Umfang der Er­
zählung noch immer unerheblich gegen die Abhandlungen:
dieses Verhältniss ändert sich gänzlich schon in den aus­
gearbeiteten Theilen des folgenden, der bis an den hanni-
balischen Krieg führen sollte ; und wie ich diese mit Liebe
und Erhebung geschrieben, so freute ich mich, als dessen
Vollendung sicher nahe schien, der ferneren Darstellung
und Schilderung von Männern und Ereignissen. So oft
diese über irgend erhebliche Vorfälle mit einigem Glauben
möglich war, ist sie schon hier gegeben : aber Erzählungen
die das Gepräge tragen nichts als Ausmahlung der Anna­
listen zu seyn, habe ich nie wiederholen mögen. Das Be­
streben meine entschiedene, gewissenhafte Ueberzeugung
von jedem Saz und jedem Gedanken dem Leser initzutheilen,
ist hier, wie in dem ersten Band, das einzige Motiv meiner
Darstellung und Behandlung. War es in bündiger Kürze
möglich, um so willkommner! und bis auf das Decemvirat
gelang das wohl oft schon durch Anführung einer einzelnen
entscheidenden Stelle, zumal aus Dionysius : weiterhin, vor­
nehmlich wo Livius allein erhalten, jede hülfreiche andre
Spur verloren ist, bedarf es für denselben Zweck manch­
mal einer Argumentation die, um nichts scheinbar will­
kürliches aufzustellen, um jedes Ansinnen auf geneigte
Zustimmung des Lesers auszuschliessen, mitunter fast weit­
läu fig gerathen, und nicht ohne alle Wiederholung bleiben
kann.
B on n , den 6. Oktober 1830.
/

Z w e it e r T h eil.

E in le itu n g .

1 E s war eine der wichtigsten Aufgaben des ersten


Theils, darzuthun, dass die Geschichte der königlichen Zeit
völlig unhistorisch sey. Ich habe die Sagen welche dafür
gelten, geläutert; was davon zersplittert und zerstreut ist
gesammelt, um die mannichfaltigen Gestalten welche sie
einst trugen herzustellen: nicht als ob dies der historischen
Kunde näher bringe; denn von der Herrlichkeit des König­
reichs , dessen Siz die sieben Hügel waren, zeugen die
Denkmähler welche es hinterliess; das Andenken seiner
Geschichte ist absichtlich vertilgt, und um die Leere zu
füllen sind Begebenheiten einer engen Sphäre, wie sie den
Pontifices nach der gallischen Zeit gegenwärtig war, an
die Stelle verschollener einer ungleich grösseren gesezt.
Schon Fabius kannte ohne allen Zweifel nichts als die auf
uns gekommene Erzählung ; und schwerlich hätte er anderswo
als in den Schriften fremder Völker ächte Berichte finden
können ; mit jener nicht zu vereinen, und ihm unbrauch­
bar. Hingegen war sein Zeitalter im Besiz einer würk-
lichen, obwohl in vielen Theilen fabelhaft gewordenen,
Geschichte seit dem Aufstande der Gemeinde: und wenn
diese auch nur sehr mangelhaft, entstellt, willkührlich ver­
arbeitet, auf uns gekommen, so ist es doch von dieser Zeit
2 an mein erfreulicher Beruf die Herstellung einer ächten,
zusammenhängenden, im wesentlichen vollständigen, zu
unternehmen.
— 12 — [bakd д .]

Dies wäre thöricht wenn die Geschichte vor der gal­


lischen Zerstörung heynahe nur mündlicher Ueberlieferung
anvertraut gewesen, und die einzelnen Anzeiclmungen einer
wenig schreibseligen Zeit damals untergegangen wären *):
dann könnte sie nur durch ein Blendwerk ersezt seyn, wie
die der Könige. So weit aber ging Livius sicher nicht
dass er dies angenommen hätte; noch wird irgendjemand,
der mit Sinn für Wahrheit begabt ist, von dem allergrössten
Theil der Vorfälle, die aus den hundert Jthren vor der
Ankunft der Gallier erzählt werden, es denkbar finden dass
sie ersonnen wären: Erzählungen werden erdichtet, nicht
einzelne Meldungen in grosser Zahl. Was Livius veran­
lassen mochte so bestimmt zn schreiben, war wohl dass
die Annalen der Pontifices erst von jenem Ereigniss be­
gannen 2); so wie Claudius Quadrigarius, wahrscheinlich
eben hierdurch entschieden, die seinigen auch von daher
anhub 8). Der gehört zu den Annalisten welche Livius
vor sich hatte; vielleicht vernehmen wir durch diesen was
er angeführt hatte um seine Abweichung von dem Her­
kömmlichen solcher Chroniken zu rechtfertigen: schwerlich з
ist auch der Clodius a) ein anderer als er, aus dem Plutarch
anführt, noch sagte er es bey einer ändern Veranlassung,
dass die Stammbäume, soweit sie über jene Zeit hinauf
reichten, erdichtet wären 4). Wo anmassender Irrthum vor­
herrscht, ist der erste Ausspruch eines zur Mündigkeit
berufenen Geistes fast immer übertrieben; und so ist es
Claudius im Unwillen über den vielfachen Betrug ergangen:
er übersah dass kein äusserer Grund es rechtfertige, die
Ahnentafel der Patricier deren Vorfahren ihre Laren auf
dem kapitolinischen Berge batten, wie die Manlier und
Quinctier, für jene ältere Zeit als unächt zu verwerfen;

1) Livius VI. 1. 2) Th. 1 S. 279. Livius gelbat,


а. а. 0., kann als Zeuge dafür betrachtet werden, wenn or dip
Commentarien der Pontifices, welche erhalten blieben, statt der
Annalen genannt hat: si quae in commentariw pontißcum alm ~
que erant monumentis — interiere. 8) Es sind viele Bruch­
stücke aus dem ersten Buch übrig, welche Vorfälle vom galli­
schen Krieg bis in. den zweyten samnitischen erwäbuen: aus frü­
herer Zeit keine Spur. «) Schwegler I. 38. A. 2.
4) Plutarch, N um a p. 59. f. KXéôtôg r tç êv àvaypcupÿ % p â vw *
[влкг> и,] — 13 —

und wie sollte er sie einzeln geprüft haben? Wären nun


er selbst oder Livius auf „das Staatsrecht aufmerksam ge­
wesen, so hätte ihnen nicht entgehen können dass die
vortrefflichen Geschichtschreiber desselben aus den Büchern
der Pontifices Nachrichten bezogen hatten, deren Aechtheit
eben so unbezweifelt war als die der XII Tafeln, der
Handfesten, andrer Geseze und Bündnisse aus jener Zeit:
und eben so ausgemacht ist die der censQrischen Bollen,
schon dadurch dass ihre Angaben für die Späteren un­
glaublich ja undenkbar lauten mussten. Allerdings werden
die Exemplare der meisten censorischen Familien ursprüng­
lich aus Abschriften von wenigen geflossen sey n , die auf
das Kapitol oder in benachbarte Städte gerettet waren;
aber es genügte auch, damit sie ächt auf die Nachkommen
gelangten, wenn ein einziges übrig blieb und vervielfäl­
tigt ward.
4 Es leidet keinen Zweifel dass, wie diese Bollen zum
Gedächtniss in censorischen Häusern bewahrt wurden, so
die, welche das Ahnenbild eines Consuls hatten, consu-
larische Fasten besassen, worin denkwürdige Ereignisse, -
wenigstens des für sie wichtigen Jahrs angezeichnet standen)
und auch manche andre werden im Besiz solcher gewesen
seyn. Das sind nun ursprüngliche Annalen, unabhängig
von denen der Pontifices entstanden, und von vielen ver­
schiedenen angelegt; nicht immer gleichzeitig, sondern für
den Anfang aus eigenen oder fremden, und dann auch
wohl aus irrigen Erinnerungen über vergangene Zeiten:
daher die Zeitbestimmungen sich oft widersprechen, wie
der aurunkische Krieg in 251, 262 oder 258, die Schlacht
am Begillus in 265 oder 258 geseztwird: desgleichen nur
aus mehreren ursprünglich verschiedenen Annalen erklärlich
ist. Es lässt sich nichts darüber sagen ob sich gleich­
zeitige erhalten hatten die mehrere Jahre vor dem Auf­
stand der Gemeinde begannen: dass keine von diesen bis
auf den Anfang des Consulats gereicht haben kann, erhellt
aus der Verwirrung der Fasten während der ersten Jahre
der freyen Republik, und dem spurlosen Verschwinden aller
ächten Geschichte in diesem Zeitraum. Zur Erinnerung,
und um dem Gedächtniss einen Halt zu geben, ward ein
Ereigniss bey den Fasten unter einem Jahr der kapito­
linischen Aera und der Consuln auf gleiche Weise erwähnt
— Ы — [bakd и,]

w ie in d e n K a le n d a r ie n b e y e in e m g e n a n n te n T a g e b e m e r k t
w ard , d ass an d e m s e lb e n der D ic ta to r T u b e rtu s g e s ie g t
babe, und w e lc h e d u rch d ie N ie d e r l a g e n an der A llia , am
T ra s im e n u s u n d b e y C a n n ä , u n s e lig g e w o rd e n w a re n . W eder б
d ie s e n o c h je n e sp rach en U m s tä n d e d e r B e g e b e n h e it a u s :
s ie d e u te te n s ie nur an: von s o lc h e n a n n a lis tis c h e n A n­
z e ic h n u n g e n , d e re n u ra lte U e b e rlie fe ru n g a u g e n s c h e in lic h
is t, so dass k au m d ie S p r a c h e g e ä n d e r t w o rd e n , h a b e n s ic h
e tlic h e e r h a l t e n 6) . F re y lic h w ill ic h k e in e s w e g s b e s tre ite n
dass auch schon frü h E rz ä h lu n g e in g e m isc h t se y n m ag;
in w e lc h e m F a ll s ie d e r C h ro n ik d e s M a rc e llin u s u n d ih re s
g le ic h e n ä h n lic h w e rd e n m u s s te n .
D er e ig e n tlic h e O rt fü r d ie s e w a re n aber d ie R om
e ig e n tü m lic h e n G e d ä c h t n i s s r e d e n a ), d eren G eb rau c h s ic h
aus u n v o rd e n k lic h e n Z e ite n h e rs c h rie b ; w ie denn d ie s e
E h re schon vor dem g a llis c h e n K rie g , o d e r g le ic h n a c h h e r,
den F rau en m itg e th e ilt w a rd . D ie s e S c h rifte n , in denen
fre y lic h eben so w e n ig e in e p ra g m a tis c h e D a rs te llu n g a ls
B e re d ts a m k e it z u fin d e n seyn k o n n te , m ögen L iv iu s , w enn
er s ic h ih re r e rin n e rte , kaum a ls h is to ris c h e Q u e lle ge­
g o lte n haben, da er a n d e rsw o ih re U n w a h rh a ftig k e it eb e n
w ie C ic e ro r ü g t 6) . In d e sse n haben s ie d a m it n ic h t vom
A n fan g her b e h a fte t seyn können: e rst im V e rla u f der
Z e it k o n n te , w enn d ie V o rfa h re n b is auf den U rsp ru n g
d e s G e s c h le c h ts m it ih re n E h re n und T h a to n h e rg e z ä h lt
w u r d e n 7) , E i t e l k e i t ü b e r s i e e rd ic h te n . Es i s t le i c h t s ic h
zu ü b e rz e u g e n dass in d e r G e s c h ic h te v o r d e r g a llis c h e n e
Z e it m a n c h e E r z ä h lu n g e n , n a m e n tl ic h ü b e r V a l e n e r , C la u -
d ie r , F a b i e r , Q u in c t ie r u n d S e r v i l i e r , a u s d i e s e r Q u ö lle h e r ­
g e le ite t s in d : u n d u n te r d ie s e n v e rd ie n e n m anche, w ie d ie
w e lc h e , d ie S e rv ilie r b e tre ffe n , v o lle n G la u b e n : auch d ie
a u s fü h rlic h e re n von den F a b ie rn e n th a lte n u n v erk en n b a r

*) Zum Beyspiel Livius II. 19. Ш в consulibw F id en a e


obsessae, Crustum eria capta , Praeneste ah L a lin is ad Romanos
descivit. Welcher Contrast gegen die weite Ausmahlung folgen­
loser Treffen an ändern Stellen. <*) Schwegler I. 1(5.
6) Livius VIII. 40. Cicero Brutus 16 (62). 7) Aus Reden
des claudischen Geschlechts gezogen, und Abbild einer solchen
Herzahlung in denselben, ist die bey Suetonius, am Anfang seine»
Tiberius.
[band и .] — 15 —

ächten Stoff. Mit ändern steht es sehr verschieden: es ist


mir leid zu sagen dass die der Valerier am allerwenigsten
Vertrauen verdienen, eben wie ihre Stammtafel auffallende
Leichtfertigkeit verräth8). Jene wurden mit dieser im
Atrium verwahrt, und werden anf gleiche Weise verloren
nnd hergestellt seyn. Aber die lebendigen Sagen, wodurch
die Zeiten’ der Vorfahren Gemeingut waren, erhielten sich
in denen welche dem Schwerdt der Gallier entgingen: und
wenn Livius diese meynte, so hatte er allerdings Recht zu
sagen, dass das Andenken der Ereignisse dem Gedächtniss
anvertraut war.
Dies ist allenthalben geschehen wo die Annalen in
dürren Anzeichnungen bestanden: und nicht nur bildet
alsdann lebendige Auffassung einen historischen Stoff eben
so frey und beweglich um wie den welchen die Poesie
geschaffen hat,, sondern es wird auf genannte Männer eine
Begebenheit die sonst von ändern erzählt wird übertragen;
manchmal willkührlich erfundenes ihnen beygelegt; welches
7 Glauben findet, wie Kaiser Karls vorgeblicher Zug nach
dem heiligen Lande. Solche Sagen wurden über die Männer
der Geschichte ebenso wife über die Wesen der Dichtkunst
f a b u l a genannt. Dass sie auch zu Rom die Gestalt von
Liedern annahmen, dass Coriolanus Tugend und Camillus
Siege in gleicher Weise besungen waren wie der erste
punische Krieg, leidet nach meinem Gefühl keinen Zweifel:
namenlos sind auch die Dichter der Nibelungen und des
Cid. Aber die rhythmische Form ist hier Nebensache a) :
darauf allein kommt es an dass erkannt werde, wie die
Ueberlieferung eben dasjenige was der Seele zuspricht frey
behandelt und daran schafft, nicht die einzelnen Umstände
zugezählt empfängt und wiedergiebt: dass, je allgemeiner
eine Erzählung mit Theilnahme gehört wird sie um so
unbeschränkter der Umbildung hingegeben ist, bis sie sich
in einem Buch festsezt; wogegen das Gleichgültige so wie
es angezeichnet ward an die Geschichtschreiber kam, welche

8) C. Valerius Potitus kommt als L . F . Vol. N . vor; un­


geachtet sein erstes Consulartribunat in 340 fällt, also 71 Jahre
Dach dem Consulat seines angeblichen Vaters, und 96 nach dem
ersten des Publicola, der sein Oheim seyn würde. ®) Vortr.
über röm. Gesch. I. 12.
— 16 — [band п .]

a jc h bem ühen m o c h te n ih m e in ig e s L e b e n zu g e b e n . D ie s
v erk e n n e n d ie n ic h t d e re n B e y S tim m u n g ic h s c h m e rz lic h
v e rm is s e n w ü rd e , und d ie es doch b e d e n k lic h fin d e n auf
der A nnahm e e in e r u n te r g e g a n g e n e n rö m is c h e n V o lk s p o e s ie
zu bauen: und so m ag ic h a n d a s B e s tre b e n m e in e U e b e r-.
zeugung ih n e n ganz m itz u th e ile n k e in e M ühe v e rw e n d e n ,
w e lc h e das B e w u s stse y n u n sre r w e s e n tlic h e n E in ig k e it
u n te rb re c h e n w ü rd e . A uch b e z w e ifle ic h k e in e s w e g s , dass
je n e S a g e n d u rch au s n ic h t a lle u r s p r ü n g lic h in L ie d e r w e is e
v o rg e tra g e n w a re n ; n o ch auch dass d ie w e lc h e s o b e g a n n e n
in p ro s a is c h e E rz ä h lu n g e n ü b e rg in g e n , a ls es m e h r und
m e h r B e s c h ä ftig u n g w a rd S c h rift zu s te lle n ; w ie d a s V o lk s - 8
buch von S ie g frie d e n tsta n d e n is t. — A ls Sagen d ie s e r
A rt s in d d ie v o n C o rio la n u s , C in c in n a tu s , dem S tu rz des
D e c e m v ira ts , C a m illu s , n i c h t z u v erk e n n e n : von der näm ­
lic h e n s in d , in d e r W e lt d es W u n d e rb a re n v erk eh re n d , d ie
von C u rtiu s und C ip u s .
W ä h re n d noch k e in e L itte ra tu r b e s te h t s c h re ib t
m a n ch er fü r das H au s n ie d e r w as e r e r l e b te a) ; im F o rt­
s c h re ite n tr a c h te t m e is te n s j e d ^ s e in e V o rg än g er zu ü b e r-
't r e f f e n , w ird a u s f ü h r li c h e r , n im m t m e h r G e g e n s tä n d e au f,
u n d n ä h e r t s ic h e in e r v o lls tä n d ig e n E r z ä h lu n g d e r Z e it­
g e s c h ic h te ; u n d d a je d e C h ro n ik v o m A n f a n g b e g in n e n
m uss, und d ie neue, a ls F o rts e z u n g , ä lte re v o rh an d en e
A h n a le n w ie d e rh o lt, sucht m an auch ih re r M a g e rk e it a b ­
z u h e lfe n , d u rc h E in v e rle ib u n g v o n S a g e n , u n d zu R o m a u c h
d e r G e d ä c h t n is s c h r if te n - , w ie w o h l d ie A u f n a h m e j e n e r d u r c h
d ie F o r m , w e lc h e B e z ie h u n g a u f e in b e s tim m te s J a h r fo r­
d e rt, e rs c h w e rt w a rd . So m u s s te n m a rm ic h fa ltig e e rw a c h s e n ,
d ie , ehe e in a n d re r G esch m ack und M a s s s ta b h e rrsc h e n d
w u rd e n , s e h r lie b e L eseb ü ch er w a re n , und im fü n fte n u n d
s e c h s te n Jah rh u n d ert der S ta d t um so m ehr v e rb re ite t
gew esen seyn w erd e n , a ls d ie a l t e n Sagen ih re u rsp rü n g ­
lic h e F ris c h e v e rlo re n : nachher aber von der L itte ra rg e -
g e s c h i c h te s c h o n d e s w e g e n ü b e r s e h e n w u r d e n w e il s ie k e i n e n
b e s tim m te n V e rfa s s e r h a tte n . D ie ä lte s te n flo re n tin is c h e n
A n n a l e n 9) s i n d s c h o n e in e V e rb in d u n g e b e n so d ü rre r und
d ü r f t i g e r w ie d ie ä l te s te n rö m is c h e n m i t F a b e l n u n d S a g e n :

«) Schwegler II. 7. ô) Welche von Lami herauegegeben nind,


[ band п .] — 17 —

im sogenannten Malispini sind sie erweitert, und durch


9 mehrere sich folgende Fortseznngen weiter geführt. Diese,
seihst durch Villani in Vergessenheit gerathene, Bearbei­
tung wodurch sie verdrängt wurden, entspricht jenen a n ­
geführteren römischen Chroniken, an deren Daseyn freylich
die klassischen Schriftsteller Eoms so wenig dachten, wie
sie von Appius des blinden Gnomen gewusst haben würden,
wenn nicht Panätius von ihnen geredet hätte. In solchen
lasen Coruncanius und die Marcier die Geschichte der Väter;
auch Villani konnte wenig erhebliches zu dem hinzufügen,
was Dante schon in jenem Malispini las.
Das fabische Geschlecht, wie es sich durch Kunst-
übnng und Vertraulichkeit mit der griechischen Litteratur
auszeichnete, dürfte eine solche Chronik mit vorzüglicher
Sorgfalt gehalten haben: der Feldzug des grossen Q. Rullus
vom Jahr 451, namentlich, ist sichtbar aus gleichzeitigen
Quellen erzählt. In diesem Geschlecht erstand der Ge­
schichtschreiber a), dessen gerügte Partheylichkeit für sein
Volk durch die feindselige Gesinnung der Griechen ver­
anlasst war, für die er, Cincius und Acilius, in griechischer
Sprache schrieben damit sie würdiger von der römischen
Geschichte dächten; nicht für ihre Mitbürger. Was dem
Ausländer genügte, befriedigte den Italiker nicht, welcher
schon römischer Bürger zu werden begehrte, und mit der
lateinischen Sprache vertraut war: dies konnte dazu bey-
tragen, dass endlich seit dem Ende des Jahrhunderts
römische Schriftsteller die Geschichte für ein Publicum in
der Muttersprache erzählten10). Bey den Römern ist das
io Daseyn einer allgemeinen Kunde der alten Geschichte da­
durch erwiesen dass Cincius über Zeitrechnung, das Staats­
recht nnd mancherley Alterthümer schrieb, welche jene
voräussezen; nicht aber nöthig erachtete diese Geschichte
Lateinisch vorzutragen. Daher behandelte auch Cato sie
nur als einen Theil der italischen. Sonst aber wurden
von Cassius Heinina an jene Geschichtschreiber zahlreich:
ihre sehr häufigen Abweichungen zeigen die Mannichfaltig-
keit der alten Chroniken: und schon der Umstand dass

a) Schwegler I. 74; R. F. Nitzsch Rörn. Annalist. 267-“ 300.


10) Ennius Gedicht ist freylich älter, aber das sollte nicht
historisch belehren.
Niebuhr, RQm. Gesch. 2
— 18 — [ba.w> п .]

jeder es for seine Aufgabe hielt die ganze alte Geschichte


wieder zn erzählen, lässt erkennen dass jeder, so wie er
deren noch nicht beachtete fand, aus ihnen Zusäze zog.
Denn sich durch, eigentüm liche Auffassung oder Dar­
stellung auszuzeichnen dachten gewiss weder Fabius Ser-
vilianus noch Yennonius; noch, die bedeutend später als
sie, ja nach Sulla, schrieben, Cn. Gellius11) und Q. Quadri-
garius. Zu derselben Klasse ist Q. Valerius von Antium «)
zu rechnen; der aber durch Betrug und Erdichtung um­
ständlicher Erzählungen ‘und bestimmter Zahlenangaben
sich schimpflich auszeichnet.
Ein eigentümlicher Zweck leitete L. Piso ö), indem
er wähnte die Sagen in ihren Widersprüchen und ihrer
Unglaublichkeit wären verwilderte Geschichte, und ihm sey 11
beschieden sie auf ihre ächte Gestalt zurückzuführen. Noch
waren die Gemüther dichterisch genug dass sein frostiges
Unternehmen ganz ohne Würkung blieb; und wie gross
auch des Altcensors persönliches Ansehen war, so erlangten
doch seine Annalen so wenig als die irgend eines ändern
jene Ehre die das Werk des Ephorus unter den Griechen
genoss; welches, indem eine Fortsezung an die andre gefügt
ward, als Grundlage der Nationalgeschichte anerkannt war.
Allerdings ward nach ihm auch die ältere noch wieder
bearbeitet, weil man gelernt hatte Urkunden zu gebrauchen:
wie Philochorus die attische Geschichte dadurch bestimmte,
so that dasselbe für Rom C. Licinius Macer e), Ciceros
Altersgenoss, mit dem eigentlich die Reihe jener Annalisten
«ndigt. Macers Einfluss auf die an uns gekommne Ge­
schichte ist sehr bedeutend. Von Dionysius und Livius

11) Mehrere Gellier anzmiehmen hat der Ausdruck dos Diony­


sius I. 7. p (5. e. At'Xiot xal Г ік к ш і m l KaXnoupvtotf veranlasst;
der doch nichts anders tagt als wenn wir von den Mascoven und
Püttern redeten. Auch iälJt niemanden ein an mehrere Calpur-
nier zu denken. In Cicero de legib. I. % (6.) ist G ellii nur durch
Conjectur hineingebracht, wahrscheinlich veranlasst durch die
untergeschobene origo p o p . R om ani , wo ein Sextus Gelliua er­
dichtet ist: nämlich nach jener Stelle des Dionysius.
®) Schwegler I. 90. ъ) Schwegler I. 88. °) Schweg­
ler I. 92; Mommsen R. G. III. 297. Röm. Chronol. 95; Röra.
Forsch. 315; H. Peter Vet. Histor. Rom. Reliq. I. 344; Nitzech.
Röm. Annalistik 351.
[ band п .] 19

lä s s t s ic h in den R eden w e lc h e s ie e in fü g e n , n ic h ts ' a ls


rh e to ris c h e E n tw ic k e lu n g e rw a rte n : d o c h ü b e rs c h re ite n s ie
m e h rm a ls d ie s e G r ä n z e , u n d z e ig e n B e z ie h u n g e n a u f U m *
s tä n d e ^ w o v o n i h r e G e s c h i c h t s e r z ä h l u n g n i c h t s w e i s s , d ie
a b e r n i c h t s w e n i g e r a l s a u s d e r L u f t g e g r i f f e n s e y n k ö n n e n 12) .
W o d ie s e s i s t m u s s te n s ie d e r g le ic h e n i n e in e m A n n a lis te n
v o r s ic h h a b e n , d e s s e n u n v o llk o m m n e n Y e r s u c h s ie u m -
b i l d e t e n 18) : n u n i s t e s v o n d e n a l t v ä t e r i s c h e n d e r s e l b e n
n ic h t w a h rs c h e in lic h d ass s ie s o lc h e K u n st a n w e n d e te n ;
12 u n d von M a c e r s a g t C ic e ro dass ê r s ic h in R e d e n b is zum
U eb erm a ass g e f i e l 14) . E s m o c h te ih m n ic h t g e lin g e n : a b e r
b e g re iflic h is t es dass d e r e in z ig e . u n te r a lle n A n n a lis te n
s e it P is o w e lc h e r im S ta a t g e h a n d e lt h a t te , w o rin e r e in e
h ö c h s t tü c h tig e G e s in n u n g b e w ä h rte , g e r n v e rw e ilte w o
d a s E le m e n t s e in e s L e b e n s h e rv o rtra t. Y o n ih m i s t d e n n
auch zu e rw a rte n , dass er d ie V e rä n d e ru n g e n der V er­
fa s s u n g m it E in s ic h t u n d A n th e il v e rfo lg te . R e c h ts s p ie g e l
s in d d ie ä lte s te n n a m e n tlic h im A n d e n k e n g e b l ie b e n e n
r ö m is c h e n B ü c h e r ; u n d C in c iu s S c h r if t e n ü b e r d a s S t a a t s ­
rech t habe ic h b e re its e rw ä h n t: a c h tz ig Jah re nach ih m
s c h rie b C. J u n iu s , von d es jü n g e re n G ra c c h u s F re u n d s c h a ft
G r a c c h a n u s b e y g e n a n n t, e in e G e s c h ic h te d e r V e r f a s s u n g u n d
O b r ig k e ite n , w e lc h e b is a u f d ie k ö n ig lic h e Z e it z u r ü c k g in g ,
u n d v o n d e r E r r i c h tu n g d e s C o n s u la ts a n , u n te r d e n J a h r ­
z a h le n d e r k a p i to li n is c h e n A e r a , d ie E i n s e z u n g n e u e r A e m t e r ,
d ie A b ä n d e r u n g d e r B e fu g n is s e d e r b e s te h e n d e n , a n g a b .
R e ic h e U e b e rre s te aus d ie s e m u n s c h ä z b a re n W e rk , w e lc h e s
g a n z a u s d e n p o n tific is c lie n S c h r if te n u n d d e n ä c h te s te n
Q u e l l e n g e s a m m e l t g e w e s e n s e y n m u s s , s i n d d a d u r c h e r-*
h a lte n dass G a iu s s e in e n B ü c h e rn über d ie z w ö lf T a f e ln
e in e G e s c h ic h te der O b rig k e ite n v o rg e se z t h a tte , w ovon
v ie le s in den e h rlic h e n A u szüg en des L ydus und dem an-
g e m a s ste n d e s P o m p o n iu s a u f u n s g e k o m m e n is t. H ä tte n
L iv iu s und D io n y s iu s , b ei denen e in ig e s s e in e n U rsp ru n g
n u r in G ra c c h a n u s haben k a n n , ih n u n m itte lb a r g e b ra u c h t,

*2) Wie in der Th. 1 . Anm. 1341 angeführten Stelle.


W) UebeihHUpt darf man annehmen, dass Livius jeden Umstand
seiner Erzählungen aus einem Vorgänger nahm, nie etwas anderes
14) de ІедіЬш


— 20 — [band п .]

so w ü rd e so m anches a n d re n ic h t fe h le n : w a s s ie fre y lic h


ü b erg eh e n k o n n te n w enn s ie aus M a cer, der es g e w is s
n ic h t v e rs ä u m te , s o lc h e e in z e ln e A ngaben aushoben; a b e r із
a lle d ie s e r A r t n i c h t h ö h e r a c h te te n w ie a n d r e a n n a lis ti s c h e ,
von denen s ie m a n c h e r le y ü b e rg in g e n . H aben s ie d e m n a c h
je n e n h e rrlic h e n L e h rer d e s S ta a ts re c h ts n ic h t u n m itte lb a r
b e n u z t, so w aren v o lle n d s d ie n a m e n lo s e n C h ro n ik e n fü r
s ie n ic h t v o rh a n d e n . W ie s c h n e ll la te in is c h e B ü c h e r v e r­
schw anden, s e itd e m e in e k la s s is c h e L itte ra tu r e n tsta n d e n
w ar der zu L ie b e das a ltv a te ris c h e ganz v e ra c h te t w a rd ,
s ie h t m a n d a ra n dass am A n fa n g des a c h te n J a h rh u n d e rts
S cau ru s und des ä lte rn Q . C a tu lu s L e b e n s g e s c h ic h te n so
v e rg e sse n w a re n w ie es je z t u n te r u n s d ie v o n J . J . M o se r
is t. D ie e in z ig e n Q u e lle n der beyden g e is tre ic h e n M ä n n o r
w e lc h e d ie G e s c h ic h te g le ic h z e iti g u n t e r A u g u s t u s s c h r i e b e n ,
w aren F a b iu s und d ie s p ä te re n A n n a lis te n : ih re n In h a lt
b ild e te n s i e a u s a l s g l e i c h f ö r m i g e n S to f f , o h n e e i n i g e R ü c k ­
s ic h t a u f d e sse n U rsp ru n g . W ie P o g g iu s u n d L e o n ard u s
d u rc h M a c h ia v e lli, so w u r d e n d ie A n n a l i s t e n des s ie b e n te n
J a h rh u n d e rts d u rch L iv iu s V o r tr e f f lic h k e it so v e rd u n k e lt,
d ass nur nach H a d ria n d ie W o r tf ü h r e r d e r A lte rth ü m lic h -
k e it, m it g e s p ie lte r V o rlie b e , s ie w ie d e r h e rv o rs u c h te n :
e in e k u rz e Z e it l a n g ; w ie k e in e d e n w ü r k lic h e n N e i g u n g e n
w id e rs p re c h e n d e L ie b h a b e r e y D a u e r h a b e n J ta n n . D ie G e ­
s c h ic h te s e lb s t w a rd h in f o r t a u s s c h lie s s lic h g e g la u b t u n d
e r z ä h l t w ie je n e beyden s ie g e s ta lte t h a tte n : w enn g le ic h
D io C a s s iu s a) s ic h von d ie s e r A b h ä n g ig k e it b e fre y te und
zur ä c h te s te n U e b e rlie fe ru n g in F a b iu s z u rü c k k e h rte ; auch
G racch a n u s, von dem d a m a ls je d e r R e c h ts le h re r w u s s te ,
n ic h t v e rn a c h lä s s ig t h a b e n kann, da d ie G e s c h ic h te der
V e rfa ssu n g s e in s te te s A u g e n m e rk w a r.
S ie i s t a u c h d a s m e in ig e : u n d d a s h ö c h s te Z ie l m e in e r и
K r i t i k , d e m B e g r if f w e lc h e n F a b iu s u n d G r a c c h a n u s v o n
d er V erfassu n g und ih re n V e rä n d e ru n g e n h a tte n , nahe m
kom m en: ganz g e w is s sahen s ie d a r ü b e r u n b e d i n g t r i c h t i g .
W ohl a b e r d ü rfe n w ir denken d ass u n sere Z e it tre ffe n d e r
a ls d ie ih r ig e , F a b e l v o n W ü rk lic h k e it u n te r s c h e id e t: auch
is t es k e in v e rm e s s e n e s U n te rfa n g e n in den E rz ä h lu n g e n
der G e s c h ic h ts c h r e ib e r e r k e n n e n z u w o lle n w as ih re n M is -

a) Schwegler II. 25.


[ bakd II.] — 21 —

V e rs tä n d n is s e n , V o r u r t e i l e n o d e r w illk ü h r lic h e r D a rs te llu n g


g e h ö r t ; w a s u r k u n d li c h i s t ; u n d , in d e m S to f f d e n s ie i n
■ den A n n a l i s t e n f a n d e n , w a s a u s j e d e r d e r v o r h i n g e d a c h t e n
Q u e lle n k o m m t; und, fü r d ie Z e it v o r d e r Z e rs tö ru n g , oh
aus g e b o rg e n e n oder g e m a c h te n S c h rifte n . D och w ü rd e
d ie s e S o n d eru n g , auch w enn d ie B ücher des s ie b e n te n
J a h rh u n d e rts , aus denen noch k e in e U m s ic h t d ie g r e lls te n
W id e rs p rü c h e e n tfe rn t h a tte , e rh a lte n w ä re n , n ic h t so ge­
li n g e n , d a s s e in e g a n z v o lls tä n d ig e G e s c h ic h te in C h ro -
n ik e n e in fa lt d a ra u s h e rv o rg in g e . D e n n o ft z w a r is t in d en
A n n a le n das w a h re G eschehene neben der Sage e rh a lte n
g e b lie b e n , u n d d ie s e , e in g e fü g t, lö s s t s ic h le ic h t u n d v o ll­
kom m en a b 16) : noch ö fte r a b e r h a t s ie , w o h l sch o n sehr
frü h , d ie S te lle der a n n a lis tis c h e n W a h rh e it v ö llig e in ­
genom m en, und d ie s e so g a n z v e r d r ä n g t d a s s k e in e Spur
von ih r g e b lie b e n is t, und k e in W iz ih re P a lin g e n e s ie
15 v o llb rin g e n k ö n n te . Es is t le ic h t zu e rw e is e n dass d ie
E in n a h m e von V e ji d u rch e in e n S to lle n v ö llig F a b e l i s t :
a b e r d e r w a h r e H e r g a n g i s t n i c h t z u e r r a t h e n , w e lc h e s b e y
ä n d e r n B e g e b e n h e ite n w e d e r s c h w e r n o c h u n s ic h e r fä llt.
Am g e w is s e s te n lä s s t s ic h in d e r G e s c h ic h te d e r V e r ­
fassu n g d ie S te lle m a n c h e r f e h l e n d e n S ta f f e l e r k e n n e n :
F rü h e re s und S p ä te re s b e s tim m e n s ie w ie G egebenes fü r
e in P ro b le m . H in g e g e n tritt h ie r e in e e ig e n tü m lic h e
S c h w ie r ig k e it d a d u r c h in d e n W e g , d a s s n ic h t w e n ig e d e r
w ic h t ig s te n , e b e n a u s d e n v o rtre fflic h s te n B e r ic h te n h e r ­
s ta m m e n d e n , M e ld u n g e n g a n z s in n lo s la u t e n , w e il d ie ,
w e lc h e s ie a u f b e w a h r t h a b e n , s ie g a r n i c h t b e g riffe n .
D io n y s iu s e r k ü n s te lte s ic h s o g a r g r u n d f a ls c h e D a r s te llu n g e n
d ie n u r v e r k e h r t e s a u s s a g e n , w e il e r n ic h t a h n d e te d a s s
ih m d e r G ru n d b e g riff d e r V e rfa s s u n g fe h le , u n d s ic h n ic h t
e n ts c h lo s s der L ösung des R ä ts e ls zu e n tsa g e n : Lydus
s ta m m e lt W o r te ohne G edanken. Ist aber das tä u s c h e n d e
M itte l e r k a n n t w e lc h e s d ie G e g e n s tä n d e vor d em B lic k d e s
K lu g e n v e rz e rrt, und e rra th e n w as d e r E in fä ltig e g e h ö rt
haben m uss, so v e rw a n d e ln s ic h s o lc h e K ä th s e l in be-


!S) Die Schlacht am Regillus von dem ohen (Anm. 5) an­
geführten ächten Bericht, — Coriolanus Zag gegen Rom von
dem des Attius Tullius — Cincinnatus Dictatar von der ächten
Erwähnung von Minucius Feldzug auf dem Algidus.
— 22 — [bàhd и .]

s tä n d ig e Z e u g n is s e , w e lc h e dann w e ite re F o lg e ru n g e n be­


g rü n d en .
M an kann s ic h n ic h t v e rh e h le n d a s s d ie s e F o r s c h u n g e n
über d ie U m w a n d e lu n g der V e rfa ssu n g , noch m ehr d ie
über a n d e re e in z e ln e E re ig n is s e , s c h w e rlic h auf g le ic h e
W e is e w ie d ie E r g r ü n d u n g d e r u r s p r ü n g lic h e n V e r f a s s u n g s ­
fo rm e n a llg e m e in ü b e rz e u g e n w erd en . D ie s e th u n s ic h
J a h rh u n d e rte h in d u rc h in ih re n A e u sse ru n g e n , und s e lb s t
d u rc h ih re A b ä n d e ru n g e n kund; und w as bey dem e in e n
V o lk n i c h t e r w ä h n t w ir d z e ig t d ie A n a lo g ie b e y v e r w a n d t e n : w
je n e s in d e in e e in z e ln e B e g e b e n h e it, a b h ä n g ig von Zu­
f ä lle n und W illk ü h r, w e n ig s te n s E n ts c h lu s s : und f r e y lic h
is t das W a h re n ic h t im m e r das W a h rs c h e in lic h e . A ber
d e r F o rsc h e r v o r d e sse n ja h re la n g e r, im m e r e r n e u te r , un­
v e rw a n d te r B eschauung, d ie G e s c h ic h te v e rk a n n te r, e n t­
s te llte r, v e rs c h w u n d e n e r B e g e b e n h e ite n , aus N ebel und
N a c h t, W esen und B ild u n g gew onnen h a t, w ie d ie kaum
s ic h tb a re L u ftg e s ta lt der N ym phe im s la v is c h e n M ä h rch e n
d u rc h das s e h n s ü c h tig e H in s c h a u e n der L ie b e 2um ird i­
s c h e n M ä d c h e n v e r k ö r p e r t w ird : — v o r d e s s e n u n o rm ü d e te r
und g e w is s e n h a fte r P r ü f u n g s ie im m e r v o llk o m m n e r e n Zu­
s a m m e n h a n g , u n d je n e u n m itte lb a re O ffe n b a ru n g d e r W ü rk -
l i c h k e i t d ie v o m D a s e y n a u s g e h t , g e w a n n ; — der d a rf
fo rd e rn d a s s e in A n d r e r , d e r n u r v o r ü b e r e ile n d s e in e B lic k e
d o rth in w irft wo er le b t und v e rw e ilt, n ic h t über d ie
E ic h tig k e it s e in e r W a h rn e h m u n g e n ab sp re c h e , w e il e r s ie
n ic h t e rb lic k t. D er g e le h rte N a tu rk u n d ig e der d ie S ta d t
n ic h t v e rlie s s , w ird d ie F ä h r te des W ild s n ic h t e rk e n n e n
d ie den W a id m a n n le ite t: und w er zu e in e r S tu n d e wo
B e n v e n u to s A ugen s ic h nach M o n a te n gew öhnt h a tte n zu
seh en , in s e in e n K e r k e r g e tr e te n w ä re , u n d b e h a u p te t h ä tte
je n e r k ö n n e in d e r F in s te rn is s auch n ic h ts u n te rs c h e id e n ,
d e r h ä t te s ic h s e h r v e rm e s s e n .
D ie G e s c h ic h te w e lc h e den In h a lt d ie s e s T h e ils aus­
m a c h t, w ar au fg e g e b e n und v e rs c h m ä h t, s e itd e m d ie F ü lle
d e s U n m ö g lic h e n und d e r W id e rs p rü c h e in der h errsch en d
g e w o rd e n e n E rz ä h lu n g b e m e rk lic h gem acht w ar: auch
e *n e s . v e r ß ^ ä n d i g e n M a n n e s n i c h t z w e i f e l ­
h a ft seyn, w enn e s k e in e a n d e re g ä b e a ls s ie z u v e r t r e te n w
w ie s ie g ew o rd en is t, o d e r s ic h von ih r lo s z u s a g e n . D as
B e s te a r t e t a u s im L a u f d e r Z e it, o ft e in e r k u rz e n ; und
[baud п.] — 23 —

v e rw e rflic h e s h ä n g t s ic h ih m a n : d e r th ö r ic h te E ife re r,
w e lc h e r z w in g e n w ill ih m d a n n z u h u l d i g e n , w ie v o rd e m
da es n ic h t e n ta r te t n o ch v e rfä lsc h t w a r, e n t f e r n t v o n ih m
d ie V e r n u n f t d ie s e in W e s e n h e r s te ile n m ö c h te , u n d d a m it
d ie a lte L ie b e : d ie V e rn u n ft, d ie e n tb e h re n a b e r n ic h ts
w id e rs in n ig e s e rtra g e n kann. D ie h is to r i s c h e K r iti k w e lc h e
nur S c h le c h te s a u s s c h e i d e t, d ie S ag e a u f ih re n e i g e n tü m ­
lic h e n B oden s te llt, ih re m A del A n erk en n u n g g e w ä h rt,
und s ie so vor S p o tt u n d T a d e l s ic h e rt, e r w ir b t d e r rö m i­
sch en G e s c h ic h te s e it d em A b s c h lu s s des B undes m it L a ­
tiu m g le ic h e s A n seh en und G e h a lt m it d e r m a n c h e r w e it
s p ä te re n Z e itr ä u m e , w e lc h e auch n ic h t d u rc h g le ic h z e itig e
B e ric h te e r h e l lt s in d .
— 24 — [baud я .]

D e r l a t i n i s c h e S t a a t . “)

In dem n ä m lic h e n Jahr w o rin d ie S tä n d e ih re F ehde


v e rg lic h e n , w a rd d e r e w ig e B u n d 16) m i t d e n L a tin e rn be­
sch w o ren . D er F rie d e w ar schon d rey Ja h re frü h e r h e r­
g e s te llt, u n d d u rc h d e n s e lb e n auch e in b e s tim m te s B u n d e s -
v e r h ä l t n i s s b e y d e r S t a a t e n 17) : es d ie n te aber der B und des
S p . C a s s iu s n ic h t b lo s s d ie s e s zu b e k rä ftig e n und m er­
lä u te rn , s o n d e rn es w a r e in neuer V e r t r a g 18) : d u rch ih n
t r a t d ie A n e r k e n n u n g v o llk o m m n e r G le ic h h e it a n d ie S te lle
der U n te rtä n ig k e it d ie T a rq u in iu s e in g e fü h rt, oder der
m ild e n A b h ä n g ig k e it w o r in s ic h L a tiu m gegen S e rv iu s
begeben h a tte . W e lc h e s v o n d ie s e n V e r h ä lt n is s e n a ls v o r­
h e r e rn e u e rt zu denken se y , w ird n ic h t a n g e d e u te t: m ehr
W a h rs c h e in lic h k e it h a t d a s le z te ; obw ohl e s im m e r m ög­
lic h is t, dass d ie L a tin e r, aus e in e r w egen d e r D ü rftig k e it
u n sre r N a c h ric h te n u n e rk lä rlic h e n V e rz a g th e it, und w e il
s ie d o c h n ic h t, in der L e id e n s c h a ft, d ie V erb ü n d u n g m it
d e n V o ls k e rn v o rzo g en , in d ie a lte D ie n s tb a rk e it zu rü ck -
g e k e h rt w ä re n ; d a rn ac h a b e r zw ey o d er d re y Ja h re nach­
h er von der V e rle g e n h e it der H e rrsc h a ft a ls P re is ih r e s
g u te n W ille n s g e g e n d ie E m p ö r te n v o llk o m m n e G le i c h h e it ,
j a A b tr e tu n g e n v o n L a n d u n d L e u te n e rz w in g e n g e k o n n t
h ä tte n . D en Z usam m enhang d ie s e r E in r ä u m u n g e n m it d em

lange nihremOrt beständen : Dionysiu« VI,


95. p. 415. b. 17) r yjv àp%alav <ptXiav xal <rußßa^lau »*
ävevsuHravTO. Dera. VI. 21. p. 358. a. Nach Livius geschah
es 259: er nennt nicht ausdrücklich einen Friedensschluss er­
zählt aber die Entlassung der Gefangenen. II. 22. 18) еиѵЩ хаи
xatval Ate#’ opxwu. Dionysius VL 95. p. 415, b.
[ band п .] — 2ê —

E in v e rs tä n d n is s d e s S e n a ts u n d d e r L a tin e r g eg e n d ie A u f ­
g e s ta n d e n e n e r k e n n t D i o n y s i u s 19) * ) : e r d e n k t je n e a ls ge­
w ä h rte n Lohn d e r g u te n G e s in n u n g ; w e lc h e s d ie A n s i c h t
des r ö m is c h e n S to lz e s , u n d g e w is s d ie e in z ig e U rsa c h e is t,
w e s h a lb d e r A b s c h lu s s des B undes nach d em F rie d e n vom
19 h e i l i g e n B erg e g e s e z t w i r d 20) . G rü n d e t s ic h nun d ie s a u f
k e in e h is to ris c h e B e s tim m u n g , so d a r f d ie in n e re W a h r­
s c h e in lic h k e it e n ts c h e id e n v ie lm e h r a n z u n e h m e n , d a s s S e n a t
und G e s c h le c h te r d ie g ro sse n Z u g e s tä n d n is s e des neuen
V e rtra g s a ls P re is e in e r H ü lfe gaben, d e re n S tä rk e d ie
A u s g e w a n d e rte n b e w o g s ic h m it e in e m s e h r m ä s s ig e n V e r­
g le ic h zu b e g n ü g e n .
D e r la tin i s c h e S ta a t w e lc h e r je z t m it R o m e in g le ic h e s
B ü n d n is s s c h lo s s ъ) , w ar e in g e rin g e r T h e il vo m U m fan g
d e s la tin is c h e n L a n d e s , v o n d e m d ie V e r t r ä g e m i t K a r th a g o
red en . In dem V e rz e ic h n is s s e in e r d re y s s ig S t ä d t e 21) is t

19) èiteidy) той noXéfxou той Ttpbç rouç ànocrraraç krotßatg èâà-
xouv Guvàpaa&ai. Ders. a. a. O. «) Schwegler II. 806. 20) Von
Dionysius a. a. 0. ausdrücklich: von Livius dadurch сіаая er an­
nimmt gleichzeitig habe Cominius gegen die Antiater im Felde ge­
standen. *) Mommsen R. G. I. 349. 21) Die Hauptstelle wo
die latlniscben Bürgerschaften verzeichnet stehen: — Dionysius V.
61. p. 3'26. b. c) — ist in den Ausgaben verstümmelt, weil ein lei­
diger Zufall dem ersten Herausgeber der Archäologie eine sehr
schlechte Handschrift zugeführt hat, während doch die Mehrzahl
der erhaltenen einen durchgehende guten Text geben. Hier
lassen sich aus der Vaticanischen nnd Lapus die ausgefallenen
Namen, und, mit geringer Nachhülfe, die verschriebenen яо ber-
stellen: ot itpößouXot ànb tootùju tùjv irâXetuu fja a v ''Apôea-
Twu, Аріщѵ&ѵ, ßoußevravüjv, Кбрѵшѵ, Кароеѵтаѵйѵ, Kipxavq-
та>ѵ, KopwXavwv, Kopßivrcov, Kopav&v, Фортіѵешѵ, Taßtm,
Ааорвѵтіѵш^ Ааѵощішѵ, Aaßtvtarä»/t Aaßixavwv, Nwßeurav&v,
Nwpßavcov, UpaiVE<nwtov^ tledavwv, KopxorouXavwv (Quergne-
tulani), Затріхаѵшѵ, Ахаптіѵшѵ, Uvjrtvrn, TbXXtjvlwv, Ttßoup-
rèvwv, TuaxXavwv, ToXepivwv, Tptxptvcuv, ObeXtrpavw. Die
Oorni sind keine andre als die Corniculi, das Volk von Corni-
culum (Th. I. Anm. 219.): wenn aber auch nicht Кбрѵшѵ^ so
muss Kaßav&v in liopavtov geändert werden. Denn Cora welches
als latinische Stadt bey Cato (in Priscian IV. p. 6"?9.) und Dio­
nysius (III. 34* p. 175. d.) vorkommt, kann au der Zeit wo Norba
iind das noch entferntere Setia zu Latium gehörten, nicht davon
c) Schwegler II. 322.
— 26 — [band и ,]

e in N a m e u n g e w is s : von m e h reren i s t d ie L a g e u n b e k a n n t , 2a
ja s ie w e rd e n n irg e n d s s o n st g e n a n n t: doch lä s s t s ic h d ie
G rä n z e des L an d es m it g e n ü g e n d e r S ic h e rh e it z ie h e n . S ie
b e g in n t am M e e r, w e s tlic h von L a u re n tu m , z ie h t s ic h von
d o rt p a ra lle l m it der T ib e r fo rt, so dass s ie den A n io
ü b e rs c h re ite t, und s ic h b is n o rd w e s tlic h von N o m e n tu m
v e rlä n g e rt, b e g re ift d a n n das G e b ie t d ie s e r S ta d t, u n d d ie
von C o rn ic u lu m , T ib u r u n d P rä n e s te , lä u ft d a rn a c h über
d ie H ö h e n w e lc h e d ie S c h e id e der G ew ässer b ild e n , a lso
dass s ie den A lg id u s und Y e liträ u m fä n g t, und w endet
s ic h dann ö s tlic h au f denen des s ü d lic h e n G eb ü rg z u g s, an
dessen P u ss d ie p o m p tin is c h e n S ü m p fe lie g e n , a lso d ass
s ie a u f d e n s e lb e n N o rb a, C o ra u n d S e tia e in s c h lie s s t, und
d a s M e e r ö s tlic h v o n C ir c e ji w ie d e r e r r e i c h t . A n tiu m , ohne
a lle n Z w e ife l d a m a ls noch ty rrh e n is c h , an d e r L a n d s e i t e 21
von d ie s e m L a tiu m u m g e b e n , w a r v o n d e m s e lb e n g e s o n d e r t.
H ie r s in d d re y s s ig O rte a u f g e f ü h r t a) ; und d ie V o r­
s te llu n g dass d ie s e Z ah l zum W e sen des l a t i n i s c h e n V o lk s j
g e h ö re , s ta n d so fe s t, d a s s g le ic h b e d e u te n d v o n d e m s e lb e n , f
und von d re y s s ig la tin is c h e n S tä d te n g e re d e t w i r d 22) . In

getrennt gewesen seyn, wenn auch die eine von jenen Erwäh­
nungen eine frühere Zeit betrifft, und die andre nur von einer
späteren gegründet seyn wird. N orbani statt M w p ea vo l, mag
nur Emendation von Lapus und Gelenius seyn; ißt aber, wie auch
ans der in die Augen fallenden Anordnung nach dem lateinischen
Alphabet erhellt, ganz sicher. S a p u e v ra v à ç statt КорошѵтаѵЬд
au schreiben, veranlasst Stephanus s. v, — Corbintes ist der Bür-
gername von Corbio. So bleibt nur Фортсѵеюі ungewiss. Das
P ist bey dem Namen der zwischen С und Q steht, sicher: da
dieses oft mit H wechselt, so könnte derselbe Ort zu verstehen
seyn, der in Livius Handschriften III, 30. JJo rlo n a heisst, bey
Dionysius X. 26. p. 653. a. B i p r m : noch näher scheint jedooh
der Name des albensischen Demus F o retii (Th, l, Anm. 570) «u
stehen. Von den früh untergegangenen Orten muss Carventum
in der östlichen Mark, in der Uegend von Lavici oder Bolä, ge­
legen haben: Corbio in der des Algidus; Toleria nicht fern von
Bolä: Satricum zwischen Lanuvium und Antium; Scaptia in der
Gegend von Veliträ.
«) Schwegler II. 322. 22) Dionysius III. 34. p. 176. b.
von Tullus Hostilius: 7cpé<rfietç àiwarrsÜLaç elç ràç ânofcooç ts
xal 07rqxéouç aÙTfjç (rfç vAXßyg) тріахоута я âÀitç,
[ba * d II.] — 27 —
d ie s e r Z a h l d e n k t s ic h D io n y s ia s h ie r d ie so la n g e A lb a
b lü h te v o n d e m s e lb e n a b h ä n g ig e n L a t in e r : e in e V o r s te llu n g
fü r d e r e n R ic h tig k e it d ie rö m isc h e n E in th e ilu n g e n und d ie
d re y s s ig a lb e n s is c h e n O rte B e w e is g e b e n , u n d e n ts c h e id e n d
d ie Sage von den se c h sh u n d e rt H a u s g e s in d e n , w o d u rch
L a v in iu m e in e C o lo n ie der A lb a n e r und der la tin is c h e n
U m la n d e w a r 23) : doch d a rin is t e in F e h le r, d a s s e r a lle
je n e d re y s s ig O rte , d ie n a c h A lb a s U n te r g a n g fre y g e w o r-
22 d e n w a r e n , a l s C o l o n i e n der z e rs tö rte n H a u p ts ta d t a n s ie h t:
e in e M eynung d ie auch der S age z u m G r u n d li e g t, w e lc h e
zu d e n G rie c h e n g e la n g te , A eneas habe in den L anden der
B o r e i g o n e n d r e y s s i g B u r g e n e r b a u t 24) ; w o d i e Z a h l e b e n ­
f a l ls a ls w e s e n tlic h f ü r L a tiu m a n e r k a n n t w ir d . I c h w e rd e
b a ld d a r a u f zu rü c k k o m m e n , d ass m e h re re d e rs e lb e n b e y d e s,
C o lo n ie n und O rte des la tin is c h e n V o lk s , seyn k o n n te n :
z u n ä c h s t b e g e g n e t d ie F r a g e , w ie denn im J a h r 261 noch

2S) Es giebt schwere Asse ohne Schrift, wo auf der einen


Seite ein schön gezeichneter Jünglingskopf mit der pbrygiechen
Müze, auf der ändern ein Bad mit sechs Speichen abgebildet ist.
In jenem erkenne ich Ascauius, in diesem die sechs Centimen
der Javinischen Colonen : deren Ansiedelung bey dem gemeinsamen
Heiligthum der Albaner und Latiner für ganz historisch wird
gelten dürfen. Ich hoffe bey dem oft geäusserten herzlichen Ab- У
scheu gegen das Distilliren einer Geschichte uralter Zeiten aus
Worten, Namen und mythologischem Kehricht, nicht selbst M
dieses Treiben zu verfallen, (Parthis m endacior), wenn ich zu
errathen glaube, dass der Dienst der Penaten tyrrhenisch war;
Alba, dessen Namen sich am Fucinus in der Heimath ster Pris-
ker findet, von diesen sacranischen Eroberern gegründet ward;
welche, zu einer Zeit da sie ein Latium von dreyssig Städten als
einen Staat freyer Genossen anerkannten, mit ihnen eine Stadt
am gemeinschaftlichen Tempel gründeten, nachdem sie sich eine
Zeitlang die Hut dieser Götter angemasst hatten. Nichts liegt
näher als dass, wie die tyrrhenischen Latiner »ich wieder erhoben,
Alba überwältigt hatten, die Darstellung ausgebildet ward, diesea
sey ursprünglich von Lavinium ausgegangen. — Auf jene Asse
zurückzukommen, will ich gegen niemanden streiten der sie den
Laviniensern allein beylegen möchte: bemerke aber dass sie hin­
reichend schwer sind, um füglich vor 410 gesezt, und dem ge­
meinen Latium zugeschrieben werden zu können. 24) Lyko-
phron V. 1253.
— 28 — [band п .]

d re y s s ig S tä d te w aren , w enn A p io la , C a m e ria , C o lla tia ,


C r u s tu m e r iu m , E ic a n a , M e d n llia , P o lito r iu m , d ie E r o b e r u n ­
gen d e r r ö m is c h e n K ö n ig e , in je n e r Z a h l g e r e c h n e t w a r e n ?
w ie doch zum B e y s p ie l v o n M e d u llia so w e n ig b e z w e ife lt
w erd en kann a ls v o n O o rn ic u lu m , N o m e n tu m und T e lle n a ,
w e lc h e d a s Y e rz e ic h n is s e n t h ä lt .
D ie M a c h t d e r Z a h lv e r h ä l tn is s e in den S ta a ts fo rm e n
d e s A lte rth u m s lö s s t d a s R ä th s e l. D er S ta a t w ard n ic h t
a ls erw a c h se n aus a n e in a n d e rg e fü g te n T h e ile n g e d a c h t,
so n d e rn s e in e in n e r e A n o rd n u n g a ls b e s tim m t d u rch das
W esen des G anzen, und e in je d e m V o lk a n g e s t a m m t e s G e - 2»
sez. D ie U e b e rs c h re itu n g oder N ic h te r f ü llu n g des e ig e n ­
tü m lic h e n s tre n g e n E benm aasses fie l u n e rträ g lic h ; und
da s ic h n ic h t h in d e rn lie s s dass d ie Z e it s o lc h e E n ts te l­
lu n g e n h e rb e y fü h rte , so w a rd ih n e n d u rc h U m b ild u n g des
G a n z e n , A u fn a h m e , S p a ltu n g o d e r V e rk n ü p fu n g , a b g e h o lfe n .
Z w ö lf w ar G ru n d z a h l der l o n e r 25) , w e lc h e s ic h in den
S tä d te n des A e g ia lu s und A sie n s w ie in den a ttis c h e n
T ritty e n z e ig t: e s fin d e t s ic h a b e r v o n je n e n a c h ä is c h ge­
w o rd en en S tä d te n e in z w ie fa c h e s V e r z e i c h n i s s 26) , d eren
jü n g e r e s L e o n tiu m und K e ry n e a s ta tt A egä und R hypes
n e n n t: n ic h t d a s s in e in e m von beyden e in Irrth u m w äre,
so n d ern je n e S tä d te w a re n v e rfa lle n und e i n g e g a n g e n 27) ,
ih re S te lle a b e r, d a m it d ie Z a h l v o lls tä n d ig b le ib e , w ie d e r
e rfü llt. S m y rn a w ard frü h io n is c h , und lie s s frü h d ie
m e is te n der z w ö lf S tä d te an G la n z und A n seh en w e it
h in t e r s ic h ; a b e r e s b lie b , w e il k e in e S te lle e r le d ig t w ard ,
von der E h re e in e S ta d t je n e s N am ens zu seyn, ausge­
s c h lo s s e n , b is e n d lic h d ie M acht des V o ru rth e ils so e n t­
k rä fte t w ar d ass e in e d re y z e h n te S ta d t n ic h t m e h r u n m ö g ­
lic h s c h ie n . D ie n ä m lic h e V e rä n d e ru n g d e r A n sic h t h a tte
in A c h a ia d ie E rse z u n g von H e lik e und O le n u s u n n ö th ig
g e m a c h t. A u f g le ic h e W e is e e rh ie lt s ic h d ie B in th e ilu n g
der frie s is c h e n N a tio n in s ie b e n S e e la n d e , o b g le ic h d ie
s ü d lic h e G rä n z e v o n d e r S c h e ld e a n K e n h e im , und e n d lic h
b is z u r V lie z u rü c k w ic h .

26) Zuerst vier; dann für jedes Viertheil drey. 26) Bey
Herodot I. 145. und Polybius II. 41. 37) Von Aegä sagt
dies, und dass es mit Aegira vereinigt worden, Strabo ausdrück­
lich VIII. p. 386. a.
[ължо II.] — 29 —

24 S o Ы іѳ Ъ auch L a tiu m « ), so la n g e d ie a lte n F o rm en


u n v e rb rü c h lic h e s G esez w a re n , in d re y s s ig O rte g e th e ilt;
und d ie s e w u rd en m e h rm a ls u m g e o rd n e t. D ie S o n d e ru n g
d e r R e ic h e des L a tin u s und des T u rn u s, w ovon d a s le z te
s ic h von A rd ea b is T e r ra c in a e r s tr e c k t, i s t n ic h t w illk ü h r -
lic h v o n dem D ic h te r e rd a c h t: n u r fe h le n uns le id e r S c h o ­
lie n d ie n a c h g e w ie s e n haben w e rd e n , ob d ie s e U n te r s c h e i­
dung z w e y e r la tin is c h e r S ta a te n , g le ic h den s a m n itis c h e n
K a n to n e n , auf C a to s Z e u g n is s o d er w essen so n st g e g rü n d et
sey. W ir d ü rfe n an n eh m en dass, w ie i n dem z w e y te n A r ­
d e a , so d o rt L a u re n tu m d ie H a u p t s t a d t w a r ; und dass d ie
den T u r i n e r n 28) e n tg e g e n g e s e z te n L a tin e r sch o n ehe d ie
E ro b e re r A lb a g rü n d e te n in d r e y s s ig S tä d te g e th e ilt w a re n .
G e w is s h a tte V ir g il n ic h t m in d e r g u te G e w ä h r u m N o m e n ­
tu m , G a b ii, F id e n ä , C o lla tia , P o m e tia , C a s tru m In u i, B o la
und C o ra a ls C o lo n ie n vo n A lb a zu n e n n e n 29) . D ie s e C o­
lo n ie n s in d nun n ic h t e in e rle y m it d e n a l b e n s is c h e n O rte n ,
w e lc h e ohne Z w e ife l n ic h ts a n d e rs a ls d ie T rib u s der
P le b e s von A lb a w a re n , so w ie d ie e ig e n tlic h e n A lb a n e r
der P o p u lu s : u n d doch f in d e n s ic h u n te r je n e n zw ey , F i-
denä und B o la ; w ä h re n d N o m e n tu m , G a b ii u n d C o ra u n te r
d e n d r e y s s ig b e y D io n y s iu s s te h e n , u n d e in s t a u c h P o m e tia
im S t a a t d e r L a t i n e r w a r . A u c h h i e r g i e b t d ie A n a lo g ie
L ic h t. D ie ä lte s te n r ö m i s c h e n C o lo n ie n v e rs c h w in d e n , w e il
26 s i e in R e g io n e n , ih r e E in w o h n e r a ls P le b e je r , a u fg e n o m m e n
w u rd e n ; an d re w u rd en zu la tin is c h e n S tä d te n : und so
lä s s t s ic h annehm en, dass e in ig e von denen der A lb a ­
n e r in ih r e P le b e s ü b e rg in g e n , an d re an d ie L a tin e r a b ­
g e tre te n w u rd e n , um d ie v e r m in d e r te Z a h l d e r d r e y s s ig
O rte z u e rg ä n z e n a ls e i n s t d ie L a tin e r f re y , w e n n a u c h
n ic h t in v ö llig g le ic h e m V e rh ä ltn is s , s ta n d e n . D as s in d
d re y s s ig S tä d te e in e r z w e y te n Z e it.
D a ra u f, nach d e r Z e rstö ru n g A lb a s , is t e in e d ritte
R e p u b lik der L a tin e r e in g e ric h te t w o rd e n , w ie d e r von
d re y s s ig S tä d te n , aber in ganz ä n d e rn G rä n z e n . E rst

a) Schwegler II. 29 7. 28) Tb. I. S. 50. 29) Aeneis


VI. 773. ff. Livius nennt sie latinische Colonien, II. 16., weiches
als eine Ungenauigkeit betrachtet werden darf. Oora war ur­
sprünglich siculisch oder pelasgisch, da seine Gründung auf Dar-
danus bezogen wird.
— 30 — [band xi.)

n a c h je n e m E re ig n is s können d ie fü n f o d er sech s O rte in


d e m V e r z e ic h n is s b e y D io n y s iu s , w e lc h e so la n g e A lb a s ta n d
D em en s e in e r L a n d sc h aft w a r e n 80) , u n te r s ie gekom m en
sey n : w ä h re n d m anche la tin is c h e , aus d e re n E in w o h n e rn
und e in e m T h e il d e r G e m e in d e v o n A l b a d io r ö m i s c h e u n t e r
A n c u s e n ts ta n d e n is t, se y cs d u rc h W a ffe n g e w a lt o d e r d u r c h
A u s ta u s c h von ih n e n g e tre n n t w u rd en . M it d ie s e m la tin i­
sch en S ta a t w a rd nun das B ü n d n is s des S e rv iu s T u lliu s
g e s c h lo ss e n , w e lc h e s a ls h is to ris c h b eg rü n d et an g e seh e n
w erd en m uss, so w e n ig so n st d ie E rz ä h lu n g e n von dem
w a s s ic h z w is c h e n d e n rö m is c h e n K ö n ig e n u n d d en L a tin e rn
begeben haben s o ll d a fü r g e lte n können: es m ag d ie s e r
S t a a t u n v e r ä n d e r t in s e in e n G r ä n z e n gew esen seyn, a ls ih n
T a r q u in iu s d e m rö m is c h e n K ö n ig re ic h u n te r w a r f . In d ie s e r
G e s a m m th e it k o n n te s ic h ab e r von den O rte n , w e lc h e das
V e rz e ic h n is s n e n n t, G a b ii n ic h t b e f in d e n , das e in e i g e n e s 2«
B ü n d n is s a ls s e lb s tä n d ig e r S ta a t m it d e m s e lb e n T a r q u in iu s
a b s c h lo ss : C ir c e ji k ö n n te d u rc h ih n h in z u g e k o m m e n seyn,
d e r d o r t e in e C o lo n ie g rü n d e te , w o fe rn s ie la tin is c h w ar;
b is d a h in w ar es a ls ty rrh e n is c h e S ta d t, s e in e r L a g e und
E n tfe rn u n g nach, den L a tin e rn ganz fre m d . D agegen
k o n n t e P o m e t i a e h e e s fie l u n d d a r a u f z e r s t ö r t w a r d , n i c h t
fe h le n , w ie e s a u c h u n t e r d e n S t ä d t e n v o r k o m m t w e lc h e
den a ric in is c h e n H a in g e w e i h t h a b e n 31) : f e r n e r w ird da­
m a ls C ru s tu m e ria n ic h t g e fe h lt haben, w e lc h e s h in g e g e n
261 n ic h t m e h r V o rk o m m e n k o n n te , da es e ro b e rt, und d ie
davon b e n a n n te T rib u s aus s e in e r B ü rg e rsc h a ft g e b ild e t
w a r 32) . H ie ra u s e rh e llt d a n n , d a s s je n e s V e rz e ic h n is s , von
dem ic h m ic h noch n ic h t lo s m a c h e n kann, irrig a ls das
d e r S tä d te , w e lc h e den K rie g gegen Eom b e s c h lo ss e n , ge­
g e b e n w i r d 88) : a u c h i s t é s v o llk o m m e n u n d e n k b a r , d a s s s ic h
d ie U rk u n d e d e r K rie g s e rk lä ru n g a u c h nur f ü r d ie ä lte s te n
A n n a lis te n e r h a l te n h a b e n s o llte . E s h a t s ic h o h n e Z w e ife l
in der des B undes m it d en g e s a m m te n L a tin e r n b e fu n d e n ,
w e lc h e w e n ig s te n s noch im J ü n g l i n g s a l t e r C ic e ro s u n d M a -
c e rs a u f e in e r T a fel h in te r den R o s tra zu le s e n s t a n d 84) :

8Ô) Th. 1. Anm. 570. 31) Cato Orig. II. bey Priscian
IV. p. 629. 82) Livius II. 19. Th. I. S. 622. Diony­
sius У. 61. p. 326. b. *4) Cum L a tin is omnibu» fo e d u s
[jBA.tfD II.] — 31
27 d o r t w a r d ie K ennung a lle r S tä d te an ih re m O r t. A lle in
D io n y s iu s fa n d e s f ü r s e in e D a rs te llu n g a n g e m e sse n e r, d ie
la n g e A u f z ä h lu n g d e r G e s c h ic h te d e s K rie g s v o ran zu s te l­
le n ; s ie w e c k te E rw a rtu n g fü r d essen G rö sse, und gab der
E rz ä h lu n g e in A n seh en von U rk u n d lic h k e it. Es tä u s c h te
d ie V o rau sse zu n g w e lc h e so u n b e d e n k lic h s c h ie n , d a s s d ie
S t ä d t e w e lc h e d e n B u n d s c h lo s s e n , d ie n ä m lic h e n s e y n m u s s ­
te n w e lc h e d e n K r ie g b e g o n n e n h a tte n .
S in d s ie aber e r s t im B und des Sp. C a s s iu s g e n a n n t
gew esen, so is t es auch n ic h t b e fre m d lic h , dass s ic h C o r-
n ic u lu m , M o m e n tu m und T e lle n a u n te r ih n e n b e fin d e n ,
w e lc h e v o r lä n g s t e r o b e r t g e w e s e n s e y n s o lle n . Z u b e z w e i­
fe ln i s t d ie s n ic h t, da d ie K ö n ig e so v ie l w e ite r h e r r s c h ­
te n ; es w erd en aber d ie s e O rte th e ils a ls E n ts c h ä d ig u n g
f ü r C ru s tu m e riu m , th e ils a ls P r e is d e r H ü lfe a b g e tr e te n s e y n :
auch C ir c e ji k a m v ie lle ic h t e r s t d a m a ls a n d ie L a tin e r . Es
w ar dem nach d ie v ie rte u n te rs c h ie d e n e O rd n u n g der näm ­
lic h e n S t ä d t e z a h l ; w ie b e y d e r H e rs te llu n g d e s B u n d e s m it
Eom gegen das Ende d e s v ie rte n J a h rh u n d e rts d e r la tin i-
sche S ta a t w ie d e r e rw e ite rt u n d u m g e sc h a ffe n w a rd .
D ie A rt w ie je n e Z ahl genannt w ird , m ö c h te le ic h t
v e ra n la s se n v o rau szu seze n , d ass d ie la tin is c h e n S tä d te k e i­
n e n w a h r h a f t e i n i g e n S t a a t b i l d e t e n w ie d ie A c h ä e r , s o n ­
d e r n e b e n n i c h t f e s te r a l s d ie a u c h d u r c h ih r e Z a h l b e ­
z e ic h n te n n ie d e rlä n d is c h e n P ro v in z e n d u rc h d ie U tre c h te r
U n io n , ^u n d d ie d rey ze h n n o rd a m e rik a n is c h e n S ta a te n
d u r c h d ie a l te F ö d e r a tio n v e r b u n d e n w a r e n : d a s s , w e n n
ih r e B o te n z u s a m m e n k a m e n u m z u r a th s c h la g e n , d e r B e -
28 s c h l u s s doch bey den e in z e ln e n S tä d te n d a h e im g e s ta n d e n
habe; d ie V e rb in d u n g e ig e n tlic h nur e in b le ib e n d e s W a f-
fe n b ü n d n iss gew esen seyn w e rd e . Z u e rg rü n d e n w a s h ie r­
über zu h a lte n sey, lo h n t d e r M ühe u m so m e h r, da es
d u rch au s Y ö lk e rs ta a te n w aren , m it denen R om in I ta lie n
z u s a m m e n tra f , u n d d ie E in e r le y h e it d e r w e s e n tlic h e n G ru n d -

iclum Sp. Cassio Post. Cominio coss, — nu per in columna aenea


meminimus post rostra incisum et perscriptum fu isse : Cicero pro
Balbo 23. (53.): wo cum L a tin is omnibus vielleicht grade auf
die Nennung aller Oite geht. Diese Tafel, seit dem juligehen
Ѳевег nur noch eine Antiquität, dürfte in Sullas Zeit fortgekom-
men seyn, wo auch Statuen vom Comitium weggenommen wurden .*
m uper braucht nicht streng ausgelegt zu werden.
32 fiUMDп .]

fo rm e n der ita lis c h e n V ö lk e r a n z n n e h m e n b e re c h tig t, dass


d e r B e g riff d e r la tin is c h e n V e rfa ssu n g auch d ie ih rig e e r­
kennen la s s e n w e rd e , w e lc h e so n st g a n z ’ u n e rfo rs c h lic h
v e rb o rg e n w äre.
D ie F o lg e r u n g e n w e lc h e aus d e r M ö g lic h k e it das la ­
tin is c h e m it dem rö m isc h e n K rie g s v o lk zu e in e m g le ic h ­
fö rm ig e n G anzen zu v e rs c h m e lz e n , h e rv o rg e h e n , d ü rfte n
fre y lic h n ic h t so a llg e m e in a n g e w a n d t w e rd e n : a b e r f ü r d ie
L a tin e r b e u r k u n d e n s ie e n ts c h e id e n d e in e w a h re E i n h e it d e s
S ta a ts . D a m i t s ie n ic h t n u r k e in e a b g e s o n d e r te n L e g io n e n
in s F e l d b rä c h te n , s o n d e r n d u rc h a u s je d e A b th e i lu n g ih re r
B e w a ffn e te n u n te r der H and e in e s rö m is c h e n B e f e h ls h a b e r s
sey , v e rb a n d T a rq u in iu s je z w e i C e n tu rie n , e in e v o n je d e m
V o lk zu e in e m M a n i p e l 30) : wo es s ic h denn von s e lb s t
v e rs te h t, dass d e r rö m isc h e C e n tu rio den Ö rd o fü h rte , und
der e ig e n tlic h e H a u p tm a n n w a r: w ie h in g e g e n , nach dor
H e rs te llu n g des B u n d e s im Jahr 391, d ie V e re in ig u n g e r - 29
n e u e rt w a rd , d ie F ü h r u n g a b e r w e c h s e lte . D ie s se z t v o r­
aus, d a s s L a tiu m d ie n ä m lic h e K la s s e n v e rfa s s u n g h a t t e w ie
K o m , a u s j e d e r K la s s e d ie n ä m lic h e Z a h l C e n tu r ie n in s F e ld
g e sa n d t w u rd en : d o rt f ü r je g lic h e e in F u s s k n e c h t a u s je d e r
S ta d t, w ie h ie r au s je d e r T rib u s, a u s g e h o b e n w a rd . Jen e
V e rfassu n g is t a b e r n u r d e n k b a r so fe rn a lle S tä d te in ih r e m
C o m itia t e n th a lte n w aren : d ie B ü r g e r s c h a f t e in e r j e d e n d e r
d re y s s ig so e in g e fc h e ilt z u d e n k e n , w onach e in e C e n tu rie d e r
A e lte r e n e in e n o d e r z w e y K ö p fe g e z ä h lt h ä tte , f ä llt lä c h e r lic h .
Eine allgemeine italische Form lässt sich in der des
Landraths erwarten. Ueber diesen drückt Dionysius sich mit
einer, wie es scheint, absichtlichen Unbestimmtheit aus,
indem er die versammelten Rathsherren Probulen nennt06);

8ö) So hätte Livius viel einfacher sagen können was er schwer


und dunkel ausclrückt I. 52. : miscuit manipulos ex Latinis Mo~
maniaque, ut ex binis sinyuloe facer et, singulonque ex bin is, Die
klassische Stelle über die älteste bewegliche Legion, ѴШ. 8.»
lehrt dasa der Manipel aus sechzig Manu bestand, und aus zwey
Centurien,; indem er zwey Centurionen hatte. 86) Tà фт)у>і~
сг&еѵта Опд т&у KpoßouXcuv : Dionysius V. 52. p* 318. b. oi
куурафаре^оі тайта -KpößouXoi: 61. p. 326. b. Beydes von den
Latinern: vom »Senat der Samniter, deanen Gleichartigkeit ihm
bekannt war: ol жpéafietç — èX&éïTeç è?ri toùç tzpofioôXouç
rwv 2auvrrtDv : exe. de leg. p. l'ôd. c.
[band п .] — 33 —

w ie H e r o d o t d ie a b g e o rd n e te n B o te n v e r b ü n d e t e r S t ä d t e 87) :
doch lä s s t s ic h d a ra u s n ic h t f o lg e rn d ass je n e r d ie l a t i n i ­
s c h e n n u r a u f d ie s e s V e r h ä ltn is s b e s c h r ä n k g e d a c h t h ä tte ,
v e r p f l ic h te t d ie B e f e h le i h r e r S tä d t e z u e m p f a n g e n , u n d d ie s e
eb en so s e lb s tä n d ig w ie d ie io n is c h e n . D enn auch den ro -
m u lis c h e n S e n a t n e n n t e r d e n R a th d e r P r o b u l e n 88) , D ie s e s
so W o r t b e z e i c h n e t e in O lig a rc h ie n den tä g lic h e n R a t h , w e l­
c h e r la u f e n d e G e s c h ä fte a b m a c h te , u n d w ic h tig e r e z u r E n t ­
s c h e i d u n g f ü r R a t h u n d B u r g e r 39) v o r b e r e i t e t e 40) : u n d e s
w ä r e m ö g lic h , d a s s d ie K l a r h e i t w o m it e in r ö m is c h e r S c h r if t­
s te lle r s ic h über d a s u rs p rü n g lic h e V e rh ä ltn is s des S e n a ts
zu d e n G e s c h le c h te rn g e ä u sse rt h a b e n k a n n , D io n y s iu s d a ­
m a ls d ie s e n A u sd ru c k zu w ä h le n v e ra n la s st ; w enn auch
d ie v o r ü b e r g e h e n d m i tg e t h e il te E i n s i c h t n a c h h e r w ie d e r v e r­
schw and. A ber d ie B e s tim m th e it w e lc h e s e in e r A n sic h t
w o h l n ic h t m in d e r a ls s e in e n W o r te n m a n g e lte , w ird d u rch

37) VI. 7. von denen der loner: VII. 172. von den auf dem
Isthmus versammelten. Er dachte sich wohl keine wesentliche
Verschiedenheit wenn er solche sonst àyyéXoog nennt: V. 9 1.—
wie Thukydides 7tpiaßeiq. I. 119. 38) r ô auvéàpiov t û j w
7tpoßouXwv : II. 45. p. 110. e. 39) Dies war in der Schweiz
die amtliche Benennung des grossen Raths in den aristokratischen
und oligarchischen Städten. Die Anwendung von Ausdrücken
der eigenen Sprache ist nicht ohne Kraft um die Geschichte des
Alterthums aus einem Gegenstand der blossen Gelehrsamkeit zu
der Würklichkeit zu beleben, welche die jüngst vergangene eines
uns angehörigen Volks hat; freylich nur für den Kundigen. Dem
Staatsrecht der Schweiz und der Reichsstädte fehlen wenige Aus­
drücke für die Verfassungen des Alterthums; allmählich wird der
Leser mit ihnen vertraut werden, dem sie jezt allerdings fremd
Vorkommen. Wollte der Himmel es liesse sich hoffen, dass die
Sprache dos bürgerlichen Rechts, die allen Adel und Reinheit
verloren hat, eben so hergestellt werden könne. 40) So muss
ihr Amt nach den Erwähnungen in Aristoteles Politik (V. 14. p.
122. b. 15. p. 124. c. 125. a.) gedacht werden. Ohne ihren Vor­
trag konnte der grosse Rath nichts verhandeln : so die Geschlech­
ter nichts ohne den des Senats: und da auch dieser auf solche
Gegenstände beschränkt war welche der Vorsizende an ihn brachte,
so nennt Dionysius anderswo, nicht unpassend, die Consuln Ttpo-
ßouXoug: IV. 76. p. 270. a. V. 1. p. 277. d.: und eben so die
beyden Vorsteher der zwanzig Tribunen bey dem zweyten Auf­
stand: XL 44. p. 724. d.
Niebuhr, Röm. Gesell. 3
— 34 — [ band п .]

d ie M e ld u n g b e i L iv iu s e rs e z t, dass d ie zehn E rs te n der


L a tin e r m it ih re m P rä to r v o r dem A u sb ru c h des g ro sse n si
K rie g s a ls G e s a n d te nach Eom gekom m en w ä r e n 41) . D ie
L a tin e r h a tte n a lso d a m a ls e in e n S e n a t, dessen z e h n E rs te
k ra ft ih re s A m te s , w ie aus dem rö m isc h e n und denen der
M u n ic ip ie n u n d C o lo n ie n , z u G e s a n d ts c h a f t e n a b g e o r d n e t w u r ­
d e n 42) : und d a s s e lb e fü r d ie ä lte s te n Z e ite n anzunehm en
b e re c h tig t L . C in c iu s , d e fr g l a u b h a f t e s t e Z e u g e , w e lc h e r d e n
la tin is c h e n S ta a t d e r u n te r d e m C o n s u la t d e s P . D e c i u s fie l
a ls e in s m it dem b e tra c h te te der nach A lb a s Z e rstö ru n g
U n a b h ä n g i g k e i t e r l a n g t h a t t e 43) ; w i e w o h l e r d i e v ie ljä h rig e
A u flö s u n g in der Z e it d e s U n g lü c k s g e w is s n ic h t ü b e rs a h .
In d ie s e n zehn E rs te n s in d , w ie in denen des rö m i­
schen S e n a ts, d ie E rs te n eben so v ie le r D e c u rie n n ic h t zu
v e r k e n n e n 44) , u n d es b e d a rf k au m e rin n e rt zu w erd en , d ass
je d e von d ie s e n e in e S ta d t, w ie zu E om e in e C u rie , v e r­
tra t. D ie s e B o te n k o n n te n e rw ä h lt o d e r von A m ts w e g e n
b e ru fe n seyn: fü r d a s le z te s p ric h t e in e A eu sse ru n g bei
D i o n y s i u s 45) ; u n d a u c h a n s ic h i s t e s m e h r a l s w a h r s c h e i n - 82
lie h . D ie S e n a te der la tin is c h e n S tä d te b e s ta n d e n ohne
a l le n Z w e ife l a u s h u n d e rt M ä n n e rn ; w ie im u rs p rü n g lic h e n
Eom , und in d e n C o lo n ie n und M u n i c i p i e n 46) : w ie w e s e n t­
lic h d ie E in th e ilu n g in zehn D e c u rie n w a r, e rh e llt sc h o n
aus dem N am en d e r D o c u rio n e n : und so z e ig t d ie V e r-
m u th u u g , dass aus je d e m s tä d tis c h e n S enat der V o rm a n n
v o n je d e r d e r z e h n D e c u rie n z u r T a g sa z u n g a b g in g , m o c h te
es e in e g e w ö h n lic h e o d e r b e s c h rie b e n e seyn, e in e fe rn e re

41) Livius ѴШ. 3. Decem principes hatinorum Homam euo-


caverunt: die Darstellung der römischen Eitelkeit, dass кіо nach
Rom geboten wären, kommt nicht in Betrachtung. *Я) Vom
Senat an die Ausgewanderten : Th. 1. Anm. 1345. Vom Rath
von Ameria an Sulla, Cicero pro Sex. R ohсio 9. (125). Aue den
latinischen Colonien, Livius XXIX. 15. Ueber die IMcemprimi
8. Noris Cenotaph. Pis. I. p. 59. 60. und Otto de aedilib. p. 149-
{ed. 2). In ihrer Abordnung aus dem Senat liegt auch der Ur­
sprung der den Feldherrn zugegebenen zelm Legate aus dem­
selben. 48) Festus, praetor ad portam. — Worüber weiterhin,
44) Th. I. S. 878. 4б) fjxBt» eiç . . àyopàv roô ç
elot&âraç unkp tou xoivou т&ѵ Аатіѵшѵ auveâpeôetv : Dionyeiue
IV. 45. p. 247. b. 46) Cicero adv. Ridlum IL 35. (Нб), und
Inschrift von Veji, Öavignye Rechtegeech. I. 2. Anm. 153.
[bakd II.] — 35 —

A nw endung des B e ru fs der zehn E rs te n zu B o ts c h a fte n .


S onach h ä tte auch der la tin is c h e S enat w ie der d e s v o ll­
e n d e te n B o m , a u s d re y h u n d e rte n b e s ta n d e n : d e n V o rn e h m ­
s te n a u s je d e m d e r k le in e n S e n a te , u n d s ie k o n n te n ganz
e ig e n tlic h principes Latinorum genannt w erd en ; w enn ic h
g le ic h n ic h t e n ts c h ie d e n b e h a u p te n m ö c h te , d ass L iv iu s
d ie s e n A u sd ru c k m it A b s ic h t g e w ä h lt fa n d , und nur m it
u n b e s t i m m t e r e m B e w u s s t s e y n a n w e n d e t e 47) . B e m e r k e n s w e r t h
is t e s a u c h , d a s s D io n y s iu s v o n d e n V o ls k e rn , d e r e n S ta a t
er s ic h g e w is s , und m it v o lls te m R e c h t, dem la tin is c h e n
ganz g le ic h d a c h te , s a g t, s ie h ä tte n d ie V o rn e h m s te n aus
je d e r S t a d t a l s G e s a n d t e a b g e o r d n e t 48) : j e n e z e h n G e s a n d t e
33 w a r e n j e d e r aus e in e r ä n d e rn : nur d a rin w ü rd e e r irre n
dass er von a lle n S tä d te n s p r ic h t, d a w o h l a lle m a l n u r e in
T h e il d ie E h r e h a tte : w ie d ie C u rie n , w ie d ie p le b e ji s c h e n
T rib u s, so s in d s ic h e r a u c h in a lle n V o lk s s ta a te n d ie O r t e
in K la s s e n , u rs p rü n g lic h von v e rs c h ie d e n e m R a n g , g e th e ilt
gew esen. D och e r s e lb s t d a c h te b e y d ie s e m A u s d r u c k w o h l
e ig e n tlic h d ie O b r ig k e ite n , d ie P r ä t o r e n o d e r D ic ta to r e n d e r
S tä d te : w e n ig s te n s nennt er in der e in z ig e n e rh a lte n e n
S te lle , d ie s e in e M e y n u n g b ü n d ig zu äu sse rn s c h e in t, d ie s e
und das V o lk a ls s ic h zur T a g le is tu n g v e r s a m m e l n d 49) .
W ie ausgem acht es nun auch fü r m ic h is t d a s s s ie den
S e n a t n ic h t b ild e te n , so m ö c h te ic h d o c h k e in e s w e g s lä u g -
nen, dass auch s ie au f den T agen e rs c h ie n e n , d a s i e .o f t­
m a ls d ie zehn E rs te n auf G e s a n d ts c h a fte n b e g l e i t e t e n 50) :
u n d e s h a t s ic h e r d ie h ö c h s te W a h rs c h e in lic h k e it, d a s s d e r
g e m e in s a m e M a g is tr a t d e s S ta a ts a u s ih n e n e r w ä h lt w a rd .
Es m ag u n m ö g lic h seyn d ie S te lle zu e rra th e n w e lc h e s ie

47) Bey der Versammlung unter Tarquinius nennt er dia


prin cipes und proceres der Latiner: I. 50. 51., wie er XXIX. 15.
die Nämlichen decem prin cipes und prim ores nennt. Auch im.
Concilium der Akarnaner unterscheidet er m agielratus und p rin ­
cipes XXXIII, 1Й. — römischen Sprachgebrauch auf abweichende
Verhältnisse anwendend. 48) éxdcm jç поХш и robç ènt-
<раѵеотатоид èXôfievot TzpeaßeüTag^ Dionysius VIII 9. p. 487. d.
49) оиѵцееаѵ anàavjg nôXewg o ï те èv rpîç réXsct xa i
tzoXuç àXXog ÉyXoç eîç rijv гЕ%етp a v w tzÔXiv. Dionysius VHL
4. p. 483. e. 50) Liriue VIII. 3. — XXIX. 15. Cicero 2 wt
Verr. II. 67. (162). Auch III. 28. (68).
3*
— 36 — [band ii.]

e in n a h m e n , da s ie n ic h t zu m S e n a t g e h ö re n k o n n te n : a b e r
das g ie b t k e in e n B e w e is.
J e n e M e n g e d e s V o l k s 0) , w e lc h e , n a c h d e r o b e n a n g e ­
zogenen E rw ä h n u n g , m it den B o te n zum L a n d ta g nach
E c e tra g in g , w a rd n ic h t a lle in von N e u g ie rd e , oder vom
V erk eh r der M esse g e lo c k t: s ie g in g um d ie H o h e it z u
üb en : denn ohne e in e L a n d s g e m e in d e u n d ih re B e s tä tig u n g
w ären d ie S c h lü s s e d es L a n d ra th s so w e n ig k rä ftig gew e- и
sen, w ie d ie des rö m is c h e n S e n a ts über G eseze, K rie g u n d
F rie d e n . E in e s o lc h e E k k le s ia h a tte n d ie g rie c h is c h e n
S ta a te n b ü n d e so w o h l a ls v e r e in ig te S ta a te n : d ie A m p h ik ty o -
nen w ie d ie A c h ä e r : u n d n ic h t a n d e rs a ls d ie s e g r ie c h is c h e n
L a n d s g e m e in d e n können d ie ita lis c h e n e in g e ric h te t g e w e ­
s e n seyn. O h n e Z w e ife l k o n n te in ih n e n je d e r s e in e S tim m e
abgeben, der es in s e in e m O rt a ls B ü rg e r zu tlm n be­
re c h tig t w ar: w ie aber in d e m s e lb e n d ie A b m e h r u n g n ic h t
nach der Sum m e d e r e in z e ln e n , so n d e rn n a c h 'd e n P h y lo n
g e re c h n e t w a rd , u n an g eseh en w ie v ie le o d er w e n ig e B ü r g e r
je d e e n th ie lt, so w ard h ie r d ie S tim m e je d e s O rts g e z ä h lt.
W ä re n ic h t nach d ie s e n a b g e m e h rt w o rd en , so h ä tte n d ie
B ew ohner e in e r d e r g ro s s e n S tä d te , w enn der T ag d o rt g e ­
h a l te n ^w a rd , g e g e n a lle v o n ä n d e r n O rte n H in g e k o m m e n e
e n t s c h i e d e n 51) . G a lt a b e r d ie S tim m e v o n z w a n z ig e n a u s
D ym e eben so v ie l w ie d ie von z w e y ta u s e n d K o rin th io rn
o d e r A rg iv e rn , so w ard d ie L a n d s g e m e in d o re p rä s e n tire n d ;
es kam nur d a ra u f an dass e in ig e aus e n tle g e n e n O rte n
s ic h e i n f a n d e n ,* w ie z u R o m d ie T r i b u s d e r e n R e g i o n e n e n t ­
f e r n t la g e n doch n ie um den ih n e n g e b ü h re n d e n A n th o il
am R e g im e n t v erk ü rzt w o rd e n k o n n te n . Es is t k la r dass
in den L a n d s g e m e in d e n der L a tin e r, V o ls k e r, S a m n ito r, 85-
n ic h t a n d e rs a b g e s tim m t seyn kann. Ih re V e re in ig u n g ,
neben d e n S iz u n g e n d e r B o te n , d a c h te L iv iu s s ic h b e s tim m t,

«) Schwegler II. 290. A. 4. «) Wie unter dem Wahl,


gesez von 1817 die Hauptstädte der Departementer die Wahlen
entschieden. Dass in der Landsgemeinde solcher Volkeetaatoa
auf die angegebene Weise abgemehrt ward, mag längst bemerkt
seyn: ich erwähne es nicht mit dem Anspruch etwai Neues ssu
lehren sondern weil es hier wesentlich ist. Der Hergang bey
der Aufhebung des Bündnisses mit Philippus (Livius 3CXXII.
20 . — 26.) macht das ganze Verhältniss klar.
[ band h .] — 37 -

und ein latinisches Concilium als Versammlung einer zahl­


reichen Menge derivation52). Das Concilium der herniki-
schen Völker ward im Circus von Anagnia gehalten63):
einem Ort der nur für zusammenkommende Tausende ge­
eignet war. In der vierten Decade nennt Livius die Lands­
gemeinden der griechischen Völker stets, Concilia: wo er
in der polybianischen Geschichte, wie die Bruchstücke zei­
gen, durchgehende das Wort àyopd fand54); eben dieses
gebraucht Dionysius, so gelehrt und sorgfältig im Sprach­
gebrauch, für die Versammlungen der Latiner65); nicht
etwa, als ob sie nur für eine Messe zusammengekommen
wären.
So lange die Latiner einen frey en Staat hatten, hiel­
te ten sie ihre Landsgemeinde am Quell und Hain der'Fe-
rentina: die wohl mit völligem Recht für den Quell und
Wald im Thal unter Marino gelten; wenn auch diese Ge­
gend durch den albanischen See von Montecavo geschieden
ist, unter dem doch die Stelle jener Gegend angegeben
wird56). Vielleicht war hier ein Tempel der dem Rath zur
Curie diente, wie bey den amphiktyonischen Versammlun­
gen : freylich kann derselbe auch, wie deutsche Räthe, Ge­
richte und Stände, seine Geschäfte unter freyem Himmel
gehalten haben57). Diese Mahlstatt nennt Dionysius immer

52) Livius I. 50. c o n f e s l i m L a t i n o r u m c o n c i l i u m m a g n o c u m


t u m u lt u a d v o c a tu r — dann wird von demselben alsobald die
Hoheit des römischen Königs anerkannt. б3) Ders. IX. 42.
c o n c iliu m p o p u lo r u m o m n iu m . 54) Die Meynung dass die
à y o p â nur von der ß o u l r } zu verstehen sey, ist ein grosser Irr­
thum, den die eingestandene 'wiederholte Erwähnung des 8%kog
und 7r X 9 j $ o g , und der т г о Л Л о с , nicht hätte aufkommen lassen sollen.
Das allgemeine Wort für die Landsgemeinden der Achäer ist
/ r ô v o â o g : sie hatten deren zwey jährliche bestimmte, und diese

hieesen à y o p a l : eine beschriebene (c o n c i l i u m i n d i c i u m ) а и у х к у т о д .


Zu diesen lezten ward, wie Polybius Ausdrücke, XXIX. 9, G.
allerdings folgern lassen, nicht allemal die ganze Mannheit be­
rufen, sondern zuweilen nur der weite Rath: wo es sich denn
versteht dass dieser nie die Befugnisse des ganzen Volks üben
konnte. 66) Dionysius IH. 34 p. 175. c. 51- p. 188. e. und
sonst häufig: s. Sylburga griechischen Index. ^®) Van Festus
s. v. P r a e t o r a d p o r t a m . 57) Wie unsere Ditmarscher auf
■der Heide, die Friesen am Upstalsboom ; ja, wie ich von meinem
— 38 — [band ii.}

Ferentinum; gewiss nicht durch Verwechslung mit dem


wohlbekannten Ort der Herniker: es mochte dort, als La­
tium frey war, ein Marktflecken bestanden haben, dessen
Ursprung die mit solchen Versammlungen wie mit Wall­
fahrten verbundenen Handelsmessen waren68). Auch scheint
die Erzählung von der Arglist, womit Tarquinius seiner fal­
schen Anklage gegen Turnus Herdonius Glauben verschafft
habe, vorauszusezen dass die Rathsherren in Wohnhäusern
übernachteten.
Die einzelnen Städte waren, der Verfassung nach, im
gesammten Staat enthalten wie die nordamerikanischen
Staaten in der Föderalunion: es hat sogar viel Glaublich-
keit dass das allgemeine latinische Landrecht, welches bis
zumjulischen Gesez in den Colonien dieses Namens galt59),
von uralten Zeiten her in Kraft war, und einzelne Orte sr
daran durch Beliebungen nichts ändern konnten. Die ver­
einigende Verfassung war fester als dass man Latium einen
Bundesstaat nennen könnte. Weil aber eine feste Stadt,
wie wohl alle es waren, wahrhaft in sich bestand, und jode,
die allgemeinen Verhandlungen ausgenommen, sich selbst
regierte und verwaltete, so hatten sie Anreizungen und Ge­
legenheiten ihre Befugnisse gegen das gemeine Latium zu
übertreten, woran in der römischen Republik eine Tribus
nie denken konnte.
Es darf wohl für ausgemacht gelten, dass ein Dictator
als Standeshaupt den Bund mit Rom schloss: da ein la­
tinis eher Dictator genannt wird aus der Zeit als Pometia
Latium angehörte60). Die Herleitung dieser Magistratur
aus Alba, ihr Vorkommen in uralter Zeit zu Tusculum,
ihre Portdauer zu Lanuvium fünf Jahrhunderte nachher,
bewähren ihren latinischen Ursprung. Wie nun der Senat
des gesammten Staats aus denen der dreyssig Städte ge­
bildet ward, so lässt die Analogie errathen, dass der I)i-

Freunde Pertz vernehme, noch nach dem 30jährigen Krieg die


Lüneburgischen Stände.
68) Die Kaufleute berichteten was in der Versammlung der
etruskischen Völker am Tempel der Voltumna beschlossen worden;
Livius VI. 2. 5S>) Gelliua IV. 4. M) Egerius LUvius a) :
Cato bey Priscian p. 629.
a) Baebius in der Ausgabe von Hertz,
*
[band II.] — 39 —

c ta to r von e in e r d e rs e lb e n d ie s e W ü rd e fü r das g e m e in e
L a tiu m e m p fin g : g le ic h w ie e in e r der K ö n ig e der z w ö lf
e tru sk isc h e n O rte a ls H aupt d e r N a tio n a n e rk a n n t w a rd .
F o r s c h e n z u w o lle n o b a lle o d e r n u r e in ig e S tä d te d a z u
b e r e c h t i g t w a r e n ; o b W a h l o d e r U m g a n g d ie W ü rd e e r -
t h e i lt e ; — w ä r e e in e e itle B e m ü h u n g .
G e g e n C a to s a u s d r ü c k lic h e s Z e u g n is s g ilt d ie E r z ä h -
38 l u n g g a r n i c h t s , d ie L a tin e r h ä t t e n , n a c h A lb a s U n te r g a n g ,
a ls s ie b e s c h l o s s e n d e m r ö m i s c h e n K ö n ig e z u w id e r s te h e n ,
zw ey F e ld h e rrn e rw ä h lt, w e lc h e der la te in is c h e S c h rift­
s te lle r P rä to re n g e n a n n t h a b e n m u s s 61) . Ih re N am e n w aren
g e n a n n t, in g le ic h e r A rt w ie d e rje n ig e n w e lc h e zu R om
z u e rst e in n eu es, o d e r zu n e u e r B e d e u tu n g e rh o b e n e s, A m t
b e k le id e te n . An e in e s o lc h e N o tiz aus den Z e ite n des >
T u llu s H o s tiliu s g la u b e ic h in L a tiu m so w e n ig a ls zu
R om : es m ögen je n e w ü rk lic h d ie e rs te n P rä to re n des
L andes g ew esen seyn, a b e r m a n c h e s M e n s c h e n a lte r s p ä te r ;
a ls d ie L a tin e r nach R om s g a llis c h e m U n g lü c k ih re n S ta a t
h e rs te llte n . Da h a tte e r a l le r d in g s , w ie e s d ie G e s c h ic h te
s e in e s U n te rg a n g s z e i£ t, zw ey P rä to re n : d ass R om zw ey
C o n s u ln h a tte w ar nur d u rc h das D aseyn der beyden
S tä n d e v e ra n la s st: es b lie b nachher dabey aus ä n d e rn
G rü n d e n o b w o h l d ie V e r a n la s s u n g w e g g e fa lle n w a r, j a m it
a lle r M a c h t g e w e h rt w a r d a ss s ie g e lte . D ie L a t i n e r h a t t e n
k e in e U rsa c h e gehabt e in e so m is s lic h e E in ric h tu n g e in ­
zu fü h ren , a ls s ie s ic h von A lb a b e fre y te n : w ohl aber
können s ie s p ä te r ih re V e rfa ssu n g der rö m isc h e n nachge­
b ild e t h a b e n , w ie d ie ita lis c h e n V ö lk e r in d e r m a rsisc h e n
V erb ü n d u n g .
S o la n g e L a tiu m s ic h e in e n D ic ta to r e r n a n n te , k o n n te
n ie m a n d a ls d ie s e r d a s O p fe r a u f d em a lb a n is c h e n B e rg e
d a r b r i n g e n , u n d d e n l a t i n i s c h e n F e r i e n 62) v o r s t e h e n , w i e e s
e in s t d em a lb a n is c h e n zukam . A uch f ü r d ie R ö m e r o p f e r te
er, w ie h i n g e g e n d ie s e im D ia n e n te m p e l a u f d e m A v e n tin u s
39 f ü r s i c h und d ie L a t i n e r 68) . Es v e rs te h t s ic h dass T a r-

Ci) Dionysius III. 34. p. 175. d. 62) Der eigentliche


Name war Latiar: — Macrobius Sat. I. 16. (Ï. p. 279* B ip.).
63) Tb. 1. S. 406. 407. Dionysius IV. 26. p. 230. b. ff.
Livius I. 45. Es darf nicht irren dass beyde die Errichtung die­
ses Tempels so auffassen, als sey Rom damit als Haupt des la-
— 40 — [bàkd eu]

q u in iu s d e n V o rs ta n d a n f d em a lb a n e r B e rg e fü r s ie b n a h m ,
w ie d e rs e lb e nachher s e it der Z e rstö ru n g des la tin is c h e n
S ta a ts , u n d w a h rs c h e in lic h s c h o n w ä h re n d d e r s ie b z ig J a h r e
s e in e r A u flö s u n g , von R om s e rs te r M a g is tra tu r ausgeübt
w a r d ; in g le ic h e r A r t w ie das a lljä h rlic h e d e n P e n a te n g e ­
w e ih te O p fe r zu L a v in iu m , w e lc h e s u rs p rü n g lic h fü r d ie
d re y s s ig S tä d te g e w e ih t sey n w ird , s ic h e r e b e n fa lls e in st
v o m a lb a n is c h e n , d a n n v o m la tin is c h e n D ic ta to r d a r g e b r a c h t
w o rd e n is t. D ie M e y n u n g a b e r d a s s je n e r K ö n ig , o d e r s e in
V a te r, d ie F e r i e n e in g e se z t h a b e , is t g an z v e rw e rflic h ; ih r
v ie l h ö h e re s A lte r w ird sch o n d u rc h d ie K u n d e e rw ie s e n ,
d ass d ie S tä d te d e r P ris k o r und L a tin e r e in s t a u f d e m a l­
b a n e r B e rg e ih r e n O p fe rth e il m it d e n A lb a n e rn u n d d e n
d r e y s s i g a l b e n s i s c h e n G e n o s s a m e n e m p f i n g e n 64) ; e i n e N o t i z
d eren A e c h th e it u n d U r s p r u n g a u s u ra lte n S c h rifte n d u rc h
d ie V e rz e ic h n u n g d ie s e r O rte d a rg e th a n w ird . A uch e r - 40.
k a n n te n e in ig e rö m isc h e A n tiq u a re d ie s e s hohe A lte r d es
F e s t e s 65) . F re y lic h w a rd es d u rc h T a rq u in iu s e in rö m i­
s c h e s ; a u c h d ü rfte d ie s e r d u rc h E r w e ite r u n g d e r T h e iln a h m e
den n a tio n a le n G o tte s d ie n s t z u r H e ilig u n g u n d V e rm itte lu n g
e in e r V ö lk e rg e n o s s e n s c h a ft u m g e sc h a ffe n haben. D ie d rey
v e rb ü n d e te n V ö lk e r h a tte n je d e s fü r s ic h s e in e M a h ls ta tt;
zu R om , an d e r F e re n tin a , zu A n a g n ia : dass ih re g e m e in ­
s c h a ftlic h e n T a g e m it d en la tin is c h e n F e rie n v e re in ig t w a ­
ren , d a f ü r s c h e in t d a s H e rk o m m e n Z e u g n is s z u geben, dass
d ie C o n s u ln n i c h t in s F e ld z o g e n ehe d ie s e g e f e y e r t w a r e n :
auch ih re V e r ä n d e rlic h k e it, a ls e in e s a n g e sa g te n F e s te s .

tinischcn Volks anerkannt worden: wohin freylich die Legende


vom Riesenrind gehört. Die allgemeine Analogie deutet darauf
dass Römer *und Latiner, wenn sie in gleichem Bunde standen,
an jedem der gemeinschaftlich geheiligten Orte jährlich zusam­
men kamen, wie die Amphiktyonen ihren Tag einmal im Jahr zu
Delphi, einmal bey Thermopylä hielten; und zwiefache jährliche
Versammlungen bey den griechischen Völkern gebräuchlich waren :
noch bey den Achäern. Nach des latinischen Staats Zerstörung,
wo nicht schon früher, ward freylich der Dianentempel ganas
römisch; das Opfer der Latiner hatte aufgebörfc.
6*) Plinius III. 9. Praeterea fuere in Latio clara oppida —
cum his cam era in monte Albano soliti aùcipere p o pu li A l -
bensee. 65) SchoL M ai. zur Planciana, 9. A lii a L . Tar~
quinio Prisco — der gehört hieher auf keine Weise — (institu-
[вхіш п.] — 41 —

S ie g e w ä h rte n , w ie d ie g r ie c h is c h e n F e s te , e in e n G o t­
t e s f r i e d e n 66) a ) . Ih re D auer w ar sechs T a g e 67) , so v ie l
a ls d ie a lb e n s is c h e n u n d la tin is c h e n O r te D e c u rie n z ä h lte n ;
e b e n w ie d ie d re y rö m isc h e n T rib u s in d e n g r o s s e n S p ie le n
d re y Tage fe y e rte n , b is fü r d ie P le b s e in v ie rte r h in z u ­
g e fü g t w ard . D u rch der R fö n er Z u tritt w a rd je n e Zahl
4i d e r la tin is c h e n F e y e rta g e , w e n ig s te n s ih r e A n g e m e s s e n h e it,
h e rg e s te llt : aber d ie S tiftu n g des v ie rte n F e y e rta g s zu
Rom h a t s c h w e rlic h auch d ie L a tin e n v e rlä n g e rt. A ls m it­
te lb a r e , e in ig e J a h r e s p ä te r e in g e tr e te n e , F o lg e w ä re e s a lle n ­
f a l ls d e n k b a r : w e n n a b e r d ie E i n s e z u n g je n e s v i e r t e n T a g s
g ra d e h in von den L a tin e n v e rs ta n d e n w ird , so is t es e in
h a n d g re iflic h e r, und d u rc h L iv iu s W o rte e rw ie s e n e r, Irr­
th u m , da L a tiu m 383 ganz frey w a r. U nd eben so ge­
w is s i s t je n e s F e s t m it d en r ö m is c h e n S p ie le n v e rw e c h s e lt,
w enn es h e is s t, T a rq u in iu s habe nur e in e n T ag a n g e o rd ­
n e t g e h a b t, e in zw ey te r sey nach dessen V e r b a n n u n g , .e in
d ritte r nach der A u ssö h n u n g m it d e r G e m e in d e h in z u g e ­
kom m en. D as kann n ic h t seyn, nach je n e n Z e u g n is s e n
über A lte r und D auer der L a tin e n ; zudem w a re n Rom s
in n r e V e rä n d e ru n g e n den L a tin e rn fre m d . A b er auch von
den rö m is c h e n S p ie le n lä s s t s ic h n ic h t denken, dass b is
zum Ende d e r k ö n ig lic h e n Z e it n u r d ie R am nes d ie E h re
d e r F e y e r e in e s T a g s g enossen h ä tte n , den beyden ä n d e rn
S tä m m e n e rst bey V e ra n la s s u n g e n d ie s ie g a r n ic h t u n ­
m itte lb a r b e tr a f e n d ie s e lb e b e y g e le g t w ä r e n : e s s c h e in t n ic h ts
a n d e rs a ls e in M is s v e rs tä n d n is s der M e ld u n g seyn zu i
können, d ass bey beyden V o rfä lle n d ie S p ie le um e in e n

tas f e r u n t j : — a lii a Latinis Priscis ; ai que inter hos ipsos (de)


causa sacrificii non convenit. Da diese das Schaukeln als aus­
zeichnend bei dem Fest betrachteten, und auch Cornificius, bey
Festus 8, v. oscillum , dies thut, so gehört auch er zu denen
welche den latinischen Ursprung nicht verkannten.
66) Dionysius IV. 49. p. 250. b. Macrobius a. a. 0, sagt,
dass die Römer während jener Tage kein Treffen geliefert hätten.
a ) Schwegler II. 232. A. 5./ Mommsen R. Ö. L 461.
67) Pestua s. v. oscillum. ltaqu e p e r sex eos dies J'eriatos
requirere eum : nachher: p e r eos dies feriaru m . B e y dem Scho-
liasten a. a. 0. ist ganz sicher zu emendiren: itaque i p s i s e x
diebus oecillare instituerunt : statt i p e i s d i e b u s .
— 42 — [band ii.}

Tag v e rlä n g e rt w o rd e n , w ie es h ä u fig hey D ank- oder


B u s s f e s t e n g e s c h a h 68).
A u f d e n n ä m lic h e n a lb a n is c h e n B erg , zu dem T em pel
des J u p ite r L a tia r is , w e lc h e r f ü r A lb a w ar w as d e r k a p i - 4*
to lin is c h e fü r R om , fü h rte n ohne Z w e ife l d ie D ic ta to re n
von A lb a und L a tiu m d ie s ie g re ic h h e im k e h re n d e n L e g io ­
nen im T riu m p h . U n z w e ife lh a ft w ie d ie s e F e y e r, bey
w e lc h e r d ie T riu m p h a to re n in k ö n ig lic h e n G ew än d ern er­
s c h ie n e n , aus d e r Z e it d e r K ö n ig e h e rs ta m m t, is t es auch
d a s s d ie la tin is c h e n H e e rfü h re r s ic h n ic h t g e r in g e r h ie lte n ,
noch d e m ü th ig e r g e z e ig t h a b e n w e rd e n , a ls d ie r ö m is c h e n ,
w e n n s ie n i c h t u n t e r d e re n I m p e r iu m s t a n d e n ; a u c h d e n
G ö tte rn n ic h t m in d e r d a n k b a r. E s e r h ie lt s ic h a b e r a u c h
d ie s e r T riu m p h in d e m je n ig e n w e lc h e n rö m isc h e F e ld h e r r n
a u f je n e m B e rg e fe y e rte n : denn d ass d er e rs te , w e lc h e r
s ic h d ie s e E h r e nahm , e in e n e h e m a lig e n G e b ra u c h e r n e u e r t
habe, is t w e n ig s te n s ohne V e r g le ic h w a h r s c h e in lic h e r a ls
d ass e r g e w a g t h ä tte s ic h e in e s e lb s te rs o n n e n o A u s z e ic h ­
nung anzum assen. E r triu m p h irte n ic h t e ig e n tlic h a ls rö ­
m is c h e r C o n s u l, so n d e rn a ls F e ld h e rr d e r la tin is c h e n Co-
h o rte n , w e lc h e th e ils S tä d te n d es a lte n L a tiu m a n g e h ö rte n ,
th e ils den C o lo n ie n w e lc h e aus d e r W u rz e l des z e rs tö rte n
S ta a ts erw ach sen w a re n und ih n v e rtra te n . D a s I m p e riu m
s ic h e rte ih n in d ie s e r E n tfe rn u n g von der S ta d t gegen
S tö ru n g ; d ie A c c la m a tio n d e r L a tin e r, der d ie ita lis c h e n
B u n desgenossen b e y s tim m te n , b e re c h tig te ih n : v ie lle ic h t
g e ä u sse rt d u rch je n e so n st u n e rk lä rlic h e B e g rü ssu n g a ls
Im p e ra to r, n a c h e in e m S ie g e ; d ie fre y lic h , w e n ig s te n s .a ls
L a tin e r u n d Z u g e w a n d te m ä n n ig lic h rö m isc h e B ü rg e r ge­
w o rd e n , v o n den L e g io n e n au sg e ü b t w ard : w ie s ie sch o n
frü h e r, a ls d ie U rsa c h e v erg essen w a r, s ie g e t h e i l t h a b e n
m ögen. L a tin is c h e T riu m p h e a u s K rie g e n d ie ih re F e ld ­
h e r r e n u n te r e ig e n e n A u s p ic ie n , j a m it ih re r L e itu n g u n te r ­
gebenen rö m is c h e n L e g io n e n fü h rte n , k o n n te n , w enn das 48
G lü c k h o ld w a r, in K r a f t d e r G le ic h h e it des B ü n d n is s e s ,
d a m a ls g e f ü h r t w e rd e n .

68)^ Livius XXV. 2. XXVII, 6. 21. u. s, f. — auoh sswey,


drey, vier Tage: denn ter und quater bedeutet ao viele Tage, wie
semel XXVII. 36. einen Tag: nicht dass das ganze Fest von
vier Tagen so vielmal wiederholt ward.
[ваіш п .] — 43 —

Der Bund mit den Latinern. “)


D u rc h d ie s e G le ic h h e it e rk lä rt s ic h v o llk o m m e n d ass
S p . C a s s iu s a lle in den B u n d m it d e n L a tin e rn z n B o m
b e s c h w o r , w e lc h e s e in e g a n z u n b e g rü n d e te v o n L iv iu s a n ­
genom m ene A u sle g u n g v e r a n l a s s t h a t 69) . S e in C o lle g e w a r
n ic h t a n w e se n d w e il e r d e n s e lb e n E id u n te r den L a tin e rn
a b le g te , und s e in N am e w ird auf der T a fe l g e s c h rie b e n
gew esen sey n d ie b e y ih n e n a u fg e ric h te t w a rd .
D ie E rh a ltu n g der rö m isc h e n U rk u n d e b is auf e in e
Z e it w o M a c e r s ie o h n e Z w e ife l n o c h s e lb s t g e le s e n , v e r­
b ü r g t d e n I n h a l t w e lc h e n D io n y s iu s v o r t r ä g t v o llk o m m e n :
obw ohl s ie la n g e v o rh e r ehe er Eom sah fo rtg e k o m m e n
w a r: es is t um so w e n ig e r denkbar d ass e r s e in e n G e­
w ä h rs m ä n n e rn n ic h t b u c h s tä b lic h fo lg e , d a e r a n d e rs w o ,
v o n d e n e in g e w u rz e lte n rö m is c h e n V o ru rth e ile n v e r f ü h r t
s ic h d a s V e rh ä ltn is s d e r L a tin e r z u R o m ganz v e rs c h ie d e n
44 e i n b i l d e t 70) . D em nach v e ro rd n e te je n e U rk u n d e , w as ü b er
den O p fe rn b e sc h w o re n w a r 71) : Es s o ll F r ie d e z w is c h e n

«) Schwegler I. 305; Ihne R. G. I. 81. 69) Die Schuld


sie ausgeklügelt zu haben trifft ihn nicht, da die Annahme dass
Postumus Cominius gegen die Antiaten im Felde gestanden habe,
sich eben so bey Dionysius findet. Livius verdanken wir die
Kunde dass dies nur vermuth et, und mit dem vermeynten Beweis
seiner Abwesenheit von Rom unferstüzt ward, — nämlich weil
die Sage von Öoriolanus eingeschoben war. 70) Weiterhin
hatte er die Urkunde so vergessen dass er in der Erzählung von
Coriolanus keinen Anstand nahm zu schreiben, der Senat habe
in der eigenen Rathlosigkeit den Latinern gestattet, selbst ein
Heer aufzustellen, und ihm einen Feldherrn zu ernennen, welches
ihnen im Bundesvertrag untersagt gewesen »ey (УІІІ. 15. p.
491. c.): Es ist aber die nämliche Antwort welche 291 gegeben
ward (Livius III. 6.) und für die Zeit historisch seyn wird; die»
rechtfertigt die uralte Erzählung, aber nicht die welche sie so
hoch hinaufgesezt gelten liessen, und nicht ahndeten dass die
Verhältnisse sich zwischen 266 und 291 geändert hatten. Livius,
der den Inhalt des Bundesbriefs übergeht, ist mehr entschuldigt,
wenn er sich überredete, sogar sich gegen einen Angriff zu weh­
ren sey ihnen nicht erlaubt gewesen (VIIL 4.) 7l) Diony­
sius VI. 95. p. 415. b.
— 44 — [band Д.]

R ö m e rn und L a tin e rn seyn, so la n g e H im m e l und E rd e


an ih re m O rt b e s te h e n : k e in e s von beyden L ä n d e rn s o ll
das a n d e re m i t G e w a lt ü b e rz ie h e n , noch F rem d e erreg e n
d a s s s ie e s t h u n , n o c h f r e m d e r H e e r e s m a c h t g e g e n d e n
E id s g e n o s s e n s ic h re S tra s s e n g e w ä h re n ; s o n d e rn , so w em
S chaden u n d U n lu s t g e s c h ie h t, dem s o ll d e r a n d r e S c h irm ,
H ü lfe und B e y s ta n d tre u lic h le is te n . D ie B e u te und w as
im g e m e in e n K rie g gew onnen w ird , das s o lle n s ie g le ic h -
lie h t h e i l e n 72). W as aber d ie b eso n d eren K la g e n an­
la n g t, d ie s o lle n b in n e n zehn T agen g e ric h te t w e rd e n , in * *
dem O rt w o der H andel begonnen is t. An d ie s e m B und
s o ll n ic h ts ab noch z u g e th a n w e rd en , es w ä ro denn dass
e s R ö m e rn und dem g e m e in e n L a tiu m e in trä c h tig b e lie b e .
S o v o l l s t ä n d i g w ie z u v e rlä s sig is t fre y lic h d e r V e rtra g
s ic h e r n ic h t g e g e b e n . W ir v e rm is s e n e i n e B e s t i m m u n g d ie
u n e n tb e h rlic h w a r: w ie g e m e in e K la g e n z w is c h e n beyden
R e p u b lik e n , oder e in z e ln e r B ü rg e r gegen das a n d e re O r t,
e in e s R ö m e rs gegen e in e la tin is c h e S ta d t, e i n e r s o lc h e n
gegen d ie rö m isc h e R e p u b lik , a u s g e tra g e n und g e ric h te t
w e rd e n s o llte n : fe rn e r, w em bey g e m e in e n Zügen d er B e­
f e h l z u s te h e : o b dem m a h n e n d e n O rt? o d e r o h o r w e c h s e ln
s o lle , Jahr um J a h r 73) ? D enn nur davon kann d ie R ede
seyn: d aran is t n ic h t zu denken d ass d ie L a tin e r, bey
g le ic h e r T h e ilu n g d e s K rie g s g e w in n s , k e in e n A n sp ru c h an
d ie F ü h ru n g d e s H e e re s g e h a b t h ä tte n .
W as aus dem W esen des V e rh ä ltn is s e s f o lg t, w ird
h ie r, w ie o ft, d u rch e in Z e u g n is s b e s tä tig t. W o h l kaum
a n d e rth a lb h u n d e rt Jah re nach der Z e rstö ru n g dos la tin i-

72) Auch dies hat Dionysius nachher vergessen wo die Quä­


storen bey ihm sagen, Cassius habe zuerst den Latinern ein
Drittheil der Beute eingeräumt : dann ein zwoytes don Hernikern:
VIII. 77. p. 544. d. Alle solche Verirrungen fallen Annalisten
zur Last, von denen Dionysius sich scheute abzuweichen: jene
aber hatten im Sinn dass vor dem lezten latinischen Kriege die
Latiner allerdings ein Drittheil empfingen (Plinius XXXIV. 11.
Prisci Latird quibus ex foedere tertias praedae populus Romanus
praestabat): ohne zu bedenken dass als die Hcrniker hinzutraton
der Antheil der früher Verbündeten von der Hälfte auf ein
Drittheil vermindert werden musste. Щ Welche Punkte hier
Vorkommen mussten zu vermuthen, leitet das Bündniss der Athc-
nienser mit den Argivern und ihren Genossen, Thukydides V. 47.
[band i i .J — 45 —

scheu S ta a ts b e ric h te te L. C i n c i u s 74) : s e it d e r Z e rstö ru n g


A lb a s ,* so la n g e L a tiu m fre y g ew esen, h ä tte n d ie l a t i n i ­
sc h e n S tä d te in d em J a h r e w o es d e n R ö m e rn zugekom m en
sey den F e ld h e rm zu geben, d u rc h A b g e o rd n e te au f dem
K a p ito l d i e , A u s p ic ie n b e o b a c h te n la s s e n : das la tin is c h e
H e e r w e lc h e s v o r d e m T h o r e rw a rte te , h ä tte d e n E rw ä h lte n
a ls P r ä to r b e g rü s s t, s o b a ld es v ern o m m en dass er d u rch
46 d i e S chau b e s tä tig t sey . — D ass d ie s e s V e rh ä ltn is s auf
d ie g a n z e Z e it v o n d e r Z e r s tö r u n g A lb a s b is a u f d ie g ä n z ­
l i c h e V e r n i c h t u n g d e s l a t i n i s c h e n S t a a t s , 412 , b e z o g e n ,
und w e d e r d ie Z e it w o L a tiu m u n te r d e s K ö n ig s und der
frü h e s te n C o n s u ln B o tm ä s s ig k e it s ta n d , noch d ie wo d ie
ü b r ig g e b lie b e n e n S tä d te s ic h u n te r d e r R ö m e r S c h ir m be­
geben h a tte n , au sgenom m en w ird , h a t v e r m u th lic h F e s tu s ,
wo n ic h t sc h o n V e rriu s , zu v e rtre te n : o b g le ic h auch C in ­
c iu s es v ersä u m e n k o n n te s ic h d u rc h b e h u tsa m e A u sn a h m e
e in e r d a m a ls je d e m u n te rric h te te n L eser w o h lb e k a n n te n
E in sc h rä n k u n g gegen T a d le r zu v e rw a h re n . Für Z e ite n
w i e d i e w e l c h e a u f 261 u n d 392 f o l g t e n , e r w e i s s t d i e s e r
B e r ic h t z u v o lle r G e n ü g e d a s s R o m n ic h t im m e r d e n O b e r­
b efeh l des v e re in ig te n H eeres h a tte ; m ith in auch d ie rö ­
m is c h e n L e g io n e n dem d e s la tin is c h e n D ic ta to rs a ls P r ä to r
des B undes u n te rg e b e n gew esen s in d : wo denn d ie V e r -
m u th u n g e in e s jä h r lic h e n W e c h s e ls a m m e is te n W a h rs c h e in ­
lic h k e it h a t.
D ie V e r b in d u n g der C e n tim e n zu M a n ip e ln k o n n te
a u c h je z t f o rtd a u e rn , w ie s ie nach 392 b e s ta n d , w enn der
B e f e h l im O rd o a lljä h rlic h u m g in g : d ass es a b e r in d ie s e m
Z e itr a u m n ic h t so g e h a lte n w a rd , s o n d e r n d ie la tin i s c h e L e ­
g io n fü r s ic h s ta n d , w ird fü r b e z e u g t g e lte n m ü ssen , w enn
e in e E rw ä h n u n g n ic h t v e rw o rfe n w ird , d ie , o b w o h l s ie zu
e in e r s e h r ü b e rtre ib e n d e n D a rs te llu n g g e h ö rt, d o ch a lt g e n u g
47 s e y n d ü r f t e 75) . B ey d e r D ü rftig k e it der N a c h ric h te n aus

Щ Festus s. v. Praetor ad portam. 75) Dionysius^ IX.


5. p* 562. c. duo èxdrepog äycuv cP(u{±a(u)V rdy^aza — à<ptx£TO
âk адтосд пара гои Латіѵюѵ те хаі ^Ерѵіхш Шѵоод діпшспоѵ
гой хЪфіѵтод èntxoupixou. Vier Legionen wären damals 12000
Mann gewesen: dazu andere 12000 aus den Colonien und unter-
thänigen Orten : das doppelte Contingent würde für jedes Bundes­
volk 24000 seyn: mithin die ganze zusammengekommene Macht
— 46 — [band д .]

diesem Zeitraum lässt sich wenig darauf bauen dass so


gar selten Spuren der Vereinigung der Heeresmacht beyder
Völker Vorkommen: an sich aber ist es glaublich dass die
Pliicht zuzuziehen nur Vertheidigung betraf.
Getheilt ward der Kriegsgewinn nicht nur an Geld
und Gut, der fahrenden Habe, welche auf den Lagereid
an den Quästor abgeliefert, und durch ihn versteigert ward,
— sondern auch Land und Boden76). Latium hatte, bey
seiner Zerstörung, eine Domaine welche der Sieger nahm;
es hat nothwendig von jeher einen ager Latinm gegeben,
mit dem alles vereinigt ward was sich zum Besiz als All­
mende eignete. Diese lag zerstreut77): wo würkliche Thei-
Iling möglich war, werden die Bundsgenossen sich sofort
auseinandergesezt haben : gemischter Besiz der Bürger von
beyden Staaten in derselben Markung würde zu Verwirrung
und Entzweyung geführt haben. Ueber kleinere Orte
mochte man sich ebenso vergleichen: wenn den Einwohnern
grösserer der Besiz ihrer Stadt und deren Mark gegen eine
aufgelegte Steuer gelassen "ward, diese gemeinschaftlich «
erheben und theilen. Wenn es aber galt einen festen Ort,
dessen Einwohner die Herrschaft ab zuschütteln trachteten, *
dem gemeinen Bunde zu sichern, und zu dem Ende in
demselben eine Colonie angesiedelt ward, so hatten die
verbündeten Völker gleichen Theil an ihr: davon haben
die römischen Bücher das Beyspiel von Antium bewahrt,
ohne Zweifel weil es die erste war, wohin Bömer, Latiner
und Herniker zogen78). Wie eine solche dem gesammten
72000. Die Sage zeigt sick in ihrem Spiel mit typischen Zahlen
welche eie mit Lust ins Ungeheure steigert: ihr Alter darin dass
die Bewaffneten der Unterthanen Vorkommen, deren Andenken
die XII Tafeln nicht lange überlebt haben wird. — Auch Livius
III. 5 : cohortes L a tin a e H e m ic a e q u e rem issa e d om os.
76) Y4Ç xal Xetag ß e p t g : im gleichlautenden Bund mit den
Hernikern: Dionysius VIII. 77. p. 514. e. 77) Eia einzelnes
Stück desselben war der ager Latinu s zwischen Rom und Fidenfc,
den die Tiber von der vaticanischen Feldmark trennte: Plinius
III. 9. 78) Dionysius Darstellung
nur durch ein unzeitiges pragmatisches ______
von Rome Oberherrlichkeit verdreht: àXtym йпоурафа/леѵфѵ
ëâoÇe r fj ßouXjj, èneidii oàx àÇ iô% pw ç à ânâaroXoçy è n irp é -
фас Латw (ou те xal ърѵіхш ѵ toiç fiouXojuévotç rïjç ànotxiag
flETé%ELV.
[band i i .] — 47 —

B unde v e rw a n d te und v e rp flic h te te benannt w ard , lä s s t


s ic h n ic h t e rra th e n : n u r v e rn e in e n d i s t g e w is s d a s s s ie d e n
s p ä te r so w ic h tig e n N am en e in e r la tin is c h e n n ic h t fü h re n
k o n n te ; zu e in e r s o lc h e n A u s z e ic h n u n g h ä tte n ic h ts v er­
a n la s st. W as ih r W e se n w a r, u n d w ie e ih r e E in ric h tu n g ,
d a s lä s s t s ic h b e s tim m t u n d s ic h e r e r g r ü n d e n .

Von den Colonien. a)


D ie A rt der C o lo n ie n w o m it d ie B ö m e r ih r E e ic h be­
f e s tig te n , w a r ih n e n n ic h t e ig e n tü m lic h ; w ir w is s e n von
a lb a n is c h e n , v o ls k is c h e n , s a b e llis c h e n ; v o n denen, ja auch
von den e tru sk isc h e n , n ic h t zu b e z w e ife ln is t dass s ie
ganz d ie s e lb e B e s c h a ffe n h e it h a tte n . B ey e tw a s re ic h li­
c h e re n N a c h ric h te n w ü rd en s ic h d ie s e s ä m m tlic h a ls ita ­
lis c h e C o lo n ie n z u s a m m e n s te lle n : u m d e n S c h e in w illk ü h r-
49 l i c h e r V o r a u s s e z u n g zu m e id e n , w ill ic h n u r v o n r ö m is c h e n
red en , und ih re m G egensaz gegen d ie g rie c h is c h e n .
D ie le z te n w aren d u rch g eh en d s n eu e rb a u te O r t e 79) ;
und w enn s ic h d ie A n s ie d le r in s c h o n b e s te h e n d e n S tä d te n
n ie d e r lie s s e n , so w ar d e re n a lte B e v ö lk e ru n g m e is te n s v e r­
tilg t: in der L a n d sc h a ft b lie b s ie , aber le ib e ig e n ; aus
w e lc h e m S ta n d e d ie Z e it s ie m e is te n s zu dem e in e r G e­
m e in d e e rh o b . S ie w u r d e n f e r n v o n d e r M u t t e r s t a d t a n ­
g e b a u t, g e w ö h n lic h d u r c h e in e A u s w a n d e r u n g w e lc h e v o r
G ä h ru n g und in n e r e r Fehde ’e n t w i c h , ohne L e itu n g der
R e g ie ru n g d a h e i m *, und w enn s ie auch in F rie d e n und
m it d em Segen d e r M u tte rs ta d t a u s z o g , u n d d ie s e r E h r e r ­
b ie tu n g b e w a h r t b lie b , so w ar doch d ie C o lo n ie v o n A n-

«) Schwegler II. 485. 79) Sogar die bedeutendsten do­


rischen Städte im Peloponnesus: — ob Sparta würklicli eine Aus­
nahme macht? Von den meisten im Umfang des temenischen
Argolis wird es nicht bestritten werden: aber gewiss verhält es
sich auch nicht anders mit der Hauptstadt Argos. Man wollte
ihren jüngeren Ursprung neben der uralten Mycenä nicht gestehen,
daher sollte sie in der Entfernung einer deutschen Meile von
dieser Hauptstadt des Königs der über viele Inseln und ganz
Argos herrschte, schon bestanden haben; und man verlieh sie
•einer Dynastie welche in den Sagen als herrschend in diesem
Lande Argos vorkam.
— 48 — [band IX.)

fa n g fre y u n d s e lb s tä n d ig : s o g a r w e n n s ie z u m B e h u f e in e r
s ic h e rn N ie d e rla g e fü r den H andel g e g rü n d et w a rd . D ie
ganz e n t g e g e n s t e h e n d e E i g e n t ü m l i c h k e i t d e r r ö m i s c h e n a)
w ird d u rc h e in e g e w is s sehr a lte D e fin itio n a u s g e d rü c k t,
d ie nur e in ig e r E rlä u te ru n g und Z u s ä z e b e d a r f 80) . E in e
C o lo n ie , h e iss t es, is t e in e g le ic h z e itig und g e s a m m t a n бо
e in e n b e s tim m te n , m it W o h n u n g e n b e b a u te n O rt, u m d o rt
nach b e s tim m te n R e c h ts v e rh ä ltn is s e n zu le b e n , g e fü h rte
G e s e lls c h a ft: es m ö g e n B ü rg e r oder G en o ssen seyn, nach
dem B e s c h lu ss ih re s S ta a ts oder d e s je n ig e n dem s ie an­
g e h ö rte n , ausgesandt um e in g e m e in e s W esen zu h a b e n :
n ic h t a b e r s o lc h e d ie i n i n n e r e r Z w ie tr a c h t w e g g e z o g e n
s in d . A u s s e r d e n e b e n g e n a n n te n s c h li e s s t d ie s e D e f in itio n
vom B e g r i f f d e r C o lo n ie a l lm ä h lic h e A n s i e d lu n g e n aus, von
denen m anche z u M a rk tfle c k e n erw u ch sen ; ja a lle N i e d e r ­
la s s u n g e n d ie n ic h t in e in e m schon b e s te h e n d e n O rt S ta tt
fa n d e n : e in e B e s c h rä n k u n g d ie ü b r ig e n s schon im c is a lp i-
n is c h e n L ande n ic h t m ehr g a lt, wo es k au m e ig e n tlic h e
S tä d te g a b , u n d d ie r ö m is c h e n C o lo n e n s ic h v o n e in e r g a n z
frem d en und fe in d s e lig e n B e v ö lk e ru n g e n tfe rn t h ie lte n m it
der s ie M e n s c h e n a lte r h in d u rc h n ic h t v e rs c h m e lz e n konn­
te n : und v ie lle ic h t h a tte , es schon in I ta lie n s e lb s t e in e
oder d ie a n d e re A u sn ah m e g e g e b e n 81) . Im A llg e m e in e n ы
w ar je d o c h h ie r d ie R egel um so s ic h re r, da d ie C o lo n e n

«) Mommsen I. 102. Л. 80) Servius F u ld . ad A en.


1 . 12. San e veteres colonias iia definiunt. Colonia est coetus
eorum hom im m qui universi deducii sunt in locum certum a ed i-
ß c iis m u nitu m , quem certo iu re obtinerent. A Ui : colonia —
dicta est a colendo : est autem pars civium aut sociorum, missa
u U rem publicum habeant ex consensu suae civitatis, aut publico
d u s p o p u li unde profecti sunt consilio. Jia e autem coloniae sunt
quae ex consensu p u b lic o , non ex secessione sunt conditae. —
Coetus ist xotviovta, Gesellschaft: dieses Wort herrscht bey
Cicero de re p. '— ohne Zweifel nach dem Sprachgebrauch der
Staatsrechtslehrer: die vorliegende Definition ist wenigstens nicht
jünger als seine Zeit; und kann in jenem Werk gestanden haben.
Auch die sehr seltene Bedeutung von consensus für Beschluss,
ist ihm nicht {fremd. M unitus, welches Cicero noch moenitus
schrieb, bezieht sich nicht auf die Mauern, sondern auf Gebäude
in der Stadt, wie moenia eigentlich diese bedeutete: dividim us
m uros , et moenia pandim us urbis. 81) Zum Beyspiel Inte-
ramna am Liris.
[ВАЖВ П.] — 49 —

als Besazung in eroberten festen Städten angesiedelt wur­


den, wo ihnen Land anstatt Sold und Verpflegung zuge-
theilt war82). Die alten Einwohner wurden nicht vertrie­
ben, noch das gesammte Grundeigenthum für den herr­
schenden Staat eingezogen. Beyspiele worin das alte Her­
kommen eingekleidet ist, lehren sicher, wie entfernt sie
auch von historischer Wahrheit sind, dass der Regel nach
für die eigentlichen römischen Colonien nur ein Drittheil
der Feldmark des durch eine solche besezten Orts einge­
zogen und angewiesen, das Uebrige den alten Eigenthömem
zurückgegeben ward8*). Es versteht sich dass diese Thei-
lung sich auch auf die Allmende erstreckte, wenn diese,
als das publicum, nicht vielmehr ganz an die neue Ge-
sammtheit überging welche den Populus des Orts dar­
stellte: und frey von Lasten besassen die alten Einwohner
was ihnen blieb zuverlässig nicht, wenn auch die Einzie­
hung des Drittheils als Abfindung für Grundsteuer dienen
»2 mochte. Knechtschaft war es immer, und zwiefach ver­
wundend im einst freyen eigenen Hause; auch suchten
die alten Bürgerschaften die Zwingherren auszutreiben j
und, nicht zufrieden sich zu befreyen, den Hass in ihrem
Blut zu kühlen84). Diese Empörungen, häufig in der frü­
heren römischen Geschichte, werden widersinnig als Abfall
der Colonien erzählt80); denn nur die Gesammtheit der
Colonen kann richtig Colonia genannt werden80): diese aber

в2) In Fidenä, Dionysius II. 52. p. 116. c. çuXaxyv èv r j j


iz6Xet rp ia x o a m v âvâpdtv x a r a h m o u , те ^ rip a ç f w t p a v .
àizoTsfiofievoç r)v rotç a<p£TÉpotç â i-U e v , ärzoixov èn oir^ e Pw fiaiw v.
In Cameria ebend. d. <ppoupd\ VI. 34. p. 368. c. ol èv K p n v-
атореріф ç p o u p o ii die Colonen. Щ So wird ee erzählt
von Cänina und Antemnil: Dionysius II 35. p. 103. d. von Ca«
mena II. 50. p. 114. c. vgl. 52. p. 116. d. — wo die Rechts­
bücher ihre Darstellungen in die romulische Zeit veilegen. Zu
Camcria wird ein zweites Drittheil eingtzogen : a. a. 0. als Strafe
einer Empörung: eigentlich ІЧ es abir wohl der Antheil der La­
tiner. 84) £u Sora: Livius IX. 23. Daher erklärt eich auch
der Mord der Gesandten zu Fidenä: IV. 17. 85)Eben Fi­
denä: a. a. 0. Antium III. 4. Dionysius X. 20. p. 646. d. wo
die ausdrückliche Erwähnung, dass die Colonen die Schuld ge­
theilt, nicht zu verzeihen ist: — Veliträ, LiviusVI. 13. 21.YHL.
3. 14. 8e) Nach der Definition [Th. 2.] Anm. 80.
Niebnhr, Röm. Gesch. 4
— 50 — [band и .}

h ie lte n f ü r ih re e ig e n e E rh a ltu n g am M u tte rv o lk , und es


haben n u r s e h r w e n ig e Y e r r ä th e r u n te r ih n e n se y n k ö n n en »
Im tn e r, w enn s ic h e in s o lc h e r O r t e m p ö rte , m u s s te d ie C o­
lo n ie a u s g e s to s s e n se y n . A lle in d e r S p r a c h g e b r a u c h ä n d e r t e
s ic h angem essen w enn C o lo n e n und E in w o h n e r zu e in e r
g e la m m te n B ü r g e r s c h a f t v e rs c h m o lz e n , w ie zu R om B ü rg e r
und G e m e in d e zu e in e m g e s a m m te n rö m isc h e n P o p u lu s .
E he es zu R om so w e it g e k o m m e n w a r, k o n n te das fre y ­
lic h n ic h t g e s c h e h e n : u n d a ls d ie P a tr i c ie r d e n g e m is c h te n
E ben noch k e in e b ü rg e rlic h e G ü ltig k e it z u g e sta n d e n , w e r­
den s ie auch in den nach d e r F o rm d e s a lte n R e c h ts ge­
g rü n d e te n C o lo n ie n k e in C o n n u b iu m m it den a lte n E in ­
w o h n e rn , s c h w e rlic h n u r e in C o m m e rc iu m , g e s ta tte t h a b e n .
D a m a ls h a tte d ie H e rrsc h a ft k e in e a n d e re n V o rth e ile von
d ie s e n U n te rth a n e n a ls d ie w e lc h e auch fe in d s e lig e , auf
A b fa ll s in n e n d e , e in e r R e g ie ru n g w e lc h e s ie zu z w in g e n
v e rm a g , g e w ä h re n m üssen. A ls a b e r R o m in n e rn F r i e d e n 05
e rru n g e n h a tte , da d ra n g e in ganz e n tg e g e n g e s e z te r G e is t
auch in d ie G esezgebung der C o lo n ie n : d ie C o lo n e n w a re n
R ö m e r, L a tin e r, I ta lik e r : d ie w e lc h e an d e r e rs te n A n sie ­
d e lu n g h ä tte n T h e il n e h m e n k ö n n e n , m o c h te n s ic h in den
C o lo n ie n w ie e s ih n e n g e f ie l n ie d e r la s s e n , u n d g e w is s h i n ­
d e r t e j e z t n ic h ts d ie a l te E in w o h n e r s c h a f t u n d ih r e N a c h - '
kom m en d a s B ü r g e r r e c h t in den S tä d te n d e r V o rv ä te r
w ie d e rz u g e w in n e n . D a s w a r e n d io g lä n z e n d e n la tin is c h e n
C o lo n ie n u n te r r ö m is c h e r H o h e it, d ie , w enn auch von den
s p ä te re n m ilitä ris c h e n n ic h t w e n ig e , m it g lü c k lic h e m B lic k
a n g e le g t, u n v e rg ä n g lic h b lü h e n d g e b lie b e n s in d , doch v o r-
n ä n h flic h den R uhm v e rd ie n e n w e lc h e n M a c h ia v e lli d e n rö ­
m isc h e n C o lo n ie n b e y le g t: d a s s d u r c h s ie d a s R e ic h b e ­
g rü n d e t, d e r E n tv ö lk e ru n g v o rg e b a u t, E in h e it d e r N a tio n
und der S p rac h e v e rb re ite t sey . A b er von ib n e n zu han­
d e ln g e h ö rt an den s p ä te r e n O rt, w o s ie in d e r G e s c h ic h te
zu e rs c h e in e n b e g in n e n . A ls B e s a z u n g e n d ie n te n C o lo n ie n
n ic h t a lle in um E ro b e ru n g e n zu b e h a u p te n , so n d ern auch
zur V e rte id ig u n g a n g e h ö rig e r O rte , d ie e n tv ö lk e rt, oder
an s ic h , gegen e in e n a n d rin g e n d e n F e in d zu sch w ach
w a r e n 87) . D ann w u rd e n s ie a ls W o h lth a t e rb e te n : auch

Veliträ, Dionysius VII. 13. p. d. Norba, Liviua


H. 34. Ardea, ders. IV. 11. ut c o l o n i p r a e a i d i i c a u s a a d v t t r m #
V o ls c o s s c r ib e r e n tu r .
[ВАШ) П.] — 61 —

von schon bestehenden Coloniestadten deren Heil in ge­


fährdeter Lage von einer zahlreichen Volksmenge abhing88),
oder denen bey eingetretener Entvölkerung die Leistungen
M zu schwer fielen wozu das Grundgesez ihrer Errichtung
verpflichtete. Auch wenn sie widersprochen hätten würde
Rom dies haben gebieten können, sobald Gefahr war dass
sein Dienst leide : obwohl die Sendung neuer Colonen nicht
allein die Anweisung öder Hufen, sondern, wie aus dem
agrarischen Recht hervorgeht, allgemeine Separation, und
Beschränkung des über das ursprüngliche Maass gewonne­
nen Eigenthums zur Folge hatte.
Diese Gewalt war Folge der Botmässigkeit des gründen­
den Staats, unter welcher die Colonien Roms, als Söhne
in der Familie, wie sehr sie auch erwuchsen, unverändert
beharrten, während die griechischen ihrem Schicksal, aber
auch sich selbst, überlassen waren. Von dieser wesent­
lichen Abhängigkeit, eben wie darüber dass die Colonen
eine angesiedelte Besaznng waren, schweigt die Definition.
Eine andere alte Notiz bemerkt dass die Colonien
kleine Abbilder des römischen Volks waren89): welches
von denen der ältesten Zeit, und auch nur von ihnen, voll­
kommen richtig ist. Zu Rom hatte von der ältesten An­
weisung h er90) jede Curie eine abgesonderte Flur: das war
eine durch Limitation umgränzte Centurie von zweyhnndert
Jugern: wie angenommen ward dass jede Curie hundert
Wehren enthalten91) , und jeder zwey Jugern empfangen
habe; nämlich Acker und Baumpflanzung, ohne das Feld
ю zu rechnen welches insgemein genuzt ward92). In den
Colonien dieser alten Art erhielten die Ansiedler ebenfalls
zwey Jugern Acker: von einer wird es zufällig gemeldet93),

88) Ders. XXXVII. 46. 89) effigies parvae sim vlacraque


popu li R vm a m : Gellius XVI. 13. ^ 9U) Von Romulus: кхаопд
фратрф xXfjpov йкйдшхвѵ eva. Dionysius II. 7. p. 8*2. e.
91) Nämlich das ursprüngliche Rom der Ramnes tausend Haus­
gesinde : Plutarch R o m u l . p. 22. e. 92) Ein solches Erbe
(heredium ) war, wie Pliniu9 bemerkt, ein Garten: auch bey der
fleißsigeten Bestellung konnte es, obneBenuzung des Gemeinlands,
nicht hinreichen um Weib und Kinder zu ernähren. — Ueber
jene, von der Zahl der belehnten, benannten Centurien, und die
h e r e d i a finden sich die erheblichen Stellen bey Gesner undFor-

cellini s. v. 93) Zu Anxur, Livius VIII. 21.


4*
— 62 — [bahd п .]

es ist aber als ganz, allgemeine Norm nicht zu bezweifeln.


Die Zahl der Colonen war dreyhundert94); so bildeten die
Loose von hundert derselben auch eine geschlossene Flur,
oder Centurie, die aber dem dritten Theil ihrer Gesammt-
heit, wie zu Eom dem dreyssigsten entsprach: was hier
Maass der Curie, war im Abbild dasjenige der Tnbus:
Hundred hier was dort Tything96). Sie waren der Popu-
lus, die alten Einwohner Gemeinda: und aus jenem ist em
Senat gebildet gewesen ; vielleicht nur von dreyssig Män­
nern. Grade ein solches kleines Abbild der herrschenden
Republik im unterthänigen Lande mit gleicher Bestimmung
wie die römischen Colonien, war die venezianische zu Can-
dia; der sogar ein Doge nicht fehlte: ähnlicher, wo nicht
völlig gleicher, Art scheinen die fränkischen Niederlassun­
gen jenseits des Meers während der Kreuzzüge. Wie nun
hier innerhalb der Ringmauerü von Acri ganz unabhängige w
und sich fremde Niederlassungen verschiedener Städte be­
standen, so mag auch jene zu Antium nicht eine Vereini­
gung jener drey Colonien der verbündeten Völker, als so
vieler Tribus, gewesen seyn. Und so ahnde ich dass Roma
und Quirium solche Colonien der gleich verbündeten A l­
baner und Sabiner, die Lucerer von einem ungleich ver­
bündeten Volk, oder Unterworfene waren*).
Es heisst dass die Einwohner solcher Colonien das
römische Bürgerrecht erhielten, und nicht nur in den an­
geblichen Erzählungen aus der romulischen Zeit findet sich
dies erwähnt96), sondern auch über Antium und Veliträ07).
Das lautet unglaublich von Unterthanen die mit Gewalt
und sträubend im Gehorsam; in ihrer nächsten Heimat
wahrscheinlich in harter Beschränkung, gehalten wurden:
doch lässt sich das Zeugniss nicht bestreiten; es gab auch

94) Das wird erzählt von Cänina, Antemnä und Fidenä, Dio­
nysius II. 35* p. 103 d. 52. p. 116. c. und historisch berichtet
noch unter 421, ja sogar 551 u. 554, in Küstencolonien römi«*
scher Biiiger, altes Hechte. Livius VIII. 21. XXXLI. 20. XXXIV. 45*
95) Es Ht fieylich ein arger Missgiiff dreyhundert Colonen
anzunehmen als die Kamnes allein waren: also zu irren ist denen
oft begegnet welche die Einrichtungen nach ihrem Ursprung itt
die Geschichte einführten. *) Vgl. Anm. *} zu Tb. I. S. 321.
A. d. H. 96;Dionysius II. 35. p. 103. d. 50. p- 114. o.
У7) Livius VIII. 14.
[baud п .] — 63 —

eine Art dieser Berechtigung deren Ehre und Vortheil nicht


höher standen als dass sie einer unterthänigen Gemeinde
eingeräumt seyn konnten: tief unter der welche, unter
demselben Namen, den Latinern zustand.

Die Isopolitie und das M unicipium.e)


Auch die Kunde dass die Latiner kraft des Bünd­
nisses Isopolitie hatten, ist durch Dionysius allein erhal-
57 ten 98). Hätte er diese als ein nur erneuertes gegenseitiges
Verhältniss betrachtet, so würde es nicht sehr befremden
dass in den mitgetheilten Gesezen des Vertrags darüber
nichts vorkommt: aber bey dem umsichtigen Schriftsteller
fällt es auf, da er in der Isopolitie eine neue und aus­
nehmende Begünstigung für die Latiner sieht. Ich möchte
vermuthen dass er den Auszug der Urkunde erst nach den
eben erwähnten Stellen, und jenen ändern welche dem­
selben sogar widersprechen"), ja nachdem er sein Werk
herausgegeben hatte, fand, und einrückte100); und ferner,
dass entweder unter den wenigen Artikeln von vielen,
welche der latinische Annalist g a b , keine Erwähnung der
Isopolitie vorkam, weil diese im Begriff eines gleichen
Bündnisses lag, oder sie auch dort mit einem für den
Fremden unverständlichen Ausdruck des alten Staatsrechts
bezeichnet war. Auch an jenen Stellen war er nicht von
den Schritten eines Annalisten gewichen, welcher mit kla­
ren Worten von gewährten Bürgerrechten schrieb: einen
ergänzenden Zusaz in die Meldung vom Bündnisse einzu-

a) Schwegler II. 315- 98) Dionysius von Cassius, und


diesem Bunde: VIII. 70. p. 538. a. z9jg laonokirecag ߣTdäoug
(an die Latiner) und 77. p. 544. d. ЛатЬоід otg ànê^pj) tzofo-
Tetag хоіщд &£шЩѵаі (hierüber weiterhin) (r^v) loonokvrsiav
1%арі<тато. Eben so Vll. 53- p. 459. a. und als Rathschlag
während der Sedition, VI. 63. p. 390. c. Die Herniker, die
gleiches Rechts waren, heissen ihm sogar тіоХІтаѵ. ѴШ. 69. p.
537. e. 77. p. 544. o. " ) Die ganze Stelle VI. 95. von p.
415. Zeile 11. Ijv âè rà урскрёѵта bis Z. 26. dßöaavreg xaà*
lepwu kann weggenommen werden ohne zu fehlen. 10°) Oben
[Th. 2.] Anm. 70.
— 64 — [влито п .)

schalten war er viel zu gewissenhaft: anderswo zu berich­


tigen was ihm nun als falsch auffallen konnte, mochte er
versäumen.
Was der auch in seinem Ausdruck höchst sorgfältige
Gelehrte unter dem Wort Isopolitie dachte ist aus den
Bundbriefen kretischer Städte, welche als Inschriften er­
halten sind, klar zu vernehmen: diese gehören in eine es
verhältnissmässig späte, der seinigen nahe Zeit; und zu
Athen, Ehodus, und ändern freyen Städten muss dieses
Recht für sich unter einander, und auch zu Gunsten unter-
thäniger Orte in den römischen Provinzen, als er schrieb,
ja noch lange nachher, fortbestanden haben101), so dass
er darüber nicht irren konnte.
Jene Urkunden zeigen die Isopolitie als ein durch
Vertrag eingegangenes Verhältniss zwey er vollkommen
gleicher und unabhängiger Orte, wodurch ihren Bürgern
gegenseitig alle Rechte gewährt werden, die der Beysasse
entweder gar nicht, oder nur durch Vermittlung eines
Vormunds ausüben konnte: Epigamie, Erwerbung von
Liegenschaften, Befugniss zu Contrakten jeglicher Art, in
eigner Person zu Recht zu stehen und zu fordern, Zoll-
freyheit wo der Bürger sie genoss: auch Thoilnahme an
den Opfern und Eesfen. Wenn aber diese aih allen gött­
lichen und menschlichen Dingen zugesichert wird, so darf
das nicht ausgelegt werden als ob sie auch für die Volks­
versammlung eingeräumt sey. Dem Kosmus ist der Ein­
tritt auf dem Rathhause der verbündeten Stadt zuge­
s t a n d e n , damit er d o r t d i e Sache d e r seinigen V o r b r i n g e n
könne; und als eine Ehre Siz vor ihrer Ekklesia neben
der Obrigkeit: — Siz ohne Stimme im Rath; — aber dem
Bürger wird keine Stelle in der Volksversammlung ge­
währt wo sie unvermeidlich misbraucht wäre. Krieg und ы
Selbsthülfe wollen die Städte vermeiden, und sich unsei­
tigen Richtern unterwerfen; aber sie selbst und ihre
Bürgerschaften bleiben durchaus geschieden. Das ist

loi) Die Untersuchungen wodurch die folgenden Ergebnisse


gewonnen sind, werden in einer für die Akademie m Berlin Be­
stimmten Abhandlung dargelegt werden: ich wünschte aber dass
der Leser den Vertrag zwischen Hierapytna und Priaimum. (bey
Reinesius, 7, 22, p. 491. ff.) zur Hand haben möge.
[baîto II.] — 55 —

wesentlich; in den muzelnen Pallen werden die gegen­


seitig en BereshMgangen bald mehr bald weniger be­
schränkt gewesen seyn.
Die Vorth eile der Burger einer isopolitischen Stadt
wurden auch Einzelnen in unverbundenen Orten durch die
Proxenie eingeräumt; auch dieses Verhältniss hatte viel­
fache Farbeschattungen. Ihnen dürften die Ehrenrechte
jener nicht gefehlt haben: der Metöke welcher Isdtelie
erlangte, hat ihnen darin wohl nachgestanden. Wer mit
diesem Recht begnadigt ward, er mochte ein angezogener
Fremder oder Freygelassener seyn, ward von der Unmün­
digkeit des Beysassen befreyt, handelte rechtskräftig in
eigener Person, erwarb Liegenschaften auf seinem eigenen
Namen; hatte endlich ohne Zweifel der Regel nach auch
das Connubium : wiewohl hierüber unfehlbar einige Staaten
strenger gewesen seyn werden. Gleiche bürgerliche Be­
rechtigungen müssen endlich die Einwohner von Orten die
durch Sympolitie als Unterthanen mit einem mächtigen
Staat verbunden waren, wie die Angehörigen der Aetoler,
wie Eleutherä und Oropus mit Athen in dem Volk aus*
geübt haben welches ihnen seine Politie verliehen hatte.
Unter dem Volk welches jeden Begriff zu fassen und
zu bezeichnen wusste, kann ein allgemeiner Name für die
bevorrechteten Nichtbürger aus diesen in ihrem Ursprung
so verschiedenen Klassen, welche in den grösseren Staaten
neben einander kaum unterscheidbare Befugnisse ausübten,
«o nicht gefehlt haben: es darf angenommen werden dass
dieser Homotimen oder Isotimen war. Indessen scheint
der Sprachgebrauch meistens dem der Isotelen diese All­
gemeinheit verliehen zu haben, da diese Klasse namentlich
zu Athen ohne Vergleich die zahlreichste seyn musste:
wiewohl alle im Gegentheil da wo vielfache isopolitische
Verhältnisse bestanden und wenige Fremde aus ändern
Orten sich niederliessen, wie in kretischen Städten, Pfahl­
bürger genannt werden mochten102).

102) In Psephismen des nämlichen Volks wird diesem Pro-


xenus Isotelie, einem ändern Isopolitie verliehen, ohne dass da­
mit etwas verschiedenes gemeint seyn kann: Pollux nimmt beyde
Worte als synonym: und Dionysius IV. p. 2*26. a schreibt, 8er-
vius habe den Freygelassenen Isopolitie eingeräumt.
— 66 — [bawd II.]

Unter den Isotelen befanden sich Männer die an Acht-


Ъагкеіѣ und Ansehen keinem Bürger nachstanden, und von
der Nachwelt als Zierden der Stadt welche sie zu ihrem
Wohnort erkoren hatten genannt sind. Ein solcher, auch
an Liehe für Athen dem besten Bürger gleich, war der
Redner Lysias, dem freilich der tadelsüchtige Timäus,
welcher selbst höchstens in diesem Stande ein halbes
Jahrhundert zu Athen lebte, die Ehre ein Athenienser zu
heissen absprach. Er fordert ihn zurück für seine ur­
sprüngliche Heimat Syrakus, sagt Cicero, wie nach dem
Gesez des Crassus und Scävola: unbillig: denn zu Athen
ist er geboren und gestorben, und hat dort alle Pflichten
eines Bürgers geleistet103).
Das Gesez des Crassus und Scävola berechtigte die
italischen Völker ihre Landleute zurückzurufen welche, er­
zürn Schaden der Uebrigen die von den Lasten um so
härter gedrückt wurden, die Befugniss sich unter den
Römern einschreiben zu lassen, wegen welcher ihre Orte
von einem Geschichtschreiber, dessen Ausdrücke so richtig
waren wie seine Kenntniss genau, isopolitisch genannt wur­
den 4) , benuzt hatten. Die Anspielung zeigt dass Cicero
in ihm einen Isopoliten dachte; ohne sich dadurch hindern
zu lassen dass kein Verhältniss dieser Art zwischen Athen
und Syrakus bestand: die Ausdrücke womit er seiner
Leistungen gedenkt, bezeichnen den Isotelen im weitesten
Sinn 6). Denn munus bedeutet eigentlich Leistungen durch

юз) Brut. 16. (63) certe Athenis est et natus et mortuus, et


functus omni civium munere. 4) Posidonius: dessen Geist
und Worte in dem vortrefflichen Bericht über die graechischen
Unruhen, und dem über den ager publicus welcher jenen ©inleitet,
in dem compilirenden Appian eben so unzweifelhaft zu erkennen
«ind wie in den alten Zeiten Dionysius, nachher Polybius: —
aus dem also Appian die latinischen und italischen Stftdte,
(sicht aber die Municipien römischer Bürger)» Tcôkeiç laoitoklridaç
nennt: bell. civ. 1. 10. Vgl. Cicero de re p. III. 29- und 8omn.
Scip. 2. 6) municipes, qui una munus fungi debent} Varro
V. 16. (IV. p. 49. ed. Bip.) und in den Definitionen bey Festus;
Cicero hat nur den Ablativ geeezt anstatt des Accusative, den
fungi in der solennen Formel regiert. — Weder Nävius noch
Plautus waren wohl in vollkomranerem Grade Römer als Lyeia»
Athenieneer : jener wird in der kampanitschen Legion gedient
[ВАІШ II.] — 57 —

Frohnen, Dienste oder Geldaufwand 10e): dem іттѵлт, der


вя von solchen Lasten befreyt ist, steht der municeps ent­
gegen , wie der vesticeps dem investis. Der Schein dass
die endende Sylbe von einem Verbum entlehnt sey, trögt;
es ist eben gar nichts als eine von jenen vielfachen En­
dungen womit die lateinische Sprache wuchert 7).
Dass der Name Pflichtigkeit zu gemeinen Lasten an­
deute, wussten noch die Eechtslehrer des dritten Jahr­
es hunderts 8) : es bezeichnete den Isotimen aus dem G-esichts-

haben: als municeps Campanus war er gegen den Zorn der Me-
teller unbeschüzt.
106) Es ist Xetroupyia : und wo Livius in den Bundesartikeln
der Кашрал er mit Hannibal geschrieben hat nemo invitus munus
faciat (XXIII. 7.) las er bey Polybius ohne Zweifel, jnqâelç äxwv
ÀetTOupyeiTüf. Darüber das3 die ändern Bedeutungen, Aufwand
der Obrigkeit und Geschenke, abgeleitet sind, wolle man sich
aus Brissonius s. v. belehren. — Gellius hat sich unter dem
munus honorarium, welches sie mit dem römischen Volk getheilt
hätten, grade das Gegentheil von Lasten gedacht; ob aber etwas
bestimmtes, und was, ist mir ein Käthsel. Es wäre dem Geist
seiner Zeit angemessen wenn er die Cäriten, von denen er sagt:
conce88um Ulis est ut civitatis Romanae honorem caperent, sed
negotiis tarnen atque oneribus vacarent, — dadurch belohnt ge­
glaubt hätte dass ihnen alle Lasten und Mühseligkeiten erlassen,
und dabey die Befugniss zu den höchsten Ehren zugestanden ge­
wesen sey. 7) Die verlängernde Sylbe ohne einige Bedeu­
tung ist nicht zu verkennen in princeps statt primus, und in den
fernem uralten Ordinalien bey Varro: terticeps, quarticeps, u. s. f.
Auch biceps bedeutete vermuthlich nichts anders als doppelt, wie
triceps dreyfach (daher Tricipitinus, wohl von Drillingen) : —
weil aber Monstra und Portenta der Art auch zwey Köpfe haben,
so verführte der Schein als sey das Wort mit caput zusammen-
gesezt; mag es schon gethan haben ehe die Sprache an die
Grammatiker kam. Für anceps und unser municeps, wo dies
nicht gehen wollte, suchte man Aushülfe, dort in capere, hier in
capessere; und so leichtfertig ist die Etymologie der Alten dass
die dreyfache Herleitung des nämlichen* Worttheils sie nicht
etuzig machte. Da ist es noch weniger zu verwundern dass ihnen
nicht aulfiel, wenn hier auch Zusammensezung mit einem Zeit­
wort wäre so könne das weder capere noch capessere seyn, in­
dem facere oder fungi die eigenthümlichen sind. 8) Ulpian
1. 1. D. ad municipalem (L. I.) municipes sunt recepti in civita*
tem ut munera nobiscum jfacerent.
— 58 — [»ліи>п.]

punkt nicht der Rechte sondern der Pflicht, wie der Name
Isotelie in gleicher Ausdehnung. Während aber dieser zu
Athen so weiten Umfang annahm, verlor ihn das latei­
nische Wort, und beschränkte sich auf Isopoliten ünd
Sympoliten, sammt Proxenen: die eigentlichen Isotelen
wurden mit den Atimen unter dem Namen der Aerarier
begriffen. Solche Isotelen waren zu Bom auch nur in
geringer Zahl seitdem die freygelassenen in Tribus ein­
geschrieben wurden, allen Italikern ein mehr oder minder
günstiges Pfahlbürgerrecht verliehen war. Ferner hatte
allerdings seit Ciceros Jugend eine neuere Bedeutung des
Worts Municeps auch diese eingeschränkte verdunkelt;
allein vergessen war sie noch nicht, und er hätte immer
des Lysias Verhältniss ohne Wendungen und Umwege
ausdriicken können; allein er deutete das Wort nur an
welches ihm auf den Lippen schwebte; unterdrückte es,
weil Altbürger sich nicht entblödeten ihm als Municeps
aus Arpinum Peregrinität vorzuwerfen. Vierzig Jahre
später mochte es schon sehr allgemein misverstanden
werden, und wenn Dionysius dasselbe in Macers Auszug
der Urkunde fand, so hat es ihm dunkel genug seyn
können um es lieber zu übergehen.
Als er schrieb war Verrius Flaccus schon so hoch in
Ansehen und Jahren dass sein grosses Werk über die
Bedeutung seltner Worte ziemlich als gleichzeitig ange­
sehen werden kann; und in diesem handelte er auch, und
umständlich, von dem Wort Municipes, welches seit h u n -64
dert Jahren für alle Italiener die weder zu Bom noch in
Militarcolonien einheimisch waren, so wie М и п іф іи т für
ihre Landstädte, allgemein und täglich in einem durchaus
verschiedenen Sinn von dem dieser Worte im älteren
Staatsrecht gebraucht ward. Er gab daher eine mit Bey-
spielen erläuterte Definition eines Bechtsgelehrten aus dem
lezten Zeitalter der Kepublik über das Municipium; wozu
er Bemerkungen açs ändern Alterthumskundigen über den
Stand des Municeps beifügte109): Belehrungen deren ur­

109) Jene Definition bildet in Festue und Paulus den Artikel


welchen ich in den folgenden Anmerkungen stück­
m unicipiu m ,
weise einrücken werde. Dieser ist durch eine merkwürdige Fü­
gung erhalten: er etand bey Festue auf einer weggebrannten
{В-AJÏD II.] — 59 —

sprüngliche Genauigkeit und Vollkommenheit selbst in


dem ungeschickten Auszuge der sie erhalten hat, am
Tage liegen.
Municipium ist ursprünglich ohne Zweifel wie Man-
cipium, das Recht selbst; aber, wie dieses lezte Wort
wenigstens in einer Anwendung, auf den Gegenstand über­
gegangen dem es anhängt: hier auf die Gesammtheit der
es zustand. Diese, und mit der oben angedeuteten Ab­
sonderung der eigentlichen Isotelen, betrifft die Definition
welche drey Arten Municipia unterscheidet.
«5 Die erste und älteste110) ist unzweydeutig definirt:
Leute die, wenn sie nach Rom kamen, ohne römische
Burger zu seyn alle Rechte und Belastungen dieser theil-
ten, aber von Stimmrecht und Würden ausgeschlossen
waren и ). Eine andre Definition, welche namentlich von
Columne, und Paulus hat ihn übergangen, ein römischer oder v
ravennatischer Grammatiker aber, von den einzelnen Nachschöss­
lingen der alten Schulen, im 10. oder 11. Jahrhundert dev Epi­
tome hinzugeschrieben. Er fehlt nämlich in manchen Bandschrif­
ten: wo er sich findet steht er ausser der Ordnung: und die
Vollständigkeit und Ausführlichkeit zeichnet ihn von den dürftig
zusammengezogenen Artikeln die durch deä Longobarden *Hand
gegangen sind, eben so aus wie sich die von dem Auszug des
Hermolaus aus Stephanus von dem noch mehr abgekürzten unter­
scheiden, welcher leider grösstentheils dessen Stelle einnimmt;
oder der Fuldaer Servius in den beyden ersten Büchern von dem
trivialen Commentar unter demselben Namen. Auch einen ändern
Artikel, municeps, hatte Paulus übergangen: und über den ist
wieder von Glück zu sagen, da er aut einem der Blätter stand,
welche von dem Codex getrennt und jezt verloren sind, die aber
Pomp. Lutus abgeschrieben hatte. Dieser ist aus drey eich frem­
den Theilen zusammengesezt: zuerst steht eine Nachricht aus
Aelius Gallus, wie das Recht des Municeps auf dreyerley Weise
gewonnen werde (durch Geburt, ausgeübte Isotelie, Freylassung
durch einen Municeps) : darauf folgten zwey Definitionen des iso­
politischen Municipium : eine namenlose, und eine von Serviue
dem Sohn.
110) initio fuisse: in dieser Definition des Servius.
11) Municipium id. genus hominum dicitur, qui cum Ro-
mam ven'ment neque cives Romani essent participes tarnen fu e -
runt omnium rerum ad munus fungendum una cum Romanis
civibus, praeterquam de 8иf r agio fer endo aut magistratu capiendo;
sicut fuerunt Fundani, Formiani, Gumani, Acerrani, Lanuvini,
— 60 — [ bakd i i .]

einem Juristen der alten Zeit herkommt12), hebt den Um­


stand hervor dass der Staat wo solche Municipes ein- ee
heimisch waren, von dem des römischen Volks wesentlich
geschieden seyn musste: nennt sie übrigens nach dem
Eecht welches sie übten römische Bürger, obwohl der
Würden unfähig. Hier sind drey kampanische Städte
zum Beyspiel genommen, mit dem Zusaz, ihre Bürger
hätten in der Legion gedient: das wird sich darauf be­
ziehen dass ihre Contingente nicht als Auxilia betrachtet
wurden, sondern wenigstens eine Legion bildeten, welche
eine Nummer in der Armee hatte wie die kampanische im
Krieg des Pyrrhus. In den eigentlich römischen kann zu
keiner Zeit ein Plaz für die hinübergezogenen Municipes
gewesen seyn, da sie in keiner Tribus waren. Dies Ver-
hältniss entspricht der Isopolitie so genau wie die römi­
schen Geschlechterstämme den griechischen. Wie die
römische Definition Theilnahme an allen Dingen, so nennt
die griechische Urkunde Theilnahme an allen göttlichen
und menschlichen Dingen 18). So war auch die Proxenie
den römischen Gebräuchen nicht fremd14): und da derer
einzelne Gastfreund der Republik gleiche Rechte mit dem
hatte der durch Vertrag seines Staats Municeps war, so
wird die Isopolitie gemeines Gastrecht mit dem gesammten

T u scu la n i, qui post aliquot annos cives Rom ani eff'ecti sunt .
Festus im Ausz. a. v. m unicipium . — Item municipes erant qui
ex a liis civitatibu8 liomam venissenty quihus non licehat magistra -
tum capere, sed tantum muneris partem . Festus s. v. municeps.
112) A t Ser. filiu s aiebat initio fu isse qui ea condicione cives
R o m a n i fu isse n t ut semper rem publicam. separatim a populo
Rom ano haberent : Cumanos videlicet, Acerranos, Atellanos, qui
aeque cives Rom ani erant4 et in legione merebantj sed dignitates
non capiebant. Festue s. v. municeps. In diesem Servius dem
Sohn ist wobl der vielverheissende Sohn des grossen und bered­
ten Rechtsgelehrten Servius Sulpicius zu erkennen, dessen sein
väterlicher Freund mehrmals gedenkt, wie epp. a d d iv. IV. 3.
Was hier gemeldet wird war mündliche Lehre (aiebat): bat er
vielleicht überall kein Buch hinterlassen, so konnte er im Auszug
des Pomponius um -so eher übergaugen werden. 18) /j.STo%àv
xal &SIWV x a l àviïpw m vm v я - Vertrag Jbey Reinesius а. а. О,
Z. 13. participes omnium re ru m : Festue a. a. O. M) JJospi~
tium mit Timasitheus: Livius Y. 28.
[*1XD п .] 61 —

Yolk benannt115). Ich will nicht behaupten dass die Er­


zählung, Coriolanus sey Zutritt in die Käthe aller volski-
schen Städte gestattet worden 16), für eine sichre Ueber-
lieferung gelten könne;* aber sie legt ihm keine andre
Ehre bey als jene welche in Kreta die Magistrate bey
ihren Isopöliten genossen: sie konnte dem einzelnen4Gast­
freund hohes Ansehens aus gleichem Grunde zugestanden
werden. Es ist auch dies ein Zug alter Sage den kèin
Später erfunden hätte.
So ungenügend wie dunkel wird die zweyte Art der
Municipes nur dadurch unterschieden, dass es solche wären
deren ganzer Staat mit dem römischen vereinigt worden 17):
denn das passt nicht weniger auf die dritte, welche an
sich eben so unverständlich bezeichnet werden als Bürger*
schäften, deren Städte und Colonien bey ihrer Aufnahme
es in den römischen Staat Municipia geworden w ären18).

Ï15) Mit Cäre, Livius Y. 50. 1б) Dionysius YIH. 9. p.


487. d. Neben dem Comitium befanden sich zwey Pläze von
räthselhafter Benennung : e t a t i o n e s m u n i c i p i o r u m und g r a e c o s t a s i s .
Man erinnere sich dass Municipium bey Yerrius die Gesaramtheit
der Municipes ist: ich denke mir unter diesem Namen Pläze, auf
deren einem Municipes, auf dem ändern Griechen aus verbünde­
ten Städten den Yerhandlungen zuhören konnten, wie die Koe-
men in den kretischen Städten (oben S. 58): Pläze, wie privi-
legirte Tribunen im Saal einer parlamentarischen Versammlung.
17) A lio m o d o c u m id g e n u s h o m in u m d e ß n it u r q u o ru m

c iv it a s u n iv e r s a in c iv it a t e m R o m a n a m v e n it ; u t A r ic in i , C a e r i -
tes, A n a g n in i, Festus s. v . M u n ic ip iu m . 18) T e r t io , — q u i

a d c iv it a t e m R o m a n a m iia v e n e ru n t u ti m u n ic ip ia ( f. m u n ic ip e s )

eseen t e u a (/. su a e ) c u iu e q u e c iv it a t is et c o lo n ia e ; u t T ib u r t e s ,

P r a e n e s t in i, P U a n i , U r b in a t e s , N o la n i , Bononienses, P la c e n tin i,

N e p e s i n i j S u t r i n i , L u c e r n e s . Ebend. U r b i n a t e s stellt gewöhnlich


nur als Variante, und im Text A r p i n a t e * , was ich nicht weil es
falsch wäre verwerfe (da Arpinum seit 5G0, eben wie die ändern
hier genannten Orte seit 660, Municipium war), sondern jenes
vor/.iet»e weil es dann lauter Orte sind die zu einer Zeit das
Vollbür^crrecht erhielten, und auf gleiche Weise die Kraft und
den Kern der cinnanischen Parthey bildeten. Aipinum würde
fremd unter ihnen stehen: ein ähnliches undeutliches Wort so zu
lesen fiel jedem Abschreiber ein. Der sehr gelehrte Urheber der
D cfinition hat die r/ur Zeit der Zerstörung des latinischen Staats
vornehmsten fünf Städte in allen drey Klassen angebracht: zwey
welche damals Vollbürger wurden: eine die für eine ZeitlaDg
— 62 — [b ÄND Il.’j

Aber für beyde Fälle ersezen die angeführten Beyspiele


was im Auszug an der Erklärung ausgefallen ist. Für
die zweyte Art sind Cäriter und Anagniner genannt; von
denen jene das Bild aller Municipes abgeben die der
Ehrenrechte entbehrten119), und diese als sie zur Strafe in
den Stand von Unterthanen herabgesezt wurden, den
Namen römischer Bürger erhielten: die Orte welche unter
der dritten Klasse Vorkommen sind alle theils latinische
Colonien, theils italische Städte, die durch das iulische
Gesez oder die folgenden welche demselben eine weitere
Anwendung gaben, Municipia in der späteren allgemeinen «э
Bedeutung geworden. Jener unterthänigen Orte Ver­
hältniss ist das einer abhängigen Sympolitie 20); das von
Landstädten im Kanton einer souverainen Stadt, von jeder
eigenen Beziehung zu ändern ausgeschlossen; dem Willen
der Herrschaft unbedingt unterworfen: aber darin waren
solche römische Landstädte glücklicher dass ihnen alle
Rechte des Isotelen in der regierenden Stadt gesichert
waren. Dieser Gemeinden Verhältnisse theilten denn auch
die Colonien alter Art: eben so unmündig wie sie, und
unbefugt zu aller Gesezgebung, hatten diese allerdings
römisches Bürgerrecht; und zwar die gesammte Einwohner­
schaft. Die lezte Klasse ist die griechische gleiche Sym­
politie, doch mit vollkommnerer Aufopferung der Selbstän­
digkeit als wenn eine Stadt dem achäischen Staat beytrat:
und welche Definition auch Verrius gegeben haben mag,
die treffende wäre gewesen: Städte und latinische Colonien

unterthänig seyn musste: zwey die noch drittehalb Jahrhunderte


Isopoliten, zwar nicht mit gleichem Recht, blieben.
И9) Die Cäriter erwartet man nicht hier sondern unter den
Isopoliten: [Th. 2.] Anm. 115. — wo ея denn, was auch gesagt
werden mag, anstöseig bleibt, dass ihre Register entehrend waren.
Kein Zweifel dass die Römer nach der gallischen Zeit ihnen Ehre
erwiesen, wie Livius berichtet, und dafür schilt Strabo ihre ver­
meinte Undankbarkeit mit Unrecht (V. p. 230. c.): wie aber die
Definition doch richtig verfährt werde ich bey dem J. 397 dar-
thun. 20) Das ist die яоХстеіо. xotvtf, womit wie jener bey
Dionysius [Th. 2. Anm. 98] sagt, die Latiner hätten zufrieden
seyn können — dieselbe welche Romulus den eroberten Städten
verleiht — welche die von Eleutherä bey den Atheniensem «ach­
ten (P&usani&s A it. p. 37. ft.)
[в л и т и .) — 63 —

deren Bürgerschaften mit der römischen also vereinigt


wurden dass sie das heste Recht erhielten, in römische
ländliche Tribus aufgenommen, stimmfähig und wählbar
wurden. Bey dieser vollkommnen Vereinigung war der
Name eines Municeps für sie so unpassend wie für Pa-
tricief: aber das Bedürfniss ein neu gebildetes Verhältniss
70 zu bezeichnen hat auch hier den verlassenen Namen eines
abgestorbenén ihnen angeeignet, wie mit Quirites, Populus,
Plebs, Latinus. Es gab fast keine Municipia der ältesten
Art mehr als das iulische Gesez das Bürgerrecht allgemein
machte; und wenn einzelne Orte, wie die Camerter und
Heraklea, jenes hohe Recht noch hatten, so war für so
selten gewordene Verhältnisse kein allgemeiner Name mehr
im Gebrauch: er war aber für die Städte im westlichen
Latium, und für Fundi, Formiä, Arpinum als sie in die
Tribus aufgenommen waren, gewöhnlich geblieben; und
ward so auf die neuen, jenen in der Beziehung zur
gesammten Republik völlig gleichen, Landstädte an­
gewandt121).

*21) Da ich kein Buch über diesen Gegenstand schreibe, so


erlasse ich es mir den Unsinn zu enthüllen, welcher durch das
ganze leidige Kapitel herrscht (XVI. 13.) worin Gellius den
harmlosen Irrthum seiner Zeitgenossen hat berichtigen wollen die
den Bürger aus einer Militarcolonie wie den aus jeder ändern
Landstadt einen Municeps nannten : — absurda G ellii verba ,
sagt Roth (de re m unicipali I. 20.); der, wiewohl sein Zweck
ihm gestattete das Dickicht zu umgehen, durch dessen Dornen ich
einen Weg habe suchen müssen, doch eine Untersuchung die sich
mit den seinigen verbindet, durch aufmerksame Prüfung ehren
wird. Man glaubt sich selbst nicht, wenn ек sich ergiebt dass
die Colonien von denen Gellius redet jene urältesten sympoliti-
schen von dreyhundert Hausgesinden sind, die Municipien aber
die alten isopolitischen Städte: dass er so wenig von den Muni-
cipalstädten seiner Zeit etwas weise, als von den latinischen und
selbst den glanzvollen militärischen Colonien, deren noch in seinen
Tagen neue gegründet wurden: dem Knaben Ähnlich der im
Herrn von Jaxthausen seinen Vater nicht erkennt. Aber freylich
auch von jenen Colonien und Municipien weiss er nur als von
Bildern eines dumpfen Traums. Eine höhere Stufe der Pedanterie
hat niemand erstiegen als Gellius eben hier, wo er, als längst
in der ganzen römischen Welt des Kaisers Wille, der Beschluss
des Senats, ja des Prätors Verordnung, das Gesez fbr jedermann
— 64 ~- [ bjustd и . ]

In A ltg rie c h e n la n d w a rd der ü h e rg e s ie d e lte Is o p o lit n


n i c h t z u d e n B ü r g e r n g e z ä h lt, w e il e r in k e in e m S ta m m
u n d k e in e r G en o ssam e s ta n d : a h e r w o h l d u rc h g e h e n d e b e y
d e n i t a l i s c h e n V ö lk e r n g a l t e n d i e , w e lc h e d ie B e f u g n i s s e
d e s b ü r g e r lic h e n R e c h ts ü b t e n u n d g e m e in e L a s te n th e ilt e n
o h n e in je n e O rd n u n g e n e in g e s c h rie b e n zu s e y n , fü r B ü r g e r :
zu R om u n te r d em N am en d e r A e ra rie r. A ls n u n im V e r ­
la u f der Z e it auch h ie r B ü rg e r ohne T rib u s w e n ig s te n s
im g e w ö h n lic h e n L eben n ic h t m ehr v o rk a m e n , ja nach
den w ü rk lic h e n V e rh ä ltn is s e n u n m ö g l i c h s c h i e n e n 122) , w a r d
in der E rin n e ru n g lä n g s t v e rg a n g e n e r Z e ite n , den M u n i­
c ip e s e b e n fa lls das B ü rg e rre c h t a b g e sp ro ch e n . D ass aber
der U rh eb er je n e r le h rre ic h e n D e fin itio n h ie rü b e r irrte ,
e rh e llt z u r G enüge au s d e r C a s u is tik w o m it S p . P o s t u m iu s
den E lu c h d e s E rie d e n s b ru c h s den S a m n ite rn zuzuw enden
g e d a c h te . E r w a rd den C a u d in e rn ü b e ra n tw o rte t, d e m 71
K a n to n d e r u n m itte lb a r a n K a m p a n ie n g rä n z te , und ohne
a lle n Z w e ife l d e rje n ig e w a r, m it w e lc h e m d ie R ö m e r I s o ­
p o litie g e s c h lo s s e n h a t t e n 28) : h ä tte es nun n ic h t genügt
d a m it e r s a m n itis c h e r L a n d m a n n s e y 24), d a s s e r R o m v e r ­
la s s e n h a tte , u n d s ic h in S a m n iu m , m it d e r e r k lä r te n A b ­
s ic h t d o rt s e in M u n ic ip iu m g e lte n d zu m achen, b efan d ,
so w äre s e in V o rn e h m e n eben so a b g e sc h m a c k t gew esen
w ie es em p ö ren d is t. N ach dem p h a r is ä is c h e n B u c h s ta b e n

machte, und nur noch in den Provinzen hin und wieder einzelne
Landrechte galten, — den Municipien gesezgebende Gewalt ги-<
schreibt; wobey er sich denn das römische Volk, dessen Gespenst
einmal am Aufang jeder Regierung zu einer lex curiata aufge­
rufen ward, als seinen eigenen Gesergeber dachte. Seine Wüik-
lichkeit war nicht eine verschwundene Zeit in Anschauung und
Erinnerung, sondern sie stand geschrieben in verschollenen Büchern :
jeder Schreiber aus einer Landstadt hätte seine Blindheit für die
Gegenwart verlacht: die neben dem kind liehen doch auch etwas
Bchauderliches hat, wie Alles was dem natürlichen entsagt.
122) Schon 580 widersprach C. Claudius der Strenge seines
Collegen gegen die Lassen: aus allen Tribus au^schliessen heisse
Freyheit und Bürgerrecht entreissen: Livius XLV, 15.
28) Für die Ertheilung des Municipium an einen Theil der Sam-«
niter, Yellejue I. 14. Auslieferung an die Caudiner, ders. II. 1.
vgl. Livius IX. 10: traditi fecia lih u s Caudium ducendi .
24j se civem Samnitern esse.
[BAUD II.] 65 —

w ar es g le ic h , ob er d ie f r e v e l h a f te B e le id ig u n g des Fe-
tia lis v e rü b te , o d e r C. P o n t i u s : aber d e r g ro sse S a m n ite r,
fre y ^ v o n A b e rg la u b e n w ie H e k t o r , h ie s s d ie K ö rn e r s ic h
der R änke sch äm en : d ie G ö tte r H essen s ic h n ic h t ä ffe n :
— ü b e r je n e n B u c h s ta b e n s tritt er n i c h t 125) .
E ben d ie s e s B e y s p ie l z e ig t d a s s d a s B ü r g e r r e c h t d u r c h
den b lo s s e n W ille n und d ie T h a ts a c h e d e r U e b e rs ie d e lu n g
e rg riffe n w a r , o h n e d a s s v o n e in e r A n n a h m e d u rc h d e n
S ta a t w e lc h e m s ic h d e r M u n ic e p s z u w a n d te d ie E e d e g e ­
w esen w ä re . D ie s is t d a s R e c h t d e s E x u l i r e n s 26) ; w e l c h e s
noch b is vor dem B u n d e s g e n o s s e n k rie g auch gegen R om ,
obw ohl sehr s e lte n und d u n k el g ew o rd en , g a lt. E x iliu m
73 i s t , w ie C ic e ro tr e f fe n d b e m e rk t, n ic h t L a n d e s v e rw e is u n g ,
w e lc h e das rö m isc h e G e se z gar n ic h t k a n n te : es is t n ic h ts
a n d e rs a ls E n ts a g u n g d e s e in h e im is c h e n B ü r g e r r e c h ts d u rc h
B enuzung d e s M u n ic ip iu m ; und d ie B e f u g n i s s f ü r den der
auf B ü rg sc h a ft vor dem V o lk s g e ric h t s ta n d , s ic h den
F o lg e n des U rth e ils d u rch d a s E x iliu m zu e n tz ie h e n , is t
nu r A nw endung des a llg e m e in e n R e c h ts . B lie b der A n ­
g e k l a g t e b i s d e r S p r u c h g e f a l l e n w a r 27) , s o w a r e r a ls
R ö m e r v e r u r th e ilt, u n d w o e r e rg riffe n w ä re w ü rd e d a s
U r th e i l v o llz o g e n sey n : h a tte er das M u n ic ip iu m zu nüz-
lic h e r Z e it a n g e w a n d t, so w ar er B u rg er e in e s frem d en
S ta a ts g ew o rd en , u n d der S p ru c h ü b e r ih n n ic h tig . W as
ih n b e fre y te w a r n ic h t dass e r a u s w a n d e rte , so n d e rn d ass
e r s ic h e in e m O r t z u w a n d te w e lc h e r m i t R o m e in e n b e -
sc h w o rn e n V e rtra g h a t t e , n ä m l i c h e i n e n i s o p o l i t i s c h e n 28) :
w er s ic h an e in e m u n b e re c h tig te n n ie d e rlie s s , über den

125) Jt a DH credent Samnitern civem Postum ium , non civem


Romanum esse — h id ib ria reliqioymm, — mx p u e r о dignas am -
bages. 26) Cicero de oralore I. 39. (177). qui Jiomam in
exilium venissel, cui Romae exulare ius esset. 27) Nicht so
lange die Mehrheit noch nicht entschieden war, sondern so lange
noch eine einzige Tribus nicht gestimmt hatte: Polybius VI. 14:
also noch wenn alle 34 die Verurtheilung ausgesprochen hatten.
28) тсрод oDç ï%ov<itv o p x ta ; Polybius a. a. O. Gleichheit
der Staaten dem Buchstaben des Rechts nach ist dabey nicht
nöthig: тѵіе gänzlich untenhan ein Pränestinischer Befehlshaber
■war zeigt die Anekdote von Papirius Cursor, Livius 1^. 16. —
und Neapel war steuerpflichtig: ders. XXXV. 16.
Uiebuhr, Köm. Gesch. 5
— 66 — [bàkd II.]

musste das Volk aussprechen dass ihm diese Niederlassung


als ein rechtes Exilium gelten solle129).
Die alte Sitte, jedes Recht als eine Begebenheit ein­
gekleidet darzustèllen, hat die Erzählung veranlasst, es
wären im Jahr nach dem Bund des Cassius hoy grosser
Hungersnoth viele Familien in die benachbarten Städte n
gezogen, und hätten deren Bürgerrecht angenommen:
einige wären bey ihnen geblieben, andre hernach zurück­
gekehrt ao). Dieses Recht wieder unter die Römer zu
treten hatte ein solcher Ausgeschiedener unläugbar: viel­
leicht postlzmmw seinen alten Stand in der Tribus wieder
einzimehmen, wenigstens aber, gleich jedem ändern Muni­
ceps seiner neuen Heimat31), unter den Römern Aerarius
zu werden. Wären nun der Anwendung dieser Befugniss
keine Schranken gesezt worden so würde jenes grosso an­
geborene Freyheitsrecht zu einem Spott der Regierung,
und seine Erhaltung während eines halben Jahrtausends
unmöglich geworden seyn; wenn der Verurtheilte als Ti-
burtiner zurückgekehrt wäre, hätte die vorige Klage als
abgethan nicht erneuert werden können. Daher ward die
Gemeinschaft des Feuers und Wassers mit ihm untersagt:
er konnte allerdings zu Rom seyn, aber unter dem Bann,
und ausser dem gemeinen Frieden: in welcher Art das
Leben vogelfrey war. Dieser Bann ist es welcher um
einen Exul zurückzurufen aufgehoben wird, nicht Landes­
verweisung, die, wie Cicero lehrreich bemerkt, den Römern
fremd war s2).
Wie ex u l in Beziehung auf den ursprünglichen Staat 7&
den der sich von ihm entfernt hat bezeichnet, und exiliu m
die Heimat welche er in der Fremde wählte98), so ist er
129) id ei iustum exilium esse scivit plebs : dors. XXVI. 3.
30) Dionysius VII. 18. p. 432. d. 31) Uobor die mu-
tatio civitatis postliminio Cicero pro Balbo 11. (28). Dass der
Isotele die Befugniss des Municipium gleich dem Eingeborenen
batte lehrt Aelius Gallus bey Festus s. v. municipes. 32) Cicero
pro Caecina 34. (100). Ueber die interdictio aqua et igni findet
eich alles wesentliche bey Heineccius anliquit* I, 16, 10: indessen
ist vor allem die Vorstellung zu berichtigen dass der Verurtheilte
dadurch gezwungen werden sollte auszuwandern. Cicero hat aller­
dings das Bürgerrecht durch den Bann gar nicht verloren.
33) qui nullo certo exilio vagabantur : Sallustius.
[bjlköп.] — 67 —
in dieser in q u ilin u s ; eine abgeleitete Form von dem ohne?
Zweifel einst gebräuchlichen Wort oskischer Form, in qu iL
Ein eigentümliches Wort den Municeps zu bezeichnen
welcher von seinem Recht Gebrauch gemacht hatte, konnte
der im Staatsrecht reichen latinischen Sprache nicht fehlen :
bey Sallustius, der den alten Sprachgebrauch mit Vorliebe
und gelehrter Einsicht hegt, nennt Catilina den Land­
städter Cicero einen in qu ilin u s civisl u ) ; als ob Arpinum
noch immer ein der Republik fremdes Municipium ge­
wesen wäre.
Auffallend ist es aber an demselben Schriftsteller
dass er einen latinischen Befehlshaber im römischen Heer,
«inen Bürger aus Latium nennt35) ; nicht deswegen be­
fremdet es weil er Latiner und Italiker als alte Municipes
betrachtet, sondern weil jener Befehlshaber, wie der Um­
stand beweisst dass er nicht durch die porcischen Geseze
geschüzt war, das römische Bürgerrecht nicht anstatt des
eigenen erkohren hatte. Allein auch hier folgt er einem
Sprachgebrauch, dessen hohes Alter seine unläugbare Un­
richtigkeit gegen Tadel beschüzt. Die Errichtung des
Municipiums mit Städten und Kantonen bey denen kein
7e Gedanke an Sympoütie ist , die zum Theil als Beyspiele
der Isopolitie angeführt s^nd, wird als Ertheilung des
Bürgerrechts ohne Suffragium gemeldet8б) : von den Kam-
panern und Acerranern wird gesagt sie wären Römer ge­
worden37), weil jeder Einzelne, sobald es ihm gefiel,
134) Ders. Catil. 31. — Sallustius, proprietatum in verbis
retinentissimus : Gellius X. 20. 3 5 ) Ders. Jugurth. 69. von
T. Turpilius, der mit Ruthen gestrichen und enthauptet ward:
nam is civis ex Latio erat. 3 6 ) у on Kampanern, Fundanern,
Formianern, Kumanern, Suessulanern : Livius VIEL 14. Von den
drey ersten und einem Theil der Samniter, Vellejus I. 14. Von
den Acerranern ders. und Livius VIII. 17. Von diesen, Kuma­
nern, Atellanern, Servius der Sohn (Festus s. v. municeps.). Die
Herniker heissen 7гродХур&еѵтгд elg туѵ к o?uT£tav, Dionysius
ѴІП. 69. p. 537. e. und ко?Лтаі> 77. p. 544. e. Dagegen sagte
-der Consul C. Varro den Kampanern, (Livius ХХПІ. 5) civitatem
magnae parti vestrum dedimus : richtig, da jene Civität nichts
■weiter als die Befugniss das Municipium zu üben war, welche
nur ein Theil benuzte: wo nicht sogar die Aufnahme in Tribus
gemeint ist. 37) Cives Romani tune fa c ti sunt Campanim
Enniue.
5*
— 68 — [KANI) П.]

Körner seyn konnte. Wenn es nun von einer solchen


ganz unabhängigen Bürgerschaft heisst, sie wären durch
ein Gesez Römer geworden, so galt dies nur so weit Rom
sich dadurch verband: für die Acerraner wäre es nichtig
gewesen wenn sie es nicht annahmen188). Sie haben es
dann durch ein gleiches erwiedert, es war dasselbe Vor­
fahren wie wenn bey den Griechen ein Friedensschluss
durch ein Psephisma eingeleitet ward. Anders stand es
mit bezwungenen Orten, wie mit Anagninern und ändern
Hernikern: diese mussten die Civität und Untertänigkeit
annehmen wie es der Souverain verordnete: ein so unwili-
kommnes Loos dass die Aequer weil es ihnen beVorstand
die Waffen ergriffen 39).
Indessen würden die cäritischen Tafeln, worin die 7?
sämmtlichen Bürger dieser Ortschaften eingeschrieben
standen, kein Buch der Unehre gewesen seyn wenn nicht
die JSTamen der Vollbürger welche ihre Ehrenrechte vor-
würkt hatten, dorthin versezt wären. Auch zu Athen
ward, wer in die höchste Atimie verfiel, au seinem Recht
dem Isotelen gleich: dem herabgewürdigten Römer war es
der Inquilinus auch durch den Namen eines Bürgers. Es
versteht sich dass Isopoliten die ihr Recht geltend mach­
ten wie die SympoJitou unter die Aorarier eingeschrieben
wurden; aber ich halte es auch für gewiss dass die cäri­
tischen Register nur einen Theil der allgemeinen jener
Bürgerklasse ausmachten. Man darf sie auch nicht für
ein Verzeichniss der Bürger sämtlicher isopolitischer Orte
ansehen: solche Verbindungen hatte Rom in grosser Aus­
dehnung ehe Agylla etruskisch ward, und jene Orte konn­
ten niemals anders als in Ehren genannt worden: wohl
aber begreift es sich leicht wie die Verzeichnisse der
Cäriter dienten die Entehrten aufzunehmen, seitdem sie
selbst aus jenem vornehmen Stande herabgesezt worden;

yrm juruli. facti, ен н е п і. e in it tut e i n e n u f p r a g i i


la lio n e d a fa :also dcracibo Ацжігиск wie für die Iaopolitio, von
dt г Bestrafung der Anagniner und Hcrnikor, Livius IX. 4 3 . Von
der Aequer Entrüstung, ders. IX. 4 2 . Von den Cäriton, Strabo
V . p. 2 , 0 . c. T io X t r e ta v ô o v t s ç ; und Dionysius rodet immer von
T t o X t r a t und T t o X t r s ia bey der Vereinigung der romuliuchen E r­
oberungen.
[band II.] — 69 —
und wie ihr Name für den ganzen Stand sympolitischer
Unterthanen gebräuchlich ward, wenn derselbe an ihnen
erneuert wurde, da die alten Ortschaften dieser Klasse
78 längst in die Tribus aufgenommen waren140). Allein Ver­
zeichnisse der Bürger jedes Orts mit dem man in Isopolitie
stand waren doch unentbehrlich um Unbefugte abzuweisen,
welche es versuchten sich als Municipes einzudrängen;
und wenn nach jenem weiteren Sprachgebrauch alle Bürger
dieser Völker auch als römische betrachtet wurden, und
die Summe aus allen jenen gesammelten Verzeichnissen
zu derjenigen der drey römischen Städte hinzugefügt ward,
so ergiebt sich, wenn auch zuerst nur als Hypothese, die
schon angedeutete Erklärung der Capita römischer Bürger
in den Oensuszählungen von der Gesammtheit der Römer
und ihrer Isopoliten 41): jener Zahlungen, welche sonst für
den der das Widersinnige und Unmögliche der Voraus-
sezung dass sie von Römern im eigentlichsten Sinn zu
verstehe;) seyen, nicht übersieht, ihres Gleichen als Kreuz
in der ganzen alten Geschichte kaum haben.
Denn der *schon früher erwähnten beyspiellosen und
aus den Annalen unerklärlichen Ebbe und Fluth der zwi­
schen 104000 und 150000 schwankenden Zahlen0), nur
deshalb wieder zu gedenken, dass hier nicht einmal von
Veränderungen, wie der Glückswechsel durch Erweiterung
und Verminderung des Gebiets sie für unsere Staaten her-
beyführen kann, die Rede seyn würde, sondern von einer
79 sprungweise eintretenden Vergrusserung und Abnahme der
Zahl der Bürger um viele Tausende, so sind die angege­
benen Zahlen, mögen sie nun für die der Erwachsenen
männlichen Geschlechts, oder noch etwas enger beschränkt
lind richtiger für die der Waffenfähigen42), gelten, in
140) Auf der Cäritcn Herabsezuug werde ich bey dem Zeit­
punkt zurückkommen wo sie sich ereignete. Da.ss aie nach dem
gallischen Krieg die Isopolitie erhielten ist eben so ausser Zwei­
fel -wie der Definition des Municipium, welche sie ausdrücklich
mit den Anagninern auf eine Linie stellt, unbedingter Glaube
gebührt. Auch Strabos Tadel der Römer, a. a. 0. ist bey einem
so klaren Schriftsteller Bestätigung : nur dabey vermischt was zu
verschiedenen Zeiten geschah. 41) Th. I. S. 614.
ö) Schwegler II. 679; Mommsen R. G. I. 427. 42) oi èv
9)ßy cP w fiatoi. Dionysius V. 20. p. 2'J3. a. 75. p. 338. d. IX»
— 7О — [band ii.J
diesem Sinn ganz undenkbar. Das Mittel der erhaltenen
Zählungen ist ungefähr 130000, welche Summe aus dem
lezten Census vor 280 angeführt wird : und hieraus ergäbe
sich, wenn für Fremde und Leibleute nur eben so viel&
hinzugezählt werden, eine Gesammtbevölkerung von 650000,
auf einem Gebiet welches zwischen Crustumeria und Ostia,
der etruskischen Gränze und derjenigen der nächsten lati­
nischen Städte, schwerlich eine Ausdehnung von zwölf
Quadratmeilen hatte. Man seze zwanzig: für wie viel Mo­
nate würden auf jenem Boden Lebensmittel erzeugt, wie
das übrige Bedürfniss gekauft seyn, ohne Gewerbe und
Handel; wie eine blos ackerbauende Volksmenge sich so
gehäuft haben? Eben diese 130000 wehrhaften Bürger,
sammt den waffenfähigen Fremden und Knechten, wären
damals von den Vejentern, die kurz zuvor von den Fabiern
bedrängt gewesen waren, in den Mauern Koms eingeschlos­
sen gehalten worden und hätten gehungert ohne auszu­
fallen, gleich jener feigen aber nicht so zahlreichen Menge so
die sich tausend Jahre nachher von Vitiges ängstigen liess.
Ferner: unmittelbar vor der Schlacht an der Allia waren
über 152500 Capita gezählt: in der Schlacht aber standen
höchstens 28000 Römer, mit Einschluss der Proletarier
und Aerarier und der sämmtlichen Betagten bis zum sechs-
zigsten Jahr: so sehr alle Waffenfähige, dass nach der
Zerstreuung dieses Heers Niemand war der die Mauern
hätte vertheidigen können. — Und endlich um das Maass
des Undenkbaren zu füllen; nachdem 289 nur 104000 Ca­
pita gezählt waren, herrscht 291 eine entsezliche Pest die-
wenigstens ein Drittheil der Bevölkerung weggerafft haben
muss, ^ es folgen sich mehrere der allerunglücklichsten
Kriegsjahre, in denen die Römer bey Tausenden gefallen
und in die Knechtschaft geführt seyn müssen: und nun
kommt 295 eine neue Zählung die nicht weniger als
117000 ergiebt.

25. p. 583. c. 36. p. 594. d. numerus eorum qui arm a f e r r e


p o ssen t ,
Fabius Ъеу Livius L 44. Also von Anlegung der männ­
lichen Toga bis zum vollendeten 60. Jahr. Plinius, derXXXHI. 5.
von lib e ra ca p ita redet, kommt bey einer Sache nicht in Betrach­
tung wo er den nämlichen Anstand finden musste wie wir, und
fiich nicht lange bedachte wie er ihn heben solle.
[bahd II.] — 71 —
Wer dies alles erwägt hat Mühe jene Zählungen der
Erwägung eines ernsten Mannes nicht eben so unwürdig
zu finden wie die lächerlichen Zahlen der Knechte zu Ko-
rinth^ und Aegina143). Aber sie lassen sich nicht eben so
abweisen: sie standen so angegeben in den urkundlichen
censorischen Rollen, von denen Dionysius als noch erhalten
redet44) : und wollte man sagen diese wären nach der
si gallischen Zeit erdichtet, so hätte doch niemand solche
Widersinnigkeiten wie den Zuwachs von einem Achtel nach
der Pest sich einfallen lassen. In dieser Klemme werden
auch andre noch einmal an den Ausweg zurückgekommen
seyn, ob nicht, troz der bestimmten Angaben, doch eine
allgemeine Volkszählung zu verstehen seyn könnte: ver­
gebens: da die Angabe der Waffenfähigen während des
grossen cisalpinischen Kriegs mit dem Census derselben
Zeit zusammenstimmt45).

*43) Auch die allgemein bekannte angebliche Zählung der


gesammten Einwohner Attikas verdient wenigstens in Hinsicht
der Knechte gar keinen Glauben: doch ist es begreiflicher -wie
selbst geistreiche Männer, die nur nicht gewöhnt sind sich phi­
lologische Ueberlieferung als würklich zu vergegenwärtigen, durch
diese betrogen werden konnten. 4*) Er hat sie selbst gese­
hen: I. 74. p. 61. e. IV. 22. p. 225. d. 4б) Polybius П. 24.
Römer und Kampaner, Fussvolk 250000, Reuter 23000. Bey
Orosius IV. 13. wird aus Fabius für jenes 348200, für diese
26600, angegeben: wie bey ihm nichts gewöhnlicher als ver­
schriebene Zahlen, so ist auch hier ein С zu viel, und die Total­
summe 274800 nur um 1800 verschieden von der bey Polybius,
der keine Veranlassung hatte sehr genau seyn zu wollen. Die
Zählung fällt auf 523, in welchem Jahr ein Lustrum geschlossen
ward. Livius drängte, um dem hannibalischen Krieg eine runde
Decade einzuräumen, die Begebenheiten von mehr als fünf Lustern,
21 Jahren, in das 20. Buch zusammen: von diesen Lustern hatte
der Verfasser der Epitome die Zählungen aus zweyen aufgenom-
men, die eben, wie der Ort, wo er ihrer gedenkt beweiset, um
den cisalpinischen Krieg fielen. In allen Handschriften steht:
lustrum a censoribus bis condiium : primo lustro censa sunt ci-
vium capita C C L X X millia : dann fahren einige fort C C X I1 I:
andre C C X I I I m illia : andre schieben davor, alio9 ein. Sey dies
Schreibfehler oder Verfälschung, die Zahl eines zweyten Lustrum
ist ausgefallen oder verschrieben: es wäre nicht gewaltsam zu
schreiben, altero C C L X X II1 millia; inzwischen ist durch die
— 72 — [band п.]

Aber diese Angabe verwandelt jene Hypothese in Ge- 82


wissheit, indem mit den Römern auch die Kampaner ge­
nannt werden; also dass diese lezten in allen Zählungen,
die durch Livius seit dem Samniterkrieg erhalten worden,
ebenfalls zu verstehen sind: nicht aber etwa sie allein,
sondern alle Völker welche wie sie Isopolitie hatten. Veile-
jus meldet gleichzeitig, und als ganz die nämliche Sache,
dass den Kampanern und einem samnitischen Kanton der
Bürgerstand verliehen sey; und die zwiefache Censusan-
gabe für Alexanders Zeit, 130000 und 25000014ß), erklärt
sich vollkommen wenn jene als die lezte vor dom Anfang
seiner Regierung, diese als die des Jahrs 418, nachdem
jene Völker in die römische Isopolitie getreten waren, ver­
standen wird. Dasselbe gilt nun von den frühesten Zeiten
her: und so zeigt das Steigen und Fallen der Censuszahlon
im dritten Jahrhundert nicht Zunahme und Abnahme der
römischen Nation, sondern die Veränderung dieser qigen-
thümlichen Verbindungen; welche allerdings grösstonthoilto
wahren Verbündungen und Eidsgenossenschafton entspra­
chen, aber doch auch ohne sie vollkommen denkbar sind.
Sie wurden wohl mit ganz entfernten Völkern oingegangen,
deren Verbrüderung nur guten Willen bieten konnte, Jst
es gegründet dass der zweyte Q. Fabius mit der Tochter eines
vornehmen Maluentaners rechtmässig verhoirafchot war, so
wird mit dessen Volk Isopolitie bestanden haben; es wer­
den auch die Massilioten in dem Census dos Jahrs 302
begriffen gewesen seyn. So lässt sich durch die Bewegung 83
in diesen Zahlen nicht einmal die Macht wolclio auf Bünd­
nissen beruhte sicher messen : nichts desto weniger ist das
Verständniss jener Angabe fruchtbar, indem es Meldungen
über Verhältnisse zu benachbarten Völkern ausser Zweifel
sezt und erhellt, was widersinnig lautete lehrreich macht47)-

Entstellung nichts wesentliches vorloron da jono 270000 nur um


3000 von Polybius Zahl abwcichen. — Der Kampanor, das beiast
der Bürger von Kapua und ihrer Periöken, waren nicht weniger
als 34000: das ist nicht für eine unbeglaubigto Zahl bey Livius
XXIII. 5. zu achten.
146) Plutarch de fo rt. Romanor. p. 326. c. Linus IX. U).
Die lezte Zahl ist nur ungefähr. 47) Auch für die Geschichte
der Griechen diesseits dos ionischen Meers, welche so viele ita-
[bandII.] — 73 —
So begreift es sich auch dass die Zahl eigentlicher Metö-
ken in dem Grade gering war, dass sie gar nicht vorzu­
kommen scheinen.
Wäre die Summe des Census zur Zeit des cisalpini-
34 sehen Kriegs nach derselben Regel wie zweyhundert Jahre
früher gezogen worden, so würde sie vielleicht dieselbe
gewesen seyn welche Fabius für die Waffenfähigen von
ganz Italien angab: aber das hatte sich geändert. So
lange viele unabhängige Staaten waren, wird jeder den
Census seiner Isopoliten zu dem eigenen hinzugefügt haben;
also dass die Zahl der Capita des nämlichen Volks mehr­
mals wiederholt vorkam: als Rom Mittelpunkt des ganzen

lische Einrichtungen theilten. Kaum weniger widersinnig als


jene Angaben über Rom, lautet es, dass zwar die Agrigentiner,
als die Karthaginienser vor ihren Mauern erschienen, nur etwas
mehr als zwanzigtausend waren, aber die Gesammtzahl, mit der
fremden Einwohnerschaft, nicht weniger als zweymalhunderfcau-
send gewesen ware (Diodor XIII. 84) : — und darunter sind wie
die Zahl der Bürger beweisst, ebenfalls Erwachsene männliches
Geschlechts zu denken: wie denn auch jener, zwar ein Verfäl­
scher, aber leicht älter als Diodor selbst, diese Notiz fasste, wel­
cher in einer Schrift unter dem Namen der Potamilla von 800000
Freyen zu Agrigeut redete (Wesseling zu Diodor а. а. 0.). Soll­
ten denn zweymalhunderttausend, wenn auch nicht alle vollstän­
dig gerüstet waren, solche Schaafseelen gehabt haben dass sie
den Pönern auch nur gestattet hätten sich vor der Stadt festzu-
eezen, geschweige віе auszuhungern V Aber auch hier sind unter
don 1 S 0 0 0 0 , theils Sympoliten einer weiten Landschaft, theils
Isopoliten zu verstehen; nicht Griechen allein, sondern auch Si-
kaner und Sikeler, welche den schon starkgemischten Griechen
gar nicht so fremd waren wie es uns vorkommt. Für gewaltige
Zahlen bey den Italioten, wie zu Kroton, gilt die nämliche Er­
klärung: doch die dreymalhunderttausend von Sybaris möchte
ich nicht als historisch betrachten, da es eine Zeit betrifft vor
der Abschaffung der Königswürde zu Rom, und eine Zahl welche,
die verschiedenen Stufen der Verzehnfachung hinauf, eben so
wenig eigentlich numerisch ist als sieben oder siebzig es bey den
Hebräern sind (S. Reimarus meisterhafte Abhandlung de asseseo-
ѵіЪш synhedrii L X X linguarum gnaris): ~ sechs, und seine
Multiplen mit zehn bey den Latinern ; so die freygegebenen sechs­
tausend Gefangenen: Livius ГІ. 22- Dergleichen ist, wenn es
entsteht, so wenig unwahr als wahr zu nennen.
I— 74 — [band ix.J

geworden war, hätte dies den Zweck gestört, zu überschauen


über welche Kräfte der Zugewandten der Senat verfügen
könne. Es ist sogar höchst wahrscheinlich dass den Bun­
desgenossen unter einander in vielen Fällen148) das Muni­
cipium untersagt ward, wie den Städten im Umfang eines
Volks welches gegen Rom verbrochen hatte. Ein gleiches
Bündniss scheint Isopolitie in sich zu befassen, ja gleich­
bedeutend damit zu seyn49): aber das Beyspiel der Kam- s&
paner denen ein solches zugeschrieben wird, da sie doch
Roms Vorrang huldigten, ja öfter seine Hoheit anerkannt
hatten, beweiset dass dieser Name nun nicht mehr buch­
stäblich verstanden ward. Nach dem alten Sinn des Worts
waren die Römer noch immer im Municipium® mit Tibur,
Präneste, allen verbündeten Orten wofür das Recht des
Exilium bestand: ja mit den Neapolitanern welche doch
sogar Steuer zahlten: Latiner und italische Bundesgenossen
mit ihnen: da sie, wenn auch unter Beschränkungen die
ihren eigenen Bedürfnissen gewährt waren, das römische
Bürgerrecht kühren konnten: aber weil diesen beyden Stän­
den eigenthümliche G-eseze gegeben waren, die sie unter
einander und von den Municipes der alten Art unterschie­
den, so entzog der Sprachgebrauch ihnen diese Benen­
nung50): und nur die eigentlichsten Isopoliten wurden mit
den römischen Bürgern aufgeführfc.

148) Mit Fregellä hatten es Peligner und Sammtfir,


49) fo e d u s aequum — der Kampaner, Livius XXIIL 5: zum Lohn
für der Massalioten treue Hülfe in der gallischen Noth immuni-
ias d a ta , et locus spectacuhrum in Senatu decretus, et foedus
aequo iu re p ercu sm m : Justinus XLIII. 5.: das hioas ohne Zwei­
fel^ in der ein heimischen Erzählung, âréÀeta xal itpoeâpla èv
toïç âyaxrt xal itronohreia, Das mindere Bürgerrecht wie es die
Transalpiner vor Claudius hatten, noch ausgeschlossen von Senat
und Aemtern, nennt Tacitus A n n . XI. 23. foedera et civitatem.
Rom anam . 60) Klassisch für die Unterscheidung ist Livius
XXVI. 15: — der Senat müsse untersuchen mm (Gampani) com-
m u n ica ssen t co m ilia cum aliquibus sociorum , L a tin i nominis,
m u n ic ip io ru m : denn so ist zu unterpunktiren, dass die Namen
aller drey Stände nach alter Redeweise durch Neben Stellung ver­
bunden seyen, und zwar steigend nach ihrem Rang*, italische
Bundesgenossen, Latiner, freyverbundene Municipien, wie Kuma,
Fundi und Formiä. Gronovius hat richtig erkannt dass das lezte
I
[band II.] — 75 —

ее Da den jedesmal zu Kom anwesenden Latinern im


sechsten Jahrhundert die freylich mit weniger Macht ver­
bundene Ehre zustand in einer ausgeloosten Tribus ihre
Stimmen abzugeben, so hat es freylich grosse Wahrschein­
lichkeit dass sie damit für ein Stimmrecht entschädigt
worden welches die übergesiedelten Municipes ausgeübt,
so lange die alte CenturienVerfassung bestand: und dies
könnte der Erzählung zum Grunde liegen dass Cassius
durch die Stimmen der ihm anhänglichen Latiner und
Herniker sein Gesez durchzuführen gehofft habe151”), So
fremd wie jene abgeschaffte Verfassung geworden war,
dürfte in der That die Angabe der Definition, — bis auf
jene wesenlose Ausnahme vollkommen richtig seitdem alles
auf den Tribus als Grundlage beruhte, — nicht unwider-
sprechlich beweisen dass die Municipes nicht vor Alters
in den Klassen gestimmt hätten; welches doch von den
Clienten, während sie auch nur Aerarier waren, nicht zu
bezweifeln ist. War dies lezte, wie ich gern zugebe, neu­
ernde Abweichung vom Gesez des Servius, so wird man
schwerlich die Municipes versäumt haben, deren Stimmen
sich eben gegen die Plebejer richten liessen. Wenn es
aber so dargestellt wird dass Cassius Latiner und Herniker
zur Stadt gerufen habe um zu stimmen, so ist der irrthum
handgreiflich : und so sichtbar bat einem späten Annalisten
die Erinnerung tribunicischer Stürme aus seinem Jahrhun­
dert vorgegaukelt, wenn Tribunen durch hereingerufene
Latiner und Italiker, und gedrohte Gewalt, den Senat zu
87 schrecken suchten, dass jene, in verständiger Beschränkung
so glaubliche, Nachricht fast zweifelhaft wird.
Es ist zweckmässig über sehr fremde Gegenstände
Ausdrücke- zu vermeiden bey denen unbestimmte oder
falsche Nebenbegriffe verwirren können: künftig aber werde

Substantiv die vorstehenden nicht regiere; aber die Copula welche


er davor einrücken will entstellt den alten Ausdruck, und hebt
die Unterscheidung von Italikern und Latinern auf. Beyläufig
bemerke ich dass gleich weiter, wo es heisst num ojpe eorum in
béllo f o r e n t et m u n i c i p i o r u m a d iu ti , nach der Spur der Hand­
schriften, welche geben et a d m u n i d p i о r u m , zu emendiren
ist: et a d m i n i c u l o .
161) Dionysius VIII. 72- p* 540. d.
— 76 — [band xi.]

ich auch von der Isopolitie manchmal nach dem Staats­


recht unsrer Väter reden. Dass der Sympolit, mit den
mindern bürgerlichen Befugnissen, dem Pfahlbürger der
alten Stadtrechte entspricht, ist gewiss klar genug*152): von
diesem ist, meines Erachtens, der Ausbürger so zu unter­
scheiden dass er nur dann Pfahlbürger heissen kann wenn
er in die Stadt zieht. Wer einzeln das Verhältniss des
Ausbürgers erhielt, war durchgehend ein vornehmer Mann,
Ritter oder Prälat; und gleicht demProxenen: aber nicht
nur der Einzelne errichtet ein Burgrecht mit einer Stadt,
sondern auch eine ganae Bürgerschaft oder Landschaft;
und dieses Verhältniss, welches die schweizorischo Ge­
schichte, zumal das fünfzehnte Jahrhundert hindurch, un-
zähligemal nennt, nie erklärt, scheint mir nichts anders
seyn zu können als Isopolitie. Allo Bürger oder Land­
leute jener Gemeinde wären Ausbürger geworden; von
Zürich, zum Beyspiel: in demselben Sinn wie die Kampa­
ner römische Bürger: der einzelne der cs bonuzte ward
Pfahlbürger. Land recht war das nämliche Verhältniss zu
einer Landschaft: das Wort welches in diesen dom Pfahl­
bürger entspräche kenne ich nicht. Mit Land- oder Burg­
rechten war immer auch ein Schirmverein verbunden: da­
her ist es kein Wunder wenn der Name jener angewandt
ward um Verträge zu verbergen dergleichen einzeln abzu- 88
schliessen den Kantonen eigentlich nicht gestattet war53),
und das isopolitischo Verhältniss daboy in Vergessen­
heit kam.

Ueber das Recht der Latiner.


Einige Befugnisse übte der Ausbürger oluio das Ver­
hältniss zu dem Staat soiner Väter zu ätidorn, oinigo konnte
er nur als Pfahlbürger geltend machen: und hierflbor ont-
1 5 2 ) V g l . Hüllmanns Gosch, d. Stände. 2 Л. S. 582. ff.
58) Dass die späteren Burgrechte nichts anders als Yerhündnisse
waren und die oben angegebene Ursache bewogen hat jenen
Namen zu gebrauchen, sind zuverlässig gegründete, durch Herrn
Doctor Bluntschli mir mitgetheilfce Bemerkungen eines Züricher
Rechtskundigen: aber dass Pfahlbürgerschaft aus Burgrocht her-
vorging, steht aus deutschen Urkunden fest.
[band II.] — 77 —
schied nicht die höhere Würde des Rechts, sondern die
Beschaffenheit der Sache. Ohne Kapua zu verlassen hatte
Pacuvius Calavius eine Claudia geheirathet, und eine
Tochter nach Rom vermählt; dadurch ward nichts verwirrt:
aber wenn er römische steuerpflichtige Grundstücke ge­
kauft hätte, so würde der Republik das Tributum davon
entzogen seyn, welches nicht nach den Gegenständen son­
dern nach den Personen ausgeschrieben ward. So war
also das vornehmere Recht, das Commbium, jedem Isopo-
lifcen offen: das Commercium dem übergesiedelten Vorbe­
halten.
Von der Römer Verhältniss zu Alba wird gemeldet
dass Connubium bestanden habe ш ); und mag jede angeb­
liche Kunde über diese uralten Zeiten mit vielleicht un-
89 nöthiger Strenge verworfen werden, so ist dies doch als
Herleitung eines gleichen Rechts mit den Latinern gemeynt,
und zu beachten. Das Connubium mit Alba ist in der
Sage von den Müttern der Horatier und Curiatier, das mit
den Priskern und Latinern in der von den Frauen welchen
vor der Schlacht am Regillus die Scheidung freygestellt
worden55), ausgesprochen; und über solche Dinge kann
die Sage nicht von der Würklichkeit abweichen: die Ver­
mählung der Tochter des lezten Königs mit dem Dictator
Mamilius darf wohl für historisch gelten. Zu diesen all­
gemein bekannten Erzählungen ist jezt die Erwähnung hin­
zugetreten dass die Heere unter C. Marius und Q. Pom-
pädius mit traurigem Herzen gegen einander unter den
Waffen gestanden, weil viele durch das gesezlich bestehende
Connubium befreundet und verschwägert gewesen wären56).
Seitdem dieses Zeugniss ans Licht gekommen, darf
die Meynung dass die wahren Latiner kein Connubium ge­
habt, für entschieden widerlegt gelten: denn gewiss ist es
undenkbar dass die welche vor den Italikern das Ehren­

154) Strabo V. p. 231. b. ßacnXeuopevoi кхатероі %wplg


è r ù y x a v o v ‘ oùâèw т]ттоѵ èm yd fita те 7)<таѵ (1. èiztyafica те
xal U pà xoivà та èv *'AXßa, xal âXXa àtxata rroXiTtxa (die
Isopolitie). 55) Th I. S. в 17. 5G) Diodorus E xc. de
Senlentiis XXXVII. 10. p. 130. ed. Dind. o l п а р ’ àfiyoTépoig
стрктштаі — си%ѵоЬд oîxetoug xal auyyeveïg хатеѵбоиѵ, obg
à t9jg èmyafJLtag vvßog ёжелotrjxet xotvatveïy, туд тоіайгцд ftXiag*
— *78 —' [bawd H.]

recht voraus hatten zum Stimmen zugelassen zu werden,


in jener wesentlichen Sache ihnen nachgestanden hätten.
Sie hätten dann überhaupt, so lange sie sich als Ausbürger
hielten, keine Gemeinschaft des Rechts mit den Römern
gehabt, mit Ausnahme der zwölf Colonien welche Nexa
schliessen und Erbschaften antreten konnten167). Wie es 90
mit diesen bewandt gewesen seyn dürfte, darüber werde
ich meine Vermuthung äussern wenn die Geschichte die
Zeit erreicht haben wird, wo sie, wie ich denke, jene Be­
fugniss erhielten: der Grund aus welchem das Commercium
nicht bestanden hatte, war nicht mehr; und es hätte allen
Latinern eingeräumt werden können, wenn nicht eben da­
mals Mistrauen, und ein Streben ihr Aufblühen zu hemmen,
zu allen Bewilligungen abgeneigt gemacht hätten.
Nach dem Plan meines Werks würde ich von den la­
tinischen Colonien, deren Recht auf eine in der früheren
Jurisprudenz so häufig erwähnte, mithin ohne Zweifel auch
sehr zahlreiche, Klasse der Freyg<*lassenen angewandt ist,
ebenfalls bis zur Erzählung der Zeit da dieser Stand er­
richtet ward, zu reden verschieben, wenn die Erörterung
der Frage welche latinische Colonien es gewesen, nach
deren Vorbild den Junianisrhen Latinern das Connubium
versagt ward, so lange hinstehen könnte.
Ich muss also schon hier bemerklich machen dass die
noch in ihrem Recht gebliebenen alten latinischen Städte,
und die mit ihnen den latinischen Namen bildenden Colo­
nien 5Я) ein volles Jahrhundert ehe der Consul Junius
Norbanus das Recht der latinischen Freygelassonen ein­
führte, sämmtlich römische Bürger, und ihre Städte Muni­
cipien geworden waren. Nach dem julischen Gesez gab
es keine latinische Colonien, bis, ein Jahr darnach, ein 91
neues Latium5!>) eingeführt ward. Das transpadanische
I67) Cicero pro C a r d na 35 (10*2). ö8) Allo Latiner
sind unier diocMii einigen Nam< n ziisammongcfas t hey Polybius
II. 24: al e erhii4:en zugleich unter d« meclbi-n daa Bürgerrecht
durch das julmche Gc&oz, Colonen wie Tiburtinor und Prä-ne-
stiner. Latium im der Bedeutung von his Lain (welches
lezte eich bey Aseoi.iua, Arg. der Pigom&na, findet) hat Gesner,
aber ohne Beleg: vcrinuthlieh n»eh Strabo IV. p. 187. а. Муооаа
rd xaÀoujüLevov Aaretov (scr. Aartov)t und Appian Civ. U. 26.
touto yà p dôvarat тд Латюѵ: »Stellen die auch, der fremden
[band II.] — 79 —
Land hatte sich mit einer gemischten lateinisch redenden
Bevölkerung aus Italikern und umgebildeten Einheimischen
gefüllt; die Städte jenseits des Po waren noch treu, aber
machten Ansprüche; deshalb wurden sie durch ein vom
■Consul Cn. Pompejus Strabo angetragenes Gesez zu lati­
nischen Colonien erhoben, ohne dass Colonen dorthin ge­
sandt wären160). Das eigenthümliche dieses Rechts war
dass diejenigen welche in solchen Städten Magistrate und
Ehrenämter bekleideten dadurch das römische Bürgerrecht
erlangten, und nur sie 61) : als Colonien nach diesem Recht

Sprache ungeachtet, vollkommen genügten: jezt kommt Gaius


hinzu: s. [Th. 2.] Anm. 163.
IGO) non novis colon is , sed veteribus incolis m anentibus :
Asconius a. a. 0. Mithin ohne alle Deduction, grade im Wider­
spruch mit dem Wesen jener Definition [Th. 2. Anm. 80.] welche
wohl für älter gelten darf. 61) Strabo IV. p. 187. a. Appian
Civ. II. 26. Gaius I. 96. — und Asconius а. а. 0.: denn in den
widersinnigen Worten, woran schon Sigonius mit Recht Anstoss
nahm, u t p eten d i m agistratus g ra tia civitatem R om . adipisceren -
t u r , ist g ra tia Verfälschung eines Herausgebers; es fehlt ohne
Zweifel in den alten Drucken wie in der Florentiner Abschrift :
wonach sich die Emendation ergiebt u t petendis m agistratibus civ.
Rom. a d ip . — Eben vorher führt die Lesart jener Abschrift
passent hinc fast eben so sicher auf die Verbesserung possideren t ,
statt des schlechten possent h a b ere : und weiterhin hat eine heil­
lose Willkübr das ius Ita lia e , wovon der unverfälschte Text
nichts hat, eingeführt, und damit den Wahn vom Daseyn itali­
scher Colonien — dessen gänzliches Verschwinden hoffentlich
nicht mehr fern ist. Ueber dieser Stelle hat als Asconius schrieb,
und als ein vermessener Emendator sie zurecht machte, ein wahrer
Unstetn gewaltet: wenn unter diesem Einfluss der römische Schrift­
steller auch unstreitig wähnte, es sey das Recht der alten Lati­
ner das nämliche gewesen, so wollen wir bemerklich machen dass
er auch seine Verwunderung äussert wie Cicero Placentia ein
Municipium nennen könne, da es als latinische Colonie gegründet
worden: — nämlich er selbst kannte es als militärische. Der
nämliche Gelehrte dem alles was sich während Ciceros öffent­
lichem Leben ereignete so vertraut bekannt war, begriff das alte
Staatsrecht so wenig dass ihm nicht einfiel wie die Stadt vom
julischem Gesez bis die Triumvirn dort die Militarcolonie grün­
deten, nichts anderes seyn konnte. Um zu ermessen wie wenig
auch grosse theilweise Einsicht und Verstand nöthigen oder recht-
fertigen, einzelne Aensserungen über ganz untergegangene Zu-
— 80 — [band it.]
werden namentlich Comum und Nemausus angeführt1,02), ю
Von der Zeit an wurden viele Städte und Völker in diesen
Stand erhoben, der, verglichen gegen das alte latinische
Beeilt, das mindere Latium genannt ward ö3), und mit
vollem Fug. Dass diese Latiner kein Connubium hatten, 93
da sie grossentheils Barbaren, höchstens italisirte Misch­
linge waren, ist so begreiflich als dass man es den Lassen
versagte, deren eindrängender Ueberschwemmung ein Damm
gesezt werden wollte: Erweiterung des Commercium aber
war willkommen, und im Sinn mancher Maasregel welche
den Kaufpreis italischer Grundstücke zu heben bezweckte.
Ein Gesez welches latinische Völker als fremde be­
trachtete, und auf sie den Grundsaz anwandte dass das
Kind der ärgeren Hand nachschlechte 64) kann nur dieses
mindere Latium betroffen haben : und wenn die Lex Mensia
jene Bestimmung enthielt, so ist eine Gränze für ihr Alter
gegeben.

Der Bund mit den Hernikern.0)


Zwischen den Bünden Roms mit den Latinern und
den Hernikern liegen sieben Jahre, und Ereignisse welche

stände uns zum Gesoz dienen zu lassen, muss man beobachtet


haben wie fünfzig Jahre und noch weniger hinreichen sie völlig
in Vergessenheit zu bringen.
162) Strabo und Appian a. a. 0. ÖS) Wenn man nur
unbefangen gelten lässt was augenscheinlich in der Handschrift
steht, so lautet die Stelle bey Gaius a. a. O. unstreitig, nach
einigen leider jezt auf immer unlesbaren Zeilen : m agistratum
g e r u n t , civitatem Bom anam conscquuntur : m inus L atiu m est,
cum hi ta n tu m qu i vel m agistratum v tl honorem gerunt (also z. ß.
auch die ß e v iri A u gu stales, die Flammes der Kaiser u. s. w.)
a d civitatem Bom anam perveniunt. Diesem musste ein m aius
L a tiu m entgegenstehen, von dem in den verlornen Zeilen die Rede
•war; etwa so: M a i u s L a t i u m v o c a t u r , c u m q u i c u n q u e
R o m a e m u n u s f a c i u n t , n o n hi t a n t u m q u i mag. gerunt
etc. 64) Gaius I. 79. (mit Göschen Anm.): — die vergan­
gene Zeit in se ner Erwähnung bezieht «ich nur auf die des Ge-
sezes welches in der einzigen Ötellc wo es genannt wird den selt­
sam lautenden Namen Mensia führt. «) Schwegler II. 330*
[ band II.] — 81 —
diese Geschichte nicht übergehen wird: das wäre aber
eine knechtische Annalistik welche den inneren Zusammen­
hang dieser Trennung aufopferte. Es war der nämliche
Sp. Cassius der als Consul beyde Bünde schloss, und ihr
Inhalt wörtlich der nämliche166): das Bündniss den drey
Völkern gemein und gleich, so dass nun, wenn ihre Banner
vereinigt ausgezogen waren, jedem Staat ein Drittheil der
94 gewonnenen Beute und des eroberten Landes zufiel66), so
auch gleicher Antheil an Colonien zustand 67). Damit nun
diese Gleichheit bestehen konnte, musste kein ausnehmendes
Mis verhältniss zwischen den Kräften cTfer Verbündeten seyn,
wenn sie auch nicht genau gleichgewogen waren: die Her­
niker mussten einen viel bedeutenderen Umfang haben als
der worin die spätere Geschichte sie zeigt. Auch sie, wie
die Latiner, sind durch die Volsker und Aequer überwältigt
worden, und haben an diese Eroberer einen Theil ihrer
Orte verloren, von denen einige, wie es mit Ferentinum
geschehen is t68), wieder gewonnen, andre zerstört seyn
mögen; andre, als Friede hergestellt und der Besizstand
durch Verträge anerkannt war, den Volskern geblieben
seyn können. Zu ihren Städten darf Trebia gerechnet
werden, das in der Sage von Coriolanus als erobert vor­
kommt, welches einem Zeugniss gleichsteht dass es an die
Aequer verloren worden; es findet sich weder unter den
latinischen Städten noch unter den albensischen Orten 69) ;
und schon die Lage macht es höchst unwahrscheinlich
dass es jemals dem latinischen Staat angehört habe. Wohl
aber den Hernikern, wenn diese einstmals an die Marser
gränzten, von denen als dem nächsten sabellischen Volk
ihr Ursprung abgeleitet wird: und ihr Zusammenhang mit
dem Stammvolk kann nicht immer unterbrochen gewesen
seyn; es ist unmöglich dass sie die unvergänglichen, von

165) йѵтіураіроі rtbv izphq Aartuouç {auv&rjx&v) Dionysius


VIII. 69. p. b ’S l. b. 6*) Ders. VIII. 77. p. 544. o. rd ènt-
ßaXXov èxdaroiç (der drey Völker) Àà%oç: vom eroberten Boden,
das. 76. p. 542. c. Daher gebührte den Latinern ein Drittheil
vom Kriegsgewinn : Plinius XXXIV. 11. 6?) Oben S. 48.
68) Livius IV. 51. 69j Wohl aber unter den Jeztea
die Vitellienser, deren Ort als Coriolanus Eroberung mit Trebi*
genannt wird.
Niebuhr, Röm. Geich. $
— 82 — [band II.]

altern Bewohnern gegründeten, in uralten Tagen eben wie *ь


Latium und die tyrrhenische Küste von Pelasgern be­
wohnten, Felsenburge, in einem Anlauf erobert hätten,, zu
dem sie sich nur eine Strasse durch ausonische Völker­
schaften gebahnt gehabt, die sich alsdann wieder hinter
ihnen schloss. Es ist augenscheinlich dass die Aequer
das Gebürge eingenommen, und die sabellischen Völker
hier auseinander getrennt haben.
üebrigens, dass die Städte der Herniker, als sie sich
443 gegen Rom auflehnten, mehr an der Zahl gewesen
seyn müssen als Anagnia und die vier ändern welche
namentlich als solche verkommen, hat schon Cluver aus
Livius Ausdruck gefolgert, dass, ausser Verulä, Alatrium,
Ferentinum, alle hernikische Völker den Krieg beschlossen
hätten170). Zu errathen wie viele ihrer waren als sie noch
vollzählig bestanden, dazu führt die Entdeckung der Zahl
welche die Eintheilung der Staaten des sabellischen Volks­
stamms bestimmte. Denn dass auch diese durch eine solche
angeordnet ward ist nicht zu bezweifeln, mochte es nun
wie bey den Römern drey seyn, oder eine andre; durch
sich selbst , oder mit zehn vermehrt um die untern Ab­
theilungen zu gewähren. Solche Formen können nicht
zufällig seyn; sie sind Gesez, wie die dorische Musik; sie
beweisen unmittelbar was sie zeigen. Die Sabeller haben
sich in dieser Hinsicht von den Latinern grade unter­
schieden wie Ioner von Doriern: ihre anordnende Zahl
war vier.
Sie erscheint im Kriegswesen der Herniker und der sc
Samniter. Die Cohorten jener zählten vierhundert Mann 7l):
eben so die der Samniter 72): und in der Stärke ihres regel­
mässigen Heers, sechszehntausend 7S), findet sie sich zwie-

l™) Livius IX. 42. Concilium populorum omnium hahentibus


A n a g n ird s — p ra e te r A la irin a tem , F erentinatem que et Vcrida-
m im om nes H ern ici 7iomiiris p o p u li (nicht populo) Romano bellum
in d ix e r u n t. Dazu JPrusino. 71) JLivinß Vll. 7. Octo cohortes
q u a d rin g en a ria e . 7a) Ders. X. 40. vigin ti cohortes tiam n itiu m
(q u a d rin g en a ria e ferm e eran t). Die Partikel gehört dem Schrift­
steller, welcher den Ausdruck seiner älteren Quellen bestimmter
findet als ihm zu yerbürgen scheint, wie es auch Diony&iuH macht:
Th. I. Anm. 1228. 78) Die der legio lin tea ta : Ders. X. 38.
[ваяв II.] — 83 —
fach ; es sind vier Legionen, jede von viertausend Mann174).
So sind denn auch die viertausend Samniter welche zur
Yertheidigung von Paläpolis gesandt worden 75), eben eine
Legion; und jene Zahl ist angegeben, nicht weil man die
Stärke der Hülfsvölker angemerkt hätte, sondern weil die
einer samnitischen Legion den Annalisten noch wohl be­
kannt war. ^Weniger gewiss ist es wohl, allein doch sehr
wahrscheinlich, dass, auch die achttausend Mann mit denen
Numerius Decimius bey Larinum Hannibal den Sieg ent­
riss 76), von zwey Legionen zu verstehen sind.
Bie Eidgenossenschaft der Marser zählte vier Völker:
dass die samnitische eben so viele enthalten habe ist durch
jene vier Legionen fast dargethan. Denn wenn auch die
Erentaner damals sich von den Eidsgenossen, Caudinern,
Pentrern, Hirpinern, getrennt hatten, so mochte es doch
möglich gewesen seyn der Erhaltung der Grundform durch
Einrichtung eines vierten Kantons zu genügen 77).
Diese Zahlengeseze, einmal erkannt, leiten so sicher
S7 dass ich ohne Bedenken annehme jedes selbständige sa-
bellische Volk sey vierfach getheilt gewesen, also auch
die Herniker; und das zeige sich für diese in den tausend
Colonen von Antium 78). Hier hätten vierhundert herni­
kische die vier sabinischen Stämme auf gleiche Weise
dargestellt wie die dreyhundert Börner die drey Tribus
der Geschlechter; die dreyhundert Latiner die drey Decu­
rien der Städte. Und so weit fühle ich Sicherheit: nicht
ohne die Gränze zu überschreiten jenseits welcher Zauber­
gewalt dem Verwegenen auflauert und die Sinne zu be­
thören droht, lässt sich die Vermuthung bilden dass die,
in römischen Dingen so oft erscheinende, Zahl zwölf, aus
der Vermehrung der Grundzahlen der in der Nation ver-

174) Also jene zwanzig Cohorten zwey Legionen. ?5) Lirius


VIII. 23. ™) Ders. XXII. 24. Oben S. 23.
78) A n iiates m ille m ilites a)t bey Livius III. 5-, ist sicher nichts
anderes als eben der Widerschein einer Notiz dass vu Antium
tausend Colonen waren. Der Ge?ammtantbeil der Herniker war
nicht um ein Drittheil grösser als der von jedem der beyden
ändern Bundesvolker: sondern es empfing jeder Herniker nur J
тот Loose welches einem Römer oder Latiner zugetheilt ward.
e) Schwegler II. 498.
6*
84: — [важюи.]

bundenen Latiner und Sabiner mit einander, erwachsen


sey: es möge in Attika in Hinsicht der Ioner und Kranaer
die nämliche Bewandtniss gehabt haben. Daher werde
Numa, nach der Vereinigung beyder Völker, die Einfüh­
rung des zwölfmonatlichen Jahrs zugeschrieben; welches
doch von Anbeginn gewesen seyn muss, auch durch das
zehnmonatliche nie verdrängt seyn konnte.
Ich kehre auf meinen lieben redlichen Boden zurück,
und athme frey. Das mag man fragen ob die Herniker
wohl vierzig oder sechszehn Städte gezählt haben werden?
Eine andre Zahl kann es nicht seyn: und die Nachricht
dass sieben und vierzig Städte an den latinischen Ferien os
An theil nahmen179), entscheidet für die zweyte. Das aber
lässt sich nicht auf gleiche Weise finden ob Anagnia in
der Zahl der secbszehn begriffen ist, oder diese neben der
reichen Stadt80) gestanden haben, wie die dreyssig latini-
schen neben Alba: in den Fasten kommt es also, bey dem
Triumph des Q. Marcius Tremulus, neben den übrigen
ITernikern vor. Es ist unmöglich zu errathen ob der nach
welchem Dionysius jene Zahl meldete, Rom, die dreyssig
latinischen und sechszehn hernikische Städte, in jener
Summe vereinigte, oder angeben wollte wie viele ausser
Rom auf dem albanischen Berg erschienen wären.
Als Hauptstadt ist es in einer wahrscheinlich recht
alten Erzählung nicht zu verkennen, wo es heisst, Lävius
Cispius von Anagnia habe die Herniker geführt, die, um
Rom, wohl gegen einer Angriff der Sabiner, zu schüzen
während Tullus Hostilius vor Veji stand, auf einem der
beyden damals noch offenen und unbebauten Hügel der
Esquilien gelagert gewesen, wie ein latinisches Heer auf
dem ändern81). So alt ward das Bündniss der Eömer
auch mit diesem Volk gedacht, in welchem die Titier
ihre Volksgenossen erkannten, wie die Ramner in den

W ) Dionysius IV. 49. p. 250. o. Die Volsker von Ecetra


und Antium sind nur durch Verwechslung der Isopolitie mit der
Eidsgenossenschaft eingemischt. Unter Tarquinius konnte übrigens
von antiatischen Volskern die Rede gar noch nicht seyn, und
schwerlich von ecetranischen. 80) dives A n a g n ia : Aeneie,
VII. 684. 81) Festus 8. v . S q p tim o n tiu m , aus Varro. Es
sind die Hügel von S. Maria Maggiore und S. Pietro in Vincola.
[bawd п.] — 85 —
99 Latinern. Auch sie sind dann, wie die Latiner und Tyrr-
hener der Küste, unter Roms Botmässigkeit gekommen;
auch sie haben das Joch abgeschüttelt. Als freye Ge­
nossen und als Unterthanen waren sie in gleicher Weise
durch Burgrecht mit Eom verknüpft; und wenn die Zahl
der Capita durch das Hinzutreten der Sabiner zwischen
246 und 256 von 130000 bis 150700 erhöht war, so wird
es die Trennung der Herniker, nicht allein die der Sa­
biner, gewesen seyn, wodurch der Census 261, als die
Latiner doch schon wieder gewonnen waren, auf 110000
herabkam. Unkunde und Ehetorik haben in Cassius Bünd-
niss, wodurch uraltes Burgrecht nur erneuert ward, ein
ganz neues Yerhältniss gesehen; und zwar unverantwort­
liche Verschwendung der höchsten Gnaden 82). Die Führer
denen Livius folgt müssen dies besser gewusst haben, da
er von dem Allen schweigt: hingegen ist bey ihm die Zu­
sicherung eines Drittheils von dem künftig zu erobernden
Lande dahin misverstanden dass ihnen vom eigenen, wenig­
stens von ihrer Domaine, nur so viel gelassen sey, zwey
Drittheile eingezogen wären 83). Nämlich ihm gilt für
gewiss dass das Bündniss als Friedensschluss einen Krieg
geendigt habe : Dionysius weiss sogar sehr vieles umständlich
von demselben zu melden. Das verdient sicher gar keinen
Glauben; weit wahrscheinlicher ist vielmehr der Krieg
gänzlich erdacht weil man das Bündniss für einen Frie­
densvertrag ansah, und was über die Theilung von Land
und Leuten daraus erwähnt war, misdeutete.
100 Die Gefahr welche von den Volskern und Aequern
drohte machte die Eömer bereitwillig sich eine Vormauer
durch billige Zugeständnisse zu sichern; die Herniker aber
und die Latiner erwiesen sich hinwieder in den Kriegen
treu welche ihnen selber fern und gleichgültig waren, weil
sie auf der Eömer Hülfe rechnen konnten, und von ihnen
als gleiche Verbündete anerkannt wurden.

182) Dionysius VIII. 69. p. 537. b. 77. p. 544. e.


M) A g r i pa rte s duae a d em ta e : Livius II. 41.
— 86 — [band ir.]

Die Kriege mit Volskern und Aequern, bis


zum Ende des vejentischen.“)
Die unaufhörlichen Kriege mit diesen ausonischen
Völkern, welche mehr als ein Säculum hindurch fast all­
jährlich Vorkommen, haben Livius veranlasst zu äussern,
dass er mit Ueberdruss davon schreibe, und gleiches Mis-
gefühl bey seinen Lesern vermuthe184) *. wie vielmehr hat
dies der Fremde zu erwarten, welcher, achtzehn Jahr­
hunderte später, unter seinen Zeitgenossen sehr wenige
haben wird denen es klar wäre dass der volskische Name
durch A.rpinum und seine Söhne geadelt ist, oder die Herr­
lichkeit des Gebürges und des Schauplazes jener Geschichte
vor Augen stände; keinen dem jene Ereignisse durch ein
heimatliches Gefühl werth wären? So muss die ewige
Einförmigkeit von Vorfällen, die sich meistens nicht ein­
mal durch Angabe des Orts unterscheiden, anscheinend
nur Einbrüchen und Plünderungen, folgenlos verlaufender
immer wiederholter Unternehmungen, vollends bis zum
Unerträglichen ermüden. Doch dieser Schein innerer Un­
erheblichkeit ist nur veranlasst durch die Unredlichkeit 101
der römischen Annalisten, welche die Eroberungen jener
Völker geflissentlich in Vergessenheit gebracht’ hat, so
wie die Kleinlichkeit ihres Sinns heilsame und verständige
Friedensschlüsse, an denen der Nachkommen Eitelkeit An-
stoss nahm. Hätte ein Eömer, bewogen durch Abkunft
aus einem volskischen Municipium, einheimische Chroniken
aufgesucht, so würden diese ihm grosso Männer genannt
haben deren sich, nach Ciceros wohl nicht hingewagter
Aeusserung, auch das Volk seiner Vorväter rühmen
konnte85) ; und diese jezt so unerfreuliche Geschichte
könnte, erst in den glänzenden Thaten der alten Zoit,
und dann, als sich das Glück gewandt hatte, in dem un-
ennüdeten Widerstand langer Jahre, ungeachtet ihres be­
schränkten Schauplazes, achtungswürdig wie irgend eine

a) Schwegler II. 700. 184) Livius VI. 12. 85) fj8


re p . III. 4 .
[band п.] — 8ï —

-erscheinen. Das Bild einer solchen wiederzuschaffen ist


unmöglich: nur von.Attius Tullius, Yettius Messius und
-Gracchus Clölius sind die Namen auf uns gekommen, ihr
Andenken zum Theil von unwürdig feindlichem Sinn ent­
stellt: ihre siegreichen Tage sind ausgetilgt, Eroberungen
die sich nicht ganz verbergen Hessen auf einen Fremden
übertragen: der Männer entwandte Ehre hersteilen können
wir nicht, doch im Allgemeinen entdecken welche dem
Yolk gebührt.
Die römische Geschichte kann die volskischen Kriege
um so weniger versäumen, da die Macht der Latiner durch
sie vernichtet ward, und die übriggebliebenen sich ge­
zwungen sahen in der Botmässigkeit Eoms Rettung zu
suchen; also, dass durch sie der römische, nach den Kö-
102 nigen untergegangene, Staat wieder erstand. Aber Wieder­
holung der annalistischen Meldungen voll Trug und Un­
wahrheit führt nicht zu ihrer Kenntniss, sondern Betrach­
tung in Massen wie sie aus weiterer Entfernung zusammen­
treten. Vor dieser theilen sie sich in vier Zeiträume.
Der erste geht bis auf den Frieden mit den Volskern
im Jahr 295; während desselben hat sich die Herrschaft
der beyden ausonisclien Völker in Latium ausgebreitet,
und, wenn auch eine Zeitlang aus Antium zurückgedrängt,
zulezt ihre grösste Höhe erreicht. Den grösseren Theil
desselben, voll Dunkelheit, und mit spärlicher Kunde sehr
weniger bestimmter Ereignisse, nimmt der gegenwärtige
Abschnitt ein. Der zweyte Zeitraum geht von jenem
Frieden bis zum Sieg des Dictators Aulus Postumius Tu-
bertus. Während desselben erhielten sich beyde Völker
im Besiz des gewonnenen Landes; aber das Band wodurch
sie stark gewesen, war, bis zum Anfang des Kriegs den
jene Schlacht entschied, aufgelösst; und auch für denselben
nur zwischen Aequern und Ecetranern hergestellt. Bis
dahin war Bom auch mit diesen wie mit den Antiatern
befreundet, wenn auch nicht immer ohne Störung: mit
den Aequern in unfriedlichem Verhältniss, häufig in offen­
barem Krieg. Während des dritten blieben die Antiater
in der Römer Freundschaft; Ueberwältigung der ändern
westlichen Volsker und der Aequer schritt stetig vorwärts,
bis Rom vor den Galliern fiel. Der vierte umfasst an
dreyssig Jahre: die Aequer sind vom Sturm der Zeit
*
— 88 — [ВАК©II.]

»iedergeworfen; die Antiater verlassen Rom nach siebzig­


jähriger Freundschaft, sie und die. ändern vorliegenden
volskischen Städte sind mit den Latinern verbunden, und ію
endigen indem sie theils in ihren Staat theils in den römi­
schen übergehen.
Ich bin weit entfernt auch nur zu bezweifeln dass
der jüngere Tarquinius Kriege, und siegreiche, mit den
Volskern führte: der aurunkische Stamm ward gegen La­
tium vorgedrängt; ein Mährchen aber ist es mit der Zer­
störung von Suessa Pometia, wenn dieses eins mit Pometia
gewesen seyn soll welches noch in den Zeiten der Repu­
blik vorkommt186); nicht weniger als mit den dort gewon­
nenen unermesslichen Scbäzen. Signia, dessen Gründung,
Circeji, dessen Befestigung durch Colonen, çhne Zweifel
historisch dem lezten Könige zugeschrieben werden, be­
zeichnen offenbar eine nicht entfernte feindliche Gränze:
Terracina, welches noch zum römischen Königreich gehörte,
mochte Botmässigkeit als wohlthätigen Schuz betrachten:
dass es auch zur Zeit des karthaginiensischen Vertrags
noch tyrrhenisch war lässt sich mit Grund vermuthen
wegen jener Verbindung mit Rom, auch weil es nicht
unter dem volskischen Namen vorkommt. Allein als gleich
nachher Roms Stärke gebrochen war, wird es in die Ge­
walt der Eroberer gefallen seyn, denen sich 261 schon
die beyden albanischen Colonien, Cora und Pometia er­
geben hatten 87). Die Eroberer werden Aurunker genannt,
wie am Anfang des fünften Jahrhunderts die von ihrem 104

186) Ich habe fast Zweifel an dem Daseyn dieses Suessa Po­
metia : dafür redet eigentlich nur Suessa Aurunca, wo der ßey-
name ein anderes Suessa als Gegenaaz zu bedingen scheint: aber
das Adjectiv würde Pomptina seyn. Nach der Analogie müsste
man annehmen es wären zwey Orte vereinigt, etwa wie in der
Kaiserzeit Laurolavinium, hier aber nach der Sitte des hohen
Alterthums ohne Veränderung und ohne Copula ihrer Namen.
87) Der Ausdruck a d A u runcos d e ß c iu n t : (Livius II. 1(5.)
wird doch niemand störenV Läge die Begebenheit auch weit
näher, so hätte der Römer nach dem Gedanken dass nicht« ent­
schuldige wenn eine Rom angehörige Stadt nicht lieber untergehe
als dem Feind die Thore öffne, so sprechen können. Da.se die
Städte welche Livius latinische Colonien nennt albanische waren,
». oben, S. 24.
[ХАЮII.] .. — 89 —
Stamm welche um den untern Liris wohnten: auch haben
die Chroniken denjenigen mit denen die Römer vor dem
Aufstand der Gemeinde zusammentrafen Kampanien als
Heimat zugeschrieben*88). Der Krieg wodurch ihnen jene
Eroberungen auf einige Zeit wieder entrissen wurden,
kommt bey Livius zweymal vor, unter den Jahren 251,
252, und 259: ja, wer die Sache beym Licht besieht,
wird zugeben dass auch jene früheren angeblichen zwey
Feldzüge in der That der nämliche sind, den verschiedene
Annalen theils in 251, theils in 252, gesezt hatten89).
Aus dieser Verworrenheit kann nur so viel für historisch
gelten dass beyde Orte wiedergewonnen wurden und Po­
metia unterging; wie es denn 261 unter den latinischen
Städten fehlt, Cora aber vorkommt. Auch das ist nicht
zu bezweifeln dass dreyhundert aus der mit Sturm ein­
genommenen Stadt enthauptet wurden. Diese werden bald
los als Geissein dargestellt bald als aurunkische Principes des
Orts90): sind sie Geissein gewesen, so würden die alten
Einwohner sich früher den Römern verdächtig gemacht
haben, und, obwohl sie ihre Treue hatten verbürgen
müssen, dennoch abgefallen seyn; und es liesse sich sagen
dass auch hier die Zahl nicht nach unsern Ansichten ab-
zuwägen sey. Ungleich wahrscheinlicher ist es indessen
dass diese Schlachtopfer, der 'Zahl nach einer römischen
Colonie gleich, eine Aurunkische waren welche den Ort
hatte behaupten sollen: dass die Römer ihn zerstörten
weil er Öde lag, indem die alten Einwohner weggeführt
oder umgebracht waren. Denn jene Grausamkeit ist doch
nur als Rache begreiflich; und an dem Zustand mehrerer
Orte deren ich gleich gedenken werde zeigt sich augen-

188) Dionysius VI. 32. p. 366. с. та туд Каіхкаѵ&ѵ %шрад


7teâia. Das ist um so weniger nach dem strengsten römischen
Sprachgebrauch auf die Landschaft von Kapua zu beschränken
da die Griechen alle Osker KampaDer nannten. 89) Livius
II. 16. 17. 22. 25. 2G. Dieselben welche, in der Version nach
der früheren Zeit, Aurunker heissen, nennt er unter 259 Volsker.
Der behutsame Dionysius hat jene .Erzählung weggeworfen. —
Man vergleiche was unter 251 und 252 erzählt wird: es ist das
nämliche Blutbad. *>ö) 300 Geisseln in den Jahren 251 und
259: II. 16. 22. prin cipes in 252. H. 17.
— 90 — [band II.]

sclieinlich wie verheerend die volskischen Eroberungen


waren.
Niemand wird bezweifeln dass diese sich, während
des latinischen Kriegs ausbreitoten : und es mag für sicher
gelten, sey es nun errathen oder überliefert, dass die La­
tiner zwischen Frieden mit Rom, der Anfangs die Zwecke
des Kriegs nicht gewährte, und einem angebotenen Bünd­
niss mit den Volskern wählten101). Diese konnten sich,
ausser durch die Einnahme von Antium, nur von ihrem
und der Herniker Gebiet vergrössern; und verlieissene
Entschädigungen auf Kosten des römischen Staats wären
wenigstens höchst ungewiss gewesen. Sobald der Friede
hergestellt war, versäumten die Verbündeten nicht ihre
Gränze zu befestigen. Signia muss während jener Jahre
da Rom keine Hülfe durch das feindselige Latium senden ioe
konnte, verloren seyn; denn es ward 269 neu gegründet,
und eine neue Colonie dorthin gesandt m). Es war aber
die wiedergewonnene Landschaft an Ecetraa) gekommen
gewesen93); welches, zwischen Signia und Forontinum
gelegen 94), wohl eben in jenem Zeitraum durch eine vols-
kisclie Colonie eingenommen war, und seitdem zur Mahl­
statt des volskischen Staats diente der sich" am Gebürg
bildete 95) : dessen Verfassung und Landrath wir uns ganz
wie für die latinischen Städte zu denken haben. Die
Ecetranor suchten Hülfe bey ihren entfornten Stamm­
genossen, oder fortgedrängte Aurunker erschienen unbe­
rufen in Latium, und drohten den Römern Krieg wenn
jene Landschaft nicht wieder geräumt würde: bey Aricia

191) Livius II. 22. öS) Livius II. 21. «) Sch wogier
II. 699. 93) Es hemt bey dems. II. 25. und Dionysius VI.
32. p. 366. c. den Eeetranern sey ihre Mark genommen: aie
ward angewiesen xX^pou^otg elg <pulax.y)v той Шиоид è m e / x ^ s t e t :
die Auruuker ijÇtouv (r. lP.) тѵ)ѵ <ppoupàv ànayayB Ïv : eine solche
<ppoupd sind Colonen in einer festen Stadt, [Th. 2. Anm. 81.],
nicht zerstreute Ansiedler. Der oben angenommene ZuHammen-
hang muss errathen werden, ist aber nicht zweifelhaft,.
94) Livius bestimmt den Orb einer Schlacht zwischen Forontinum
uud Ecetra IV. 61. 9®) Ort der vobkischen Concilia: Diony­
sius VIII. 4. p. 483. c. Livius III. 10. Lage: laeva a d m onlet
JEcetram p e r g u n t: dors. VI. 31.
[бі-NDII.] — 91 —
wurden sie von jenem Heer geschlagen, welches der Consul
Servilius grösstentheils aus Pfandlenten gebildet hatte.
Aber das Land räumten sie nicht; erst im folgenden Jahr,
260, ist Veliträ ihnen wieder entrissen worden. Dass
diese Stadt, welche sich auch unter den dreyssigen be­
findet, ursprünglich volskisch gewesen, ist eine eben so
107 verkehrte Vorstellung wie die nämliche Ansicht über An­
tium; es ist ganz unmöglich dass alsdann Cora, und die
entfernteren Städte Latium hätten angehören können. Der
Irrthum ist daraus entstanden dass diese Orte allerdings
nachher volskisch wurden, und es blieben bis alles weit
und breit unter römische Hoheit kam. Dass ihre Bürger­
schaft nicht von fremdem und feindseligem Stamm ge­
wesen seyn kann, zeigt der Wunsch den entvölkerten Ort
durch römische und latinische Colonen herzustellen, welches
262 geschah. Es gleicht keiner erfundenen Erzählung
dass damals nul* ein Zehntheil der Einwohner übrig ge­
wesen sey; aber eine Pest, welche einen einzelnen fern
vom Meeresufer gelegenen Ort also getroffen, sich nicht
über Latium und ßom erstreckt hätte196), ist eben so ein
Unding, wie es widersinnig ist dass Volsker Feinde zu
sich geladen haben sollten, anstatt jener aurunkischen
Volksgenossen, von deren Ankunft die Annalen selbst er­
zählten. Es ist offenbar die Kriegsnoth gewesen, welche,
erst bei der volskischen Einnahme, dann bei der Wieder­
eroberung, die Bevölkerung von Veliträ hingerafft hat.
Gleiches Schicksal wird Norba gehabt haben, das im näm­
lichen Jahr 262, um die pomptinische Landschaft zu be­
haupten , Colonen empfing 97).
Keines dieser Bollwerke wird unter den Orten genannt
welche Coriolanus und die Volsker in dem Feldzuge ein­
genommen haben sollen der in der geltenden Geschichte
los ohne Verschiedenheit und Zweifel in das Consulat des
Sp. Nautius und Sex. Furius gesezt wird. Von diesem
sollte man erwarten dass er der Skepsis welche die Glaub-

196) Dionysius VII. 13. p. 427. c. vgl. mit Livius II. 31.
welcher erzählt Veliträ ьеу erobert, und .die Colonie nach Roms
Beschluss hingesandtv 97) Ders. II. 34. arx in Pom ptino :
wonach der ager Pom ptinus die Gebürgshalde über den Sümpfen
dieses Namens ist.
— 92 — [band п.]

haffcigkeit der Geschichte der ersten vier Jahrhunderte


läugnet, nicht entgangen seyn, vielmehr dass er ihr als
ein augenscheinlicher Beleg ihres Urtheils gedient haben
würde; allein so flüchtig sind jene Betrachtungen unter­
nommen dass dies nicht geschehen ist. Völlig übergangen
wird die gänzliche Verschiedenheit beyder Geschicht­
schreiber über die Eroberungen, die sich bey Dionysius
zum Theil in grade umgekehrter Ordnung von der welche
Livius annimmt, folgen; da überdies jeder mehrere Orte-
nennt von denen der andre schweigt198). Solche Wider­
sprüche hätten nun eben nach den Maximen worauf jene
allgemeine Verwerfung gegründet ist entscheiden können
die ganze Erzählung als Fabel zu verdammen ; und in der
That kann nichts unglaublicher seyn als diese Verschieden­
heiten über die eroberten Städte, welche bey Alexanders
asiatischen Feldzügen nicht so sehr auffallen möchten,
aber in einer Geschichte wo keiner sonst mehr als die
Einnahme einer einzelnen Stadt darbietet nicht denkbar
sind. Gegen die Unglaublichkeit dass Tag für Tag ein
fester Ort eingenommen worden, ohne einen Versuch die m
Eroberer aufzuhalten, ohne dass ein römisches Heer nur
aufgestellt wäre; dass, bey der blossen Annäherung der
Feinde Senat und Volk die Verteidigung Roms auch nicht
als möglich gedacht hätten; gegen diese gehäuften Un-
glaublichkeiten wird das Befremdliche in der Nachricht
von Coriolanus ruhigem Greisenalter unbédeutend. Das
ist so unwidersprechlich einleuchtend, dass, wenn es noch
in unsern Tagen gläubige Anhänger der gewöhnlichen
Geschichte gäbe wie ehedem, selbst von diesen das Zu-
geständniss nicht schwer zu erlangen seyn könnte, es
müssten hier die Eroberungen mehrerer Jahre in ein ein­
ziges zusammengedrängt, und Niederlagen verschwiegen

198) Bey Livius: Satricum, Longula, Polusca, Corioli, Mu-


gilla, Lavinium, Corbio, Vitellia, Trebia, Lavici, Podum — bey
Dionysius: Toleria, Bola, Lavici, Pedum, Corbio, Carventum, Bo*
villä, Lavinium (wovon nur gesagt wird dass еь cingeschlosson
worden): dann während der dreyssigtägigen Friat, Longula, Sa­
tricum, Cetia (?) Poluaca, die Albieter (hier iat, wohl durch Dio
nyaius Schuld, das Wort Albensis versteckt ; welche» auf die Po-
luscaner ging), Mugilla, Corioli.
:[bàkd II.] — 93 —
seyn. Allein nicht zu erwähnen dass ein Theil jener
Widersinnigkeiten für den der sich nicht mit Ausreden
begütigen lässt auch so ungeschwächt fortbesteht, so ist
damit dem Ganzen nicht geholfen wovon jener Krieg einen
Theil ausmacht. Niemand wird es denkbar finden dass
die Yolsker ihre Eroberungen geräumt hätten, wenn auch
•das Heer, seinem Eid gehorsam, den befohlenen Rückzug
antrat: eben so unmöglich aber ist es dass sie, von Circeji
bis Bovillä und Lavinium, vor Sp. Cassius drittem Con­
sulat in der Gewalt der Eroberer gewesen wären. Dann
würde von einem Ackergesez gar nicht die Rede gewesen
seyn: die Allmende war verschwunden wenn Roms Gränze
bis auf die fünfte Millie zurückgezogen war; wie nachher
der Streit über das Ackergesez verstummte, als siegreiche
Feinde die streitige Landschaft eingenommen hatten. Die
Latiner, auf jene wenigen Städte um das Albanergebürg
beschränkt die eine lange Zeit nachher allein übrig waren,
ito und die ebenfalls herabgekommnen Herniker, umringt von
erobernden Nachbaren, hätten im vejentischen Krieg keine
Hülfsheere senden können. Waren die Eroberungen 266
vollbracht, wie nahmen denn die Aequer erst 26 Jahre
nachher ihr Lager auf dem Algidus, und von der Zeit an
alljährlich? Wie konnten die Römer nach zwanzig Jahren
Antium gewinnen, ohne dass sich eine Spur von vorher­
gegangener Wiedereroberung der vorliegenden Orte findet?
Ich will wenig Gewicht darauf legen dass Krieg mit
den Hernikern im Jahr nach solcher Demüthigung gar
nicht denkbar ist, da ich wenig Glauben an denselben
habe: verbürgen möchte ich auch nicht die historische
Wahrheit der Meldung dass ein sikeliotischer Fürst das
Getreide geschenkt habe, welches Coriolanus der Gemeinde
nur um den Preis der Aufopferung ihrer Freyheiten hätte
zukommen lassen wollen199); denn auch hier könnte ein
weit späteres Ereigniss, eine Freygebigkeit des ersten
Dionysius 200), auf ältere Zeiten zurückgeführt seyn. Ist
199) Dass der Senat solches Getreide batte, bezweifle ich
gar nicht, die Frage ist nur ob es ein Geschenk aus Sicilien
war. 200) im Jabr 344, 01. 94. 2. Livius IV. 52. nennt
SicvXorum ty ra n n i : es war aber damals Dionysius der einzige Fürst
in den Seestädten: und eben ihn nannten die Chroniken in der
Geschichte von Coriolanus.
—* 94 — [band п.]
aber dieser Umstand der Sage wohlgegründet, so kommt
zn erwägen dass Gelo damals noch nicht zu Syrakus
herrschte, welches, wie auch die grössten ändern Städte
der Insel, frey war; und es lässt sich keine Ursache er­
denken weshalb jener damals eine Gunst gegen die Römer
ausgeübt haben sollte, wozu der Beherrscher seefahrender Ul
Städte durch gemeinschaftliche Feindschaft wider die
Etrusker veranlasst ward201).
Die Anklage über jene abscheulichen Rathschläge
wird als Veranlassung des Plebiscite angegeben, welches
die Tribunen berechtigte den der ihre Verhandlungen mit
der Gemeinde störte auf eine zu verbürgende Geldbrüche
zu belangen 2). Da dies Plebiscit ein allgemeines Gesez
ist, so muss es jünger als das publilische, 283, kann aber
anch nicht viel älter als 293 seyn, in welchem Jahr es ш

soi) Dionysius, welcher jenen Anachronismus der ungelehrten


Römer verlacht, zeigt sich hier schlau, indem er Gelo nur den mäch­
tigsten unter den Fürsten in den sicilischen Städten nennt (VII, l.
p. 417. d.); der Leser selbst soll ihn sich schon damals in der
Grösse seines Königreichs denken. Ueber Gelos Geschichte findet
sich eine zwiefache, ganz entgegengesezte, Zeitrechnung, die sich
um 01. 75- 2. als einen Angelpunkt dreht, welches, oder der
Archon Timosthenes, für die einen (es genügt hier Diodor zu nennen)
sein Todesjahr, für die ändern (s. Corsini fa sti att. III. p. f70.)
der Anfang seiner Regierung zu Syrakus ist. Die lezte Angabe
hat für sich das grosse Gewicht der in aicilischen Sachen höchst
genauen panschen Chronik, der bis auf eine nicht erhebliche Ab­
weichung der Scholiast zu Pindar boystimmt, welcher Tirnäus zu
gebrauchen pflegt; den auch der Verfasser jener Chronik um
so gewisser vor Augen hatte, da seine Geschichte in demselbigen
Jahr endigte wovon die Chronik zurückzählt. Die Umkehrung
erklärt sich daher dass die Erzählung Glauben gewonnen hatte,
es hätten die Griechen an demselben Tage bey »Salamis und Ш-
xnera gesiegt: wo also OL 75. 1. innerhalb Gelos Regierung ge­
bracht werden musste. Auch dann über trift der Anfang seiner
Regierung zu Syrakus etwa in 01. 73- 3. oder 4: und Dionysius
übersah es nicht dass seine Synchronistic wonach 261, 01. l'£, 1.
war, nicht passt: auch um eine Olympiade berichtigt, reicht sie
nicht. Inzwischen war Gelo in der 73. gewiss Purst von Gela,
für die vorhergehende ist es nicht erweisslich. 2) Ders. VII.
17, p. 431. ö.
[bàkd II.] — 95 —

zuerst gegen Cäso Quinctius angewandt ward103). Jene


Anklage selbst gehört in ihrer Form den Yerhältnissen
an welche sich erst nach dem vejentischen Frieden, 280,
zeigten; wo die Consuln welche das Ackergesez unvoll­
zogen gelassen hatten, und nachher Appius Claudius, vor
das Gericht der Tribus gezogen wurden, von dem Corio­
lanus verurtheilt ward 4). Ohne Zweifel waren die Tri­
bunen a) von Anfang her dazu berechtigt gegen den der
auf Vernichtung der beschwornen Richtung angetragen
hatte; wie hätten sie es aber damals geltend zu machen
vermocht, da sie wenige Jahre nach dem worin die An­
nalen Coriolanus Verurtheilung sezten, den Vertreter ihrer
Rechte nicht retten konnten, und das Wahlrecht sich
mussten rauben lassen? Also wenn der Handel welcher
Coriolanus Unglück entschied zwanzig Jahre später gesezt
würde als es in der Geschichte angenommen ist, so wären
diese Umstände seiner Glaublichkeit nicht im Wege: und
dann fände sich auch eine Eungersnoth zu Rom unter
Umständen wo ein griechischer- König in Sicilien veran­
lasst gewesen wäre sich den Römern liebreich zu erweisen.
Seit 275, ungefähr, regierte zu Syrakus Hiero, welcher
nach dem Ruhm strebte der Etrusker Seeräuberey zu zer­
stören, ihnen sein Lebelang Feind war: in seine Zeit also
из fällt das Hungerjahr 278 6): er und die Römer hatten die
nämlichen Feinde. Bald nachher zeigt sich eine unmässige
Aufregung zwischen den Ständen, wo es ganz wahrschein­
lich ist dass im Senat ein Vorschlag geschehen mochte
wie er Coriolanus zugeschrieben wird, die Plebes aber
nun auch schon kräftig genug war um den welcher die

103) H ie p rim u s vades publico d e d it : Livius III. 13. Hierauf


eben ging das Gesez. 4) Dass dieses Gericht nicht auf die
Zeit passe wohin Coriolanus Process gesezt wird, hat Hooke er­
kannt; ein Mann von gesundem Gemüth und Urtheil, der fiey-
lich den Gedauken der Möglichkeit, das Chaos der Geschichte
zu ordnen, nicht fasste. a) Mommsen Röm. Forsch. 179, 209.
5) Ungefähr 01. 77- 4. — Diodors Zeitbestimmung von я
Hieros Seesieg über die Etrusker (01. 76. 2 ) muss auf dieselbe
Weise falsch seyn wie die von Gelos Tode: jener wird nach den
Jahren seines Königreichs angegeben seyn; das vierte desselben
wäre eben 01. 77. 4.
— 96 — [band iiJ
Grundgeseze abschaffen wollte zur Strafe zu ziehen. Auf
die nämliche Zeit passen einzelne Umstände, an sich von
geringer Erheblichkeit: die Feindseligkeiten gegen die
volskischen Antiater, wobey sich Coriolanus auszeichnet.
Dass sein Vergehen, die Strafe und die Rache, sich ein­
ander sehr nahe gefolgt sein müssten, wäre eine ganz
willkührliche Voraussezung: es können zumal zwischen
dem ersten und der lezten nicht wenige Jahre verflossen
seyn. Wenn sich dann findet dass die Volsker Isopolitie
und Zurückgabe einer durch die Römer gewonnenen Land­
schaft erlangten, so lässt sich darin das Gesez des Frie­
dens nicht verkennen welches Coriolanus vorgeschrieben
haben soll; so angemessen für jene Zeit als es dreyssig
Jahre früher, und wenn alles Land bis an die alte Pfahl
in seiner Gewalt gewesen wäre, sinnlos ist von Zurück­
gabe weggenommener Ländereyen und eroberter Orte an
die Volsker und Zurückrufung der Colonen zu reden6).
Erkennen wir endlich in dem Verzeichniss seiner Erobe­
rungen nur das eines Theils der volskischen, auf den
Römer, dessen Glanz der Eitelkeit sogar wohl that, über- щ
tragen, so ist, — damit in der ganzen, auf ihre wahre
Zeit zurückgeführten Sage nichts widersinniges mehr sey,
sie vielmehr mit den annalistischen Ueberlieferungen in
die vollkommenste Harmonie trete, sie ergänze und be­
lebe, — nur noch zu erklären wie er den Krieg gegen die
Vaterstadt führte.
Dies zu thun bleibt Vorbehalten bis ich die Sage in
ihrer ursprünglichen Gestalt, deren starke Züge unver­
kennbar erhalten sind, an dem Ort wohin sie gehört er­
zählen werde: dort wird sie selbst sich geltend machen:
nicht allein als eine ächte Ueberlieferung aus sehr alter
Zeit, die doch blosses Gedicht seyn könnte, sondern als
das wesentlich wahrhafte Andenken an einen grossen
Mann und grosse Dinge; wie es Jahrhunderte lang, ohne
dass die strengste Würklichkeit bezweifelt wäre, in der
Nation fortlebt’e, und mit der Geschichte der Verfassung
und Geseze verknüpft war. Und d|ese Erzählung würde

106) èàu ànoÔtâaxrt *PmßdXot OfyoAoô<rxotç y é p a v те


aôroùç à&yjруѵтаі, xal izéÀeiç oaaç хатё%оиаіѵ, dvaxakeedßsvoi
тодд àitoixouç — Dionysius VIII. $ 5 . p. 508. b.
[band II.] — 97 —
nichts als ein unhaltbares Mährchen seyn wenn ihre Glaub­
haftigkeit davon abhinge dass sie in jenes Jahrzehend ge­
höre, wo die überlieferte Geschichte sie hinstellt.
Eine lebendige Sage fand einen sichern Plaz in den
Annalen wenn ihr Held in den Fasten vorkam; war dies
nicht, so blieb sie schwebend ausser ihren Schranken, wie*
die von Papirius Prätextatus, wahrscheinlich auch die vom
Cipus; oder sie ward auf ganz verschiedene Zeitpunkte
215 bezogen, wie die von Curtius auf 310 und 385; oder irrige
Verbindungen und Folgerungen bestimmten sie an einem
ganz falschen Ort einzufügen: so ist es mit der von Co-
riplanus ergangen. Was nun hier den Irrthum veranlasst
hat, lässt sich unzweifelhaft entdecken. Wie allenthalben
Legenden über die Errichtung verehrter Gebäude ent­
stehen, so verband die Sage einen vier Millien vor der
Stadt an der latinischen Strasse gelegenen Tempel der
Fortuna muliebris mit jener von der Göttin der Fügungen
gesegneten Verwendung der Frauen. Man erlaubte sich
zu übersehen dass er doch nicht an der Stätte stand wo
Coriolanus sie empfangen haben konnte: da dieser, wie
die Sage sehr bestimmt erzählte, sein Lager fünf Millien
von Eom am cluilischen Graben genommen hatte207); näm­
lich an der alten inaugurirten Gränze die einst römisches
und albanisches Gebiet sonderte, welche er nicht über­
schreiten konnte ehe die dreyssig und drey Tage um waren,
und der Krieg erklärt8). Auch kennt Livius sein Lager
nur hier, und es ist baare Verfälschung dass ihn Diony­
sius dasselbe während der drey lezten Tage eine Millie
näher nehmen lässt, damit es an die Stelle jenes Tempels
komme 9). Es ist sehr möglich dass die Frauen in diesem
das Andenken ihrer gesegneten Fürsprache mit Dankopfer
feyerten: die Huld der Gottheit hatte sich an jenem glück­
lichen Tage kund gethan; es mochte das nächste zu jener
Feyer geeignete Heiligthum seyn. Doch die Fortuna mu­
liebris ist nicht erst damals erdacht* worden, sondern
nothwendig eben so früh wie die Fortuna virilis, deren
ne Tempel schon Servius Tullius errichtete, als ihr Gegensaz:

207) Ders. VIII. 22. p. 496. e. Livius П. 39. 8) Th, I.


S. 385. 9) Dionysius VIII. 36. р. 50Э. b.
Ni«buhr, Köm. Gesch. 7
—' 98 — [band п.]

hier wohl nicht weil die römische Theologie alle Gott­


heiten in zwiefacher Persönlichkeit, männlich und weib­
lich, dachte, — denn da würde sie wohl nicht ange­
standen haßen die eine dieser Ideen als Fortunus zu be­
zeichnen210); sondern weil Fortuna, die Beschränkung der
allgemeinen Naturgeseze des veränderlichen Lebens durch
Individualität, Ereignisse und Schicksale, nach dem Wesen
beyder Geschlechter so verschieden ist dass jedes für sich
die Macht anbetete welche über sein Geschick waltete.
Einen Ort ausser dem Pomörium scheint die Religion für
das Heiligthum jener Gottheit vorgeschrieben zu haben,
weil der Tempel der Fortuna virilis auch vor der Stadt
lag: die so weit entfernte Stätte des ändern mag höchst
zufällig gewählt seyn. Dass aber hier keine Beziehung
auf die Gesandtschaft der Matronen bestand a) , zeigt das
Wesen des Tempeldienstes, von dem alsdann Wittwen
nicht eben so wie wiedervermählte hätten ausgeschlossen
seyn könnenn), da doch der greisen Mutter Veturia,
welche offenbar als Wittwe gedacht wird, die Erweichung
des Felsenherzens verdankt ward : ja ■es wird jeder ein­
gestehen dass sie oder Volumnia die erste Priesterin hätte
seyn müssen, nicht jene Valeria; die offenbar durch eine
schiere Erfindung, nur um zu erklären wie sie und nicht
eine von jenen beyden Frauen als solche in den Büchern
der Pontifices genannt ward, als Urheberin des Raths 117
dargestellt wird. Denn allerdings ist die Nachricht dass
sie dort, als nur noch der Altar errichtet war, das erste
Opfer an den Kalenden des Decembers 267 darbrachte,
der Tempel selbst durch den Consul Proculus Virginius
am Vorabend der Nonen des Quinctilis 268 geweiht sey,
ohne einigen Zweifel aus diesen Schriften genommen,
welche Dionysius ausdrücklich für das Wunder anführt
so sich daselbst mit dem von den Matronen geweihten

210) ln der Art wie wahrscheinlich Vertumime und Voltumna:


wo einer von den Namen wohl etwas verdreht ist. — Vgl.
Th. I. S. 463. «) Schwegler II. 383. A. 2. # u) Man
sage nicht dass Mutter und Frau ihrem Geliebten in das Elend
gefolgt seyn könnten; das Gegentheil, ewige Trennung, wird
offenbar vorausgesezt ; auch vorher hatten sie ihn nicht begleitet.
[bakd II.] — 99 —
Bilde ereignet habe212). Sobald Coriolanus Zug durch die
als unzweifelhaft geglaubte Beziehung auf jenes Opfer der
Yaleria festgestellt schien, ward seine vorhergegangene
Geschichte über drey Jahre vertheilt, auf welche dasjenige
in dem er vor Eom erschien unmittelbar folgt: denn die
Consularjahre 264 und 265 fehlen bey Livius nicht durch
einen Irrthum, sondern die Fasten denen er folgte schliessen
sie aus 13). So werden Marcius Thaten vor Corioli und
gegen die Antiater in 261 gesezt: seine Versündigung in
262, das Gericht und die Verbannung in 263. Doch
Corioli beschwor 261 den Bund mit Eom als latinische
Stadt, kann also damals weder den Antiatern gehört, noch
ns von den Eömern angegriffen seyn14): und Livius selbst
sagt eigentlich mit klaren Worten dass die alten Annalen
unter jenem Jahr in der That nichts von einem Kriege
gewusst hätten. Die Sage hatte den Kriegszug ohne alle
Zeitangabe gemeldet; als diese Ereignisse annalistisch
geordnet wurden musste er vor 262 gestellt werden, in
welchem Jahr Coriolanus diesen, wie man glaubte durch
jene Thaten erworbenen, Namen schon trug, also 261.
Sie sah nur ihn in demselben: allein es konnte nicht
fehlen dass ein Annalist erwog, wer selbst keine Auspicien
gehabt könne nur unter denen einer Obrigkeit im Felde

212) (jjç а І t ü j v i e p o p a v r ü v n t p i é ^ o v a i y p a t p a i : Dionysius


VIII. 56. p. 525. e. Іврснраѵтаі sind die Pontifices: II. 73. p.
133. a. vgl. Sylburgs Index. Jenes Wunder, welches auch bey
Valerius Maximus 1. 8, 4. vorkommt, ist merkwürdig als ein
Beleg, unter mehreren, für den Glauben, bey der Einweihung
nehme die Gottheit sich das Bild zum Leibe an, und wohne darin.
13) Für mich beweisst dies Sigonius in der vortrefflichen
chronologici Liviana S. 89. (Drakenb. VII.): wen er nicht über­
zeugt der darf wenigstens die Auslassung nicht als Schuld der
Abschreiber betrachten. 14) Auf dergleichen wird immer
weiter fortgebaut. Wie es auch mit dem Zeugniss beschaffen
seyn mag womit P. Scaptius über die öde Feldmark von Corioli
eich aufgedrungen haben soll, so hat man nur nach der Voraussezung
•es sey 261 erobert worden ausgerechnet, dass der, welcher 308
im 83 Jahr stand, damals den zwanzigsten Feldzug gemacht habe:
nämlich er wäre 226 geboren, und mit dem 17. in die Legion
getreten. Mit solchem Tand wird man in unsern Tagen nicht
mehr versuchen das Unmögliche zu stüzen.
6*
— 100 — [band п.]
erschienen seyn; keinem der Consuln des Jahrs 261 war
ein Feldzug gegen die Volsker zugeschrieben: aber der
Name des Post. Cominius kam in der römische** Urkunde des
latinischen Bundes nicht vor: also ward gefolgert, er werde
damals gegen die Volsker, und Coriolanus unter ihm ge­
standen haben216). So ganz willkührlich ist die geltende
Erzählung gebildet. Indessen erhielt sich daneben eine
Gestalt der alten Sage ; denn etwas anderes ist die Ge­
schichte nicht dass Coriolanus eine Schaar Freywilliger
versammelt und gegen die Antiater geführt habe, welche
Dionysius, auf jede Erzählung geizig, neben der gewöhn­
lichen anbringt16).
Die wahre Geschichte über jenes Jahr 266 hat sich ш
ungeachtet der Einschaltung erhalten. Nachdem Livius
diese in ihrem Reichthum erzählt hat, fährt er in anna-
listischer Kürze fort: als Coriolanus das Heer zurückgeführt,
wären Aequer und Volsker unter Attius Tullius17) wieder
in Latium eingefallen: jene hätten dem Feldherrn der
Volsker den Gehorsam verweigert, beyde ihre Waffen gegen
einander gewandt, den Römern zum Schauspiel und zur
Freude 18). Das ist nichts als die ächte Anzeichnung,
vertragen mit der Erzählung wodurch sie leicht ganz hätte
verdrängt werden können; aus der nämlichen Ursache ist
angenommen dass jener Volsker dem Coriolanus als College
für den römischen Krieg beygeordnet gewesen. Worauf
Nachfolgende immer weiter erfunden haben, denen es eben
so natürlich schien dass er die Erhöhung des Fremden

215) L iv iu s IL 3 3 . 16) Dionysius V II. 1 9 . p. 4 3 3 . a.


17) Tullius und Tullium ist die sichre Schreibart dor besten
livian b ch en Handschriften, und Tulli (IL 3 5 . 7 .) nur dio alte Ortho­
graphie des Genitivus. Zonaras hat auch ^Аттеод Т и Х Х ю д , und
Plutarch in Ciceros Leben nur umgestellt und leicht verschrieben
TuXXtog ”Atctzioç. Im Coriolan hat er Dinnysiu» vor Augen, der
jenen, damit nicht ein Gentilnamo statt des eigenen siehe, TuXXog
*А т т ш д nennt. E s mochte ihm auch schwerlich bekannt seyn,
dass die Eigennam en bey den öskischen Völkern dor Regel nach
bey den Röm ern gontilicische sind, wie Pacnvius, Statius, G elliu s:
um nur solche anzuführen die, wie Attius selbst, in der Literar-
gesch ichte berühmt geworden. 18) Rediere demde Volsci,
adiunclis Äequis — cet. L ivius II. 4 0 .
[band II.] — 101 —
scheelsüchtig betrachtet, als dass dieser für die Verscho­
nung Roms mit dem Leben habe büssen müssen.
Dies ist eine schwere Versündigung an einem Manne,
120 von dem das missmuthige Stillschweigen der römischen
Chroniken nur ein allgemeines Andenken auf uns hat
kommen lassen: dass er glänzend als König über die
Volsker geherrscht habe219): nämlich durch Wahl, wie es
allgemein bey den italischen Völkern anzunehmen ist. Es
ist um so wahrscheinlicher dass Cicero ihn vorzüglich im
Sinn hatte, wo er den Volskern grosse Männer zuschreibt,
da er selbst für dessen Geschlechter gehalten ward20) :
und nicht zufällig kann seine Lebenszeit mit dem Ein­
dringen seiner Ration in Latium Zusammentreffen. Nicht
auf immer soll es dem römischen Groll gelungen seyn ihm
diese Lorbern zu entwenden, und seine Erwähnung darauf
zu beschränken dass ihm in jenem Feldzug der Sieg durch
Eifersucht vereitelt worden: und wohlverdient, indem er
sein Volk durch Arglist bewogen gehabt, die Waffen
gegen Rom wieder zu ergreifen.
Die grossen römischen Spiele wurden nach dem Frieden
mit den Latinern wiederholt, weil ihre Feyer während des
Kriegs durch ein plözliches Geschrey zu den Waffen unter-
121 brochen war21): da begab es sich dass, als der Circus
219) ßaaiXeuaavта Харлгршд èv OôoXouaxoig : Plutarch,
Cicero p. 8 6 1 . e* Im Coriolanus liat er das nämliche im Sinn,
wagt aber nur auszusprechen : d^tw ßa £%cov ßaotXixbv èv tzüglv
OboXoùaxoig: p. 2 2 4 . b. Nämlich ihn hemmt D ionysius, der
diesen Attius nur als Bürger von Antium darstellt: denn freylich
übersah der nicht w ie unglaublich es laute dass dem Könige
ein College gegeben s e y : und dieser* eiu fremder Verbannter.
20) Plutarch, a. a. 0 . Dass Cicero selbst über diese angebliche
Abstammung schweigt beweiset nicht dass man sie erst später
ausgedacht ; er mochte ihrer sogar gern gedenken, allein es schloss
ihm der fatale V orw urf der Peregrinität, und der Vorw urf er
spiele den K ö nig (regnare eum Rom ae : s. die Planciana), den
Mund. 21) Cicero de divin. I. 2 6 . (4 5 ), wo die folgende
Wundergeschichte ganz wie von Livius und Dionysius erzählt wird.
Macrobius Saturn „ I. 1 1 . ( L p . 2 4 5 . Bip.) hat andre Namen, und
eezt sie um volle 2 0 0 Jah re später: denn C C C C L X X IV der alten
Ausgaben und Handschriften ist nur um einen Zehner unrichtig.
Auch hier ist eine Geschichte die einst unabhängig von den
Pasten in unbestimmter Zeit schwebte.
— 102 — [band ii,]
schon durch den Zug der Götterbilder geweiht war, ehe
die Wettkämpfe anhuben, ein zum Tode verurtheilter
Knecht mit Geisselhieben durch denselben getrieben ward;
nach der Zeit aber die Stadt von Seuchen und Misgeburten
heimgesucht, und von Gespenstern geängstigt; und die
Zeichendeuter wussten -keinen Eath. In dieser Trübsal
erschien Jupiter als Traumgesicht einem Landmann T. La­
tinius222), und gebot ihm vor die Obrigkeit zu gehen und
ihr anzusagen: der Yortänzer habe ihn geärgert. Furcht­
sam vor der stolzen Herren schnöder Begegnung gehorchte
Latinius nicht, nnd empfand durch seines Sohnes gäben
Tod, wie theuer die zornigen höheren Mächte die furcht­
bare Ehre erkaufen lassen ihrer Geheimnisse Vertrauter
zu seyn. Zum zweytenmal erschien der Gott, wiederholte
sein Gebot, und dräuete unmittelbare Heimsuchung: noch
fasste der Blöde nicht Muth, und ward von schweren
Gichtein auf das Lager gestreckt: da vertraute er sich
Vettern und Freunden; sie trugen ihn mit seinem Bett
auf das Forum, und nach der Consuln Geheiss, ihnen fol­
gend, in die Curie. Sobald nun Latinius hier soino Bot­
schaft verkündet hatte, verliess die Krankheit seine Glieder ;
er erhob sich und ging genesen heim. Zur Sühne der Ent- m
weihung wurden die Spiele mit grösserem Pomp als je zuvor
wiederholt, sie zu verherrlichen die Völker weit und breit
zum Schauen geladen: während ihrer Dauer herrschte ein
Gottesfriede: die Volsker zumal, welche seit dem unglück­
lichen Ausgang der Feldzüge um Veliträ und in dur pom-
ptinischen Landschaft, die Waffen niedergelegt hatten,
kamen in grossen Schaaren. Sie waren taub gewesen für
Tullius Ermahnungen das Glück wieder zu versuchen;
deshalb ersann er eine List, auch wider ihren und der
Eömer Willen den Krieg wieder anzufachen. Er warnte
die Consuln sie möchten vorsehen dass von seinen Lands­
leuten nichts verübt werde was ihnen Fluch bringen, und
den Frieden unherstellbar brechen würde: bestürzt Hess
die römische Obrigkeit sogleich ausrufen dass jeder Volsker
welcher sich nach Sonnenuntergang in Eom antreffen Hesse,
geächtet sey. Wüthend über die muthwillige Beleidigung

222) So ist bey Liyius herzustellen, statt T i, Atinius.


[band п.] — 103 —
wanderten die Fortgewiesenen aus dem capenischen Thor:
dem Spott der Heimgebliebenen entgegen. Der Fürst er­
schien in ihrer Mitte, reizte Zorn und Rachelust : am Quell
der Ferentina, wo sie sich zur Nacht lagerten, empfing er
ihren Eid die Schmach zu rächen; ein allgemeiner Tag
der Nation erklärte den Krieg. Dieses Ereigniss wird in
das Jahr 263 gesezt.
Die Eroberung von Circeji, welche abgesondert von
den übrigen die Coriolanus zugeschrieben werden, unter
265 oder 2 6 6 r erzählt wird223), mag eine der ersten dieses
123 Kriegs gewesen seyn. Die römischen und latinischen Co­
lonen wurden von dort vertrieben, aber volskische nahmen
ihre Stelle ein 24). Wie nun die Colonie welche im hanni-
balischen Krieg ihre Verpflichtung gegen Eoms Hoheit
aus den Augen sezte nicht mehr jene des Tarquinius, son­
dern die im Jahr 362 hergestellte war, so bezweifle ich
nicht dass es sich auch mit Norba’ ebenso verhielt; nur
ist die Gründung derjenigen welche dort angesiedelt ward
nachdem der Volsker Macht gebrochen war, nicht in der
Geschichte erwähnt; vielleicht war sie das Werk der La­
tiner allein, in der Zeit der Unabhängigkeit ihres her­
gestellten Staats, wo auch Setia Colonen empfing 25): und
Cora wird eben damals eine eigentliche latinische Colonie
geworden seyn; in einer ganz ändern Eigenschaft als 252
wird sie 539 also genannt. Die Lage dieser Orte sezt es
ausser Zweifel dass sie alle in der Volsker Gewalt gewesen
seyn müssen als diese auf der Höhe ihrer Macht standen:
doch konnte Attius Tullius auch ohne sie sämtlich ein­
genommen zu haben sich den Weg nach Antium öffnen.
Die Chroniken welche, historisch oder nach einer kundig
gebildeten Sage, meldeten, es wären Hülfsvölker von An-

223) B e y Dionysius entlässt Coriolanus das Heer nach dieser


Eroberung bis zum folgenden Feldzug. 24) Wenn ders. V III.
1 4 . p. 4 9 0 . e. sagt es sey niemand vertrieben worden, so geht
das nur au f die alten T yrrhener: was Livius erzählt, colonos Ro­
manos expidit , versteht sich von selbst: über die volskische Co­
lonie schreibt der Grieche richtig дХіууѵ ßotpau èv r 9j TtöXst
хатаХѵкшѵ • — Colonen als (ppoupd . L iv iu s verkennt dass Cir­
ceji erst damals volskisch ward. 26) L iviu s VI. 3 0 . V elle-
ju s I. 1 4 .
— 104 — [band H.]

tium mit den Latinern in der Schlacht am Begillus ge­


standen, und nach derselben ein volskisches Heer er­
schienen226), unterschieden damals Antium als nicht vols­
kisch; die Gräuzen für die Zeit wo es sich ergeben, sind 124
das Jahr 263, als der Anfang des Kriegs des Attius
Tullius, und, wofern die Erzählungen bey Dionysius irgend
einen Glauben verdienen, 269, in welchem Jahr und 270,
der Siz des Kriegs wider die Volsker in der antiatischen
Landschaft war 27). Longula hätten sie damals noch' nicht
eingenommen gehabt28). Za Antium ward eine volskische
Colonie angesiedelt, welche, als die Stadt 286 an die Eömer
überging, zu den Landesleuten zog 2£)). Sie wird Besazung
genannt, wie die Colonien des alten römischen Rechts 80) :
und den Aequern zugeschrieben, welche, noch mächtiger
und furchtbarer als die eigentlichen Volsker, immerfort
mit diesen, die freylich ihre Stammgenosson, und ohne"
Zweifel mit ihnen durch Landrecht wie damals durch ein
Waffenbündniss vereinigt waren, verwechselt werden. Von
den Aequern heisst es dass sie 273 eine latinische Stadt,
Ortona, belagerten. Ich wiederhole nicht was über dio
einzelnen Feldzüge gegen beyde Völker orzählt wird; der
stete Anspruch auf Siege ist lächerlich, da nicht dio aller­
geringste Frucht derselben angegeben wird: für unsre un­
befangene Erwägung ist es vielmehr gewiss, dass jene
fortschreitend Grund gewannen. Roms Zerrüttungen, die
usurpirte Ernennung der Consuln, in donon dio Gemeinde 12
keine Obrigkeit erkannte, woher bald die Bildung der Le­
gionen gehindert ward, bald die ins Feld geschickten
ihren Dienst weigerten, — endlich der vejontische Krieg,
schwächten oder vernichteten den Beystand den Latiner
und Herniker von ihren Eidsgenossen erwarteten. Nur

226) D ion ysius V I. З. p. 3 4 3 . a. 1 4 . p. 3 5 2 . a. 27) Ders.


V I I I . 8 2 . p. 5 4 8 . d. 8 4 . p. 5 5 0 . c. ff. 2 8 ) Dor«. V III. 8 5 .
p . 5 5 1 . d. 2 9 ) S i e werden dargestellfc als V o lk ohne E ig en ­
thum , w äh ren d .d ie welche dieses hatten zurückgeblieben w ären:
B e rs . IX . GO. p. 6 1 6 . d. (vgl. Livius III. 4 .) — E s öind keine
andre als die Aequer yuXaxrjg ёѵеха карбѵтед, welche aus der
Stadt ab zieh en : IX . 5 8 . p. 6 1 5 . b : ihr Eigoathum ging verloren :
den alten Antiatern blieb das ihrige. 8Ü) Oben S . 5 1 .
Anm . 8 2 .
{band и.] — 105 —
<3urch einen Waffenstillstand ist es begreiflich dass sie
hinwieder den Römern 274 gegen Veji zuzuziehen ver­
mochten ; auf einen solchen müssen sie auch gebaut haben
da ihre Völker den Krieg 279 entscheiden halfen. In­
zwischen hatten doch die zurückgebliebenen Wehrhaften
einen Angriff abschlagen müssen: auch der Consul Sp.
Nautius führte ihnen eine römische Legion zu, und die
vereinigten Heere übten rächende Verheerungen. Aber
•solche Vortheile wandten den Gang des Krieges nicht,
noch stellten sie den Frieden her.
Wenn nun auch andre Völker sich ruhig hielten, nur
Aequer und Volsker an verschiedenen Gränzen abgewehrt
werden mussten, so versagte doch einer der wesentlichsten
Vorthei'le welchen die Uebertragung der höchsten Gewalt
an zwey Collegen zu gewähren schien: der, dass die Re­
gierung, ja die Rechtspflege, nicht unterbrochen werde.
Auch jezt war ein Statthalter231) nöthig, der ihre Gegen­
wart erseze, wie einst für die Könige : aber die veränderten
Verhältnisse führten auch für sein Amt Aenderungen herbey,
126 durch deren Entdeckung, und die Erforschung der Befug­
nisse des Amts, die Geschichte wesentlich vervollständigt
und erhellt; eine Entwicklung der Verfassung weit über
den Zeitpunkt hinauf wo sie zu beginnen scheint .er­
kannt wird.

2S1) Der Statthalter in schweizerischen Republiken ist der


welcher das abwesende oder sonst behinderte Standeshaupt ver­
tritt: dass man im übrigen Deutschland gewohnt ist sich unter
diesem Namen nur den zu denken der eine Provinz für seinen
Fürsten regiert, kann den Gebrauch eines W orts nicht unange­
messen machen, welches um so willkommuer ist als es schlep­
pende oder uneigentliche ersezt. P r ä f e c t d e r S t a d t kann um
so weniger vorgezogen werden, da sich dabey eben für den G e­
lehrten die Vorstellung an das später völlig verschiedene Am t
einspielt, und der Statthalter wenigstens bis zum Decemvir&t
nicht einmal so , sondern custos urhis hiess. Diese Benennung
erlaube ich mir zuweilen durch V o g t e y d e r S t a d t zu geben;
in dem Sinn wie der Vormund Vogt heisst, und der Schirmherr
von Klöstern und Kirchen.
— 106 — [band IT.]

Das Statthalteramt.
So oft die Könige im Felde standen, wurden sie zu
Rom durch den ersten Senator vertreten, der, wie sie,
Eigenthum und Besiz gewährte, und in dringenden Fällen
Vorsorge traf282). Auch jene Zeiten des Glanzes können
nicht ohne Wechsel des Glücks gewesen seyn; hat innere
oder äussere Gefahr gedroht, so ist der Statthalter ohne
allen Zweifel befugt gewesen Völker auszuheben und zu
bewaffnen, den Senat zu berufen, und die Curien abstimmen
zu lassen 8S): dies alles muss Tacitus unter jener Vorsorge
für dringende Fälle begriffen haben. Es versteht sich dass,
was verschoben bleiben konnte, die Rückkehr des Königs er­
warten musste. Die Erzählungen vom Ursprünglichen und den 127
Umwandelungen der Verfassung berichteten: als der Senat
nur noch aus hundert Männern bestanden, wäre einer von den
Decemprimi vom Könige zum Princeps des ganzen Senats
erkoren, und ihm jene Vogtey .der Stadt aufgetragen wor­
den34): mithin gehörte derselbe nicht nur nothwendig zu
der Decurie der Interregen, sondern der custoa urbis, wie
jener Statthalter genannt ward36), war der erste in der-
282) qui i m redderet, ac m bitis m ederetur : Tacitus A n n .
V I. 1 1 . S8) Th. I. S. 5 7 3 ist gezeigt, dass die angebliche
B era th u n g der vier Röm er gegen die Tarquinier einen Senats-
besch lu ss, gefasst unter dem Vorsiz des Statthalters Sp . Lucre­
tius», darstellt. 8i) èx ôltz&vtü)v ëua тdu йрштоѵ à7tédbtÇev
ф ràç хата näh» фгто двЪ è-xirpéneiv оіхоѵо/лсад, оте аЬтЬд
èÇ àyoi атратіаѵ Ькербрюѵ. Dionysius II. 12 . p. 3 5 . e. E r er­
kennt den Unterschied dieses ersten, und neun anderer, von den
übrigen neunzig, und den Vorrang jen er D ecurie; martert sich
aber um den Senat der hundert mit drey Stämmen und dreyssig
Curien zusammenzufugen, indem ihm nicht ahndet dass bey jener
Zahl nur an zehn souveraine Curien zu denken ist. — A uch Lydus
sag t vom Präfecten : dç 7rpwTEuecp Trjç 'Pwßalwv yepoucriaç
краІрЕтаи de mensib, 1 9 , 8б) Lydus а. а. О. ъроЕащ аато
(ô Noufxäg) тЬѵ т yjç 7toàeùjç (pûXaxa. — Ders. de magistrat . I. 3 8 .
forap%oç — custos urbis 7zpoçayopEuofiEvoç. — Dies ist alao in
den von Drakenboreh (de praef. urb. p . m. 3 .) gesammelten
Stelle n , die e ig e n tü m lich e uralte Benennung: deshalb, als edel,
gew äh lt.
[band ii.J — 1Ѳ7 —
selben. Daher hält Sp. Lucretius, der jenes Amt bekleidet,
als Interrex die Wahlen der ersten Consuln236).
Die Eechtsbücher machten den Unterschied, der einst
zwischen den beyden ersten Stämmen in der Art bestand
dass die Geschlechter der Tities als mindere geachtet
wurden, auch dadurch kenntlich dass sie erzählten: nach
Numas Tode wären die Interregen aus den grösseren Ge-
128 schlechtem gewesen, also damals den Ramnes Z7y. und dass
der Vogt, welcher als der erste, von Romulus erkorene,
genannt wird zu ihnen gerechnet sey, bewährt zur Genüge
sein Name 38). Eben so aber ist ferner die Erzählung
dass Tullus Hostilius diese Würde dem Fuma Marcius
verliehen habe, hinreichend die Ansicht darzuthun dass
auf der Entwicklungsstufe, welche mit dem Namen seiner
Regierung bezeichnet wird, die Geschlechter der Tities
denen des ersten Stamms in der Weise gleichgestellt
wurden dass auch sie ihre Stellen in der Decurie der
Interregen hatten, und einer derselben erster Senator
seyn konnte39). Diese Angaben schreiben sich höchst
wahrscheinlich von Gracchanus her. Eine andre, die doch
auch aus ihm hergeleitet werden könnte, und Numa als *
Urheber des Amts nennt40), ist auffallend : es hat die
Ueberlieferer solcher Meldungen, die sie ganz gläubig
vortrugen, doch befremden müssen dass unter der Herr­
schaft ungestörtes Friedens dazu Veranlassung gewesen.
Sollte nun nicht Numa Pompilius, als ernennend, nur durch
Schuld eines der vermittelnden Schriftsteller anstatt des
ernannten Numa Marcius stehen, so möchten die pontifici-
schen Bücher damit angedeutet haben dass, ehe die Sena­
toren der beyden Stämme sich gleichgestellt wurden, auch
unter еіпещ. König aus dem satanischen, die Statthalter­
schaft einem Ramnes Vorbehalten gewesen ist. Ein dritter
129 aus der Könige Zeit, welcher den Luceres angehört hätte,
wie jene beyden unverkennbar den grösseren Geschlech-

236) Als Interrex, Dionysius IV . 8 4 . p. 2 7 6 . b. als P r ä -


fectus urbis, Livius I. fin . 37) èx rwv пре^ит вріоѵ , D io­
nysius III. 1. p. 1 3 6 . c. 38) Denter Romulius : Tacitus Annal.
V I. 1 1 . 89) Tacitus а. а. О. — Numa Marcius kommt, frey­
lich in eine ältere Zeit hinaufgesezt, als Sabiner bey Plutarch
v o r: Numa p. 6 3 . a. 40) Lydus de mensib. 1 9 .
— 108 — [band XX.]
tern, kommt nicht vor: konnte es auch nicht, da die Se­
natoren des dritten Stamms diesen so weit nachstanden.
Ich kenne keine Stelle in den Schriften des Alter­
thums welche ein so weit verbreitetes Bäthsel lösste, dessen
Wort sonst niemals durch Scharfsinn oder Glück zu finden
seyn würde, als jene Meldung Ciceros dass die Stimmen
der mindern Geschlechter nach denen der grösseren erfragt
wurden241>: wir verdanken es dem der so herrliche Trümmer
des Werks von der Republik aus dem Todtenroich ans Licht
gebracht, wenn wir viele Erwähnungen die in beyden Ge­
schichtschreibern erhalten sind; ganz anders als sie ver­
stehen. — Zu allen Zeiten haben alte Rathgeber das Vor-
urtlieil für sich gehabt weiser zu seyn als die Jugend:
so denkt Thukydides; und Relmbeams Schaden wird den
Rathschlägen seiner Altersgenossen zugoschrieben : und
obwohl die Allgemeingültigkeit dieses Sazes zweifelhaft
seyn mag, so gehört er zu denen welche beyde Geschicht­
schreiber Roms, wie geistreich sie auch waren, unbedingt
für wahr halten mussten. Indem nun der Doppelsinn der
Worte maiorea und m inores die Deutung möglich machte
dass unter den lezten, welche in der Geschichte mit allen
Fehlern auftreten die der Jugend zugeschriebon werden,
heftig und voll blinder Leidenschaft, jüngere Männer zu
verstehen wären, so dachte keiner von beyden an die
Möglichkeit eines ändern Sinns, noch daran dass im Se­
n a te s , ehe seine ursprüngliche Einrichtung sich ganz ver­
ändert hatte, niemand seyn konnte der nicht an Jahreniso
zu den Seniorea gehörte; — und bey Livius vertauschte
sich das für den Jüngern nicht mehr sehr gewöhnliche
Wort m inores mit iunioree. Wie nun hierüber jezt Licht
aufgegangen ist, finden wir in Dionysius nicht nur jene
Erwähnung in einem Beyspiel bestätigt, wo es heisst dass,
nachdem die Majores abgestimmt, die Reihe an die Mi­
nores gekommen sey42) : sondern wir können auch aus
ihm selber, in einer ändern Notiz die das Gepräge jener
ganz vortrefflichen Berichte über das alte Staatsrecht

241) Cicero de re p . II. 2 0 . 42) Dionysiue V I. 6 9 . p»


3 Ö3 . d. ё я et ôè al тшѵ izpEaßüTEpw yvtbfxai r fj Mtvuxiou 7tpoç-
éÜEVTo, x al хаЩхЕѵ ô Xôyog ènl robg vewrspoug, d v ia ra ra t
Znôptog NauTtog.
[band II.] — 109 —
trägt, erkennen dass Macer, — nach welchem er, wie
anzunehmen ist, die Verhandlungen über die Aussöhnung
mit der Gemeinde ausbildete, — einer ändern noch grösseren
Zurückstellung der Minderen nicht eingedenk war, indem er
Sp. Nautius eine Rede in den Mund legte. Sie waren aber
nur berechtigt mit stummem Munde dem Antrag des Con­
suls beyzutreten oder ihn zu verwerfen243): ich sage, ihm
beyzutreten; denn ohne Zweifel waren sie jene senatores
peclarii, deren Name, nach dem Schicksal so vieler Benen­
nungen in der wandelbaren römischen Verfassung, später
auf eine ganz andere Klasse übertragen ward die ihr Ver­
hältniss eingenommen zu haben schien: auf diejenigen
welche noch keine curulische Würde bekleidet hatten 4A).
13l Eine Beziehung der man bey dieser Auslegung gefolgt
seyn mag, war, dass ein Geschlechter von den Minderen
das Recht seine Meynung auszusprechen erhielt wenn er
Consular war. Denn nicht nur waren sie ursprünglich,
gleich wie die Plebes, im Quatuorvirat vertreten, sondern
das Consulat des M. Horatius und nachher das von jenem
Sp. Nautius beweisen dass es Consulare aus ihrer Mitte
gab. Allein sie standen doch denen aus den grösseren
Geschlechtern in der Ehre nicht gleich: zuerst wurden
im Senat die Consulare aus diesen gefragt: nach ihnen
die von den mindern, und die übrigen Senatoren aus den
grossen : worauf endlich die gemeinen Rathsherren aus
den mindern Geschlechtern zum schlichten Abmehren auf­
gerufen wurden 45).

243) Ders. VII. 47. p. 453. с. твХгитасос {йѵіатаѵто) ol


v e w T a z o t, X ayov ß kv o àâ éva X éyo vreç — èn exu pou v âè ràg
x s t / j ê v a ç U7ZO twv u ~ à r w v yvajfiaç. 44) Gellius III. 18: der
sich ohne Grund über den Namen wundert, da das Abmehren
in der Curie oft allgemein durch Auseinandertreten geschah:
nicht bedenkt dass er für die wohl passte welche nur einer Mey­
nung beytreten, nicht aber eine Stimme abgeben konnten.
45) Dionysius VII. 47. p. 453. с. ттрштоі o l кресг/Зитатос tùjv
йжатсхйѵ ( c o n s u l a r e s 7 n a io r u m g e n t i u m ) x a X o u / x s v o t x a r à tuv
s lc ü & o r a x o c ß o v Ü7id t &v b i z ä r m v , йѵіатаѵто * ётгe i r a o l toutcou
Ькодвёатерос хат äß<pa) тайта ( c o n s u l a r e s m i n o r u m g e n t i u m ,
s e n a t o r e s q u e m a i o r u m ) , теХвитасос â k o l ѵештатос ( s e n a t o r e s e
m i n o r i b u s ) X. t , X. Wenn ich das undankbare Geschäft über­
nähme Dionysius zu übersezen, so würde ich die irrigen und un-
— 110 — [band п.]
Fragen wir ferner, wer damals die Decemprimi
waren, unter denen der Princeps des Senats erkoren ward,
welcher zugleich Statthalter war; — so können diese, so­
bald der Consulare der grössern Geschlechter zehn waren,
keine andre als sie gewesen seyn. Denn es wäre ein
Widerspruch, dass die ersten im Senat nicht zuerst ge­
stimmt hätten*)- Die Lösung der Frage, ob noch damals
die Curien dort vertreten wurden wenn auch nicht mehr
die einzelnen Gentes, und jede noch einen Vormann ihrer щ
Decurie hätte ernennen können, ist entbehrlich wie un­
möglich: aber Consulare aus den Minores, welche jenen
im' Senat nachstanden, konnten eben so wenig zu den
Ersten gezählt werden. Die Decemprimi welche den Frieden
mit der Gemeinde auf dem heiligen Berg schlossen, waren
alle Consulare246): das Verzeichniss ihrer Namen, welches
Dionysius aufnahm, muss in der beschwornen Richtung
erhalten gewesen seyn : es wäre unvernünftig dasselbe für
weniger beglaubt zu halten als das der Gesandten nach
Osnabrück und Münster. Nun fehlen zwar in dem ge­
druckten Text drey Namen: allein zwey davon sind aus
besseren Handschriften hergestellt; auch den dritten werde
ich gleich angeben. Diese Consulare finden sich in den
Fasten von 249 bis 260: aus der Zeit vor 261 mag nie­
mand am Leben gewesen seyn ausser M. Valerius und
P. Tubertus, Manius Tullius war todt, aber wenigstens
fünf von sieben die fehlen, lobten 47). Von den Geschlech- ізз

bestimmten Gedanken ausdrücken welche ihm vorsehwebtcn : aber


auch h ier ist es mir nur um das zu thun was er las und nicht
verstand.
* ) S . die bereits Th. I. Anm. 1 3 4 5 . angeführte Stelle, Dio-
sius V I. 8 4 . p. 4 0 6 . b., dio ausdrücklich s a g t, dass dio Decom-
prim i zuerst stim m teu, welches in der (Th. 2 . Amn, 2 4 5 .) ein­
gedickten von den Consularen der gentes majores erwähnt wird.
A u s N ’ a. N a c h t r ä g e n z u m 2 . T h e i l . 246) E r sagt zwar,
a lle au sser einem (VI. 6 9 . p. 3 9 4 . a ,): womit er nicht Spurius
N au tiu s meynt, sondern jenen angeblichen Manius V aleriu s, den
zu dichten die Erzählung dass Marcus am R egillus gofallen sey,
verleitete (Th. I. S . 5 9 9 ): dessen Namen die vaticanische Hand­
schrift giebt, der bey diesen Staatsreden viel vorzubringen hat,
und in den . Fasten nicht gefunden w ird. E s ist aber Marcus, der
Consul des J . 2 4 9 . 47) D as Verzeichnies findet sich bey
[band h.] — Ill —

tern denen diese sieben angehören, sind die Claudier, bey


aller ihrer Hoffahrt, doch za den mindern za zählen, und
eben so die Clölier248) : dies begründet die Folgerung dass
die fehlenden aus den Minores waren, — oder, waren
sie selbst von den Grösseren, die mindere Stelle im Con­
sulat bekleideten, die den Luceres gebührt hätte. Dem
Consul m a io r 49) musste, ein minor entgegengesezt seyn:
beyde benannt nach den Geschlechtern welche sie ver­
traten: hatten sich nun die der Eamnes anfänglich, als
grössere im engen Sinn, gegen die des zweyten Stamms
134 auch im Consulat unterschieden, so verschwand dies im
ausschliesslichen Gegensaz der beyden ersten gegen den
dritten. — Ich scheue es nicht zu erzählen was ich sehe,
wenn es auch als klügelnde Spizfindigkeit ausgerufen
werden sollte. Vor 253 ist M. Horatius der einzige Consul
aus diesem Stamm: es ist ihnen also damals nicht besser
ergangen als den Plebejern: mit 253 erlangen sie wieder
den Besiz der mindern Stelle, doch ward ihnen nicht
bessere Treue gehalten als die welche sie selbst, vereinigt
Dionysius V I. 6 9 . p. 3 9 4 . b. Manius V alerius (nach - Dionysius
Sinn), und Titus Larcius sind richtig hinzugefügt: nur ist der
zwey te hinter T . Aebutius einzuschalten — Ttrou ulog, ( vEkouagy
Ttrog Aapxiog , Ttrou uîàç,) ФЫоиод. — Jen e fünf welche 2 6 1
bestimmt noch lebten, waren Appius Claudius — welcher w ie­
derholt später erwähnt w ird: einer der Consulare von 2 5 7 , sey
ев A . Atratinus, der 2 6 3 Consul, 2 7 3 Dictator oder Interrex war,
oder M. M inucius, ebenfalls Consul 2 6 3 : — dann Opiter V irgi-
nius, T . V irginius, P . Vetusius, welche alle drey 267 elend um­
kamen. Scheiden wir nun die früheren Consulate von Sp. Cassius
und Post. Com inius, der beydon Consuln des J a h r s , au s, und
sines von T . Larcius, der ebenfalls zweymal Consul gewesen, so
bleiben nur Q. Cloelius (von 2 5 6 ) und T. Vetusius (von 2 6 0 )
übrig, von denen sich nicht ermitteln lässt ob sie noch lebten.
248) ])ie Clölier werden von beyden Geschichtschreibern unter
den Geschlechtern genannt welche Tullua aufnahm, und gewisa
gehört der albanische Dictator Cluilius zu keinem ändern: die
Claudier waren zwar Sabiner, aber darum nicht unter den Tities,
sondern in die Stelle der Tarquinier eingetreten. Appius wird
namentlich zu den vewrepot gezählt (Dionysius V III. 9 0 . p.
5 5 6 . c.), auch kommen véot rw v ’Amztou сгиууеѵ&ѵ v or: V I. 6 9 .
p. 3 9 4 . a : das heisst : Gentilen des A p p iu s, von den mindern
Geschlechtern. 49) Th. L S . 5 7 3 . Anm. 1 1 4 3 .
— 112 — [band II.)
mit ihren damaligen Unterdrückern, nachher der Gemeinde
hielten, und mehr als einmal wurden sie aus der Stelle
verdrängt die ihnen zukam: so konnte T. Virginius im
Jahr 258 College eines jener zehn Consulare, und sein
Geschlechtsvetter Aulus doch unter ihnen seyn. Aber
Consul major konnte ein Minderer nicht seyn: und da
262, 296 und 297 ein Minucius mit Collegen steht deren
Geschlechter ausdrücklich zu den mindern gezählt werden,
der fehlende Name unter jenen zehn aber der von einem
der beyden Consulare des Jahrs 267 seyn muss, welche
beyde lebten, so kann es nur M. Minucius seyn260).
Ich vergleiche das Ergebniss solcher Forschungen der
Entblössung eines übertünchten alten Frescogrunds, von
dem die Farbe ohne alle Spur herab ist, und nur der mit
dem Griffel eiugedrückte Umriss, wie ihn die alten Maler
einzureissen pflegten, hie und da sichtbar wird: wir ver­
achten den Fund nicht, aus dem sich doch errathen lässt
was einst dort gemalt stand. Indem wir nun das längst m
verschollene ins Daseyn zurückrufen ist es erfreulich wahr­
zunehmen dass die Luceres in dem Jahr welches auf
Sp. Cassius erstes Consulat folgt wieder im Besiz ihres
Eechts sind: das scheint unmöglich ein Zufall, sondern
das Werk des grossen Mannes, der, über die neidischen
Vorurtheile seiner unmittelbaren Klasse wie über denen
seines Standes und seines Volks erhaben, einen billigen
unbestrittenen Theil an einem grossen Erbe Vieler höher
achtete als einen grossen, ungerechten, verhassten, ange­
feindeten an einem kümmerlichen, mit Wenigen, die ohn­
mächtig waren auch nur das angemasste Gut zu behaupten.
Die Könige, deren eigne Macht lebenswierig war, mögen
auch das Statthalteramt für das Leben verliehen haben; wie
die Würde des ersten Senators nachher dem blieb der sie
einmal erlangt hatte. Allein unter einer jährigen Obrig­
keit ist es ganz unwahrscheinlich dass demselben eine
solche Dauer zugestanden seyn sollte, welche, wenn der
Ernannte zu hohem Alter lebte, schädlich werden konnte,
da Eom nicht mehr seine Heere in die Ferne sandte, son-

25°) Je n e Collegen aus unzweifelhaft mindern Geschlechtern


w aren 2 6 2 ein Geganius, 2 9 6 ein N autius, 2 9 7 ein Horatius.
[band H.] — 113 —

dem sich gegen feindliche Angriffe rüsten musste. Es


lässt sich aber darüber nur vermuthen: denn was unter
den Dictaturen des T. Larcius und A. Postmnius über
ernannte Eparchen bey Dionysius vorkommt gehört zu den
weitläuffeigen Geschichten jener Feldzuge die dort zu lesen
sind, wahrlich aber nicht auf den geringsten Glauben An­
spruch haben. Hingegen lehrt eine Notiz welche, wie­
wohl durch die Einfältigkeit dessen von dem wir sie un­
mittelbar vernehmen zu Unsinn entstellt, doch unzwey-
136 deutig ist, und gewiss aus der ächtesten Quelle her­
kommt251), dass im drey und zwanzigsten Jahr der Con­
suln, 267, jenes Amt zu einer durch Wahl verliehenen
Magistratur erhoben ward. Der Amtsname des Statthal­
ters war eiistos urbis, nach dem Wesen seines Berufs 52).
Dass die Wahl den Curien Vorbehalten blieb, wie für die
Dictatur, ist um so weniger zu bezweifeln, da jene sich
bald hernach sogar die Ernennung der Consuln anmass-
ten; und lange nachher die aus dieser uralten Yogtey
hervorgegangene Censur durch sie verliehen ward. Auch
heisst es von dem ersten erwählten Statthalter, A. Sem-
pronius Atratinus, er sey durch den Senat ernannt53):
welches einem Zeugniss fur Ernennung durch die Curien
gleichgelten kann: theils weil der Name der Patres irre
machte; theils weil bey den Ernennungen durch die Cu­
rien der Senat die Yorwahl hatte, und, so lange er die
Patricier repräsentirte, unbedingt entschied ^). Die Wähl-

251) Von allen diesen Nachrichten über die Geschichte der


Magistraturen mit beygefügten Jahrszahlen nach der Aera der
Consuln darf angenommen werden dass sie aus Gracchanus her­
stammen. 5j{) Lydus de magistr. I. 38. та> еіхоотш tрітш
TWU ÜTZaTWV ETEL EÏÇ TptlÇ fJLOCpaç TO. Tyjç àpyyjç ÔlYjpéÛrj, elç
toùç Ьтгатоид, eÏç тЬѵ T7jç küXewç tj7zap%ov, xal tùv drj/ULov• xal
ol Juki* ѣпатоі diwxouv toùç rcoXéfxouç^ o â s dvjfioç è t r r pazéuETO,
o ye fiTjv бтгар%од туи tzôXiv е<риХатт£, custos urbis ттродауо-
pEuôfiEvoç. In dem Text den er lass, war von den Tribunen der
Gemeinde die Rede wo er vom Ôrjfioç spricht. M) Dionysius
VIII. 64. p. 53*2. a. ij ßo’jXi) ёфт}<рі<гато — j)yst(r&aL тт/ç âoud-
fjLEüiç TaÔTTjç AZXov ’АтратЪоѵ, àvdpa тйѵ Ьттатіхшѵ.
54) Diodor sagt, ehe die Bürgerschaft die Auslieferung der Fa­
bier verweigert, sey kein Beyspiel gewesen dass sie einen An­
trag des Senats verworfen hätte (XIV. 113.). Jeder wird hier die
Niebahr, Röm. Gesch. 3
— 114 — [baud П.]

barkeit blieb auf Consulare beschränkt; jeder Präfect der


bis zum Decemvirat in der Geschichte vorkommt, findet ist
sich früher als Consul266): sie ist aber nun auch auf die,
mindern Geschlechter ausgedehnt, wie denn jener erste
Erwählte aus ihrer Mitte war.
Als Häupter der Republik im Senat und auf dem
Forum, zeigen sich die Statthalter in den stürmischen
Jahren 292 und 295: in dieser Eigenschaft konnte die
Geschichte sie nennen wenn der Staat während der Con­
suln Entfernung aufgeregt war: nie hat sie Veranlassung
ihres Berufs zu erwähnen Recht und Richter zu ertheilen.
Dieses ruhte nach dem ursprünglichen Sinn ihres Amts
ohne Zweifel, sobald der den sie eigentlich nur vertreten
sollten sich zu Rom befand: seitdem es aber eine von den
Bürgern verliehene Magistratur war mochte es sich bald
einführen dass sie ein bleibendes Tribunal hatten, vor
welchem Partheyen erschienen: Berufung an das höhere
der Consuln blieb frey. Nicht anders verhielt es sich für
den Prätor urbanus: dessen Ableitung von dem alten
Custos urbis keineswegs der müssige Einfall eines späten
und unwissenden Fremden is t5G). Aufgelösst in das
Decemvirat, wie das Consulat, ging das alte Amt gleich
diesem, und ebenfalls unter einem neuen Namen, aus dem­
selben wieder hervor; und wir werden es bald neben demies
Militartribunat, bald mit ihm verbunden, bald darin auf­
gelösst, wiederfinden, bis es, als städtische Prätur, blei­
bende Selbständigkeit und höhere Würde annimmt. —
Fehlten die Consuln bey den Spielen des Populus, so ge­
hörte ohne Zweifel dem Präfekten, wie nachmals dem
Prätor, der Yorsiz.
In Kriegszeiten war ihm, mit der Bewahrung der
Stadt, wenn es Noth that die Bildung städtischer Le­
gionen, und der Befehl darüber, aufgetragen. Diese Le-

Curien erkennen : denn dass solche Harmonie auch damals mit


dem V o lk nicht bestehen konnte liegt am Tage.
266) M it der einzigen scheinbaren Ausnahme des P . Lucre­
tius (L iviu s III. 2 4 .)? dessen Name eben deshalb, wie Duker, der
die R e g e l wahrgenommen, treffend urtheilt, in L . zu ändern ist.
*>6) L y dus de mensib. 1 9 . rbv rrjç 7câÀeûJç cpôlaxa — Bv
7üdkat n p a trw p a obpßavbv іХеуоѵ.
[ВАІГОII.] 115 —
gionen sind wohl zu unterscheiden von der Reserve, welche
aus Bejahrten zwischen dem 45. und 60. Jahr, und Ent­
schuldigten innerhalb der Jahre des verpflichteten Dienstes
im Felde, aufgestellt ward267); denn jene Bejahrte waren
eben so wenig wie die Spartaner von gleichem Alter vom
Felddienst ganz befreyt, und nur zur Verteidigung der
Mauern verpflichtet68); sie wurden, wenn es Noth that,
auch zum Treffen wider den Feind geführt 59). In drin­
genden Fällen war es sogar die Regel dass eine vierfache
Heeresmacht aufgestellt ward, eine unter jedem Consul,
die erwähnte Reserve, als die dritte, unter einem er­
nannten Befehlshaber, die vierte unter dem Custos urbis
139 in der Stadt60) : und so weit müssen wir die wahnhaften

257) Tertius exerciius ex causariis senioribusque a. L. Quinctio


scribatur : Livius V I. 6- Ebenso die Bejahrten 3 6 6 . Plufcarch
Camiilus p. 1 4 0 . e. 6Ö) Der Irrthum ist beyden gemein­
schaftlich: Livius I. 4 3 . Seniores ad urbis custodiam ut praesto
essent: Dionysius IV . 1 6 . p. ‘2 2 1 . c. noch bestimmter: odg ëâec
rÿjg ѵ£0 Г7]тод elç m')Xefiov èÇiouoyç, Ù7tofiévovTaç èv rfj nôXei,
r à èvràg t sfyouç <риХаттеіѵ. — Die seniores bis 6 0 Ja h r sind
die p fy p i 7геѵте xal теттарахоѵта ày? rjßrjg* ö9) Jene von
L . Quinctius versammelte Reserve, Livius VI. 9 : wie vorher 3 6 6 :
Plutarch Camül. а. а. 0 .: und 3 7 8 « Livius V I. 3 2 : die unter
T. Quinctius 2 9 0 . ders. П І. 4 . wo es leichtfertig ist wenn sie
grade im Gegentheil erlesene Ju gen d genannt wird, wie bey Dio­
nysius IX . 6 3 . p. 6 2 0 . c. 60) Am häufigsten kommt dies
vierfache Heer nach der gallischen Zeit vor; freylich unter einem
Collegium von sechsen, abweichend in Hinsicht des Befehls. In
älterer Zeit hat 2 9 0 L . Valerius den Befehl in der S tad t:
T . Quinctius führt die Reserve zum Entsaz des mit seinem Heer
eingeschlossenen Consuls: Livius III. 5 . — 2 6 7 deckt Sp. Larcius,
von den Consuln ernannt, Rom mit einem dritten H eer; A. Atra-
tinus ist der Stadt vorgesezt. Auch 2 7 4 kommen jen e vier Heere
vor (Dionysius IX . 5 . p. 5 6 2 . d.), allerdings mit gleicher V er­
wechslung der Bejahrten und der Stadtmiliz. Eben so fand Dio­
nysius in der fabelhaften Erzählung von den beyden ersten D i-
ctatoren dies nämliche Schema zweyer Legionen lür den thätigen
Krieg, einer Reserve, und einer B esazung: welches freylich ziem­
lich unkenntlich w ird, V. 7 5 . p. 3 3 8 . e. VI. 2 . p. 3 4 2 . d, So
möchte auch Q. Purius bey demselben IX . 6 9 . p. 6 2 5 . b. nicht
in Q. Fabins zu ändern seyn, sondern etwa in Sex. Purius: oder
auch Dionysius verschrieb sich indem er ihn Consular nannte;
8*
— 116 — [band iJt.J

Bilder von Roms unermesslicher Volksmenge zusammen­


ziehen dass die vier Cohorten, jede von sechshundert
Mann, welche 292 vor Eom gelagert waren261) damals für
die gesammte Stärke der Reserve gelten mögen; eine Le­
gion ohne Ersazcohorte, — die Accensi, — welche für
sie nicht passte: nur für zwey vollzählige Legionen reichte
die Zahl der Wehrhaften aus den Klassen und den Accensi,
bis an die Gränze des Alters. Die Betagten wären nicht
einmal der Hälfte dieser gleich gewesen62), und unter
ihnen mussten im Verhältniss viel mehrere als dienst- m
unfähig ausfallen: sie wurden durch Entschuldigte aus
dem Dienstalter vollzählig. Es versteht sich dass eine
solche Legion grade wie die der Jüngeren eingerichtet
war: hingegen konnten die städtischen, in denen Prole­
tarier und Aerarier, jene plebejischen Tribus angchörig,
aber ausserhalb der Klassen, diese grösstentheils in den
Klassen, aber ohne Tribus, mit solchen plebejischen Lo-
cupleten die zu keiner Art Dienst ausser den Mauern ge­
fordert wurden, vereinigt waren, — keine Centurion bilden:
am wenigsten, als der Gebrauch des Pilum allgemeiner,
die Schlachtordnung beweglich geworden war, zu einem
Dienst bestimmt werden der lange Einübung erforderte.
Sie müssen grossentheils mit Wurfgeschoss; ein Theil
wird phalangitisch mit Speeren gerüstet gewesen seyn.
Es ist vielleicht nur nach dem Sprachgebrauch einer
viel späteren Zeit dass Livius den Befehlshaber dieser
Reserve Proconsul nenntes) : aber die Erwähnung dass
derselbe von den Consuln ernannt war ü4) hat wenigstens
eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit. Auch diese Würde
kommt nach dem Decemvirat nie mehr vor. Darin nun
dass im Jahr 267, demjenigen wo die Statthalterschaft
ein wählbares Amt ward, Spurius Larcius in jener pro-
consularischen Eigenschaft als Befehlshaber einer A b tei­
lung, welche die Gegend um die Stadt decken sollte, vor-

ich denke er war der sonst unbekannte Befehlshaber Über jene


yier Cohorten, der Custos urbis Q. Fabius konnte das eben
nicht seyn.
sei) Dionysius IX . 7 1 . p. 6 2 6 . b.e») Th. Г. S. 4 9 3
63) Livius I II , 4 . Auch bey Dionysius IX . 1 2 , p. 5 6 9 . d.
àvTHFTpâTqros. в4) Ders. Ѵ Ш . 6 4 . p. 5 3 1 . e. von T. Laroius.
[band II.] — ЦТ --

kommt, A. Atratinus aber als ernannt vom Senat Mauern


und Bürge besezt zu halten, mögen wir ganz sicher seyn
hi zu erkennen dass der lezte der Präfect der Stadt war,
Dionysius jenem dieses Amt ganz irrig zuschreibt.
Die Eechtsbücher hatten es sicher nicht versäumt
den Namen desjenigen zu nennen der zuerst jene Wurde
von der Bürgerschaft empfing: auch jezt soll er um so
weniger vergessen werden, da es mitten in der Finsterniss,
die auf diesem Zeitraum liegt, nicht zweifelhaft ist dass
Atratinus ein ungewöhnlicher Mann und heilsamer Bürger
war. Weil er in diesem Andenken geblieben, ward ihm
ein billiger und versöhnender Vorschlag in den Händeln
über das cassische Ackergesez zugeschrieben: und ge­
schichtlich ist wenige Jahre nachher ein leidlicher Ver­
trag, der sehr heftige Bewegungen besänftigte, das Werk
seiner Vermittlung gewesen. Ob er diese als Dictator
oder Interrex geltend machte, ist ungewiss: hat die lezte
Angabe Richtigkeit, so hatten die mindern Geschlechter
jezt auch den Eintritt in die erste Decurie des Senats
gewonnen: und allerdings musste dies, etwas früher oder
später, Folge der Erwählung eines der ihrigen zur städti­
schen Prätur seyn.

Die innern Fehden der Patricier.


Eine Aristokratie ist nur dann gesichert dass sie nicht
offenbar in sich zerfalle und mit dem bittersten Groll ver­
feinde, wenn sie eine Landschaft oder Gemeinde fürchtet;
denn an Factionen fehlt es nie. und wenn sie sorgenlos
ist entbrennen diese zu unversöhnlicher Wuth gegen einan­
der; wie Guelfen und Ghibellinen, welche, wie von Florenz
ausdrücklich bezeugt wird, ursprünglich nur Partheyen
der Geschlechter waren, der Gemeinde fremd. Besteht in
142 ihr eine engere Oligarchie, mögen nun ihre Vorrechte Vor­
behalten oder angemasst seyn, so hadern die zurückgesez-
ten gegen diese mit gleicher Heftigkeit wie eine nieder­
gedrückte Gemeinde, und die Oligarchie erhebt sich wider
sie mit der nämlichen Erbitterung wie gegen diese. Die
Bakchiaden sahen in den korinthischen Doriern Unterta­
nen: die heimlichen Geschlechter zu Freyburg versagten
— 118 — [band II.)
noch in unsrer Väter Tagen dem Adel Ehren und Regi­
ment : so wollten es die Grösseren zu Rom gegen die Min­
deren halten. Diese aber fanden Beystand an wohlwollen­
den oder gekränkten Männern unter den Bevorrechteten,
und an der Gemeinde, — deren Freyheiten gefördert wur­
den solange die Stände welche nachher, versöhnt, sie
unter dem Joch zu halten strebten, als Partheyen wett­
eifernd um sie warben.
Von den Fehden unter den Patriciern ist in der Ge­
schichte jede Erwähnung ausgetilgt: aber nicht allein habe
ich gezeigt dass die mindern Geschlechter in diesem Zeit­
raum eben wie nachmals die Plebejer erweiterte Rechte
gewannen, nach wiederholter Unterbrechung behaupteten,
schrittweise ausdehnten; sondern ausser dom Bezirk der
historischen Bücher hat sich eine Nachricht erhalten welche
darthut dass dieser von den Nachkommen verschwiegene
Hader mit einer Grausamkeit wüthete dergleichen der Streit
zwischen Patriciern und Gemeinde höchstens einmal zeigt.
Was die Chroniken ewiger Vergessenheit übergaben,
darüber durften die Ritualbücher nicht schweigen. Damit
sich keiner unwissentlich oder ohne Sühne an einem Ort
in der Nähe des Circus versündige den ein Pflaster von
weissen Quadern bezeichnete, bemerkten sie, er sey den
Manen überlassen, als Grabstätte neun vornehmer Männer, ш
welche sich gegen den Consul T. Sicinius verschworen
hätten, und als Hochverräter im Circus in den Flammen
hingerichtet wären. Ihre Namen waren genannt: fünf
Consulare aus den Jahren von 252 bis 261: auch von den
übrigen vieren scheint keiner einem unbedeutenden Hause
angehört zu haben. Diese Nachricht trug Vendus in seine
Sammlung ein, Festus behielt sie: aber in dor Handschrift
stand sie auf einer von den mehr oder weniger wegge­
brannten Spalten, und von den zehn Zeilen welche sie
enthielten, ist von jeder nur die kleinere Hälfte übrig ge­
blieben. Diese Bruchstücke ergänzte Ursinus in einer un­
glücklichen Stunde nach einem völlig unbegründeten Ein­
fall; und ein gedrucktes, nur nicht barbarisch lautendes,
Supplement befängt immer mit einem Ansehen von Aecht-
heit: dieses hier hat Niemand geprüft. Meine Restauration
ist wie die einer Statue von der Hand des Bildhauers der
ihre Idee erfasste : eine solche lässt sich so wenig als eine
[band II.] — 119 ■—
Anschauung durch Begriffe beweisen: ihre Gewissheit geht
von ihrem Daseyn als Ganzes aus : und es vermindert ihre
Glaubhaftigkeit nicht dass die zerrissnen Zeilen sich in
eine höchst unerwartete und bedeutende Erzählung ver­
wandelt haben266).
26ß) Die Stelle wovon die Eed e ist steht bey Festus gleich
nach n o v a l i s a g e r a ) ; in Gothofredus Ausgabe fortlaufend, bey
Sealiger mit jenem misrathenem Supplement, und beginnend
N a u t i i c o n s u l a t u i nach Ursinus Abdiuck auf C o l . 2 3 . oder B latt
V I, c o l. 3 . der farnesinischen Handschrift. Diese ist auf breiten,
in zwey Columnen getheilten, Blättern geschrieben, und etw a ein
Drittheil der Breite verbrannt; von jedem Blatt sind die erste
und vierte Columne unversehrt, ttwas mehr oder weniger als die
H älfte ist vom Anfang der zweyten, dem Ausgang der dritten,
erhalten. Die Gränze des Verlornen ist keine absolut grade Linie,
sondern wie das Feuer genagt h at: hier beträgt der zerstörte
T heil im Durchschnitt ungefähr die H älfte der Zeile und hielt
von 16 bis 19 Buchstaben: am Anfang fehlen aber nur fünfzehn,
indem in die erste vom vorhergehenden Artikel noch zw ey ge­
hören. Nach dieser D arstellung lege ich die Stelle mit meiner
Ergänzung vo r:
— N o v e m a d v e r s a r i i T . S i c i n i V o ls c i
с o s ., c u m c o n iu r a tio n e m in is s e n t a d v e r s u s
e u m , a p o p . R . v i v i i n C i r c o co m b u sti f e r u n t u r ,
e t s e p u l t i i n e a r e g i o n e g u a e est p r o x im e C i r —
c u m , u b i l o c u s e s t l a p i d e a lb o c o n s t r a t u s .
JE о r u m n o m i n a f и e r u n i , O p i t e r V e r g i n i u s
T r i e o s t u s , . . V a l e r i u s L a e v i n u s , JP o stu m u s C o ­
rn i n i t i s A u r u n c u s ...............U iu s T o l e r i n u s , JP. V e ­
t u s i u s Q e m i n u s , . . ..... S e m p r o n i u s A t r a i i n u s . V e r ­
g i n i u s T r i c o s t u s , . ......M u i i u s S c a e v o l a , S e x . P u -
s iu s F u s u s.
Mit N o musste der Artikel anfangen, wie die 15 in deren
Mitte e r , als der neunte, steht: — die Verschwornen waren
Widersacher, nicht etw a n e c e s s a r ü , des T. Sicinius, sonst würde
auch dieser hingerichtet seyn : — in der S. Zeile ist wahrschein­
lich zu ergänzen A q u i l l i u s : — der Virginius dessen Eigennam e
fehlt, ist für Titus, Consular von 2 5 3 , zu halten, da Aulus (260 )
unter den zehn Ersten steht: — S e x . Furius ist der Consulvon
2 6 6 , also F u su e, nicht M edullinus, wie Ursinus gerathen. —
T . Sicinius hat nur in den sogenannten f a s t i s S i c u l i s den ß e y -
namen Sabinus, statt Volscus : die kapitolinischen fehlen für diese
Zeit.
«) Schwegler II. 709. A . 2.
— 120 — [band II.]
Sie ist ein Dicht geringer Gewinn, aber hinzufügen ш
lässt sich nur was Beschauung ergiebt. Irgend ein Zu­
sammenhang mit der abgedruugenen Veränderung des
Statthalteramts muss gewesen seyn. Unter den Consularen
ist keiner von jenen zehn Ersten des Jahrs 261: wohl 145
aber sind darunter die beyden Virginier, von denen es
auffiel dass sie dort nicht vorkamen266): dies berechtigt
anzunehmen dass sie als ausgeschlossene feindselig waren.
Der Name Mucius bey der Verurtheilung von neun
Männern zum Scheiterhaufen, erinnert an jene ausser den
Annalen schwebende Erzählung von dem Mucius der neun
Tribunen also soll haben hinrichten lassen; und in dieser
die Angabe, dass die Verurtheilten von Sp. Cassius ver­
leitet gewesen wären Wahlen zu hindern, an den grossen
Cassius, der als Consul auf T. Sicinius folgte. Einen än­
dern dieses Namens muss sich schaffen wem es für un­
zweifelhaft gilt dass die Hingerichteten Volkstribunen
waren, und einen ganz ändern Zeitpunkt suchen: weniger
kühn möchte in der That die Vermuthung seyn, die Er­
zählung von den Tribunen sey durch jene der Sage eigen­
tümliche Umwendung entstanden, indem Mucius aus dem
Hingerichteten zu dem ward der das Urtheil vollstrecken
liess: wobey ferner anzunehmen wäre, Sicinius, der, nach
Cassius Untergang, als Feldhauptmann, vorkommt67), habe,
als dessen Feind, anstatt seiner oder des Proculus Virgi­
nius, gesezwidrig wählen lassen wollen; die Neun, zu den
Mindern gehörig, hätten dem widerstanden, und wären
nach Cassius Fall, als seine Anhänger, hingerichtet. Es
heisst, die Vornehmsten von den ältern Geschlechtern hätten
4 sich wider ihn erklärt68): und dass die Veränderung, ш
deren Zweck es war den Sieg über ihn für die Faction
zu benuzen, die Mindern nicht weniger als die Gemeinde
in ihren Eechten verkürzte, zeigt augenscheinlich dass
beyde Stände ihm anhingen. Ueber die geringeren Patri-
cier ist dies vergessen; von der Gemeinde im Andenken
geblieben, weil Cassius ihr unentbehrliche Vortheile durch
sein Ackergesez zu gewähren bedacht war.

266 ) Opiter und Titus; oben [Th. 2 . | Anm. 2 4 7 .


67) D ionysius I X 12 y. 5 6 9 . d. e8) ü ers. V III. 6 9 .
p. 5 3 7 . b. tjx& ovto ol 7zp£<rß6 z a r o i те xai рщшгатоі.
(band II.] — 121 —

Vom gemeinen Feld und dessen Nuzung. e)


Es ist nicht genau richtig dass dieses das älteste Ge­
sez jenes Namens sey; ein jedes wodurch die Republik
über ihr gemeines Land verfugte ward so benannt, also
auch dasjenige welches das Tafelgut der Könige unter die
Gemeinde theilte, und die wodurch Colonien eingerichtet
wurden. Sogar in dem engeren Sinn, wo ein Gesez be­
zeichnet wird, worin sie ihr Eigenthumsrecht geltend
machte um die bisherigen Besizer eines Theils ihrer Do­
maine zu entfernen und sich dessen als Eigenthum zu ent-
äussern, fand sich einsolches unter denen des Servius
Tullius.
Anstatt dieser Bedeutungen hat ein ganz allgemeiner
Sprachgebrauch das Wort Ackergesez in dem Sinn ge­
wöhnlich gemacht, das es Verfügung über das Land­
eigenthum der Bürger bezeichnet, wodurch demselben eine
Gränze gesezt, und das überschreitende Maass dem Unbe­
güterten zugetheilt wird. Die Anordnung des Kleomenes,
die gleiche Theilung der Ländereyen welche in der Revo­
lution von den wildesten Zerstörern gefordert ward, werden
Ackergeseze genannt; und wo dieses Wort allenfalls pas-
147 send gelten könnte, bey der gefühllosen Anwendung des
strengsten Eigenthumsrechts gegen prekäre Besizer, die
ein von den Vorfahren her auf sie übergegangenes Grund­
stück bauen, da erinnert sich keiner desselben; und der
habsüchtige Gutsherr, der ein Dorf verödet weil er in der
Flur ein Eigenthum sieht worüber er schalten könne wie
es ihm am meisten Gewinn bringt, wird, wenn ihm der
Name der Graccheu bekannt ist, ihr Ackergesez als ein
Greuel verdammen.
Dieser Mis verstand ist so alt wie die Herstellung der
Philologie; weder Sigonius noch Manutius haben bezwei­
felt dass die Tribunen das Eigenthum auf fünfhundert
Jugern beschränkt, und das Uebermass der Armuth zu­
getheilt hätten: auch Beaufort hat nichts anders gedaoht,
noch Hooke; obwohl diesen allen die Beziehung auf die

a) Schwegler II. 401 ; Mommsen R. G. I. 270.


— 122 — [band II."I

eroberten Ländereyen welche die griechischen Geschichtsr


erzähler als so wesentlich geltend machen, vor Augen
stand. Sie erwähnen diese nur als Erklärung wie so weit­
läufige Landgüter hätten entstehen können: dass es ein
Grundeigenthum gegeben dem kein Maass gesezt worden,
kam ihnen nicht in den Sinn: indessen wird keiner sich
verhehlt haben dass hier ein Räthsel,verborgen liege: sie
haben es stillschweigend aufgegeben. Ferguson aber dachte
gar nicht an ein solches; und eben so wenig die beyden
grossen Männer deren Betrachtungen über die römische
Geschichte in ihrem Werth ganz unabhängig von MisVer­
ständnissen der Geschichte sind. Diese würde ich auch
hier nicht berühren, wäre es nicht lehrreich zu sehen wie
sie weit entfernt sind die Ackergeseze in jenem Sinn zu
verdammen. Ihre Kühnheit, die Vernichtung alles Rechts
des gehofften allgemeinen Heils wegen mit Beyfall zu be- ив
schauen möchte ich nicht theilen: doch ist sie ihnen
verzeihlich: dem einen weil er in einer seit Jahrhunderten
unaufhörlich erschütterten, und an jede Kränkung des
förmlichen Rechts gewöhnten Republik; dem ändern weil
er in einem Zeitalter lebte welches seiner Ruhe überdrüssig,
und, seit Menschenaltem mit Revolutionen unbekannt, nach
ihnen als einer Würze lüstern war. Auch der grösste Geist
ist dem seinigen verwandt,
Machiavelli glaubte schlechthin dass die Ackergeseze
ein Maass des Landeigenthums einführten, und das mehrere
der Reichen den Armen zutheilten. Er sezt hinzu, es sey
für jeden Freystaat nöthig dass er reich sey, seine Bürger
aber arm: und es scheine dass zu Rom die dazu nöthigen
Geseze in den früheren Zeiten entweder gar nicht oder
unvollkommen angeordnet gewesen, oder dass sie allmäh­
lich entartet wären. Er sieht ferner in jenen Gesezen
zwar die Veranlassung zum Untergang der Republik; aber
in dem Kampf über sie den Hauptgrund ihrer so langen
Dauer269). Montesquieu nimmt es als historisch an dass

269) Diecorsi I. 3 7 . Hätte er gewusst, was Herr Baron von


Rum ohr aus den Archiven des Doms von Florenz gefunden hat,
dass W eiler in der florentinischen Landschaft die jezt aus drey
Ъіз тіег Pachthöfen bestehen, im dreyzehnten Jahrhundert Dörfer
?on zw anzig Fam ilien erblicher Beeizer waren; und zwar nicht
[bawd п .] — 123 —
Romulus die Landschaft unter die ersten Ansiedler in
gleichen kleinen Loosen getheilt habe. Voll von der Vor­
stellung einer unermesslichen Volksmenge im alten Rom,
sezt er dessen Kraft in diese Gleichheit: und die tribuni-
cischen Bewegungen sind, nach seinem Urtheil, wie die
149 Revolutionen der lezten Herakliden zu Sparta, ein Versuch
die Verfassung auf ihre Grundideen zurückzuführen270).
Jene Revolution die für die gezähmte neuere Zeit
unmöglich geschienen hatte, brach ein; und von Acker­
gesez und den Gracchen ward vielfach geredet. Dies gab
Veranlassung, dass Heyne sich das Verdienst erwarb be-
merklich zu machen dass die Geseze der Tribunen einzig
und allein den Ager publicus betrafen71): und durch ihn
geleitet haben Erzählungen der gracchischen Bewegungen,
geschrieben als die Revolution noch nicht verrauscht war,
die Brüder von der Schuld freygesprochen das Eigenthum
erschüttert zu haben. Auch ich verdanke seiner Abhand­
lung diese Ueberzeugung welche ich seit meinen ersten
Forschungen in der römischen Geschichte festgehalten
habe : dabey aber kann es keinen peinlicheren Verstandes­
zustand geben als den worin ich eben durch jene negative
Gewissheit versezt war. Diese Marter der vollkommnen
Unmöglichkeit zu denken wovon ich das Gegentheil als
schlechthin verwerflich erkannte 72), — dem verzweifelnden

etwa in einem oder zwey F ällen , sondern fast durchaus wo sich


die Vergleichung anstellen lä sst; so würde der Verfasser des
principe unmittelbar eine heroische Cur fur sein Vaterland g e ­
fordert haben. Die Bevölkerung auf dem Lande war damals weit
geringer als je z t, wenn auch vor der P e ^ und der Kriegsnoth
von 1527 grösser als unter Grossherzog Cosimo I. wo sie unter
der Hälfte der jezigen stand. (Diese Untersuchungen sind, seit­
dem dies abgedruckt worden, erschienen ; und werden das nach
dem was ich vor Ю Jahren von meinem verehrten Freunde im
Gespräch hörte Niedergeschriebene viel näher bestimmen. Aus
JN’ s. N a c h t r ä g e n z u m 2. T h e i l ) .
870) C o n s i d é r a t i o n s , 3 . 71 ) In einem Programm von 1 7 9 3 ,
op u s c . IV . p. 3 5 0 . ff 72) Nicht allein begründen beyde,
Plutarch wie Appian, ihre Erzählung der gracchischen Unruhen
ausdrücklich auf einem Bericht über den a g e r p u b l i c u s , sondern
der lezte .sagt vom licinischen G esez: f i y â é v a ë% etv r r j g d e Т7}д
yrjç тгk é & p a п еѵтахоашѵ 7 t X e to v a ( d e b e ll. c i v . I S.): und die
— 124 — [band II.]

Bestreben theologische Mysterien zu begreifen sehr nahe


verwandt, — wuchs, als ich in das männliche Alter und
in das Geschäftsleben getreten war, in dessen Zwischen- wo
räumen meine Blicke sich, wenn es seyn durfte, auf das
geliebte Alterthum wandten : als, mit Keife und Erfahrung,
das Bedürfniss zunahm dieses eben so bestimmt zu be­
greifen wie die Gegenwart; und am meisten in den Ver­
hältnissen des bürgerlichen Lebens, mit denen ich durch
meinen Beruf beschäftigt war.
Appians Bericht dass ein fester Antheil des Ertrags
von den Ländereyen der Domaine entrichtet sey, stand im
grellsten Widerspruche mit Plutarchs Angabe über ihre
Verpachtung an den Meistbietenden273): und je näher er­
wogen um so unmöglicher zeigte sich diese in allen Thei-
len. Die Reichen, sagt Plutarch, brachten die Pachtstücke
an sich, indem sie überboten: aber der Reiche kann nie
so viel Pacht von einem kleinen Grundstück zahlen wie
der Bauer der es mit eigenen Händen bestellt74). Wie
sollte es möglich gewesen seyn die unermesslichen Domai­
nen in kleinen Parcellen zu verpachten? Hätte dennoch
Verpachtung Statt gefunden, so würde das einmal vorge­
schriebene Maass leicht hergestellt seyn sobald ein einzi­
ger treuer Censor ohne Menschenfurcht die Register unter­
suchte. Die Verpachtungen geschahen für ein Lustrum;
aber für das Gemeinland ist die Rede von einem durch ш
Erbe oder Kauf seit Jahrhunderten übertragenen Besiz 75).

E pitom e von L iviu s L V III. eben so ausdrücklich : n e q u i s e x


p u b lic o a g r o p l u s q u a m M . (so ist zu lesen) i u g e r a p o s s i d e r e t .
378) A p pian d e b e ll . c i v . I. 7 . (Posidonius: oben [T b. 2 .]
A nm . 1 0 4 .) : Plutarch G r a c c h . p. 8 2 7 . c* à p Ç a f i é v w v т ш ѵ ж Л о ѵ-
aittiv önepßdkXetv ràç ànoipupâq. 7*) Auskaufen kann er
ihn sobald jen e r in Noth geräth und niemanden findet der ihm
andere als zu unerschwinglichen Wucherzinsen liehe. So ver­
schwindet ein kleines Eigenthum nach dem ändern im Territorium
von T ivoli. 76) Cicero de o f ß c . II. 2 2 . Q>uam h a b e t a e q u i -
t a t e m u t a g r u m m u l t i e a n n i 8 , a u t e t ia m s e c u lis a n te p o s s e s -
s u m , q u i h a b u i t a m itta t% 23 . u t cu m eg о e i n e r i m , a e d lß c a v e r im ,
— t u , m e i n v i t o , f r u a r e m eo% Florus III. 1 3 . R e l i c t a s s ib i a
Appia-
m a io r ib u e s e d e s a e ta te , q u a s i h e r e d iia r io i u r e , p o s s id e b a n t .
nus d e b e l l . c i v . L. 10 . Die Besizer führen an , was sie
gebaut
und g e p fla im haben: m anche dass sie die Grundstücke gekauft
[baud II.] — 125 —
Von Besiz und Besizern ist immer die Bede wenn der
Nuzung des gemeinen Felds gedacht wird; vom Pachter
aber kann nie gesagt werden dass er ein Grundstück be-
size: Pachtung und Besiz einer Sache sind widersprechende
Begriffe276).
So war an die Stelle eines zwar falschen aber klaren,
verständlichen, in seiner Art fruchtbaren, ein Begriff ge­
treten dem ich jahrelang verzweifelte einen Sinn abzuge­
winnen: und vielleicht wäre es nie gelungen wenn mir
nicht in den Verhältnissen des Grundbesizes und der Grund­
steuer in Indien ein lebendiges Bild der römischen Posses­
sion, des römischen Vectigal, und dessen Verpachtung,
begegnet wäre. In Indien ist ' der Landesherr alleiniger
Eigenthümer des Bodens: kann die Felder welche der Ryot
152 bestellt einziehen wenn es ihm beliebt: dennoch vererbt
sie dieser und veräussert sie : er entrichtet einen grösseren
oder kleineren bestimmten Theil des Ertrags in Früchten:
diese Früchte verpachtet oder verkauft der Staat an die
Zemindare, sofern er nicht die eines Bezirks oder Grund­
stücks auf immer an Gotteshäuser und fromme Stiftungen,
oder auf Lebenszeit an Angehörige und Diener verlie­
hen hat.
Jenes Verhältniss ist nicht Indien allein eigenthüm-
lich, sondern Spuren desselben finden sich durch ganz Asien :
im Alterthum hat es daselbst weit und breit in den be­
stimmtesten Zügen bestanden : bis in Aegypten wo Pharao
alles Land zu Eigenthum hatte, und nur den Kriegern
die Steuer erliess. Die Tetrarchen in Syrien waren Ze-
mindare, welche den Fürstenstand usurpirten, wie es durch
einen der unglückseligsten Irrthümer welcher jemals Ver­
derben über ein Land gebracht hat, und bey den wohl­
wollendsten Absichten der Regierung, denen von Bengalen
unter Marquis Cornwallis gelungen ist als mediatisirte
Fürsten und ausschliessliche Grundeigentümer anerkannt

— in Erbtheilung angenommen — die Dos der F rau darin an­


gelegt — den Töchtern als Dos mitgegeben. — Paulus I. 1 1 .
D . de evictionibus (X X I. 2 J . Das w e itlä u fig e Gut, worüber der
Kaiser verfügt, ist gekauft.
276) M arcellus 1. 19 . D - d e a d q u i r . v. a m i t t . p o s s e s s . (X L I. 2 .)
Javolenus 1. 2 1 . e o d .
— 126 — [band п.]
zu werden. Eben so wenig ist das agrarische Eecht der
Eömer für ein ihnen eigentümliches zu halten: es ist
vielmehr ohne Zweifel allen italischen Völkern gemein,
mancher Begriff desselben auch ausser der Halbinsel ver­
breitet gewesen: um so weniger ist die Uebereinstimmung
rls zufällig, mithin täuschend, zu betrachten.
Es würde nicht thunlich seyn die Darstellung des Be­
griffs und der Verhältnisse des ager publicus auf die älteste
Zeit, auf seinen Umfang und sein Maass in den Tagen
des Sp. Cassius oder des Licinius Stolo, zu beschränken : 153
der Zeitpunkt für den es möglich ist sich ein bestimmtes
Bild zu schaffen ist ein viel jüngerer, wo diese Landtafel
zu ungeheurer Grösse angewachsen war, und eine Menge
Gegenstände zum Eigenthum des römischen Volks gehörten
die vor Alters darin noch nicht vorkamen. Allein es soll
auch eine Untersuchung wie die folgende sich nicht auf
eine bestimmte Zeit beziehen, indem in verschiedenen diese
oder jene wesentliche Eigentümlichkeit in ihrer Anwen­
dung aufgehoben seyn konnte, und in Hinsicht auf das
gemeine Feld des römischen Volks ganz entschieden es
gewesen ist.
Der a g e r p u b lic u s ist nur ein Theil vom p u b lic u m , oder
dem Vermögen des Populus. Dieses bestand, wie das eines
Einzelnen, aus Gegenständen, fruchtbringenden und un­
fruchtbaren, und aus Einkünften durch Rechte. Unter den
lezten sind Zölle, Accise, Steuern untertäniger Orte be­
griffen: zu dem unfruchtbaren Eigenthum gehören öffent­
liche Gebäude im weitesten Umfang, geweihte und welt­
liche, Strassen, Pläze. Die fruchtbringenden Gegenstände
sind nach ihrer Benuzung einzutheilen: denn theils sucht
der Souverain so weit als möglich den ganzen Ertrag für
seine Gesammtheit als Staat, wobey er allerdings dem
Pachter einen Theil überlassen muss: — dies ist der Fall
bey Gebäuden (und die römische Republik besass ganze
Städte eigentümlich), Bergwerken, Steinbrüchen, Salinen :
— theils behält sich der Staat nur einen geringen Theil
des Ertrags, und überlässt den grösseren seinen Bürgern
zunT Vorteil des Einzelnen. Eine Nebenarfc ist in den
römischen Verhältnissen wo die Republik eine eroberte
Feldmark den alten Einwohnern gegen Entrichtung des
Zehenten oder einer ähnlichen Steuer zurückgegeben
[band п.] — 127 —
hatte277): diese steht, so lange der geduldete Besiz dauert,
einer ändern Abgabe gleich, aber die Republik hat das
Recht den Boden in Anspruch zu nehmen, und die Be­
sizer auszuweisen.
Die Regel welche unterscheidet ob .ein Eigenthum für
den Staat allein fruchtbringend seyn solle, oder zwar auch
ihm eintragen doch eigentlich für die einzelnen Genossen
benuzt werden, liegt am Tage. Jenes geschah wenn der
Gegenstand von der Art war dass nur eine sehr kleine
Zahl die Benuzung ausüben konnte, mithin einen sehr
grossen Gewinn gehabt haben würde, wovon es billig war,
durch Erhöhung der allgemeinen Einnahme des Staats,
und entsprechende Verminderung der Lasten für die Steuer­
pflichtigen, weit mehreren einen Theil zukommen zu lassen.
Es wäre eine unbillige Begünstigung gewesen wenn einer
oder wenige zum Baue eines Bergwerks in der Art wären
zugelassen worden dass sie nur einen kleinen Theil der
Ausbeute erlegt hätten: andrerseits würde man ihn auf
Raub getrieben haben, wenn ein jeder Bürger dem es ge­
fiel hätte einbrechen können: deswegen ward das Werk
einer Gesellschaft in Pacht überlassen. Hingegen konnte
die Thunfischerey von Tausenden ausgeübt werden, wenn
sich die Aermeren zusammen thaten um Böte und №eze
anzuschaffen: es wäre unbillig gewesen sie einer Gesell-
155 schaft zu verpachten, wiewohl der Staat alsdann mehr
eingenommen haben dürfte. Wo Benuzung zum Vortheil
des Einzelnen eintreten konnte, da ward sie vorgezogen:
nuzte doch der Einzelne mancherley Eigenthum des Staats
welches diesem gar nichts eintrug.
Er zeigte sich in seinen Ansprüchen wo er das Ganze
hätte fordern können’, eben so mässig wie die Götter.
Diese begnügten sich mit dem schlechtesten Theil vom
Opfer: und das Grundstück zu Skillus welches Xenophon
der Artemis weihte, war nicht minder ihr Eigenthum ob­
wohl er sich unter Entrichtung des Zehenten Bestellung
und Benuzung vorbehielt78). Möge die Bemerkung nicht

277) Cicero 2 . in Verr. III. 6. ( 13 ). Perpaucae Siciliae


civitates sunt hello — subactae, quarum ager cum esset publicus
P. R . factus tarnen Ulis est redditus. I s ager a censoribua lo-
cari solet. — Unten S . 1 5 9 . 7®) Xenophon A nab . V . 3 .
— 128 — [band II.)

misdeutet werden, dass auch die Leviten den Zehenten


vom Ertrag des Landes Kanaan empfingen, welches Jehova,
den sie vertraten, als Eigenthura geweiht war279).
Der Antheil des Staats am Ertrag dürfte ebenfalls
durchgehende der Zehente vom Korn gewesen seyn, wie
ihn auch die römische Republik, als ihre Eigentumsrechte
geltend gemacht wurden, erhob. Von Baumfrüchten und
Trauben konnte mit Fug eine höhere Abgabe genommen
werden da sie keine Saat und weniger Bestellung erfor­
dern; daher an das römische Volk davon ein doppelter
Zehente entrichtet ward80) : und aus demselben Grunde
dürfte von den Jungen, dem Käse und der Wolle des
Viehs welches auf der gemeinen Trift gehalten ward, ein
nicht geringerer Antheil erlegt seyn, ehe dafür ein be- m
stimmtes Hutgeld eingeführt ward. Wenn nun die welche
das gemeine Feld benuzten die Gewalt in Händen hatten,
so konnten sie sich von dieser Abgabe befreyen, und die
zur Erhaltung des Staats nöthigen Lasten ganz auf die
Gemeinde wälzen: alsdann war das Eigenthum nackt, und
so unfruchtbar wie das einer Landstrasse. Allein das ist
ein zufälliger Umstand: eben so zufällig als wenn der
delphische Gott das Gefilde von Kirrha öde liegen liess,
von dem sein Tempel einen Zehenten hätte gemessen
können. Das Eigentliche ist dass auch der Staat von seinem
ager Nuzen ziehe öl). Dieser Nuzen heisst fr u c tm 8*), die
Benuzung aber welche der Einzelne gegen Erlegung jener
Abgabe ausübte, ш и з83). Denn wir dürfen den üeber-

279) A u f B e s iz u n g e n a u s s e rh a lb P a lä s t in a s G r& nzon e rs tr e c k te


« ic h a ls o d ie se V e rp flic h tu n g n ic h t, u n d s ch o n d e sw e g e n g a lt d e r
G e d a n k e , d a s s d ie n a c h d e r Z e rs tö ru n g d e r S ta d t U e b rig e n in
A e g y p t e n z ie h e n s o llte n , f ü r s ü n d lic h . 80) A p p ia n de bell,
c iv . I. 7 . 81) So s e h r , d a ss b e y d e r A n o rd n u n g d e s ager
t r ie n t iu s , d a m it e r d ie E ig e n s c h a ft d e s (ie m e in la n d e s n ic h t v e r­
l ie r e , s o n d e r n e in g e lö s s t w e rd e n k ö n n e , e in N o m in a lz in s a u fg e ­
le g t w a r d : e in A s vom J u g e r u m : L iv iu s X X X I. 1 3. 8iJ) Ven-
d itio n e s o lim d iceb a n tu r ce m o ria e lo c a tio n es , qu od velut fr u c t m
p u b lic o r u m locorum ven ib a n t. F e s tu s s. v . — g le ic h b e d e u te n d
m it v e c tig a l. 88) Possessio est, ut d e fin it G a llu s A e liu s , usrn
a g r i a u t a e d i f ic ii : F e s tu s s. v. In d ie s e m Ö inn s a g t L u c re z :
V ita q u e m a n cip io n u lli d a tu r , om nibus u s u . D a s L e b e n g e h ö r t
z u m G e m e in g u t d e r N a t u r : eie e n tlie h t es, s o b a ld eie w ill, dem.
[band H.] — 129 —

resten der Rechtslehrer wie wir sie jezt lesen, nicht glau­
ben dass fructm dem шив fructm gleichbedeutend sey284) :
167 eine so müssige- Zusammensezung zweyer Worte wäre wider
das Wesen der Sprache: es ist ums et fructm, nach der
alten Sprachweise ohne verbindende Partikel zusammen­
gefugt. Im Gegentheil, wer schlechthin den fructm hatte,
kann in alten Zeiten den usm nicht zugleich gehabt haben:
wiewohl in Privatverhältnissen beyde vereinigt werden
konnten und dies that wer den usm fructm genoss.
Diesen Antheil erhob der' Staat wohl niemals durch
Regie: es war eine ganz allgemeine Sitte, wovon sich
schwerlich eine einzige Ausnahme findet, dass, ausser dem
Schoss, Strafgeldern, und wenn es sonst ähnliches gab,
alle übrigen Einnahmen zur Erhebung verpachtet wurden.
Jene Abgabe bot der Speculation eine zwiefache Seite
dar: einmal das Maass des Ertrags nach einer mehr oder
minder ergiebigen Erndte: dann den veränderlichen Preis,
wenn die Pachtung in Geld bestimmt ward. Dieses war
freylich gar nicht nothwendig; bosonders in Kriegsläuften,
wo sonst Korn in die Magazine hätte gekauft werden
müssen, liess sich die Sache vereinfachen wenn die Ab­
lieferung eines bestimmten Maasses, für den Betrag jenes
Zehenten, bedungen ward : ja es konnte anstatt des doppel­
ten Zehenten von Oliven und Trauben ein gewisses Ver-
• hältniss von abzulieferndem Korn gesezt werden: und dies
ist in der That geschehen 85). Indessen war, was wir
nach unserem Sprachgebrauch Verpachtung in Geld nennen,
ohne allen Vergleich das Gewöhnlichere: allein der alte
und eigentümliche Ausdruck der römischen Verwaltung
dafür war nicht Verpachtung, sondern Verkauf der Fru-
ш ctus 86) : wie von dem Zehenten der sicilischen Ländereyen
B e siz e r, n ie w ird e s sein E ig e n tb u m . F ü r d ie se s is t mancipium
d a s a lte W o rt. Usus is t, im ä lte s te n S p r a c h g e b ra u c h , d e r B esiz,
a u b je c tiv : possessio d as O b je c t d e s s e lb e n : d a h e r usu capere. D e r
b e s c h rä n k te S in n in u n s e rm C iv ilre c h t k a n n n u r s p ä t g e b rä u c h ­
lic h g e w o rd e n sey n .
284) S . B ris so n iu s s. v. — w e lc h e r s e lb s t B e y sp ie le giebfc
d a ss d ies n ic h t g ilt. 85) Im h a n n ib a lis c h e n K rie g toil
Q . F u lv iu s F la c c u s m it d e m ager Campanus : — lacavit отпет,
frumento, L iv iu s X X V IL 3. 8e) F e s tu s — s. [T li. 2 .^
A nm . 282.
. Niobuhr, Köm. Gwch. 9
— 130 — [bawd i i *]

die nicht Eigenthum der römischen Republik geworden


waren, sondern ihn als Grundsteuer entrichteten287). Es
war nicht Verkauf auf die Dauer des Lustrum gegen eine
einmal gezahlte Summe, sondern eine jährlich zu erlegende
ward festgesezt. Dies geschah in der Form des strengsten
Rechts durch Mancipation; wie denn Rechte an ländliche
Grundstücke, wohin das Recht der Erhebung einer Steuer
vom Ertrag gehört, auf diese Weise veräussert wurden 88),
Demnach ist der Ausdruck, das ius vectigalie sey durch
Mancipation gekauft worden, genau richtig: ob ebenfalls,
was dabey vorkommt, es sey nicht allein auf ein Lustrum,
sondern auch auf hundert Jahre so abgeschlossen worden 89),
muss allerdings mit dem Werth des Zeugnisses, wo dies
vorkommt, dahin stehen. Vom römischen Staat ist es
unter der freyen Republik unmöglich, unter den Kaisern
nicht wahrscheinlich; es mag von Landstädten, und noch
eher von den \ estalinnen, den Augurn, und ändern geist­
lichen Genossenschaften gelten, denen der Staat das Recht
des Vectigal von gewissen Grundstücken überlassen hatte.
Mit der Zeit ward indess das Wort Location auch von
diesen censorischen Contracten gewöhnlich, die allerdings
den eigentlichen Verpachtungen, deren immer mehrere wurden,
sehr ähnlich waren; wie denn jenes auch im neueren Eu­
ropa für alle Verhandlungen der Art allgemein gebräuch­
lich geworden ist. Man redete aber nicht allein von der
Location der Steuer 90), hier der locatio fructue agri; son- ]5t
dern sagte miieiner geringen Licenz des Sprachgebrauchs,

287) l a d e r V e r r in a frumentaria, passim. 88) U lp ia n ,


tit. X I X . 1. F ü r die R e p u b lik w ar a u c h d e r ager publicus Beibet
G e g e n s ta n d d e r M a n c ip a tio n , e r w ard d u rc h d ie Q u ü -to re n v e r­
k a u fe . 89) H y g in u a de condic. agr. p. 2 0 5 . ed (Joëtni. Qui
superfuerant agri rectigalibus ниЫесІі sunt, alii per aunos qui-
nos, alii vero mandpibus ementibvs, id est conducentibus, in an-
nos сепіепоя. — Mandpes autem qui emerunt lege dicta ius
vectigaliSf ipsi per centurios Ipcaverunt aut vendiderwit proximis
quibusque possessoribus. H a t s ic h d e r fre y lic h co n fu se S c h rift­
s t e l l e r e tw a s b e stim m te » g e d a c h t, so w ü rd e h ie r ein modus des
Z e h e n t e n : e in A b k o m m e n , f ta it A b n a h m e d e r z e h n te n G a rb e , a n ­
genom m en. so) L iv iu s X X X II. 7. Censoree porloria vena-
il um Capuae — fruenda locarunt.
[ вілв п.] — 131 —

сепвогев одтиш fruendum locasse^1): von WO ein einziger


Schritt dahin führte von der Location des Ager selbst zu
sprechen- Dies thut nun nicht bloss Livius 92), sondern
Cicero selbst, wo er von den Feldmarken redet die der
Republik in Sicilien eigenthümlich gehörten 9ä): aber eben
hier sezt er den Sinn des Ausdrucks ausser Zweifel, hin-
zufögend, diese Feldmarken wären den Orten wieder ein-
geräumt worden. Demnach ist es unmöglich dass der Boden
verpachtet wäre; es kann dabey nur an das Yectigal ge­
dacht werden. Also darf es nicht irre machen dass Poly­
bius von der Verpachtung von Ländereyen durch die Cen-
soren redet: vollends, da er auch Häfen als verpachtete
Gegenstände nennt, wo der Zoll, nicht die Oertlichkeit,
dem Finanzpachter überlassen ward 9l).
Inzwischen hat dieser Ausdruck schon Griechen denen
die römische Verwaltung unbekannt war, zu der Vorstel­
lung verleitet dass die Republik ihr Landeigenthum im
eigentlichen Sinn verpachtet habe. Daher jene Darstellung
Plutarchs welche die Neueren allgemein irre geführt hat:
die Reichen hätten durch Uebergebot die geringen Leute
verdrängt. Allein auch Dionysius, der doch nicht um we­
niges sorgfältiger und genauer als jener liebenswürdige,
aber höchst flüchtige und leichte, Schriftsteller ist, schreibt,
den Inhalt jenes angeblichen Senatusconsults über das Ge­
meinland aus der Zeit der cassischen Ackerbewegungen
berichtend, es sey beschlossen worden der nicht verkaufte
noch assignirte Theil des Gemeinlands solle auf je fünf

291) D e rs . X L I I. 19. M . Lucretivs legem promulgavit ut


agrum Cumpanum cemores fruendum locarent. D ie H a b s u c h t
d e r E in z e ln e n h a tte d e r R e p u b lik -w ährend d re y s sig J a h r e n n ic h t
e in e P a c h t s o n d e rn d e n Z e h e n te n e n tz o g e n . — S o e r k lä r t U lp ia n ,
l . 1 . D. de loco pull, fruendo (X L IU . У.) den A u s d ru c k des
E d ic ts locum publicum fruendum / ot'are, von d e r conductio vecti-
galis jruendi. 92) L iv iu s X X V IL 3. Capuae Flaccus agro
locando iempus terit. 93) [X h. 2 .] A n m . ‘2 77. 94) P o ­
ly b iu s V I. 17. 7ZOÂÀWV MpywV OVTWV twv èzôidoixévüiv 07zd twv
t tpy)Tü)V9 — TtoXXüiV ôè катары», fopÄvani, xrJ7tia)V> /г е т dÀÀatv.
ywpaq. A p p ia n a. a. 0 . s a g t a u ss c h lie ss lic h von den n ic h t v e r­
h e e r te n L à n d e r e y e n , ётгітсраохиѵ 3) èÇefiio&ouv : d en v e rö d e te n
f e j e in e E r tr a g s s te u e r a u fg e le g t: e s sc h e in t d ie Z u rü c k g a b e a n
4 ie a l i f p E in w o h n e r g e m e in t.
9*
132 — [band п .] *

Jahre verpachtet werden206). Fasst zum Ueberfluss dient


um zu erkennen wovon sein römischer Vorgänger redete,
dass er dem Ertrag der Pacht dieselbe Bestimmung an-
weisst welche, nach Livius, Zweck des Vectigal war als
die Tribunen sich zuerst unter günstigeren Umständen be­
mühten es zu Lasten der Besizer des Ager publicus het-
zustellen: nämlich, Sold zu zahlen 96).
Wir verlassen die nur vermittelnden Käufer oder Pach­
ter des Rechts den vorbehaltenen Antheil der Republik an
den Erndten auf dem Ager publicus zu erheben, um das
Verhältniss derer zu erörtern, welche unter Verpflichtung m
zu dieser Abgabe die Besizthümer inne hatten, die Gegen­
stand der Ackergeseze waren.
Diese Besizthümer tragen den Namen Possessiones
eigenthümlich: die sie inne hatten heissen auszeichnend
Besizer; dass sie be siz en ist der ausschliesslich gebräuch­
liche, solenne Ausdruck von denen die einen Antheil am
Ager publicus haben, den sie übertragen und veräussem
können, obwohl das Eigenthum der Republik gehört97).

295) D io n y s iu s V III . 7 3 . p . 5 4 1 . c. 7 6 . p. 544. a.


96) L iv iu s IV . 3 6 . 97) E s b r a u c h t k e in e r v o lls tä n d ig e n
S a m m lu n g e rw e ise n d e r S te lle n : fo lg e n d e k o n n te n sch o n frü h er
g e n ü g e n u m d e n S p r a c h g e b r a u c h k la r zu m a c h e n . C icero de
offic. I I . 2 2 . qui agrariam rem tentant ut poss essor es suif
sedibus pellantur. S . [T h . 2 .] A n m . 2 75- L iv iu s II . 61. Ap.
Claudio, causam p o ss essor um p u b l i c i a g r i sustinenti. IV» 36.
vecligali po s s e s s o r i bu s a gr o r u m imponUo. 51. agrariae legis,
quae poss esso per iniuriam agro p u b l i c o Patres pdlebat, 53,
si iniusti domini p o s s e s s t o n e a gr i p u b l i c i cederent. VI. 5.
nobiles in p o s s e s s i o n e m p u b l i c i a g r i grassari. 15 . nec iam
p o s s i d e n d i s p u b i i c i s a g r i s contentoe esse. 3 5 . ne quis ріш
j> iugera p o s s i d e r e t . E p ito m e L V I II. ne quis ex p u b l i c o
a g r o plus quam M iugera p o s s i d e r e t . F lo r u s II I . 13. reduci
plebs in agros non ( n i c h t unde) poterat sine poss i de nt i um
evertione. ' — P a u lu s 1 . 1 1 . D. de evictionib. ( X X I. 2 .). Леи
p o s s e s s i o n e s ex praecepto principali partim distraciae, partim
veteranis adsignatas ( u n te n [T h . 2 .] A n m . 3 1 1 .) A u f d ie a lle r-
b ü n d i g s t e W e is e u n te r s c h e id e t C ic ero adv. Rullum I I I . 3. (12.}
d ie P o s s e s s io n e n vom E ig e n th u m : u n te r ä n d e r n : swat multi agri
lege, Cornelia p u b l i c a t i , nec cuiquam assignati neque venditi,
gui a paucis — p o s s i d e n t u r , — kos p r i v a t о s facit : ho* —
RtUlus non vobis assignare vult, sed eis condonare qui possi~
[band п .] — 133 * —

1в2 Er war so richtig wie gebräuchlich: sie hatten nur den


Usus; die Eepublik den Fructus und das Eigenthum; und
Aelius Gallus defmirte die Possession, sie sey der Usus*
von Grundstücken im Gegensaz des Eigenthums288).
Ein jedes Landgut heisst praedium; aber nur dasjenige
dessen Eigenthum dem Besizer gehört, heisst in Beziehung
auf ihn ager: was wir in Besiz haben, unser Eigenthum
aber nicht ist noch seyn kann, possessio. So sagt Javo-
lenus "): eine andere Definition der römischen Possessionen
giebt Festus, welche mehrere bezeichnende Merkmale der
Besizungen im Gemeinlande enthält. Sie werden angege­
ben als weitläuftige Landgüter, welche nicht durch Man­
cipation, sondern zur Benuzung besessen wurden, und nach
Willkühr eingenommen waren300). Die erwähnte Weitläuf­
igkeit dieser Grundstücke ist etwas nur zufälliges a); und
der Zusaz p riva tiqu e verderbt die Erklärung, wahrschein­
lich durch Festus Schuld: Уerrius mag gesagt haben, auch
Privatgrundstücke wovon man nur den Usus habe würden
Possessionen genannt: und dies ist richtig; aber die übri­
gen Bestimmungen der Definition sind der Domaine eigen­
tümlich.
івз ‘ Diese Possessionen entstanden, nach vielfachen Zeug­
nissen, ursprünglich durch Occupation oder Besiznahme
auf der vérodeten Flur*) ; wie das in allen und jeden

dent. F e r n e r : cum ea quae vestra sunt condonari p o s s e s ­


s o r ib us videatis. — Z u d ie se n S te lle n h a t S a v ig n y (vom B esiz ,
4 . A u sg . S. 1 5 1) e in e s e h r w ic h tig e b e y g e tra g e n , a u s O ro siu s,
У . 18 : eodem anno l o c a p u b l i c a quae in circuitu Capitolii
pontificibus, auguribus, decemviris et ßaminibus in p o s s e s s i o ­
nem t r a d i t a erant, cogente inopia v e n d i t a sunt. O ro s iu s
h a tte d u rc h g e h e n d e L iv iu * v o r A u g e n ; w e n n a u c h v ie lle ic h t n u r
m itte lb a r, in e in e m u m s tä n d lic h e n A u sz u g .
Щ O b en [ T h . 2.] Anco. 2 8 3 . 99) l. Ц 5 . D. de V . S .
A u c h im G e se z d e s R u ll и з w u rd e n agri u n d possessiones s ic h
e n tg e g e n g e s e z t : C icero adv. JRullum III. 2. (7 .) 80°) Posses­
siones appellantur agri late patentes publici privatique, quia
(l. g u i) 7ion mancipatione sed иsu tenebantur, et ut quisque oc-
cupaverat collibebat (l. с о leb antur). F e s tu s s. v. a) S c h w e g ­
le r I I . 4 2 5 . A. 1 . *) B e y d e n A g rim e n s o re n w ird d ie s s e h r h ä u fig
a n g e d e u te t: s o g l e i c h b ey S ic u lu e F la c c u s p . 3. nec tantum occu -
p a v e r u n t quod colere potuiasent, sed quantum in spe colendi
— 134: — [bahd п .]

Dingen entgegengesezte Grundeigentum durch bestimmte


Anweisung und Ueberantwortung von Seiten des Staats802),
Ungeregelte Willkiihr ist dabey aber doch nicht denkbar:
aus ihr müssten Gewalttätigkeiten und Verwirrung ge­
flossen seyn: durch welche Ordnung diesen vorgebeugt
ward, darüber schweigt Appian, welcher lehrt, dass die
Bürger vom Staat — also durch das Edict einer Obrigkeit
— aufgefordert wurden, die wüsten Strecken zur ßenuzung
in Besiz zu nehmen 3). Einmal bestehend, waren sie nicht
anders als Eigentum der Vererbung und Veräusserung
fä h ig 4): allein nie konnte bey ihnen Eigenthum durch ш
Usucapion entstehen. Diese war, nach einer Grundregel
des alten Rechts, gegen den römischen Staat schlechter­
dings unmöglich6): worauf sich in Javolenus Definition
der Ausdruck bezieht: was unser Eigenthum nicht seyn
kann. Vielfache Beyspiele und Erwähnungen wie Domai­
nengrundstücke dem Staat aus langer Usurpation zurück-
vindicirt worden, in Geschichtschreibern, Agrimensoreu und
Inschriften, zeigen wie streng dieser Grundsaz von der
ältesten Zeit bis auf Vespasians Censur geltend gemacht
ist. Ohne diese Sicherheit würde der Staat durch Fahr­
lässigkeit seiner Beamten endlosen Verlust erfahren haben;
er hätte die Benuzung gar nicht gestatten können. Das

r e s e r r a v e r e . A u c h L iv iu s V I. 3 7 . nec agros о c c u p a n d i modum —


P a t r ib u s f o r e : — u n d F e s tu s s. v. Possessiones — s. [T h . 2 ]
A n m . 3 0 0 . S i b i s u m e re : T a fe l d e r L e x T h o r ia D e r e n ts p r e c h e n d e
A b d r u c k f ü r d a s V e rh ä ltn is s d es S ta a ts w a r C o n cessio n . Im G e­
sez d e s R u llu s w a re n vom a n g e w ie s e n e n E ig o n th u m d ie A u sd rü c k e
p u b lic e d a ta , as&ignata g e b r a u c h t: von d e n P o s se a sio n ö n concesaa.
C ic e ro a d v . R u ll. I l l 2 . ( 7 .) . D a ss D io n y s iu s (V II I. 73. p. 5 4 1 . b.)
v o n d e r L im ita tio n d e s A g e r p u b lic u s ( n ä m lic h , n a c h s e in e r A n ­
e ic h t, d e r z u v e rp a c h te n d e n L ä n d e re y e n ) re d e t, int e in s c h la g e n ­
d e s B e j '.p i e l w ie e r k e c k lic h w agt h ö c h s t d u n k le B eg riffe von d en
e i g e n t ü m l i c h e n rö m isc h e n V e rh ä ltn is s e n a n z u w e n d e n , u n d es
d a n n g r a d e v e r k e h r t trifft.
D ie s e F e ld e r s in d d ie agri assignati, je n e d ie occupa-
torii; d ie s e limitatif j e n e arcißna/es: d ie latifundia arceniium
vicinos: P l i n i u s X V III. 4 . 3) èirexTjpurrou, A p p ia n a . a . 0 .
4) [ T h . 2.] A n m . 2 7 5 . F r o n tin u s (d e r so g en .
A g g e n u s 11.) de controv. a g ro ru m , tit. d e a llu vio n e p . 6 9 . ed*
G oëfrii .
[band п .] — 135 —

Eigenthum blieb der Republik bis sie es förmlich über­


trug, mit uneingeschränkter Befugniss den immer precaren
Besiz aufzuheben, und die erledigten Grundstöcke zu ver­
kaufen oder zu assigniren. Der Unterthan, der. das ein­
geräumte Land seiner Vorfahren baute, konnte nicht murren
wenn sie für gut fand anders darüber zu verfügen306): und
nicht unverlezlicher war der Besiz des Bürgers, selbst in­
nerhalb der fünfhundert Jugern welche das licinische Ge­
sez zu überschreiten verbot, nicht sie zusicherte: obwohl
Tiberius Gracchus den Besiz bis zu doppeltem Maass
achtete und bestätigte. Unzweifelhaft beweisen die folgen­
den Beyspiele. Der ager trientiue tabuliusque, womit der
dritte Termin der Anleihe aus dem hannibalischen Krieg
166 abgetragen ward, lag um Rom: es war den Staatsgläubi­
gern erlaubt sich innerhalb fünfzig Millien um die Stadt
Grundstücke auszusuchen, welche doch hier nothwendig
alle im Besiz römischer Bürger seyn mussten 7). So war
die Feldmark von Kapua zwischen einer grossen Menge
kleiner Besizer, römischen Bürgern, getheilt: dennoch war
nicht das Recht streitig sie ihnen zu entziehen um eine
Colonie zu gründen, nur die Billigkeit und Klugheit8).
Ais Appius der Blinde weit und breit Domainen ver­
kaufte um die fast unerschwinglichen Kosten seiner Riesen­
werke zu decken, mögen viele Familien, welche ausgewie­
sen wurden um den Käufern Raum zu machen, den Unter­
nehmungen geflucht haben welche ihr Glück zerstörten;
aber das Recht der Republik konnten sie nicht läugnen.
Es konnten dabei ungemein harte Fälle eintreten: hätte
es bloss Guter betroffen, die von den ersten her welche
sie occupirt hatten vererbt waren, so wäre es leidlich ge­
wesen ein Besizthum zu verlieren das ohne Kosten erlangt
worden. Aber wenn sie auch gekauft oder auf andere
Weise als Geldeswerth angenommen waren, immer gingen
sie dem Besizer eben so verloren als ob sie durch ein
Unglück zerstört wären: er konnte keine Eviction anspre-

306) C icero ado. Rullum II. 2 1 . (5 7 .). 7) L iv iu s X X X I. 13.


8) C icero adv. Rullam H . 31 (84). E s * war nur eine in,
te w m ie tisc h e C o n c e s sio n : obx äyovréç 7tw tr^oX^v ätaXa^stv-
іжехуриттоѵ èv rootàâe тоcg èâéXouatv ёхжоѵеіѵ : A p p ia a u a
а . а. О.
— 136 — [вім> п.)

.eben; jâ in einem Gutachten über einen bestimmten Fall


findet Paulus den ausgetriebenen Besizer pflichtig den noch
rückständigen Termin des Kaufgelds zu zahlen809). Es ist
kein Grund anzunehmen dass die Richter fünfhundert Jahre
früher eine ausreichendere Ansicht gehabt haben würden m
als diese späten Rechtslehrer welche, die gemeine Domaine
nur noch in seltenen Beyspielen kannten; wie derselbe
Paulus von ihr unter dem Namen agri publici redet, und
lehrt: ihr Besiz, da sie auf ewig verpachtet wären, könne
nur unmittelbar vom Kaiser zurückgerufen werden 10): von
diesem freylich, wie das angeführte Beyspiel zeigt, ohne
Entschädigung n ).

*09) 1. 1 1 . D . d e evict. i°| Paulus I. 1 1 . JD. de p u b lic ,


et ve c iig . (X X X IX . 4 ) n ) Der Fall worüber Paulus jenes
Gutachten abgab betraf ein Landgut im römischen Germanien,
auf dem rechten Rheinufer, in der äussersten Militargiänze. Auf
sie war jezt, wie es scheint, diese Form des alten Besizes be­
schränkt, und dauerte hier fort bis auf Honorius und Theodosius.
Eine Verordnung des Jahrs 423 vertilgte auch dies uralte Recht:
der Kaiser verwandelte den bisherigen Besiz in volles Eigenthum
(l. u n . C . T h . de r e i v in d ic a t. — II. 23.). Diese ist zu Ka-
yenna gegeben: überhaupt scheint die Sache dem östlichen Reich
fremd gewesen zu seyn; und es ist kein Wunder das* nicht nur
jene Constitution im Codex fehlt, sondern auch in den Pandekten
kaum eine Spur des alten Rechts vorkomint. — Von den kaiser­
lichen Kammergütern, die auch dem Privateigenthum entgegen-
gesezt werden, ist hier die Rede nicht.
Häufig aber reden die Pandekten, auch in einem eigenen
Titel, von den städtischen Vectigalgütern. Diesen haben die welche
sich dem richtigen Begriff am meisten näherten, die Besizungen
des Genpeinlandes gleichgestellt: doch ist dor rechtliche Unter­
schied nicht weniger gross als der GegenMände Umfang und
Wichtigkeit. Drey Hauptpunkte sind hierüber entscheidend.
1 . E s i>t bemerkt worden (Th. II. S. 164. Anm. 3i Ö ) da?<s der recht­
liche Besizer nie ein Grundstück des römischen Volks usucapiren
konnte: Vectigalgüter der Städte konnten so usuenpirt werden
(S a v ig n y vom besiz* 2. Ausg. S. 110.). — 2. Nach Paulus (l. 1.
I ) . §. i . s i ,a g er vectiga lis . VI. 3.) hatte der Vectigalbt'si/er eine
K lage gegen das Municipium, wenn ihm bey richtiger Zahlung
der Erbpacht (1. 2 . eo d .), sein Grundstück entzogen ward, —
gleich dem Zeitpächter (t. 3 . eod. — ): nach welcher bestimmten
A ngabe L 1 . p r . ta m d iu und gu a m d iu mit Haloander Yeraezt
werden muse, welches die Florentine sinnlos umstellt. (Hiernach
[ВАІШ П.] — 137 —

1в7 Man sieht leicht dass der Verlust leidlich war wenn
häufige Ausübung des Eechts der Republik auf die Un­
sicherbeit des Besizes aufmerksam machte, und den Kauf­
werth solcher Güter niedrig hielt; ja es mag Fälle gege­
ben haben, wenn die Censoren sie in grossen Massen zum
Verkauf brachten, also wohlfeil losschlagen mussten, wo
der Besizer es wohl zufrieden war um einen niedrigen
Kaufpreis die Sicherheit volles Eigenthums, und Befreyung
vom Zehenten, zu erlangen. Unter entgegengesezten Um­
ständen, wenn der Besiz lange Jahre nicht durch agrari­
sche Geseze erschüttert war, konnte der Kaufpreis, den
Kapitalwerth des Zehenten abgerechnet, dem des Eigen­
thums sehr nahe kommen.
Eben so precar wie dieser Besizstand gegen den Staat,
war gegen die Patrone derjenige ihrer Clienten, denen sie
als Preis der Hörigkeit ein kleines Grundstück von ihrem
Antheil an der Domaine eingeräumt hatten. Sie verliehen
es ihnen, heisst es, wie den eigenen Söhnen312): und die
ш Dauer jedes Besizes den der Sohn vom Vater empfing,
stand gänzlich in dessen Willkühr. Man nenne es keine
moderne Idee dass sie, gegenseitig in einem ganz freyen
Verhältniss, durch eine Käthe und ein Paar Morgen für die
Dauer ihrer Dienste mit dem Gut verbunden gewesen
wären: das Gesez gebot die Ansiedelung freyer Insten im
Verhältniss der Fläche jedes Besizthums vom Gemein­
feld 13). Ein solcher Client, ein armer Häusler, war auf
des alten Catos Gut Salonius, dessen Tochter er heirathete.
Was in späterer Zeit verordnet werden musste, und nicht
befolgt ward, war vor Alters, als die Macht der Patricier

war der spätere Vectigalbesiz von dem emphyteutischen nur in


Hinsicht der verpachtenden Personen verschieden, dort nothwen-
dig eine Commune, hier auch Privatpersonen). Die römische Re­
publik hatte ein unbesch» änktes Recht den Besizer ohne alle Ent­
schädigung zu entfernen. 3. Ein Municipium überliesd die Erb­
pacht seiner Grundstücke einem jeden, durch Contract: die Re­
publik den Mitgenossen der Souverainet ä t, oder den alten Ein­
wohnern, durch Concession.
312) P a t r e s — a g ro ru m p a rte s attrib u eb a n t tenu ioribus, p e r -
in d e a c lib eris p r o p r iis . Festüs im Auszug, und Fragment.
Von ihren HeVedien konnten sie solche Stellen nicht abgeben*
*3) Appian d e bell, c iv . I. 8.
— 138 — [band xt.]

auf der Menge ihrer Clienten beruhte, ihr eigenes Bestre­


hen: es war aber billig dass der Possessor sich eines un-
nüzen und ungetreuen Knechts müsse entledigen können;
und deshalb trat keine Macht schüzend für diesen ein
wenn der Herr seine Belehnung zurücknahm und ihn
entliess.
Der Wechsel des Besizes auf dem Gemeinland war
von allen Förmlichkeiten entblösst die erfunden worden
um dem Eigenthum Sicherheit zu geben: alle Klagen und
Eechtsmittei wodurch dieses behauptet ward, fehlten ihm:
es wäre ohne Sch uz gegen Gewaltsamkeit und Unredlich­
keit gewesen, wenn nicht die höchste Gewalt welche ihn
verliehen, und eingeladen hatte ihn zu ergreifen, diesen
hereit gehalten hätte. Er ward durch die possessorischen
Interdicte gewährt *) ; denn ich halte nichts für unzweifel­
hafter als derselben unmittelbare und ursprüngliche Be­
ziehung auf diesen Besiz. Ausdrücklich wendet Cicero sie ш
darauf an314): und bey den Berathungen über das Gemein­
land, und dem Bericht über das icilische Gesez, fehlen sie
Ley Dionysius n ich t16): nur über die Steile wobin sie
gehören, sieht er auch hier, wie sonst unzähligemal, falsch.
Unmittelbar auf den Besiz des Ager publicus deutet der
Inhalt der prätorischen Schuzgebote: freylich nicht die
Formel des Interdicts u ti possidetis wie wir sie jezt aus
dem beständigen Edict lesen, denn hier ist die Rede von
Häusern ; wohl aber die weit ältere, ursprünglich aus Aelius
e) Schwegler II. 427. A. 1 . *14) Cicero a d v . ftu llu m
III. 3- ( П .) . H a t e trib . p l. p ro m u lg a re a usus es t , ut q u od
q u is q u e — p o s s id e t , i d со iu r e teneret quo q u i oplim o p r i­
v a tu m ? E t ia m n e s i v i e ie c it f eiiam n e s i c la m t si p rec a rio
v e n it in possessionem ? E r g o h ac lege iu s c iv ile , ca u sa e posses-
s io n u m , p ra e t o rv m in te rd ic ta tolluntur. lö) et rtu a ££
a d r y g x k é n r o v r e g (clam ) 9j ßtaCofieuot (v i) ztveg lât& zat x à r a -
v é fio tx rtv : Dionysius VIU. 73. p. 54 1. b. ß eß ta crß evo t, i)
xXo7cjj X a ß o v r e g : X. 3*2. p. 658. e. In beyden Fällen nimmt er
an, ein solcher fehlerhafter Besiz eey an die Republik verfallen:
und wenn er auch die römische Darstellung damit nicht vollstän­
dig genau gefasst haben dürfte, so ist ea doch natürlich dass,
wenn nur ein Theil der Besizthümer zurückgenommen ward, die
Reihe zuerst an die kam wo der Besiz unbillig war. Wie dem»,
auch sey: das icilische Gesez war erhalten: und dass darin de^
Beeizes v i et c la m gedacht war, kann nicht bezweifelt werden.
[band п .] — 139 —

Gallus erhaltene316): diese redet ausdrücklich von einem


Fundus.
170 Wenn aber der Prätor nicht gestattete dass das w ill-
k ü h rlich v e r lie h e n e ( precario) gegen den Geber als
fester Besiz angesprochen werde, den er w ie er b esta n d
(uti possidetis) unter seinen Schuz nahm; so schözte er
nicht minder den unabhängigen kleinen Besizer, indem er
den g e w a ltsa m e n Besiz (vi) für ungültig erklärte. Auch
über diesen klagten die Gracchen und alle Yolksfreunde
ihres Zeitalters bitterlich: während der Soldat gegen den
Feind diente, vertrieb der mächtige nach seinem Gütchen
lüsterne Nachbar sein Weib und seine Kinder. Bey Eigen­
thum war dies offenbar unmöglich: auf dem Gemeinland
konnte es bey der Entfernung vieler Gegenden von römi­
scher Jurisdiction leicht gewagt werden. Dem Abwesen­
den, dem Reichen wie dem Armen, konnten ihm u n b e­
w u s st (dam) Felder von den Nachbarn entzogen werden,
wo keine Limitation schözte : auch da gewährte der Prätor
Hülfe; und in keinem Fall konnte der entzogene Besiz
durch Verjährung verloren gehen, die nur das Eigenthum
betraf. Alle Deutung auf das Verhältniss zum Staat ward
durch die Formel e in e r vom ändern (alter ab altero)
ausgeschlossen.
Es versteht sich dass die Interdicte auch den Besiz
von Dingen schüzten die zum Privateigenthum gehörten, sey
es dass der Herr den Usus allein hatte einräumen wollen,
oder dass dieser, mit Unterlassung der gerichtlichen Ueber-
tragung, zum quiritarischen Eigenthum führen sollte. In­
dessen konnte der erste Fall nicht oft eintreten, noch
konnte man zur Versäumniss der hergebrachten Förmlich­
keiten aufmuntern wollen, deren Beobachtung in den alten
171 Zeiten, wo jene Interdicte schon als gebräuchlich Vorkom­
men, gar nicht schwer fiel : also dass diese Anwendung, ver-

316) Bey Festus s. v. Possessio. U ti n u n c possidetis eum


f u n d u m : anstatt eas aedes in den Pandekten. — Es ist unmög­
lich die Ansichten welche bey lebhaftem Ideenwechsel der Freund
weckte zu scheiden, oltgleich sie in ihrem Ursprung un>er eigent­
lich nicht sind, ihm mehr gehören als uns selbst. Das mitge-
theilte können wir als seine freye Gabe nennen: die obenete-
hende Bemerkung hat Sarigny mir mitgetheilt.
— 140 — [b a k d ii .]

glichen mit der auf den Ager publicus, damals nur sehr
unerheblich gewesen seyn kann. Allerdings musste sich
dieses Verhältniss umwenden als das römische Recht auch
für den eigentlichen Provinzialboden geltend ward, und
der Geist der Zeit in Italien selbst Vernachlässigung der
beschwerlichen Formen der Uebertragung des Eigenthums
immer allgemeiner machte; während eben daselbst der
Ager publicus allmählig verschwand. Seine ungeheure
Ausdehnung war durch die Ackergeseze von Tiberius Grac­
chus bis auf den marsischen Krieg, während desselben
durch Verkauf, ausserordentlich geschmälert; und wenn die
Eroberungen in diesem Krieg, und die Confiscationen der
bürgerlichen, grosse Bezirke wieder hinzugefügt hatten, so
waren diese alsbald an Militarcolonien weggegeben. Der
Krieg wodurch Vespasian das Reich eroberte, und die Be­
lohnungen seiner Legionen, hatten die lezten grossen Ver­
änderungen dieser* Art, bedeutende Ackeranweisungen an
die Veteranen in Samnium317), verursacht: darauf aber vin­
dicate seine strenge Sparsamkeit alle von den aufgetheil-
ten Territorien übrig gebliebene, vom Staat nicht aus­
drücklich vergebene, von den Colonien und Municipien als
Communalland usurpirte Landstriche, die suöeeciva. Diese
Maassregel erschütterte das Vermögen fast aller Land- ‘
städte, und Domitian ward durch ein Edict welches die­
ses sämtliche Land den Gemeinden schenkte die es frü­
her benuzt hatt en, der Wohlthäter Italiens 18): aber damit
verschwand auch fast alles Landeigenthum des Staats; und 172
ein Schriftsteller, der wahrscheinlich in das zweyte Jahr­
hundert n. Chr. gehört, weiss nur noch in dem damaligen
Picenum, um Reate, von Ländereyen welche Eigenthum
des römischen Volks waren, und deren Steuer der Schaz
empfing 19).
Bis auf so unbedeutende Ausnahmen war nun das Ge­
meingut ( publicum) des Staats in der Halbinsel beinahe
auf Ströhme, Ufer, Strassen beschränkt: und so mögen
schon die Verfügungen des Edicts über dasselbe, nicht
bloss die Erläuterungen welche wir in Bruchstücken lesen,

817) Aggenue d e controv. p. 54. 18) Frontinus (Agge-


lius II.) tit . d e tubsecivis p. 6S. 69. Щ Siculua Flacoue
p. 2. Auch einige Foretwi: Fro&tinus p. 42. *
[band II.] — 141 —

fast nur diese Gegenstände betroffen haben- Aber nichts


desto weniger kann der Umstand dass, nach der Ordnung
der Abhandlung in Ulpians Commentar, wie in den Pan­
dekten, jene Interdicte auf die Verfügungen welche das
Gemeingut angingen im Edict gefolgt zu seyn scheinen820),
als eine Bestätigung dafür gelten dass sie ursprünglich
den Ager publicus betrafen.
Diese hat Savigny mir mitgetheilt, als ich ihm meine
Untersuchungen über den Ager publicus und die Ansicht
über den Gegenstand der Interdicte vorlegte: nicht ohne
Aengstlichkeit auf einem Boden zu straucheln den ich als
Fremder betrat. Sein Beyfall gab meinen Schritten Sicher­
heit; und als nachher jene Untersuchungen bekannt ge­
macht wurden, verdanke ich es vor allem seiner öffentlich
ausgesprochenen Zustimmung dass ihre Ergebnisse nun
173 wohl ganz allgemein angenommen sind; anstatt dass sonst
der Unzünftige für die Vermessenheit die Wahrheit zu
entdecken, gebüsst haben würde. So wagte ich es denn
schon vor einigen Jahren in mündlichen Vorträgen die
weitere Anwendung des Sazes auszusprechen, dass der
Prätor sich den Schuz der Possession auf dem Ager pu­
blicus angelegen seyn liess.
Eine igeringe Vergegenwärtigung der Verhältnisse ge­
nügt um zu überzeugen dass eine Erbschaft nur Eigen­
thum befassen, dass namentlich ein Testament durch Man­
cipation den Besiz niemals enthalten und übertragen konnte.
Ohne Hülfe des Staats wäre er bey jedem Todesfall erle­
digt gewesen, und hätte dem ersten der sich seiner be­
mächtigen wollte offen gestanden: aber dieselbe höchste
Gewalt welche ihn ursprünglich verliehen hatte, gegen
Beeinträchtigung schirmte, verlieh ihn dem Erben, der
dann ihren Schirm gleich seinem Vorgänger anrufen konnte.
Der Prätor gab die Possession des Grundstücks dem der
es, wenn es Eigenthum gewesen wäre, nach Landrecht
oder dem lezten Willen des Verstorbnen,als Erbe ange­
sprochen haben würde: weil aber der Staat über sein
Eigenthum frey verfügen konnte, so warauch die Obrig-

320) D ie V e rfü g u n g e n ü b e r d a s publicum s te h e n Dig. X L I1 I.


tit. 6 — 15» d a n n fo lg e n d ie I n te r d ic te : b e y U lp ia n s ta n d e n j e n e
i m 6 9 ' d ie s e im 7 0 . B a c h d ee C o m m e n ta rs.
— 142 — [band II.]

keit nicht nur durch die Regeln des gesezlichen Erbrechts


nicht streng gebunden, sondern sie konnte auch von den
leztwilligen V e r f ü g u n g e n abweichen, die über diese Gegen­
stände nur als Wunsch galten. Billigkeit und Verständig­
keit durften sie bestimmen; also jeden Prätor wie er sie
erkannte; und einer konnte hierüber ganz anders verord­
nen als seine Vorgänger.
Eine Magistratur die es sich hätte anmassen dürfen
ein Erbrecht eil)zuführen wodurch das gesezlich bestehende 174
untergraben werden sollte321), ist eine Monstrosität welche •
kein verständiger Mann, sobald er sich die Sache ver­
wirklicht denkt, für möglich halten kann. Wenn aber
über die Nuzung des Eigenthums der Republik, welches
ganz ausserhalb der Gesezgebung lag, ein System sich
festgestellt hatte, und diese Nnzung einen so grossen Theil
alles Vermögens ausmachte wie es zwischen dem hanniba-
lischen Krieg und dem sempronischen Gesez der Fall war*,
wenn das Eigenthum in den zugewandten Ländern und
Provinzen, welches auch nicht unter das Erbrecht der XII
Tafeln gehörte, derselben gleichgestellt ward; — so bil­
dete sich durch Gewohnheit ein Erbrecht, dessen allmähli­
che Ausbreitung zum Nachtheil des gesezlichen gar nicht
mehr befremden kann. Es mögen äusserst wenige Ver-
lassenschaften, über das Maass der Dürftigkeit, eröffnet ,
seyn, wo das Erbrecht genügt hätte, das Eintreten des
Prätors entbehrlich gewesen wäre.
Dass die Bonorum Possessio im Recht der Kaiserzeit eine
andre Gestalt und Wesen hat, weiss allerdings jedermann:
aber dergleichen Veränderungen sind dem bürgerlichen
Recht der Römer eben so gewöhnlich wie ihrem Staats­
recht, oder den Rechten der neueren Völker. Es hing
gleich diesen von der Gewalt der innern Umbildungen ab ;
ja es war eben so wenig gegen den Einfluss von Misver- i7*
ständnissen gesichert welche arge Ungerechtigkeiten för­
derten. Unkunde des einheimischen Rechts hat in Irland
nach Tyrones Rebellion die Confiscation des Landeigen-

221 ) D ie s e g a n z u n v e rs tä n d ig e M e y n u n g t r ä g t , u m n u r e in e n
s o n s t s e h r e h re n w e r th c n G e le h rte n zu n e n n e n , H e in e c c iu s so тог
a l s o b d ie S a c h e g a n z k la r w ä r e , u n d g a r n ic h ts a n stö a s ig e s in
s ic h h ä tte .
[baud п .] — 143 —

thums aller Unterthanen der empörten Häuptlinge veran­


lasst; man wandte gern die Grundsäze des Lehnrechts auf
sie an, welches der Nation ganz fremd war322): gleiche Un­
kunde hat veranlasst dass deutsche Gerichte den erblichen
Besizern, die dem Gutsherrn nur zu Landemien, leichten
Diensten und einer bloss anerkennenden Entrichtung pflich­
tig waren, ihre Rechte abgesprochen, und dem habsüchti­
gen Herrn die Befugniss zuerkannt haben, sie auf Zeit­
pacht zu sezen, und nach Belieben auszustossen. Eben so
hat die römische Jurisprudenz an den Provinzialgrund­
stücken gesündigt. Es ist unstreitig dass sie schon unter
den Antoniuen das Eigenthum des Bodens in den Provin­
zen dem römischen Volk oder dem Kaiser znschrieb, je
nachdem dieser oder jenes als Souverain betrachtet ward 23).
Die freyen verbündeten Städte, wie Rhodus, wurde Gaius
selbst als Ausnahme haben gelten lassen: aber ausser
solchen nennt Cicero im Umfang der Provinz Sicilien
rechts- und steuerfreye Orte ohne Bündniss; ja, durch den
Gegensaz sehr weniger, deren Landschaft durch den Krieg
an Rom verfallen war, erkennt er dass der Boden in den
übrigen Orten, die zehentpflichtig waren, Privateigenthum
se y 24): freylich nach fremdem und allgemeinem Recht26).
176 Von einer Feldmark in Sicilien erwähnt er, es werde be­
stritten ob sie den Einwohnern oder dem römischen Volk
gehöre 26). Es ist kein Wunder dass auf der einen Seite
die Erwerbung des Orients und Aegyptens, wo von jeher
der Boden Eigenthum der Landesherrschaft war, auf der
ändern die Eroberung von Gallien und den Gränzprovinzen,
als Massen die älteren Provinzialländereyen weit über­
wiegend, ihren Rechtsstand für die Regierenden und Rich­
tenden zu Rom eben so verdunkelten wie die Verhältnisse
der Bauern in eroberten wendischen Ländern über die in
angränzenden deutschen Landschaften irre geführt haben:

322) U e b e r d ie se G re u e l d e r U n g e r e c h tig k e it r e d e t S ir J o h n
D a v ie (u n te r K . J a c o b 1.) h ö c h s t a u iric h tig in d e n àueeerafc le h r ­
re ic h e n h isto rica l tracts. 23) G a iu s In st. II. 7. 24) S . [T h . 2.]
A nm . 277. 2Ö) F r e y li c h ia illa b le et corvéable à volonté.
26) R u llu s h a tte in S ic ilie n e in e n ager B ecen to ricu s vom V e r­
k a u f a u sg e n o m m e n : si p r iv a iu s est, s a g t C ic ero , ßo i s t es j a u n -
n ö th ig ih n a u s z u n e h m e n : a d v . R u ll. 1» 4 . (1 1 -)
— 144 — [band U» 1

auffallender ist es dass die Wahrheit die in Büchern stand


in sechszig Jahren vergessen war: da noch Frontinus die
arva •publica in den Provinzen im Gegensaz der agri pH-
vati in denselben genannt hatte. Der Unterschied zwischen
diesen und dem Landeigenthum italisches Rechts war nur
dass jene Grundsteuer entrichteten, Steuerfreyheit zum We­
sen der lezten gehörte827).

Die Landanweisungen vor Sp. C assius.“)


Man mochte Rom als Colonie von Alba, oder als die
des Göttersohns denken der die Stelle einer Mutterstadt
einnahm, so ward über seine Gründung angenommen, und m
als überliefert berichtet was bey Colonien gebräuchlich
war. Wie Romulus das Pomörium mit dem Pflug bezeich­
net haben sollte, so ward ihm auch die Anweisung von
je zwey Jugern als erbliches Eigenthum, an jeden seiner
Bürger, zugeschrieben 28) ; und dass diese kleinen Loose
auch zu Rom in uralten Zeiten würklich bestanden haben,
kann unmöglich in Zweifel gezogen werden. Hundert sol­
cher bildeten eine alte Centurie, von zweyhundert Jugern
Baufeld 29), eingeschlossen von Reinen die als unwandel­
bare Gränzen nach den Regeln der Himmelschau gezogen
waren. Dieses war die Flur einer Curie: dass jede eine
gleiche besass, gehört zu den Ueberlieferungen des alten
Rechts яо) : und dass für die Curie hundert Hausgesinde

327) A g g e n u s zu m F r o n tin u s p . 4 7 . ed. O o'éni. I d e o p u b lica


( a r v a ) h oc loco eum d ix is se exiatimo q u o d om nes etiam p r iv a t i
a g r i ( in p r o v in c m ) trib u ta atque v e c tig a lia persolvunt.
a ) S c h w e g le r L 6 1 7 ; M o m m se n R . G . I. 2 8 2 ; I h n e H. G . I . 4 4 6 ;
M . V o ig t ü b e r b in a ju g e r a d e r ä lte s te n rö m isc h e n A g ra rv e rfa s su n g
( R h e in . M u s. N . F . X X IV . S. 0 2 . 28) O b e n [T h . 2.] A n m . 92.
29) S ic u lu s F J a c c u s ed. Go'ée. p. 15. u n d V a rro de r e r.
I. 1 0 : d e r h ie r d a s R ic h tig e a n g ie b t, a n d e r s w o , de I, I. V . 4.
( I V . p . 1 0 . B ip ,) , a u f d ie se lb e W e is e w ie m a n d ie u rs p rü n g lic h e n
C e n t u r ie n d e r L e g io n a u s 1 0 0 M ä n n e rn b e ste h e n d d a c h te , eine
C e n tu rie v o n 1 0 0 J u g e r n , d ie n irg e n d s v o rk o m m t, a u c h w ohl n ie
w a r , als^ d ie u r s p r ü n g lic h e a n n im m t. 80) âœXùv тЪѵ уЩѵ
e lç т ріахоит а (s. [T h . 2.] A n m . 3 4 1 .) хЩ роид ïaouç, èxdariQ
< p pàrpq. xX ijpou àneâm xev eu a . D io n y s iu s I I . 7 . p . 8 2 . d.
[В.43ГО П.] — 145 —

angenommen wurden, erhellt daraus dass für die drey


Stämme dreytausend Wehren gezählt sind881), wie die Co­
lonen von Antium als tausend Soldaten bezeichnet werden:
also ist unzweifelhaft die Angabe von tausend Hausgesin­
den im anfänglichen Rom von den Raumes verstanden
worden 8*), wenn sie auch ursprünglich einen Zustand be-
178 treffen sollte, dessen Andenken absichtlich vertilgt ist.
Als Hundert von Bürgern wird die Curie auch durch die
Decurien welche sie enthielt, bezeichnet33). Jede Acker-
centurie war eine Gesammtheit, welche ihren Theilnehmem
bürgte84), jede Curie ebenfalls; es ist eine undenkbare
Inconsequenz dass das Eigenthum des ohne Erben ver­
storbenen Bürgers an sein Geschlecht, die Yerlassenschaft
desjenigen der zulezt von einem ausgestorbenen Geschlecht
überlebte nicht an die Curie in der es enthalten war, ver­
fallen sey 3ö). Als die Potitier erloschen musste dies frey­
lich wesentlich anders seyn. Es liegt ausserhalb aller
Möglichkeit emes Beweises, aber höchst wahrscheinlich ist
es dass kein Here dium an jemanden übergehen konnte der
nicht zur Curie gehörte.
Allein Romulus wiess nicht das ganze Gefilde seinen

381) singulae Iribus singula millia militum mittebant. V a rro


de l l V . 16. (IV . p . 2 6 ). 82) [T h . 2 ] A nm . 91.
88) D io n y s iu s а. а. O . 34) H ie r a u f b e ru h t d ie a g ra ris c h e
C o n tro v e rs e de modo. Wenn d e r S tro h m ein Ö tück w e g ris s , o d e r
e in E r d fa ll e n ts ta n d e n w ä re , so tr a f d e r V e rlu s t a lle E ig e n th ü m e r
in d e r C e n tu rie im V e rh ä ltn is s ih re s M asses. 35 ) K a m die
V e rla s s e n s c h a ft d e s E rb e n lo s e n a n d a s G e s c h le c h t z u m g e m e in -
s c h u ltlie b e n B e s iz , o d e r a n d ie G e n tile n , so dans sie zw isc h e n
ih n e n g e th e ilt w a r d ? Ich y e rm u th e d a s le z te ; s te h e w e n ig ste n s
n ic h t a n a ls ein JBeyspiel a llg e m e in e r V e rth e ilu n g e n in d e n C u ­
rie n d ie p la u tm is c h e n V e rse g e lte n zu la s s e n : A u lu l. I % 2 9 .
JSam noster nostrae qui est magister curiae Dividere argenti nu-
mos dixit in viro8 U e b e rse z u n g a u s dem G rie c h isc h e n w en n d ie
B a c h e z u R o m n ic h t v o rk a m is t m e h r a ls u n w a h rs c h e in lic h :
fre y lic h w a r e in e C u rie g e g e n 5 5 0 e in g a n z a n d re s W e s e n a b
d re y h u n d e rt J a h r e ѵ о тЬ ег; a u c h h ä tte e in E u c lio , d e n d e r D ic h te r
w ie a lle ä h n lic h e P e rs o n e n rö m is c h g e d a c h t n u r a ls A e r a r ie r
n im m t, v o r A lte re g a r n ic h t d a rin sey n k ö n n e n ; — a b e r die
S p e n d e n k ö n n e n s i c h t i n d e n u m g e b ild e te n jC urien b e g o n n e n
>h a b e n .
Niebahr, Köm. Gesell. * IQ
— 146 — [bà h d h .]

zehn Curien zum Eigenthum an: er bestimmte einen ändern


Antheil fur den Gottesdienst und den König: einen dritten m
liess er als gemeine Mark336), nämlich zu Triften. Es ist
schon bemerkt dass zwey Jugern unmöglich eine Familie
ernähren können: das Vieh welches auf der Gemeinflur
erhalten ward, half aus, und der grösste Theil des Ver­
mögens bestand in Heerden87). Für die Nuzung ward
dem gemeinen Wesen eine Abgabe entrichtet; und auf
diese ältesten Zeiten scheint die Meldung sich zu bezie­
hen, dass der Populus ursprünglich nur von den Triften
Steuer empfangen habe, und daher in den censorischen
Registern alle steuerpflichtigen Gemeiuländereyen paecua
genannt wären 88).
Die Darstellung des Bechts beachtet nicht in welchen
Verhältnissen die beyden ändern Gesammtheiten ihr Grund­
eigentum hielten ehe sie Stämme des römischen Volks
wurden: sie macht den Saz augenscheinlich, dass alles
quiritarische von der Republik ausging; dass Communen
welche das Bürgerrecht empfingen dem römischen Staat
ihr Land auftrugen, und von dessen Händen zurück er­
hielten. Daher wird Anweisung von Landeigenthum den
Königen durch die jene Stämme in die Geschichte eintreten
als die erste Handlung ihrer Herrschaft zugeschrieben 39),
und so gelangt die personificirende Entwicklung der Rechte ieo
zur Vollendung des eigentlichen ager Eomanus, der, sofern
er Eigenthum der Geschlechter war, aus drey Regionen
nach den Namen der alten Stämme bestand 40), mithin zu-’

336) a . a. O. ê$eXà)u туи àpxoücrau eig lepà


D io n y s iu s
xal т ерем ], xat riva xal т ф х о с и ф yvjv xaraXnzév. A u» d e m
r e ic h e n xXfjpog d e r K ö n ig e (v g l. C ic ero d e r e p . V. i>.) b e stritte n
ьіе a u c h d ie Kosten dea G o tte s d ie n s te s : d e rs. I I I. 1. p. 137. a.
37) C o lu m e lla V I. p r. 38) P lin iu s X V I I I , 3.
39) V o n N u m a — v i r i t i m — C icero d e r e p . II. 14. D io n y s iu s
I I . 6 2 . p . 123. c. d . N u m a a s s ig n irt à< p ' v jg eP c u ß ü \ o g è x é x r r j r o
% d > p a ç , x a l à iz b r r jg d r j ß o a ia g % é p a g ß o l p d v т і ѵ а d X f y y v , an
d ie w e lc h e u n te r R o m u lu s n ic h ts e rh a lte n h a tte n . V on T u llu s ,
d e re . I I I . 1 . p 1 3 7 . a. a u c h a u d ie w e lc h e k e in L a n d lo o s h a tte n :
m it w e lc h e r A n w e is u n g d ie G rü n d u n g d e r S ta d t a u f d em C ae liu e
v e r b u n d e n is t u m ih n e n O b d a c h z u g e b e n : e b e n d a s . 40) V a rro
d e L L V . 9 . (IV . p . 1 7 ).
[ВАШ) П.] — 1Ш —

sammen aus dreyssig Centurien oder 6000 Jugern limitir-


ter eigentümlicher Aecker: daneben aber hatte jeder der
drey Orte sein Königs- und Tempelgut, und eine gemeine
Mark, welches alles erst im Verlauf der Zeit vereinigt
seyn kann. In diese einfache und in ihrer Art gesunde
Vorstellung brachte die verkehrte, unmöglich anders als
spät entstandene Verwechslung des vollendeten Zustands
des Populus mit dem romulischen, völlige Verwirrung.
Romulus sollte schon dreyssig Curien eingerichtet haben841),
und bey der Gründung der Stadt werden ihm dreytausend
Bürger zugeschrieben 42): wie man sich nun fruchtlos quält
um die hundert Senatoren den dreyssig Curien anzupassen,
so geht es eben auch mit den Landanweisungen des zwey­
ten und dritten Königs: für jenen fehlt es freylich nicht
an Ländereyen aus Romulus Eroberungen; Numa aber
hatte seinem Nachfolger keine hinterlassen, daher erdacht
ist dass Tullus des Königs Tafelgut getheilt habe. Von
beyden wird es als Milde gegen die Armuth dargestellt.
181 Da nun das Daseyn der dreyssig Fluren der Curien
unzweifelhaft ist, so irrt freylich Livius indem er annimmt
dass die Geschlechter vor Alters kein Landeigentum hatten;
denn es wäre fast ohue Ausnahme alles Land erobert, und
alles davon verkaufte und angewiesene in den Händen der
Plebes gewesen 4S). Uebrigens war nicht bloss die Esch
des alten ager Romanus, wie alles Eigenthum, gegen ein
jedes Ackergesez gesichert, sondern auch die alte Allmende
und was dazu gewonnen war ehe es eine Plebes gab.
Ihrem Gründer, dem König Ancus, wird die vierte Anwei­
sung von Aeckern zugeschrieben 44) : und diese ist wieder
nichts als historischer Ausdruck jener Regel wonach es
sich verstand dass auch die latinischen Gemeinden aus
denen der neue Stand geschaffen ward, ihren Boden dem
römischen Staat übertragen, und von ihm, nach den Ge-

341) S . [Th. 2.] Anm. 3 3 0 . 42) Dionysius II . 2. p. 78. c.


— er fügt noch 300 Reisige hinzu, die wahrscheinlicher in jener
Zahl begriffen gedacht sind. vgl. [Th. 2.] Anm. 3 3 1 . 4^) Liviaa
IV . 4 8 . nec enim ferme quidquam agri, ut in urbe alieno solo
posita, non armis partum erat, nec quod venisset, assignatumve
publice esset, praeterquam plebs habebat. 44) T h . I. S . 392**
A nm . 880.
10*
— 148 — [band п .]

sezen der Limitation, zurück empfangen hatten. Dabey


waren Umlegung und Austausch unvermeidlich, zumal wenn
es Grund hat dass die Bürgerschaften zum Theil ihre
Wohnsize veränderten.
Das Gemeinland des römischen Staats muss schon vor
'Servius einen sehr grossen Umfang erreicht gehabt haben.
Wenn Städte mit dem Schwerdt erobert waren, oder Bürger­
schaften durch unbedingte Uebergabe ihrer Personen und
ihres Eigenthums846) sich vor Tod oder Knechtschaft gerettet
hatten, so war ihr sämtliches Land Eigenthum des Siegers46): is*
manchmal überliess ein Ort einen Theil, meistens ein Drit­
theil, seiner Landschaft oder seines gemeinen Landes als
Preis des Friedens.
Ohne Zweifel ist es unter den Königen gehalten wor­
den wie später: Ländereyen wo der Anbau nicht unter­
gegangen war, und die nicht an Colonen noch an die alten
Einwohner zu precarem Besiz überlassen wurden, werden
verkauft seyn 47), vermuthlich vorzüglich noch wohl be­
standene Oel- und Weinberge. Denn über den Besiz die­
ser konnten die welche als Mitglieder der Bürgerschaft
gleiche Ansprüche hatten sich unmöglich friedlich verglei­
chen : jeder musste ihn wünschen, und der Umfang unver-
heerter Pflanzungen konnte nur sehr beschränkt seyn: es
wird in Latium, wie in Attika und in der Lombardey, bey

я*5) I n d e r D e d itio n s fo rm e l b e y L iv iu s I. 3 8 . ü b e rg e b e n d ie
G e s a n d te n sic h s e lb s t, i h r V o lk , urbem, agros, aquam, terminos,
delubra, utemilia (d ie fa h re n d e B a b e ), divina humanaque ömräa.
46) Publicatur is ager qui ex hoetibus captm 8ii: P o m p o -
юіия I . 2 0 . de captivis et postlim. ( X H X . 15.)* W a r d as
e r o b e r te L a n d v o rh e r rö m isc h g e w e s e n , so k e h rte es a n d e n
E i g e n th ü m e r z u r ü c k : n ic h t so w e n n es F re m d e n g e h ö rt h a t t e ;
w o v o n d ie c im b ris c h e n E r o b e ru n g e n g a llis c h e r L a n d e c h a lte n e in
B e y s p ie l s in d . — D ie S a ra c e n e n g a b e n d e m E ro b e ru n g e re c h t d ie ­
s e lb e A u s d e h n u n g u n d B e s c h r ä n k u n g w ie R o m . I n »Städten d ie
s ic h u n te r w a r f e n b lie b d as G ru n d e ig e n th n m , n ic h t in d e n en d ie
m it d e m S c h w e r d t e ro b e rt w u r d e n ; u n d d ie G e sc h ic h te d e r E r ­
o b e r u n g M e s o p o ta m ie n s w e lc h e u n te r E lw a k e d is N a m en g e h t,
e r z ä h l t, d e r F e ld h e r r h a b e e r k lä r t, d ie B e k e h ru n g zu m l»lam e r ­
h a lte e s d e n E in w o h n e rn von C irc e siu m n ic h t: sie m u s ste n
p a c h te n . *7) H ie rü b e r is t, A p p ia n de bell, civ. I . 7 . h ö c h s t
b e s ti m m t u n d z u v e rlä ss ig .
[band п .] — 149 —

einem feindlichen Einbruch jeder Fruchthaum und jede


Rebe umgehauen seyn, wenn nicht ein Zufall die Zerstö­
re rung hinderte. Das wüste Land hätte nun den Bürgern
zu Eurenthum angewiesen werden können; höchst wahr­
scheinlich geschah dies nicht weil es zu gleichen Loosen
an die Curien hätte gegeben werden müssen, und diese
nach mehreren Mensel)enaltern nothwendig sehr ungleich
an Zahl waren: es hätte sich dabey auch der Widersinn
ergeben dass in den schwächsten, welche dem Staat weni­
ger leisteten, die Einzelnen grösseren Yortheil gehabt
haben würden. Aus solchen Gründen muss die an sich
so auffallende Nuzung durch Besiz eingeführt seyn, womit
ohne Zweifel von jeher die Entrichtung des Zehenten ver-,
buuden war; dessen Ertrag, nebst der Lösung aus ver­
kauften Grundstücken, die grossen Werke der Könige
allein möglich machen konnte. Diese Nuzung war dem
Mächtigen gelegen, der viele Hörige anzusiedeln hatte:
mancher, für den die Zuweisung eines kleinen entfernten
Eigenthums nichts anziehendes gehabt, der es doch nur
veräussert hätte, meldete sich nicht, und war zufrieden mit
einer Spende aus dem gemeinen Kasten seiner Curie,J8)r
vom Ertrag des Zehenten.
Sobald die Plebes gebildet war, und in dem Heer des
Staats diente, gebührte ihr von dem mit den Waffen ge­
wonnenen Lande ein billiger Theil, wenn gleich der Name
des ager •publicus von jener Zeit fortdauerte wo der Popu-
lus allein der Staat war: seitdem aber die servianische
Gesezgebung sie ausschliesslich zum Dienst als Fussvolk
verpflichtete, war die Anmassung sie von dem mit ihrem
Blut erworbenen Lande auszuschliessen, unleidlich. Dem
Urheber jener Gesezgebung wird daher auch eine unwillige
184 Aeusserung über diese Schamlosigkeit der Patricier zuge­
schrieben 49) : und eine allgemeine Assignation an die
Männer von der Gemeinde 50) a). Es ist aber nicht denk­
bar dass Servius bey einer vorübergehenden Handlung
stehen blieb: eine Ordnung welche für die Zukunft ver«

348) [T h . 2 1 A n m . 335. 49) D io n y s iu s IV . 9 . p . 215. с


rrjç dijfio riag yrjç toùç à v a c â e a rd ro u ç храт вЪ . Щ Durs.
I V . 1U. p . 216. a. 1 3 . p. 2 1 8 . d . <*) Schwegler П . 42 U
A. 2.
— ХбО — [band п .]

fügte , was gerecht und billig war, kann der Gesammtheit


der wohlthätigen Geseze nicht gefehlt haben die seinen
Namen trugen: in ihr darf man den Ursprung der plebeji- *
sehen Hufen von sieben Jugern suchen351). Wie die beyden
Stände durchaus in allem verschieden waren, so auch hier.
Die Plebejer erhielten ein bestimmtes und gleiches Mnass,
zu ewigem Eigenthum, nach strengstem Recht vererblich
und veräusserlich; frey von Ertragsteuer, aber berechnet
im Census, und dadurch jeder ausgeschriebenen Anlage 4
unterworfen, die den Besiz auf dem Gemeinland nie be­
rührte: die Loose wurden den Einzelnen angewiesen, in­
dem die Plebejer ohne Vermittlung einer Gesammtheit in
der Tribus standen, Einzelne in diese aufgenommen wur­
den. Die patncischen Ackei centurien waren hundert Loose :
die plebejischen hundert Actus52): dies war das Maass
derer welche von den Quästoren, wenigstens nach Livius
Ansicht ausschliesslich für die Plebejer, zu Kauf gestellt
wurden58): eine solche Centurie oder zehn wurden Curius
bestimmt, und von ihm verschmäht64): jede enthielt sieben ш
Loose von sieben Jugern; denn die halbe Breite der ein-
schliessenden Reine ist in den funfzigen begriffen; und
wenn nach dem latinischen Krieg in einer Gegend 28/ 4,
in einer ändern ЗѴ4 Jugern angewiesen wurden, so ward
derselbe Umfang nur unter achtzehn oder fünfzehn ge­
theilt 6Ö). Das Maass des theilbaren Landes bestimmte
nothwendig die Grösse der Loose; und selten dürfte es so
weitläuftig gewesen seyn dass sieben Jugern gewährt wer­
den konnten: obwohl die Zahl der Berechtigungen nicht
durch die der Capita angedeutet wird, sondern, um über
sie etwas zu errathen, von dieser nicht nur die Listen
der isopolitischen Städte, sondern von den eigentlichen
Römern auch die Patricier und die Aerarier weggedacht

861) f o r t m ia seplern iu g e r a : Varro d e re r. I. 2. 52) Fünf­


zig Ju g e ra : der Actus ist das urspiünghehe Maass: ein Gevier­
tes von 14400 Quadiatfuss; das Jugeium ein doppelter Actus.
ЬЪ) a g r i q u aesto riii SicuJue Flaccus p. 14. 54) Colu­
mella 1. pr. 4. und drt« Buch de v ir is ill. 33. ßB) Auch die
Centurien von 2 10 Jug< rn enthalten Loose топ trieben : jede dreyssig.
Die grösseren, *240, 400, sind durchaus neue, und beuchen sich
auf sehr gioase üulen.
[baud п .] — 161 —

werden müssen; welche beyde, die einen durch unmittel­


baren Besiz, die ändern wenigstens zum Theil als Clienten
durch verliehenen, die Gemeintlur nuzten. Die Aeriarier
hatten keinen Anspruch auf das gewonnene Land, da sie
nicht im Feld dienten: und im Kriegsdienst war von jeber
die Berechtigung auf Assignation gegründet3’6): bis sie
endlich ausschliesslich den Veteranen zu erkannt ward. —
Es versteht sich dass nach jeder vollendeten Eroberung
der Antheil des Baufelds welcher gemein bleiben, und der
18e welcher getheilt werden sollte, geschieden wäre. An der
Nuzimg von jenem durch Occupation konnten die Plebejer
so wenig Theil nehmen als die Patricier an Assignationen;
, aber die der gemeinen Triften haben sie nie entbehren
können: und es ist so wenig Spur als Wahrscheinlichkeit
dass ihnen ausgeschiedene Strecken überlassen wurden.
Die Aufopferung eines solchen Gesezes musste vor
ändern die Hülfe erkaufen welche dio Faction dem Usur­
pator gewährte: hingegen, als die Patricier die Gemeinde
unversöhnlich von dem verbannten Fürsten zu trennen
suchten, da verfügten sie eine allgemeine Anweisung mit
sieben Jugern vom königlichen Tafelland. Darauf wird
es unter den Tyranneyen erwähnt die sie übten, sobald
ihre Alleinherrschaft gegen den plebejischen Adel festbe­
gründet, die Verbannung der Tarquinier unwiderruflich
war, dass sie die Plebejer vom Gemeinland verjagten57):
nicht dass diese dort hätten occupiren können; aber der
Mangel des Commercium hinderte sie nicht Grundstücke
.anzukaufen, wofür Kauf kein Eigerithum gründete. In
diese Zeit dürfte die Erwähnung solcher gehören die wegen
ihrer Plebität vom Gemeinfeld ausgestossen worden58):
wenn gleich auch noch lange die Patricier als ausschliess-

356) So sagt Frontinus S tra teg . IV. 3. 12. schon für Curius
Zeit, die m ilites consummati hätten jenes Landroaass ei halten:
.nach dem hannibalischen Krieg wurden Seipios Soldaten mit Land
belohnt, und es zeigt sich schun ein .‘•tetiges Veihàlujias zwischen
den Antheilen des 8 oldateo, des Centuiio und des Reiters —
wovun TorAIteis keine Spur ist. M) agro p e lle re , Sal ustius
fr. p. 245. ed. B i p . ö8) g u icu n q u e p ro p te r plebitatem agro
p u b lic o eiecti sun t : Cassius Hemina bey Nonius 11. s. v. plehitas.
— 152 — [band tr.]

lieh im Besiz desselben Vorkommen859). Redliche Käufer


zu verjagen war immer tyrannisch, der Anspruch allein
zu occupiren ungerecht, weil das servianisclie Gesez nicht w 4
hergestellt worden: eine neue Usurpation, noch drückender
fur die Plebejer, indem damit die Mittel versiegten Sold
zu zahlen, war, dass sich die Patricier der Entrichtung
des Zehenten entzogen hatten. Das kann erst seitdem
das Consulat als ganz patricisch befestigt war geschehen
seyn: der mächtig herrschende Erbauer des Kapitols ent­
sagte sicher keiner dazu unentbehrlichen Einnahme. Noch
331 dauerte die angemaasste Steuerfrey heit; damals dran­
gen die Tribunen auf Belastung des Gemeinlands damit
Sold gezahlt werden könne 6Ü) : und wir lesen, sie sey für
eben diesen Zweck in den agrarischen Bewegungen unter
Sp. Cassius drittem Consulat sogar verordnet gewesen ßl).
Mag dies weniger überliefert als von einem Annalisten aus
den Verhältnissen ermittelt seyn, so hat diesen eine voll­
kommene Kunde derselben geleitet.

Sp. Cassius Ackergesez und T o d .a)


Man muss in der That bezweifeln dass irgend etwas
von allem was von Cassius Ackergesez gesagt wird einen

369) Daher Livius seine Vorurtheile verzinst wenn ihm die


Anmaa^eung vor Augen tritt, und die Patricier, nicht nur aus
der Seele der Tribunen (IV. 53. V. 5. VI. 37.) oder des M. Man­
lius (VI. 1 5 ) , sondern in seinem eigenen Namen schilt ilV. 51).
Dionysiue, der als Fremder im Orunde auch weit minder Parthey
nimmt, lässt eie noch heftiger wegen ihrer, schamlosen Habsucht
schmähen: von König Servius IV. 9. p. 2 15 . o. Sp. Cassiue
VIII. 70. sogar von Appius 73. p 54 1. c. d. L. Siccius Dentatus
X . 3 7 . p. 664. a. 60) Livius IV. 36. Cl) Dass die Be­
sizer damals nicht steuerten wird in der ganzen Eizählnng an­
genommen: so VIII. 74. p. 54'2. d: das Volk werde sich über
den Besiz der Patricier beruhigen, êà v д у ц о с ш й е ѵ та сдамтс, x à l
T à ç бЬг’ аЬтіЬу Tzpogôàoug eig та x o w à д е д а п а ѵ у ц ё ѵ а д .
«) Ihne R. G. I. 149 ; Mommsen Sp. Cassius (Hermes 1870.
S. 2 2 8 — 243). Der Beiname des Sp CaHsius ist nach Mommaen
V e c e l l i n u s oder V i c e l l i n u s , nach M. Hertz (Hermes 1870.
S . 474) V e c i l i n u s ,
[baud п .] — 153 —

iss ändern Ursprung hat als das Bestreben der Spateren,


doch einiges über ein so bedeutendes Ereigniss zu erzählen.
Da die alten Chroniken das Blutgericht über die neun
Grossen ganz verschwiegen, so waren sie über Cassius
Schicksal wenigstens einsylbig; und wie sollten sie sein
Ackergesez mehr als zu nennen nöthig geachtet haben?
Sein Inhalt konnte nichts anderes seyn als Herstellung
von jenem welches ich als servianisch annehme. Es musste
dadurch vom gemeinen Feld der Antheil des Populus Vor­
behalten, das übrige zur Theilung für die Plebejer be­
stimmt; für das gemeine Feld der Zehente wieder einge­
führt, und dessen Verwendung zum Sold befohlen werden.
Dies ist nun grade was nach Dionysius der Senat be­
schlossen haben soll: bis auf die Ausführung, welche, wie
gleich erwähnt werden wird, in einem Gesez mit dem es
Ern^t war ganz ändern Händen anvertraut seyn musste
als in jenem Senatusconsult. Wer nach innerer Evidenz
hersteUte, hätte nur noch hinzufügen mögen: die Theilung
zwischen den Ständen habe bloss die Ländereyen betroffen
welche seit der allgemeinen Assignation des Königs Ser­
vius für das gemeine Eigenthum gewonnen, und noch ge­
blieben wären.
Mochte man aber die Verordnung, welche damals ge­
fasst worden, Cassius oder dem Senat zuschreiben, so war
es das grösste Räthsel wie die Plebes selbst ihren Wohl-
thäter zum Tode habe verurtheilen können: denn daran
zweifelte niemand dass das Volksgericht eben das plebe­
jische der Tnbus gewesen sey3ü2). Wahrscheinlich ist. auch
189 die Erzählung dass der eigene Vater den schuldigen Sohn
verurtheilt habe, nur erdacht um diesen Knoten zu zer­
schneiden: andere welche Anstand daran nahmen dass
Cassius nach drey Corisulaten und Triumphen noch in der
väterlichen Gewalt gewesen seyn solle, beschränkten des
Vaters Verdammung auf ein Zeugniss über des Sohnes
Schuld: worauf das Volk dem Quästor nachgegeben das

862) Dionysius ist во entschieden im Irrthum dass er schreibt


die Quästoren hätten то 7rÀf/#oç zur Ekklesia berufen, und ron
dem herbeygekomnmen o%À°ç redet: 77. p. 544. d. a)
<*) Schwegler II. 466. A.
— 164 — [band n j

TJrthéil an ihm zù vollziehen868) : eine Darstellung die mit


unverkennbarer Einsicht in das alte Recht des Tullus Ho-
stilius gebildet ist, wonach die Blutrichter die Aussprüche
thaten, und das Volk nur sofern richtend eintrat als der
Yeruitheilte an sie berief. Rücksichtslose richterliche
Strenge mochte schon vor L. Cassius der, erbliche aus­
zeichnende Zug des cassischen Geschlechts seyn: nachdem>
sie durch ihn sprichwörtlich geworden lautete nichts glaub­
licher als jene Erfindung. — Andre hielten schlechthin au
dem Bericht dass Sp. Cassius auf der Quästoren Anklage
verurtheilt sey, und überliessen sich dem seltsamen Mis-
verständniss des Bunds mit den Hernikern, als ob diesen
nur ein Drittheil ihres gemeinen Lands gelassen sey, die
ein gezogenen zwey aber zwischen Römern und Latinern
hätten getheilt werden sollen: dann sollto er mit diesen
auch einen Theil des römischen Gemeinlands den Latinern
bestimmt haben64); andre, mit einem richtigeren Begriff
vom Bund der Herniker, liehen ihm die Absicht dass er іэо
den gesammten Ager publicus zwischen Römern und bey­
den verbündeten Völkern habe auftheilen wollen ö6). Eine
solche Begünstigung der Fremden würde allerdings die
Plebejer ihm abwendig gemacht haben; ja so sehr dass,
um zu erklären wie sie sich nicht erbittert wider ihn er­
hoben hätten als gegen einen Verräther, erdacht ward, er
habe auf die Erstattung des Geldes angetragen welches
der Gemeinde für das aus Sicilien geschenkte Getreide ab­
genommen worden: eine Erzählung die keine Widerlegung
bedarf, da jenes Geschenk wenigstens damals noch nicht
gegeben war. Es ist allem Anschein nach dieser Zug nur
aus der Gesezgebung des Tiberius Gracchus, über den
Schaz aus der attalischen Erbschaft, erborgt; eben wie die
Berufung der Latiner und Herniker, um das Gesez mit
Gewalt durchzuführen, die Auftritte nachbildet welche Rom
erlebte als C. Gracchus und M. Drusus mit der Latiner

363) qu aesto r eum cedente p o p u lo m orte m a c fa v it : Cicero


d e r e p . II. 3 5 . 6i) Livius. Ich bemerke gelegentlich dass
in der Stelle: f a s t id ir e m unu» v u lg a lu m a civibu s ш е in socios,
das mit Recht verworfne Wort ш е doch nicht au«zu*treicben,
sondern wohl, wegen egisse im Cod. F l o r . , in egen is zu äudern
ist. 6ö) Dionysius.
[ваш ) п .] — 156 —

und Italiker Hülfe die Annahme ihrer Geseze zu erzwin­


gen unternahmen.
Das Volk vor dem die Blutrichter Cäso Fabius und
L. Valerius366) gegen Sp. Cassius standen sobald das Jahr
seines Amts um war, ist der Populus, den Dionysius nie
von den plebejischen Tribus zu unterscheiden vermag, weil
191 die Griechen nur eine demokratische Ekklesia kannten;
er mag die dem römischen Sprachgebrauch nachgebildeten
Worte womit Fabius die Stände, und eben den aristokra­
tischen Theil der Nation als Demus, bezeichnete e7), für

366) Dionyeius verwechselt immerfort die quaestores cla s s ic i


und p a r r ic id ii : nemt Taßtat die er è<pérat hatte nennen sollen:
und redet deshalb von jenen beyden als jungen Männern, weil
das Säkelmeisteramt, als erste Staffel der Ehren von solchen be­
kleidet ward. Mit den Quästoren der Blutgeridhto musste es sich
ganz entgegengesezt verhalten; so hatte T. Quinctius dieses Amt
nach drey Consulaten; Livius III. 25 Dass er bey einem Römer
Fabius und Valerius als m inores bezeichnet gefunden habe weil
ihre Geschlechter sabinisch waren, ist nicht glaublich.
67) Dio nennt die Plebs gewöhnlich nXrj&og, nicht reiten oßtXogi
ärjßog ausschliesslich den Populus, nie die Plebs, obgleich, vom
Sprachgebrauch genöthigt, die Tribunen äyjßap%otf diese nur ein­
mal, um pünktlich genau zu reden, тptßouvot той 7гХу#оид:
(Zonaras Ц. p. 23 a., welcher ihm, wie die Excerpte /eigen,
auch diese Ausdrücke ganz, genau nachschreibt). Verschiedene
Beyspiele, dass er unter dyjßog nur den Populus vergeht, sind
u« a. p. 23. b die Berech igung der Tribunen zu hindern xà v
äp%ü)vy xàv ô drjßog, xàv ^ ßooty краттгсѵ eßsXXe тс: p 24. а*
т а пара тш TzXrfîei xal та Tzapà tw drjßw xal т9} ßouXfj yp&-
<p6ßeva\ — die Verurtheilung der neuen Tribunen zum Feuertod
durch den ÖTjßog, p. 26 c. E x c . d e sentent . p. 250. ed. M . —
Für die spätere Zeit und die Wahlen gebraucht er das Wort eben
nach dem lateinischen Sprachgebrauch von den Comitien der Cen­
turien: so XLIII. 47. ol äp%ovTeg Xöyw ßkv bno те той тгХц&ои<; x a l
07гд той ду)цои хатеатг^саѵ (unter Cäaai): vgl. ebendas, o b wo das
TzXrjftog den ейкатрідаід emgegengesezt ist.— Dass nun Dio «ich
diesen Vortheil eines genauen Ausdrucks nicht selbst geschaffen bat,
erhellt aus den Spuren des nämlichen bey Diodor: wo namentlich
X IV . 113 . in f i n . unter dem dijßog nur die Curien verstanden
seyn können, die Pieb-» unmöglich: und X II. 25. über die Con­
sul wählen nach dem Decemvirat: wo er selbst zwar nicht minder
verworren ist als Dionysius manchmal, aber offenbar einen Text
тог sich hatte in welchem тд 7гXrj&og und <5 drjßog bestimmt
— 156 [bakd Д.]

niebts als den unsichern nnd falschen Ausdruck eines Aus­


länders genommen haben. Wer aber die römische Ver­
fassung begriffen hat, für den bedarf es keines Beweises
dass ein Patricier vor die Tribus der Gemeinde nur von
plebejischen Anklägern, wegen eines Vergehens wider den
Stand, hätte gebracht werden können; es findet sich sogar
keine Spur dass die Centurien vor den XII Tafeln als Ge­
richt entschieden hätten. Die Geschlechter waren die na­
türlichen Richter ihres Genossen, und so bereit ihn zu
verdammen wie die Ankläger es wünschen konnten.
Weil man es nun für ausgemacht hielt dass Cassius
von dem nämlichen Volk dem er als Demagoge Geld und
Gut angeboten, verurtheilt sey, so haben beyde Geschicht­
schreiber es für unzweifelhaft gehalten dass er würklich
nach der königlichen Herrschaft gestrebt habe: ja lange
vor ihnen ist es der allgemeine Glaube gewesen368): jedoch 192
ist es klar dass von bestimmten schuldigen Handlungen
nichts erzählt ward. Aber Dio schrieb mit der Unabhän­
gigkeit die sein Urtheil auszeichnet, es sey klar dass er
unschuldig und aus Feindschaft hingerichtet worden69):
woraus ich doch nicht im Gegentheil folgern möchte dass
ihm Umstände vorgekommen wären, die entscheidend für
Cassius Unschuld geredet hätten. Er wusste, wie wir,
dass die Curien zugleich seine Feinde und Richter waren: 19g
dass sie sich in ihrem Besiz des Gemeinlands bedroht, in
dem Tode des grossen Mannes und einer Veränderung des
Wahlgesezes die Sicheiheit ihrer Usurpationen sahen.
Fragen wir, nach der Regel womit L. Cassius den Schul-

unterschieden waren: davon an seinem Ort. Dass aber Diodor


Fabius gebrauchte «), ist an eich vorauezu^ezen, da es schwerlich
eine andre so vollständige römische Geschichte vor dem Krieg
des Pyrrhus in griechischer Sprache gab, wie kurz sie auch ge-
fasst war: und er führt ihn namentlich an: Th. IV . p 2 1. ed. Bip»
368) Nicht nur Cicero uitheilte so (de re р . а а. О. und an
mehreren Stellend: bchon die Censoren welche im Jahr 590 seine
Statue einschmeizen liessen (IMinius X X X IV . 14.): aber musste
nicht die entgegengesezte Meynung voiher als die Erinnerung
weit näher und bestimmter war, herrachen, weileie geduldetwar?
69) Dio* exc. d e s en len tiis 1У. ed. M . p. 150.ëxôyXov,
ort ÇyjàotutcvjÜelç, àXX’ oùx àôtxyjvaç тс àizéXsTO.
<*) JNitzech Röm. Annalitsdk 2 2 1.
[band п .] — m —

digen ermitteln hiess870): wem der Tod seines grossen Ahn­


herrn frommte? so wären es die Patricier; und die Faction
welche Genucius umbringen liess, wird kein Bedenken ge­
habt haben Cassius gerichtlich zu morden wenn es ihr
diente: nur beweisst das doch nicht dass er schuldlos war.
Auch mit reinen Zwecken, um die servianischen Geseze
herzustellen und den Ungerechtigkeiten ein Ende zu machen,
hat Cassius nach königlicher Macht streben können; und
wenn ihm die Gemeinde vertraute, so konnte sie dabey
nur gewinnen. Dass er ein ungemeiner Mann seyn musste,
dafür zeugen seine drey Consulate, und in ihnen drey
Triumphe und drey Bündnisse, der Vergleich mit der Ge­
meinde und wahrscheinlich mit den mindern Geschlechtern:
darnach kann er sich überhoben haben, dass ihm nichts
mehr unerreichbar schien. Die Zeit der Aesymnetien, ge-
sezlicher und angemasster, — wo unter der Vormundschaft
eines Machthabers, der ausser den Gesezen stand, die
jungen Freyheiten sich stärkten, und das Abgelebte ge­
zwungen war sich mit seinen Ansprüchen an billige
Schranken zu gewöhnen, — war wenigstens unter den
westlichen Griechen noch nicht ganz vergangen, wiewohl
die Verfassungen im alten Hellas jene Stufe schon über­
schritten hatten; bey den Etruskern, und wahrscheinlich
194 durchgehende auch bey den Italikern, waren Wahlkönige
noch gewöhnlich. Es war Wahnsinn dass Appius des
Blinden Sohn sich träumen liess er köune das Diadem
Italiens nehmen: aber im vier und zwanzigsten Jahr von
den ersten Consuln war die königliche Verfassung in der
Meynung noch immer die ächte und legitime, die neue
das Werk einer Revolution: auf der königlichen Zeit ruhte
die Erinnerung glänzender Herrschaft und Siege, deren
Erneuerung von der Rückkehr zu den alten Formen ge­
hofft ward: die Plebejer, bey der Demüthigung der ge­
sammten Nation in noch grössere und schnödere Unter­
drückung versunken, richteten nun an den Nonen, wenn
sie dem Andenken ihres Wohlthäters opferten, stille Ge­
bete zu den Göttern dass sie ihnen wieder einen König
und Beschüzer verleihen wollten71). Die Rückkehr der

870) C assianum illu d , c u i b o n o f 71) Macrobius S a t u r n .


I. 1 3 . 1 . p. 266. ed . M p .
— 168 — [ bàxd ц .)

Tarquinier war nicht zu fürchten, der k&te König und


seine Söhne lagen im Grabe.
Vor fünfzig Jahren hatten die Patricier eine Empö­
rung begünstigt, damit nicht das Consulat eingeführt werde,
weil es damals getheilt worden wäre: nun vertheidigten sie
dieses Amt weil sie es ausschliesslich besassen: ja so sehr
hatten die Partheyen ihren Standpunkt gewechselt dass die
mindern Geschlechter, vormals die entschiedensten Anhänger
des Usurpators, jezt von einer Faction der Oligarchie selbst
unterdrückt, als Cassius zugethan in einer Coalition mit
der Gemeinde gestanden haben müssen.
Sp. Cassius ward schmählich enthauptet372), sein Hans 195
geschleift: die Stätte desselben vor dem Tempel der
Erde 73), mit Verwünschung belegt, blieb öde. Ein eher­
nes Standbild der Göttin im Tempel der Ceres trug die
Inschrift dass es von der Habe des Cassius geweiht sey:
dabey befremdet es dass patricische Obrigkeiten ein sol­
ches Denkmal in einem Tempel errichtet hätten der unter
der plebejischen Aedilen unmittelbarer Aufsicht stand, und
bey des, den Kasten und das Archiv der Gemeinde, ent­
hielt: sollte ein anderer Sp. Cassius als Opfer eines Volks­
tribuns gefallen seyn, so hätte eher dieser seine Spolien, '
obwohl mit verrätheiischem Sinn, dort weihen können 74).
Es kann nur ein Nachkomme des grossen Unglücklichen
gewesen seyn der sein Bild errichtete, welches auf der
Stätte des zerstörten Hauses bis zum Jahr 690 stand:
wie hätten wohl die Quästoren ein solches verschont75)?
Die Cassier, zu denen im siebenten Jahrhundert Lucius,
das Muster eines fehllosen Richters, gehörte, sind ohne
Zweifel bestimmt als Nachkommen des Consuls betrachtet
worden; daher angeführt* wird, er habe drey Söhne hinter­
lassen, deren Leben der Senat verschont habe, wiewohl

872) Stäupung und Enthauptung ist dio Hinrichtung more


m a io ru mfür Staatsverbrechen: so apokryphisch ist jeder Um­
stand in Dionysius Erzählung dass er Cassius vom Felsen hinab­
stürzen lässt; welches nur für die tribunicischen Verurtheilungen
gehört; eben als eine persönlich ausgeübte Gewaltsamkeit.
73) Zwischen dem Friedenstempel und San Pietro in Vincola.
74) Von dieser Hypothese wird bey dem Jahr 3 1 1 die Rede
seyn. 75) Plinius X X X IV . 14, eagt nämlich, er habe es eich
selbst gesezt gehabt.
[ band п .] — 159 —

es nich t an solchen gefehlt hätte, welche auf Vertilgung


des ganzen Geschlechts drangen876)- Dass alle Cassier*
welche später Vorkommen, Plebejer sind, ist ganz natür­
lich : vielleicht haben die Patricier das ganze Geschlecht,
36 eben wie einst die Tarquinier, ausgestossen ; oder sie selbst, '
als wenigstens nach dem Decemvirat nichts hinderte zur
Gemeinde überzutreten, den Stand verlassen der das B lu t
ihres Vaters oder Vettern vergossen hatte.
Rache übte für sie das Ackergesez des Hingerichteten.
Dass ein solches, wodurch das wesentlich Nothwendige
verordnet war, gesezliche K raft erlangt hatte, ist gar nicht
zw eifelhaft a). Ehe die plebejischen Tribus, nach An­
nahme der publilischen Rogation, sich über Gesezgebung
aussprachen, konnten die Tribunen überall kein Gesez
einleiten; und wenn sie die Leidenschaften mit dem agra­
rischen heftig aufregten 77), so konnte dies nur ein gülti­
ges, aber unredlich beseitigtes seyn. Diese Gestalt haben
auch bey Dionysius jene Bewegungen durchaus: nur ist
es bey ihm ein Beschluss womit der Senat, auf den Vor­
schlag des A. Atratinus, das Volk besänftigt hätte. E r
selbst sieht darin entschieden nichts als ein Senatuscon-
s u it 78), hat aber dennoch, ohne sich der Sache nachher
zu erinnern, aus einem erfahrneren römischen Schrift­
steller die Erwähnung aufgenommen dass es dem Populus
vorgelegt worden 79), also wenigstens zu einem Curienge-
sez erhoben sey; welches zu verpflichtender Entsagung auf
is 7 die darin abgestellten Anmassungen vollkommen genügt
haben würde : und es verstand sich dass die Centurien die
gewährte Gerechtigkeit nur freudig annehmen konnten, von
ihnen hier zu reden wäre für den Sorgfältigsten überflüs­
sig gewesen. Nun fehlt es an jedem Grund anzunehmen

376) Dionysius V III. 80. p. 547. a. «) Ihne R. G. I.


114 . A. 10. 77) Von 2G9 an jährlich: Livius II. 42. bis 5 ‘2.
78^ So sehr dass er den Consuln deshalb die Ausflucht
leiht, als solches habe es nur auf ein Jahr verpflichtet: IX. 37.
p. 595. b. 79) roöro тд ôôyixa eiç тдѵ dyjfiov elçeve%&èv,
т bv Каааюѵ іпаиае zrjç ârj/iaywyiaç. Dionysius ѴШ. 76.
p. 5 4 4 . b. — èx<pépeiv eiç rèu öijßov sagt er freylich häufiger
für, einen Beschluss an die souveraine Versammlung bringen:
aber jener Ausdruck steht darum nicht minder fest.
— 160 — [ВАІГО II.]

dass dies Gesez verschieden von dem durch Cassius vorge­


schlagenen gewesen sey: doch konnten es die welche wahn­
h afte Vorstellungen über dieses hatten dafür nicht erken­
n e n , noch irgend jemand welcher in demselben ein Ver­
brechen voraussezte. Nur die Bestimmung dass die Con­
suln des folgenden Ja h rs mit der Decurie der ältesten
Consulare von den grossen Geschlechtern die Ausführung
leiten sollten380), kann nicht von Cassius herrühren, indem
die Nichterfüllung des Gesezes damit nothwendig herbey-
geführt w ard, wie es nachher kam : und doch ist eben
dies eine Clausel die dem alten Staatsrecht so ganz ange­
hört dass sich kaum glauben lässt sie sey etwa Erfindung
eines m it demselben vertrauten Annalisten. Ist sie denn
nicht ein späterer Beschluss, um durch blosses Nichthan­
deln das Gesez dessen Annahme nicht hatte abgewehrt
werden können zu vereiteln, hat Cassius sie sich aufdrin­
gen lassen , so muss er, ermüdet, und vollkommen über­
zeugt dass die Patricier sonst auf jede Gefahr seinen An­
tra g ganz verwerfen würden, sich entschlossen haben die
A usführung der Sache besseren Zeiten zu überlasten, da
doch wenigstens Anerkennung des Grundsazes erlangt war.
A uch an die Centurien konnte er seine Bill nicht bringen,
wenn sie nicht vom Senat angenommen w ar: wenn ihn
aber dies authielt, so kann er auch nicht daran gedacht m
haben die bestehenden Geseze umzustüizen. Das thaten
durch eine beyspiellose Usurpation eben die welche für
ihre Yertheidiger gegen den Hochverräther gelten.

Die sieben Consulate der Fabier.“)


E s ist eine Erscheinung wovon die Pasten der Repu­
b lik nnr in ihrem ersten Anfang durch die Verhältnisse
d er Valerier ähnliches zeigen, dass während sieben sich
folgender Jah re, von 269 bis 2Ÿ5, Männer aus dem näm­
lichen Geschlecht immer die eine consularische Stelle ein­
nehmen : nnd zufällig kann dies um so weniger seyn, da,

380) Ders. a. a. 0 . ävâpaç èx тшѵ Ьтсатсхшу déxa Toùçnpe<T~


ßoräroog : — oben, S. 1 3 1 , a) Schwegler 11. 49 4; Momm­
sen R. G . I. 280.
[ band п .] — 161 —

so lange die mindern Geschlechter gesondert standen, da­


durch entweder sie, oder die grösseren, als Stand ausge­
schlossen wurden. Hier ist unverkennbarer Zusammenhang
mit einer Revolution, wodurch die Oligarchie ihren Sieg
unerschütterlich zu begründen erwartete; von der ihr, ob­
wohl die Hoffnung so nicht erfüllt ward, ein ungerechter
Gewinn lange blieb; und die dennoch zu tieferer Begrün­
dung der plebejischen Freyheiten führte.
Vielleicht war das Opfer des Verurtheilten in der
Form Rechtens von Q. Fabius und Ser. Cornelius, welche
bey de den altern Geschlechtern angehörten381), vollbracht,
ohne dass ein Versuch ihn zu retten geschehen wäre,
obwohl es die grössere Hälfte des herrschenden Standes 82),
199 und die gesummte Gemeinde zugleich verwundete. Die
Stärke der Herrscher .zu solchen Thaten lag in den Eids­
genossen, welche auch damals eben so bereit gewesen seyn
werden ihre Waffen gegen die Misvergnügten zu leihen,
wie die Länder bey dem Bauernaufstand 16 5 3 Bern und
Luzern unterstüzten ; ja die Oligarchie durfte darauf rech­
nen auch die Colonien, damals noch der Plebs fremd,
wider sie aufzubieten, wie die Landschaft den Oligarchen
zu Basel h alf sich gegen die gekränkten Bürger zu be­
haupten 83). Aber der Sieg genügte der Aristokratie nicht :
sie war berauscht, und erging sich in Schnödigkeit und
Mishandlung gegen die Gemeinde84). Darüber begann
diese aus der Betäubung zu erwachen; und obwohl das
Veto der Curien gekannte sehr kühne Männer aus dem
Tribunat ausgeschlossen haben muss, so konnten einzelne
viel entschiedner seyn als man es erwartete; in ändern
eine ihnen selbst fremde Tüchtigkeit im Amt erwachen;
so erhoben sich dort Stimmen welche die Ausführung des
Ackergesezes forderten. Deshalb erregten die Patricier

381) Der sabinische Ursprung der Fabier wird gemeldet: von


den Corneliern ist er auch sicher anzunehmen wegen des vicus
C o rn eliu s auf demQuirinal. 82) Wären die Minderen nicht
zahlreicher als alle übrigen Patricier gewesen so würde ihnen
nicht die eine Stelle im Consulat gegen die zwey Stämme ein­
geräumt seyn. 83) Im Einundneunzigerwesen: Meyer y.
Knonau II. S. 88. 84) Dionysius VIII. 81. p. 547. e.
Niebuhr, Eöm. Geech, 11
— 162 — [band i i .]

geflissentlich Kriege386): das Forum war leer so lange die


Legionen im Felde standen, und die Vereidigung zu den
Fahnen stellte den Eömer unbedingt unter des Feldherrn
W illkühr. So führte der Consul Q. Fabius ein Heer gegen
die V olsker, und siegte mit ihm : die Beute ward, dem
Lagereid gem äss, dem Zahlmeister abgeliefert, und von 200
diesem verkauft; allein der Erlös nicht vertheilt, obwohl
der Plebejer auf eigene Kosten ins Feld ging, sondern
dem gemeinen Kasten der Bürgerschaft zugewandt86) ;
also nach den Curien gespendet. Das war die Antwort
der Herren auf jene Mahnung.
A ber durch Publicola hatten die Centurien freye Wahl
unter den patricischen Bewerbern um das Consulat87):
und da es unter den Geschlechtern sicher weder an ge­
rechten Männern noch an solchen fehlte die geneigt waren
Sp. Cassius zu rächen, so sahen die Unterdrückten dem
Jahresw echsel mit Ungeduld, die Tyrannen mit Schrecken
entgegen. Jen e drohen und trozen, ohne zu bedenken
dass die Machthaber, wenn sie keine andre Wahl haben
als gesezlich zu unterliegen, oder zu einem kühnen Frevel
Muth zu fassen, selten so feig seyn werden eine schwere
Ahndung über sich kommen zu lassen: denn eine solche
gelassen zu erwarten, weil sie verschuldet ist, und die
Sünde abbüsst, dazu verleiht nur ein sehr edles Gemüth
dem fehlbar gewordenen Kraft. E s ist auch nicht zu ver­
kennen dass das Nothrecht der Selbsterhaltung nicht von
Schuldlosigkeit abhängt, ja eben der Tugendhafte allein
geneigt ist sich dessen zu begeben: andere für sich viel­
mehr mit grossem Schein anführen werden, dass die Strafe
alles Maass überschreiten, viele Unschuldige treffen, und
grosses Unglück stiften möchte. Daher ist eine freye Ver- 201
Fassung worin die Gewalten nicht bloss zum Schein von

385) ol диѵатоі Tzokéfxouç ix поЫ[аф\> è'Kiryjâsg èxivouv.


Zonaras И. p. 25* c. «) öß) malignitate patrum qui militera
praeda fraudavere. quicquid captum ex hostibus est, vendidit
Fabius consul ac redegit in publicum: Livius II. 42. Aerarivm
und publicum sind ganz verschieden: jenes der Kasten des ge­
sammten Staats, dieser der Bürgerschaft : die Annalen hätten den
Geiz der Patres nicht schelten können wenn das Geld in jenen
geschüttet würe. 87) ^ S. 588.
°) Schwegler II. 284. A . 6.
[ band II.] — 163 —

einander getrennt sind, unhaltbar, sobald tief verfeindete


Partheyen sich gebildet haben: die Freyheit ist gegen
Revolutionen die einen Despotismus einführen am besten
gesichert, wenn der Antheil der öffentlichen Meynung und
der Nation an der Regierung grösstentheils eine -herkömm­
lich geglaubte Fiction ist. Sonst geschieht was wir in
der Revolution zwischen der Mehrheit im Directorium und
den gesezgebenden Rathen erlebt haben: und wenn es
auch unter ändern Umständen so weit nicht kommt, so
steht doch bey dem Zusammenstossen der Gewalten die
Freyheit weit mehr in Gefahr als die Macht; und ihr
droht ein oft unheilbarer Schade durch die Thorlieit ihrer
Liebhaber welche die Klügeren nicht hören, die Geduld
und Versöhnlichkeit empfehlen, damit Rechte und Ein­
richtungen eine böse Zeit überleben; sich von der Ver­
suchung liinreissen lassen ihrem Unmuth Luft zu machen.
Wie gewaltig die Fabier waren a), zeigt die Macht
welche dem Cäso an die Cremera folgte : vermuthlich
konnte kein anderes Geschlecht sich ihnen darin gleich
stellen, und mit ihnen mochten die alten Stämme schon
den Versuch wagen die Herrschaft unbedingt zu behaup­
ten. Der Preis, dass allemal ein Fabius im Consulat seyn
solle, entzog ihnen nichts wenn die mindern Geschlechter
ausgeschlossen wurden : aber um dieses Abkommen auszu­
führen musste das Wahlgesez umgestossen werden. Die
bisherige Ordnung war dass der Senat, wenn er der Wahl
der Centurien beyfiel, hierüber einen Beschluss 'fasste den
202 die Curien annahmen: hiemit ward dem Ernannten das
Imperium verliehen388). Diese Ordnung ward umgekehrt,
und die Centurien sollten sich begnügen die von Senat
und Curien ernannten Consuln zu bestätigen*, das heisst,
ihnen zu huldigen. Zum erstenmal wurden sie 269 so
berufen um Cäso Fabius und L. Aemilius anzuerkennen,
aber sie weigerten sich die Vernichtung ihres Rechts^ zu
genehmigen. Diesen Hergang der Sache hat Dionysius,
der nur von den Centurien allein als Wahlversammlung,

o) Schwegler IL 505. 388) ^ as war 80 entschieden


dass die welche sich vorstellten die Volkstribunen seyen durch
die Curien erwählt, annahmen es sey dabey ein Senatusconsult
Torhergegangen : Dionysius X. p* 630. b.
11*
— 164 — [band и .]

nnd den Plebejern als armen Lenten, höchstens von mittle­


rem Vermögen, weiss, freylich nicht begreifen können;
und ihn mithin zu einer ganz andorn Erzählung ent­
stellt889): aber da wir die Art des Spiegels kennen in
dem sich -das Bild verzerrt, so zeichnen wir es uns richtig
wie aus einem einfachen mit völliger Sicherheit. Hier
sagt er, der Senat habe den zu . ernennenden geboten das
Consulat zu suchen: bestimmter bey dem folgenden Jahr
er habe sie vorgewähltö0) : die Ernennung der einen wie m
der ändern schreibt Livius den Patres zu ül). Ohne Zwei­
fel ist darunter auch hier, wie bey ihm überall in dor
ersten Decade vom zweyten Buch an, seitdem er sich in
die alten Schriften hineingelesen, der patricische Stand
gemeynt; auch gab, der Form nach, orst die Genehmigung
der Curien dem Senatusconsult seine Kraft. Aber in
Wahrheit war es damit bis auf äusserst seltne Fälle fast
eben so sehr eine Förmlichkeit wie nachher als nur noch
ihre Lictoren erschienen, indem der Populus dem Beschluss
des patricischen Senats immer beystimmte ö2) : wo hingegen
derselbe bey Wahlen wie bey Gesezen keine weitere Be-

389) Ders. VIII. 82. p. 549. c xeXeuouat /летсёѵои тцѵ Ьтса-


retau — Каіасоѵа (pdßcou — xal èx rwv äXXwv ъатріхіш Aeuxtov
Alßtfoov. — TOUTüJV âè [ISTLOVTIOV T à p %7 J V , xcoXuew ßku oö%
oXot те ?}<та\> ol дц/иотсхос, хатаХіпбѵтед âè ràg àp%atperiaç
ûj%ovto èx той 7:eôlou, Nämlich nach jenem Wahn der ihn
immer befamgen halt, waren die Plebejer der ersten Klasso so
fremd wie dem Ritterstand, und immer ohnmächtige Zuschauer
der Wahlen wenn nicht ein Glücksfall ihnen Bedeutung gab.
Grade so erklärt er die, wenn die Plebes gehandelt hätte, frey­
lich unbegreifliche Ernennung des L. Cincinnatus in 294: die
aber auch eben so usurpirt war: X. 17. p. 644. 9Ü) Ders.
V III. 87. p. 5 33. d. obg i] ßouXij проесХето, xal dig параууеХ-
Xetv туи àp/цѵ èxéXeucrev, Mdpxog (pdßcog xal Asuxtog OöaXe-
piog. öl) Livius II. 42. invisum erat Fahium nomen —
tenuere tarnen Patres ut cum L . Aemilio Caeeo Fabius consul
crearetur. Darnach : ea pars rei public ae (Patres) — M. Fa-
Ыиш et L . Valerium comulcs dedit. №) Diodor X IV . 113.
sagt, der erste Fall wo der Demus (Th. 2. Anm. 307.) einen
Vorschlag des Senats nicht gebilligt hätte, sey gewesen als dieser
auf die Auslieferung der Fabier angetragen habe. Damit ist ohne
allen Zweifel viol zu viel gesagt: es erhellt abet genugsam dass
«las Gegentheil äusserst selten sich ereignete.
[band II.] — 165 —

fugniss batte als das Senatusconsult anzunehmen oder zu


verwerfen398). Deshalb hat man sie oft vergessen, und
204 Livius freylich, wo*er nicht in die Fussstapfen eines älte­
ren Schriftstellers tritt, unter den bestätigenden Patres
den Senat verstanden 94) : daher schreibt auch. Dionysius
ein anderesmal dem Senat gradehin die den Centurien ent-,
wandte Wahl des Consuls zu 95) : wieder anderswo sagt er
dagegen vollkommen genau, Appius Claudius sey durch
Senatsbeschluss und Ernennung der Bürgerschaft zum Con­
sulat erhoben9б). Die ausdrückliche Meldung dass die
Wahlen von den Centurien an die Curien übertragen waren,
giebt er selbst, im Munde des Tribun Lätorius 97), wie es
in dessen Namen von einem römischen Annalisten gesagt
w ar: vereinzelt konnte er sich das, wie er es .thut, als
einen Fortschritt der Demokratie deuten; im Zusammen­
hang der Jahrgeschichten, nach Cassius Tode, musste es
ihm als ein unsinniges Misverständniss Vorkommen dass
die Aristokratie sich der Centurien, in denen er ihre Herr-
205 schaft sah, begeben hätte, um mächtiger zu seyn; und

ЗЭЗ) Dionysius VII. 38. p. 447. a. Seit Erbauung der Stadt


oùâév néitoTE ô drjßog д тс ßy TrpoßouXeuaetsv fj ßouXy одту
èn éxpcvev oÖt 1 ёквфг)<рі(Т£Ѵ.(Unter diesem Demus versteht er
selbst die Curien: IV. 20. p- 224. a. ô ärjßog èx т&ѵ тсаХашѵ
\>6ßtm> (vor Servius Tullius) тшѵ ßeycarwv xupcog fjv, хата тйд
<рратрад фгіщ(роp&v. — IX . 41. p. 598. b. ràç <pparptaxàg
(p7}<pr)<popiaç eâec TzpoßouXsueaßivrjq туд ßouXrjg xopiag вЪас.)
91) Ganz unstreitig bey Numas Ernennung: I. 17.
95) Dionysius IX . 1 . p. 559. b. à-odsixvurac Ratawv ßsu Фа-
ßtog — Око T7}g ßouXrjg — Zizôpiog âè Фобp tog bub rwv dyßo-
Tcxtbv. 9б) Ders. IX. 42. p. 599. с. ѵАістиоѵ КХаидсоѵ ърО£-
ßoüXeucrau те xal йфт)<рі<та\>то ànôvTa иъатоѵ. Hier ist nichts
weniger als Tautologie. Livius III. 21. Patres L . Quinctiuni,
consulem reficiébant. Der Ausdruck selbst zeigt dass die Ernen­
nung noch nicht vollendet war, daher der Senat verordnen konnte
ne quis L . Quinctium consulem faceret. Nach dem Sinn des
Annalisten betraf das die Curien : historisch gefasst, — mag es
nun Wahrheit haben oder nicht — ist zu verstehen dass der
Senat seinen Beschluss zurücknahm: so kamen die Geschlechter
gar nicht zum Stimmen. 97) Ders. IX. 46. p. 603. a. è n e-
десхѵито — t bu (vößov) bnèp Tfjg фущуор'сад, <bg (1. dg) oöx
ërc rijv Xo%ltiv èxxXiqmav, àXXà тг)Ѵ хоирсатіи ènoiet тшѵ фг)<ршѵ
хирсаѵ.
— 166 — [band п.]

das liess er aus. Inzwischen gesteht die ausdrückliche


Erw ähnung dass der Interrex 2 7 1 , um die Gährung zu
beruhigen, die Comitia der Centurien' auf das Marsfeld
berufen habe398), eben deutlich genug dass in den beyden
vorhergehenden Jahren andre entschieden hatten* TTnd in
beyden Jah ren waren die Yorgewählten des Senats Männer
welche die Gemeinde mit allen Wünschen und Gebeten
entfernte, ш ш ш еш еііг, wenn sie ih r vorgeschlagen wären,
ernannt haben würde, so wenig als 283 Appius Claudius,
294 Cincinnatus: und dass es mit ihnen eine eigenthiim-
liche Bewandtniss. hatte, zeigt sich auch daran dass Dio­
n ysius, allerdings nur weil er es so fand, zu ihren Namen
die ihrer Y äter hinzufügt " ) .
Die Gesammtheit der Patricier, nicht den Senat allein,
dachte sich auch Dio Cassius vor 2Ÿ3 im ausschliesslichen
B esiz der Consulatwahl400): denn Mächtige, — wie er die
nennt welchen damals die Ernennung zu der einen Stelle
entzogen worden, — ist bey ihm ein gewöhnlicher Name
für die Patricier, wie sonst Eupatriden *). Diese Stelle

398) Ders. "VIII. 90. p. 557. d. auyxaXéoaç туѵ Хо%Ттіѵ


èxxXr)<xiav, xal тйд фт)<рои<; хата та тщіціата àvadouq.
М) Ders. VIII. 83. p. 549. d. 87% p. 553. d. ^ 400) Zonaras
II. p. 25. c. X p ü v w dé 7C0TE — aux s ïw v x a l âfitpü) тоЬд b n à -
touç 9} 0 тратѵ)уоЬд Ü7:ö тшѵ доѵатшѵ àn:oôe(xvu<ri/ai4 àXX' ij&eXov
xal aÙTol тЬѵ етероѵ èx t ô v еЬкатрідшѵ a lp s ïa & a t. êg âh
toüto хатеруаааѵто npostX ovTo S n o ô p w v Фоиршѵ. 7cрреіХоѵто,
wegen der rep re h em io com itiorum <*) : dio Curien ernannten
schlechthin -— йкѣ дйіхѵоааѵ. 1) Ders. p. 14. a. à^Üofxêvwv
è n l toutoiç тшѵ диѵатшѵ (gegen Servius) — cbç dè %aXeтгйд
etyo v ol EÔTzaTptôat адтш. — p. 2 1. b. von der Dictatur: xa ivyv
à p y ^ v è r i àp<poTépotq адтоід (für heyde Stände) o l диѵатоі хате-
атцааѵто. Bey der Auswanderung der Gemeinde redet er p. 22. a.
von der ä x p iß e ta тшѵ диѵатштіршѵ p. 28. e. f. Als die Ple­
bejer auf das Consulat Anspruch machten, ol EÙ naTptâai Xtav
t yjg — КЕріеІ%оѵто' — той ïp y o u тfjç ÿyepLOvtas ol
диѵатоі 7tap£%wp7]<ra\>. Nach einem Schriftsteller bey dem dieser
Sprachgebrauch herrschte, reden Plutarch P u b lic , p. 97. e. von
den диѵатосд, Dionysius X . 36. p. 662. b. von denen die %рт}т
p.a<rt xal <piXotg доѵатоі waren : an beyden Stellen betrifft es den
patricischen Stand.
a) Schwegler II. 514. A.
[band п .] — 167 —

206 ist mehr durch die Ungeschicklichkeit als die Treue dessen
der sein Werk ins Kurze gezogen, wörtlich erhalten: aber
den Zusammenhang liess er weg; und so ist es nicht Dios
Schuld, wenn man darnach annähme es seyen die Wahlen
weit lâ'fttrÇ'Ç ѵі>ПаісТ\і ВгіФз.» ТлА , ІП dar РяЫсівт
Gewalt gewesen. Allein dass die Veränderung erst im
Jahr 2 6 9 eintrat, das erhellt aus Dionysius Darstellung
der Wahlen von jenem Jahr bis 2 7 2 : ja es trifft sich b e y .
ihm auch ein äusserer Beweis dessen Sinn er selbst zu
fassen weit entfernt war, dafür dass-sich die im genannten
Jahr als eiue grosse Veränderung im Staatsrecht ange­
merkt fand. Bey jenem Consulat des Cäso Fabius und
L. Aemilius, bemerkt er nämlich, sie hätten ihre Würde
im Jahr der Stadt 2 7 0 angetreten; und nennt den Archon402) :
die Jahre Eoms erwähnt er sonst nur zweymal, bey der
Einsezung des Consulats und als dreyhundert um waren;
207 und den atheniensischen Archon nur am Anfang jeder
Olympiade, ausgenommen eben bey einer ähnlichen Ver­
änderung, — der Ernennung der ersten consularischen
Militartribunen 3). Eben so selten zählt Livius die Jahre
der Stadt für historische Epochen: nur bey der Abschaffung
des Königreichs, und dem Ende des hannibalischen Kriegs :
wohl aber thut er es wo die Formen der consularischen
Gewalt sich geändert haben: bey der Einsezung des De-
cemvirats und des consularischen Tribunats, der ersten
Verlezung des licinischen Gesezes, und der Verlegung des
Anfangs des consularischen Jahrs auf den des bürger­
lichen4): dass es sich nicht auch bey dem Consulat des
L. Sextius findet, wird Schuld einer Handschrift seyn 5). *

402) Dionysius VIII. 83. p. 549. d. TzapaXajißdvoufn Tf)v


bitazetav xazà zb eßdofi^xocrrbv xal dtaxoatoazbv izoq àrcb zou
<njvotXL<TfjLoiï z9jç cPw{i7]ç4 Aeuxtoç АІ/jlUcoç Ma/xépxou ulbg xal
KaiaüiV (bdßiog, Katcrcuvoç uîbç, âp%ovzoç *АЩу7)<гс Ntxoôrjjj.ou.
3) Ders. X I. ,62. p. 736. b. xazà zbv zptzov èviauzbv
zijç ôXvfi7ztâdoç, âp%ovroç 'АЩ ѵуо-с AtwiXoü. 4) Livius
III. 33. IV. 7. VII. 18. Epitome X LV II. ' b) Das siebente
Buch fangt ganz auffallend an : annus hic erit insignis n. s. f.
Wie nun für die Anfangsworte der Bücher sehr häufig Baum
gelassen ward, damit der Kalligraph sie mit Farbe eintrage, dieses
aber nachher versäumt, so vermuthe ich dass hier die Worte
T rec en tesim u s оctogesimus nonus ab urbe condita
— 168 — [band II.]

So zählt Tacitus das Jahr worin die Quästur der Blut­


gerichte zuerst von den Centurien vergeben ward: Gaius
jedes worin die Verfassung eine Veränderung deren er ge­
denkt, erfahren406): beyde nach der Aera der Consuln, also
nach derselben Geschichte der Verfassung: aus dieser muss 208
ein Annalist den beyde Geschichtschreiber vor Augen
hatten diese Jahrszahlen, übersezt in die umfassendere
und weit gebräuchlichere von Erbauung der Stadt, bey
allen solchen Ereignissen hinzugefugt haben. Und aller­
dings war die Versezung des Wahlrechts in die Hände
der Curien eine so grosso Veränderung dass dor Geschicht­
schreiber des Consulats ihren Zeitpunkt nicht auslassen
konnte, wenn sie auch*nur zwey oder drey Jahre Bestand
gehabt hätte: wie er die Usurpation am Anfang des fünf­
ten Jahrhunderts auf diese Weise bezeichnete, obwohl sie
sich nur sehr kurz erhielt: und diesesmal blieb den Ge­
schlechtern der Gewinn die eine Stelle zu verleihen volle
dreyssig Jahre, bis die alte Prätur 7) im Decemvirat unter­
ging. Zwiefach merkwürdig war sie, weil der dom fabi-
schen Geschlecht zugestandne Vorzug den römischen Hera-
kliden 8) die Gewalt gewährto welche in den griechischen
Oligarchien Dynastie genannt war9): wenn auch nicht
ausschliessend, wie die Medontidon und Bakchiadon sie
besassen.
Wir täuschen uns zuverlässig nioht in dor Vorstellung
dass die völlige Unterjochung der Gemeinde im Jahr 209
dadurch abgewandt ward dass ein starker Theil der Oli­
garchie, welcher sich vom Consulat ausgeschlossen sah,
sich mit ihr verband, wonach die Herrscher es bedenklich

vor a n n u s fehlen, und h i с eingeschoben ist, um die Verstümme­


lung zu verbergen. Aus dieser Ursache fehlen die ersten Worte
am zweyten Buch der Bepublik, an Gellius VI. — und an den
vaticanischen Blättern der Bede p ro S e x . Jioscio. Wir hängen
bey der ersten Decade an dem Faden eines einzigen Urexemplars,
dessen Text durch eine sehr leichtfertige Becension angeord­
net ist.
40e) Tacitus A n n . XI. 22. G aius, bey Lydus de m agistr . I .
p a ssim . 7) T h . I. 577. 8) Festus im Ausz. s. v, F a b ii.
Ovidius F a s t . II. 237. 9) Aristoteles P o lit . IV . 5. p. 106. a.
V . 3. p. 13 2 . a.
[band п .] — 169 —

finden mussten ihren Sieg allzu heftig zu verfolgen. Oft­


mals werden die von den mindern Geschlechtern es sich
2od nachher vorgeworfen haben, wenn jene Vereinigung Ur­
sache gewesen seyn sollte dass der unwiederbringliche
Augenblick versäumt ward das Tribunat abzuschaffen: es
kann aber auch damals verschont seyn weil seine Bedeu­
tung noch nicht begriffen war; wie unter den Tudors
Marktflecken baten ihnen die Bürde zu erlassen das Unter-'
haus zu beschicken. Das Veto der Curien schloss jeden
aus den man als heftig und stolz kannte; aber sie können
einen unscheinbaren wackeren Mann unbeachtet zugelassen
haben; oder das Uebermaass der Ungerechtigkeit hatte
einen sanften Sinn, geneigt einer nur erträglichen .Regie­
rung gehorsam zu seyn, umgewandelt. Es ist glaublich
dass der Name desjenigen würklich in Andenken geblieben
ist der zuerst die Stärke seines Amts entdeckte: dass ein
C. Mänius es über die Schranken, nur einzelne Bedrückun­
gen abzuwehren, erhob410): wie ein anderer Mänius zwey
Jahrhunderte nachher in demselben Amt die Wahlfreyheit
festsezte.
Er forderte (271) die Ausführung des Ackergesezes;
und wehrte die Aushebung für einen ohne Zweifel von
den Machthabern selbst erregtenu) Krieg: mit vollem
Becht, weil die Consuln unrechtmässig waren: und wären
sie in aller Form gewählt gewesen, und es war kein Ver­
teidigungskrieg, so gebührte den Centurien derselbe An­
theil an dem Beschluss darüber wie an jedem Gesez das
ursprünglich von Senat und Curien rechtmässig erlassen
ward12). Aber der tribunicische Schuz erstreckte sich
210 nur auf eine Millie ausserhalb der Thore; jenseits des
Marstempels war das Imperium unbeschränkt,, und der
Tribun nicht mehr als der Geringste seines Standes

410) Gelemus Emendation, MaCvtog statt M a vio ç, Dionysius


VIII. 87. p. 554. a, ist unzweifelhaft. И) [Th. 2.] Anm. 385.
12) Ueber das Becht der Curien Krieg und Frieden zu
beschliessen s. Dionysius II. 14. p. 87. с. IV. 20. p- 224. a.
VI. 66. p. 392. a : und diese Befugniss ist nothwendig durch die
sermnischen Geseze den Centurien eben so wie Wahlrecht und
Gesèzgebung mitgetheilt worden; und um so mehr da sie eben
das Heer darstellten.
— 170 — [band XI-]

sicher413). Hier errichteten die Consuln ihr Tribunal, und


liesse n die Dienstpflichtigen aufrufen: wer sich nicht stellte,
dessen Habe ward gepfändet, seine Hufe geplündert oder
abgebrannt. Die Legionen wurden gebildet; aber die Ty-
Irnryn-^aj' "17ГІѴ1Л‘Л1СÎ ç
Iroine Ehre und keine Baute ßu’ ьіе ы gewinnen zeigu
sich hier zum erstenmal14). Verhöhnt von'den Soldaten
kehrte L. Valerius, einer der Blutrichter des unglücklichen
Cassius, ohne Sieg zurück: die eigenen Wunden, der Tod
der ins Feld geschleppten Freunde und Waffengenossen
verdoppelten den Hass der Plebejer. Alles deutet an dass
den höheren Geschlechtern damals die Folgen der Spaltung
des Standes klar wurden, und dass eine Vereinigung ge­
schlossen ward welche nicht mehr gestört worden ist: ja
es zeigen eben die Minderen von nun an di«o bitterste
Feindseligkeit gegen die Gemeinde. Der Senat verlieh die
neben einem Fabius freye Stelle an Appius Claudius, der
schon damals kund gethan haben muss dass er nach dem
Blut dürste, worin er zwölf Jahre später schwelgte; denn
Tribunen und Gemeinde erhoben sich wie ein Mann gegen 211
seine Ernennung15): jene, die gegen die gesammten Pa­
tricier als Stand ihr allgemeines Recht geltend machten
zu hindern wodurch die Ihrigen gekränkt wurden16), wehrten
ihr Zusammentreten zu einer rechtwidrigen Wahl: eben so
hinderten die Consuln das Concilium der Tribus, wenn die
Tribunen es beriefen 17). Da die Standeshäupter die Wah-

413) Livius III. 20. Neque enim provocationem esse longius


ah urbe mille passuum, et tribunos, si eo advenerint, in alia
turba Quiritium subiectos fo re consulari imperio. Dionysius
V III. 87. p. 554. с. и ) Ders. VIII. 89. p. 556. b.
*6) Ders. VIII. 90. p. 550. e. ß sry je t r ÿ v à p x t y xeÀ eua& eig:
[Th. 2.] Anm. 389. 390. Vom Vergleich mit den Minores muss
klar genug in den Annalen welche er vor sich hatte die Rede
gewesen seyn: èx tùjv veajT spw v èfiouXovTo тодд — rjxtara
orjixoTixoüç èizl ту» ù n a re ta u -кроауауеХѵ. *ô) Zonaras II.
p. 23. b. èxwXuov, xâv iâiwTTjç ô k o iw v , xäu â p / w v , x à v ô örjßog,
x à v f} ßouky). 17) Auch hier erliegt Dionysius dem Unstern
grade das Verbehrte zu schreiben: ѴШ . 90. p. 557. a. ô n â re
— oî йтсатоі xaÀotev тЬ ttÀŸjiïog <bg àTrodetÇovreg Ù7tdroug тоЬд
ретібѵтад туѵ àp%ty (die vom Senat genannten), ol dr)ßOLpxotr
той x w X u ew 8ѵтед x ô p io i, âtéXuou тй a p x a ip ia i a .' бпбте â' àb
[band II.] — 171 —

len ihrer Nachfolger erst eben vorher ehe sie vom Amt
abtraten hielten, so befand sich die Republik ohne Obrig­
keit; wenn es aber heisst, damals zuerst seitdem das Con­
sulat bestanden sey ein Interrex ernannt worden, A. Atra-
tinus418), so ward damit wohl nicht behauptet dass -nie
212 ein erster Senator auch diese Würde ausgeübt habe, wie
das Statthaltmmt, sondern argodeutei, dass A. Aür&tiüüö
es jezt als der erste unter den von der Bürgerschaft ge­
wählten Statthaltern gethan, oder dass der Senat den
Interrex jezt ganz frey erkor. Eine andere Erzählung
nennt ihn Dictator19). Sicher war auch die königliche
Gewalt des Interrex so wenig als die Dictatur durch die
valerischen Geseze vermindert, und der Yorsiz eines solchen
bey den Wahlen war der Regierung dadurch noch wichti­
ger weil es im Herkommen fest stand dass er nur Ab­
stimmung über Yorgeschlagene des Senats zuliess 20). Nur
dadurch ist die Wichtigkeit erklärlich welche es noch bis
ins fünfte Jahrhundert für die oligarchische Parthey hatte
die Wahlen an diese Obrigkeit zu bringen, welche aus­
schliessliches Eigenthum der Patricier blieb: ein Dictator
konnte Gewalt versuchen, aber er hatte keinen Yorwand
die Wahlen auf solche Weise einzuschränken. Wenigstens
aber wurden jezt doch die Centurien zuerst versammelt,

7tdÀiv èxscvoc хаХоІвѵ wç dp^o-tpzaidaovTa той âvj/üLOV, oùx è-xé-


трешѵ ol ütioltoi. — Er fand die Worte TzÀyj&oç und âyjfx.ogf für
Plebs und Populus gebraucht (Th. 2. Anm. 3 6 7 ), und wendet
jenes eben auf die Curien an, wie II. 60. p. 12 1. e. — vgl.
[Th. 2.] Anm. 362. Auch vermuthe ich, und habe so erzählt,
dabs die Consuln im Allgemeinen die Concilia der Tribus hin­
derten. Haben sie Wahlen gestört, so sind es die Tribunen uud
Aedilen gewesen.
418) Dionysius Y in . 90. p. 557. b. c. Dass auch Sp. Lar-
cius als Interrex vorkommt, entspricht der Verwirrung wodurch
er, eben wie A . Atratinus, für den ersten erwählten custos urbis
angesehen war. Derselbe Umstand hat rückwärts veranlasst, dass
in den fabelnden Amplificationen der Geschichten der ersten Di­
et atoren, der eine als von seinem Bruder T. Larcius, der andre
als von A. Postumius zum Statthalter verordnet, vorkommt.
19) Lydus I. 38. Daher heisst es bey Dionysius, der Beschluss
habe geschwankt, ob es ein Dictator oder Interrex seyn solle?
20) Th. I. S. 378.
— 172 — [ bakd п.]

und C. Julius, von den Minderen421), als durch sie erwählt


ausgerufen : vielleicht auch sein College Quintus Fahius.
Ein förmlicher Vergleich«), wodurch sie die freye Wahl sw
des einen Consuls wieder erhielten, die des ändern den
Curien ahtreten mussten, ging unverkennbar der des Sp.
Furius für das folgende Jahr, 273, voraus, wo Cäso Fa­
bius zum zweytenmal von Senat und Bürgern ernannt
ward 22). Denn diese Ordnung bleibt nun bis zum Decem­
virat 23) : der Ernannte der Patricier gilt für den Vor­
nehmeren, dem der Andere als College beygogeben wird:*u

421) Sie waren unter den Geschlechtern vom Borg Caelius;


und ihr albanischer Ursprung wird durch die uralte, vor wenigen
Jahren entdeckte Inschrift im Theater von BovilUi enviosen, wo
sie leege A lb a n a weihen. — Dionysius a. tu 0. hat ku errathen
gewähnt dass sie durch Parthey unterschieden gewesen: V dïov
ЧоиХю ѵ èx Tw v <pdQdr]{ioTixa>v : Lydias verwechselt sie gar; er
suchte in dem einen einen Senator, in dem anderen einen vom
V o lk , und ein Julius musste jenen Vorrang haben.
a) Mommsen R. G. I. 2 8 1. 22) Zonaras und Dionysius:
s. [Tb. 2.] Anm. 395. 400. Der lezte weise aucl^ von einem
Vergleich: a u v é n e tv a v àXXr)Xoug âç>’ ёхасттцд p ep tâ o g iïn a ro v
а І р в Щ ѵ а і. 23) Bis auf eine einzige, wenigstens sehr wahr­
scheinliche, Ausnahme im J. 3 1 6 ; unten [Th. 2.J S. 469. Anm. 917.
(Das Obige ist nach N’ö B e r ic h t ig u n g e n zum 2. T h e il
hier einzuschieben statt der nachfolgenden Anmerkung wie sie
in der 2. Ausgabe steht: „E s ist unmöglich dass Diodor, als
er in dem Bericht von den Einrichtungen nach Abschaffung
des Decemvirats die unsinnige Stelle schrieb, an der schwerlich
die Abschreiber erheblich gesündigt haben : XII. 25. t w v â è хат’
èv ia u T o v ytv o fiév m v b n d T w v тоѵ fihv е ѵ а èx tù jv тсатріхіа)ѵ
aîp£t<T&ai, x a l тЬѵ e v a izdvTwg àizb to u itXyjïïouç ха ІУ ш т а оёаі'
èéo u eca g oütryç t w ârjficp x a l ä ß y o r ip o u g t o ù ç u n dro u g èx той
ч гХ ^ о и д a lp e ïo & a t — bey Fabius etwas anderes vor Augen ge­
habt haben kann, als im Wesentlichen folgendes : tü jv хат’ èvta u -
тЬѵ Y iv o p é v w v икатійѴ) тЬѵ fjJkv ёѵ а a ripeT<rïïat è^oum ag оЬсгцд
т<р drjßtp, той âk äXXou TcdvTwg ùnb той 7тХу&оид èx тшѵ itaxpt-
xcojv xa& cora/xévou , x a l âjupoTépoug тоЬд Ьпатоид ünb той nXy-
•ô-oug % £tp 0T0veï<r&ai. Ihn betrog eine verworrene Vorstellung
vom licinischen Gesez, neben der vollkommenen Unmöglichkeit
für einen Stockgriechen einen drjfxog zu denken der nicht r.Xijäog
se y : bey diesen fremden Zeugen ist immer zu fragen was sie
vernommen hatten und nicht verstanden : die alten römischen
Schriftsteller meldeten zuverlässig nichts unvernünftiges.“ A, d.H.)
[band II.] — 173 —

so findet sich M. Fabius, 2 7 4 , vor seinem Collegen ausge­


zeichnet; so 2 8 3 , Appius Claudius224). Aber auch bey
ändern Jahren kommt die Ernennung des einen Consuls
durch die Patres bestimmt vor 25). Es kann nicht fehlen
dass eine scheinbare Gegenseitigkeit zugesagt ward; es
solle dieser durch die Centurien bestätigt werden, wie die
Bestätigung der Patres für den durch die Centurien er­
wählten unentbehrlich blieb ; eben so sicher ist zu er­
rathen dass Verweigerung jener Anerkennung nicht beach-
215 tet ward: man Hess sie dann zum Schein durch die Clien­
ten votiren 2ö).
Diese waren so zahlreich in den Klassen dass Livius
meynt die Wahlen selbst der Tribunen wären durch sie

424) Livius II. 43. (P a tres ) M . F a b iu m consulem créa n t :


F a h io eollega Cn. M a n liu s d a tu r . Das. 56. P a t r e s A p . C la u -
dium consulem f a c iu n t ; eollega e i T . Q uinctius d a tu r. Von jenem
allein schreibt Dionysius (Th. 2. Anm. 396.) er sey vom Senat
vorgeschlagen ; und der Annalist welch«: Livius Stoff gab den
Tribun Lätorius sagen zu lassen a P a trib u s n o n consulem sed
c a rn ificem ad ve x a n d a m et la cera n d a m p lebem creatum esse
(II. 56.), dachte seine Wahl gewiss nicht als Werk des Volks.
Jezt war der Ernannte der Curien, wie zuerst der Consul aus
den Ramnes, darnach der aus den beyden ersten Stämmen, der
consul m a io r ; nach beyden Erklärungen des L. Cäsar (Festus
5. v. maiorem consulem ): er war zuerst ernannt, und hatte zu­
erst die Fasces, 25) In Dionysius ganz verdrehter Erzählung
von Cincinnatus unrechtmässiger Ernennung an die Stelle des
P. Valerius (Th. 2. Anm. 389.) ist die Vorwahl des Senats eben
so sicher kenntlich in der geheimen Verabredung der Häupter
des Senats über den zu Ernennenden (X. 17. p. 643. e.), wie
die Wahlhandlung der Curien in der angeblichen Entscheidung
durch Ritter und erste Klasse (p. 644. a). Dasselbe ist klar
auch bey Livius: summo P a tr u m stu d io consul cre a tu r — . P e r -
cu lsa erat plebes , consulem h a b itu ra iratu m (Ш. 19 ): darauf am
Ende des Jahrs : P a t r e s et ip s i L . Q uinctium consulem re f i d e -
bant. III. 2 1. — Jahr 286. P le b s in te r esse com itiis con sularibu s
n o lu it . P e r P a tr e s clientesgue P a t r u m consules fa c t i, Ders. ІГ. 64.
26) Die Weigerung der Plebejer den Consul der Curien
zu bestätigen wird bey Dionysius so dargestellt dass sie das
Marsfeld niedergeschlagen verlassen: IX. 43. p. 599. d. X . 17.
p. 644. a. — wie in 269: V III. 82. p. 549. d: vgl. Liyius II. 64.
[Th. 2.] Anm. 424.
— 174 — [ band п.] I
j
nach dem Sinn ihrer Patronen entschieden worden427) : doch S
. thut die Ernennung des Volero Publilius, welcher sie eben
deshalb an die Gemeinde übertragen wollte, dar, dass
diese schon vorher Männer zu berufen vermochte, welche
zuverlässig die Stimmen der Hörigen wider sich hatten.
Die Wahrheit ist wohl dass auch diese jedesmal eine oder
mehrere abhängige Personen in das Collegium brachten.
Unbegreiflich aber ist es wie Volero, ich will nicht sagen
nachdem er eine den Herrschern gefährliche Rogation pro-
mulgirt hatte zum zweytenmal; sondern wie er auch nur
vorher, als die Patricier von ihm persönliche Rache erwarten
mussten, zum Besiz des Amts hat gelangen können, wenn
dies von der Genehmigung der Curien abhing. Also
müssen sie sich dieser Macht vorher begeben gehabt haben :
und das ist wahrscheinlich bey Gelegenheit jenes Vergleichs
als Entschädigung geschehen.
So zeigt das Tribunat von der Zeit an bis auf das
publilische Gesez beydes, äusserst entschiedene Führer der
Opposition, und erklärte Anhänger der Regierung«); die
lezten oft an Zahl überwiegend, weil, wie weiterhin dar- 216
gethan werden wird, bis auf die Mitte des vierten Jahr- ‘
hunderts nicht das Veto eines Einzelnen, sondern die Mehr- *
heit im Collegium entschied. So ward Sp. Licinius über­
stimmt, welcher in jenem nämlichen Jahr, 273, die Bil­
dung der Legionen nur wenn das Ackergesez ausgeführt
würde gestatten wollte. Die Soldaten des Sp. Furius
stritten freudig für die Ehre dessen den ihr Comitiat er­
wählt hatte wider die Aequer, und er lohnte ihnen für
den errungenen Sieg durch Theilung der Beute: aber die
welche Cäso Fabius gegen die Vejenter führte 28) betrach­
teten ihn nicht als rechtmässigen Consul : zuverlässig hatte

427) (le x P u b lilia ) q u a e p a t r ic iis от пет potestaiem p e r clim -


tiu m s u ffr a g ia c re a n d i quos vellent tribu nos a u fe r re t II. 56.
«) Schwegler II. 596. 28) So Zonaras II. p. 25. d. und
Dionysius IX. 2. p. 560. c: auch bey Livius II. 43. die Handschrif­
ten ; nicht der Schriftsteller, in dessen Sinn unzweifelhaft richtig
Sigonius geändert hat du cen dua F a b io in A e q u o s : in Veientes
cet. Allein für jene redet entscheidend dass die Vejenter nach
diesem Feldzug die Uebermacht hatten, die Aequer sowenig dass
Bom alle Kräfte gegen jene wenden konnte.
[ band п .] — 175 —

der Blutrichtcr des Cassius die Bestätigung der Centurien


nicht erhalten. Damit er keinen Triumph erlange, stiess
das Fussvolk den sichern Sieg zurück: ja sie gaben das
Lager dem erstaunten Feinde Preis, und wichen bis nach
Eom zurück. Nun konnten die Fabier sich nicht ver­
hehlen dass es eine traurige Ehre sey den Befehl über
Erbitterte zu empfangen, die lieberumkommen als siegen
wollten: SeDat und Curien konnten für das folgende.Jahr,
2 7 4 , Marcus Fabius wieder zum Consulat erbeben, aber
das Imperium war ohnmächtig gegen solchen Starrsinn.
Daher beschlossen sie sich mit der Gemeinde auszusöh-
217 nen429) : *wozu die Veränderung des Verhältnisses zu ihrem •
Stande nicht weniger antreiben musste, da die Geschlech­
ter sich unmöglich länger haben verpflichten wollen die
ihrer Wahl vorbehaltene Stelle nur an einen Fabius zu
verleihen. Es scheint dass auch diesesmal die Anerken­
nung des Consuls der Curien verweigert war: — ein Tribun
hatte der Aushebung widersprochen: — aber die drohende
Gefahr und erwachtes Gefühl bewog die Soldaten auch
ihm Gehorsam anzugeloben und Sieg zu verbürgen wenn
er ihnen vertraue. Quintus Fabius fiel unter den Schaaren
welche die Bedlichkeit ihres Worts mit dem Tod besie­
gelten : dieses Blut, das Heldenthum des ganzen Geschlechts,
welches in der hartbestrittenen Schlacht allen ein Vorbild
war, vollendeten die Aussöhnung. Marcus Fabius ver­
theilte die Verwundeten in die patricischen Häuser, sein
eigenes Geschlecht nahm die meisten. Zwey Monate ehe
sein Jahr um war, dankte er ab 30): ohne Zweifel wollte
der Senat, wie es 2 9 4 nach P. Valerius Tode geschah, an
die Stelle des gefallenen Cn. Manlius, des erwählten der
Centurien, eine unrechtmässige Ernennung eintreten lassen,
und Marcus Fabius verweigerte seine Mitwürkung. So
gänzlich hatte sich alles in fünf Jahren umgewandelt dass
die Patricier dem Geschlecht ihre Stimmen entzogen, und
die Centurien mit freyer Wahl Cäso das dritte Consulat

42») n equ e im m em or eius q u o d in itio conaulatue im b ib era i,


re c o n c ilia n d i anim os p le b is . II. 47. 30) Djonyaius IX. 13.
p. 570. d. Die Sache ist wohl sicher: die lahme Erklärung ge­
hört ihm.
— 176 —• [bàmd ix.J

übertrugen431). Wie sehr viele Mitglieder von Karls des II. 21»
langem Parlament am Schluss desselben von Leidenschaften
und Gefühlen beseelt waren, die denjenigen welche sie
bey dessen Anfang verdammten weit näher standen als
ihren damaligen Gesinnungen; so die Fabier. Cäso, der
das Todesurtheil über Cassius ausgesprochen hatte weil
sein Ackergesez die Aristokratie beeinträchtigte, empfahl
n un ,’ sobald er sein Amt antrat, es zur Ausführung zu
bringen ohne eine neue Mahnung der Tribunen abzuwarten.
Er fand kein Gehör; man schalt ihn und dio Seinigen
Verräther und Abtrünnige, tausendmal strafwürdiger als
Licinius uud Pontifioius: um so eifriger strebte die Ge­
meinde ihnen Vertrauen und Gunst darzuthun. Die Wehr­
haften traten fröhlich unter Cäsos Fahnen; drangen mit
ihm bis in das eigene Land der Aequer; und rotteten
darnach, eilig zurückgekehrt, das von den Yqjentern ein­
geschlossene Heer des ändern Consuls. Nach einem so
rühmlichen Feldzug wiederholte Cäso die Rathschläge der 21»
Aussöhnung, und da jede Hoffnung'verschwunden war für
sie Gehör zu erwerben, fasste das Geschlecht einen Ent­
schluss der unter den Griechen zur Gründung der blühend­
sten Städte Veranlassung gegeben hat; fortzuziehen mit
Angehörigen und Anhängern von dort wo sich nicht mehr
freundlich leben liess, und eine abgeschiedene Nieder-

481) Dass Dio dies erzählt hatte ist ungeachtet eines argen
Fehlers bey Zonaras II. p. 25. e. ganz sicher zu erkennen, wo
es in Hier. Wolfs Ausgabe, und wie ich durch Herrn Hases Güte
weiss, in drey Pariser Handschriften heisst: <5 optXog отратууЬѵ
тд трітоѵ тov MdXtov sïXsto: von Manlius, dessen Tod eben
erzählt ist, konnte selbst Zonaras nicht reden wollen, wohl aber
sich verschreiben. Der Irrthum ist so augenscheinlich dass sich
leicht ein Abschreiber veranlasst fand ihn abstellen zu wollen,
daher die schlechte Aenderung einer einzigen Handschrift crpa-
Trffbv ётероѵ еіХето — welche leider in die Ausgabe des Louvre
aufgenommen ist. Die Worte, тд трстои, zeigen’ dass nur an
Cäso gedacht seyn kann, nicht etwa an T. Virginius. Eine Er-
wähuung des ялу&од lag Dionysius unverstanden vor: daher,
IX. 14 . p. 570. о. той ju£<roßa<rdeatg аиухйХіааѵтод elg то 7re-
dtov t o ù ç o %X o u g . Livius glaubt die Versöhnung aber nicht
die Entzweyung: non P a tr u m m agis quam p leb ie $tu d n s Caeso
F a b i u s — co n sul f actus : H. 48.
[ band II.] — m —

lassung zu gründen, welche dem durch Elut und Gehurt


befreundeten Yolk doch nüzlich sey. Dass in jener De­
finition solche durch Absonderung veranlasste Ansiedelun­
gen von den Colonien unterschieden werden die nach dem
Willen und Gesez des Souverains gestiftet wurden432), zeigt
dass dergleichen auch in Italien nicht unerhört waren :
aus der plebejischen Secession würde ein unabhängiger
Ort entstanden seyn, wenn die T^unde nicht, als es noch
Zeit war, geheilt wäre.
Denn dass die Fabier a) nicht bloss als Yorwache ein
Kastell im feindlichen Lande behaupteten, um die Vejenter
durch Verheerung und Hinderung des Feldbaus heimzu­
suchen, den Knechten eine nahe und sichere Zuflucht
. darzubieten, und wie viele Drangsale sonst eine solche
fortwährend behauptete Feste, wie Dekelea, über eine Stadt
brachte deren Mauern nicht zu bezwingen waren 33) : dass
sie sich mit Weib und Kind an der Cremera niederge­
lassen gehabt: das schreibt mit klaren Worten Gellius,
. und gewiss nicht ohne ausdrückliche Meldung in alten
Büchern, indem er sagt, die dreyhundert und sechs Fabier
wären mit ihren Hausgesinden an der Cremera umgekom-
220 men 34). Und wenn auch diese Aeusserung nicht wäre, so
würde es für den Unbefangenen aus der einstimmigen
Sage, dass nur ein einziger zu Eom gebliebener den Un­
tergang des Geschlechts überlebt habe, erhellen: denn
dass in den Häusern aus denen dreyhundert und sechs
Wehrhafte auszogen nicht bloss ein einziger Knabe am
Leben seyn konnte, hat Dionysius mit überflüssiger Ge­
nauigkeit entwickelt, so wie hingegen Perizonius unstreitig
Eecht hat seine Erklärung zu verwerfen, dass es von den
Häusern der drey consularischen Fabier zu verstehen sey 35).
Ich glaube auch keineswegs dass der Stammvater der
Maximi als Knabe in der Stadt zurückgeblieben sey; das
kann nur eine im Lauf der Ueberlieferung entstandene
Yoraussezung seyn, und eine nicht glückliche, da er schon

432) Th. H. S. 50. Anm. 80. a) Schwegler IL 5 2 1.


33) èTctTEL^LfTfxôç. 3*) Gellius Х Ѵ П . 21. S e x et trecenti
p a t r ic ii F a b i i cum fa m i l iis su is — circu m ven ti p e rie ru n t.
38) Perizouius A n im a d v . 5. p. m. 194.
Hiebuhr, Böm. Gesch.
— ÎŸÔ — [ bàhd II.]

zehn Jahre nachher Consul ward. Er muss dies als Er­


wählter der Curien gewesen seyn, denn sein College redete
den plebejischen Ansprüchen das Wort486), und auch als
Statthalter erscheint er als Widersacher der Tribunen bey
dem heilsamsten Antrag: woraus sicher zu folgern scheint
dass er, ein reifer und entschlossener Mann, bey der frü­
heren Gesinnung seines Geschlechts beharrend, sich тон
ihnen getrennt hatte als sie auszogen. Doch vielleicht
wohnte er damals nicht zu Eom sondern zu Maluentum 37).
Sind aber auch alle Fabier ausser ihm mit ihren ge­
sammten Häusern dort untergegangen, so ist doch die Zahl
der dreyhundert und sechs ohne Zweifel, wie die des Cen­
sus und jede ähnliche, nur von Waffenfähigen zu verstehen,
sie begreift nicht Knaben und Greise, noch weniger das 221
weibliche Geschlecht. Die Yersichenmg dass keiner unter
ihnen gewesen dem der glänzendste Senat sich nicht gern
untergeordnet haben würde, ist eine rhetorische Ueber-
treibung der es jeder ansieht was sie bedeutet: und so
sollte man auch ohne Schwierigkeit einräumen dass der ,
Zusaz, alle wären Patricier gewesen, nicht mehr Gewicht
hat. Das hat schon Perizonius geltend gemacht: aber für
Fabier eigentlich so genannt, und dem Geschlecht ange­
hörig, wenn auch nur zum kleinsten Theil es bildend, sind
sie ohne Zweifel zu achten, wie die Sage sie auf das be­
stimmteste nennt. Es mochten unter ihnen viele aus un­
gleichen Ehen, und noch mehr Freygelassene seyn, welche
lezten unzweifelhaft vor Alters zu den Gentilen gezählt
wurden 38). Er glaubt diese Fabier wären hier so uneigent-
lieh genannt wie die des Eemus, und in jener Zahl die
Clienten begriffen die mit ihnen ausgezogen seyen *9),
Immer mögen die für diese angegebenen Zahlen, viertau­
send, ja fünftausend 40) , übertrieben — es mögen hierin
die Weiber und Kinder begriffen seyn: das ist unmöglich
dass ein Haufe nur von dreyhundert Männern sich im
etruskischen Lande so hätte festsezen, und den Yejentern

436) Livius HI. 1. 37) Festus s. v. N u m éris . 38) Zn


den anderswo für die Meynung angeführten Gründen kann noeb
hinzugefügt werden dass der Freygelassenen Fecennia die enuptio
g e n t is bewilligt ward. 39) Perizonius a, a. 0 . p. 200.
4°) Dionysius IX. 1 5 . p. 537. a. Festue 8. v. scelerata p o rta .
[band и .] — 179 —

furchtbar werden können. Der grösste Theil von diesem


Gefolge waren wohl Plebejer die es nicht scheuten sich
dort ein Eigenthum als Gränzer zu vertheidigen.
Mit dem Frühlingsanfang, an den Iden des Februar,
222 führte sie Cäso, damals noch Consul, zur Ansiedelung
aus der Stadt; auch dieser Tag, wie der an dem sie
umkamen, blieb auf immer verflucht441). Sie hatten
ohne Zweifel vorher, versammelt, auf dem Quirinal, wo ihr
gentilicischer Religionsdienst seine Stätte hatte 42), wo sie
vielleicht noch alle wohnten 43), geopfert: von dort zogen
sie durch das carmentalische Thor, welches dem.Berge
zunächst und an dessen Fuss lag 44)*, auf der Strasse von
wo sie nimmer wiederkehren sollten. Alle römische Thore
hatten zwey Bögen; für die Gehenden und Kommenden,
jeder hielt sich auf seiner rechten Hand: nach einem hal­
ben Jahrtausend ging kein Römer, dessen Gemüth vom
Glauben der Vorfahren beherrscht ward, durch dieses Thor
aus der Stadt 45).
441) Ovid muss den Tag ihres Auszugs und den ihres Unter­
gangs verwechselt haben, indem dieser sonst ganz bestimmt und
allgemein auf denselben gesezt wird der nachher eine noch weit un­
seligere Wichtigkeit durch die Einnahme Roms erhielt, deren Tag
ebenfalls für den der Schlacht an der Alia gehalten ist. Auch der­
jenige an dem das Heldengeschlecht Bom verliess konnte nicht
vergessen seyn. 42) Livius V . 46= 43) w ie es sich über
die Cornelier schliessen lässt nach dem Vicus Cornelius, dessen
Name sich bis in das 16. Jahrhundert erhalten hatte. 44) J)ie
Stätte a) desselben ist auf einer von der Ecke unter Ara Celi an
den Fuss des Quirinalis gedachten Linie, unfern Macel de’ Corvi,
jezt tief unter Schutt: es muss bey der Anlage des trajanischen
Forum wenigstens die Mauer zwischen demselben und dem Qui­
rinal wo nicht das Thor selbst abgebrochen, also ein W e g ge­
öffnet seyn den keine Superstition verbot. — Dass die Fabier auf
dem Wege nach Etrurien zu diesem Thor hinaus zogen, beweiset
klar dass keine Schenkelmauern an die Tiber gingen, sonst batten
sie wieder durch ein anderes einziehen müssen um an die Brücke
zu gelangen. 45) "V^er immer so nabe wohnte, machte einen
Umweg durch ein anderes. Das ist der Sinn von Ovids Versen:
F a s t . II. 201* Carm entis p o rta e dextro v ia p ro x im a la n o est :
I r e p e r hanc n o li , qu isquis es : om en habet . In die Stadt hinein,
durch den ändern Bogen, ging jeder unbedenklich; so die Pro­
cession im hannibalischen Krieg.
«) Schwegler H, 529. A. 1.
12 *
— 180 — [band п.]

Was von den Thaten erzählt wird die sie aus ihrer 22*
Feste an der Cremera verübten, und von ihrem Untergang,
gehört in die Geschichte des wandelvollen Kriegs gegen
Veji.

Der vejentische Krieg. a)

Es ist dieser den Dio die Patricier anklagt erregt zu


hahen um die Gemeinde zu beschäftigen: die Fabier, da­
mals die Häupter der Parthey ; waren demnach auch die
Urheber dieser Politik, und haben die Schuld schwer ge-
büsst; gebüsst, wie nicht selten, da alles geschehen war
was sie versöhnen konnte.
Während der beyden ersten Jahro, 271 und 272,
scheinen die Feindseligkeiten unerheblich gewesen zu seyn:
ich habe schon erwähnt wie sie sich 273 durch die innern
Zerrüttungen der Römer unglücklich wandten. Das Fuss-
volk des Cäso Fabius war mit sich einig dass der Feld­
herr den sie nicht als Consul anerkannten, aus dem Kriege
den er und sein Geschlecht veranlasst, den dio Centurien
nicht beschlossen hatten, keinen Triumph erlangen solle.
Die Reiter, theils Patricier, theils vom Geist der Waffe
ergriffen, hatten die Etrusker geworfen: aber die Cohorten
weigerten sich erst zu folgen ; darauf, wie heftig auch der
Consul ermahnte wenigstens dio Stellung zu behaupten,
bat, drohte, — wichen sie, überliessen dem Feind d a s 224
Lager, und flohen bald in schmählicher Verwirrung bis
Rom. Dieser unselige Tag hatte alle Folgen einer Nieder­
lage: die Etrusker, eben damals auf der Höhe ihrer Macht,
erwarteten das in sich zerrissene Rom völlig zu besiegen :
es kamen viele Magnaten mit ihren Hörigen440) als Frey­
willige; und in einem Lande wo es befreundeten Fremden
erlaubt war Reisläufer zu werben, konnte die einheimische
Stadt deren so viele als sie zu bezahlen vermochte ver­
sammeln. Gegen diese drohende Macht boten die folgenden
Consuln, 274, alle Kräfte der Republik und ihrer Bundes*

°) Schw egler II. 740. 446) <n>vekr)kô&e<rav èÇ &7tdc7js


TöpßTjvtag o l диѵатштатоі r o b ç каит&ѵ irevé<rraç йттауб/х&уоі.
D ionysius IX . 5. p. 56 2. d.
[band II.] — 181 —

genossen auf. Der glückliche Erfolg den Sp. Furius mit


der Gunst seiner Völker im verflossnen Jahr gehabt hatte,
scheint einen Waffenstillstand mit den Aequern möglich
gemacht zu haben, ohne welchen Latiner und Herniker
keine Hülfe hätten senden können.
Bie Erzählung топ diesem Feldzug a) hat völlig das
Ansehen aus den Hausschriften des fabischen Geschlechts
herzustammen; ja die Erwähnung dass Marcus Fabius die
Lobrede über Quintus und über seinen Collegen gespro­
chen447) lässt wohl nicht bezweifeln dass die Annalisten
von einer Laudation wussten die ihm zugeschrieben ward:
dass diese aber wenigstens sehr verändert war, erhellt aus
den Zahlen der römischen Heeresmacht, und der Erwäh­
nung der Pila als einer in den Schlachten gebrauchten
*225 Waffe. Indessen haben jene Zahlen in ihren gigantischen
Verhältnissen dieselbe Beschaffenheit wie ähnliche in den
Sagen von den Königen 48) : andre Züge boten sich bald
nach dem licinischen Gesez nicht mehr in der Gegenwart
dar, oder waren sogar schon damals sehr veraltet49) : und
so mag die Geschichte sie als ein im Wesentlichen sehr
altes Denkmal aufnehmen, ohne auch nur das zu verbür­
gen was im geringsten nicht unwahrscheinlich lautet.
Es wird erzählt dass die beyden consularischen Heere
abgesonderte Läger eingenommen hatten: und dieser Um­
stand hat vermuthlich eine historische Beziehung darauf
dass die Cohorten des M. Fabius ihn nicht wie die von
seinem Collegen Befehligten, als rechtmässigen Gebieter
anerkannten. Als der Bliz auf das Prätorium des Cn. Man-

a) Nitzsch Röm. Annalistik 7S. ^ 7) f u n e r u — collegae


jr a t r is q u e d u cit , id em in utro q ue la u d a to r : Livius II, 47.
48) Oben [Th. 2.] Anm. 75. Für Tarquinius und den Krieg
gegen Suessa Pometia wird, eben wie hier, ein Heer von 72000
Mann angenommen: Th. I. Anm. 113 6 . 49) Die Aufstellung
der Reserve und Stadtmiliz: der Proconsul (àvrtô-TpdTTjyoç)
T. Siccius (Sicinius) — Dionysius IX. 12. p. 569. d. — war
gewiss als der Anführer jener genannt: — die Unterscheidung
des Contingenta der Colonien und Unterthanen von dem der
Bundsgenossen. Jung hingegen ist die Scbäzung der Stärke des
Heers I X 13. p. 570. a. wo diese Contingente vereinigt gedacht,
und den Römern gleich, dann die Legionen jede zu 50Ü0 Mann
gerechnet werden.
— 182 — [band п.]

lins gefallen war, den Altar zertrümmert, sein Streitross


getödtet batte, nnd es nothwendig war einen dem Ver­
derben geweihten Ort zu verlassen, wurden die Läger
vereinigt: die Seher verkündigten den Etruskern, damit
habe der römische Feldherr das Schicksal, dem er ent­
gehen gewollt, auf beyde Heere gebracht. Ihre unzählige
Menge umringte die Eömer, deren Feldherrn es geschehen
Hessen, erwartend bis auch die Völker des Fabius den er­
zwungenen Eid an den welcher kein rechtmässig^ Impe- 22g
rium hatte aufrichtig bestätigt haben würden. Das geschah
auch, da sie sich von Rom abgeschnitten sahen, und den »
Hohn der Feinde über ihre furchtsame Unthätigkeit ver­
nahmen : heftig begehrten die Soldaten hinausgeführt zu
werden, und schwuren nur als Sieger aus der Schlacht
gehen zu wollen. An diesem Tage waren die Fabier dem
gesammten Heer ein Vorbild; Quintus fiel: doch sie sieg­
ten mit dem Flügel den Marcus führte, und hielten den
ändern, welcher gewichen war als sein Befehlshaber eine
Wunde empfangen hatte. Inzwischen war das Lager von * <
einem Theil der etruskischen Macht eingenommen: die *
Triarier460), welche es besezt hielten, waren um das Prä-
torium zusammengedrängt, und hätten unterlegen, wenn
nicht Manlius, der mit verbundener Wunde in dio Schlacht
zurückgekehrt war, Entsaz gebracht hätte. Er gedachte
die Eingedrungenen ganz zu vertilgen: denn während sie
plünderten hatte er alle Th ore des Lagers besozen können;
sie suchten sich durchzuschlagen: Manlius fiel: sein College, m
dem der Rückzug des Feindes gestattet hatte auch seinen
Flügel herbeyzuziehen, öffnete ein Thor wodurch sie sich

450) Triarier in der Schlachtordnung waren freylich mit der


damaligen phalangitischen Legion nicht zu vereinigen: aber ab
Lagerbesazung konnten eie seit der Einrichtung der servianischen
Centurien vorhanden seyn; und schon ursprünglich den .Namen
davon führen, dass jede der drey ersten Klassen zehn zu diesem
Dienst abgab. Um Wall und Pallisaden zu vertheidigen wären
sie zweckmässig mit Wurfgeschoss neben den Speeren und Schwerd*
tern ausgerüstet gewesen; und dieses Wurfgeschoss konnte schon
das Pilum seyn, oder wenig an dessen Vollkommenheit fehlen.
Daher der Name p ila n i. Ward eine solche Besazung nicht er­
fordert, so standen sie im Phalanx neben den übrigen.
[ в ш II.] — m —

auf das Feld warfen. Es war wohl ein Sieg: aher Marcus
Fabius hätte nicht im Triumph einziehen können, wenn
er auch nicht Quintus und des Collegen Leichen heimge­
führt hätte.
Der einzige Vortheü war dass 275 Cäso wider die
Aequer gesandt werden konnte. Aher das ein Heer welches
gegen Veji stand war zu schwach; es ward, nach einem
nachtheiligen Gefecht, eingeschlossen, und hätte die Waffen,
niederlegen müssen, wenn nicht Cäso in Eilmärschen Ent-
saz gebracht hatte. Als darauf das römische Kriegsvolk
entlassen war erschienen die Etrusker unerwartet im Felde,
und verheerten die Landschaft bis an die Feste auf dem
Janiculus.
Das consularische Jahr entsprach damals fast genau
dem der Olympiaden, und so ist es zu verstehen dass die
Fabier unter den nämlichen Consuln, und doch um die
Mitte des Februar, auszogen ihre Burg an der Cremera zu
bauen. Sie blieben Römer in der Gesinnung, ihre Aus­
wanderung hatte offnen Bruch mit.ihren Mitbürgern ver­
meidlich gemacht; sie führten rastlosen Krieg zu Roms
Vortheil, und durchstreiften die ganze vejentische Land­
schaft bis in die entlegensten Winkel. Aufs neue warben
die Vejenter Hülfe bey allen Etruskern: sie belagerten die
Feste, wurden aber von dem Consul L. Aemilius geschla­
gen. Hierauf ward Friede geschlossen; wohl nur Waffen­
stillstand für ein cyclisches Jahr: denn ehe die Zeit der
228 Consuln des folgenden Jahrs, 277, um war451), am 18.
Quinctilis, fielen die Fabier, und zur nämlichen Zeit stand
der Consul C. Menenius im Felde.
Der Tag a) an welchem die Fabier umgekommen sind,
ist eben so unzweifelhaft überliefert wie die Art ihres Un­
tergangs ungewiss ist. Die Geschichte wollte den Schmerz
über ein jammervolles Unglück lindern, vielleicht eine ent-
sezliche Schuld verschleiern, indem sie glänzende Dich-

451) Cum haec accepta cïa des esset, i a m C. H oratius et


T . M en en iu s consutes e r a n t : sagt Livius II. 5 1 • als ob sie sich
am Anfang ihres Consulats ereignet hätte. Da aber ihre Nach­
folger mit dem Sextilis antraten, so ist es klar dass das Unglück
sich im lezten Monat ihrer Magistratur zutrug. a) Schweg­
ler II. 750 ; Mommsen Röm. Chronol. 90. A . 128«
— 184 — [band ц .]

tnngen aufnahm. Wir kennen ihrer zwey deren erste Dio­


nysius verachtet462). Um ein Opfer in der Kapelle des Ge-
schlechte, wie der heilige Gehrauch es gebot, darzubringen,
zogen die dreyhundert und sechs Fabier nach Rom: sie
gingen zur frommen Handlung wie im Frieden,' ohne Waffen
und Kriegsordnung. Die Etrusker, ihres Wegs kundig,
hatten ein mächtiges aus der ganzen Nation versammeltes
Heer rechts und links verborgen, und die Strasse mit einem
Hinterhalt verlegt: der stand auf als die arglosen Helden
herangekommen waren ; da fanden sie sich allerwärts
umringt, und fielen von zahllosen Geschossen niederge­
worfen: nicht von Schwerdt oder Speor; denn auch den
Wehrlosen zu nahen wagte Niemand. Hier ist ein Gottes­
friede gedacht, wie bey einer griechischen Panegyris: die
Fabier hätten dem allgemeinen Gewissen vertraut, und die
Vejenter gefrevelt, wenn sie, gewarnt, den frommen Gang
feindlich auch nur gestört hätten. Demnach ist Dionysius 220
Tadel grundlos: auch hätte er nicht fragen sollen, wie die
Burg mit ihren viertausend Vertheidigern ohne Erwähnung
verschwinde? sondern sich erinnern dass nur die Heroen,
nicht die Schaaren der Achäer, in den Kämpfen der Ilias
erwähnt werden, ja auch bey Thermopylä die Spartaner
allein. Vergass der Dichter das zurückgebliebene Gefolge
nicht ganz, so dachte er es sich verwaiset, und ohnmäch­
tig zu widerstehen nach seiner Fürsten Untorgang.
Ich denke hätte Ovid diese Erzählung gekannt,* so
würde er sie als schöner der ändern vorgezogon haben б3),
die historisch genug lautet dass sie beyden Geschichtschrei­
bern genügte, obwohl auch hier die Burg vergessen ist. —
In wiederholten offenen Feldschlachten hatte ein einziges
römisches Geschlecht, nach Livius Erzählung54), über die
mächtigste der etruskischen Städte gesiegt: es war sicher
und ganz achtlos geworden. Da liesseu sie sich durch
Heerden, die unter einer schwachen Bedeckung getrieben
wurden, auf eine Bergweide locken, wo auf den waldigen
Höhen die sie einschlossen viele Tausende verborgen lagen.
Die Bewaffneten flohen zum Schein: die Rinder$entspran-
gen und liefen gescheucht als die Ritter ihnen nachjagten ;

452) IX . 19 . p. 577. c. 63) Oridius fast U. 19 5. ff.


54) И. 50.
[bajto п .] — 185 —

und so waren diese zerstreut auf weiter Fläche am Saum


des Walds, als ringsumher Schlachtruf und ein Wetter von
Wurfgeschossen ausbrach. Manche fielen, die übrigen zo­
gen sich zusammen: nun aber stand alles auf und kam
von den Höhen herab: je enger sich der Kreis schloss,
um so tiefer wurden die Reihen der Umringenden. Sie
230 wichen wo die Römer mit dem Schwerdt anliefen: wer
hätte sie in freyem Kampf bestanden? Geschosse aus der
Ferne und Schleudersteine warfen die Helden nieder, und
begruben sie, wie Cäneus mit Felsstücken verschüttet
ward465).
Wie immer die Fabier umgekommen sind, ohne Zwéifel
sind sie aufgeopfert worden, wie L. Siccius mit seiner
Cohorte, Aristodemus von den Oligarchen zu Kuma, und
die Samier auf den vierzig Trieren von Polykrates gesandt
wurden wo sie verderben sollten: denn als es geschah
hatte der Consul T. Menenius sein Standlager ganz nahe56),
und ist auch als schuldig an ihrem Unglück verurtheilt
worden. Allein diesmal zögerte die Strafe des Yerraths
nicht. Menenius selbst ward angegriffen und erlitt eine
gänzliche Niederlage57): und hätte die Plünderung des La­
gers die Sieger nicht aufgehalten, wenige von den Fliehen­
den würden R,om erreicht haben. Im Schrecken ward selbst
die Feste auf der Höhe des Janiculum verlassen und hier
nahmen die Etrusker ihr Lager: doch da die Brücke ab-
331 gebrochen worden 58)> war die Stadt gegen einen gewagten
Anfall gesichert, und eine Belagerung (nicht mehr zu be­
sorgen sobald C. Horatius von der volskischen Gränze her
eingerückt war.

46ß) Dass sie durchbrechen, einen Hügel erreichen, und erst


dort fallen, ist eine ausgesponnene Fortsezung von der Ovid frey
ist: vollends unerfreuliche Zusäze sind die übrigen womit Diony­
sius, so weit es gehen w ill, eine alltägliche Geschichte heraus­
zubringen sucht. 66) cum h a u d p r o c u l in d e sta tiva h ab u is -
s e t : Livius II. 52 . — 30 Stadien (4 Millien) entfernt: Dionysius
IX . 23. p. 582. b. 57) Diese Niederlage ist mit dem Unter­
gang der Fabier bey Diodor X I. 53. wohl nur durch seme Un­
geschicklichkeit zu einer einzigen grossen Schlacht zusammenge­
zogen. 58) Ihre Zusammenfügung ohne Eisen hatte gewiss
keinen ändern Grund als den sie eiligst aufbrechen zu können.
— 186 — [band nj[

Vierzehn Tage nach dem Unglück an der Cremera,


am ersten Sextilis, traten die Consuln mit deren Name das
Jahr 278 der Fasten bezeichnet wird, A. Virginius und Sp.
Servilius, in ihr Amt469). Die Etrusker sezten nun oftmals
über die Tiber, und verheerten die Landschaft ohne Wi­
derstand. Das Landvolk war mit aller Habe in die Stadt
geflüchtet, auch mit den Heerden, die doch unter dem
Schuz von Bewaffneten an der vom Fluss abgewandten
Seite, unter den Mauern auf die Stoppelweide getrieben
wurden. Bald stieg die Keckheit der Etrusker so hoch
dass sie die Beute auch hier zu erhaschen sich vermassen,
dabey aber fielen sie in einen Hinterhalt bey dem Tempel
der Spes, eine Millie vor der Stadt, auf der lavicanischen
Strasse60). Dieses Gefecht sezte den Sfcreifereyen ein Ziel, w*
und nun bezogen die Eömer Läger vor den Thoren01): das

459) Dionysius IX. 25. p. 583- b. Hat sich dieser Zeitpunkt


in den alten Jahrtafeln selbst angegeben gefunden, so war eine
Veränderung, und es müssen die vorhergehenden Consuln abge­
dankt haben : vielleicht aber hat ein umsichtiger Annalist nur die
gewöhnliche Zeit des Amtswechsels angegeben, um vorzubeugen
dass man nicht, irre geleitet durch den Schein zwey verschiede­
ner consularischer Jahre, Vorfälle, die vom 18. Quinctilis an
nicht viele Wochen des nämlichen Sommers einnahmen, auf eben
so viele physische vertheilt denke. Dionysius übersah den Wink,
denn er wähnt (a. a. 0.) die Noth in der Stadt sey daher ent­
standen dass die Aussaat wegen der Verwüstung unterblieben sey.
60) Ueber die Lage des alten Tempels der Spes s. Nardini
II. p. 18. Ich zweifle nicht dass der Hinterhalt in den die
Etrusker des Porsenna gelockt seyn sollen (Livius II. 11.) grade
dies Gefecht ist, womit, wie öfter, jene Sage ausgestattet worden,
nämlich aus reicheren Erzählungen. Die beyden Gefechte, das
am Tempel der Spes und das am collinischen Thor, sind von
einigen Annalen in das Fastenjahr 2 7 7 , von ändern in 278 ge­
sezt gewesen ; daher kommen sie bey Livius unter beyden Jahren
vor, als wären es vier: das zweytemal ohne Angabe der Orte*
Sie gehören unter die Consuln von 2 7 8 ; entschieden das Treffen
am collinischen Thor, womit der Angriff auf den Janiculue als
rasche Benuzung des Vortheils unmittelbar verbunden ist: aber
ohne Zweifel auch das erste, da die Zeit vom 18. Quinctilia bis-
zum Ende des Monats so sehr kurz ist. ei) Zu eqlchen E r ­
wähnungen dessen was in der Sache liegt, als ob es erzählt
stündfe, sind wir eben so berechtigt wie unsere Vorgänger vor
achtzehnhundert Jahren.
[band II.] — 187 —

eine vor dem collinischen: der andere Consul wird hey der
Porta Navia462) gelagert gewesen seyn, um die Verbindung
mit Ostia zu erhalten, und die Gegend zu decken. Am col­
linischen Thor ward der Angriff des gesammten etruski­
schen Heers, welches auf Flössen herübergekommen war,
zurückgeschlagen; aber dieser Sieg konnte der Hungers-
noth nicht abhelfen: die eben gewonnene Erndte war anf
den Tennen und in den Speichern vernichtet oder geraubt,
und auf dem Fluss konnte keine Zufuhr in die mit Flücht­
lingen überfüllte Stadt gelangen. Die äusserste Noth ge­
bot verwegene Entschlüsse. Am Tage nach jenem Treffen
gingen beyde consularische Heere über die Tiber: Servi-
lius stürmte das Janiculum, aber alle Anstrengungen der
Soldaten versagten an der jähen Höhe; sie wichen, und
würden in den Strohm gedrängt seyn, wofern nicht Virgi-
233 nius den rechten Flügel über die Hügel den schon siegen­
den Feinden in Seite und Rücken geführt hätte63): worauf
jene sich fassten, und einen neuen Angriff endlich mit Er­
folg ausführten. Nur einem Theil der Etrusker gelang es
die Höhe von Montorio wieder zu gewinnen: aber auch
diese verliessen in der Nacht die Feste und ihr Lager.
Vorräthe, die dort gefunden wurden, mögen den Mangel in
der Stadt erleichtert haben; hieraus kann die Sage von
Porsennas Lager entstanden seyn.
Nach dem .Rückzug der Etrusker ist die Rede von
Frieden 64) : und dass die Feindseligkeiten eingestellt wa­
ren ist auch durch die tribunicischen Bewegungen wahr­
scheinlich, deren Kraft verschwand wenn die Landleute
unter den Fahnen versammelt standen, und vom Markt
fehlten. Es ist aber doch nur ein Waffenstillstand anzu-
nebmen, wohl auf zehn Monate: wie denn auch P. Vale-

462) Unter dem Bastion von Sangallo. Die Sache spricht


dafür, und die Erwähnung in jener Erzählung aus dem Krieg
des Porsenna. 6S) Der Annalist, nach welchem Dionysius
sagt Virginius habe den rechten Flügel geführt, dachte also er
sey durch die Stadt gezogen, nach dem Heer des Servilius über
den Fluss gesezt, und dann über S. Onofrio und die Höhe vor­
gegangen. 64) Nach der Schlacht auf dem Janieulus: u r b i
cum p a c e la x io r a nn o na r e d iit : Livius II. 52 : und im folgenden
Jahr: V e ie m bellum ren a tu m . das. 53.
— 188 — [ band i i .]

rins, der Gonsul des nächsten Jahrs (279), die Vejenter


und ein Hülfsheer von Sabinern vor den Thoren von Veji
besiegte. Hierauf ward (280) Friede für vierzig Jahre ge­
schlossen : und wenn es Grund hat dass die Verschonung
der Landschaft vorher durch Sold und Lieferungen an die
römische Armee erkauft war, so werden die Bedingungen
wohl einigen Ersaz für die Noth des sehr schweren Kriegs
gebracht haben. Vielleicht sind damals die sieben Pagi
wiedergewonnen worden, deren Zurückgabe durch Porsenna
als grundlos unverkennbar seyn würde, wenn auch in der
übrigen Erzählung von jenem Kriege nicht alles blosse 2*4
Sage wäre: wobey es eben am Tage liegt dass das An­
denken wie jene Bezirke eine Zeitlang vom römischen Ge­
biet getrennt waren, hat leidlich gemacht werden sollen405).
Ben günstigen Ausgang des Kriegs verdankten die
Römer ohne Zweifel dem des Hiero, dessen Andenken durch
den zu Otympia geweihten Helm wie durch Pindars Ode
lebt. Veji a) war an Umfang Rom gleich, gewiss weit reicher,
wie seine Gebäude schöner warenсб), es konnte Völker zu
seinen Kriegen werben, und musste es thun: denn mit eige­
ner Kraft vermochte es nicht sich gegen Rom zu messen,
da der Bauer unfrey, die Landschaft gedrückt und abhold
war. Im lezten Feldzug waren diese Miethvölker nicht
mehr einheimisch : denn alle Kräfte und Gedanken der See­
städte waren auf ihre eigene Sache gerichtet, nachdem
ihre Flotte die entscheidende Niederlage erlitten, wahr­
scheinlich bald nach der verlornen Schlacht auf dem Ja-
niculum. Und nicht nur konnten sie keine Hülfe senden:
ihre Werber zogen die ledigen Reisläufer an.

Innere Geschichte vom Untergang der Fabier


bis zur ersten Pest.
Sobald die dringende Gefahr entfernt war, klagten
zwey Tribunen den Altconsul T. Menenius an, weil er die 235
a) Schwegler II. 736. 4e5) Beyde Städte werden im
Umfang mit Athen verglichen: Dionyeiua II. 54. p. 116 . e. IV .
1 3 . p. 2 19 . b. Vejis schöne Gebäude: Livius V . 24.
66) Oben [Th. 2.] Anm. 205.
[band II.] — 189 —

Fabier ohne Hülfe gelassen hatte. Der Zweck war nur


das Daseyn der Schuld zu erklären, nicht Bache an Einem
Schuldigen zu nehmen für den des Yaters Andenken re­
dete: deshalb ward die Wette auf nur zweytausend Asse
gesezt, nicht mehr als die jährliche Löhnung eines Reiters;
und eine vielfach grössere würden Gentilen und Clienten
aufgebracht haben. So weit also war die Verurtheilung
gleichgültig, und in zerrissenen Zeiten giebt die welche
von einem Gericht ausgesprochen wird wo der Geist der
entgegengesezten Faction herrscht, bey der eigenen viel­
mehr Achtung und Ansehen: daher ist es räthselhaft dass
Menenius Herz durch sie gebrochen ward: er verbarg sich
in seinem Hause und starb vor Gram. Aber eben so un­
begreiflich ist es dass die Tribunen ihn in einer Sache
welche die Rechte ihres Standes nicht berührte, vor dessen
Gericht hätten ziehen können: wohl aber sehr denkbar
dass sie eine Anklage vor die Curien brachten. Und wenn
diese den Angeklagten aufopferten, um sich rein zu wa­
schen; wenn sie die Verurtheilung mit gemeinem Leicht­
sinn nach der Unbedeutendheit der Geldsumme maassen ;
— so ist es begreiflich dass Menenius, der viele unter
seinen Richtern durch Wünsche und Befehle schuldiger
wissen mochte als sich selbst, dem Schmerz unterlag.
Nun folgten sich tribunicische Anklagen, Jahr auf
Jahr. Die nächste war gegen Servilius gerichtet, weil
durch seine Verwegenheit am Janiculus Ströhme werthes
Bluts geflossen wären: von dieser ward er, wie billig,
losgesprochen: auch hier scheint es dass die Curien das
Gericht gewesen seyn müssen. Aber vor die Gemeinde
236 lud, sobald der Friede geschlossen war, 281, der Tribun
Cn. Genucius die Altconsuln L. Furius und C. Manlius a)
weil sie sich seiner Aufforderung das Ackergesez zu voll­
ziehen geweigert hatten: eine Mahnung die unmittelbar
veranlasst gewesen ist wenn Land durch den Frieden ge­
wonnen war. Als Beleidigter war der plebejische Stand
in diesem Fall, nach allgemeinem Völkerrecht467), zu rich-

«) Mommsen R. G. L 2 8 1. 467) Von der Sage über


Tatius Angehörige, bis auf die Erzählung топ den jungen Män­
nern die sich an den Gesandten von Apollonia vergriffen hatten,
ist die römische Gesohichte voll von Beyspielen dieser R egel;
— 190 — [ b a n d XI.]

t e n b e f u g t , u n d v ie lle ic h t h a t t e d a r ü b e r n o c h e in e s p ä te r e
E i c h t u n g b e s t ä t i g e n d v e r o r d n e t 468). D i e A u s r e d e w a r , d a s
G e s e z b e t r e f f e s ie n i c h t : e s h a b e n a m e n t l i c h d e n u n m i t t e l ­
b a r e n N a c h f o lg e r n d e s C a s s iu s e in e n A u f tr a g e r th e ilt, d e s ­
s e n N i c h te r f ü l lu n g d ie s e a lle n f a lls z u v e r a n tw o r te n g e h a b t
h ä t t e n 69). A u c h b e y n i c h t e r z ü r n t e n E i c h t e r n k o n n t e d ie s
k e i n G e h ö r f i n d e n : u n d d ie B u s s e w a r w o h l n i c h t s g e r i n ­
g e r e s a ls A e c h tu n g . G e n u c i u s h a t t e v o r d e m g a n z e n V o lk
a u f d e m F o r u m g e o p f e r t 70) , u n d s i c h v e r w ü n s c h t d a s s n i c h t s
a u f d e r W e l t ih n v o n s e in e m B e g in n e n a b b r in g e n s o lle : 287
E i n s a g e v e r m o c h t e n i c h t s w e n n z w e y v o n d e n C o lle g e n
m it ih m e in ig w a re n . O ffe n b a r h ä tte A u s f ü h ru n g d e s G e -
s e z e s a l l e s a u s g e g l i c h e n : a b e r e s g a l t f ü r E h r e n s a c h e d ie
U s u r p a tio n u m je d e n P r e is z u b e h a u p te n . S e itd e m d ie
ju n g e m G e s c h le c h te r s ic h m it d e n ä lte re n v e rs ö h n t h a tte n ,
ü b e r t r a f e n s i e d ie s e a n V e r b i t t e r u n g g e g e n d ie G e m e i n d e
b e y w e i t e m : s o f in d e n w i r s ie v o n n u n a n b i s z u m D e ­
c e m v ir a t, u n d v o r h e r r s c h e n d in ih r e m S ta n d e : b e y ih n e n
s u c h t e n u n d f a n d e n d ie A n g e k l a g t e n B e y s t a n d 71) . I n g e ­
h e im e n Z u s a m m e n k ü n fte n w a rd v e ra b re d e t, w a s g le ic h d e r
S tr a f e e in e s h e im lic h e n G e ric h ts S c h re c k e n u n d E n ts e z e n
v e r b r e i t e n s o l l t e , w ä h r e n d e s d ie A n k l a g e v e r n i c h t e t e .

als der nächste Beleg welcher sich nur grade anbietet, chrono­
logisch auf der Mitte zwischen jenen beyden, mag Dionysius
V. 50. p. 316. e. dienen.
468) Der Tribun Lätorius, bey Dionysius IX. 46. p. 606. a.,
führt als Beyspiel dass sich die Patres schon bequemt hätten
Zugeständnisse zu machen, an, ідшхеѵ ß o u k i ) тф drjfjup

è$ou€Ftav хріѵвіѵ oftç äv a ù ro tç ââ$ete tw v x a r p t x i m : welches


gewiss nicht entschieden von der angeblich schon längst vorge-
fallenen Anklage gegen Coriolanus, und dem icilischen Gesez zu
erklären ist, und so gut wie ebendas, die [oben] S. 204. Anm. 397.
angeführte Erwähnung des veränderten Wahlgesezos, eine aus der
Geschichte verschwundene Notiz seyn kann.- 69) Dionysius
IX. 37. p. 595. d. 70) Ohne Zweifel p o s i t o f o c u l o ; welcher
Ritus noch gegen M. Crassus angewandt ward. 71) Livius
II. 54. C i r c u m e u n t s o r d i d a t i n o n p l e b e m m a g i s q u a m i u n i o r e s
p a t r u m . Niemand wird doch glauben dass sie die Bejahrten ver­
säumt hätten. Die grössere Feindseligkeit der Minores wird sioh
wiederholt zeigen. Nicht viele Jahre nachher befreyte sich die
oligarchische Faction zu Athen durch gleiche Missethat von dem
beschwerlichen Bphialtes.
^BAND П .] — Ш —

M it d e m fr ü h e s te n M o rg e n d e s a n b e r a u m te n G e r ic h ts ­
t a g s s t a n d e n d ie P l e b e j e r a u f d e m E o r u m , u n t e r m i s c h t m i t
v ie le n P a t r i c i e r n u n d d e r e n C lie n te n . S ie h a r r t e n a u f d e n
A n k l ä g e r , v e r w u n d e r t , u n g e d u l d i g , d a n n ä n g s t l i c h : b i s d ie
n ä h e r B e f r e u n d e t e n , w e l c h e G e n u c iu s n a c h d e r S i t t e v o r
s e in e m H a u s e v e rs a m m e lt e r w a r te t h a t t e n , u m ih n h in a b
z u m F o r u m z u b e g le ite n , d ie e n ts e z lic h e B o ts c h a f t b r a c h ­
t e n : e r lie g e to d t a u f s e in e m B e tt. E s w a r M e u c h e l­
m o r d 472) : d a r ü b e r m u s s L i v i u s , d e n s e i n e V o r u r t h e i l e g e -
238 w i s s n i c h t g e n e i g t m a c h t e n Y e r b r e c h e n a u f j e n e r S e i t e z u
a r g w ö h n e n , d a s Z e u g n is s d e r A n n a le n g a n z e in s tim m ig
g e fu n d e n h a b e n : so n st h ä tte e r n ic h t d e n H o h n u n d J u ­
b e l g e s c h i l d e r t d e m s i c h d ie P a t r i c i e r ü b e r l a s s e n : a u c h
s o lc h e d ie d e r T h a t f r e m d g e w e s e n , h ä t t e n f ü r m i t s c h u l ­
d i g g e l t e n w o l l e n 73) . l i e b e r d ie P l e b e j e r k a m e i n p a n i ­
s c h e r S c h r e c k e n : s e l b s t w e h r l o s , e r w a r t e t e n s ie a u f e i n
Z e ic h e n ta u s e n d M e s s e r e n tb lö s s t z u s e h e n , u n d e n tflo h e n ;
v ie le a u s d e n T h o r e n , a n d r e in ih r e B e z ir k e u m s ic h f ü r
d a s L e b e n zu w e h re n . E i n s o lc h e s B l u t b a d s c h i e n d o c h
z u g e w a g t o d e r z u g r ä s s l i c h : a b e r d ie C o n s u ln v e r o r d n ­
te n a ls b a ld e in e a llg e m e in e A u s h e b u n g , w o d u rc h s ie a lle
■ G eg n er u n t e r i h r e G e w a l t z u b r i n g e n , d i e v e r h a s s t e s t e n
z u t ö d t e n , u n d e in e R e v o l u t i o n a u s z u f ü h r e n g e d a c h t e n . E s
w ä r e i h r Y e r d e r b e n g e w o r d e n : E m p ö r u n g g e g e n d ie M ö r ­
d e r d e s u n v e rle z lic h e n T r ib u n w ü rd e f ü r r e c h tm ä s s ig g e ­
h a l t e n s e y n : a b e r d ie A u s h e b u n g h ä t t e v o l l e n d e t w e r d e n
k ö n n e n w e n n s ie d e m R e i z w i d e r s t a n d e n h ä t t e n e i n e n e i n -

472) Aristoteles bey Plutarch P e r i c i . p. 158. a. Diodor


XI. 77. 7S) Livius II. 54. — n e c P a t r e s s a t i s m o d e r a t e
fe r r e la e titia m : a d eo q u e n e m in e m n o x a e p a e n it e b a t , u t e t ia m in -

so n te s fe c is s e v id e r i : — 55. p e s s i m i e x e m p l i v i c t o r i a . X. 38.
v e lle n t

p. 665. a. erkennt auch Dionysius Ermordung: Геѵихсоѵ ützbï


( p a v e p îo q o ö % o î o t т’ 9 j< r a y > à u e À e t u — â ç a v w g à v 7 ) p 7 z a < r a v i ob­
wohl er im Lauf der Erzählung gesprochen hatte als ob eine
wundervolle Fügung des Himmels eingetreten wäre IX. 37. p.
595. e: ja versichert, es habe sich keine Spur eines gewaltsamen
Todes gezeigt. Wer dies zuerst schrieb dachte an Scipios Tod:
wie Livius die eitle Thorheit vorgeschwebt haben kann womit
C. Octavius und Lentulus Spinther nach Cäsars Tode zu den Ver-
schwornen gerechnet zu werden sich bemühten.
— 192 — [ban©п.]
z e l n e n z u h ö h n e n : d e n n d ie T r i b u n e n s c h w i e g e n k l e i n -
m t i t h i g w e n n e in L a n d m a n n , v o n d e n S c h e r g e n e r g r if f e n ,
ih r e n B e y s ta n d a n rie f.
Y o l e r o P u b l i l i u s a) h a t t e a l s e r s t e r C e n t u r io a u s g e - m
z e ic h n e t g e d ie n t. E r w a rd a u fg e ru fe n a ls G e m e in e r e in ­
z u t r e t e n : d e s s e n w e ig e r te e r s ic h , d a ih n n ie m a n d e in e r
S c h u ld z e ih e n k ö n n e : i n s e in e r f r ü h e r e n S te lle z u d ie n e n
s e y e r b e re it. D a s w a r A u fs ä z ig k e it g e s c h o lte n , u n d d en
L i c to r e n b e fo h le n , ä n d e r n z u m B e y s p ie l, ih n v o r d em T r i­
b u n a l z u z ü c h t i g e n . S ie s u c h t e n s e i n e T o g a z u f a s s e n u n d
i h n f o r t z u s c h l e p p e n : a b e r Y o le r o , s t a r k u n d b e h e n d e , s c h l e u ­
d e r te s ie v o n s ic h u n d e n ts p r a n g u n te r e in e n d ic h te n H a u ­
f e n . N u n w a r d e r A u f s ta n d d a : d a s Y o lk z ä h lte s ic h u n d
d i e L i c t o r e n : d ie s e , w ie s ie d ie V e r s a m m l u n g e n z e r s t r e u e n
s o l l t e n , w u rd e n ü b e rm a n n t u n d m is h a h d e lt: ih re H e rre n
e n t f l o h e n v o m T r i b u n a l i n d i e n a h e C u r i a : d ie A u s h e b u n g
w a r d a u f g e g e b e n , u n d d a m i t w a r d ie R u h e h e r g e s t e l l t .
D a s s d ie M e n g e , b is z u m W a h n s in n g e re iz t, s ic h v o n d em
g u te n G e n iu s a n d e r S c h e id e lin ie d e s Y e rs ö h n b a re n a u f­
h a l t e n lie s s , u n d d a n n g le ic h z u m g e s e z lic h e n G e h o rsa m
z u r ü c k k e h r t e , v e r a n l a s s t e d e n f r o m m e n G la u b e n ^ d e r N a c h ­
k o m m e n , e s s e y e n i n d e r g u t e n a l t e n Z e i t d ie i n n e r n B e ­
w e g u n g e n n i e ü b e r d ie G r ä n z e d e s Z i e m l i c h e n g e s t i e g e n ,
n i e b i s z u m B l u t v e r g i e s s e n : n i c h t n u r ü b e r s a h e n s ie G e -
n u c i u s E r m o r d u n g , d ie F r e v e l t h a t e n d e s C ä s o Q u i n c t i u s ;
s ie e n tz ie h e n d e n T r ib u n e n , u n d d e m Y o lk d a s s ic h v o n
i h n e n l e i t e n l i e s s , d ie A c h t u n g w e l c h e i h n e n g e b ü h r t , u n d
s c h e n k e n s i e T y r a n n e n d i e w e d e r v o r M o r d n o c h v o r M e in ­
e id z u r ü c k tr a te n .
F ü r d a s fo lg e n d e J a h r (2 8 2 ) w a rd P u b li liu s z u m T r i­
b u n d e s P le b e s e rw ä h lt. E r v e rs c h m ä h te e s s e in e n e ig e ­
n e n Z w i s t d u r c h A n k l a g e d e r C o n s u ln z u r ä c h e n : m i t d e n - mo
s e lb e n A n s tr e n g u n g e n lie s s e n s ic h b le ib e n d e V o rth e ile e r ­
o b e r n : d i e s e b e z w e c k t e s e i n e R o g a t i o n , d a s s d ie T r i b u n e n
k ü n f t i g i n d e n C o m itie n d e r T r i b u s e r n a n n t w e r d e n s o l l ­
t e n 474) . H i e r ü b e r a l l e i n z u b e s c h l i e s s e n w a r u n s t r e i t i g d i e

a) Schwegler II. 537. 474) Ueber den Irrthum dass віо


vorher von den Curien, nicht den Centurien, ernannt worden,
s. Th, I. S. 687. ff. — darüber dass die Bestätigung aufgehört
hatte; oben S. 215.
Jbaitd п.] — 193 —
“G e m e in d e v o llk o m m e n b e f u g t : v o lle n d s s e i t d e m d i e B e s t ä ­
t ig u n g d e r C u rie n a u f g e h ö r t b a t t e : e s s t r e i tig z u m a c h e n
w a r g a n z s c h a m lo s v o n d e n e n w e l c h e d i e V e r l e i h u n g d e s
C o n s u la ts a n s ic h g e r is s e n h a t t e n : u n d n o th w e n d ig w a r e s
d e n E i n f l u s s a u s z u s c h l i e s s e n w e lc h e n d e r e r s t e S t a n d d u r c h
s e in e C lie n te n h e y d ie s e n W a h le n b is h e r a u s ü b te , d a z w e y
C o l l e g e n , d ie n u r d u r c h s o lc h e S t i m m e n e r n a n n t s e y n
k o n n t e n , s i c h s o g a r g e g e n d ie s e R o g a t i o n e r k l ä r t e n 476).
D ie s e r W id e rs p r u c h h in d e rte P u b liliu s a lle rd in g s n ic h t
e i e z u r A b s t i m m u n g z u b r i n g e n , w e il d i e M e h r h e i t d e r
S t i m m e n im C o lle g iu m m i t i h m w a r 76) : u n d j e d e r m a n n s a h
v o r a u s d a s s d ie W i l l k ü h r v o n d e n T r i b u s e i n h e l l i g a n g e ­
n o m m e n w e rd e n w ü rd e . D e m B e s c h lu s s h ä t t e n S e n a t u n d
C u r i e n e in e E i n s a g e e n t g e g e n s e z e n k ö n n e n , s i c h w e i g e r n
d ie in d e r n u n b e lie b te n F o r m e r n a n n te n T r ib u n e n a n z u ­
e r k e n n e n : m a n h ä tte d a r ü b e r u n te r h a n d e lt, u n d s ic h v e r ­
g l i c h e n : a b e r d ie P a t r i c i e r w o l l t e n s i c h n i c h t a u f d i e s e n
B o d e n s t e l l e n : s ie b o t e n - a l l e s a u f u m z u h i n d e r n d a s s d ie
G e m e in d e e in e n S c h lu s s fa s se . D ie O b r i g k e i t u n d j e d e r
ш S e n a to r, w o n ic h t a lle P a t r i c i e r , h a tte n d a s R e c h t e in e r
t r i b u n i c i s c h e n R o g a t i o n w e l c h e d ie g a n z e R e p u b l i k b e t r a f ,
z u w i d e r s p r e c h e n : u n d d a r i n l i e g t d ie U r s a c h e d a s s d i e
T r i b u n e n g e g e n d a s C o m itiu m g e w a n d t , w o j e n e s t a n d e n ,
r e d e t e n 77). D a r ü b e r k o n n t e w o h l z u w e il e n o h n e a r g e L i s t
u n d a b s i c h t l i c h e V e r z ö g e r u n g d ie S o n n e u n t e r g e h e n : e s
b r a c h te a b e r d ie s e S tu n d e d e n S c h lu s s a lle r G e s c h ä fte d e s
T a g s , a ls o m u s s t e d ie V e r s a m m l u n g d a n n f r u c h t l o s e n t ­
l a s s e n w e r d e n . O f t w a r e s d a r a u f a n g e l e g t d ie s h e r b e y z u -
f ü h r e n , u n d w e n n s i c h e r w a r t e n li e s s d a s s d e r T r i b u n d i e
V e r h a n d l u n g z e i t i g s c h l i e s s e n w e r d e , s o w a r e n d ie W i d e r ­
s a c h e r a u f G o w a lts a m k e it g e rü s te t. S ie v e r b r e i t e t e n s i c h
v o n i h r e r e i g e n e n M a h l s t a t t , d e m C o m itiu ç i, ü b e r d a s F o ­
r u m w e lc h e s d e n P l e b e j e r n a n g e w i e s e n w a r ; w o d ie C lie n ­
t e n s c h o n u n t e r ih n e n s t a n d e n . V o r d e r A b m e h r u n g m u s s ­
t e n a lle d ie n i c h t z u r G e m e i n d e g e h ö r t e n d ie s e s r ä u m e n ,
d a m i t j e d e T r i b u s i n d e m f ü r s ie d u r c h S e ile a b g e s c h i e -

475) Dionysius IX. 41. p . 598. c. 76) Zwey unterschrie­


ben seine Rogation, wodurch er ёЛаттоѵсиѵ Ъѵтшѵ тшѵ fiij тайта
ßouXo[i£V(uv nept-yjv: ebendas. 77) Welches erst C. G r a c c h u a
veränderte: Plutarch G r a c c h . p. 837. b.
Niebuhr, Rom. Gesch.
— 194 — [b a n d i i . ]

d e n e n R a u m z u s a m m e n t r e t e n k o n n t e : w e n n d a n n d ie U n ­
b e r e c h t i g t e n a u fg e fo rd e rt w u rd e n s ic h zu e n tfe rn e n , w o m it
v o n d e n P a t r i c i e r n n u r v e r l a n g t w a r d d a s s s ie s i c h a u f
d ie a n d e r e S e ite d e r R o s tr a v e rfü g e n s o llte n , so w ic h e n s ie
n i c h t ; u n d d e r T u m u lt w e lc h e r a u s b r a c h w e n n m a n s ie
m i t G e w a lt z u e n tf e r n e n s u c h te , e n d ig te f ü r d e n T a g a lle s
g e s e z lic h e V e rfa h re n . E s g e s c h a h w o h l d a s s s ie s i c h d e r
S tim m tä fe lc h e n b e m e is te rte n , w o d u rc h d a s A b m e h re n u n ­
m ö g l i c h w a r d 478) .
N u n a b e r s c h e i n t e s , d ie T r i b u n e n w ü r d e n * w e n i g s t e n s 2«
a m n ä c h s t e n C o m i t i a l t a g , d e r e n m e h r a l s d ie H ä l f t s d e s
J a h r s w a r e n 79), w i e d e r a u f g e n o m m e n h a b e n w a s u n t e r b r o ­
c h e n w a r ; o f t f o l g t e n s i c h d e r e n v i e l e , u n d n a c h e in ig e n
s t ü r m i s c h e n w ä r e , d a e s d e n F ü r s p r e c h e n d e r G e m e in d e
a n A u s d a u e r n ic h t fe h lte , d e r Z w ec k e rre ic h t, o d e r d e r B ü r­
g e r k r ie g a u sg e b ro c h e n sey n . D a d a s le z te n ic h t g e s c h a h ,
s o f r a g t m a n s ic h , w o z u d e r L ä r m ?
A l l e i n d ie D i n g t a g e d e r P l e b s u n d d e s P o p u l u s w a r e n
g e s c h i e d e n w ie i h r e M a h l s t ä t t e n , i h r e F e s t s p i e l e , a l l e s u n d
je d e s . F ü r j e n e w a r e n e s d ie N u n d i n e n , a n d e n e n d e r
L a n d m a n n z u m M a r k t h e r e i n k a m : d a n n s t a n d e n s ie s ic h
u n t e r e i n a n d e r z u R e c h t , u n d h i e l t e n g e m e i n e n R a t h , w ie
e s i h n e n h e r k ö m m l i c h z u s t a n d , o d e r d e r S e n a t s ie e i n l u d 80) :

Solche Auftritte mahlt Livius II. 56. III. 11. Er nimmt


478)
in der Bedeutung, auseinandertreten : bezieht daher rfuf
d is c e d e r e

die Gemeinde dass die Tribunen p o p u l u m d i s c e d e r e i u b e b a n t ; wes­


halb er in Appius Namen II. 56. ihnen sogar über ihren eigenen
Stand das Imperium abspricht, weil es mit den höflichen Worten
geschah: s i v o b i s v i d e t u r , d i s c e d i t e . Aber es ist buchstäblich der
Populus zu verstehen, und d i s c e d e r e bedeutet Weggehen.
79) Nach Manutius 184. 80) Dionysius VII. 58. p. 463. C..
èv r a u r a tç (ra tç àyopatç, â i1 -fj/xépav èvvarrjv) aovtôvreg èx тйѵ
à y p to v ol drjpLortxol eîg туѵ TtôXtv га д те кцеіф еід ènotouvro
Tüiv â v tto v , x a l rà ç ôtxaç izap* àXkr)X(i)V è k a ^ a v o v , r â те xotvà
o<t(dv Vjaav xuptot хатй to ù ç vôfxouç, xal öaa f) ßouky) èm T pé -
ф еіеѵ aÙTOtç, фг\<роѵ àvaXaßôvтeç ènexupouv . Wozu der Senat
einlud — betrifft die spätere Zeit nach dem Decemvirat, wo den
Consuln aufgetragen ward mit den Tribünen zu handeln, dass
sie einen Gegenstand zum Beschluss der Gemeinde brächten —
Macrobius S a t u r n . I. 16. (Th. 1. S. 282. B i p . ) nach Rutiliue: •—
u t n o n o d ie — a d m e rc a tu m le g es q u e a c c ip ie n d a s B o m a m v e n i-
[ b a n d II.] — 195 —

d a s w a r in d e r u r s p r ü n g lic h e n O r d n u n g d e s K ö n ig s S e rv iu s
243 e n t h a l t e n , u n d d a h e r b r a c h t e n d ie N a c h k o m m e n a n d i e s e n
T a g e n G r a b e s o p f e r f ü r s e i n e S e e le 481)* H i n g e g e n w a r e s
a n d e n s e lb e n T a g e n v e rb o te n d e m P o p u lu s v o rz u tra g e n ,
u n d .C o m itia z u h a l t e n 82) : so w a r e n s ie f u r d ie B ü r g e r F e ­
r i e n u n d N e f a s t i , f ü r d ie G e m e i n d e G e s c h ä f f c s ta g e : u n d n u r
s ie , d i e d e s P o p u l u s e b e n n i c h t . D ie se n U n te rs c h ie d h o b
d a s h o r te n s is c h e G e se z a u f ; k e in a n d e re s a ls d a s je n ig e
w e l c h e s d ie P l e b i s c i t e d e n G e s e z e n g l e i c h s t e l l t e , u n d e b e n
d e s h a l b : d u r c h d a s s e l b e w u r d e n d ie N u n d i n e n dies fa sti* 3) ,
u n d n u n a u c h d e r C e n tu rie n Z u s a m m e n b e r u fu n g z u G e -
s e z a n n a h m e o d e r W a h l a u f d ie d r i t t e N u n d i n e e i n g e ­
f ü h r t 84). D a d i e s , a l l t ä g l i c h w a r , s o k o n n t e n v ie le A r c h ä o -
244 lo g e n s i c h n i c h t ü b e r r e d e n d a s s d i e j e n i g e n R e c h t . h a b e n
s o l l t e n w e lc h e n a c h d e n a l t e n R e c h t s b ü c h e r n d ie U n z u l ä s ­
s ig k e it d e r V e rh a n d lu n g e n m it d em P o p u lu s a n je n e n T a g e n
l e h r t e n : u m so s i c h r e r i s t e s d a s s d i e s e d e n S a z d o r t g e ­
fu n d e n h a b e n .
A ls o a u f d ie N u n d i n e n , e i n e n T a g v o n a c h t e n , w a r e n
d ie V e r h a n d l u n g e n d e r T r i b u n e n b e s c h r ä n k t 85) ; u n d d ie s e

ren t y et u t scita atque consulta frequ en tiore populo referrentwr,


quae trinundino proposita — facile noscebantur .
481) Ebendas, nach Geminus und Varro: er führt Cassius
(Hemina) dafür an dass Servius die Nundinen eingesezt habe.
82) Ebendas, p. 281. Iu liu s Caesar X V I . auspiciorum libro
negat n u n din is concionem advocari posse, id est cum populo agi,
ideoque n undinis Rom anorum Tiaberi comitia non posse. Man
sieht dass dieser Cäsar nicht der Dictator war, sondern ein An­
tiquar, für den das Ehemalige mehr Realität hatte als das Gegen­
wärtige. Plinius XVÏÏI. 3. Com itia n u n din is habere non licebati
der Zusaz ne plebs rustica avocaretur , ist durch Unkenntniss der
Verhältnisse eingegeben. Festus s. v. N u n d in is fe ria r u m diem
esse voluerunt antiqui —> eumque ne/astum n e , si liceret cum
populo a g i, in terpellaren tur nundinatores. Auch die Patres
•hatten Geschäfte auf dem Markt. 83) Macrobius a. a. O.
Demnach fallen allerdings in den erhaltenen Kalendarien dies
fasti und Nundinen oft zusammen. 84) Es ist nur eine Pro-
lepsis (Bentley de P halar. p . 17. 18. ed. L .) dass Lirius das
Trinundinum in einer Amplification über die Wahl der Decem-
virn (III. 35.) anbringt. 86) Dass Livius sagt, das Gesez
•welches die Patres zu hindern strebten, p e r omnes com itiales dies
fe re b a tu rt ІП. 11. ist Anerkennung dass es nur an bestimmten
13*
— 196 — [b a n d iiJ

m u s s t e n a n e in e m T a g e b e e n d i g t s e y n 486) . D a s h e is s t,
w e n n d u r c h i r g e n d e i n e n U m s t a n d e s n i c h t z u e i n e m S c h lu s s
g e d i e h e n w a r , s o w a r d ie R o g a t i o n v e r l o r e n , w ie e in e B i l l
d ie w ä h r e n d d e r S e s s io n n i c h t d u r c h a lle S tu f e n b is z u r
S a n c t i o n g e l a n g t i s t . W i e d i e s e i n d e r d e s f o lg e n d e n J a h r s ,
a ls o b s ie z u m e r s te n m a l e in g e b r a c h t w ü r d e , je d e n S c h r itt
v o m A n f a n g h e r a u f s n e u e g e f ü h r t w e r d e n m u s s , so w a r e n
d ie T r ib u n e n g e n ö th ig t ih r e R o g a tio n a ls e in e n fr is c h e n
A n tr a g , u m d a r ü b e r a n d e n d r itte n N u n d in e n z u b e s c h lie s -
s e n , a u f s n e u e a u f z u s t e l l e n 87) O b d ie s s o g l e i c h g e s c h e h e n 245

Dingtagen geschehen konnte: die Verwechslung mit denen des


Populus ist ein gleichgültiger Irrthum.
*86) Dionysius IX. 41- p- 598. b. r à g сроХетхад (фг}<рг)<ро-
p ia ç ë d e i) è v $)ß £ p a ß ta r e X e c û e ia a ç ù nè r w v< p u X e züjv r é X o g

g /e tv . 87) Ebend. c. d. Der erste Tag an dem die publili-


sche Rogation an der Ordnung war, verging in unentschiedenen
und leidenschaftlichen Debatten : 7ГроЫѵтсиѵ â è к à X i v ? û v d v j ß d p -
%(üv eiç трітцѵ à y o p à v tvjv tz e p l той v ö ß o u â t a y v ü x r c v , ging es
nicht besser. Ein anderes aber sind Dingtage, und ein anderes
Versammlungen in denen über die vorgeschlagene Rogation für
und wider gesprochen ward, wie es geschah da man sich tagtäg­
lich auf dem Forum fand: diese vorbereitenden Besprechungen,
die sehr stürmisch werden konnten, sind mit denen in den Bü-
reaux nach den französischen Formen zu vergleichen. Eine
solche ist eine c o n c i o , — wer ihr vorsteht c o n c i o n e m h a b e t , —
welches auch Messalla von dem a g e r e c u m p o p u l o , wie die c o n c i o
vom c o m i t i a t u s (ich seze hinzu vom c o n c i l i u m ), unterscheiden
hiess : Gellius XIII. 15. Wenn der Consul die Gemeinde berief,
so war es zur Concio : (ihr c o n c i l i u m konnte er nicht halten :) das
geschah mit Drommetenschall, durch die a e n e a t o r e e : — die Cen­
turien wurden mit Hörnern berufen, wie jenes im Lager die Sol­
daten versammelte, diese zum Auf bruch bliesen : s. Scaliger zum
Festus 8 . V . a e n e a t o r e e . Jene Drommeter waren die l i t i c i n e s ,
welches, wie wir jezt wissen, der lateinische Name für die Cen­
turie ist welche Dionysius ааХшухтаі nennt: ihre Trennung von
den c o r n i c i n e s oder ß u x a v i o T a i ist durch jene Verschiedenheit
begründet. — Eine Concio am Tage vor dem zur Abstimmung
angesezten war die wo Lätorius die Plebejer auf morgen be-
schied : Q u i r i t e s — c r a s t i n o d i e a d e s t e : a u t m o r i a r , a u t p e r f e -
r a m le g e m . Ebenso mit einem kaum ungenau çu nennenden
Ausdruck, Dionysius X. 40. p. 666. a. wo der Tribun Icilius
туи è m o ü a a v im é p a v à n o â etÇ a ç тo t ç x a r r fy ô p o ig той v6ßO O >
à té X u a e T7jv ё х х Х у а іа ѵ .
[b a n d п .] — 197 —
k o n n te , o d e r s ie d e n n ä c h s te n M a r k tta g e r w a r te n m u s s te n :
o h d a s d r i t t e F u n d i n u m d ie d r i t t e W o c h e b e g a n n o d e r
n a c h d r e y v e r f lo s s e n e n W o c h e n e i n t r a t , w i r d s c h w e r l i c h
e n t s c h i e d e n w e r d e n : j e w e i t e r d ie F r i s t e n a u s e i n a n d e r l a ­
g e n , u m so m e h r d i e n t e d ie S t ö r u n g w o r a n e i n e e r n e u e r t e
R o g a t i o n s c h e i t e r t e , d ie V o l l e n d u n g e i n e s B e s c h l u s s e s z u
h i n t e r t r e i h e n . D a n n u n t e r b r a c h e n d ie F e l d z ü g e : d e n n w ä h ­
r e n d d ie S o l d a t e n b e y d e n F a h n e n w a r e n k ö n n e n n i c h t
v ie le P le b e je r s ic h a u f d e m F o r u m e in g e fu n d e n h a b e n : h i n ­
g e g e n b l i e b e n a l l e C l i e n t e n d a h e i m , u n d m i t d ie s e n m ü s s e n
i h r e P a t r o n e d e n e n v o m z w e y t e n S t a n d d ie i n d e r S t a d t
w o h n te n a n Z a h l w e it ü b e rle g e n g e w e se n sey n .
246 S o l c b e r l e y H i n d e r n i s s e h a b e n d ie A n n a h m e d e s p u b -
l i l i s c h e n A n t r a g s e in v o lle s J a h r h i n d u r c h v e r e i t e l t , w e n n
es a n d e r s g e g r ü n d e t is t d a s s d e s s e n U r h e b e r u m s e in U n ­
te r n e h m e n z u v o lle n d e n w ie d e r e r w ä h lt w a r d : in d e s s e n h a ­
b e n d ie G e s c h i c h t s c h r e i b e r d i e s e E r e i g n i s s e s o v e r w o r r e n
a u f g e f a s s t 488) d a s s d ie z w e y t e W a h l d e s V o le r o P u b l i l i u s
a u c h B e l o h n u n g f ü r d ie 'e i n g e f ü h r t e B e s s e r u n g , u n d z u ­
g le ic h v o m V e r tr a u e n e in g e g e b e n s e y n k a n n d a s s e r n o c h
m e h r fü r d e n S ta n d g e w in n e n w e rd e . I n d ie s e m z w e y te n
T r i b u n a t , 2 8 3 , p r o m u l g a t e e r m i t C. L ä t o r i u s n e u e R o g a ­
tio n e n . D ie e r s t e , w e l c h e d ie W a h l a u c h d e r A e d i l e n a n
d i e T r i b u s ü b e r t r u g , w a r f ü r d ie P a t r i c i e r g l e i c h g ü l t i g ,
d a ih r e J u r is d ic tio n s ic h u n m ö g lic h w e ite r e r s tr e c k e n k o n n te
a ls a u f je n e a n d e n N u n d in e n v e rh a n d e lte n K la g e n w o
b e y d e P a r t h e y e n z u r G e m e i n d e g e h ö r t e n 89). D i e z w e y te *)
e r k l ä r t e , d a s s d ie P l e b e s b e f u g t s e y i n i h r e r a b g e s o n d e r ­
te n V e rs a m m lu n g ü b e r a lle G e g e n s tä n d e d e s g e m e in e n
W o h l s z u b e r a t h s c h l a g e n u n d z u b e s c h l i e s s e n 90) : n ä m l i c h

588) Livius erzählt auch im zweyten Jahr nur vom Wahl-


gesez: obgleich er, wie aus П. 60. in fin . erhellt, die Erhebung
der com itia tribu ta nicht ganz übersah. 89) r à ç ô t x a ç пар'
àXXrjXwv äXdfxßavov: [Th. 2.] Anm. 480. a) Schwegler
II. 555. A. 2. 90) Zonaras II. p. 26. b. èÇ eivat тф itÀn&ei
xal xaiï' éau rd eu viévat x al àveo èxetvùtv (тшѵ е д п а т р і о й ѵ )
ßouXeuec&at %al хрцрат К еіѵ тгаѵ#’ Zaa àv èüeXrjtrQ, Dionysius
IX. 43. p. 600. b. xal 7ta v r a r à âXXa 8<ra èy> тф ôrjfitp ярат -
тea&at те xal èmxupoô<r&ai d e y c s t, bizb гшѵ роХетшѵ
Ceotfa« x a T à таЬтб.
/I
— 198 — [b a n d п .]

a u f d e n A n t r a g d e r T r i b u n e n , n i c h t a u f d e n e in e s U n b e ­
a m t e t e n a u s i h r e r M itte . D a m it b e g a n n e in n e u e s L e b e n
i n d e r R e p u b l i k : a n d ie S te l l e d e r s t u m m e n , n u r z u A n ­
n a h m e o d e r V e r w e r f u n g b e r u f e n e n C e n t u r i e n , t r a t e n d ie 247
b e w e g te n T rib u s . E s m a g se y n d a s s d e r C o nsul e h e e r
d a s H e e r z u m A b s t i m m e n a u f d a s M a r s f e l d f ü h r t e , e in e
C o n c io b e r i e f u n d d e n A n t r a g e r k l ä r t e , a b e r s i c h e r d u r f te
d a n n n ie m a n d r e d e n d e m e r n ic h t d a s W o rt z u g e s ta n d :
u n d h ä t t e n s ic h a u c h h ie r ü b e r B e s s e r u n g e n e rla n g e n la s ­
s e n , s o w a r , s o l a n g e d ie V e r f e i n d u n g d e r S t ä n d e d a u e r te ,
Лсеіп G e s e z w o d u r c h e i n e K l a g e d e r P l e b e j e r a b g e s t e l l t
w ä r e z u h o f f e n , w e n n e s v o r h e r v o n d e r M e h r b e i t e in e s
n o c h g a n z p a tr ic is c h e n S e n a ts g e b illig t s e y n m u s s te : ja
e i n g e r e c h t e r u n d w o h lw o lle n d e r M a n n , d e rg le ic h e n u n te r
d e n P a t r i c i e r n n i c h t f e h l t e n , k o n n t e a ls C o n s u l n i c h t e in ­
m a l d e n A n tr a g d a r a u f im S e n a t m a c h e n , d a u n te r zw ey
C o l l e g e n d e r v e r w e h r e n d e e n t s c h i e d 491) ; u n d d e r E r n a n n t e
d e r C u rie n ih r e L e id e n s c h a fte n n o c h m e h r a ls ih r In te re s s e
v e rtra t.
N o c h w a r f r e i l i c h d e r B e s c h l u s s a) d e n d ie G e m e in d e
a l s d a n n f a s s t e n i c h t s w e i t e r a l s w ie e in e R e s o l u t i o n , w ie
s ie in E n g la n d v o n e in e r V e rs a m m lu n g g e n o m m e n u n d
a l s B i t t s c h r i f t a n d a s P a r l a m e n t g e b r a c h t w i r d : e in Z w e ig
d e r G e s e z g e b u n g w a r d d a s C o n c iliu m d e r P l e b e j e r e r s t s e it
d e m J a h r 2 9 8 , a ls d e r S e n a t g e g e n d e n T r ib u n Ic iliu s
d i e V e r p f l i c h t u n g a n e r k a n n t e e in s o l c h e s P l e b i s c i t in a u s ­
d rü c k lic h e E rw ä g u n g zu n e h m e n . B i s d a h i n k o n n t e es
u n b e a n t w o r te t b e s e itig t w e rd e n : a lle in n u r d ie le ic h ts in n ig ­
s t e n v e r m o c h te n s ic h d a r ü b e r z u tä u s c h e n d a s s je n e A n ­
e r k e n n u n g f r ü h e r o d e r s p ä t e r k o m m e n m u s s t e , u n d d ie
a l s g e s e z l i c h z u g e s t a n d e n e B e f u g n i s s d e r T r i b u n e n , w ie
b i s h e r ü b e r d ie A n g e l e g e n h e i t e n i h r e s S t a n d e s , so n u n ü b e r
d i e d e r g e s a m m t e n R e p u b l i k t ä g l i c h v o r a l l e m V o lk z u 248
r e d e n w a r u n t e r d e n d a m a l i g e n V e r h ä l t n i s s e n w e i t m e h r a ls
j e z t E i n r ä u m u n g d e r P r e s s f r e y h e i t i s t , D a s s d ie M a c h t h a ­
b e r w i d e r s t r e b t e n , w a r i h n e n n i c h t z u v e r d e n k e n ; a b e r d ie
A r t u n d d i e W u t h i h r e s W i d e r s t a n d s w a r e n s o v e r k e h r t w ie
s trä flic h .

*•*) Vetantiв maior potestas. a) Mommeen R. G. I. 282*


[ b a n d II.] — 199 —
A l l e r d i n g s w a r d ie e i n s e i t i g e E r k l ä r u n g j e n e r B e f u g ­
n is s n ic h t h in re ic h e n d u m d e r P le b e s ih r e A u sü b u n g z u
g e w ä h r e n : d a m it d ie s e r n ic h t a ls e in e r a u f r ü h r e r is c h e n
H a n d l u n g b e g e g n e t w e r d e , m u s s t e d ie W i l l k i i h r z u e i n e m
G e s e z e r h o b e n s e y n , w ie d ie R i c h t u n g a u f d e m h e i l i g e n
B e rg e g e fa s s t w a r. D ie s e s k o n n te d e r S e n a t u n lä u g b ä r
v e r w e i g e r n ; e r h a t t e n u r z u z u s e h e n w ie v ie l s i c h m i t W i d e r ­
s t a n d a u s r i c h t e n l a s s e : e s b r a c h t e e in e s c h l i m m e r e D e -
m ü th ig u n g w e n n e in a llz u h e f tig e r a u fg e g e b e n w e rd e n
m u s s te . D a s s n u n d ie n ä m l i c h e P a r t h e y w e l c h e v o r v i e r ­
z e h n J a h r e n a lle s m it S c h re c k e n d u rc h s e z e n k o n n te , je z t,
•da d o c h d ie M i n d e r n m i t i h r v e r e i n i g t w a r e n , d e r G e ­
m e i n d e n i c h t g e w a c h s e n w a r , i s t s e h r a u f f a l l e n d : d o c h d ie
U r s a c h e n d ü r f t e n w o h l z u e r r a t h e n s e y n : d ie L a t i n e r , b e ­
d r ä n g t v o n d e n ä u s s e re n F e in d e n , m o c h te n d e r H e rrs c h a ft
z u R o m k e i n e V ö l k e r s e n d e n k ö n n e n ; u n d i n d e m d ie M in ­
d e r n d a s U e b e r g e w ic h t in ' ih re m e ig e n e n S ta n d e a n s ic h
g e r is s e n h a t t e n m u s s te s ic h h in g e g e n u n te r d e n a lte n G e ­
s c h l e c h t e r n e in e O p p o s i t i o n w i d e r d ie H a r t e n b i l d e n , w e lc h e
d e r G e m e i n d e d ie H a n d r e i c h t e . O h n e d ie s e S p a l t u n g d e r
A r i s t o k r a t i e w ü r d e n d ie F r e y h e i t e n d e r G e m e i n d e im K e i m
v e r n ic h te t o d e r ih r S ie g b lu tig u n d z e r s tö r e n d g e w e s e n
seyn.
O f f e n b a r h a t t e n d ie H e r r s c h e r e i n B e w u s s t s e y n d e r
249 U n m ö g l i c h k e i t i h r g e s e z l i c h e s V e to g e l t e n d z u m a c h e n ;
a l l e i n a n s t a t t s i c h d e n U m s t ä n d e n z u f ü g e n w a r e n s ie v e r ­
b l e n d e t g e n u g e b e n d ie g e f ä h r l i c h s t e A r t d e s W i d e r s t a n d s
z u v e r s u c h e n : s ie d a c h t e n w i e d e r d ie F a s s u n g d e r W i l l -
k ü h r zu h in d e rn . D e s h a l b e r n a n n t e n s ie A p p i u s C la u d iu s
z u m C o n s u l : o d e r v i e l m e h r , w ie e s d e r l i v i a n i s c h e T r i b u n
s a g t , z u m B ü t t e l d e r P l e b e j e r 492) : z u m G l ü c k , v o r a l l e m
d e r U n te r d r ü c k e r , h a tte d ie fre y e W a h l d e r C e n tu rie n ih m

492) [Th. 2.] Anm. 424. Die Jahre der Consuln und Tri­
bunen entsprechen sich schon damals nicht: jedes Tribunat fiel
in zwey Consulate; und so hatte Lätorius seine Rogation schon
promulgirt ehe die Consuln für 233 ernannt wurden: welches,
wie schon bemerkt ist, die lezte Handlung der abgehéndèn war.
Z a welcher Zeit aber(> vor dem Decemvirat, die Tribunen ihr
Amt antraten, ist nicht zu ermitteln.
— 200 — [b a n d п .]

an T. Q u in c tiu s e in e n b eso n n en en und m ild e n C o lle g e n


geben können.
A m V o ra b e n d des e n ts c h e id e n d e n T a g s h a tte L ä to r iu s ,
e r m ü d e t v o n d e m G e r e d e , d ie G e m e in d e m it d e n W o rte n
e n tla s s e n : I c h w e is s n ic h t z u s c h w a z e n : a b e r m o rg e n
b r i n g e ic h d e n B e s c h lu s s d u rc h , o d e r ic h la s s e d a s L e b e n
h ie r v o r e u e rn A u g en . M it d e r F r ü h e v e rs a m m e lte n s ic h
b e y d e S t ä n d e w ie z u r S c h l a c h t . A l s n o c h e i n m a l h i n u n d
w i e d e r g e r e d e t w a r , u n d L ä t o r i u s d ie A b s t i m m u n g b e g i n n e n
l a s s e n s o l l t e , e r h o b s i c h e i n e r v o n j e n e n A u f t r i t t e n d ie
o b e n i m A l l g e m e i n e n g e s c h i l d e r t s i n d . D ie P a t r i c i e r , s e h r
z a h l r e i c h , u n d v o u i h r e n C lie n te n i n g r o s s e r M e n g e b e g l e i ­
t e t , h a t t e n s i c h , d ic h te H a u fe n b il d e n d , a u f d e m F o ru m
u n t e r d e n P l e b e j e r n v e r t h e i l t . S ie s p o t t e t e n d e r M a h n u n g
s i c h z u e n t f e r n e n , s c h l u g e n d ie F r o n b o t e n w e lc h e g e s a n d t
w u rd e n d ie W id e r s p e n s tig e n m it G e w a lt w e g z u f ü h r e n . 250
A p p i u s e r h o b s i c h v o ll Z o r n ü b e r d ie V e r m e s s e n h e i t d a s s
m a n d ie a n t a s t e d e n e n d e r T r ib u n n ic h t zu g e b ie te n h a b e :
e r s c h ic k te s e in e L ic to r e n u m d ie s e n z u e rg re ife n , L ä to r iu s
h i n w i e d e r d ie W e i b e l u m d e n C o n s u l z u v e r h a f t e n : d ie
G e m e i n d e s t a n d f ü r i h n a u f , d ie S t e c k e n b ü n d e l w u r d e n
e n t r i s s e n u n d z e r b r o c h e n ; d ie P a t r i c i e r e n t f l o h e n ; A p p i u s
w a r d v o n C o n s u l a r e n 493) s t r ä u b e n d i n d ie C u r ie g e f ü h r t-
T . Q u i n c t i u s b e s c h w o r d ie P l e b e j e r M a a s s i m S i e g z u h a l ­
t e n : s i e t h a t e n e s : d o c h z o g e n s ie a u f d a s C a p i t o l , u n d
b e s e z t e n e s b e w a f f n e t 94).
D a s i s t n i c h t z u b e z w e ife ln d a s s L ä to r iu s s e in e n
S c h w u r e r f ü l l t e , u n d d a s P l e b i s c i t b e s c h l o s s e n w a r e h e d ie
S o n n e u n t e r g i n g : w i r w o lle n e s D i o n y s i u s v e r z e i h e n d a s s
e r ,, щ і і s i c h d i e G e n e h m i g u n g d e s D e m u s f ü r d ie Z u s tim ­
m u n g d e s S e n a t s a u s d r ü c k l i c h g e m e l d e t f a n d , u n d e in d o p ­
p e l t e r B e s c h l u s s d e s V o lk s i h m g a n z w i d e r s i n n i g v o r k a m ,
s i c h b e r e d e t e , e s s e i Q u i n c t i u s g e l u n g e n d ie T r i b u n e n z u
v e r m ö g e n d ie S a c h e d em S e n a t z u f r ie d lic h e r B e e n d ig u n g
a n h e i m z u s t e l l e n 95) . H ie r i s t n ä m lic h d e r u n g lü c k lic h e

4&3) So Liviue: bey Dionyeius IX. 48. p. 604. c. vermitteln


die T tp ecß u ra T o i èx той cuvedpiou; beydes verbunden zeigt die
Decemprimi, und, wie' zumal 293, die weit friedlichere Stimmung
der älteren Geschlechter. 9*) Dionyeius a. a. 0. p. 604. d*
9ß) Ders. IX. 49. p. 604. c.
[b a n d п .] — 201 —

K r e i s i n d e n e r n ie t r e t e n k a n n o h n e d a s T J e b e r l i e f e r t e v e r ­
k e h r t z u s e h e n : g r a d e s o d e u k t e r s i c h a u c h d ie V e r d o p p e l u n g
d e r Z a h l d e r T r ib u n e n a u f V irg in iu s B itte v o m S e n a t b e ­
l i e b t , u n d d a n n v o m D e m u s b e s c h l o s s e n 496) : n u r e i n m a l ,
251 b e y d e m t e r e n t i l i s c h e n G e s e z , e r w ä h n t e r , v o n e i n e r g a n z
b e s t i m m t e n E r z ä h l u n g b e h e r r s c h t , d ie t r i b u n i c i s c h e B e h e ­
b u n g , w o ra u f S e n a ts c o n s u lt u n d V o lk s s c h lu s s g e g r ü n d e t
w o r d e n 97).
W a s s e i n e V e r w i r r u n g v o lle n d e te ^ w a r , d a s s d ie B e ­
r i c h t e ü b e r d ie O r d n u n g , w o r i n S e n a t u n d V o l k b e y e i n e m
G e s e z e i n t r a t e n ih m g a n z u n v e r e i n b a r l a u t e t e n . D a s r i c h ­
tig e d a r ü b e r is t, d a ss , a ls n o c h S e n a t u n d P o p u lu s a lle in
s t a n d e n , d i e s e r e b e n s o w e n i g a l s e in e g r i e c h i s c h e E k k l e s i a ,
w o d ie D e m o k r a t i e n i c h t a u f d a s A e u s s e r s t e g e s t e i g e r t w a r ,
a n d e r s a ls a u f e in e n A n tr a g d e s S e n a ts b e s c h lo s s e n k o n n te :
w ä h r e n d d ie P l e b s i h r e B e r a t h u n g e n s e l b s t ä n d i g i n s i c h
b e g a n n , w e lc h e i n d e s s v o r d e m h o r t e n s i s c h e n G e s e z o h n e
G e n e h m ig u n g d e r P a tr e s k e in e G eseze b ild e te n : a lle in in
d e r F o lg e t r a t a u c h in H in s ic h t ih r e r in m a n c h e n F ä lle n
V o r b e r a t h u n g d e s S e n a t s e i n ; z u e r s t w e n n s ie e i n g e l a d e n
w u rd e n C u rie n b e s c h lü s s e z u b e s tä tig e n , n a c h h e r in d em s ie
d ie S t e l l e d e s a l t e n P o p u l u s e in g e n o m m e n h a t t e n . W ie
d i e s e V e r ä n d e r u n g e n im L a u f d e r Z e it s i c h b e g e b e n h a ­
b e n , w i r d d ie G e s c h i c h t e d a r l e g e n 98) ; h i e r i s t d e r O r t z u
b e m e r k e n d a s s D i o n y s i u s e r s t n a c h d e m e r d a s z w e y te B u c h
g e s c h r i e b e n d ie r i c h t i g e A n s i c h t , d a s s d ie C u r i e n n u r ü b e r
S e n a ts b e s c h lü s s e a b z u s tim m e n h a tte n , g e f a s s t, u n d n u n
252 a l l é r d i n g s h ö c h s t b e s t i m m t a u s g e s p r o c h e n h a t 99) : a m A n ­
fa n g s e in e r A u s a r b e itu n g h a tte e r g ra d e u m g e k e h rt g e -
m e y n t , u r s p r ü n g l i c h w ä r e n d ie B e s c h l ü s s e d e s V o lk s i n
d e n C u r ie n v o r a n g e g a n g e n , d a n n z u r B e s t ä t i g u n g a n d e n

MS) Ders. X 30. p. 657. b. ^ 9?) Ders. X. 48. p. 673. a.


rd 7tepi (/. жара) rw v ôyfià p x w v doyßa Tzpoeßoökeuaav. Dann
Senatusconsult und Gesez, ö2. p. 676. d. 98) Da der Ort
dies zu tbun noch fern liegt, bemerke ich vorläufig dass in den
lezten Jahrhunderten der Republik ein Beschluss der Hoheits­
rechte betraf ganz unabhängig vom Senat war: hingegen kein
Plebiscit wa9 die Verwaltung anging anders als auf einen Senats­
beschluss gefasst werden konnte. Vgl. Livius XXXVIII. 36.
" ) [Th. 2.] Anm. 393.
— 202 — [b a n d xi.]

S e n a t g e b r a c h t ; d a s G e g e n t h e i l s e y N e u e r u n g 500). E r d a c h t e
s ic h R o m s V e r f a s s u n g b e g o n n e n m it e in e r k ö n ig lic h e n D e ­
m o k r a t i e , u n d d ie C u r ie n a l s d e m o k r a t i s c h ; A r i s t o k r a t i e
d u r c h d ie C e n tu rie n e in g e f ü h r t ; g a n z m it d e m n ä m lic h e n
Irrth u m w o n ach d ie V e r f a s s u n g d e r i t a l i ä n i s c h e n S t ä d t e
im e lf te n J a h r h u n d e r t a ls r e in d e m o k r a tis c h b e tr a c h te t
w i r d , w e i l n u r v o n d e n G e s c h l e c h t e r n d ie R e d e i s t u n d
d i e s e d e m A n s e h e n n a c h G le ic h e s i n d : e r t i b e r t r ä g t a u f
d ie K ö n i g e u n d d ie C u r ie n w a s v o n T r i b u n e n u n d d e r
P le b e s g ilt. W ie e r n u n a b e r n a c h h e r je n e E in s ic h t e r­
l a n g t h a t t e , s o e r d a c h t e e r , a ls d e n e i g e n t l i c h e n A n s t o s s
b e y d e n R o g a t i o n e n d e r T r i b u n e n , d a s s d ie s e s ic h a n g e -
m a a s s t h ä t t e n s ie o h n e V o r b e r a th u n g d e s S e n a ts a n d a s
V o l k z u b r i n g e n : o f tm a ls s e y g e g e n d ie S a c h e n i c h t s e i n ­
z u w en d en g e w e s e n , n u r h ä tte d a r a u f g e h a l te n w e rd e n
m ü s s e n d a s s j e n e s i c h i n d ie g e s e z m ä s s i g e F o r m b e q u e m -
t e n ; w e lc h e s d e n n a u c h d e r F e s tig k e it d e r V ä te r m it L ä ­
to r iu s u n d V irg in iu s g e lu n g e n sey .
I n s o lc h e n I r r th ü m e r n v e r s tr ic k t, k o n n te e r in dem
D e m u s a n d e s s e n B e s tä tig u n g d a s S e n a tu s c o n s u lt g in g ,
w ie b e i d e n U s u r p a tio n e n d e r W a h l s e it 2 6 9 , n ic h ts a n - 26»
d e r s a l s d ie C e n t u r i e n s e h e n a) ; u n d i n d e r T h a t n e n n t
e r d i e s e a u s d r ü c k l i c h a ls d ie V e r s a m m l u n g w e l c h e d a s i c i ­
lis c h e G e se z a n g e n o m m e n h a b e . A lle in e r s e lb s t re ic h t
u n s d i e M i t t e l d e n I r r t h u m z u ü b e r f ü h r e n , in d e m e r h i n -
z u s e z t , e s w ä r e n d ie s e C o m itie n v o r d e n P o n t i f i c e s , A u ­
g u r e s , u n d z w e y F l a m i n e s g e h a l t e n 1) : e s w a r a b e r d ie
G e g e n w a r t j e n e r P r i e s t e r b e y d e n e n d e r C u r ie n w e s e n tlic h
u n d u n e n t b e h r l i c h 2) ; m i t d e n C e n t u r i e n h a t t e n d ie P o n ti -

ЙОО) Dionysius II. 14. p. 87. d. 0 r t ra tg n k sto a i â â Ç e is

Ф р а т р а ід (über Wahlen, Geseze, Krieg) т ойт о è n l r ijv ß o u X vv

й ѵ е < р ір е т о . ip ’ fjp x b v â è р е т а х е іт а с тЬ М о д . o b y à p fj ßouATj

d ta y tv tb a x e i т а ( p r jip tc r & é v T a Ь п Ь т ой ä r jfio u , т ш ѵ u n d Trjg ß o u l r j g


y v w a ÿ é v T w v ô ôrjfiôg è c r t xupiog. <*) Schwegler IL 560.
i) Ders. X. 32. p. 659. b. îe p o < p a v т & ѵ т е т сар бѵт ш ѵ x a l

o lü ) v o < r x o 7 r w v , x a l le p o n o iîu v âu ocv (Th. I. S. 336.), x a l n o t r j a a -


fjié v m v r à ç v o p .tp .o u g e t y a g т е x a l à p d g . 2) Das Concilium
der Curien ward gehalten т ш ѵ le p & v ( l. le p o t p a v t w v ) x a l o lc v v o -

o x ô n a tv іт с ѵ & е а п іа а ѵ т ш ѵ : IX. 4L p» 598. b. Gellius V. 19.


C o m it ia a r b it r is p o n t ific ib u s . p ra e b e n tu r q u a e c u r ia t a a p p e lla n t u r :
[ b a n d II.] — 203 —
fic e s s o w e n i g z u s c h a f f e n a l s d ie F l a m i n e s . G e f e h l t k ö n n e n
d i e C u r ie n e b e n b e y j e n e m G e s e z n i c h t h a b e n , d a e s u n t e r
d e n b e s c h w o r n e n V e r t r ä g e n d e r S t ä n d e g e n a n n t w i r d : a ls o
w ü r d e n s ie b e s t ä t i g e n d f ü r d e n B e s c h l u s s d e r C e n t u r i e n
z u g e t r e te n s e y n , w e lc h e s a u c h , b is d e r D ic ta to r P u b liliu s
s ie b e s e itig te , b e i je d e m C e n tu rie n g e s e z g e s c h e h e n m u s s te .
D a r n a c h a b e r w ä r e d ie E i n m i s c h u n g d e r C e n t u r i e n d ie u n -
n ö th ig s te A u fh ä u fu n g v o n W e itlä u f ig k e ite n g e w e s e n , in ­
d e m d ie S u f f r a g i a i n d e n C u r i e n , p l e b e j i s c h e B i t t e r u n d
G e m e in e in d e n T r ib u s s tim m te n . G esez w a r w a s d e r
P o p u l u s b e s c h l o s s e n h a t t e 503) : d ie d a m a l i g e n M a c h t h a b e r
k o n n te n a u f n ic h ts w e n ig e r W e r th le g e n a ls d a r a u f , d e n
C o m itia t d e r C e n t u r i e n i n A n s e h e n z u e r h a l t e n .
354 M i t m e h r S c h e i n m ö c h t e s i c h d ie M e y n u n g d a r s t e l l e n a)
d a s s , m i t A u s n a h m e e i n e s e i g e n t ü m l i c h e n F a l l s w ie d a s
ic ilis c h e G esez, D io n y s iu s d a s V e rh ä ltn is s d e s S e n a ts u n d
D e m u s s i c h n u r u m g e s t e l l t g e d a c h t h a b e , u n d e s f ü r d ie
B e s tä tig u n g e in e s d a z u g e e ig n e te n P le b is c its a u f d e n S e n a t
a lle in a n g e k o m m e n , n u r d ie s e r u n te r d e n P a tr e s z u v e r ­
s t e h e n s e y , d e r e n V e to d e r D i c t a t o r P u b l i l i u s u n d d a s m a ­
n is c h e G e se z in e in e n le e r e n S c h e in v e rw a n d e lte n . U n-
l ä u g b a r h a t L iv iu s s ic h d ie s so g e d a c h t- a ls e r, o h n e e in ig e
B e k a n n ts c h a f t m it d e r S p r a c h e d e s a lte n S ta a ts r e c h ts , s e in e
G e s c h i c h t e z u s c h r e i b e n b e g a n n 4) : w ie i h n a b e r d a m a ls
d e r tä g lic h e .R e d e b r a u c h s e in e r Z e it b e h e r r s c h te , w e lc h e r
d ie P a t r i c i e r , a n d e r e n D a s e y n m a n s e h r s e l t e n e r i n n e r t
w a rd , n ie m a ls m e h r P a tr e s n a n n te , s o n d e r n n u r d e n S e n a t;

die von denen er hier redet waren Schattenbilder, aber doch


Bilder der alten.
603] L e x e s t q u o d p o p u l u s s u p r e m u m i u s s e r i l a ) Schweg­

ler II. 153. 4) In der Erzählung von Numas Wahl I. 17.


Die Patres sind hundert, diese beschlossen u t , c u m p o p u l u s
re g e m iu s s is s e t , id s ic ra tu m esset s i P a tr e s a u cto res fie r e n t .

H o d ie q u e — u s u r p a tu r id e m iu s t v i a d e m ta : — in in c e r tu m co -

m itio r u m e ven tu m P a tr e s a u c to re s Hingegen scheint kein.


fiu n t .

Grund zu seyn anzunehmen dass Cicero unter den Patres als


c o m i t i o r u m ' r e p r e h e n s o r e s — P l a n e . 3. (8.)* a u c t o r e s — de re p .
II. 32. nicht die Patricier verstanden habe, obgleich er in den
l e g e s den Senat so nennt. In der zweyten Stelle wird vielmehr
das Bestätigungsrecht, als entscheidend a d o b t i n e n d a m p o t e n d a m
n o b i l i u m , neben die Gewalt des Senate gestellt.
— 204 — [baw d I I .]

— s o n a h m e r n a c h h e r , d a e r d ie A n n a l i s t e n i m F o r t ­
s c h r e it e n d e r A r b e it v o r s ic h h a b e n m u s s te , u n d k e n n e n
le r n te , d e n ih r ig e n a n ; s e z t u n z w e y d e u tig d a s W o r t P a tr e s
f ü r d e n p a t r i c i s c h e n S t a n d 505) , j a u n t e r s c h e i d e t a u s d r ü c k ­
l ic h d ie P a t r e s a ls R a t h u n d B u r g e r v o m S e n a t, d e r ih n e n '
e i n e n B e s c h l u s s z u s e n d e t 6) : w ie e r a u c h a n s t a t t d e r P a - 20&
t r e s d e n P o p u l u s n e n n t 7). H i e h e r g e h ö r t a u c h d ie B e ­
s t ä t i g u n g v o n N u m a s W a h l d u r c h d ie P a t r i c i e r b e y D io ­
n y s i u s 8) , w e i l e r d ie C u r ie n a u c h h i e r a u s d r ü c k l i c h f ü r
d i e P l e b s a n s i e h t , j e n e W a h l f ü r e in P l e b i s c i t . Ic h habe
s c h o n b e m e r k t d a s s d ie Z u s t i m m u n g d e r C u r ie n f r e y l i c h ,
d e r R e g e l n a c h , n u r e in e b lo s s e F ö r m lic h k e it s e y n k o n n te ,
so l a n g e d ie S e n a to re n A u s s c h ü s s e je n e r w a re n , — u m so
w e n ig e r w ir d s ie a b e r , h ö c h s t d rin g e n d e F ä lle a u s g e n o m ­
m e n , w ie s ie s ic h v o rz ü g lic h b e y V e r le ih u n g d e r D ic ta tu r
e r e ig n e te n , u n te rla s s e n , s o n d e rn d em a lte n R e c h t g e n ü g t
s e y n , w o n a c h b e y G e s e z g e b u n g , W a h le n , K rie g u n d F r ie d e n
v o m g e s a m m te n P o p u lu s e n ts c h ie d e n w a rd . N a c h h e r , a ls
d e r S e n a t g e m i s c h t w a r , w a r d e s a n d e r s ; d e r L e b e n s t r i e b , 25©
w e lc h e r V e r f a s s u n g e n s tills c h w e ig e n d d em B e d ü rfn is s d e r

505) Nur einige schlagende Beyspiele: I I . 42. uno animo


P a tr e s ac p leb es — Volscos et Aequos pu gn a vicere. ibid. 45.
Om nium illo d i e , qua P atru m qua p leb is, exim ia virtu e fu it.
I V . 1. connubium P a tru m ac plebis. VI. extr. u t duoviros aedi -
les e P a trib u 8 rog aret D ictator. 6) I V . 8 . m entio illata ab
JSenatu est: — P a tr e s rem la eti a ccep ere , et trib u n i haud sane
teten dere. Ueber diese Stelle schleichen alle hinweg ausser Pig-
hius und Drakenborch, welche den vermeynten Widersinn mit
leichtfeitigen Aenderungen angreifen. Livius redet von einem Be­
schluss des Senats und der Curien, dem die Gemeinde beytritt.
7) I V , 51. a plebe, consensu populi , consulibus negotium
m a n d a tu r. — Bey Ampelius, c. 48. werden so die pa tre s statt
des p o p u lu s genannt: comitia d icu n tu r — quod p a tre s et classe»
a d s u f r a g i a vo ca n tu ry creandorum m agistratuum vel sacerdotum
ca u sa : worauf es heisst: si translatitium sit et solitum (eine For­
malität) de quo p o p u lu s, curiatis tran sigitu r ; si am plius tributis.
Dieses und die beyden folgenden Kapitel sind aus -einem Buch
übertragen welches geschrieben ist als Rom noch unter den Con­
suln, und Massilia in seiner eigentümlichen aristokratischen Ver­
fassung frey war. 8) Dionysius IL 60. p. 121. e. гшу 7га-
тptxcwv ÏTZtxupwadvrajv r à âéÇ avra rai к Ц $ еі.
{ b a n d II.] — 205 —

E r h a l t u n g a n e i g n e t , v e r m e h r t e d e n E i n f l u s s d e s S e n a ts
a u f d ie P l e b i s c i t e ; u n d d a s B e s t r e b e n d e r T r i b u n e n d ie
S e n a t o r e n a n f s o l c h e d ie s i e m i s b i l l i g e n m u s s t e n z u v e r ­
e id e n , i s t e in A n e r k e n n t n i s s d e s E e c h t s d e r P a t r e s c o n -
s c r i p t i a n s t a t t d e r P a t r e s a l t e r Z e i t e n e in Y e to e i n z u l e g e n ;
s o w i e d e r B e s c h l u s s w o d u r c h d ie G e s e z e d e s M . D r u s u s
a b g e s c h a f f t w u r d e n a u f d ie s e m n ä m l i c h e n E e c h t b e r u h t .
A u c h d i e s m a l e n t s c h i e d d e r S e n a t. D e r A b g r u n d l a g
o ff e n , u n d d ie h a l s s t a r r i g s t e n w a r e n e r s c h r o c k e n : s t i l l s c h w e i ­
g e n d w a r d d ie R o g a t i o n a l s G e s e z g e n e h m i g t 509). L e ic h t­
s in n ig e m o c h te n s ic h tä u s c h e n , u n te r g ü n s tig e n U m s tä n d e n
w e r d e s i c h a u c h d ie s z u r ü c k n e h m e n l a s s e n : E i n s i c h t i g e
e r k a n n te n d a s s m e h r a u fg e g e b e n w e rd e a ls a u f d e m h e ili­
g e n B e r g e 10) : d ie F o l g e n u n d E n t w i c k l u n g e n , v ö l l i g e T h e i l ­
n a h m e d e r G e m e i n d e a n d e r g e s e z g e b e n d e n G e w a lt, w ü r d e n
s ic h n ic h t a b w e h r e n la s s e n . W a s e in g e f ü h r t w a rd , k o n n te
k e in b le ib e n d e r Z u s ta n d w e rd e n : R u h e la g f e r n ; a b e r
L e b e n u n d A u s b ild u n g w a re n e rw a c h t. V o n d e n M ä n n e rn
d e n e n d ie R e p u b l i k , n i c h t i h r S t a n d a l l e i n , d ie W o h l t h a t
v e r d a n k t e , i s t w e i t e r d ie R e d e n i c h t : k e i n A m t w o d u r c h
i h r N a m e h ä t t e i n d e r G e s c h i c h t e V o rk o m m e n k ö n n e n w a r
ih n e n z u g ä n g lic h .
A p p iu s v e r w a r f d e n F r ie d e n . V o ll t i e f e r V e r a c h t u n g
f ü r d ie w e lc h e i h n a u f g e f o r d e r t h a t t e n d e m H a s s f ü r d e n
g a n z e n S ta n d z u tr o z e n , u n d d a n n fe ig h e rz ig v e rlie s s e n ,
3*7 g l ü h t e e r v o n V e r l a n g e n s i c h a n d e n G e r i n g g e s c h ä z t e n z u
r ä c h e n , d ie i h n g e d e m ü t l i i g t h a t t e n . W a r d a s g e s e h e n , so
w a r e s i h m r e c h t u m z u k o m m e n , s e l b s t im A u f r u h r : d a s
L e b e n w a r i h m g e s c h ä n d e t , u n d d ie T r ö s t u n g e n d e r T h o r e n
e r h ö h te n s e in e E r b itte r u n g .
E s m ü s s e n d ie B u n d e s g e n o s s e n d a m a ls d r i n g e n d e M a h ­
n u n g e n e rla s s e n h a b e n u m H ü lfe g e g e n V o ls k e r u n d A e q u e r ;
w ä r e n i c h t d ie r ö m i s c h e T r e u e v e r p f l i c h t e t g e w e s e n , n i m ­
m e r m e h r h ä t t e n d ie T r i b u n e n z u g e g e b e n d a s s A p p i u s e i n
H e e r a u s h e b e u n d b e f e h l i g e : w e r k o n n t e z w e if e l n d a s s e r
w ü t h e n w e r d e ? ^ U e b e r d ie s w a r e r n i c h t n u r a u f g e d r u n g e n
d u r c h d ie C u r i e n : d ie P l e b e j e r i n d e n C e n t u r i e n h a t t e n

509) le x s ile n t io p e r fe r t u r : Livius. 10) g r a v io r e t a e c ip i

le g e s q u a m in s a c ro m o n te a c c e p ta e e in t . ders.
— 206 — [b a n d п . ]

s i c h g e w e i g e r t i h n a n z u e r k e n n e n 611). I h m a h e r l a g n i c h t s
d a r a n d a s im m e r w e ite re V o r d r in g e n d e r F e in d e a u fz u h a lte n ,
n i c h t s a m T r iu m p h . E in g r ä s s lic h e r W e t t s t r e i t e rh o b s ic h :
d e s C o n s u ls S i n n w a r n u r d a r a u f g e s t e l l t w ie e r d ie F u s s -
k n e c h t e d u r c h u n le id lic h e G e b o te u n d w illk ü h r lic h e B e ­
s c h w e r d e n z u r V e r z w e i f l u n g t r e i b e n k ö n n e : d ie S o ld a te n
s a n n e n , w i e s i e i h n f ü h l e n l i e s s эп d a s s a l l e s e i n e W ü t h e r e y
s ie n i c h t z u b e u g e n v e r m ö g e ; tö d te n u n d f o lte r n k ö n n e e r:
e r s e y d o c h i h r S p o tt.
S o l a u t e t e , a ls es z u r S c h la c h t k o m m e n s o llte , d a s
G e r ü c h t s e h r g la u b lic h , s ie s e y e n v e r r a t h e n : e in v e rs ta n d e n
m i t d e m F e i n d , h a b e d e r C o n s u l d ie C o h o r te n s o a u f g e ­
s t e l l t d a s s k e i n M a n n e n t k o m m e n s o lle 12). D ie R e i h e n
l ö s s t e n s i c h a u f , a l l e s f lo h d e m L a g e r z u , w o h i n d ie V o l­
s k e r v e r f o l g t e n , a b e r d e n W a l l n i c h t a n g r i f f e n , a ls o d a s s 2ß&
M u s s e w a r d a s H e e r z u r V e rs a m m lu n g zu fo rd e rn . D o rt­
h i n m u s s t e n d ie S o l d a t e n u n b e w a f f n e t k o m m e n ; u n d s ie
e r w a r t e t e n e s s e y d ie A b s i c h t s ie d a n n , w ie e s v o n T u l lu s
H o s t i l i u s u n d d e n A l b a n e r n e r z ä h l t w a r d 13) , v o n B e w a ff­
n e te n u m r i n g e n z u la s s e n ; a b e r z u e in e m v ie l b lu tig e re n
G e ric h t. A p p i u s h a t t e d a z u d ie B u n d e s g e n o s s e n , w e lc h e
s i c h e r a lle m a l b e re it, ja s c h a d e n fro h , d e r H e r r s c h a f t s ta rk e
H a n d l i e h e n , u n d d ie p a t r i c i s c h e n R i t t e r : o h n e s o lc h e
M a c h t h ä t t e k e i n R a s e n d e r e i n e V e r f o l g u n g v e r s u c h t w ie
e r s i e t r i e b : H e i l i g e , d ie s i c h d e s E i d s w e g e n o h n e S t r ä u b e n
z u r S c h l a c h t b a n k h ä t t e n f ü h r e n l a s s e n , w a r e n d ie L a n z -
k n e c h te a u c h n ic h t. S ie w e i g e r t e n s i c h a ls o d ie W a f fe n
a b 2u l e g e n ; d i e B e f e h l s h a b e r w u s s t e n d a s s d a s e r s t e b e l e i ­
d i g e n d e W o r t a u s d e m M u n d e d e s T y r a n n e n d ie s e g e g e n
i h n w e n d e n w ü r d e , u n d e n d l i c h b e w o g e n s ie i h n d ie C o n cio
a b s a g e n z u la s s e n . D a fü r e r g in g d e r B e f e h l m it d e r e rs te n
F r ü h e z u m R ü c k z u g a u f z u b r e c h e n . A l s a b e r , a n s t a t t d ie s e n
s c h w e ig e n d a n z u tr e te n , z u m M a r s c h g e b la s e n w a rd , e rw a c h te
n e u e r V e r d a c h t, e s w e rd e d e n V o ls k e r n e in Z e ic h e n g e -

Ы1) [Th. 2.] Anm. 426. l2) Ueber solchen Verrath


s. oben S. 230. und weiter unten die Sage топ L. Sicçius. —
Ob Erklärungen des Geschehenen, wie diese und die bald! nach­
her gegebene, einem alten Erzähler oder uns in den Sinn kommen
ist gleichgültig. *3) Und Scipio der Grosse es nach der Em­
pörung am Suoro that.
[baud п .] — 20Ï —

g e b e n d ie S t r a s s e e i n z u n e h m e n u n d i n d i e f o r t z i e h e n d e
C o lo n n e z u f a l l e n : d a n u n d i e N a c h h u t s i c h w i r k l i c h a n ­
g e g r i f f e n f a n d , e r g r i f f e in p a n i s c h e r S c h r e c k e n d a s g a n z e
F u ssv o lk . W a f f e n u n d F a h n e n w u r d e n w e g g e w o r f e n , d ie
F lie h e n d e n tr a te n ih re V o rd e rm ä n n e r n ie d e r; e r s t a u f r ö ­
m i s c h e m B o d e n s a m m e l t e n s i c h d i e , so d e n V e r f o l g e n d e n
e n t k o m m e n w a r e n . H i e r h i e l t d e r C o n s u l e in G e r i c h t , d e s s e n
259 V o l l s t r e c k u n g j e n e f r e m d e H ü l f e , d ie W a f f e n l o s i g k e i t d e r
S c h u l d i g e n , a u c h w o h l i h r B e w u s s t s e y n d ie M a j e s t ä t d e r
R e p u b lik v e rle z t z u h a b e n , m ö g lic h m a c h te n . D ie H a u p t ­
le u te u n d d e re n V e r tr e te r , so v ie le n ic h t b e y ih r e n F a h n e n
g e b lie b e n w a re n , u n d v o n d e n G e m e in e n d e r z e h n te M an n ,
w u rd e n u m g e b ra c h t.
W a s A p p i u s v o r a u s s e h e n m u s s t e a l s e r s i c h a n 'd e m
S c h a u s p ie l le z te , g e s c h a h : a ls d a s J a h r u m w a r , (2 8 4 ),
k l a g t e n i h n d ie T r i b u n e n v o r d e r G e m e i n d e a u f d e n T o d
an. U m s o n s t ‘h a t t e n d ie P a t r i c i e r L . V a l e r i u s , e i n e n v o n
C a s s iu s R i c h t e r n , z u m C o n s u la t e r h o b e n ; e r w a g t e n i c h t s
fü r d e n S c h u ld ig e n : B e g n a d ig u n g h ä tte n a c h s o lc h e r T h a t
k e i n e D e m u t h e r l a n g e n k ö n n e n , u n d f ü r d e n S to l z e n w ä r e
d a s s c h n ö d e L e b e n , a ls G e s c h e n k d a rg e b o te n , e in E k e l g e ­
w esen . E r s c h a l t u n d v e r h ö h n t e d ie T r i b u n e n , d i e V e r ­
s a m m l u n g f ü r c h t e t e i h n w ie i n d e n T a g e n s e i n e r M a c h t :
d ie v o n s e in e r F a c tio n z itte r te n fü r s ic h s e lb s t. E s w ar
n i c h t d e r W ille s e in e r A n k lä g e r d a s s d a s L e b e n d e s s e n
d e n G o tt g e z e ic h n e t h a tt e d e m H e n k e r v e rfa lle n s e y n s o lle :
s ie v e rs c h o b e n d e n G e r ic h ts ta g d a m it e r s e in H a u s b e ­
s te lle n , u n d s ic h d e r H in r ic h tu n g e n tz ie h e n m ö g e . D ie R e ­
lig io n d e r R ö m e r v e rd a m m te d e n S e lb s tm ö rd e r, u n d v e rs a g te
i h m e h r l i c h e s B e g r ä b n i s s u n d T o d t e n f e y e r 614) : d a h e r g e ­
s t a n d e n w e n i g s t e n s d ie N a c h k o m m e n n i c h t d a s s A p p i u s
f r e y w i l l i g s e i n L e b e n g e e n d i g t h a b e , w e lc h e s d ie G r i e c h e n
n a c h i h r e r S i t t e g a r n i c h t i n Z w e if e l z o g e n 16) : h a t i h n
n i c h t w ü r k l i c h e in e r w ü n s c h t e s S c h i c k s a l b e f r e y t , s o h a t
260 d ie r a s c h e T h a t v e r b o r g e n w e r d e n k ö n n e n , d a s e i n e L e ic h e

б*4) Festus im Ausz. 8. v . ca m ificis loco, und Scaligere Anm.


— Der Selbstmörder ward unehrlich geachtet, gleich dem Büttel.
iß) Dionysius IX. 54. p. 610. c. Zonaras П. p. 26. b.
Lirius aber sagt, morbo m oritur .
— 208 — [b a n d ir.]

m it d e n h e rk ö m m lic h e n E h r e n b e s ta tte t w a r d , oh n e d ass


d ie G e d â c h t n i s s r e d é g e h in d e rt* w ä r e .
I n d e m s e l b e n J a h r e m p f a h l d e r C o n s u l T i b . A e m iliu s
i m S e n a t v e r g e b e n s d ie V o l l z i e h u n g d e s A c k e r g e s e z e s 5^ ) ;
e b e n s o f r u c h t l o s f o r d e r t e n d ie T r i b u n e n s ie i m f o lg e n d e n ,
2 8 5 . E in e n s c h w e re n A u s b r u c h d e r E r b itte r u n g h in d e rte n
d i e K r i e g s l ä u f t e : s ie m ü s s t e a b e r b i s z u r ä u s s e r s t e n V e r ­
b l e n d u n g g e s t i e g e n s e y n , w e n n e s G r u n d h ä t t e d a s s d ie
P l e b e j e r a n d e r C o n s u l w a h l f ü r 2.86 T h e i l z u n e h m e n s ic h
g e w e i g e r t , d a h e r d ie P a t r i c i e r d u r c h i h r e C l i e n t e n z u d e r
S te lle e r n a n n t h ä tte n d e re n V e rle ih u n g d e n C e n tu rie n fre y ­
s t a n d . B e n n d ie s , o d e r d a s s d ie P a t r i c i e r s i c h w i e d e r d ie
E r n e n n u n g a u c h d e r z w e y t e n S t e l l e a n g e m a a s s t h ä t t e n , is t
d e r S i n n v o n L i v i u s B e r i c h t 17) : d o m d o c h w a h r s c h e i n l i c h
n u r d ie E r w ä h n u n g zu m G ru n d e lie g t d a ss d e r v o n den
C u rie n e r n a n n te C o n su l a u c h d ie s e s m a l e in e S c h e in b e s tä ti­
g u n g d u r c h d ie C l i e n t e n e r h a l t e n h a b e , w e il d ie P l e b e j e r
s i e v e r w e i g e r t h ä t t e n 18) : s o n s t w ü r d e n s i c h d ie s e a u s ü b le r
L a u n e s e lb s t g e z ü c h tig t h a b e n . E i n ^ g l ä n z e n d e r F e ld z u g ,
d i e T J e b e r g a b e v o n A n t i u m , s t i m m t e d ie G e m ü t h e r v e r s ö h n ­
l i c h e r : T i b - A e m i l i u s , f ü r 2 8 7 w i e d e r e r w ä h l t , m a h n t e w ie - m
d e r h o l f u m d a s c a s s is c h e G e se z , u n d v ie lle ic h t n ic h t f r u c h t­
lo s . Z w a r d ie C o lo n ie n a c h A n t i u m h a l f d e n K l a g e n d e r
G e m e in d e n i c h t a b : v ie lm e h r k o n n te n s ie n u r n o c h m e h r
d u r c h e i n e M a a s r e g o l g e r e i z t w e r d e n w e l c h e n u r f ü r d ie
B ü r g e r s c h a f t s o r g t e ; d e n n o b w o h l d ie d r e y h u n d e r t G e ­
s c h l e c h t e r n i c h t m e h r v o l l z ä h l i g w a r e n , so d a s s , w ie u r ­
s p r ü n g l i c h , v o n j e d e m e i n M a n n in d ie C o lo n ie g e z o g e n
w ä r e , s o s i n d d o c h g e w i s s n o c h z e h n a u s j e d e r C u rie , u n d
n ie m a n d w e r s ic h n ic h t in e in e r b e fa n d , n a c h A n tiu m g e ­
s a n d t 19) ; u n d d ie C o lo n ie s c h ü z t e u n z w e i f e l h a f t e in v o n

616) Vgl. Livius III. 1. mit Dionysius lang ausgesponnener


Erzählung IX. 51. p. 60G. o. ff. wo dio Einmischung des Colle­
gen L. Valerius freylich wenig Glauben finden kann.
17] P e r P a ir e s clieniesque P a tru m com ules créatif Livius II. 64.
Aber der eine von den ernannten Consuln ist T. Quinctius, der
populäre- vom Jahr 283: und Dionysius, bey dem Ereignisse
dieser Art, obwohl nach seiner Ansicht aufgefasst, nie fehlen,
bemerkt gar nichts bey dieser Wahl. 18) [Th, 2.] Anm. 426.
19) Th. II. S. 55. Anm. 94.
[ b a n d II.] — 209 —
P a t r i c i e r n i n B e s i z g e n o m m e n e s G e m e i n la n d . A uch 312
f o r d e r t e n d ie T r i b u n e n n a c h d e r G r ü n d u n g d e r C o lo n ie
A r d e a e in e A c k e r t h e i l u n g . A h e r d a ss w ä h re n d d e r fü u f
u n d z w a n z ig J a h r e , w e lc h e d a m a ls s e it A e m iliu s z w e y te m
C o n s u l a t v e r f lo s s e n w a r e n , d i e a g r a r i s c h e n F o r d e r u n g e n v e r ­
s t u m m t s i n d 520), w e l c h e s e i t C a s s iu s T o d e , d ie Z e i t d e r v e -
je n tis c h e n K r ie g s n o th a u s g e n o m m e n , J a h r fü r J a h r s ic h
e r n e u e r t h a t t e n , k a n n , w o f e r n n i c h t d ie h a l d h e r n a c h e i n ­
g e b ro c h e n e U n g lü c k s z e it d a s F e l d , u m w e lc h e s b e y d e
S tä n d e s t r itt e n , d e r R e p u b lik v ö llig e n tris s e n h a t, n u r d a ­
d u r c h e r k l ä r t w e r d e n d a s s j e n e r C o n s u l, z w a r n i c h t d ie
re d lic h e A u s f ü h r u n g d e s G e s e z e s , a b e r d o c h ir g e n d e in
le i d l i c h e s A b k o m m e n f ü r d ie G e m e i n d e e r l a n g t h ä t t e .
A u c h D io h a t t e i n d i e s e m Z e i t r a u m d ie a n n a l i s t i s c h e
O r d n u n g v e r la s s e n , u n d d ie in n e r e n B e w e g u n g e n n o c h
262 m e h r e r e r J a h r e z u s a m m e n g e f a s s t ; d a h e r w ü r d e e s , w e n n
a u c h s e in B e r ic h t v o lls tä n d ig e r h a lte n w ä re , n ic h t g e w is s
s e y n d a s s e r b e s t i m m t d e r M e y n u n g g e w e s e n , d ie B e f u g ­
n i s s s i c h ü b e r e i n e d u r c h d ie C o n s u ln a u s g e s p r o c h e n e
M u l t a a n d ie B ü r g e r s c h a f t z u b e r u f e n s e y g l e i c h z e i t i g m i t
d e n p u b l i l i s c h e n G e s e z e n v e r f ü g t w o r d e n 21). U n z w e i f e l h a f t
a b e r i s t e s d a s s e r d ie s e s R e c h t a u f d ie P le b e je r b e z o g ;
i r r i g : d e n n d ie s e k o n n te n g e w is s v o n d e m P o p u lu s a ls
S ta n d k e in e n G lim p f u n d S c h u z e r w a r te n ; u n d d e r e rs te
S c h r i t t u m s ie g e g e n M i s b r a u c h d e r h o h e n o b r i g k e i t l i c h e n
G e w a lt z u s c h ü z e n m u s s te s e y n d e n B r ä c h te n M a a s s u n d
Z i e l z u s e z e n , w e l c h e s e r s t d u r c h d ie C o n s u ln T a r p e i u s u n d
A te rn iu s g e sc h a h . F ü r d ie P a t r i c i e r b e s t a n d d a s s c h o n

620) Bey Livius durchaus: und wenn bey Dionysius ein ein­
ziges Mal, 299. (X. 35- p. 662. a.) neben den Rogationen über
die Gesezreform auch das agrarische Gesez wieder vorkommt, so
darf das nur für einen Zusaz gelten, womit er oder ein Annalist
vor ihm versäumtes zu ergänzen glaubten. 21) Zonaras II.
p. 26* c. xäv reg èn 7 аітса rcvt Tzaoà тшѵ атратуушѵ n pogrt-
fiw&fj, MxxXvjTov ётгі ro u ro ig rùv ovjfxov dtxaÇeiv Mrai; av. Die
ebendaselbst erwähnte Vermehrung der Zahl der Tribunen ist
wohl nicht die Verdoppelung, sondern die von zwey auf fünf,
welche nach Pisos Meynung Folge des publilischen Gesezes ge­
wesen wäre: Livius II. 58. Bestimmt nahm Dio erst spätere
Vergrösserung der anfänglichen Zahl eines Paarä an ; Zonaras II.
p. 22. g.
X iebuhr, Röm. Gesch. 14
— 210 — [b à n d и ,]

s e i t P u b l i c o l a s Z e i t e n 622) : a l s o i s t d i e s e n d a m a l s a ls V o r ­
r e c h t d ie s e lb e G e w ä h r w id e r u n b illig e G e ld s tr a f e n e r th e ilt
w o rd e n w e lc h e g e g e n L e ib e s s tr a f e n b e y d e n S tä n d e n in
d e r S ta d t, d e m e r s te n w o h l a u c h s c h o n im F e ld e , g e g e b e n
w a r , o b w o h l d e n P le b e je rn s c h le c h t g e h a lte n w a rd . D io
v e r g a s s d a s s d a s V o lk , a ls e s k e in e n p r iv i le g ir te n S ta n d
m e h r g a b , v o n d e m h o r t e n s i s c h e n G e s e z a n , d ie G e w a lt
d e r R e g i e r u n g f o r t s c h r e i t e n d m i n d e r t e , u n d d a s s d ie P a t r i ­
c i e r f ü r s i c h d ie n ä m l i c h e n U r s a c h e n h a t t e n d a r n a c h z u
s t r e b e n a l s s i e s e l b s t n o c h ü b e r i h r e V o r r e c h t e m i t d e r 2e*
G e m e in d e s tr itte n . So b e s c h rä n k te z u B a s e l d e r g ro sse
R a t h d ie M a c h t d e s k le in e n m it H ü lfe d e r B ü r g e r s c h a f t,
v e r e i n i g t e s i c h d a n n m i t j e n e m g e g e n d ie s e , u n d a l l e d r e y
G e w a l t e n w ü r d e n z u s a m m e n g e t r e t e n s e y n w e n n d ie L a n d ­
s c h a f t b e s s e r e R e c h te g e fo rd e rt h ä tte .
A ls tr ib u n ic is c h h ä tte e r h ie r d a s G esez a n fü h re n
s o lle n w e lc h e s d e n T r ib u n b e r e c h t ig te je d e n d e r s e in e V o r­
t r ä g e a n d i e G e m e i n d e s t ö r e v o r i h r G e r i c h t z u s te l le n ,
d e n s e lb e n z u n ö th ig e n s e in E r s c h e in e n so z u v e rb ü rg e n
w i e e r e s v o r s c h r e i b e : t h ä t e d e r A n g e k l a g t e d i e s n ic h t,
s o s o l l e s e i n L e b e n u n d s e i n E i g e n t h u m v e r f a l l e n s e y n 28).
I n d e r W ü r k l i c h k e i t w a r h i e r n a c h d ie S t r a f e a l l e m a l e in e
G e l d b u s s e , d a d e r A n g e k l a g t e n i c h t v e r h a f t e t w a r d ; a lle in
o h n e Z w e ife l l a u t e t e d ie K l a g e s o b a ld d a s V e rg e h en
s c h w e r w a r , w i e g e g e n C ä s o Q u in c tiu s , a u f d e n T o d , in d e m
d ie s e r d e m g e d r o h t w a r d e r s ic h n ic h t v e rb ü rg te .
D i e s e s G e s e z a) k a n n n i c h t ä l t e r s e y n a l s d a s p u b l i l i -
s c h e , v o r w e lc h e m ü b e ra ll k e in e s a u s e in e r R o g a tio n d e r
T r i b u n e n e n t s t e h e n k o n n t e : e s i s t e i n e n o t h w e n d i g e V o lle n - .
d u n g i h r e s R e c h t s , a lle s v o r d e r C o n c io z u v e r h a n d e l n . E s
w i r d e i n e m T r i b u n S p . I c i l i u s z u g e s c h r i e b e n 24) : d ie s e r
N a m e k o m m t s e lb f ü n fte u n te r d e n e rs te n v o r w e lc h e d u rc h
d i e T r i b u s e r w ä h l t w o r d e n 2б) : i c h z w e if le n i c h t d a s s e s
d e r n ä m l i c h e , u n d d a s G e s e z im J a h r 2 8 4 v e r o r d n e t i s t .
D i e A e d i l e n w e lc h e d a m a ls w a r e n w e r d e n a u c h g e n a n n t ,
S i c i n i u s u n d L . B r u t u s 2б) : i c h h a b e s c h o n w i e d e r h o l t b e m e r k t m

522) Zwey Schaafe und fünf Rinder : Plutarch P u b lic, p. 103. a.


23) Dionysius VII. 17. p. 431. e. <*)’Schwegler II. 397.
24) Dionysius VII. 14. p. 428. e. 25) Livius II. 58.
2e) Dionysius a. a. 0.
Jband п.] — 211 —

d a s s s o lc h e F e n n u n g e n V o rk o m m e n w o d ie A e m t e r v e r ä n ­
d e r t s i n d ; d a h e r l e s e n w i r i m J a h r 2 8 3 d ie N a m e n d e r
f ü n f T r i b u n e n : e s w a r d i e s e l b e V e r a n l a s s u n g d ie A e d i l e n
zvl n e n n e n ; d e r e n E i n m i s c h u n g i n d ie V e r h a n d l u n g ü b r i g e n s
« i n e s c h l e c h t e E r f i n d u n g s p ä t e r A n n a l i s t e n , w ie d i e g a n z e
E r z ä h lu n g in ih r e n H ä n d e n v e rd o rb e n is t. D o c h fin d e t s ic h
d a r i n n o c h e in e S p u r v o n d e r B e s t ä t i g u n g d e r R o g a t i o n
d u r c h d ie C u r ie n , w o d u r c h s ie G e s e z w a r d 627) . N a c h A p p i u s
T o d e w a r e n d ie G e m ü t h e r e i n g e s c h r e c k t : u n d d e r A u g e n ­
b lic k g ü n s tig .
W ie k la r n u n a u c h d e r Z u s a m m e n h a n g d ie s e s G e se z e s
m it je n e r Z e it v o r A u g e n l i e g t , is t e s d e n n o c h u m lh e h r
a l s z w a n z ig J a h r e z u h o c h h in a u f g e s e z t: f o r tg e s c h le p p t
d u r c h d i e S a g e v o n C o r i o l a n u s , in d e m d e r U r h e b e r d e s
G e s e z e s , I c iliu s , b e y d e r A n k la g e g e g e n i h n a ls A e d ilis
v o r k o m m t 28). I c h s e h e k e in e U rs a c h e d ie s e E r w ä h n u n g
z u v e r w e r f e n ; s ie g i l t m i r v i e l m e h r a l s e i n t r i f t i g e r G r u n d
C o r i o l a n u s V e r u r t h e i l u n g b e s t i m m t u m d ie M i t t e d e r a c h t ­
z ig e r J a h r e d es d r itte n J a h r h u n d e r ts z u ^ s e z e n , u n d d e r
S a g e , w e lc h e s i c h b e y i h r e r A u f n a h m e i n d ie C h r o n i k e n
u m s o m a n c h e s J a h r v e r i r r t h a t , e in e S t e l l e a n z u w e i s e n
w o s i e , a n s ta tt g e g e n E v id e n z u n d G la u b lic h k e it u n v e r­
e in b a r z u v e rs to s s e n , m it d e r ü b e rlie fe rte n G e s c h ic h te so
v o llk o m m e n ü b e r e i n s t i m m t w ie e s f ü r e i n e a u sg e b ild e te
s e s m ö g l i c h i s t , w o d e r h i s t o r i s c h e B e r i c h t e b e n so s p u r l o s
a u s d e n ä l t e s t e n A n n a l e n v e r t i l g t w a r w ie d e r v o n [d e r
H i n r i c h t u n g d e r n e u n V e r s c h w ö r e r : o b w o h l v o n C o r io la n u s
H a n d e l e in ig e E r w ä h n u n g a u c h in d e n R e c h ts b ü c h e r n ü b r ig
g e b lie b e n z u s e y n s c h e in t.
I c h w e r d e d ie s e S a g e , s o w e it i h r e ä c h t e n Z ü g e s i c h

627) In der Erwähnung des Vulcanal bey dem Vortrag an


das Volk: VII. 17. p. 431. c. — welcher Ort das Comitium und
die Vorträge an die Curien anging : von wo der Decemvir Appius
zu ihnen redet: Dionysius XI. 39. p. 719. b. Vgl. Th.*l. Anm»
1343. 28) Nach Sylburgs unzweifelhafter Emendation, VII. 26.
p. 438. b. In den Anzeichnungen der Rechtsbücher über diesen
Prozess werden, ausser diesem Icilius, L. Brutus und M. Decius
vorgekommen seyn, welche Dionysius, um die Erzählung von
der Secession zu beleben, auch bey derselben auftreten lässt.
Es konnte ja nicht fehlen, dachte er, dass die, welche zwey Jahr»
nachher im Amt stehen, damals sich bemerkt machten.
14*
— 212 — [b a n d i i .J

e n t d e c k e n l a s s e n , e r z ä h l e n ; d ie A u s b ild u n g * d e r R h e t o r i k ,
w e lc h e s ic h n ir g e n d s b r e ite r g e m a c h t h a t, s tills c h w e ig e n d
b e s e i t i g e n 529) ; d ie B e z i e h u n g e n a u f d ie u n z w e i f e l h a f t e G e ­
s c h ic h te d a r le g e n : w a s G e d ic h t is t, w a s n ic h t g e g rü n d e t
s e y n k a n n , b e z e ic h n e n .

D ie S ag e von C o r i o l a n u s * ) . “)

C n ä u s 30) M a r c i u s w a r m i t d e m L a g e r v o r C o r io li a ls
d i e V o l s k e r v o n A n t i u m k a m e n d ie S t a d t z u e n ts e z e n ..
W ä h r e n d s i e m i t d e n r ö m i s c h e n V ö l k e r n s t r i t t e n , fie le n
d i e ’B e l a g e r t e n 1 a u s d e r S t a d t : M a r c i u s w i d e r s t a n d d ie s e n ,
u n d d a s ie s ic h w a n d te n , d r a n g e r m it ih n e n d u rc h d a s
T h o r , u n d g e w a n n d e n O rt. D as Ja m m e rg e sc h re y der
W e h r l o s e n , u n d d ie a u f l o d e r n d e F l a m m e v e r k ü n d e t e d e n
H e e r e n d i e E n t s c h e i d u n g , u n d d ie A n t i a t e r w i c h e n v o n d e r
z w e c k lo s e n S c h la c h t. B e y d e S ie g e d e s n ä m l i c h e n T a g s
v e rd a n k te R om d e m C o r i o l a n u s ; w e l c h e n B e y n a m e n d ie
M e y n u n g d e r N a c h k o m m e n v o n je n e r E r o b e r u n g a b le ite te :
v o n d e r Z e it a n w a r s e in A n s e h e n g r o s s v o r d e m S e n a t
u n d d e n B ü r g e r n , a b e r s e in H o c h m u t h b e l e i d i g t e d ie G e ­
m e in d e . A l s e i n s t d ie T r i b u n e n d e n C o n s u ln g e w e h r t
h a t t e n K r ie g s v o lk a u s z u h e b e n , b o t e r s e in e e ig e n e n H ö rig e n
a u f , u n d l u d F r e y w i l l i g e e i n ; m i t d i e s e n f ie l e r i n d ie
L a n d s c h a f t d e r A n tia te r , g e w a n n g ro s se B e u te , u n d th e ilte

529) Durch diese ist Dionysius Erzählung unerträglich aus-


gesponnen, und das Schlechteste in seinem ganzen Werk: den­
noch hat er Wesentlichkeiten der alten Sage aufbewahrt welche
in Livius bündiger und vortrefflicher Schilderung fehlen. Plutarch
hat Dionysius nachgeschrieben; doch so dass er hinzugefügt was
sich noch sonst auftreiben liess. — Citationen sind hier nur an­
gemessen wo eine Darstellung Eigentümlichkeiten darbietet die
nicht junge Ausbildung sind. *) Zur Sage von Coriolanus
s. Vortr. ü. Röm. Gesch. Bd. I. S. 288. A. d. H. a) Schweg­
ler II. 349; Mommsen R. G. I. 280. und im Hermes 1869 S. 1;
Ihne R. G. 134; Nitzsch Röm. Annal. 56. 80) Ueber die
Verschiedenheit des Eigennamens s. Duker zu Florus I. 11, und
die I n tp p . zur Epitome des Livius II. Caius beruht im Grunde
allein auf Dionysius, denn Plutarch tritt nur in dessen Fuss-
etapfen; für Cnäus erklären sich, nebst Dio, überwiegend die
liviamschen Handschriften, und eigentlich ist es in den lateini­
schen Autoren bloss durch kritische Willkühr verdrängt.
[b a n d n.J — 213 —

s i e u n t e r s e i n G e f o lg e . S o f ü r c h t e t e n i h n d ie P l e b e j e r ,
u n d v e r w e i g e r t e n i h m d a s C o n s u l a t 531) : d a r ü b e r z ü r n t e e r
u n v e rs ö h n lic h .
D a rn a c h b e g a b e s s ic h d a ss H u n g e rs n o th h e r r s c h te :
v ie le v o n d e r G e m e in d e v e r k a u f te n s ic h m it ih r e n K in d e r n ,
a n d e r e s tü r z te n s ic h in d e n F lu s s , m a n c h e w a n d e r te n in
d ie F r e m d e : d ie G e s c h l e c h t e r l i t t e n n i c h t , u n d v e r s o r g t e n
a u c h ih r e H ö rig e n . E n d l i c h k a m G e tr e id e ü b e r d a s M e e r
a u s S i c i l i e n ; e in T h e i l g e k a u f t , e in T h e i l G a b e d e s g r i e ­
c h i s c h e n K ö n i g s : d a r a t h s c h l a g t e n s ie im S e n a t o b e s d e r
267 G e m e i n d e u m s o n s t g e r e i c h t , o d e r v e r k a u f t w e r d e n s o l l e :
C o r io la n u s r i e t h d ie V o r r ä t h e v e r s c h l o s s e n z u h a l t e n , w o ­
f e r n s ie n i c h t d e m T r i b u n a t e n t s a g t e n . D a s w a rd la u t,
u n d d e r G r im m d e s V o lk s e n t b r a n n t e : d e r S c h u l d i g e w ä r e
z e r r i s s e n w o r d e n , w e n n d ie T r i b u n e n i h n n i c h t v o r d a s
G e r i c h t d e r T r i b u s g e l a d e n h ä t t e n ; so w a r e r f r e y u n t e r
d em g e m e in e n F r ie d e n b is z u m d r itte n M a r k tta g . E r s e lb s t
t r o z t e u n d h ö h n t e : V e t t e r n u n d B l u t s f r e u n d e f le h te n u m
s e in e B e g n a d ig u n g : m a n c h e r lie s s s e in H e r z e rw e ic h e n ,
m a n c h e n j a m m e r t e n d ie r i t t e r l i c h e n T h a t e n : n e u n T r i b u s
e r l i e s s e n d ie S t r a f e , z w ö lf s p r a c h e n d ie V e r u r t h e i l u n g a u s .
C o r io la n u s w a n d t e s i c h n a c h A n t i u m , z u s e in e m G a s t -
f r e u n d , A ttiu s T u lliu s , d e m K ö n ig d e r V o ls k e r, u m d o rt
a l s M u n i c e p s im E x i l i u m z u l e b e n . E r v e rh ie s s ih n e n
s e i n e n A r m g e g e n d ie E ö m e r , u n d s ie v e r l i e h e n i h m d ie
h ö c h s t e n B ü r g e r r e c h t e , S iz im R a t h j e d e r S t a d t 82) , u n d
e rn a n n te n ih n z u m F e ld h e rrn . Z u e rs t e rs c h ie n e r v o r
C i r c e j i : d ie T y r r h e n e r ö f f n e te n i h r e T h o r e , d ie r ö m i s c h e n
C o lo n e n m u s s t e n w e i c h e n : V o l s k e r n a h m e n i h r e S t e l l e n
e i n , d ie E i n h e i m i s c h e n b l i e b e n u n b e e i n t r ä c h t i g t 33). Im
n ä c h s t e n F e l d z u g ü b e r z o g e r d ie l a t i n i s c h e n O r t e z w is c h e n
d e r S e e u n d d e r n a c h m a lig e n a p p is c h e n S tr a s s e : S a tric u m ,
L o n g u l a , P o l u s c a , C o rio li, M u g i l l a : j e d e S t a d t v o r d e r e r
e rs c h ie n w a rd ü b e rw ä ltig t, o d e r e rg a b s ic h : a u c h L a v in iu m ,

631) e rrp a T T jy v ja a t a n eu d eo v x a l fiy r s À e a â e t ç , Zonaras II.


p. 24. c. Dio exc. de sent. p. 147. c. — Piutarch Goriol.
p. 119. f. seq. 32) ß o u X y j g f i s r o u a t a v è v & каау n ô À e i , x a l
à p % à ç è Ç e ïv a i 7 іа ѵ т а % 0 < г е f i e n é v a i } x a l тш ѵ ä X X c jv Ь к б о а

r a r a 9 jv п а р ' ê a u r o ïç ß e T é% £tv. Dionysius VIII. 9. p. 4S7. d-


33) S. 123. Anm. 224.
#

— 214 — [b a n d i i . ]

d ie h e ilig e S ta d t d e r L a tin e r. D a n n f ü h r te e r s e in H e e r
g e g e n d ie S tä d te a n d e r L a t i n a , a u f d e n Q u e e rw e g e n 26s
w e lc h e s ie n a c h h e r m it d e r A p p ia v e r b a n d e n , u n d d a s
l a t i n i s c h e L a n d d u r c h s c h n e i d e n 584) : d o r t f ie le n C o rb io , V i -
t- e llia , T r e b i a , L a v i c i , P e d u m v o r s e i n e n W a f f e n 35) : d a s
g e s a m m t e L a t i u m s c h l o s s s i c h i h m a n 8б) . ^ D a w a r e n d ie
R ö m e r o h n e e in ig e n G e n o ss e n in d e r w e ite n W e l t , u n d
u n te r s ic h v o ll A rg w o h n u n d Z o rn , n e b e n d e m a lte n H a d e r;
d i e P a t r e s w a r f e n d e n P l e b e j e r n v o r , d a s s s ie C o r io la n u s
g e z w u n g e n h ä t t e n d e m V a t e r l a n d f e i n d z u w e r d e n , d ie
P l e b e j e r j e n e n d a s s s ie i h m V o r s c h u b t h a t e n u n d v e 'r-
rie th e n . E r n a h m s e i n L a g e r w o d ie M a r r a n a d ie l a t i n i -
s c h e S tr a s s e d u r c h s c h n e id e t , f ü n f M illie n v o n d e r P o r ta
C a p e n a 37) , w o d i e H o r a t i e r m i t d e n C u r i a t i e r n g e k ä m p f t
h a t t e n , w o d e r U m g a n g d e r A m b a r v a l i e n g e h a l t e n w a r d 88). 269
I n n e r h a lb d ie s e r a lte n in a u g u r ir te n G rä n z e v o n R om u n d
A lb a l a g d a s L a n d e ig e n th u m s e in e r S fca n d e sg e n o sse n : je n ­
s e i t s d e r s e l b e n h a t t e e r d ie H ö f e d e r P l e b e j e r n i e d e r b r e n ­
n e n l a s s e n , d i e p a t r i c i s c h e n g e s c h ü z t . D e m P ,o p u lu s h a t t e
e r n o c h n ic h t a b g e s a g t.
E s w a r u n m ö g l i c h e in H e e r g e g e n i h n z u b i l d e n : d ie
P l e b e j e r s c h r i e e n l a u t , m a n w o lle s ie n u r d e m L a n d e s f e i n d

534) Das ist einfach die Bedeutung von t r a m v e r s i l i m i t e s


oder t r a m i t e e . S6) Ueber die Unvereinbarkeit der Berichte
Ъеу Dionysius und Livius s. [Th. 2.] Anm. 198» S. 108. In
jenem scheint die Anordnung von der äquischen Gränze zu be­
ginnen, sie geht gegen Rom in der Richtung der Via Latina,
dann von dieser ab über Bovillä auf Lavinium : darnach folgen
die Orte südlich von der Appia. Ich habe Livius zu folgen ge­
wählt, wo Antium als Mittelpunkt gedacht ist : nur lautet es bey
ihm als ob Satricum und die vier folgenden Städte an der La­
tina gelegen hätten. Es ist möglich dass er selbst die Lage
dieser längst zerstörten Orte nicht gekannt hat: allein seine älte­
ren Vorgänger konnten sich darüber nicht irren; und da sich
nicht einsehen lässt weshalb er von ihnen abgewichen seyn sollte,
so scheint es fast ausgemacht dass die Worte i n L a t i n a m v i a m
t r a n s v e r s i s t r a m i t i b u s t r a n s g r e s s u s — versezt, und zwischen d e i n -

c e p s und C o r b i o n e m einzuschieben wären. Wenigstens muss man


die Erzählung verstehen als ob sie so geschrieben wäre.
36) Zonaras II. p. 24. e. x a l r o b ç A a r f a o u g 7 г р о д е і Х у ) ф 6 т е д .
37) a d f o s s a e C l u i l i a s q u i n q u e a b u r b e m i l i a p a s s u u m : etwa fünfte-
halb Millien von der Porta S. Giovanni. *8) Th. I. S. 385*
[ВА2ШП.] — 215 —

ü b e r lie f e r n : e b e n so w e n ig h ie lte n r e d lic h e B ü r g e r d e n


w e itlä u ftig e n U m fa n g d e r S ta d t g e g e n tre u lo s e O e ffn u n g
e i n e r P f o r t e s i c h e r 589) . D e r S e n a t b e s c h l o s s , d ie C u r ie n
b e s t ä t i g t e n , s e i n e H e r s t e l l u n g a l s r ö m i s c h e r B ü r g e r 40) :
d ie Z u s t i m m u n g çier G e m e i n d e f e h l t e n i c h t : w ie s t r e n g
i m m e r d a s e r w a r t e t e G e r i c h t s e y n m o c h t e , d ie m e i s t e n
v o n d e r M e n g e k o n n te n h o ffe n ih m z u e n tg e h e n , a h e r d a s
S c h ic k s a l e in e r m it d e m S c h w e rd t g e w o n n e n e n S ta d t d ro h te
a u c h d e m G e r i n g s t e n . F ü n f C o n s u la r e ü b e r b r a c h t e n d e n
B e s c h lu s s . D o c h C o r io la n u s d a c h t e n i c h t a n s i c h a l l e i n .
E r f o r d e r t e f ü r d ie Y o l s k e r Z u r ü c k g a b e d e r i h n e n e n t r i s ­
s e n e n L a n d s c h a fte n , u n d A b r u fu n g d e r d o rt a n g e s ie d e lte n
S70 C o lo n e n , B ü n d n i s s u n d M u n i c i p i u m 41). S ic h z u e n t s c h l i e s s e n
g e s t a t t e t e e r d e n R ö m e r n d ie f e t i a l i s c h e n F r i s t e n v o n
d r e y s s i g u n d d r e y T a g e n 42) : w a r e n d ie s e v e r l a u f e n , o h n e
d a s s d ie F o r d e r u n g g e w ä h r t w a r , so l a g e s i n s e i n e r B r u s t
s i c h z u e n t s c h e i d e n ; w ie , w e n n e i n S t a a t F e t i a l e n a u s g e ­
s a n d t h a t t e , a l s d a n n d ie A l t e n i m S e n a t R a t h p f lo g e n , o h
s ie d a s U n r e c h t s o f o r t a h n d e n , o d e r n o c h L a n g m u t h ü b e n
w o l l t e n 43) . •
D i e F o r d e r u n g i s t , w i e d ie F o l g e z e i g e n w i r d , n i c h t s
a n d e r s a l s e b e n d a s O p f e r w o d u r c h R o m im J a h r 2 9 5 d e n
F r i e d e n m i t d e n Y o l s k e r n z u e r k a u f e n d ie W e i s h e i t h a t t e :
e s i s t u n m ö g lic h s ic h d e s U n w ille n s g e g e n D io n y s iu s u n d .
ä h n lic h e R h e to r e n z u e r w e h re n w e lc h e , ü b e r z e u g t d a s s
R o m n u r d ie s e B e d i n g u n g e n d u r c h e r n i e d r i g e n d e s B e t t e l n
a b z u w e n d e n g e s tr e b t h a b e , in d er H a rtn ä c k ig k e it E ro b e -

639) Die Erzählungen von der Ungeduld der Gemeinde den


Krieg durch Coriolanus Zurückberufung los zu werden, beruhen
theils auf dem Gemeinplatz von der Trozigkeit und Yerzagtheit
der einfältigen Menge, theils auf Verwechslung des 7z X y j & o g mit
dem d v j f i o g . Die д ц / і о т с х о с welche drohen, wenn der Senat Co­
riolanus nicht zurückberufe, so würden sie es thun ohne ein
7z p o ß o u X B u j x a abzuwarten (Dionysius VIII. 22. p. 497. b.) sind
eben die Bürger, können die Gemeinde nicht seyn. 40) ^
y e p o u a t a x à ü o d o v r w K o p t o X a v w è ( p r j < p t a a r o \ Zonaras II. p. 24. e:

vrobey die zur Herstellung des Bürgerrechts ganz unentbehrliche


Bestätigung der Curien nur übergangen ist. 41) [Th. 2.]
Anm. 206. 42) Die erste, Dionysius VIII. 35. p. 508. d.
die zweyte 37. p. 510. a. 48) de istis rebus m aiores n atu
dom i consulemus.
— 216 — [b a n d п .]

r a n g e n n i c h t a u f z u g e b e n s o g a r G r o s s a r t i g k e i t s e h e n ; d ie
e i n v e r s t ä n d i g e r B e u r t h e i l e r n i c h t e i n m a l d a n n d a r i n f in d e n
w ü r d e , w e n n s ie m it d em E n ts c h lu s s lie b e r u m z u k o m m e n
v e r b u n d e n w ä r e . E b e n so w e n i g h ä t t e C o r i o l a n u s v o n d e r
N a c h w e lt a ls e in g e r e c h te r u n d h e ilig e r M a n n g e fe y e rt
w e r d e n k ö n n e n 544) , w e il e r s i c h b e w e g e n l a s s e n a n d e m
V o l k w e l c h e s i h n a u f g e n o m m e n u n t r e u z u w e r d e n , in d e m
e r d ie E ö m e r m it E r f ü llu n g e in e r b illig e n F o r d e r u n g v e r­
s c h o n t e ; s i e h ä t t e n a l l e n f a l l s d e m g u t e n G lü c k d e r S t a d t
danken m ögen. A lle in es w a r e in g a n z a n d e r e s U n g lü c k
w e l c h e s d r o h t e : e i n s o l c h e s d a s s d ie R e p u b l i k o h n e S c h m a c h
d e m v e r f e i n d e t e n S o h n f u s s f ä l l i g f le h e n k o n n t e e s n i c h t 271
ü b e r s i e z u b r i n g e n : d ie G e s c h i c h t e h a t e s , g e f l i s s e n t l i c h
o d e r z u f ä llig , v e rs c h w ie g e n . D a s g rö s s te , n a c h fe in d lic h e r
g e w a l t s a m e r E i n n a h m e , w a r d ie s i e g e n d e R ü c k k e h r d e r
a u s e i n e r f r e y e n S t a d t V e r b a n n t e n , w e lc h e i h r v e r ä u s s e r t e s
E i g e n t h u m , u n d R a c h e a l s e in g e b ü h r e n d e s R e c h t f o r ­
d e rte n . D ie a lle rm e is te n w a re n in la n g jä h rig e m ä u ss e rste m
E le n d z u w a h r e n B a n d ite n g e w o rd e n , d e re n B e n e n n u n g
a u s s o lc h e m S c h la g e n ts ta n d e n i s t : w e s h a lb s ie a u s g e s to s -
s e n w o r d e n , w a r v e r g e s s e n : d e r G h i b e l l i n u n d d e r B ia n c o
s ta n d e n u n t e r d e n s e lb e n F a h n e n ; u n d d e r la n d flü c h tig e ,
S c h u ld n e r o d e r V e rb re c h e r w a rd n ic h t v e rs c h m ä h t w en n
e r rü s tig w a r. D a s s R o m d a m a l s v ie le V e r b a n n t e z ä h l t e
z e ig t d a s A b e n th e u e r des A p . H e rd o n iu s : S ö h n e d e r T a r-
q u in is c h e n , v e rw e g e n e P a tric ie r u n d P le b e je r, b u n t g e ­
m is c h t. F ü r d ie s e U n g l ü e k s g e f ä h r t e n f o r d e r t e C o r io la n u s
H e r s t e l l u n g w i e f ü r s ic h s e l b s t : d a s i s t so u n z w e i f e l h a f t
g e w i s s a l s o b e s v o n a lle n Z e u g e n b e r i c h t e t w ü r d e . E i n e
s c h r e c k l i c h e F o r d e r u n g f ü r A lle i n d e r S t a d t , d ie n i c h t
Z e r s tö r u n g w ü n s c h te n , o h n e U n te rs c h ie d d e r P a rth e y ;
w a r m e A n h ä n g e r , d ie i h m , w e n n S e n a t u n d C u r ie n in
i h r e m A n s e h e n e r h a l t e n , d ie p l e b e j i s c h e n F r e y h e i t e n v e r ­
tilg t w ä re n , k ö n i g l i c h e G e w a lt g e r n ü b e r t r a g e n haben
w ü rd e n , h ä t t e n ih n n u r m it Z itte r n a ls H a u p t e in e r B a n d e
e i n z i e h e n s e h e n k ö n n e n , d ie m i t g l e i c h e r V e r a c h t u n g a u f
B ü r g e r s c h a f t u n d G e m e i n d e b l i c k t e ; d ie s i c h , w e n n e r s e i n

^44) a ô e r a t x a l u fiv e iz a t i n x a l vu u w ç îs p à ç x a l â c x a io g

à v y p rsv ö ß E v o g . Dionysius VIII. 62. p. 530. c.


[b a n d II.] — 217 —
L e b e n w a g e n w o llte , n ic h t v o n M is s e th a te n h ä t t e z u r ü c k ­
h a l t e n l a s s e n w ie R o m b e s t i m m t w a r s ie v o n d e n S c h a a r e n
272 d e s M a r i u s u n d C in n a z u e r l e i d e n . S ie w a r e n a b e r s e i n
Y o lk g e w o r d e n : w ie k o n n t e e r s i c h v o n i h n e n t r e n n e n ?
I h n z u E r b a r m e n z u b e w e g e n k a m e n d ie z e h n E r s t e n
d e s S e n a t s , a l s d ie d r e y s s i g t ä g i g e F r i s t u m w a r , v o r s e i n
T r ib u n a l. S ie w u r d e n m i t B e d r o h u n g e n f o r t g e s a n d t w e n n
s ie w ie d e rk ä m e n o h n e u n b e d in g te U n te rw e rfu n g z u b r in g e n .
A m f o l g e n d e n T a g e e r s c h i e n e n d i e F l a m i n e s , d ie P o n t i ­
f i c e s , d ie A u g u r n , a lle a n d r e P r i e s t e r c o l l e g i e n , i m O r n a t
i h r e r A e m t e r : a u c h s ie f l e h t e n v e r g e b e n s im N a m e n v o n
A lle m w a s i h n e n u n d i h m h e i l i g w a r . W enn n u n am
d r i t t e n T a g d ie S o n n e u n t e r g i n g o h n e d a s s e r s e i n e n S i n n
g e ä n d e r t h a t t e 545), so f ü h r t e e r a m f o l g e n d e n M o r g e n s e i n
H e e r ü b e r d ie n o c h n i c h t b e t r e t e n e G r ä n z e , g e g e n d ie
h ü lf l o s e u n d v e r r a t h e n e S t a d t .
D a w a r d R o m z u m z w e y t e n m a l d u r c h d ie F r a u e n g e ­
r e t t e t . A l s d ie l e z te G e s a n d t s c h a f t d e r R e p u b l i k z o g e n d ie
e d e l s t e n M a t r o n e n , g e f ü h r t v o n C o r io la n u s b e t a g t e r M u t t e r
Y e t u r i a u n d s e i n e m E h e g e m a h l Y o lu m n ia , i h r e K i n d l e i n a n
d e r H a n d , in s e in L a g e r. I h r e W e h k la g e n , d e r M u tte r
g e d ro h te r F lu c h , b e u g te n s e in e n S in n : e r e n ts a g te d e r
H e i m k e h r , d ie e r d e n G e n o s s e n n i c h t g e w ä h r e n k o n n t e .
M u tte r, s p ra c h e r u n te r h e is s e n T h r ä n e n , d u h a s t g e w ä h lt
z w i s c h e n R o m u n d d e m e i g e n e n S o h n 46) : m ic h s i e h s t d u
n i m m e r w i e d e r : m ö g e n s ie e s d i r d a n k e n ! — A l s d ie
F r a u e n g e s c h ie d e n w a re n b ra c h e r a u f u n d e n tlie s s d as
273 H e e r . E r l e b t e u n t e r d e n Y o l s k e r n b i s z u e in e m h o h e n
A lte r - , m a n h a t i h n o f t k l a g e n h ö r e n , e r s t d e r G r e i s f ü h le
w ie e l e n d d a s L e b e n i n d e r F r e m d e s e y 47). A ls i h n d e r
T o d e r l ö s s t h a t t e , h a b e n d ie M a t r o n e n e in g a n z e s J a h r
u m i h n L e i d g e t r a g e n w ie u m B r u t u s u n d P u b l i c o l a 48) :
d ie N a c h w e l t h a t i h n a l s e i n e n h e i l i g e n u n d g e r e c h t e n

ß45) Et* entlässt die Frauen ènec п ер: duatv rjXiou Dio­
nysius VIII. 54- p. 524-. с. 46) cru fxev à v r 5 è/іой туи na-
Tptda £%e, дтс 1 уЫ Х^аад. Zonaras II. p. 25. с.
t o u t

47) Livius II. 40. nach Fabius. — Zonaras II. p. 25. ѳ. nach Dio
exc. de sent. p. 150. — T u pro vera i si come sa d i sale 1 1 p a n e
altru i, e com1 è duro calle L o scender e4 salir p e r V altrui scale.
48) Dionysius VIII. 62. p. 530. b.
— 218 — [b a n d п . )

M a n n g e e h r t 549), u n d b i l l i g : e r h a t d ie S c h u l d s e i n e r J u ­
g e n d ta u s e n d f a c h v e rs ö h n t.
D a s s C o r io la n u s u n t e r d e n V o l s k e r n i n F r i e d e n l e b t e
u n d s t a r b , b e fre m d e te k e in e n so la n g e d e r G la u b e h e r r s c h te
s ie h ä tte n ih m d e n ru h m v o lle n F r ie d e n v e r d a n k t d u rc h
d e n A n t i u m i h n e n z u r ü c k g e g e b e n w a r d , e b e n w ie d ie E r ­
o b e r u n g d e r l a t i n i s c h e n S t ä d t e : j a , w e n n e s e i n e n Z w e ife l,
z u l i e s s e d a s s d ie S a g e a u c h d ie D e m ü f c h ig u n g d e s F r ie d e n »
a ls W e r k d e s R ö m e rs d a r s te l lte , s e in e T u g e n d e b e n d a ­
d u r c h e r h ö h t e d a s s e r d e n e n d ie i h n a u f g e n o m m e n h a t t e n
T r e u e h i e l t , s ic h s e lb s t a u f o p f e r te , so w ü rd e je n e E r z ä h ­
lu n g e s d a rth u n . E r s t s e h r s p ä t, a ls d e r F r ie d e v o n 2 95
in Y e r g e s s e n h e it g e b r a c h t w a r , k o n n te d e r W a b n a u f-
k o m m e n d a s s C o r io la n u s d e m F l e h e n d e r F r a u e n d ie F o r ­
d e r u n g f ü r d ie Y o l s k e r a u f g e o p f e r t h a b e ; u n d n u n h i e l t
m a n e s f ü r u n m ö g lic h d a s s e r u n te r d e n e rz ü rn te n F re m ­
d e n d a s L e b e n g e b o rg e n h ä tte ; m a n e rd ic h te te a u f v e r­
s c h i e d e n e W e i s e w ie e r u m g e k o m m e n s e y 50). Ä n d e r n fie l
e s a u f d a s s d ie F o l g s a m k e i t d e r Y o l s k e r f ü r d e n F r e m d e n , 27*
d e r i h n e n d e n K r i e g a u f z u g e b e n g e b o t e n , v ö l l i g e b e n so
u n g l a u b l i c h s e y : d a ü b e r t r u g m a n a u f i h n d ie F a b e l v o n
T h e m i s t o k l e s f r e y w i l l i g e m T o d e 61) , w ie h e r o d o t e i s c h e i n
d ie v o n d e n ta r q u in is c h e n Z e ite n g e m is c h t s in d .
C ic e r o , d u r c h d e n a l l e i n d ie s e G e s t a l t d e r E r z ä h l u n g b e ­
k a n n t is t, s a g t v o n ih re m H e ld e n n u r d a s s e r a n d e m sc h w e re n
v o l s k i s c h e n K r i e g e T h e i l g e n o m m e n 52) : s o m o c h te e r n o c h
z u A r p i n u m r e d e n g e h ö r t h a b e n : a l l e i n d ie r ö m i s c h e S a g e
b e t r a c h t e t e j e n e n K r i e g a l s u n t e r C o r io la n u s e i g e n e n A u -
s p i c i e n g e g e n d ie L a t i n e r g e f ü h r t , d e n R ö m e r n , w ie d ie
fe tia lis c h e n F r is te n z e ig e n , n u r n o c h g e d ro h t, u n d a b g e ­
w a n d t : i h n m i t s e in e m G e f o lg e a l s e i n e M a c h t , a n w e lc h e
d i e Y o l s k e r s i c h , w ie a n e i n e n S t a a t , a n g e s c h l o s s e n h ä t t e n .
G e w is s d a c h te s ie ih n n ic h t a lle in a u s g e w a n d e r t, so n d e rn
b e g l e i t e t v o n d e n S c h a a r e n d ie i h m a u f d e m e i g e n m ä c h t i -

549) [Th. 2.] Anm. 544- Wie eelbet die Guelfen Farinata
degli Uberti verehrten. 60) in vidia rei oppre&mm periisse
tr a d u n t , a lii alio leto. Livius a. a. 0. 61) Cicere B ru t. 10.
(42.) conatum iracun diae m a e morte aedavit . б3) Das. bel­
lu m Volscorum gravissim um , cui Coriolanus in terfu it.
[b a n d п .] — 219 —
g e n Z u g g e g e n A n tiu m g e f o lg t w a r e n ; u n d d ie s e n ic h t
s c h w ä c h e r a l s d ie d e r F a b i e r . D as m ag seh r fre y g e ­
d i c h t e t s e y n , d a h e r m u s s a u c h d ie g a n z e E r z ä h l u n g a u s s e r ­
h a l b d e r G e s c h i c h t e b l e i b e n : h a t d ie S a g e v o n C a m illu s
i n e i n z e l n e n T h e i l e n d ie h i s t o r i s c h e U e b e r l i e f e r u n g e r s t i c k t
so i s t d a s h ie r in ih re m g a n z e n U m fa n g g e s c h e h e n : so s e h r
d a s s k a u m d ie S t e l l e w e lc h e s ie e i n n a h m e n t d e c k t w e r d e n
m ag» S o g a r d ie K l ä n g e d e r S a g e k ö n n e n l e i c h t m i t d e n
M is tö n e n d e r A n n a lis te n v e rw e c h s e lt w e rd e n . C n. M a rc iu s
K a m p f v o r e i n e r S t a d t d ie e r a l l e i n e r o b e r t , i s t d e r G e -
27» d a n k e e in e s H e l d e n l i e d s : d a s s d i e s e s a u c h C o r io li g e n a n n t
h a tte d a r f f ü r u n s ic h e r g e lte n : w e n ig s te n s k a n n e s s ic h
m it s e in e m B e y n a m e n n ic h t a n d e r s v e r h a lte n a ls m it ä h n ­
l i c h e n d ie v o n l a t i n i s c h e n S t ä d t e n h e r g e l e i t e t s i n d 558) . I c h
h a b e s c h o n b e m e r k t d a s s d ie g a n z e E r z ä h l u n g w ie K o r n
in d e r H u n g e rs n o th a n g e s c h a f ft w o rd e n , n a c h d e r A n n a ­
lis te n s c h le c h te r S itte , v o m J a h r 3 4 4 ü b e r tr a g e n s e y n m a g ,
a ls o a u c h d ie E r w ä h n u n g d e s G e s c h e n k s e in e s s i k e l i o t i -
s c h e n K ö n i g s 54) ; a b e r C o r io la n u s V o r s c h l a g h a b e n s ie
n i c h t e r s o n n e n , s o n d e r n p r a g m a t i s c h e in e E r k l ä r u n g s c h a f f e n
w o lle n w ie d e r S e n a t G e t r e i d e e r h a l t e n h a b e . B a ld n a c h
d e m H u n g e r j a h r 2 7 8 , w e lc h e s a l l e i n g e m e y n t s e y n k a n n ,
b e g i n n e n d ie t r i b u n i c i s c h e n A n k l a g e n m ä c h t i g e r F e h l b a r e r ,
u n d d ie g e g e n C o r i o l a n u s , u n m i t t e l b a r d u r c h d a s R e c h t
d e r S tä n d e b e g r ü n d e t, k o n n te e in e d e r e r s te n s e y n , S p .
I c i l i u s v o r s e in e m T r i b u n a t d a b e y a l s A e d i l i s e r s c h e i n e n .
N ic h t w e n ig e J a h r e m ö g e n z w is c h e n d e r V e r u r th e ilu n g u n d
d e m F r i e d e n v o n 2 9 5 v e r f lo s s e n s e y n : w o b e y e s h ö c h s t
u n g e w i s s i s t d a s s C o r io la n u s a n d ie s e m a u c h n u r e i n e n

563) Th. I. S. 616. Solche Namen a) sind augenscheinlich


Camerinus, Carventanus, Collatinus, Medullinus, Tolerinus : zuver­
lässig eben so Mugillanus, Vibulanus, Viscellinus: die Ursache
ist bey unabhängigen Orten in Proxenie, bey unterthänigen im
Patronat zu suchen. 6*) Th. П. S. 110. — Man vergleiche
Livius П. 34. und IV. 52. Beyde Male wird der Einkauf zu
Knma feindlich gehindert : die sikeliotischen Fürsten sind hülf-
reich : dem unmittelbaren Bedürfniss wird durch Zufuhr au« Etru­
rien, die Tiber herab, abgeholfen 5).
a) Schwegler II. 365. A. 2. ъ) Mommsen Röm.
Chronol. 149.
— 220 — [lUND II,]

w e s e n t l i c h e n A n t h e i l g e h a b t h ä t t e : w ie d ie z w ie f a c h e A u f ­
z ä h l u n g s e in e r a n g e b lic h e n E r o b e r u n g e n n ic h ts w e ite r is t
a ls e in d o p p e lte s u n v o lls tä n d ig e s Y e rz e ic h n is s d e r v o n den
A e q u e r n , u n d d e r v o n d e n V o ls k e rn n a c h d em F a ll von
A n tiu m u n d d e r fe s te n O rte in d e r p o m p tin is c h e n L a n d ­
s c h a f t e in g e n o m m e n e n S tä d te . E s l ä s s t s i c h e b e n m it
g r o s s e r G e w i s s h e i t v e r m u t h e n , d a s s d ie r ö m i s c h e E i t e l k e i t 276
d u r c h d i e D a r s t e l l u n g , E o m h a b e s e in e m g r o s s m ü t h i g e n
G e k r ä n k t e n d ie A b b e r u f u n g d e r C o lo n e n b e w i l l i g t , s ic h
b e r u h i g e n w o l l t e ; u n d d a s s C o r io la n u s d ie F a h n e n d e r
V o ls k e r n u r a ls F ü h r e r e in e r S c h a a r rö m is c h e r V e rb a n n te r
b e g le ite te . D a a b e r e i n A n d e n k e n w ie e s ih m g e b l i e b e n
i s t n i c h t a u f e in e m M ä h r c h e n b e r u h e n k a n n , so m ö g e n
w i r f ü r s i c h e r h a l t e n d a s s s e i n E d e l m u t h d e r G e le g e n h e it
e n t s a g t h a t d ie S t a d t e i n z u n e h m e n a l s L a t i u m f a s t g a n z
ü b e r w ä l t i g t , R o m d u r c h d ie P e s t t i e f h e r a b g o b r a c h t w a r .

D ie K rie g e gegen V o ls k e r und A eq u er, b is

zum F rie d e n von 2 9 5 . *)

E h e i n d ie s e m K r i e g u n s ä g l i c h e s E l e n d ü b e r R o m
k a m , w a r e n m e h r e r e J a h r e m i t s e h r a b w e c h s e l n d e m G lü c k
v e rflo s s e n . D e r u n s e lig e F e ld z u g v o n 2 8 3 h a tte ohne
Z w e ife l d ie M a c h t d e r V o ls k e r s e h r g e s tä r k t : a u f d e r ä n d e rn
S e i t e s e z t e n d ie S a b i n e r d ie F e i n d s e l i g k e i t e n f o r t , w e lc h e .
s ie g e d u n g e n v o n d e n V e je n te rri b e g o n n e n h a tte n . V or
d e m J a h r 2 8 5 s t r i t t e n d ie R ö m e r n u r f ü r d io V e r t e i d i ­
g u n g e n t f e r n t e r e in z e ln e r B e z ir k e u n d d e r B u n d e s g e n o s s e n ;
j e z t h a t t e n s i c h d ie a u s o n i s c h e n V ö l k e r s o w e i t a u s g e b r e i ­
t e t d a s s d i e e i g e n t l i c h e r ö m i s c h e L a n d s c h a f t v o n ih n e n
v e r h e e r t w a r d : d ie S a b i n e r g i n g e n s o g a r ü b e r d e n A n io
u n d k a m e n b i s a n d ie T h o r e d e r S t a d t . Z w ie tra c h t h a tte
g e h i n d e r t L e g io n e n a u s z u s e n d e n : d ie s e w u r d e n e ilig s t g e ­
b i l d e t 555) , u n d v o r i h n e n z o g e n s i c h d ie P l ü n d e r e r z u r ü c k . 277

л) Mommsen R. G. I. 347. 655) Die Verbesserung einer


so schändlich verschriebenen Stelle wie Liviue II. 03: cow ules ,
coacti extem plo ab Senatu ad bellum , edu cta ex urbe iuventute,
— ist ein Liebesdienst den zu leisten jede Gelegenheit gut ist.
[bajtd H.] — 221 —

Y o n d e n e r z ä h lte n B e g e b e n h e ite n d ie s e r F e ld z ü g e ü b e r g e h e
ic h d a s a lle rm e is te : w e r m ö c h te , w e n n s o lc h e V o rfä lle a u c h
a n z i e h e n d e r w ä r e n , G e s c h i c h t e n , d ie l e i c h t g a r n i c h t s a l s
m ü s s ig e E r f in d u n g e n e in e s C h ro n ik e n s c h re ib e rs s e y n d ü rf te n ,
e in e S te lle e in rä u m e n ? D o c h w ird d a h in d ie n ic h t z u
r e c h n e n s e y n d a s s i n j e n e m J a h r d ie Y o ls k e r , a l s s i e s i c h
a u f A n tiu m z u rü c k z o g e n , e in g e h o lt u n d g e s c h la g e n w u rd e n ;
C e n o , e i n e H a f e n s t a d t i h r e s G e b i e t s , a n d ie E ö m e r ü b e r ­
g i n g . A u c h im n ä c h s t e n J a h r , 286, b l i e b d i e s e n d a s G l ü c k
t r e u , u n d d ie Y o l s k e r z u A n t i u m f a n d e n s i c h , n a c h e i n e m
T r e f f e n w o r in d e r C o n s u l T . Q u i n c t i u s o b g e s i e g t h a t t e , s o
b e d r ä n g t d a s s s ie v o n E c e t r a n e r n u n d A e q u e r n H ü l f s -
v ö l k e r h e r b e y r i e f e n : e b e n so s t i e s s e n C o h o r te n d e r H e r ­
n i k e r z u m C o n s u l: m i t B e c h t w a r d e r w a r t e t d a s s s i c h e i n e
w ic h tig e E n ts c h e id u n g b e re ite . D a d ie A e q u e r n a c h A n ­
t i u m k a m e n , m ü s s e n d ie L a t i n e r n i c h t m e h r v e r m o c h t
h a b e n i h n e n d e n W e g ü b e r d e n A l g i d u s z u v e r l e g e n . D ie
F e in d e u m rin g te n d a s rö m isc h e L a g e r m it g ro s s e r U e b e r-
m a c h t : g e t ä u s c h t d u r c h e i n e L i s t w e lc h e s ie e i n e n A u s f a l l
e r w a r t e n l i e s s , d u r c h w a c h t e n s i e d ie N a c h t u n t e r d e n
W a f f e n , w ä h r e n d d ie E ö m e r s i c h d u r c h E u h e s t ä r k t e n *
A m M o r g e n b e g a n n e n d ie s e g e t r o s t d e n A n g r if f , d r ä n g t e n
d e n F e i n d d ie H a l d e e i n e s B e r g s h i n a n a u s s c h w e r z u ­
g ä n g l i c h e n S t e l l u n g e n b i s a u f d ie H ö h e : d a e r g r i f f e n d ie
V e r b ü n d e t e n d ie F l u c h t , u n d ü b e r l i e s s e n A n t i u m s e i n e m
278 S c h i c k s a l . H i e r h a t t e n d ie v o l s k i s c h e n C o lo n e n d e n G r o ll
e i n e r a l t e n E i n w o h n e r s c h a f t w i d e r s i c h 556) : v o n d e r e i n
g r o s s e r T h e il, w e n n je n e a u c h e in s t o h n e Z w a n g a u f g e ­
n o m m e n ^ s e y n m o c h t e n w e il m a n E o m n i c h t g e h o r c h e n
w o llte , s i c h n u n e r b i t t e r t f ü h l t e . S ie c a p i t u l i r t e n a u f f r e y e n
A b z u g 57) : d ie E i d s g e n o s s e n a b e r , w e lc h e d ie S t a d t n i c h t
d u rc h fre y e n Z u tritt so n d e rn ü b e rlie fe rt b ek o m m en h a tte n ,
b e h i e l t e n s i e a ls E r o b e r u n g u n d s i c h e r t e n s i c h i h r e n B e ­
s iz d u r c h e i n e C o lo n ie v o n t a u s e n d M ä n n e r n a u s a l l e n d r e y

Livius schrieb ganz gewiss : consults, coacto extemjplo Senatu , a d


bellum educta ex и. i.
55e) Vgl. Th. II. S. 52. und S» 124. Antium ward frey­
willig übergehen; welches bey einer ganz volskischen Stadt un­
denkbar wäre. ß7) Dionysius IX. 58. p. 615. b. wo aie aie
eine (ppoupa der Aequer Vorkommen.
— 222 — [b x h d п .]

V ö l k e r n 558) . D e n a l t e n A n t i a t e r n w a r d e i n T h e i l , v i e l l e i c h t
d e r g r ö s s t e , i h r e r F e l d m a r k g e l a s s e n 59) , w o b e y s ie d o c h
i n d a s V e r h ä ltn is s e in e r G e m e in d e h e r a h g e s e z t s e y n m ü s se n :
s ie w u r d e n M u n ic ip e s d e r h e r r s c h e n d e n V ö lk e r. D o c h so
v ie le O rte w a re n v o n E o m a b g e f a lle n o d e r e n tris s e n , d ass
d e r n ä c h s t e C e n s u s , 2 8 9 , 2 6 0 0 0 C a p i t a w e n i g e r z e i g t a ls
d e r d e s J a h r s 2 8 0 60).
W i r l e s e n d a s s d ie A e q u e r i n d e m J a h r w o d ie Co- m
l o n i e A n t i u m g e o r d n e t w a r d , 2 8 7 , F r i e d e n m i t E o m e in ­
g e g a n g e n w ä r e n : d a s ie a b e r i n d e m n ä m l i c h e n w ie d e r im
F e l d e e r s c h e i n e n , so w e r d e n s ie t r e u b r ü c h i g g e s c h o l t e n 61).
E s w a l t e t in d e s s e n h ie r g e w is s d ie s te t e V e rw e c h s lu n g d er
b e y d e n v e r b ü n d e t e n V ö l k e r 62), u n d d ie d e n F r i e d e n s c h l o s ­
s e n w a r e n d i e E c e t r a n e r , d ie s i c h i m J a h r 2 9 0 b e w e g e n
H e s s e n d i e W a f f e n w i e d e r z u e r g r e i f e n 63) . A u c h i s t w ä h ­
r e n d d e r v o rh e rg e h e n d e n d re y J a h r è g a r k e in e E e d e von
F e i n d s e l i g k e i t e n m i t V o l s k e r n , d ie A e q u e r a l l e i n f ü h r e n
d e n K rie g . I n d ie s e m f o c h t e n u n t e r i h r e n F a h n e n v o r
a l l e n e i f r i g d ie a u s A n t i u m v e r t r i e b e n e n C o lo n e n : o h n e
Z w e i f e l a u c h m a n c h e r t y r r e h e n i s c h e A n t i a t e , d e r s ie b e -

668) Oben S. 48. Anm. 78. und S. 97. Anm. 178.


ß9) Dionysius IX. 59. p. 616. а. хатіѵецоѵ туѵ yrjv, ßoipdv-
r t v a è £ aàryjq rocg ’Аѵтіатаід äTvoXetTcößsvoc. Livius Щ. 1.
adeo p a u c i nom ina d ed ere , u t a d explendum numerum Volsci
a d d e re n tu r : mit dreyfachem Irrthum : indem er die einheimischen
Antiater für Volsker nimmt, — ihr Verhältniss als Antheil an
der Bürgerschaft der Colonie: — und die Ursache sie zuzulassen
darin sieht dass die Plebejer die dargebotene Ansiedelung ver­
schmäht hätten, die doch nicht für sie war. Es ißt aber nur
nöthig dergleichen Verschobenes zurecht zu rücken. 60) 104114
(nicht 214) Livius III. 3. gegen 130000 (nach dem Cod. Vatic.,
nicht 103000): Dionysius IX. 36. p. 594. d. Diese Zahl ist seit 26 L
durch die Isopolitie der Herniker so sehr vermehrt. öl) Livius
ІП. 1. Dionysius IX. 60. p. 616. c. Schade dass dieser sich die
vermeynten Bedingungen, die Hirngeburt eines der elendesten An­
nalisten, hat aufbinden lassen. 62) bey dem Frieden
von 295: Livius III. 24. 25. Uebrigens ist der Vorwurf der
Treulosigkeit eine eben so alltägliche Verläumdung der Feinde
Boms wie die ignavia, welche man sich nicht entblödete gegen
die männlichsten Völker aiiszusprechen. 63) Ders. III. 4.
A e q u i ab E c etra n is Volscis praesidiu m p etiere. — S e rn ic i —
p r a e d ic u n t R om an is Ecetranoe a d Aequoa d escw e.
{ b a n d II.] — 223 —
g le ite t h a tte u m d e r H e r r s c h a f t e in h e im is c h e r W id e rs a c h e r
z u e n t g e h e n w e l c h e d ie S t a d t d e n K ö r n e r n ü b e r l i e f e r t h a t t e n :
d ie s e L a n d f l ü c h t i g e n s o l l e n s e h r z a h l r e i c h g e w e s e n s e y n .
A u fg e o p fe rte V e rb ü n d e te s in d a lle m a l e in G e g e n s ta n d d e r
A h n e i g a n g : i h r A n b l i c k i s t e i n V o r w u r f : so m u s s t e n s ie
ih re n n ä c h s te n L a n d e s le u te n , d e n E c e tra n e rn , lä s t ig s e y n :
i h r e w a h r e H e i m a t w a r b e y d e n e n w e lc h e d ie W a f f e n n i c h t
n i e d e r l e g t e n 564).
2*0 D ie A e q u e r t r u g e n d ie ih r i g e n i n d a s la tin is c h e L a n d ,
u n d i m d r i t t e n d i e s e r F e l d z ü g e , 2 8 9 , w ir d d e r A l g i d u s a ls
i h r e L a g e r s t ä t t e g e n a n n t : d ie G e g e n d w e lc h e , v o n d e r Z e i t
a n h is B o m s ic h w ie d e r z u r U e b e r m a c h t e rh ö h , e s jä h r l i c h
w a r. E s i s t d e r L a n d e s s c h e i t e l d e r d ie G e w ä s s e r w e lc h e
d e m H e r n ik e r la n d e u n d d e m L i r is z u flie s s e n v o n L a tiu m
e n tf e r n t, e in e u n f r u c h tb a r e , g e b ro c h e n e , a u s g e d e h n te H ö h e ,
m i t e in e m S c h w a r z w a l d v o n i m m e r g r ü n e n E i c h e n b e d e c k t 6ß),
z w is c h e n T u s c u lu m u n d V e l i t r ä , d ie s e r S ta d t u n d d e n A e ­
q u e r n , u n d z w i s c h e n L a t i n e r n u n d H e r n i k e r n : w e lc h e g e ­
t r e n n t w a r e n w e n n j e n e G e g e n d s i c h i m B e s iz d e r A e q u e r
b e f a n d ; s o w ie d i e s e u n d d ie V o l s k e r , w e n n E ö m e r u n d
L a t i n e r s ie b e h a u p t e t e n , i h r e C o n t i n g e n t e n u r a u f w e i t e n
U m w e g e n v e r e i n i g e n k o n n t e n . I c h h a b e k e i n e n B e r u f d ie
w id e rs p re c h e n d e n E r z ä h lu n g e n z u b e ric h te n u n d zu v e r­
g l e i c h e n , w o d ie w a h r s c h e i n l i c h e r e n u r e in e v e r s t ä n d i g e
B e a r b e i t u n g s e y n m a g : s i c h e r i s t d a s s , w ä h r e n d d ie L ä ­
g e r s ic h a u f d e m A lg id u s g e g e n ü b e rs ta n d e n , e in T h e il d e r
ä q u is c h e n M a c h t in d a s rö m is c h e G e b ie t e in b ra c h , w o d e r
L a n d m a n n k e in e G e fa h r a h n d e t e , u n d s ic h g lü c k lic h a c h ­
t e t e m i t Z u r ü c k l a s s u n g d e r H a b e m i t d e n s e i n i g e n d ie
S t a d t o d e r e in e d e r B u r g e n i n d e r L a n d s c h a f t z u e r r e i c h e n .

564) Ebend. m a g n a v is h o m in u m — is m ile s p e r b e llu m

A e q u ic u m v el a c e r r im u s Dionysius: — s. [Th. 2.] Anm.


fu it .

229. Als Ecetra den Krieg erneuert hatte waren sie wieder
dort: Livius III. 10. E c e t r a e A n t i a t e s c o l o n o s p a l a m c o n c i l i a
fa c e r e . 65) N i g r a e f e r a c i f r o n d i s i n A l g i d o . So beschreibt
Herr Geh. Leg. Bath Bunsendie Gegend auch jezt: ich habe
sie nicht gesehen weil sie damals Siz der Räuberbanden war.
Dort lag die Stadt Algidus, welche Dionysius gewöhnlich anstatt
der Gegend nennt: wohl auch keine andre meint wenn er von
^er Stadt der Aequer redet. Die Itinerarien geben die Lage
«richtig an.
— 224 — [band i i .]

D i e s e S c h u z o r t e , d ie P a g i , d e r e n E r r i c h t u n g , w ie d ie a lle s
b le i b e n d w o h lth ä tig e n , d e m K ö n ig S e rv iu s z u g e s c h rie b e n
w u r d e 566), d i e n t e n , w e tin d e r f e i n d l i c h e E i n f a l l n i c h t g a n z sei
ü b e r r a s c h t e , a u s s e r d e n L e u te n a u c h d a s b e w e g lic h e E ig e n ­
th u m zu b e r g e n ; w ie i n A t t i k a d ie K a s t e l l e a u f d e n
B e r g e n : m ö g e n s ie n u n w ie d ie s e m i t M a u e r n u m g e b e n e
P l ä z e , o d e r n u r m i t G r a b e n , W a l l u n d V e r p f ä h l u n g e in ­
g e s c h l o s s e n g e w e s e n s e y n , w i e e in e s e r b i s c h e P a l a n k a . E s
h a t u n t e r d e n s p ä t e r e n A n n a l i s t e n L e u t e v o n k in d i s c h e r
E i t e l k e i t f ü r i h r V o lk g e g e b e n w e lc h e v o n d e r E r z ä h lu n g
e i n e s U n g l ü c k s a u c h , im f e r n e n A l t e r t h u m s o v e r l e z t w u r ­
d e n , d a s s s i e , w e n n e s u n m ö g l i c h w a r s ie z u v e r s c h w e ig e n ,
s i c h n i c h t s c h ä m t e n e in e r d i c h t e t e s E r e i g n i s s d a r a u f fo lg e n
z u l a s s e n w o d u r c h d e m F e i n d d e r g a n z e V o r t h e i l e n tr is s e n ,
j a m e h r a ls v e r g o lte n w ird . D i e s e L ü g e n , g r a d e h i n w ie
j e d e a n d r e U e b e r l i e f e r u n g v o r g e t r a g e n , h a b e n d ie M ä n n e r
w e lc h e e in e v o lls tä n d ig e G e s c h ic h te k la s s is c h e rz ä h lte n
b e tr o g e n : e b e n w e il ih n e n G la u b e a n d e n V o rz u g d e r e h r­
lic h e n ä l t e r e n B ü c h e r , u n d a n d a s D a s e y n e in e r w a h rh a fte n
U e b e r l i e f e r u n g , fe h lte . Z u d e n z a h lre ic h e n B e y s p ie le n
s o l c h e r T r u g g e s f c a l t e n 67), w e lc h e v e r s c h w i n d e n s o b a l d m a n
a u f s i e v o r b e r e i t e t i s t , g e h ö r t a u c h d ie E r z ä h l u n g d a s s Q
F a b i u s d i e P l ü n d e r e r e i n g e h o l t , i h n e n e i n e N ie d e r la g e ,
v o n d e r s e h r w e n i g e F l ü c h t l i n g e s i c h g e r e t t e t , z u g e f ü g t,
u n d a lle s g e r a u b te G u t w ie d e rg e w o n n e n h a b e .
S o s c h l o s s s i c h e r d a s J a h r n i c h t m i t d e m s c h o n d ie 282
U n g lü c k s z e it a n h e b t w e lc h e R o m a n d e n R a n d d e s V e r­
d e r b e n s b r a c h t e . — I m f o l g e n d e n , 2 9 0 , e r n e u e r t e n d ie v o n
E c e t r a d e n K r i e g 68) : e i n e c o n s u l a r i s c h e L e g io n u n te r

666) Dionysius IV. 15. p. 220. b. Einen solchen Pagus nennt


er Tteptnôfoov ; IX. 56. p. 612. а. в7) Dergleichen ist schon
im folgenden Jahr der Sieg dee T. Quinctius, und 295 die Er­
oberung des abtrünnigen Antium, welche Dionysius umständlich
erzählt, Livius aber ganz verwirft weil die älteren Annalen nichts
davon wussten: III. 23. — und noch aus viel späterer Zeit die
Gefangennahme des C. Pontius im Jahr nach der caudinischen
Schmach, der Sieg des L. Marcius nach dem Untergang der Sci-
pionen, — und auch in dichterischer Sage der Sieg des Cincin-
natus auf dem Algidus, des Camillus über die Gallier. Selbst
die Lüge über Regulus hat einen ähnlichen Ursprung.
«8) [Th. 2.] Anm. 562.
[ band п .] — 225 —

A . P o s t u m i u s s u c h t e d ie r ö m i s c h e G r ä n z e z u d e c k e n : d e n
H e r n ik e r n z u H ü lfe f ü h r te d e r C o n su l S p . F u r iu s d ie z w e y te :
a h e r e r w a r u n g lü c k lic h g e g e n g ro s se U e b e r m a c h t, u n d
w a r d so e n g i m L a g e r e i n g e s c h l o s s e n d a s s d a s G e r ü c h t
v o n d e r ä u s s e r s te n G e fa h r d e s H e e r s n u r d u rc h B o te n a u s
d e n S tä d te n d e r B u n d e s g e n o s s e n n a c h R o m g e la n g te . H ie r
w a re n vo m A n fa n g d es F e ld z u g s V o rk e h ru n g e n a n g e o r d n e t
w ie d ie s c h w e r e n U m s t ä n d e s ie e r f o r d e r t e n . D a s A u f g e b o t
h i e l t d ie M a u e r n b e s e z t : T . Q u i n c t i u s s t a n d m i t d e n V e ­
te r a n e n u n d d e n ih n e n B e y g e o rd n e te n b e r e it: m it d ie s e r
R e s e rv e v e re in ig te e r H ü lfs v ö lk e r d e r L a tin e r u n d v o n A n -
ti u m , w o a b e r d e r W u n s c h d e r E i n w o h n e r s i c h v o n d e n
C o lo n e n z u b e f r e y e n n i c h t z w e i f e l h a f t w a r . In z w is c h e n
h a t t e d e r C o n s u l, w a h r s c h e i n l i c h s c h o n im f r ü h e r e n G e ­
f e c h t v e rw u n d e t, s e in e n B r u d e r P . F u r iu s m it fü n f z ig C en ­
tu r ie n d e r d re y e r s te n K la s s e n g e g e n d e n F e in d a u s fa lle n
la s s e n , w ä h re n d e r s e lb s t m it d e n T r ia r ie r n u n d d e n L e ic h t-
383 g e r ü s t e t e n d a s L a g e r b e w a h r t e . D e r A u sg a n g d e s U n te r­
n e h m e n s w a r h ö c h s t u n g lü c k lic h : v e rlo c k t d u rc h d e n e r s te n
E rfo lg , u n d a b g e s c h n itte n , fa n d e n je n e T a u s e n d m it ih re m
A n f ü h r e r d e n T o d 669) . A u c h d e r C o n su l w ü rd e m it d e n

569) ich kann in den allermeisten Fällen unmöglich darauf


ausgehen die Erzählungen welche ich, mit der nämlichen Freiheit
wie Livius und Dionysius ihre Vorgänger gebrauchten, aus den
ihrigen bilde, zu rechtfertigen; der gegenwärtige gehört zu den
Ausnahmen wo es der Mühe lohnt. Man erinnere sich dass die
Triarier nach der alten Ordnung dreyssig Centurien, zehn aus
jeder der drey ersten Klassen, den Hopliten, waren; abgesondert
um, wenn es Noth that, ein Lager besezt zu halten [Th. 2.]
(Anm. 450-). Es waren aber der Schwergerüsteten überhaupt
achtzig Centurien; also zogen von der Legion fünfzig aus dem
Lager: und das sind tausend Mann, — ängstlich gezählt 1050, —
bey ein und zwanzig Tribus. Die nämlichen 50 Centurien mach­
ten in der beweglichen Legion die beyden Cohorten der Hastati
und Principes aus: daher schreibt Dionysius IX. 63. p. 620. d.,
allerdings mit einer Prolepsis, von zwey Cohorten, zusammen
tausend Mann. Man sieht klar dass hier nur von einer Legion
die Rede ist, und mehr führte auch gewiss damals der einzelne
Consul nicht. Eine so bescheidene Zahl (3300 Mann mit den
Leichtgerüsteten und den Reutern) genügte dem nicht nach dem
Livius schrieb: daher rückt bey ihm auch der Consul aus dem
Lager, nämlich mit fünfzig Centurien einer zweyten Legion.
Niebuhr, Röm. Geecb. ^5
— 226 — [b a n d п .]

ü b r ig e n u m g e k o m m e n o d e r g e fa n g e n se y n , w e n n d e r E n tsa z
g e z ö g e rt h ä tte . D ie s e r g e l a n g ; n ic h t so g lü c k lic h w a r
P o s t u m i u s 570). D ie L a n d l e u t e f l ü c h t e t e n a u f s n e u e i n d ie
S t a d t , w ie a u s A t t i k a im p e l o p o n n e s i s c h e n K r i e g : u n d e s
w a r d ie S o m m e r s z e i t , w o d a s V i e h , w e n n e s g e d e i h e n s o ll, 28*
a u s d e r v e r s e n g te n u n d w a s s e r a r m e n C a m p a g n a in s G e b ü rg
g e b r a c h t w e r d e n m u s s , h ö c h s t e n s i n d e n s u m p f ig e n G e ­
g e n d e n g e g e n d a s M eer h in , b e y h a rte m G ra s u n d W a sse r
i n L a c h e n , a u s h ä l t : n u n k o n n t e e s n i c h t e i n m a l v o r d ie
M a u e r n g e t r i e b e n w e r d e n , u n d b e f ie l m i t t ö d t l i c h e n S e u c h e n ;
d i e a u f d ie M e n s c h e n ü b e r g i n g e n , u n d z u r P e s t w u r d e n ,
o d e r d i e E m p f ä n g l i c h k e i t f ü r e in e w e i t v e r b r e i t e t e C o n ta ­
g i o n v e r m e h r t e n , w e lc h e z u g l e i c h d u r c h K u m m e r u n d N ie ­
d e r g e s c h la g e n h e it e rh ö h t w a rd .
D i e C o n s u l n n a c h d e n e n d a s J a h r 2 9 1 b e n a n n t w ird ,
ü b e r n a h m e n d a s E e g im e n t a m e rs te n S e x tilis ; m it dem
S e p t e m b e r , w o a n s i c h d ie F i e b e r z u R o m a m v e r d e r b ­
l i c h s t e n s i n d , z e i g t e s i c h d ie P e s t e n t s c h i e d e n 71). D ie
H e r n i k e r m a h n t e n a u f s n e u e ; a b e r R o m h ä t t e k a u m s e in e
e ig e n e n M a u e rn v e rth e id ig e n k ö n n e n . V o ls k e r u n d A e q u e r
l a g e r t e n s ic h d re y M illie n v o r d e m e s q u ilin is c h e n T h o r,
a n d e r S tr a s s e n a c h G a b ii, a u f S c h u tt u n d B ra n d s tä tte n
d ie i h r v o r ig e r E in f a ll z u rü c k g e la s s e n h a tte ; u n t e r u n b e -
g r a b e n e n L e i c h e n u n d g e f a l l e n e m V ie h . S ie f a n d e n n i c h t s
m e h r z u v e r n i c h t e n : d a s s s ie d ie S t a d t n i c h t s t ü r m t e n , w a r
s i c h e r n i c h t F o l g e m e n s c h l i c h e s G e f ü h ls 72) ; w a h r s c h e i n l i c h
f ü r c h t e t e n s i e d ie A n s t e c k u n g : o d e r e s d ä u c h t e i h n e n d e r
E r f o l g u n g e w is s e r a ls e r s ic h g e z e ig t h a b e n w ü r d e ; d e n n
d ie P e s t w a r in a lle n H ä u s e rn , u n d w e r n o c h n i c h t dav o n
b e f a lle n , o d e r w e r g e n e s e n w a r, w a rd o h n e R ü c k s ic h t a u f
S t a n d o d e r A l t e r a u f g e b o t e n d ie W a c h e n a n d e n T h o r e n
u n d a u f d e n M a u e rn zu b e z ie h e n . S o b r a c h e n s ie a u f, 285l
u m d i e i n n e r s t e n W i n k e l d e s l a t i n i s c h e n L a n d e s , w e lc h e

570) Valerius Antias verrietli, auch für Lirins gesundes


Gefühl, seine Lügen über die Siege womit die römischen Feld­
herrn das Unglück überwogen haben sollten, durch die lächerlichen
Zahlenangaben der gebliebenen Feinde: völlige Unbefangenheit
erkennt in jenen Vortheilen durchaus eine leidige Fabeley.
71) Dionysius IX. 67. p. 623* b. 72) Wie der Pr&fect Q, Fa­
bius bey Livius sagt: III. 9.
[b a n d п .] — 227 —
n o c h B e u t e g e w ä h r e n k o n n t e n , h e in a z u s u c h e n . U n a u fg e -r
h a l t e n e r s t i e g e u s ie d ie f l e i s s i g a n g e b a u t e n , v i e r J a h r h u n ­
d e rte s p ä te r m it rö m isc h e n V ille n b e d e c k te n , H ö h e n u m
T u s c u lu m , u n d d e n B e r g v o n F r a s c a ti s e lb s t: z o g e n d a n n
h i n a b i n d ie r e i c h e N i e d e r u n g . z o n G r o t t a f e r r a t a 578). D ie s e
v o r d e r V e rh e e r u n g zu s c h ü z e n w a g te d a s s c h w a c h e H e e r ,
w e l c h e s d ie n o c h ü b r i g e n S t ä d t e d e r L a t i n e r u n d H e r n i k e r ,
v e r s a m m e l t h a t t e n , e in e S c h l a c h t , d ie m i t e i n e r m ö r d e r i ­
s c h e n N ie d e r la g e e n d ig te . U e b e r d ie F o l g e n d i e s e s u n ­
g lü c k lic h e n T a g s s c h w e ig e n u n s re G e s c h ic h te n .
D a g e g e n s t e l l e n s ie ü b e r e i n s t i m m e n d d e n F e l d z u g d e s
f o l g e n d e n J a h r s , 2 9 2 , a l s s i e g r e i c h d a r : j a s ie m e l d e n
d a s s d ie C o n s u ln t r i u m p h i r t h ä t t e n .
D ie s w ü r d e f r e y l i c h e n t s c h e i d e n w e n n s ie g l e i c h z e i t i g e
T r i u m p h a l f a s t e n a n f ü h r t e n ; a b e r C ic e ro e r w ä h n t a ls b e ­
k a n n t d a s s e r d i c h t e t e T r i u m p h e v o r k ä m e n 74) : w ie w i l l ­
k o m m e n m u s s t e n d ie j e n e n t h ö r i c h t e n A n n a l i s t e n s e y n !
W a r u m h ä t t e n s ie n i c h t s e l b s t d ie E r d i c h t u n g w a g e n s o lle n ,
d a n a c h so g r o s s e m U n g l ü c k d ie V e r g e l t u n g a u s n e h m e n d
s e y n m u s s t e ? D i e s e im J a h r d e r P e s t e i n t r e t e n z u l a s s e n
w a r f ü r s ie s e l b s t z u d r e i s t : u m e in e s v e r s c h o b e n h a t t e e s
k e in e B e d e n k lic h k e it m e h r. W ir h in g e g e n , w e it e n tf e r n t
z u v e rk e n n e n d a s s U m s tä n d e d a s U n e r w a r te ts te w ü rk lic h
h e r b e y f ü h r e n k ö n n e n , m ü s s e n s a g e n d a s s h ie r a lle m A n -
386 s c h e i n n a c h e in e v ö llig e U n m ö g l i c h k e i t o b w a l t e t : n i c h t
e i n m a l d ie H y p o t h e s e h i l f t a u s d a s s d ie P e s t z u E o m e r ­
lo s c h e n , u n d a u f d ie fe in d lic h e n V ö lk e r ü b e r g e g a n g e n s e y n
k ö n n t e , d a s ie a u f d ie n ä m l i c h e W e i s e w ie b i s h e r a n g r e i ­
f e n d e r s c h e i n e n 7б) . L a s s e n w i r a b e r d ie E r e i g n i s s e d ie s e s

573) in T u s c u la n o e c o lle s — d e s c e n d e n t ib u s a b T u s c u la n o in

A lb a n a m v a lle m . : Cicero B r u t . 16. (62):


f a ls i tr iu m p h i

wir werden gleich ein Веувріеі haben: [Th. 2.] Anm. 579.
75) Der Gang des Feldzugs ist ziemlich Wiederholung. Das
römische Heer, aus dem Gebiet der Herniker zurückkehrend,
fängt die Plünderer auf: vgl. Livius ПІ. 5. 8. — Einen neueren
Annalisten a) dürfte die Erwähnung der Landschaft von Präneate
als den Aequern noch fremd, da sie sich doch schon auf dem
Algidus festgesezt hatten, verrathen. Eine zusammengefügte Er­
zählung zeigt sich darin dass Lucretius, nach Rom gekommen,
a) Nitzsch Röm. Annalistik 96.
15*
— 228 — [b a n d п .]

E e l d z u g s a u f s i c h b e r u h e n , s o g e w ä h r t d i e A n n a h m e e in e s
U m s ta n d e s d e r n ic h t h a t a u s b le ib e n k ö n n e n , E r k lä ru n g
f i i r d i e W a f f e n r u h e d e r b e y d e n f o l g e n d e n J a h r e , w e lc h e
d a n n a u f b e id e n S e ite n B e d ü rfn is s w a r. S ie m u s s d u r c h
e i n e n V e r t r a g g e s i c h e r t g e w e s e n s e y n : s o n s t h ä t t e , a ls
A p p iu s H e r d o n iu s a u f d e m K a p ito l w a r , T u s c u lu m w o h l
n i c h t w a g e n k ö n n e n s e in e H ü lfe z u s e n d e n .
V e r m u t h l i c h w a r e s a ls o e i n t r e u l o s e r U e b e r f a l l , a ls
i m f o l g e n d e n J a h r , 2 9 5 , L e i c h t g e r ü s t e t e d i e B u r g d ie s e r
S t a d t e r s t i e g e n , w e lc h e s ie m e h r e r e M o n d e n w i d e r T u s -
c u l a n e r u n d r ö m i s c h e C o h o r te n b e h a u p t e t e n . G eg en das
F e l d h i n s i n d d ie W ä n d e d e s B e r g s , w e l c h e n j e n e F e s t e
e i n n a h m , j ä h u n d s e h r h o c h : v o m F o r u m f ü h r t e e in e n g e r
n n d l e i c h t v e r t h e i d i g t e r P f a d h i n a u f : e i n r e i c h e r Q u e ll
g u t e s W a s s e r s v e r s o r g t e d ie B e s a z u n g 576) : a b e r M a n g e l
a n S p e i s e z w a n g s ie e n t w a f f n e t a b z u z i e h e n . D e r C o n su l 28t
Q . F a b i u s h a t t e ih n e n a u f d e r S tr a s s e n a c h i h r e r H e im a t
e i n e n H i n t e r h a l t g e l e g t , u n d l i e s s s ie n i e d e r m a c h e n : e in e
A b s c h e u l i c h k e i t d ie u n e r k l ä r l i c h i s t w e n n j e n e U n g l ü c k ­
l i c h e n i c h t a u c h d u rc h T r e u b r u c h e in e s u n a b s tih n b a r e n
V e r b r e c h e n s s c h u ld ig w a re n .
I n d e m s e l b e n J a h r g i n g A n t i u m v e r l o r e n : w e lc h e s a ls
E m p ö r u n g d a r g e s t e l l t w i r d 77), s o d a s s e s d e n A n s c h e i n h a t a ls
w ä r e d i e C o lo n ie d u r c h e i n e n A u f s t a n d d e r a l t e n E i n w o h n e r
v e r t r i e b e n , u n d d ie a l t e n H e r r e n w i e d e r a n g e n o m m e n
w o r d e n . A l l e i n m i t e i n e r B e g e b e n h e i t d ie n i c h t l e i c h t v e r ­
s c h m e r z t w e r d e n k o n n te , i s t d a s V e r h ä ltn is s v o n B e fre u n d u n g ,
w o r in d ie S t a d t v o n d e r Z e it a n b is n a c h d e m g a llis c h e n
U n g lü c k z u R o m s ta n d , n ic h t z u v e re in ig e n : u n d h ie r tr i tt
d i e S a g e v o n C o r io la n u s e r k l ä r e n d e i n , i n d e m s ie m e ld e t,
e r h ä t t e g e f o r d e r t d a s s R o m d ie C o lo n e n a u s d e n e r o b e r t e n
O rte n z u rü c k ru fe n u n d s ie d e n V o ls k e r n z u rü c k g e b e n
s o llte : e in e F o r d e r u n g w o rü b e r sch o n b e m e rk t is t d ass

dort mit den Tribunen gerechtet, und dann triumphirt haben


soll: welches gegen die unwandelbare Sitte streitet dass, wer
triumphiren wollte, die Stadt vorher nicht betreten konnte.
576) Die uralte Gallerie, welche diesen der untern Stadt zu­
führte, ward 1817 entdeckt. Ohne alle Frage ist es die aqua
C rabra. 77) E odem anno descisse A n tiates a p u d plerosque
auctores invenio : Livius III. 23.
[ban d п .] — 229 —
n u r d ie a u f u n s g e k o m m e n e D a r s t e l l u n g v e r k e n n t d a s s s ie
an g en o m m en w a rd . W a h r s c h e in lic h is t n u r g a n z z u fä llig
v o n m e h r e r e n O r t e n d ie R e d e , u n d A n t i u m a l l e i n g e m e y n t ;
s i n d d a m a l s n o c h a n d r e S t ä d t e a b g e t r e t e n w o r d e n w e lc h e
s ic h m itte n in d e m e r o b e rte n L a n d e m ü h s e h lig v e r th e id ig t
h ä t t e n , w ie A u v e r g n e u n d S o i s s o n s u m g e b e n v o n B a r b a r e n
288 s i c h l a n g e a l s R ö m e r b e h a u p t e t e n , so i s t e s m i t i h n e n e i n
a n d r e r F a ll, e s w a r n ic h t d ie R e d e d a v o n s ie z u rü c k ­
zugeben.
E in e fr ie d lic h e A b tr e tu n g k o n n te fr e y lic h d e n A n n a ­
l i s t e n s o u n m ö g l i c h V o rk o m m e n d a s s e s s i c h f ü r s ie v o n
s e lb s t v e r s ta n d A n tiu m m ü s s e a b g e f a lle n s e y n , w e il e s
v o n d e r Z e it a n , w ä h re n d f a s t h u n d e rtz w a n z ig J a h r e n , u n ­
a b h ä n g i g w a r 678) . W i e d e r u m f a n d e n s i c h s o l c h e d ie e b e n
h i e r ü b e r d ie A u g e n s c h lo s s e n , u n d , d ie E m p ö r u n g v o r a u s -
g e s e z t , e in e U n t e r n e h m u n g d e s C o n s u ls L . C o r n e liu s , w e l c h e r
b e y T u s c u l u m n i c h t b e s c h ä f t i g t v ra r, e r d i c h t e t e n , w o d u r c h
d ie a b t r ü n n i g e S t a d t w i e d e r e r o b e r t , u n d n a c h d e r S i t t e g e ­
z ü c h t i g t s e y 79) : a n d e r e , e i n g e d e n k d a s s s ie v e r l o r e n b l i e b ,
w o l l t e n w e n i g s t e n e in e n , w e n n a u c h n u n f o lg e n lo s e n , S ie g
b e i A n tiu m n ic h t f a h r e n la s s e n , u n d ü b e r tr u g e n d ie s e n
a u f Q . F a b i u s 80). B e y d e E r z ä h l u n g e n s c h e i n e n i n g l e i c h e m
M a a s s v o n a lle m h is to r is c h e n G ru n d e n tb lö s s t: v ie lm e h r
d a r f a n g e n o m m e n w e rd e n d a ss d e r F rie d e m it d e n Y o ls k e rn
o h n e S tö r u n g a u s d e m W a f f e n s tills ta n d h e r v o r g e g a n g e n is t,
d a e r s i c h i n d i e s e m J a h r s c h o n g a n z v o llz o g e n f in d e t.
289 e N ä m l i c h e in e a n d r e B e d i n g u n g d e s F r i e d e n s w e lc h e r
C o r io la n u s z u g e s c h r i e b e n w i r d , i s t , d a s s d ie R ö m e r m i t
d e n Y o l s k e r n B ü n d n i s s u n d M u n i c i p i u m e i n g i n g e n 81) . N u n

5?8) Auf diese Voraussezung beziehen sich, vorbereitend, die


wiederholten Erwähnungen von der aufrührerischen Stimmung
der Antiater, wobey Livius widersinnig die Colonen meynt: die
nach Rom berufenen Principes! 7a) So Dionysius: auch die
Triumphalfasten, welche für diese Zeiten nichts beweisen, indem sie
unter Augustus aus Anzeichnungen wie sie sich fanden zusammen-
gesezt sind: ihr Verfasser konnte sich eben so wohl wie ein Ge­
schichtschreiber täuschen. Livius sagt ausdrücklich dass die
älteren Annalen nichts davon wussten. 80) So die denen
Livius folgte. 81) Dionysius VIII. 35. p. 508. b. è à v cP w p . a Z o t
— y d t a v T z o L T jc o v T a t e lg rb v d e l % p ö vo v } x a l Іа ѵ к о Х и г е іа д fx e -

т а д а х т о и а іѵ û ç A a rw o tg .
— 230 — [вÀKD u.]

f i n d e t s i c h i n d e m C e n s u s v o n 2 9 5 j e n e s c h o n 682) b e m e r k -
l ic h g e m a c h te Z u n a h m e d e r C a p ita a u f 1 1 7 3 1 9 , v o n 1 0 4 1 1 4
i m J a h r 2 8 9 , n a c h P e s t u n d K r i e g s v e r h e e r u n g , w e lc h e s ic h
n u r d u r c h d ie H i n z u f ü g u n g d e r C e n s u s z a h l e i n e s i s o p o li­
t i s c h e n V o l k s e r k l ä r t : d a s s i n d n u n d ie V o l s k e r g e w e s e n ;
d i e v o n E c e t r a , u n d A n t i u m : w e l c h e s v o n j e z t a n C o lo n ie
d e r N a t io n w a r, a b e r u n a b h ä n g i g g le ic h d e n s a m n itis c h e n .
D i e A n n a l i s t e n m ü s s e n a u c h e in e C e n s u s a n g a b e v o m v o r ­
h e r g e h e n d e n J a h r g e fu n d e n h a b e n m it e in e r w e it g e rin ­
g e r e n Z a h l ; g e w i s s f o l g e r t e n s ie n u r , e s s e y d ie Z ä h lu n g
d a m a l s b e g o n n e n a b e r n i c h t v o l l e n d e t w o r d e n 83) : d e r U n ­
t e r s c h i e d l a g d a r a n d a s s j e z t d ie C a p i t a d e r n e u e n M u -
n ic ip ia h in z u g e fü g t w a re n .
E r w ä h n t i s t d e r F r ie d e a u c h b e y d e n G e s c h ic h ts c h re i­
b e r n , n u r d a s s d ie i r r t h ü m l i c h e B e z i e h u n g a u f d ie A e q u e r
s i c h w i e d e r h o l t 84) , d ie a u c h d i e s m a l im J a h r d a r a u f a ls
F e i n d e w i e d e r V o rk o m m e n . A n d e r s w o f i n d e t s i c h a b e r b e y
L iv iu s e in e n u n fr e y lic h s e lts a m g e s ta lt e te S p u r , d a s s e r
S c h r i f t e n l a s w e lc h e r i c h t i g ü b e r d ie A n t i a t e r u n d w e s t ­
l i c h e n V o l s k e r s a g t e n , s ie w ä r e n s i e b z i g J a h r e l a n g m it
E o m v e r b ü n d e t g e w e s e n , a ls s ie n a c h d e m g a llis c h e n U n - 290
g lü c k a b fie le n . D a s m u s s ih m u n m ö g lic h v o rg o k o m m e n
s e y n , d a s o o f t, u n d n u r w e n ig e J a h r e f r ü h e r , v o n v o ls k i­
s c h e n K rie g e n z u e rz ä h le n g e w e se n w a r: d a h e r tr ä g t er
d i e E r w ä h n u n g so v o r d a s s s i c h n i c h t w o h l b e z w e if e ln
l ä s s t , e r h a b e s i e v o n d e r D a u e r d e s K r i e g s v e r s t a n d e n 85).
A b e r d e r A n n a l i s t k a n n u n m ö g l i c h e i n e a n d e r e a ls j e n e
M eynung g e h a b t haben. A u c h d ie E r w ä h n u n g d e r T h e i l -

582) Th. II. S. 80. 83) c en su s, re s p r io r e a n n o in c h o a ta ,


p e r fic it u r : Livius III. 24. 8*) A e q u i s p a x p e t e n t i b u s d a t a :
ebendas. Mehr aie gewöhnliche Wichtigkeit wird dem Frieden
heygelegt c o n s u l u m m a g n a — g l o r i a f u i t , q u o d — p a c e m p e p e -
r e r e . Dionysius X. 21. p. 648. c. — der einem Thoren nach­
schreibt die Aequer hätten sich Rom unterworfen. 86) a d
d e d itio n e m V o U c o s s e p t u a g e s i m o d e m u m a n n o s u b e g i t : Liviua VI. 2.

Auch Eutropius und Orosius haben es von siebzig Kriegejahren


verstanden, die sich freylich auf keine Weise herausrechnen lassen:
daher die Kritik Hülfe in den verwegensten Aenderungen ge­
sucht hat. Es sind aber grade 70 Jahre vom Frieden bis auf
die Einnahme der Stadt, und die Volsker welche in Roms Un­
glück abfielen, eben die welche jenen 295 eingegangen waren.
{band II.] — 231 —

n ä h m e d e r A n t i a t e r u n d E c e t r a n e r a n d e n F e r i e n d e r drey*
v e r e i n i g t e n V ö l k e r , b e t r i f f t , w e n n s ie G r u n d h a t , d ie s e
v i e l j ä h r i g e B e f r e u n d u n g , w e lc h e a ls o b e s i e g e l t w a r d 586).
N a c h d em S in n d e r A n n a lis te n m u s s te R o m u n te r
a lle n U m s tä n d e n h o c h fa h re n d u n d u n b ie g s a m a u f tr e te n :
d a h e r w a r d ie R ä u m u n g e i n e r C o lo n ie i h n e n e in z u v e r ­
h e i m l i c h e n d e s A e r g e r n i s s ; d ie W e i s h e i t d e s E n t s c h l u s s e s
e in e n B u n d , d e s s e n M a c h t b e y w e ite m ü b e rle g e n w a r, u m
e in e n P r e is a u fz u lö s e n d e r s ic h d o c h n ic h t v ie l l ä n g e r
b e h a u p t e n l i e s s , d e n K r i e g a u f d ie A e q u e r a l l e i n z u b e ­
s c h r ä n k e n , — a h n d e t e n s ie n i c h t . N i c h t n u r d i e s e r Z w e c k
w a rd e r r e ic h t; es e rw u c h s e n in H in s ic h t a u f L a tiu m u n ­
e rw a rte te V o rth e ile a u s d e m U n g lü c k d e r le z te n J a h r e .
291 D e r l a t i n i s c h e S t a a t i s t s e i t d e m g r o s s e n v p l s k i s c h e n K r i e g
v ö llig a u fg e lö s s t: h ä tte e s n o c h e in e n L a n d ta g g e g e b e n ,
s o w ü r d e n d ie A r d e a t e r u n d A r i c i n e r d o r t u n d n i c h t z u
R o m A u s t r a g ü b e r d e n B e s i z d e r ö d e n M a r k v o n C o rio li
g e s u c h t h a b e n : d ie L a t i n e r w ä r e n d ie n o t h w e n d i g e n V e r ­
m ittl e r d e r U n r u h e n z u A rd e a g e w e s e n , u n d d ie s e S ta d t
h ä t t e n i c h t a b g e s o n d e r t e in e n V e r t r a g m i t d e n R ö m e r n g e ­
s c h l o s s e n . W o h l d ie g r ö s s e r e Z a h l d e r d r e y s s i g S t ä d t e w a r i n
d e r G e w a lt d e r E r o b e r e r o d e r l a g z e r s t ö r t : e t l i c h e m ö g e n s i c h
d u r c h V e r t r ä g e g e s i c h e r t h a b e n , s o g a r B ü n d n i s s g e g e n d ie
e h e m a l i g e n G e n o s s e n , w e lc h e k e i n e n S c h u z g e w ä h r e n k o n n t e n ,
e i n g e g a n g e n s e y n : T u s c u lu m , B o v illä , A r ic ia ,L a n u v iu m , L a u -
re n tu m , T e lle n a , u n d w o h l n o c h e in ig e a n d re , h a b e n s ic h
o f f e n b a r i n R o m s C l ie n te l b e g e b e n : a n s t a t t d e r f r ü h e r e n
Ö l e i c h h e i t d e s g a n z e n S t a a t s a u s d e m s ie a l s T r ü m m e r
ü b r i g w a r e n : u n d w a h r l i c h w ä r e d ie s e j e z t s e l b s t f ü r i h r e
G e s a m m t h e i t u n a n g e m e s s e n g e w e s e n . W o d ie L a t i n e r n u n
e r w ä h n t w e r d e n , k o m m e n s ie a l s a b h ä n g i g v o n R o m s H o ­
h e i t u n d S c h u z v o r , b i s s ie n a c h d e r g a l l i s c h e n Z e i t d i e s e
U n t e r t h ä n i g k e i t a b w e r f e n ; u n d so. b e g r e i f t e s s i c h w ie d ie
G e s c h ic h ts c h re ib e r h a b e n g la u b e n k ö n n e n L a tiu m s re c h t­
m ä s s ig e s V e rh ä ltn is s s e y n ie e in a n d e r e s , s e in A n s p r u c h
a u f G l e i c h h e i t E m p ö r u n g g e w e s e n . D ie M a c h t d e r A e q u e r
h a t t e k e i n e n B e s t a n d ; u n d a l s s ie v e r f ie l e r o b e r t e n d ie
R ö m e r, n u n f ü r s ic h a l le in , m a n c h e n f r ü h e r a n je n e g e -

SSß) Dionysius IV. 49. p. 250. a. Die Zurückführung auf


König Tarquinius kommt hiebey nicht in Erwägung.
— 232 — [b a n d п.]

k o m m e n e n O r t : — so w u c h s i h r S t a a t d u r c h d ie Z e r ­
tr ü m m e r u n g v o n L a t iu m , h is s e in e h e r g e s te llte G rö sse a n
d e r A lia z u m z w e y te n m a l fü r e in e Z e it g e b r o c h e n w a rd .
D i e H e r r s c h a f t d e r A e q u e r u m f a s s t e d e n A l g i d u s 587) : 292
n i c h t d ie w e s t l i c h d a v o n l i e g e n d e n B e r g e , d a d ie E ö m e r
i h n e n s o o f t a u f j e n e s H o c h l a n d e n t g e g e n g i n g e n . V e litr ä ,
d a s s e lb e s ü d lic h b e g rä n z e n d , w a r n u n u n z w e ife lh a ft in d e r
V o ls k e r G e w a lt, d ie s ic h d o r t s e h r z a h lr e ic h n ie d e rg e la s s e n
h a b e n m ü s s e n , w e i l e s i n d e r F o l g e g a n z a l s e in e S t a d t
d ie s e r N a tio n g e re c h n e t w a rd . S ic h e r is t k e in G ru n d zu
b e z w e i f e l n , d a s s d ie O r te , w e l c h e d a s d o p p e l t e V e r z e i c h ­
n i s s d e r a n g e b l i c h e n E r o b e r u n g e n C o r io la n s e n t h ä l t , w i r k ­
l i c h a l l e v o n d e n V o l s k e r n u n d A e q u e r n e in g e n o m m e n
w o r d e n s i n d , n u r n ic h t im L a u f e in e s F e ld z u g s . V on
O r te n d ie d o r t V o rk o m m e n , u n d s ic h u n te r d e n d re y s s ig
l a t i n i s c h e n f i n d e n , g e h ö r t e L a v i c i d e n A e q u e r n a ls e s 3 3 6
e r o b e r t w a r 88) : C o rb io 2 9 6 89) : S a t r i c u m i s t i n d e n j ü n g e r e n
K r i e g e n n a c h d e r g a l l i s c h e n Z e i t i n d e r A n t i a t e r G e w a lt,
n n d n i c h t e t w a a l s e in e n e u l i c h e E r o b e r u n g 90) : C o rio li
l a g n a c h d e r D e c e m v i r a l z e i t z e r s t ö r t , u n d d ie b e n a c h b a r t e n
S t ä d t e s t r i t t e n s i c h ü b e r d ie w ü s t e F e l d m a r k 91) : C irc e ji
m u s s t e a u f g e h ö r t h a b e n e in e l a t i n i s c h e S t a d t z u s e y n , d a
3 6 1 e i n e C o lo n ie h i n g e s a n d t w a r d 92) : C a r v e n t u m , w e lc h e s
v e r m u t h l i c h g e m e y n t i s t w o e i n S c h r e i b f e h l e r s e y n m u s s 93),
w a r d n o c h g e g e n d ie M i t t e d e s v i e r t e n J a h r h u n d e r t s , a ls 293
d ie M a c h t d e r A e q u e r s c h o n s e h r h e ra b g e k o m m e n w a r,
w i e d e r h o l t v o n i h n e n b e h a u p t e t 94) . V o n d e n a l b e n s i s c h e n
O rte n u n te r je n e n E ro b e ru n g e n w e rd e n L o n g u la u n d P o -

587) Sie lagerten dort èv oixeta y jj : Dionysius X. 21. p.


647. b. 88) Livius IV. 45. 89) Ders. III. 28. 30.
90) Ders. VI. 8. u. ferner. 91) Ders. III. 71. 92) Diodor
XIV. 102. 93) Im Dionysius kommen VIII. 19. p. 495. b.
und 36. p. 509. b. die K o p to k a vo i als Bürgerschaft zwey ver­
schiedener von Coriolanus eroberter Städte vor, von denen jene
in der Gegend von Corbio, diese in der von Satricum, Longula
und Polusca gedacht werden muss. Das ist eben die Lage von
Corioli, also liegt der Fehler an der ersten Stelle; die Aenderung
K o p o e v r a v o z ist höchst gering, und die a r x C a r v e n t a n a , wie sie
bey Livius vorkommt, muss in der angegebenen Gegend gesucht
werden. 94) Livius IV. 53. 55.
[baud II.] ~ 233 —

l u s c a a l s a n t i a t i s c h g e n a n n t 595) : z u B o l a , w e l c h e s h e y d e r
E i n n a h m e e i n g e ä s c h e r t s e y n s o ll, m ü s s e n d i e E r o b e r e r e i n e
C o lo n ie a n g e s i e d e l t h a b e n , d a d ie B o l a n e r u n t e r 3 3 9 e i n
a q u i s c h e s V o lk h e i s s e n , u n d n a c h d e r g a l l i s c h e n Z e i t a l s ­
b a l d m i t d e n A e q u e r n v e r e i n i g t w a r e n 96). Y i t e l l i a 97) k a m
u m d ie n ä m l i c h e Z e i t w ie L a v i c i u n d B o l a i n d e r R ö m e r
G e w a lt, w e l c h e a u c h d o r t h i n C o lo n e n s a n d t e n , d ie 3 6 1 v o n
d e n A e q u e r n v e r t r i e b e n w u r d e n 98). N a c h d i e s e n B e y s p i e l e n
d a r f n i c h t n u r d ie E r w ä h n u n g d e r E i n n a h m e v o n T o l e r i a
u n d P e d u m a l s e in e h i s t o r i s c h e N a c h r i c h t g e l t e n ; s o n d e r n
a u c h d ie ü b e r B o v i l l ä u n d L a v i n i u m " ) : n u r k a n n j e n e s ,
w e l c h e s d ie S t r a s s e v o n R o m n a c h A r i c i a s c h l o s s , n i c h t
l a n g e i n d e r V o lö k e r M a c h t g e b l i e b e n s e y n , n o c h L a v i n i u m
284 s i c h d a r i n b e f u n d e n h a b e n a l s A r d e a e in B ü n d n i s s m i t
R o m s u c h te . D i e s e S t ä d t e m ö g e n f ü r d ie R ä u m u n g v o n
A n tiu m z u rü c k g e g e b e n se y n .
I n w e l c h e m U m f a n g d ie U r h e b e r j e n e r H e r z ä h l u n g e n
d ie v o l s k i s c h e n E r o b e r u n g e n d a r s t e l l e n w o l l t e n i s t n i c h t
z u e r r a t h e n : d a s i s t k l a r d a s s s ie e i n e n T h e i l a l s s c h o n
a u s g e f ü h r t v o r a u s s e z e n : w ie d e n n s o w e n i g A n t i u m u n d
V e l i t r ä a l s F e r e n t i n u m d a r u n t e r V o rk o m m e n , w e l c h e s l e z t e
d o c h h a t w i e d e r g e w o n n e n w e r d e n m ü s s e n 600). W a r d ie s e
P e ls e n s ta d t n ic h t g e s c h ü z t, so h a t d a s , d e r v o ls k is c h e n
H a u p t s t a d t E c e t r a e b e n so n a h e g e l e g e n e , s e i t d e m V e r ­
lu s t v o n V e litr ä u n d d e s A lg id u s v o n d em ü b rig g e b lie b e ­
n e n L a tiu m a b g e s c h n itte n e , S ig n ia s ic h g e w is s n ic h t b e -

595) Ders. II. 33 . Dionysius VIII. 8 5 . p. 551. d. Der lezte


fand diese Orte albensische genannt, woraus er VIII. 36 . p. 5 0 9 . b.
eine einzelne Gemeinde der Albieter gemacht hat. K s r ta mag
bey ihm verschrieben seyn : Mugilla hat Jacob Gronovius vor­
trefflich bey Livius emendirt: gegen den falschen Schein der für
die Vulgata gebraucht ist bemerke ich dass N ovelli — Livius
XLT. 5. — als Beyname der Gavillier zu verstehen ist
9б) Livius IV. 49 . VI. 2. 97) Dieses und Trebia (Trevi über
Bubiaco, gewisB hernikisch : oben Th. II. S. 9 4 .) fehlen bey Dionysius:
wenigstens das lezte lag jenseits des Kreises auf den sich die
von ihm gewählte Darstellung beschränkt. 9Ö) Livius V. 2 9.
") Dionysius lässt es unentschieden ob Lavinium sich er«
geben habe: es mochte ihm zu viel scheinen von der heiligen
S ta d t der Latiner: Livius sagt es bestimmt, nach der steten Weise
der alten Annalen. 6Ü0) Livius V. 2 9.
— 234 — [bànd II.]

h a u p t e n k ö n n e n : d ie W i e d e r e r o b e r u n g , u n d d ie G r ü n d u n g
e i n e r l a t i n i s c h e n C o lo n ie i n i h r e n M a u e r n , h a t L i v i u s ü b e r ­
g a n g e n , e b e n w ie f ü r C i r c e j i ; w a s ü b e r d i e s e s f e s t s te h t ,
d a s s d i e C o lo n ie w e lc h e d a s e l b s t im h a n n i b a l i s c h e n K r ie g
v o r k o m m t e i n e a n d r e a l s d ie d e s K ö n i g s T a r q u i n i u s w a r ,
i s t v o n S i g n i a f ü r e b e n s o g e w i s s z u h a l t e n , u n d u m so
m e h r d a d ie u r s p r ü n g lic h e rö m is c h g e w e s e n s e y n m u ss,
w ie s i e d e n n n i c h t , w ie C i r c e j i , im J a h r 2 6 1 u n t e r d e n
l a t in is c h e n S tä d te n g e n a n n t w ird . D a s s d ie n o c h e n t l e g ­
n e r e n , n o c h m e h r v e r e i n z e l t e n O r t e , C o ra , N o r b a u n d S e tia ,
u n f e h lb a r g le ic h e s S c h ic k s a l g e h a b t h a b e n , is t s c h o n b e ­
m e r k t w o r d e n 601).
T i b u r u n d P r ä n e s t e w e r d e n i n d i e s e n Z e i t e n n ie g e ­
n a n n t : e s i s t a b e r e i n l e u c h t e n d d a s s d ie A e q u e r u n m ö g lic h
d e n A lg id u s h ä t t e n b e s iz e n k ö n n e n w e n n d ie s e s ta rk e n 295
S tä d te ih n e n fe in d lic h g e w e s e n w ä re n . A l s j e n e s Y o lk , *
nach d e r g a llis c h e n Z e it, p lö z lic h v o m S c h a u p la z v e r­
s c h w u n d e n is t, e rs c h e in t P r ä n e s te ü b e r P e riö k e n h e rrsc h e n d ,
von dem ü b r ig e n w ie d e r e r s ta n d e n e n L a tiu m g e s o n d e rt:
T i b u r n o c h a m E n d e d e s v i e r t e n J a h r h u n d e r t s , a ls d e r
la t i n i s c h e S t a a t v ö llig h e r g e s te llt w a r: h u n d e r t J a h r e frü h e r
m ü s s e n b e y d e S t ä d t e v o n d e n S i e g e r n a b h ä n g i g , o d e r m it
ih n e n v e rb ü n d e t g e w ese n seyn. D a L a v i c i i h n e n g e h ö r te ,
w a r g e w is s a u c h G a b ii d e n K ö rn e rn e n tfre m d e t. D ie s e s
m u s s v o r d e r E n t s c h e i d u n g ü b e r L a t i u m , d ie n a c h d e m
K r ie g d e s P . D e c iu s e i n t r a t , s c h o n u n b e d e u te n d g e w ese n
s e y n , d a e s d a b e y n i c h t g e n a n n t w i r d : o f f e n b a r w a r es
e n tw e d e r in d e n Z e ite n d e r ä q u is c h e n U e b e r m a c h t o d er
w ä h r e n d d e s g a llis c h e n Z u g s v e rh e e rt w o rd e n . D a s s d ie
e h e m a lig e G rö s s e d ie s e r S ta d t k e in e F a b e l w a r , e rk a n n te
D io n y s iu s a n d e n T rü m m e rn ih r e r w e ite n R in g m a u e rn u n d
m ä c h t i g e n G e b ä u d e : a u c h b is a u f u n s e r e T a g e z e u g e n d a ­
f ü r d ie M a u e r n d e r j u n o n i s c h e n C e l l a : w ä r e e in e s o lc h e
S t a d t n i c h t e i n s m a l s so v e r w ü s t e t w o r d e n d a s s s ie s ic h
n i e w i e d e r e r h o l t e , so k ö n n t e s ie u n m ö g l i c h s e i t d e r R e ­
g i e r u n g d e s le z te n K ö n ig s n u r e in e in z ig e s m a l e rw ä h n t
w e r d e n : n ä m l i c h 3 7 1 , w o d ie G a b i n e r ü b e r P l ü n d e r u n g
ih r e r F e ld m a rk d u r c h d ie P r ä n e s t i n e r k l a g t e n 2). D as

eoi) Oben Tb. II. S. 123. Livius VI. 21.


[ b a u d II.] — 235 —

z e i g t n u r d a s s s ie n i c h t g a n z v e r l a s s e n w a r , w ie i n C ic e r o s
T a g e n 603) : e s m o c h te e i n n o c h k l e i n e r e r T h e i l d e s a l t e n
U m fa n g s b e w o h n t s e y n a ls z u O lb ia , P is a o d e r S o e s t.

296 D er ä q u is c h e K rie g b is zum D e c e m v ira t.

E s w a r u m so n o t h w e n d i g e r d ie v e r b ü n d e t e n a u s o n i s c h e n
V ö lk e r z u t r e n n e n , d a d ie S a b i n e r f o r t w ä h r e n d d a s r ö m i ­
s c h e G e b i e t m i t E i n b r ü c h e n h e i n i s u c h t e n ; j a d ie A e q u e r
a lle in s ta r k g e n u g w a re n u m e s b e re u e n zu m a c h e n d a ss
e in c o n s u l a r i s c h e s H e e r h i n r e i c h e n d g e s c h i e n e n i h r e M a c h t
zu b e ste h e n . L . M in u c iu s w a rd a u f d e m A lg id u s g e s c h la ­
g e n ( 2 9 6 ) , u n d i n s e in e m L a g e r e i n g e s c h l o s s e n : a u s d i e s e r
B e d r ä n g n i s s r e t t e t e i h n d ie v o n R o m , d a s e i n C o lle g e
g e g e n d ie S a b i n e r s t a n d , h e r b e y g e f ü h r t e H ü l f e : w e i l a b e r
d ie S c h l a c h t d u r c h s e i n e S c h u l d v e r l o r e n w a r , s o m u s s t e
e r a b d a n k e n , u n d Q. F a b iu s ü b e rn a h m d a s H e e r a n s e in e r
S t a t t <*).
H ö c h s te n s a u f d ie s e n fa rb e n lo s e n U m ris s b e s c h r ä n k t
s ic h d e r A n th e il d e r G e s c h ic h te a n d e r E r z ä h lu n g v o n
d ie s e m F e l d z u g : w e n n e in A n n a l i s t d ie F ü h r u n g d e s E n t -
s a z e s d e m T . Q u i n c t i u s z u g e s c h r i e b e n h a t 4), so i s t d a s
s ic h e r n u r e in e W ie d e r h o lu n g a u s dem J a h r 2 9 0 . N ach
d e r o b e n e r k lä r te n O rd n u n g h a tte e in F e ld h a u p tm a n n m it
c o n s u l a r i s c h e r G e w a l t d e n B e f e h l ü b e r d ie R e s e r v e w e lc h e
m den E n ts a z a u s g e fü h rt h a b e n m u ss; es is t a b e r d u rc h a u s
u n w a h r s c h e i n l i c h d a s s e r e in e m d e r B l u t r i c h t e r v e r l i e h e n
s e y n s o llte , i n w e lc h e m A m t T . Q u i n c t i u s g r a d e d a m a ls
s ta n d . E n t w e d e r i s t in d e r T h a t e in D i c t a t o r e r n a n n t

603) Cicero p ro P la n e. У. (23). a) Schwegler II. 729 ;


Nitzsch Röm. Annalistik 120. 4) Bey Dionysius X. 23. p.
650. b. sendet der Custos urbis Q. Fabius den kräftigsten Theil
seiner Truppen unter Quinctius: wenn nachher, 24. p. 651. a,
Cincinnatus diese Truppen unter seinen Befehl nimmt, so ist das
wieder das Bestreben zwey Erzählungen zu verschmelzen, anstatt
unter ihnen zu wählen. — In dem 1817 entdeckten hierher ge­
hörigen Fragment der Fasten zeigt sich die gewöhnliche Umkeh­
rung: Minucius ist nicht für das ganze Jahr Consul, nicht aber
weil er abdanken musste, sondern er folgt als suffectus einem
Ändern dessen Name verloren ist.
— 236 — [ b a n d ÏI.J

w o rd e n o d e r Q. F a b iu s , d e r n a c h h e r d a s H e e r ü b e rn a h m ,
h a tte e s a u c h g e re tte t. Y o g t d e r S t a d t w a r e r g e w is s
n ic h t, w e n n ih m d a m a ls o d e r n a c h h e r e in A u f tr a g g e g e b e n
w a r d d e r [ih n ] v o n ß o m e n tf e r n t h ie lt.
H ä t t e n n u n d ie s p ä t e r e n A n n a l i s t e n n u r d i e s e n e in ­
f a c h e n B e r i c h t g e f u n d e n , s o w ü r d e n s ie i h n m i t m e h r e r e n ,
w a h r s c h e in lic h m is lu n g e n e n Z u s ä z e n j e n e r A r t e rw e ite rt
h a b e n : a u c h a n b e s tim m te n Z a h le n u n d ä n d e r n E rd ic h ­
t u n g e n h ä t t e n Y a le r iu s A n tia s u n d s e in e s G le ic h e n es n ic h t
fe h le n la s s e n . A b e r e in e s e h r a u s g e b i l d e t e d i c h t e r i s c h e
S a g e ü b e r t r u g d e n E n t s a z d e s b e l a g e r t e n H e e r s a u f e in e n
g e f e y e r t e n N a m e n : d ie s e w a r d a u f g e n o m m e n , u n d m a n b e ­
m ü h te s ic h n ic h t w e ite r m it d em a lte n B e r ic h t: e r i s t
d a h e r , a u f d i e S e ite g e d r ä n g t , i n s e i n e r E i n f a l t e r h a l t e n :
d e n n je n e A n n a lis te n w a re n zu h a u s h ä lte ris c h u m g an z
w e g z u w e r f e n w a s s ic h ir g e n d b r a u c h e n lie s s . D e r In h a lt
d e s G e d ic h ts i s t o h n e F r a g e s e h r a l t ; L iv iu s h a t ih n m it
s o s c h ö n e m S in n b e w a h r t d a s s n u r u n b e d e u te n d e Z üge
e in e r u n z w e if e lh a f t s ic h e rn E r g ä n z u n g o d e r H e rs te llu n g
b e d ü rfe n .
D ie A e q u e r h a t t e n F r i e d e g e s c h l o s s e n ; d e n n o c h f ü h r t e
G r a c c h u s C lö liu s s ie w i e d e r a u f d e n A l g i d u s , u n d s ie e r ­
n e u e r t e n i h r e jä h r l i c h e n P lü n d e r u n g e n . E in e rö m is c h e G e­
s a n d t s c h a f t k a m i n d a s L a g e r u m ü b e r d ie U n g e r e c h t i g ­
k e i t z u k l a g e n : s ie w u r d e n v e r ä c h t l i c h a u f g e n o m m e n : d e r
ä q u i s c h e I m p e r a t o r v e r b o t i h n e n i h m l ä s t i g z u f a l l e n : s ie
m ö c h t e n i h r e K l a g e n d e r E i c h e e r z ä h l e n u n t e r d e r e n w e ite m ш
S c h a tte n s e in T r ib u n a l e r r ic h te t w a r. D ie G e s a n d te n em ­
p f i n g e n d a s s c h n ö d e W o r t a l s e i n O m e n : d e r G e is t, w e lc h e r
J u p i t e r s h e i l i g e n B a u m b e l e b t e , v e r n a h m v o n i h n e n d ie
U n g e r e c h t i g k e i t d e r S t o l z e n , u n d d ie S e u f z e r d e r B e ­
d rä n g te n .
A b e r d ie A h n d u n g z ö g e rte . M in u c iu s w a rd g e s c h la g e n
u n d u m r i n g t : f ü n f K e u te r , w e l c h e e n t k a m e n e h e d ie L i n i e n
g e s c h l o s s e n w a r e n w o m it d ie A e q u e r d a s r ö m i s c h e L a g e r
u m z i n g e l t e n , b r a c h t e n d ie B o t s c h a f t . A ls b a ld e rn a n n te n
d i e P a t r e s L . C i n c i n n a t u s z u r D i c t a t u r : d ie E r n e n n u n g
ü b e r b r a c h t e i h m e i n W e i b e l 605) n a c h d e r v a t i c a n i s c h e n

605) v ia to r : Plinius XVIII. 4. Bey Livius ist es eine Depu­


tation; noch weit pomphafter bey Dionysius.
| band п.] — 237 —

F e l d m a r k 606), w o e r e i n e H u f e v o n v i e r J u g e r n b a u t e . E s
w a r S o m m e r z e it^ u n d d e r d e n s e i n V o lk z u k ö n i g l i c h e r
G e w a lt e rh o b , tr ie b s e in e n P f lu g u n b e k le id e t b is a u f e in e n
S c h u r z 7) : w ie d e r L a n d m a n n i n d e r S o n n e n g l u t h z u a r ­
b e ite n g e w o h n t w a r. D e r B o t e e r m a h n t e i h n d ie B e f e h l e
d es S e n a ts u n d d e r B ü r g e r s c h a f t b e k le id e t z u v e r n e h m e n :
B a c i l i a , d ie H a u s f r a u , r e i c h t e i h m s e i n e T o g a . A m G e­
s ta d e la g e in N a c h e n b e r e i t : a m ä n d e r n U fe r e m p fin g e n
ih n d ie V e tte r n u n d a lle B e f r e u n d e te v o n d e n G e s c h le c h ­
te rn , u n d d re y S ö h n e : s e in L ie b lin g s s o b n w a r n ic h t b e y
ih n e n , e r w a r v o r d e m G e r i c h t i n s E l e n d g e w i c h e n .
A m M o rg e n , v o r T a g e s a n b ru c h , w a r d e r D ic ta to r a u f
dem F o ru m . E r e rn a n n te zu m O b e rste n d e r E e is ig e n
L . T a r q u i t i u s , so a d e l i c h , s o m a n n h a f t u n d so a r m w ie e r
s e l b s t : l i e s s a l l e B u d e n s c h l i e s s e n , a lle F r i s t e n h e m m e n ,
je d e rm a n n zu d e n F a h n e n s c h w ö re n ; u n d v e ro rd n e te d a s s
a lle W a ffe n fä h ig e g e r ü s te t , m it S p e is e a u f f ü n f T a g e , u n d
j e d e r m i t z w ö lf S c h a n z p f ä h l e n , b e y S o n n e n u n t e r g a n g a u f
d e m F e l d e v o r d e r S t a d t 8) b e r e i t s t e h e n s o l l t e n . W ä h r e n d
d ie A u s z i e h e n d e n , w e n n s ie d ie P f ä h l e g e h a u e n , W e h r u n d
W a f f e n n a c h g e s e h e n h ä t t e n , r a s t e t e n , s o l l t e n d ie w e lc h e
z u r ü c k b l i e b e n i h n e n d ie K o s t b e r e i t e n . W a s b e f o h l e n w a r ,
g e s c h a h ; a u f d e m M a r s c h e r i n n e r t e n d ie B e f e h l s h a b e r d ie
L e g i o n e n e i n g e d e n k z u s e y n d a s s d ie L a n d e s l e u t e s e i t d r e y
T a g e n u m r in g t w ä r e n ; u n d a u s fre y e m T r ie b e r m u n te rte n
s ic h F a h n e n t r ä g e r u n d F u s s k n e c h te d e n S c h r it t z u v e r ­
d o p p e l n . Z u r M i t t e r n a c h t h a t t e n s ie d e n A l g i d u s e r r e i c h t ,
u n d d ie N ä h e d e s f e i n d l i c h e n L a g e r s , w e lc h e s d a s r ö m i s c h e
in s e in e r M itte e in s c h lo s s : r u n d u m je n e s lie s s d e r D ic ta to r
d e n l a n g e n Z u g 9) d e r s e i n i g e n v o r w ä r t s g e h e n b i s e i n

606) So Plinius a. a. 0. — nach Livius unter Trastevere.


7) campesire. 8) M artio in campo sagt die Vulg. Livius
III. 27: im Cod. F lo r . fehlt hier ein Blatt: eine gute Handschrift,
L eid. 2., lässt M artio w eg; sehr richtig: denn da es nach dem
Algidus geht, kann liier nur die Bede von dem Campus Caeli-
m ontanm seyn, dem Campus m inory — s. Scaliger zu Catull LV.
9) agmen longum ist der Colonnenmarsch, welcher für die
damalige Z eit so za denken ist dass Centurie auf Centurie, vier
Mann in der Front auf fünf Mann tief, von der ersten Klasse,
«ich folgten: nach ihnen die von der zweyten und dritten: die
— 238 — [b a n d п .]

K r e is d ie A e q u e r u m r in g te : d a n n H a l t m a c h e n u n d b e ­
g in n e n e in e n G ra b e n z u z i e h e n , u n d e in e n W a ll a u fz u ­
w e r f e n a u f d e m d ie m i t g e b r a c h t e n P f ä h l e g e p f l a n z t w u r d e n .
A l s s ie a n s W e r k s c h r i t t e n , e r h o b e n s ie d a s rö m is c h e
F e l d g e s c h r e y : d a s v e r k ü n d i g t e d e n V ö l k e r n d e s C o n su ls , зоо
d ie e r s e h n te H ü lf e s e y a n g e l a n g t ; u n d s ie s ä u m te n n ic h t
h e ra u s z u fa lle n . D i e A e q u e r s c h l u g e n m i t i h n e n d ie g a n z e
N a c h t b i s z u m e r s t e n T a g e s l i c h t 610) : d a e r b l i c k t e n s ie d ie
u m z in g e ln d e S c h a n z e v o lle n d e t u n d u n ü b e r s te ig lic h : u n d
n u n f ü h r t e C i n c i n n a t u s d ie C o h o r te n g e g e n d a s L a g e r d e s s e n
in n e r e E ü n d u n g v o n M in u c iu s b e s tü r m t w a rd . G an z v e r­
z a g t f l e h t e n s i e , n i c h t a lle z u v e r t i l g e n : d e r D i c t a t o r b e f a h l
d a s s G r a c c h u s C lö liu s u n d s e i n e O b e r s t e n i n K e t t e n ü b e r ­
g e b e n w ü r d e n ; d e r M e n g e s c h e n k t e e r d a s L e b e n : d ie
S t a d t C o r b io , m i t A lle m w a s s i c h i n i h r b e f a n d , w a r P r e i s
d e r V e rsc h o n u n g . S ie l e g t e n W e h r u n d W a f f e n v o r d e m
S i e g e r n i e d e r ; n a c h d e r S i t t e w a r d i n d e r L i n i e , w e lc h e
s i e g e f a n g e n h i e l t e in e O e f f n u n g g e r i s s e n , d a r i n z w e y
S p e e r e g e p f la n z t, e in d r i t t e r ü b e rz w e r c h in d e r H ö h e g e ­
b u n d e n ; h i e r z o g e n s ie h i n a u s . D as L a g e r, E osse und
S a u m th ie r e , a lle s Z e u g u n d G e p ä c k , a lle H a b e d e r M an n ­
s c h a f t a u s s e r d e r T u n i c a d ie j e d e r t r u g , a l l e s b l i e b d e n
S ie g e rn . A n d e r B e u t e w i e a m T r i u m p h w a r d M in u c iu s
u n d d e n S e i n i g e n k e in A n t h e i l g e s t a t t e t : s ie m u r r t e n n i c h t :
v ie lm e h r b e g r ü s s te n s ie d e n D ic ta to r d a e r n a c h E o m z u ­
r ü c k k e h r t e a l s P a t r o n u s 11) , u n d w e i h t e n i h m e i n e n g o ld - зоі
n e n K r a n z , e i n P f u n d s c h w e r 12). D e r T r i u m p h d e r k e in e

Schlachtordnung bildete sich möglichst einfach durch Einschwen­


ken: — agm en quadratum ist der Marsch in Schlachtordnung
▼or dem Feinde.
61°) lu ce p rim a . Die alba vor der Morgenröthe, wofür unsre
Sprache kein Wort hat: wie denn unser Norden ihre Herrlich­
keit so wenig kennt als der Süden den Reiz unsrer Abenddäm­
merung. H) Es trifft auffallend zusammen dass das Heer
des M. Minucius die Legionen des Dictator Fabius eben so be-
grüset: Livius XXII. 29. 30. Ist nun dies erst sehr spät von
Marcus auf seinen Gentilis Lucius übertragen : oder hat die Gen-
tilität an die Sache erinnert, und sie zu wiederholen veranlasst?
12) Bin Pfund Gold sind 10000 Asse: das macht auf die
damalige Legion von 3000 Mann, für jeden drey Asse und einen
Triens: eine ächt alte Sagenzahl, und Löhnung eines Tage.
[band II.] — 239 —

M u t t e r e i n e T h r ä n e k o s t e t e , w a r e in T a g d e s J u b e l s : v o r
a lle n H ä u s e r n v o n d e m c a p e n is c h e n T h o r b is a n d a s F o ­
r u m , s t a n d e n T i s c h e g e d e c k t : d ie E i n z i e h e n d e n , s c h w e r
m it B e u te b e la d e n , la b te n s ic h a n d e m D a r g e r e ic h t e n ;
u n d d ie f e y e r n d e n B ü r g e r e r h o b e n s i c h v o m F e s t m a h l ,
f o l g t e n d e m Z u g a u f d a s K a p i t o l , u n d s t i m m t e n i n d ie
lu s tig e n S o ld a te n lie d e r.
D e n M a a s s s t a b h i s t o r i s c h e r M ö g l i c h k e i t a) e r t r ä g t d ie s e
S a g e s o w e n i g a l s e in e v o n d e r k ö n i g l i c h e n Z e i t : a b e r
e b e n so w e n i g a l s d o r t d a r f e r a n g e w a n d t w e r d e n . D er
D ic h te r, s e y es d a s s e r s a n g o d e r e rz ä h lte , b r a u c h te n ic h t
z u b e a c h te n d a s s , w e n n fü n f S c h a n z p f ä h le e in e s c h w e re
B ü r d e f ü r d e n a b g e h ä r t e t e n S o l d a t e n w a r e n , d ie L e u t e
e in e s a l l g e m e i n e n A u f g e b o t s u n t e r d e r L a s t v o n z w ö lf e n
v ö l l i g e r l e g e n s e y n w ü r d e n : — d a s s e in e so g r o s s e Z a h l
n u r d a n n g e b r a u c h t w e r d e n k o n n t e w e n n d e r K r e i s so
g r o s s w a r d a s s , w e n n d ie S o l d a t e n a l l e a u f e in e L i n i e g e ­
s t e l l t w a r e n , a u f j e d e n e in e K l a f t e r G r u n d k a m ; w o d e n n ,
z u g e s c h w e i g e n w ie l a n g e Z e i t e s e r f o r d e r t h a b e n w ü r d e
b i s j e d e r s e i n S t ü c k W a l l u n d G r a b e n v o lle n d e te , e i n A u s ­
f a l l d e r A e q u e r , w e l c h e M in u c i u s w e i t ü b e r l e g e n w a r e n ,
302 n a c h i r g e n d e i n e r S e i t e h i n , a l l e s z e r s p r e n g t h a b e n w ü r d e :
— • d a s s k e i n B o te d e n W e g v o n R o m h i s a n d e n A l g i d u s ,
m e h r a l s z w a n z i g M i llie n , z w i s c h e n S o n n e n u n t e r g a n g u n d
M itte r n a c h t h ä tte z u rü c k le g e n k ö n n e n ; u n d h ie r i s t v o n
e i n e r C o lo n n e s c h w e r g e r ü s t e t e r u n d s c h w e r b e p a c k t e r L e u t e
d ie R e d e . E r a b e r z ä h l t w e d e r i h r e S c h r i t t e n o c h d ie
S tu n d e n . N o c h m e h r m a g e r zu d e r E in w e n d u n g lä c h e ln
d a s s d ie A e q u e r m i t B l i n d h e i t u n d T a u b h e i t g e s c h l a g e n
s e y n m u s s t e n , w e n n d ie R ö m e r , r i n g s u m h e r f o r t z i e h e n d ,
u n g e s t ö r t e in e S c h l i n g e u m s ie z ie h e n , u n d v o n i h n e n im
S c h a n z e n n ic h t g e s tö r t w e rd e n s o llte n . D e n n fr e y lic h g in g
d a s n i c h t m i t m e n s c h l i c h e n D i n g e n z u : G o t t h a t t e s ie g e ­
s c h la g e n d a s s s ie n ic h t s a h e n n o c h h ö r te n , d a s F e ld g e ­
s c h r e y n ic h t v e rn a h m e n w e lc h e s z u d e n O h re n d e r E in g e ­
s c h l o s s e n e n d r a n g : e r l ä h m t e s i e : d a s w a r d ie F r u c h t d e s

Dionysius übergeht dies Geschenk ; ohne Abscheu тог Reichthum


wäre der Held ihm unrein ; und ab muss er denn auch einen An­
theil топ der Beute топ Corbio Terschmähen.
<*) Ihne R. G. I. 140.
— 240 — [band п .]

H o h n s d e r d i e B e d r ä n g t e n v e r t r ö s t e t h a t t e h e y i h m H ü lfe
z u su ch en . D e n B ö m e r n h a t t e e r d ie K r ä f t e g e s t ä r k t ; so
v o l l f i i h r t e n s ie d ie S c h a n z e v o n M i t t e r n a c h t h i s z u m e r s te n
T a g e s l i c h t , n a c h j e n e m N a c h t m a r s c h v o n m e h r a l s z w a n z ig
M illio n , a u f d ie A r b e ite n d e s v e rflo s s n e n T a g s : u n d d a n n
w a r e n s ie n o c h f r is c h g e n u g u m d e n F e i n d , d e r b is zum
A u s f a ll d e r B e la g e r te n g e r u h t h a tte , in s e in e n V e rsc h a n -
z u n g e n u n w id e r s te h lic h a n z u g re ife n .
D i o n y s i u s h a t s i c h e r l a u b t d ie s W u n d e r b a r e a b z u t h u n ;
u n d s o b l e i b t e i n e a l l e n f a l l s n i c h t u n m ö g l i c h e G e s c h ic h te ,
a ls G e rip p e u n d G ru n d d e r S ag e, d e sse n Z u sa m m e n se z u n g
s ic h d u r c h a u s n a c h w e is e n lä s s t. D ie E i n s c h l i e s s u n g u n d
G e f a n g e n n e h m u n g d e s ä q u i s c h e n F e l d h e r r n C lÖ liu s w ie d e r ­
h o l t s i c h z w a n z i g J a h r e n a c h h e r b e y A r d e a m i t w e i t h i s t o - 3oj
r i s c h e r e n Z ü g e n 613) : e s k a n n a b e r n i c h t d e r N ä m lic h e
d a s s e l b e U n g l ü c k z w e y m a l e r l e b t h a b e n , d e n n w e r im
T r i u m p h g e f ü h r t w a r d e n t g i n g d a m a ls s i c h e r d e m B e i l n ie .
E b e n s o v e r d o p p e l t , n a c h d e r D ü r f t i g k e i t d e r E r f in d u n g
r ö m i s c h e r S a g e n e r z ä h l e r , i s t d ie S c h i l d e r u n g w ie C in c in n a -
t u s s e i n e E r h ö h u n g im S c h w e is s d e r F e l d a r b e i t v e r n a h m :
d i e s e h a t D i o n y s i u s s c h o n b e y s e i n e m C o n s u l a t 14) , u n d
o f f e n b a r g e h ö r t s i e d a h i n : s e l b s t d ie G e s a n d t s c h a f t d e s
Q . F a b i u s m i t z w e y C o lle g e n , i s t s c h o n 2 8 9 d a g e w e s e n 15) :
d i e e p i s c h e B e g r ü n d u n g d e s A u s g a n g s d u r c h C lö liu s V e r ­
a c h t u n g d e r G ö tte r , w o fü r e r a u c h m it s c h m ä h lic h e m T o d
n i c h t z u h a r t b ü s s te , e h r t d e n D ic h te r . E i d b r ü c h ig w a re n
d i e A e q u e r i n d e r W a h r h e i t n i c h t : s ie h a t t e n k e i n e n F r i e ­
d e n g e s c h l o s s e n . D ie U e b e r g a b e v o n C o rb io i s t a lle m A n ­
s e h e n n a c h v o n d e n A n n a l i s t e n e r d a c h t , w e il e s im fo l­
g e n d e n J a h r v o n d e n A e q u e r n e in g e n o m m e n w a r d , u n d
d o c h s c h o n u n t e r C o r io la n s E r o b e r u n g e n s t e h t .

613) Livius IV. 10. Eine aufgeworfene Verschanzung, aber


zusammen mit dem festen Ardea, macht den Ilückaug unmöglich.
Sie wird in einer Nacht aufgelührt, Clölius von «einem Heer,
welches Abzug ohne Waffen erhält, überliefert — alles wie hier.
14) DionysiuB X. 17. p. 644. a. es ist unbegreiflich dass
er sie zweymal schreiben konnte: ёти%е xal rtjre — 24. p. 650. d.
Cicero d e eenect. 16. (56.) bringt diese JBrzUhlung sogar auf die Di­
ctator von 315: man sieht wie berühmt sie war, und wie sagen­
haft sie umher irrt. 15) Vgl. Dionysius IX. 60. p. 617. a.
mit Livius Ш. 25.
[ b a u d I I .] — 241 —
U n w i d e r s p r e c h l i c h b l e i b t d e m n a c h f ü r d ie G e s c h i c h t e
n i c h t s a ls h ö c h s t e n s d a s s C i n c i n n a t u s a l s D i c t a t o r d e n
E n tsa z a u s g e fü h rt h ä tte . U n d h ö c h s t e n s n u r d i e s : w ie ,
w e n n d i e s e r v o n Q . F a b i u s v o l l f ü h r t , ih m n u r z u g e s c h r i e b e n
304 w ä r e u m d a s t r a u r i g e A n d e n k e n z u v e r b e r g e n d a s s s e i n e
D i c t a t u r d ie A u s t r e i b u n g d e s A n k l ä g e r s s e i n e s . s c h u l d i g e n
S o h n s a u s f ü h r t e ? i l i r e i g e n t l i c h e r Z w e c k g e w e s e n w a r d ie
P l e b e j e r z u s c h r e c k e n d a s s s ie d i e V e r b e s s e r u n g d e r G e -
s e z e a u f g e b e n s o l l t e n 616) ?
D a s s C o rb io u n d O r t o n a im J a h r 2 9 7 d e n A e q u e r n
w ie d e r e n t r i s s e n , j e n e s z e r s t ö r t w o r d e n , d ü r f t e e i n e ä c h t e
N a c h r ic h t s e y n : h in g e g e n w a s b e y L iv iu s ü b e r e in e n g lo r­
r e i c h e n F e l d z u g b e y d e r C o n s u ln a u f d e m A l g i d u s im J a h r
2 9 9 g e le s e n w ir d , h a t d u r c h a u s d a s A n s e h e n a n n a lis tis c h e r
E r d i c h t u n g . E i n e a n d e r e E r z ä h l u n g , d e s e w ig e n Z u s a m m e n ­
tr e f f e n s a u f j e n e n H ö h e n s a t t , v e r s e z t d ie S c h l a c h t u n t e r
n u r e in e m C o n s u l i n d ie G e g e n d v o n A n t i u m ; u n d d e r
V e r r a th a n d em H e ld e n L .* S ic in iu s , d as s c h w a rz e V e r­
b r e c h e n d e r D e c e m v i r n , i s t s c h o n h i e r e i n g e w e b t 17) . M a n
v e r m i s s t e K r i e g s b e g e b e n h e i t e n w ä h r e n d d e r J a h r e d ie b i s
z u m D e c e m v i r a t v e r g i n g e n : d ie A n n a l e n s c h i e n e n m a n g e l ­
h a f t ; w a s h i n d e r t e s ie z u e r g ä n z e n ? W a h r s c h e i n l i c h a b e r
i s t d ie s e Z e i t h i n d u r c h n i c h t s e r h e b l i c h e s u n t e r n o m m e n
w o rd e n . Z u E o m b e s c h ä f t i g t e d a s t e r e n t i l i s c h e G e s e z a lle
зов G e m ü t h e r : u n d w e n n k e i n e z w i n g e n d e N o t h w e n d i g k e i t d a
w a r , m o c h t e n d ie T r i b u n e n d ie A u s h e b u n g w e h r e n u n d
d a r a u f b e s t e h e n . D a s s d ie s o h n e G e f a h r g e s c h e h e n k o n n t e
w a r a n fa n g s F o lg e d e s m it d e n V o ls k e rn g e s c h lo s s e n e n
L a n d r e c h t s ; a m E n d e d e s Z e i t r a u m s , d ie e i n e r e n t s e z l i c h e n

616) Die Fasten der Triumphe welche den seinigen an den


Iden des Septembers melden, sind nur scheinbar eine grosse Au­
torität: ward ihr Verfasser durch unwahre Meldungen betrogen
([Th. 2] Anm. 579.)> so fand und glaubte er auch das Datum.
Darüber muss er alles geglaubt, oder alles verlacht haben, indem
er auch angiebt an welchen Tagen der erste Tarquinius und
Servius triumphirt hätten. — Diea ist nicht das einzige Rätbsel
über Cincinnatus Würden. Bey Diodor (XII. 3) ist er zwey
Jahre nachher Consul — und dessen Fasten sind gar nicht zu
vernachlässigen. 17) Dionysius X. 43. ff. p. 668. ff. vgl.
mit Livius III. 31.
N iebuhr, Röm. Gesch. IG
— 242 — [band п.]

P e s t , w e l c h e 3 0 1 d ie a u ru n k is c h e n V ö lk e r und S a b in e r
z u g le ic h m it E o m tra f.

L a n d p la g e n und P hänom ene.

W ä h r e n d z w a n z ig J a h r e n v o r d e r E in s e z u n g des D e-
c e m v i r a t s w a r d B o m v o n a l l e n d e n k b a r e n P l a g e n , S te r b e -
l ä u f t e n , E r d b e b e n , K r i e g s u n g l ü c k , so h e i n i g e s u c h t a ls ob
d e r H im m e l d ie in s ic h z e r ris s e n e N a tio n v o n d e r E rd e zu
v e r t i l g e n b e s c h lo s s e n h ä t t e ; u n d v ie lf a c h e Z e ic h e n w o d u rc h
e i n e t i e f e E r s c h ü t t e r u n g u n d A u f r e g u n g d e r N a t u r s ic h
ä u s s e r t , v e r k ü n d i g t e n d a s s d ie Z e i t a u s d e n F u g e n sey .
E i n e ä h n lic h e V e re in ig u n g v o n a lle m E n t s e z l i c h e n m it
ä u s s e r s t e m E l e n d k a m e r s t n a c h e i n e m J a h r t a u s e n d w ie d e r
ü b e r d i e S t a d t , u n d l i e s s s i e a l s e in G r a b z u r ü c k : d r e y h u n d e r t
J a h r e n a c h d e m E o m d ie e rg b e P e s t e r f a h r e n h a t t e d e re n
V e r w ü s t u n g e n m it d e n e n je n e r f r ü h e n Z e it v e rg lic h e n w e r­
d e n k o n n te n .
D i e e r s t e E p i d e m i e k o m m t im J a h r 2 8 2 v o r : d a s
W e s e n d e r K r a n k h e it w ird n i c h t a n g e g e b e n , s o n d e rn n u r,
d a s s s i e o h n e U n t e r s c h i e d v o n A l t e r u n d G e s c h l e c h t je d e n
e r g r i f f : s i e h a b e d ie S t a d t w ie e i n G i e s s b a c h o d e r e in e
L a v a ü b e r s tr ö m t, u n d w ü rd e a lle s w e g g e r a f ft h a b e n w en n
s ie lä n g e r a n g e h a lte n h ä tte . V o n d i e s e r S e u c h e h e i s s t es
a u s d r ü c k l i c h d a s s s i e a u c h d a s a n d r e I t a l i e n t r a f 618). U e b e r
d i e z w e y t e , w e l c h e n e u n J a h r e n a c h h e r , 2 9 1 , w ü th e te , зов
f e h l t e in e s o lc h e E r w ä h n u n g , o h n e d a s s e in e g le ic h e V e r­
b r e i t u n g z u b e z w e ife ln s e y n k ö n n te : e s i s t e in e A n g a b e
d e r O p f e r e r h a l t e n , w e lc h e z u e i n e m B e g r i f f v o n i h r e r Z e r­
s t ö r u n g h i n r e i c h t , u n d z u v e r l ä s s i g u n b e d i n g t e n G la u b e n
v e r d i e n t . S i e r a f f t e b e y d e C o n s u ln h i n , d r e y V o l k s t r i b u n e n
v o n f ü n f e n , z w e y A u g u r n v o n v i e r e n , d e n O b e r c u r io , u n d
d e n v i e r t e n T h e i l d e r S e n a t o r e n 19) : w e n n n u n a u c h g e g e n
e i n e w a h r e P e s t d ie H e i l k u n s t n i c h t s v e r m a g , s o i s t d o c h
d ie S te rb lic h k e il; in d e n n i e d e r e n K l a s s e n i m m e r w e it
g r ö s s e r a l s u n t e r d e n h ö h e r e n S t ä n d e n 20) , w e il j e n e s ic h

; e 618) Ders. IX. 42. p. 599. a. 19) Ders. IX. 67. p. 623. b.
Livius III. 6. 7. 20) in der Pest von 1628 starben zu Bera
{вито п.] — 243 —

d e r A n s te c k u n g g a r n ic h t e n tz ie h e n k ö n n e n , u n d d u rc h M a n g e l
a n P f l e g e u n d N a h r u n g u m k o m m e n , d a d o c h d ie N a t u r
m a n c h e s L e b e n r e t t e t d e m s ie n i c h t g e b r a c h e n . D i e s Y e r -
h ä l t n i s s z e i g t s i c h d a d ie n ä m l i c h e S e u c h e n a c h z e h n
J a h r e n , 3 0 1 , w ie d e rk e h rte . B e y d ie s e r w a re n in d e n A n ­
n a l e n e i n e r d e r C o n s u ln , u n d d e r w e l c h e r i h n z u e r s e z e n
e r w ä h l t w a r , v i e r Y o l k s t r i b u n e n a u s z e h n , e in A u g u r , e i n e r
d e r d re y g ro s s e n F la m in e s , n a m e n tlic h u n te r d e n T o d te n
a n g e g e b e n : v ie le S e n a t o r e n , d i e H ä l f t e d e r f r e y e n E i n w o h ­
n e r u n d f a s t a l l e K n e c h t e s o lle n g e s t o r b e n s e y n 621). U e b e r
307 d ie A r t d e r K r a n k h e i t w i r d w i e d e r g a r n i c h t s g e m e l d e t :
u n d w e n n D i o n y s i u s d a s E l e n d m a h l t w e lc h e s s ie m i t s i c h
f ü h r t e , so b o r g t e r o f f e n b a r a u s T h u k y d i d e s , o d e r e r g e h t
s ic h in rh e to r is c h e r E r fin d u n g : h ö c h s te n s k a n n e r d a v o n
in den A n n a le n g e fu n d e n haben dass d a s U n g lü c k
u n d d ie N o t h d a d u r c h s e h r v e r g r ö s s e r t w ä r e n d a s s d ie
m e i s t e n L e i c h e n i n d ie C lo a k e n g e w ö lb e o d e r g r a d e h i n i n
d e n S tro h m g e w o rfe n w o rd e n , a ls H ä n d e u n d M itte l fe h lte n
s ie zn b e g r a b e n . S e in e S c h i l d e r u n g m a g i c h d a h e r so
w e n ig ü b e r tr a g e n a ls s e lb s t, n a c h d e m a ttis c h e n G e s c h ic h t­
s c h r e i b e r o d e r B o c c a c c io , d ie T r o s t l o s i g k e i t , d i e V e r z w e if ­
l u n g , d ie B e t ä u b u n g , d e n A b e r g l a u b e n , d e n L e i c h t s i n n ,
d ie H e r z lo s ig k e it, d ie F r e c h h e it e in e r s o lc h e n g r ä s s ­
lic h e n Z e it d a rs te lle n . D ie s e P e s t e rg rif f m it g le ic h e r
W u t h d ie b e n a c h b a r t e n L ä n d e r , Y o ls k e r , A e q u e r u n d S a ­
b i n e r 22) : e s is t a b e r n ic h t z u d e n k e n d a ss ih re V e rh e e ­
r u n g e n a u f d e n G e s ic h ts k re is d e r d a m a lig e n rö m is c h e n
G e s c h i c h t e b e s c h r ä n k t g e b l i e b e n s e y n s o l l t e n ; o h n e Z w e if e l
h a b e n s ie s i c h w e i t ü b e r d ie g a n z e H a l b i n s e l v e r b r e i t e t ,
u n d m a n c h e A e n d e r u n g v e r a n la s s t o d e r g e fö rd e rt. D ass

40 Glieder des grossen Raths; zusammen 3000 Personen: Meyer


v. Kno»au 1. S. 532. Der grosse Rath zählte im Durchschnitt
gewiss 250 Glieder: die Stadt hatte damals sicher nicht über
12000 Seelen, wahrscheinlich bedeutend weüiger.
Livius III. 32. Dionysius X. 53. p. 677. Dass Lucre­
tius nicht diese einheimischen Peaten geschildert hat, mochte er
auch den Stoff aus dem attischen Geschichtschreiber entlehnen
müssen, ist ein Beleg dafür wie völlig Fremdlinge in ihrem Alter­
thum die Römer in Cäsars Zeit gewesen sind* Щ Dionyëiua
а. а. О. p. 677. e.
16*
— 244 — [b a n d II.]

s i e s ic h in d a s in n e re L a n d , j a in d a s G e b ü r g , a u s b re ite te ,
l ä s s t v e r m u t h e n d a s s s ie v e r s c h i e d e n v o n d e r a t t i s c h e n
w g r w e lc h e n u r s e c h s z e h n J a h r e s p ä t e r a u s b r a c h : d e n n
d i e s e s c h e i n t s i c h , g l e i c h e i n e m g e l b e n F i e b e r , n i c h t w e it
v o n d e r S e e o d e r g ro s s e n S tr ö h m e n e n tf e r n t z u h a b e n . —
S i c h e r i s t e s h i s t o r i s c h d a s s d ie F e l d e r i n d e m E l e n d u n ­
b e s t e l l t b l i e b e n , w o rd u rc h im f o l g e n d e n J a h r H u n g e r s n o t h
k a m 623).
F ü r d i e E n t s t e h u n g d e r P e s t v o n 3 0 1 w i r d k e in e V e r- 30s
a n l a s s u n g a n g e g e b e n : d ie v o n 2 9 1 b r a c h a u s w ie d ie a t t i ­
s c h e , a l s d i e S t a d t m i t L a n d l e u t e n a n g e f ü l l t w a r d ie s ic h
m it ih re m G u t v o r d e m F e in d h in e in g e f lü c h te t h a tte n .
V o r b e r e i t e n d m o c h t e d ie a l l g e m e i n e N i e d e r g e s c h l a g e n h e i t
w u r k e n , w i e 1 8 0 0 z u C a d i x : d e r M a n g e l a n F u t t e r s e lb s t
a n W a s s e r , f ü r d a s h in e in g e trie b e n e V ie h , m u s s te K ra n k ­
h e i t e n u n t e r d e m s e l b e n e r r e g e n , w e lc h e a u c h d i e M e n s c h e n
f ü r C o n ta g io n e m p fä n g lic h e r m a c h te n , j a ih r e E n tw ic k e lu n g
f ö r d e r t e n : u n d d ie F l ü c h t l i n g e d ie a u s M a n g e l a n g a s t -
f r e u n d s c h a f t l i c h e m O b d a c h u n t e r H a l l e n o d e r f r e y e n P lä z e n
ü b e r n a c h t e t e n , w a re n in d e n H u n d s ta g e n ü n d d e m S e p ­
t e m b e r , s e lb s t in n e rh a lb d es s e r v ia n is c h e n U m fa n g s , den
b ö s a r tig e n F i e b e r n d e r J a h r s z e i t a u s g e s e z t. D ie s e lb e n U r­
s a c h e n w ü rk te n a u c h zu A th e n : a b e r d e n U rs p ru n g der
K r a n k h e i t l e i t e t T h u k y d i d e s n i c h t d a h e r ; v i e l m e h r w e is s
<er d a s s s i e a u s A e t h i o p i e n u n d A e g y p t e n k a m : v o n d o rt
w a r s i e m i t e i n e m S c h if f n a c h d e m P i r ä e u s g e b r a c h t , wo
sie., g l e i c h d e m g e l b e n F i e b e r , u n t e r j e n e n b e g ü n s t i g e n d e n
U m s tä n d e n s c h n e ll m it G e w a lts a m k e it a u s b r a c h .
E i n e n w a h r s c h e in lic h e n Z u s a m m e n h a n g h a t d e r e ig e n t­
l i c h e U r s p r u n g d i e s e r i t a l i s c h e n P o s t e n u n d d e r a tt i s c h e n ,
m i t d& a g le ic h z e itig e n v u lk a n is c h e n B e w e g u n g e n . D ie s e n
b e z w e i f e l t e n d i e Z e i t g e n o s s e n n i c h t z w i s c h e n d e r z w e y te n
a t t i s c h e n u n d d e n e n t s e z l i c h e n E r d b e b e n , d ie d o c h e b e n
A t t i k a w e n i g b e r ü h r t e n : e r l i e g t a ls o t i e f e r a l s d ie V e r ­
g i f t u n g d e r L u f t u n d G e w ä s s e r i n n e r h a l b e i n e r w e ite n
v u l k a n i s c h z e r s t ö r t e n L a n d s c h a f t , w ie i n C a l a b r i e n 1 7 8 3 .
I c h w a g e n i c h t z u b e h a u p t e n d a s s im m e r n a c h a u s n e h m e n d 3Ö 9
h e f tig e n u n d v e rb re ite te n E r s c h ü tte ru n g e n u n d F e u e ra u s-

623} Ders. 54. p. 678. b. Eben so war es nach der Pe.'t


yon 1348. Matteo Villani I. 4 .
[band и.] — 245 —

b r u c h e n e in e g r ö s s e r e S t e r b l i c h k e i t e i n t r e t e : m a g d ie s e
Y e r m u th u n g d e r E n ts c h e id u n g e in e r d a z u v o llk o m n m e r a ls
w ir a u s g e r ü s t e t e n Z u k u n f t V o r b e h a lte n b l e i b e n . D agegen
i s t e s g e w i s s d a s s d e r s c h w a r z e T o d , v o n d e m d ie j e z i g e
m o rg e n lä n d is c h e P e s t h e r s ta m m t, 1 3 4 7 n a c h e n ts e z lic h e n
E r d b e b e n , a u f d e m B o d e n d e n s ie g e ö f f n e t u n d z e r r ü t t e t
h a t t e n , i n C h in a e n t s t a n d 624) : n a c h d e m d ie W e l t w ä h r e n d
m e h r a l s s i e b e n h u n d e r t J a h r e n v o n d i e s e r G e is s e l g a n z
f r e y g e w e s e n w a r : s e i t d e m d ie P e s t e r lo s c h , w e lc h e u n t e r
K a is e r J u s t in i a n in e in e r Z e it u n a u f h ö r lic h e r s c h r e c k lic h e r
E r d e r s c h ü t t e r u n g e n , s e l b s t e r z e u g t , a ls e in u n m i t t e l b a r e r
D i e n e r d e s T o d e s , i n d e r W e l t e r s c h i e n e n w a r 25). A uch
d ie s c h w e r e n S t e r b e z e i t e n w e lc h e i n I t a l i e n u n d G r i e c h e n ­
la n d g e g e n d. J . R o m s 4 6 0 h e rrs c h te n , lie g e n u n g e w ö h n ­
lic h e n v u lk a n is c h e n B e w e g u n g e n w e n ig s te n s s e h r n a h e .
S u c h e n w i r n u n s o lc h e f ü r d ie b e y d e n e r s t e n r ö m i s c h e n
E p i d e m i e n , u n d n e h m e n a n d a s s a u c h d ie e r s t e i n i h r e m
s c h n e l l e n Y e r l a u f w a h r h a f t e in e P e s t g e w e s e n , u n d D io n y ­
s i u s n i c h t d ie a l l g e m e i n e S t e r b l i c h k e i t h i n z u g e d a c h t h a b e ,
w ä h r e n d v i e l l e i c h t d ie A n n a l e n n u r e i n e I n f l u e n z a m e y n t e n ,
s o l i e g t s ie n u r d r e y o d e r v i e r J a h r e v o r d e m E r d b e b e n
im T a y g e t u s , w o d u r c h S p a r t a z e r s t ö r t w a r d 26) : u n d s o
310 u n v o l l s t ä n d i g w ie d ie G e s c h i c h t e j e n e r Z e i t a u f u n s g e ­
k o m m e n is t, k a n n d a s A n d e n k e n g le ic h z e itig e r E r s c h ü tte ­
ru n g e n v o n g ro s s e r Y e rd e rb lic b k e it n u r v e rsc h w u n d e n sey n .
F ü r d a s J a h r 2 9 1 w ü r d e , w e n n e in e s t r e n g e S y n c h r o n i s t i k
s c h o n fü r je n e Z e ite n a n g e n o m m e n w e rd e n k ö n n te , u n d
d e r A u s b r u c h d e s A e t n a i n d e r 0 1 . 8 1 . v o m e r s te n . J a h r
d e r s e l b e n z u v e r s t e h e n w ä r e 27), d i e s e r A u s b r u c h g e n a u m i t

624) Desguignes h i s t o i r e d e s H u n s V. p. 223. ff. 25) Man


•wusste das Dorf bey Pelusium wo sie zuerst erschien, wie, nach
Sir Gilbert Blaney, in Indien dasjenige genannt wird, wo vor
wenigen Jahren die Cholera entsprungen ist. 2fr) Dies hat
sich in der 01. 79. ereignet, s. Wesseling zum Diodor XI. 63: —
ich glaube der Sache noch näher treten zu. können r. denn das
vierte Jahr des Archidamus (Plutarch Cimon. p. 488. e.) ist an­
erkannt eine falsche Zahl: ist die richtige td statt so ergiebt
sich 79. 2. Das ist, wenn 365 auf 01. 99. 3. fällt, nach der
ungefähren Synchronistik womit wir uns für diese früheren Zeiten
begnügen müssen, 284. 27) Aelianus bey Stob&us F loril.
LXXIX. 38. — mir nachgewiesen von Scaligfjr a d E u s e h . M D X G .
— 246 — [вллв п .]

d e r P e s t z u s a m m e n fa lle n : a u f a lle W e is e lie g e n b e y d e E r ­


e ig n is s e s ic h ä u s s e rs t n a h e . V o n d e r E p i d e m i e im J a h r
3 0 1 i s t e s w a h r s c h e i n l i c h d a s s s i e , g l e i c h d e r z w e y te n
a ttis c h e n , a u s fo rtg lim m e n d e n F u n k e n d e r v o rh e rg e h e n d e n ,
a n g e f a c h t d u r c h f ö r d e r n d e U m s t ä n d e , w i e d e r a u f lo d e r te .
E i n Z u s a m m e n h a n g m i t d e r G ä h r u n g im S c h o o s s d e r
E r d e l ä s s t s i c h a u c h w o h l i n d e n N o r d l i c h t e r n n i c h t v e r­
k e n n e n , w e l c h e i n d ie s e m Z e i t r a u m g e s e h e n w u r d e n . I n
d e n J a h r e n 2 9 0 u n d 2 9 5 s c h ie n d a s F ir m a m e n t in F la m ­
m e n z u s t e h e n 628) d u r c h w e l c h e B liz e z u c k t e n : m a n s a h i n
d e n L ü f te n H e e r e u n d K rie g s g e tü m m e l, u n d v e rn a h m T öne,
d i e a u s s e r d e n a r k t i s e b e n B e g i o n e n s e l t e n d ie S c h r e c k n is s e
d ie s e r L u fte rs c h e in u n g v e r g r ö s s e r n 29) . E s w a re n ohne
Z w e i f e l d i e H ü t e r d e r S c h i c k s a l s b ü c h e r , d ie w e g e n d ie s e r
E r s c h e i n u n g e n b e f r a g t w u r d e n , w e l c h e j e n e n B e r i c h t in
i h r e S c h r i f t e n a u f g e n o m m e n h a b e n , d ie ü b e r d ie s e Z e ite n , з и
n a m e n t l i c h d a s J a h r 2 9 8 , a l s e r h a l t e n a n g e f ü h r t w e r d e n 3^) :
w i e s i e d e n n g e w i s s a u f d e m K a p i t o l v e r w a h r t , a ls o l e i c h t
e rh a lte n w u rd e n . N i c h t m i n d e r a u t h e n t i s c h e r h a l t e n w ird
d i e N a c h r i c h t v o n e i n e m ä n d e r n P h ä n o m e n s e y n w e lc h e s
s i c h e b e n f a l l s i m J a h r 2 9 5 e r e i g n e t h a b e n s o l l ; u n d s o m it
d a r f e s n i c h t a l s m ä h r c h e n h a f t v e r w o r f e n w e r d e n , w ie u n ­
g la u b lic h e s a u c h la u te t. E s s c h n e y t e , h e i s s t e s , f le is c h -
ä h n l i c h e F l o c k e n , w e lc h e d ie R a b e n w e g f r a s s e n : w a s a b e r
l i e g e n b l i e b , f a u l t e n i c h t 31). V i e l l e i c h t i s t n i c h t s ä h n l i c h e s
b e m e r k t , s e i t d e m a l l g e m e i n u n d s o r g f ä l t i g b e o b a c h t e t w ir d :
u n d d o c h ; w i e k u r z i s t e s d a s s W a h r n e h m u n g e n w e lc h e
n i c h t n a c h d e m g e l t e n d e n S y s te m b e g r e i f l i c h u n d v e r ­
n ü n ftig s c h e in e n , n ic h t u n te rd rü c k t w e rd e n ? W ä re a b er
a u c h g le ic h e s n ie w ie d e r v o rg e k o m m e n , b e r e c h tig te das
e in e n g le ic h z e itig e n b e z e u g te n B e r ic h t L ü g e n z u s tr a f e n ?
S o w ^ n ig a ls d a s s je z t k e in A u ssa z a n K le id e rn u n d W ä n ­
d e n v o rk o m m t, j a n u r d e n k b a r w ä re , ü b e r d a s m o s a is c h e

28 ) C a e lu m o rd e r e v is u m est p lu r im o ig n i : Livius III. 5. auch


III. 10- 2Э) Dionysius X, 2. p. 628. b. è v o b p a v t p a é l a < p ep ô -
ß s v a , x a l 7r u p ô ç à v d f f i e i ç è q ? é v ù ç i x é v o u o a t тояои, fx o p f p a i тт
e lâ a t À w v Шкот' à X X o i a i â t r à é p o ç феріщеѵас, x a l < p w v a l тарат-
'T o u tra t ô t d v o t a v à v ù p < t f7 :(o iv . 3tJ) Cenaorinus 17. 31) Dio­
nysius a. a. O. Livius IIL 10. Für eigentliches Fleisch wird
es nicht einmal ausgegeben.. Waren es Würmer?
[band п.] — 247 —
G e s e z z u s p o t t e n : d a d ie e n t s e z l i c b e K r a n k h e i t m i t d e m
w a s s ie d a m a l s w a r , j e z t n n r w ie d e r V e s u v m i t d e n V u l ­
k a n e n d ie e i n s t g a n z e L ä n d e r e i n n a h m e n , v e r g l i c h e n w e r ­
den k an n .

312 In n e re G e s c h ic h te d er e lf Jah re v o r dem

D e c e m v ira t.

D ie b e y d e n g r o s s e n P e s t e n m ö g e n d ie B e v ö l k e r u n g
w a h r s c h e i n l i c h d e s g r ö s s t e n T h e i l s v o n I t a l i e n e b e n so
s e h r v e r m i n d e r t h a b e n a l s s ie e s , v i e r z i g J a h r e n a c h d e r
Z e it a ls K a r l V I I I d e n u n s e l i g e n Z u g ü b e r d ie A l p e n
u n t e r n a h m , v e r g l i c h e n g e g e n d ie d a m a lig e w a r . D och
b l e i b e n d e r a l s d ie E n t v ö l k e r u n g , w e lc h e d e r L e b e n s t r i e b
d e r M a s se n d u r c h v e rm e h rte Z e u g u n g e n u n d v e rm in d e rte
S t e r b l i c h k e i t b a l d e r s e z t , w e n n n i c h t e in s c h l e i c h e n d e s
E l e n d e i n w u r z e l t , w a r e n z u E o m d ie F o l g e n j e n e r S t e r b e -
lä u fte f ü r d a s g e g e n s e itig e V e r h ä ltn is s d e r S tä n d e . S ie
tr a f e n d e n g e s c h lo s s e n e n w e it e m p fin d lic h e r a ls d e n d e r fü r
E r g ä n z u n g o ffe n w a r , u n d s c h w ä c h t e n n o t h w e n d i g d ie G e ­
s c h l e c h t e r g e g e n ü b e r d e r G e m e i n d e . M a n c h e w e r d e n d a m a ls
• g a n z a u s g e s t o r b e n s e y n , w ie e s im f ü n f t e n J a h r h u n d e r t i n
g le ic h e r Z e it d e n P o t i t i e r n e r g i n g : s e it je n e n S te r b e ja h r e n
k o m m t k e i n L a r c i u s , C o m in iu s , E u m i c i u s , k e i n p a t r i c i s c h e r
T u lliu s , S ic in iu s , V o lu m n iu s , in d e n F a s te n v o r: v o n d re y
G e s c h le c h te rn e r s c h e in t a m E n d e d e s d r it te n J a h r h u n d e r ts
z u m e r s t e n u n d l e z t e n m a l e i n C o n s u l 632) : j e n e s v i e l l e i c h t ,
w e il d a s Z u s a m m e n s te r b e n v ie le r H ä u s e r ih n e n ß a u m g e ­
m a c h t h a t t e ; d ie s e s , w e i l a u c h d a s i h r i g e a u f z w e y A u g e n
o d e r w e n ig e m e h r h e r a b g e k o m m e n , b a ld n a c h h e r e rlo s c h :
m a n c h e a n d r e z e i g e n s i c h n o c h w o h l b i s g e g e n d ie g a l l i -
313 s e h e E i n n a h m e o d e r b a l d h e r n a c h i n d e n F a s t e n 33) ; d a s s
s ie a b e r d a n n v e r s c h w i n d e n l ä s s t v e r m u t h e n d a s s s ie s e h r
w e n ig e F a m i l i e n z ä h l t e n . A ls o v e r l o r e n d ie P a t r i c i e r im m e r
m e h r d a s W ese n e in e r B ü r g e r s c h a f t, u n d s a n k e n z u sam m en

632) Romilius, Tarpeius , Aternius. 33) Die Aebutier,


Aquillier, Herminier, Horatier, Lucretier, Menenier, Virginier.
— 248 — [band n.J

zu e i n e r O l i g a r c h i e , d e r e n A n s p r ü c h e d ie B e c h t e i h r e r
V o r f a h r e n z u b e h a u p t e n e b e n s o u n g e g r ü n d e t , a ls ih r e
K rä fte u n z u re ic h e n d w a re n . D ie C l i e n t e l a u s g e s t o r b e n e r
G e s c h le c h te r w a r v o n ih r e r A b h ä n g ig k e it g e lö s s t, u n d n u r
E i n z e l n e , w e l c h e n e u e V e r h ä l t n i s s e e i n g i n g e n , m o c h te n
d e m S t a n d e e r h a l t e n b l e i b e n : m e i s t e n s w e r d e n d ie s e je z t
g a n z f r e y e n E i n w o h n e r A u fn a h m e in d ie G e m e in d e g e s u c h t
haben.
E in e a n d r e u n a u s b le ib lic h e F o lg e je n e r P la g e w ar
V e r w i l d e r u n g , .w ie s ie s i c h im H a n d e l d e s C ä s o Q u in c tiu s
z e i g t : s o l c h e S e u c h e n , w ie u n m e n s c h l i c h e K r i e g s v e r h e e r u n ­
g e n , m a c h e n d ie z u G ru n d e g e r ic h te te n a u c h s c h le c h te r ; n u r
s o l c h e B e d r ä n g n i s s e b e s s e r n ü b e r d e n e n d ie G e f ä h r d e te n
T h o r h e i t v e r g e s s e n u n d w a c k e r w e r d e n ; d e n e n s ie m it
a u f g e b o t e n e r K r a f t , w e n n a u c h n i c h t o b s i e g e n w e n ig s te n s
e n t g e g e n t r e t e n k ö n n e n . D o c h d a z u d ie n e n g a n z u n g lü c k ­
l i c h e Z e i t e n d a s s s ie e in G e f ü h l d e r M ä n g e l b e s t e h e n d e r
E i n r i c h t u n g e n w e c k e n : m a n c h e r h e g t d e n T r o s t d a s s ih r e
A b s t e l l u n g d a s e n t w i c h e n e G lü c k z u r ü c k f ü h r e n w e r d e : u n ­
s t r e i t i g h a t d i e s d ie A n t r ä g e g e f ö r d e r t w e l c h e n a c h d e r
P e s t u n d d e n N i e d e r l a g e n a u f V e r b e s s e r u n g d e r G e se z e
g e m a c h t w u rd e n .
D i e e r s t e d i e s e r R o g a t i o n e n a) w a r d i m J a h r 2 9 2 v o m
T r i b u n C. T e r e n t i l i u s 634) a n d ie G e m e i n d e g e b r a c h t : o b
s ie i n d e n f o lg e n d e n n u r w ie d e r h o lt, v ie lle ic h t v e rä n d e rt, m
o d e r o b n e u e h in z u g e fü g t w u r d e n , lä s s t s ic h a u s den
s c h w a n k e n d e n E rw ä h n u n g e n n ic h t e rm itte ln : u n d je z t k an n
d ie G e s c h i c h t e d ie w e lc h e z u d e r E i n s e z u n g d e s D e c e m -
v i r a t s f ü h r t e n n u r a l s e in G a n z e s b e t r a c h t e n . W o r i n d ie s e s
b e s t a n d l ä s s t s ic h a m s ic h e r s te n a u s d e m B e s u lta t e rk e n ­
n e n : d e n n d i e T r i b u n e n m ö g e n m e h r g e w ü n s c h t h a b e n a ls

a) Nitzseh Röm. Annal. 94. 129. 634) So oder Teren-


tileius haben fast alle, namentlich die besten, Handschriften, Livius
III. 9 : und jenes muss nach der Analogie — wie Quinctilius von
Quinctius, Publilius von Publius — vorgezogen werden. Teren-
tileius ist eine ganz verwerfliche Schreibart bey einem Gentilnamen,
entstanden aus dem i der sogenannten longobardisclien Schrift,
welches vom l kaum zu unterscheiden ist: also muss es auch
III. 10. lex T eren tilia heissen. Der Beyname ist H arsa zu.
schreiben.
^BAND II.] — 249 —
d ie D e c e m v i r n l e i s t e t e n ; d ie G e g e n s t ä n d e i h r e s W e r k s
m ü s s e n d ie s e n a n g e d e u te t g e w e s e n s e y n .
D ie P l e b e j e r b e g e h r t e n A b f a s s u n g u n d B e s s e r u n g d e r
G e s e z e : u n d j e d e G e s e z g e b u n g im A l t e r t h u m u m f a s s t e ,
w ie d ie s o lo n is c h e , d a s S t a a t s r e c h t m i t d e m b ü r g e r l i c h e n
u n d d e n S tr a f e n . D a s s d ie G e s e z g e b e r e r n a n n t w e r d e n
s o l l t e n u m ü b e r a l l e d ie s e G e g e n s t ä n d e z u v e r o r d n e n , v e r ­
k a n n t e D i o n y s i u s n i c h t 335) : u n d L i v i u s b e z e u g t v o n d e n
X I I T a f e l n a u s d r ü c k l i c h d a s s s i e d e r Q u e ll a l l e s ö f f e n t­
l i c h e n u n d P r i v a t r e c h t s w ä r e n 36) : e in W o r t w e lc h e s n i c h t
g e h i n d e r t h a t d a s s s ie s e i t d e r H e r s t e l l u n g d e r L i t t e r a t u r ,
b is z u r e rs te n B e k a n n tm a c h u n g d ie s e r U n te rs u c h u n g e n ,
b lo s s f ü r e i n b ü r g e r l i c h e s E e c h t a n g e s e h e n s i n d , w ie e s
d ie I n s t i t u t i o n e n s e y n w ü r d e n w e n n s ie d ie F o r m e in e s
G esezes h ä tte n . D e r Z w e c k w a r d r e y f a c h : d ie S t ä n d e z u
v e r b in d e n u n d m ö g lic h s t g le ic h z u s te lle n : a n s ta tt d e s
*15 C o n s u l a t s e in e m i n d e r g e w a l t i g e h ö c h s t e O b r i g k e i t e i n z u -
s e z e n , u n d d e r e n W i l l k ü h r z u b e s c h r ä n k e n : e n d l i c h , e in
e in z ig e s L a n d r e c h t f ü r a lle E ö m e r o h n e U n te r s c h ie d z u
v e rfa sse n . V o n d i e s e n Z w e c k e n , d ie v o n d e m n ä m l i c h e n
G e i s t a n g e g e b e n s i n d , h a b e n d ie a u f u n s g e k o m m e n e n G e ­
s c h ic h ts c h re ib e r je d e r d e n e in e n o d e r ä n d e rn a u s s c h lie s s ­
lic h a u fg e fa s s t. D io d e n e r s t e n 37) : w e l c h e r a u c h , r i c h t i g
v e r s t a n d e n , a ls e i n a l l g e m e i n e r A u s d r u c k d e s G a n z e n d i e ­
n e n k ö n n te : L iv iu s h ä lt d e n z w e y te n fü r d e r T r ib u n e n
Z w e c k : — d ie c o n s u l a r i s c h e G e w a l t s o lle g e m i n d e r t , u n d
d u r c h G e s e z e b e s c h r ä n k t w e r d e n 38) : w e i t e r h i n i s t ih m n i c h t
u n b e w u s s t d a s s d ie G e s e z g e b u n g d e n d r i t t e n e r r e i c h t e 39),
w e l c h e n D i o n y s i u s s i c h b e s t i m m t u n d a u s s c h l i e s s l i c h a ls
d e n u r s p r ü n g l i c h e n d e n k t 40).

635) Dionysius X. 3. p. 629. с. а и у у р а ф а ѵ т а д z o u g u n k p

■àn dvrcü v v ö jü L O u g , г ш ѵ re x o w & v x a l tü >v id tw v . 36) Livius


III. 34. f o n s o m n is p u b lic i p r iv a t iq u e iu r is . 37) Zonaras
II. p. 27. а. т у» T t o h r e ia v lo o z é p a v п о с г)< т а < г$а і к ф у ф іа а ѵ т о .

38) III. 9. le g ib u s d e im p e r io c o n s u la r i s c r ib e n d is . 24. lex


m in u e n d a e su a e m a ie s t a t is c a u s a p r o m id g a t a . зэ) III. 34'
(Appius spricht) s e o m n i a s u m m is in fim is q u e iu r a a eq u a sse.

4°) X. 50. p. 674. в. 7Гв р і г ІЬ ѵ ѵ 6 {х ш ѵ оЪд è o iz o ô ô a Ç o v o l д т ц іа р -

% oc x o iv o ù g i n l T tä a i Vielleicht wollte
'P w ß a t o c g у р а щ ѵ а і.

Dionysius diesen Mangel der Gleichheit des Rechts, des person-


— 250 — [band п.]

E i g e n t l i c h s ie h t er d ie N a c h t h e ile d es d am aligen
E e c h t s z u s t a n d s d arin d a ss e s a ls G ew o h n h e it u n g esch rieb en
b e s t a n d e n , u n d in m a n c h e n F ä lle n d ie W illk ü h r der Con­
s u ln , w ie v o rd em der K ö n i g e , e n ts c h ie d e n h a b e 641). D as
m a g b e y d em S tr a fre ch t a lle r d in g s d er F a ll g e w e s e n , un d das
n ä m lic h e V e r g e h e n b a ld l e i c h t , b a ld ü b e r m ä ss ig g ea h n d et m
s e y n : a b e r a n a u fg e z e ic h n e te n G e se z e n fe h lte es n ic h t:
d ie d e n K ö n ig e n z u g e s c h r ie b e n e n w a ren im P a p iria n isch en
E e c h t g e s a m m e lt , u n d es is t k e in G rund a n zu n eh m en dass
d ie s a ls e in G e h e im n is s b e w a h r t se y . D a s U e b e l, dem
a b g e h o lfe n w e r d e n m u s s te , w ar d ie V e r s c h ie d e n h e it der
E e c h t e : e s h e r r s c h te n d ie n ä m lic h e n U m stä n d e w elch e in
I t a lie n zu r A b f a s s u n g der S ta t u t e fü h rten : a ls d ie d eutschen
E r o b e r e r m it d en E öm ern zu ein er N a t io n v o n gleich er
S p r a c h e u n d S itte n g ew o rd en w a r e n , str e b te n a lle Zustände
d a h in d ie e in e n u n d ä n d ern zu s tä d tis c h e n B ü rg e rsch a fte n
m it n e u e n b ü r g e r lic h e n E e c l it e n , v e r sc h m o lz e n a u s den b is­
h e r g e s o n d e r t erh a lten en , zu b ild e n .
A u c h d ie rö m isch en S tä n d e w erd en V ö lk e r g e n a n n t42),
u n d w a r e n d u rch e in e g r ö s se r e K lu ft a ls m an ch e örtlich
e n tfe r n te g e s c h ie d e n . Z w isch en so lc h e n b e sta n d vielm als
C o n n u b iu m u n d C om m erciu m : z w is c h e n P a tr ic ie r n und
P le b e je r n j e n e s g a n z g e w i s s n ic h t; d ie s e s w e n ig ste n s in
H in s ic h t a u f d a s E ig e n th u m v o n A c k e r la n d sch w erlich .
I c h h a b e b e m e r ld ic h ’g e m a c h t d a ss je d e Curie ih re g e -
sa m m te A c k e r c e n tu r ie g e w ä h r te , u n d für den F a ll der Er­
le d ig u n g e in A n r e c h t an je d e s G ru n d stü ck in d erselb en
g e h a b t h a b e n m u s s 43) : oh n e d a ss d ie n ä m lic h e n U rsach en
b e y d e n p le b e jis c h e n L o o s e n b e sta n d e n h ä tte n , w ar n ich ts
n a tü r lic h e r a ls E r w ied eru n g .
H ä t te n vor d en X II T a fe ln d ie s e it K ö n ig Servius

liehen wie des bürgerlichen, bezeichnen, wenn er sagt (X. 1. p,


627. c.) es sey damals weder laovofiia noch loYffopia gewesen :
eigentlich aber ist laovofiia (bey Herodot und Thukydides) die
Freyheit wo niemand ausser und über dem Gesez ist, weder
t o p a v v tg noch диѵаѵтеса: — la rjyo p ia (bey Demosthenes) die
gleiche Würde jedes freyen Bürgers.
64*) X. 1. p. 627. c. 42) Tà 9 Dionysius X. 60.
p. 684. a. i d gen u s , von den Plebejern, statt gens (Th. I. S. 350.
Anm. 807.) Livius VI. 34. 43) Oben Th. II. S. 178.
[band II.] — 251 —

317 durch A s s ig n a tio n u n d V e r k a u f a n d ie P le b e je r g e k o m m e ­


nen G ru n d stü ck e an d ie B ü r g e r ü b ergeh en k ö n n e n , so
w ü rd en in den Z eiten der a llg e m e in e n N o th und V e r s c h u l­
dung se h r w e n ig e d as E rb e ih rer V ä ter g e b o r g e n h a b e n ;
eb en w ie in der F o lg e d ie k le in e n B e siz e r vom G em ein ­
land sic h n ic h t g e g e u d ie R e ic h e n b eh a u p ten k o n n te n
w elch e ih re N o th w a h rn a h m e n 644). E s w ird ab er a u f e in e
n ich t z u fä llig e oder u n sich re A r t erw ä h n t d ass n o c h u m
33 9 d ie P a tr ic ie r k ein E ig en th u m in der p le b e jisc h e n F l u r
b e s a s s e n 45): n ä m lich n ic h t w a s der R ed e w erth g e w e s e n
w äre. D e n n o h n e a lle F ra g e b esta n d das C om m ercium
s e it der G ese z g e b u n g ; ab er C alam itäten w elch e u n g e w ö h n ­
lic h e V er ä u sse r u n g e n v e ra n la ssen k o n n te n , h a tte n se lte n
und n ie a n h a lten d g e h e r r sc h t; u n d d er U m fa n g d es G rund­
eig en th u m s, w e lc h e s jä h r lic h du rch K a u f in frem de H ä n d e
kom m t, is t oh n e so lc h e g a r se h r g e r in g 46). E in B e w e is
für d ie h ier g e ä u ss e r te A n sic h t s c h e in t in dem sc h r e c k ­
lich en a lten S ch u ld r ech t zu lie g e n : d essen H ä r te , g l e i c h
318 e i n e m u n e r b ittlic h e n W e c h s e lre c h t, u n e n tb e h rlic h w a r w e n n
d ie G e l d e i g e n t h ü m e r d ie G r u n d s t ü c k e i h r e r S c h u l d n e r n i c h t
a n t r e t e n k o n n t e n ; d e s s e n F o r t d a u e r w e is e M ä n n e r u n t e r
d e n p l e b e j i s c h e n F ü h r e r n a l s e in m i n d e r e s U e b e l b e t r a c h ­
te n m u s s te n w e n n , b e y d e r U n e n tb e h rlic h k e it des A n le ih e ­
v e r k e h r s m i t d e n e n d ie a l l e i n ü b e r G e ld v e r f ü g t e n , w ie i m
M i t t e l a l t e r L o m b a r d e n u n d J u d e n , d ie B e f u g u i s s p l e b e j i ­
s c h e s G ru n d e ig e n th u m z u e rw e rb e n a n d e s s e n S te lle h ä t t e
t r e t e n m ü s s e n 47). D ie L e i b p f a n d s c h a f t g a l t a u s s c h l i e s s l i c h

644) So ist es im alten Latium in den drey lezten Jahrhun­


derten ergangen: vor 1590 war das Thal von Aricia zwischen
einer sehr grossen Zahl kleiner Eigenthürner getheilt; in der
Hungerenoth kaufte das Haus Savelli um Brodkorn alle aus, bis
auf vier, die auch unter Alexauder VII gedrängt und gezwungen
worden sind den Chigi zu verkaufen, welche die Baronie an sich
gebracht hatten. Die wenigen welche noch, z. B. im Gebiet von
Tivoli, übrig sind, verechwinden einer nach dem ändern, da sie
nach irgend einem Unftfll keine Wahl haben als entweder gleich
zu jedem Preis, oder nachdem sie eine Zeitlang den Wucherer
befriedigt, zu verkaufen. 45) Oben [Th. 2.] Anm. 343.
46) Der allergrösste Theil des Landeigenthums welches in Frank­
reich vor der Revolution dem Adel gehörte, ist noch jezt, un­
geachtet der Confiscationen, in dessen Händen. 47) Selbst in
— 252 — [band II.]

fü r d ie P le b e j e r 648) : d a sse lb e lä s s t sic h in H in sic h t des


G e f ä n g n is s e s im K erk er a u s dem S p a ss d es D ecem virs
A p p iu s f o lg e r n , der ih n d ie P le b e je r h e r b e r g e zu nennen
p f l e g t e 49) : k o n n te n sic h a b er d ie P a tr ic ie r vor den zw ölf
T a f e ln a llg e m e in d u rch B ü r g s c h a ft a u sser H a ft erhalten,
•so w a r e n s ie b e y jed em V erb re ch en g e g e n p ersön lich e
S tr a fe g e s ic h e r t. D ie B r ü c h te n w orin d ie C on su ln verur­
t e i l t e n , w a r e n für d ie P a tr ic ie r a u f ein en g e r in g e n B etrag
b e s c h r ä n k t , u n d der A p p e lla tio n an ih r e n g ro ssen B ath
u n te r w o r fe n , für d ie P le b e je r n och g a n z u n g e m e ss e n und
w illk ü h r lic h 50). V e r s c h ie d e n h e it d es E e c h ts lä s s t sich bey
a lle n d e n u n e n d lic h v ielen G esch ä ften v o r a u ssezen wo die 319
p le b e j is c h e n K la s s e n a ls g e n e h m ig e n d d a r g e s te llt w erden:
so w ie s ie b e y d en T e sta m en ten d u rch den U n tersch ied
d er b e s t ä t ig e n d e n B eh örd e am T a g e lie g t .
W ie a b er in I t a lie n , eh e S ta tu ten e n t s t a n d e n , neben
d en L o n g o b a r d e n andre D e u tsc h e n a ch sa lisc h e m oder
a le m a n n is c h e m B e c h t le b te n , so w ar u n ter den P a triciern
s o w e n ig E in e r le y h e it d es K ech ts als d es U rsp ru n g s ihrer
S tä m m e . D a s G esez ein er jed en V ö lk e r sc h a ft w ar ein
E r b s tü c k w e lc h e s - v o n G esch le ch t a u f G e sc h le c h t ü b ergin g
w ie d ie M u n d a r t, d ie S itte und der G o tte s d ie n st: da die
A lt e n ü b er z w e y streiten d e B e h a u p tu n g e n n ic h t e in ig wer­
d e n k o n n te n w ä h lte K aiser O tto n ic h t d ie w e lc h e ihm
b e s s e r g e fie l, so n d ern lie s s ein G o tte sg e r ic h t en tsch eid en .
D ie S a b in e r b ew a h rten ih re h e ilig e n G eb räu ch e als sie
T it ie r w u r d e n ; u n d eb en so w e n ig is t e s den k b ar d ass sie
ih r e m L a n d r e c h t e n tsa g t h ä tte n , w en n e s n ic h t etw a B e­
s t im m u n g e n e n t h ie lt die sic h m it dem d es erste n Stam m es
n ic h t v e r e in ig e n H essen . D ie s e B e c h te der b ey d en Stäm m e

der H örigkeit und Leibeigenschaft ward der Bauernstand dadurch


erhalten dass der gesunde Verstand unsrer Vorfahren dem Guts-
besizer n ich t gestattete Bauernland zum Hoffeld, oder zu Meyer­
höfen einzuziehen, oder es an Andere als Bauern zu verleihen:
die u n selige Freyheit willkührlich durch Kauf über alles Land zu
schalten, rottet den Bauer aus, und führt einen weit ärgeren Zu­
stand herbey als die rohe alte Abhängigkeit war.
648) 'fh . I. S . 635- 49) quod domicüium plebis liomanae
mcare sit solitus: Livius III. 57. Ueber das scheinbare Beyspiel
für das G egentheil im Process des Cäso Quinctius, weiterhin.
50) Oben Th. II. S. 262.
[ band п .] — 253 —

g ro sser G e sc h le c h te r sin d e s w e lc h e a ls G eseze d es R o m u -


lu s un d N u m a d a r g e s te llt w erd en ; u n d w e n n e s h e is s t ,
T u llu s un d A n cu s h a tte n e in ig e s e r d a c h t651), so s in d d a rin r
n a ch der n ä m lich en P e r so n ific a tio n w elch e b e y d en L a n d ­
a n w e isu n g e n v o r k a m 52), d ie R e c h te d es L u ce res u n d der
u r s p r ü n g lic h e n . P le b e s zu erk en n en . T arq u in iu s P r is c u s
w ird e b en so w e n ig u n ter den G esezg eb ern a ls d ort g e ­
n a n n t, w e il k ein a b g eso n d erter T h e il der N a tio n s e in e
E in r ic h tu n g a u f ih n zu rü ck fü h rte: a ls der vorn eh m ste a b er
320 e r s c h e in t S erv iu s T u lliu s in jen er N o t iz , wo d ie R e c h te
der S tä m m e in so le ic h te r Y e r s c h ley eru n g u n ter sch ied en
sin d . A u f ih n zu rü ck g efü h rt m u ss jed e H a n d lu n g g e d a c h t
w erd en w o d ie fü n f K la ss e n Vorkom m en : aber n eb en d ie se n
u r sp r ü n g lic h p le b e jisc h e n R e c h te n sin d a u ch e ig e n tlic h e
G eseze, für d ie g esa m m te N a tio n a b g efa sst, zu v e r ste h e n :
d ie se lb e n w elch e v o n dem T y r a n n en a b g esch a fft w u rd en ,
ja v e r t ilg t se y n so lle n . *
A u ss e r B ü r g e r sc h a ft und G em ein d e e n th ie lt der S ta a t
C olonien u n d andre a b h ä n g ig e O rte, w o es n ic h t an e ig e n ­
t ü m l i c h e n R e c h te n g e fe h lt .h a b en w ird ; C lienten w e lc h e
ih ren P a tro n zum R ich ter, d ie G ew oh n h eiten se in e s S ta m m s
zum R e c h t g e h a b t h a b en w erd en ; u n d se lb s tä n d ig e v er­
ein z e lte A e r a r ie r , für d ie k ein eig e n th ü m lic h e s da se y n
k o n n te. D ie a llg e m e in e A n a lo g ie d es A lterth u m s lä s s t
v erm u th en d ass b e y ein em R e c h tsh a n d e l z w isc h e n A n g e ­
h ö rig en v e rsch ied en er K la sse n n a ch dem R e c h t d es B e ­
k la g te n g e sp r o c h e n w ard.
D a ein solch er W u s t fa st im m er für d en der im V er­
k eh r d a m it a lt g e w o r d e n is t ein eh rw ü rd ig es A n se h e n g e ­
w in n t, so w aren d ie V o ru rth eile ersch reck t durch d en G e­
d a n k en ih n m it ein em g le ic h fö r m ig e n L an d rech t zu e r se z e n ,
w e lc h e s d och k e in von v erm ey n ter W e is h e it erfu n d e n e s
W erk s e y n so llte, son d ern ein e A u sw a h l d es für e in e n der
T h e ile der N a tio n h erk öm m lich g e lt e n d e n 53). G anz an d ers

651) Tacitus Ann. III. 26 Щ Oben Th. II. S. ISO. 181.


53) W er die W eisheit und Heilsamkeit der XII Tafeln lobt, w ie
Dionysius, und den Rogationen zur Ernennung von Nomotheten
eben nur die Abfassung eines Gesezes wie es die Tafeln waren >
statt W illkühr, als Gegenstand unterlegt, der beweiset eine merk­
würdige Biegsam keit, indem er vorher auch den Widerstand der
— 254 — [band п .]

a b e r w u r d e n d ie L e id e n s c h a fte n d a d u rch g e r e iz t d ass die m


v o r z ü g lic h e n R e c h te d es e r s te n S ta n d s a u f d ie ü b rigen
a u s g e d e h n t w e rd en s o llte n : vor a lle m a b er d u rch d ie A b ­
s i c h t d ie S tä n d e s ic h g le ic h zu ste lle n , u n d zu ein er N a ­
t i o n z u v e r e in ig e n , d ie R e g ie r u n g u n d h ö c h ste G ewalt
z w is c h e n ih n e n zu th e ile n , u n d d as sc h r a n k e n lo s e Consulat
d u r c h e in e M a g istr a tu r zu e r s e z e n , in d eren E in rich tu n g
^ i n E le m e n t g e l e g t w erd en so llte , u m M isb r a u c h u n d W ill­
k ü h r d e s e in z e ln e n d am it B e k le id e te n zu v ereiteln . Um
d i e s zu b e w ü r k e n , tr u g d ie R o g a tio n a u f d ie N ied ersezu n g
v o n z e h n N o m o th e te n an , w o v o n fü n f d u rch d ie G em einde,
o h n e Z w e ife l im C on ciliu m der T r ib u s , e r w ä h lt w erden
s o l l t e n 654). D ie fü n f ü b rig en , w e lc h e d ie P a tr ic ie r vertra­
t e n , m u s s t e n v o n ih n e n e rn a n n t w e r d e n ; u n d so h ä tte es
k e i n e r n e u e n W a h le n b e d u r ft, w en n für je n e s M al den
C u rien йщ E r n e n n u n g au ch d es än d ern C on su ls ü b erlassen
wäre*, d ie C on su ln , d ie Q u ästoren u n d der S ta tth a lte r hätten
m it d e n V o lk str ib u n e n ein D ece m v ira t g e b ild e t. W ar es
n ic h t d ie A b s ic h t d ie se G esa m m th eit der M a g istra te beyder
S tä n d e m it g e s e z g e b e n d e r G ew a lt zu b e k le id e n , so ver­
s t a n d e s s ic h d a ss d ie zu w ä h le n d e n N o m o th e te n d ie S telle
a lle r O b r ig k e ite n ein n a h m en .
C. T e r e n tiliu s h a tte se in e R o g a tio n im J a h re 292
p r o m u lg ir t, w ä h ren d d ie L e g io n e n im F e ld e sta n d e n 55): 322
n a c h d er R ü c k k e h r d es C onsuls L u cr etiu s w ard sie be­
s c h lo s s e n , a b er S e n a t un d Curien verw a r fen s i e 56). E s ist

Machthaber lobte, die Himmel und H ölle aufboten damit es nicht


•dazu komm e.
654) L iv iu s spricht nur von den fünf Gesezgebern welche
d ie P leb s ernennen w ollte: Dionysius (X. 3. р. 62У. o.) von De-
cem virn ohne des Stands zu erwähnen: nur darin irrig dass er
g la u b t es w äre schon damals der Gedanke gew esen sie von den
Centurien erwählen zu lassen. Die Sache klärt sich von selbst
auf; eben w ie Livius durchgehender Irrthum die Plebejer hätten
sich allein die Gesezgebung anmassen wollen. Zwar war das
erste Decem virat auch nicht getheilt: es war reinpatricisch: aber
d ie Patricier hatten einen ehem als rechtm ässigen, nachher be­
h au p teten , B e siz , und die Macht für sich. 55) Um Zeit
яц gew innen: denn die Abmehrung konnte, bey der unfehlbaren
A ufsicht auf gewaltsam e Störung, doch nicht eher als nach der
R ü ckkehr d es H eers versucht werden. 56) Livius III. 10.
[в AND П.] — 255 —

wohl n ir g e n d geschrieben, aher augenscheinlich, dass


eine welche dieses Schicksal gehabt im Lauf des Jahrs
nicht wieder erneuert werden konnte: solche Bestimmungen
können in frey en Verfassungen nie fehlen. TJnd so hätten
die Patricier auch im nächsten Jahr, als A. Virginius die
Anträge des Terentilius, der, durch Tod oder Zufall ent­
fernt, nun nicht weiter genannt wird, erneuerte oder er­
weiterte, und so fürder Jahr auf Jahr, die Rogation voll­
kommen gesezlich vereiteln können, wenn nicht das Veto
des aristokratischen Zweigs der Gesezgebung gegen das
entschiedene allgemeine Bedürfniss auf die Länge ohne
Bestand wäre. Mancher ehrliche Mann, der nach Vorur-
theilen und abhängig von den in seinem Stande vorherr­
schenden Maximen stimmte, wird an ihnen irre wenn
geachtete Mitstände sie verwerfen: mancher wird des Ha­
ders müde, wenn allmählicher Anwachs der Minorität zeigt
323 dass die Frage nicht aufgegeben werden wird: und ein
jüngeres Geschlecht tritt ein, wenigstens zweifelhaft über
die Vorurtheile, deren Untrüglichkeit die Väter ehrlich
glaubten. So konnten Berechnende eine gewaltsame Ent­
scheidung, wobey die Gemeinde sich ins Unrecht versezt
hätte, als Sicherheit gegen endliche Nachgiebigkeit ihres
eigenen Standes wünschen: Bethörte davon eine gänzliche
Gegenrevolution hoffen: wie schimpflich und kläglich der
Versuch vor zehn Jahren geendigt hatte, war vergessen.
In gewöhnlichen Zeiten waren die Patricier mit ihren
Clienten freylich wohl die Stärkeren auf dem Forum. Es
mag schwer gewesen seyn die Bauern zu vermögen in der
Stadt zu verweilen wenn sie ihren Marktverkehr abgemacht
hatten, um ein Gesez einleiten zu helfen woraus sie keinen
unmittelbaren Vortheil für sich erwarteten: sie werden
wenig Lust gehabt haben ihren Vornehmen zu Liebe in
den Hallen um das Forum oder vor den Tempeln zu über­
nachten657). Doch konnten sie es unter dem römischen
Himmel einen grossen Theil des Jahrs hindurch; und
wenn sie sich in dringenden Fällen dazu entschlossen, dann

Ia c ta ta p e r aliquot d ies cum in Senatu tum ad populum res est :


■woraus erh ellt, wenn es einer Aeusaerung darüber bedürfte, dass
Auf dem Comitium w ie auf dem Forum debattirt wurde.
657) "VTie in den gracchanischen Unruhen.
— 256 — [ bàjid п .]

g e b o te n die T rib u n en ein er u n w id e r ste h lic h ü b e rleg en en


M a ch t, w e lc h e ih n en , h ä tte n sie d as g e w o llt, zum A u fsta n d
g e f o l g t se y n w ürde.
A n je n e n g e w ö h n lic h e n D in g ta g e n störten d ie P a tri­
c ie r Y o rträ g e und A b m e h r u n g m it der n ä m lich en T ak tik
w o m it s ie g e g e n d ie p u b lilis c h e n R o g a tio n e n g e str itte n
h a tt e n : ja sie v erja g ten d ie G em ein d e sam m t d en T rib u ­
n e n : m a n c h e r e r litt b lu tig e M ish a n d lu n g e n von ih ren H ä n ­
d e n ; u n d w ä ren d ie tr a u r ig e n V o r fä lle d iese r Z eit w en iger 324
v e r s c h le y e r t, so w ü rd en w ir s ic h e r le s e n d ass n ic h t w en ige
d a s L e b e n e in g e b ü s s t h a b en . A n fü h re r b ey d iese n F revel-
t h a t e n , u n d n ic h t e in m a l son d ern o f t 658), w ar Cäso Q uin­
c t iu s , d es L u ciu s C in cin n a tu s S oh n : e in J ü n g lin g sto lz auf
u n g e m e in e L e ib e s stä r k e u n d a u sg e z e ic h n e te K riegsth aten ,
w ie a u f se in G e s c h le c h t: und v o ll V era c h tu n g und Groll
g e g e n d ie G em einde. S ch lim m er a ls ein er von se in e n Ge­
n o s s e n m ish a n d elte er sie m it G ebärden, R ed en un d T h ä t-
lic h k e it.
S o lc h e U n th a ten «) m u ssten d ie M en ge au s ih rer G leich ­
g ü l t i g k e i t w eck en , so d ass der T rib u n m it Z u versich t a u f
d en B e y s ta n d der S e in ig e n m it g ew a ffn eter H a n d , wenn
e s N o t h th ä te , d en V erb rech er, a ls S törer der A u sü b u n g
tr ib u n ic is c h e r B e fu g n is s e , n a ch dem ic ilis c h e n G esez durch
A n k la g e a u f d en T od vor d as G erich t der T rib u s laden
k o n n t e 59). S o b ald e s z u so lc h e m A e u sse r ste n gekom m en
w a r, erw a c h ten d ie B e th ö rten a u s ih rem R a u sch un d sahen
d e n A b g ru n d vor sic h o ffen : d ie n ä m lich en v erg a ssen die
G e fa h r so b a ld sie v o r ü b e r g e g a n g e n w a r , und riefen sie
w ie d e r h erv o r. J e z t fle h te n d ie V orn eh m sten au s den Ge­
s c h le c h te r n um B e g n a d ig u n g für ih ren L ie b lin g ; und sie
m ö c h te n sic h n ic h t u m so n st g e d e m ü th ig t h a b e n , wenn
n ic h t ein e n och sc h w erere M is se th a t k u n d gew ord en w äre.
E in A lttr ib u n , M. V o lsc iu s F ic t o r , sa g te au s: b a ld nach
d er P e s t z e i t se y er m it sein em b e ta g te n B rud er u n ter einen
H a u fe n p a tr icisch er J ü n g lin g e g e r a th e n w elch e trunken
d u rch d ie Subura sch w ä rm ten : Cäso, ih r A n fü h rer, habe, 32s

658) ffoc duce saepe pulsi /ото tribuni, fusa oc fvgaia phbs
est:L iviu s III. 11. wo solche Auftritte geschildert sind.
«) Schw egler II. 576; N itzsch Röm. Annal. 111. Ю) [Obenl
Th. II. S. 263. Anm. 524-
[ band п .] — 257 —

ohne einige Beleidigung, jenen Alten, der noch schwach


von der überstandenen Krankheit gewesen, zu Boden ge­
schlagen, und so mishandelt dass er bald darauf den Geist
aufgegeben hätte. Vergebens habe er seine Klage vor die
Consuln gebracht: sie sey abgewiesen worden. Die Ver­
weigerung einen Richter zu geben mochte sehr gewöhnlich
seyn, und eine der schlimmsten jener Willkührlichkeiten
der Consuln, mit deren Abstellung die Tribunen umgingen:
Frevel wie der hier verklagte wurden in griechischen Oli­
garchien häufig verübt, und sind oft Ursache ihres Sturzes
gewesen660): selbst in dem demokratischen Athen war es
hohe Geburt, was Alkibiades im Uebermuth der Kraft zu
fast ähnlichen Uebelthaten verleitete: zu Rom zeigte sich
überdies unbezweifelt auch hierin die aus der Pest hervor­
gegangene Verwilderung61). .
Diese Erzählung verbreitete Wutli im Kreis der An­
wesenden, und mit äusserster Mühe retteten die Tribunen
den Angeklagten dass er nicht von der tobenden Menge
zerrissen ward. Wenn aber gesagt wird, sie hätten sich
mit dem Senat geeinigt ihn in Freyheit zu lassen, und
zehn Bürgen jeden für dreytausend Asse für seine Er­
scheinung vor dem Gericht anzunehmen, so ist das Wesen
326 des icilischen Gesezes verkannt, wonach der Angeklagte nur
Bürgen zu geben verpflichtet war: und das musste in
Ordnung seyn ehe Volscius gehört ward, der bloss als
Zeuge auftrat, und durch seine Aussage zwar jede Mög-

660) W ie für die Pentaliden zu Mitylene: Aristoteles Polit.


V. 10. p. 154. c. 61) Es kann Zank vorhergegangen seyn;
und dann mag man sagen der Unglückliche wäre dem Aeusser-
sten entgangen wenn er die Beleidigung mit sklavischer Unter­
t ä n ig k e it Eingenommen hätte: aher ein Todschlag welcher in
der damals vornehmsten und volkreichsten Gasse vor noch nicht
zwey Jahren verübt seyn sollte konnte nicht erlogen werden :
dass der A nkläger vertrieben ward beweiset nichts; die Curien
behandelten ihn als einen Feind. W eil Cincinnatus ein Gerechter
seyn so llte , nicht ein V ater, der seinem Herzen das R echt
opferte, so sollte V olscius das Volk mit falschem Zeugniss hinter-
gangen haben: erwiesen schien was gew ünscht ward, weil das
Volksgericht welches ihn ausstiess für die P lebs galt — die der
W ahrheit die Ehre gegeben habe: und wie die Lüge dargethan
wäre, erfand man leicht (Livius IL 24.).
Niebahr, Köm. Gesch. 17
— 258 — [ band i i .]

lic h k e it e in er g n ä d ig e n E n ts c h e id u n g v e r n ic h te te , aher an
d er tr ib u n ic is c h e n A n k la g e n ic h ts ä n d erte, da se in Z eu gn iss
k e in e w a r 62). S ch o n in der fo lg e n d e n N a c h t en tfernte
C äso sic h a u s E o m : er g in g zu den Tuskern*. w a h rsch ein ­
l ic h h ie lt er sic h n ic h t sic h e r u n ter d en n o ch ü b rigen
L a tin e r n : d o ch w a rd das G erich t a u fg e h o b e n , a ls ob er
r e c h tm ä s s ig e in a n d eres B ü r g e r r e c h t an g en o m m en h ä tte 63).
D ie v e r b ü r g te B u s s e w a r dem C erestem p el v e r fa lle n 64): 327
s i e z u e r la sse n k o n n te n d ie T rib u n en so w e n ig b erech tigt
a ls g e n e i g t s e y n : a b er von C in cin n atu s h a b en s ie d ieselb e
n ic h t b e y g e tr ie b e n . S ie k o n n ten sic h nu r an die B ü rgen
h a lte n ; u n d w en n die 3 0 0 0 0 A s s e o h n e E rbarm en vom
u n b e g ü te r te n V a ter e rp resst s e y n s o llt e n 65), so h ab en die
B ü r g e n sic h e n ts c h ä d ig t. A lle in oh n e Z w e ifel is t diese
A n g a b e n ic h ts a ls e in e u n w iss e n d erd a ch te K lü g e le y , um
z u erk lä ren w ie der in dem se in S tan d das H a u p t und •
d ie Z u flu ch t der R ep u b lik s a h , n ic h t m eh r a ls ein e H ufe
v o n v ie r J u g e r n im V erm ö g en g e h a b t h a b e. W o blieb

662) Damit fällt der Anschein w eg, es hätte ein Patricier


wenigstens bey einer so schweren Sache in den Kerker geworfen
w erden können <*). Cäso war der erste welcher zufolge des ici-
lischen Gesezes, als Störer des tribunicischen Amts, Bürgen stellte
(Me p rim u s vades publico d e d it): die Drohung des Tribuns be­
zieht sich auf die K lausel eben jen es Gesezes wodurch summa­
risches Recht wider den verordnet war welcher sich jen e zu geben
w eigerte. W ie die Volksgerichte das Urtheil über die Schuld
m it B estätigung oder Begnadigung verbanden, so dienten die
Z eugn isse eben so wohl das Gefühl des Souverains, als die Ueber-
zeugung des Richters zu bestim men, und gingen daher sehr ge­
w öhnlich auf Dinge die den Klagpunkten ganz fremd waren.
63) W äre er nach einem Ort gegangen mit dem das ius exulandi
bestand, so ergab sich das von selbst: der Ausnahme wegen sind
b eyde Umstände bey Livius angezeichnet. Der Verfasser der De­
clamation p ro domo bildet sich ein Cäso sey von den Centurien
gerich tet, und die Verurtheilung ausgesprochen: 32. (86.).
64) W ie die Geldstrafe worin die drey meuterischen Geschlechter
verurtheilt wurden (Dionysius X . 42. p. 667. d.), und die des
T . Rom ilius (ebend. 52. p. 676. d.). Gronovius Emendation im
L iv iu s, hie p rim u s vades p u b l i c o d e d it , trifft gewiss richtig,
aber der Ausdruck ist uneigentlich, denn dem P opu lu s, welcher
^gradehin niedergeschlagen haben würde, konnte nicht zu zahlen seyn.
65) pecunia a p a ire crudeliter ex acta e s t: Livius III. 13.
«) Schwegler II. 576, 578. A . 3.
[вАЭТ> П.] — 259 —

denn d ie V e r p flic h tu n g der G en tilen u n d C lien ten G eld ­


stra fen z u sa m m e n z u ste u e r n , w ofern sie h ie r k e in e A n w e n ­
dung g e fu n d e n h ä t t e ? T . Q u in c tiu s , u n d an d re von dem
G esch lech t, w e n n e s so v ie le V erm ö g en d e z ä h lt e , m ü sse n
die B ü r g e n g e w e s e n s e y n : d ie g esa m m te Sum m e w a r b a ld
n a ch h er d ie M u ltä w e lc h e d ie C onsuln g e g e n ein en e in ­
zeln en P le b e je r a u ssp r e c h e n d u rften : und w o llte d ie B ü r ­
g ersch a ft n ic h t e i n e in z e ln e s G esch le ch t le id e n la s s e n , so
328 war e s e in e A rm S e lig k e it fü r ih ren g e m e in e n K a sten d a s­
selb e zu e n tsc h ä d ig e n , w ie , in än d ern P ä lle n g e s c h e h e n
i s t 666).
E s h e is s t, C äsos V eru rth eilu n g h ab e a u f d ie P a tr ic ie r '
ein en se h r v e r s c h ie d e n e n E in d ru ck g e m a c h t: d ie A e lte r e n
h ä tten d en M u th sin k e n la s s e n ; d ie J ü n g e r e n w ären le id e n ­
sc h a ftlich er a ls je a u f g e r e g t w o r d e n 67) : u n d in d em L iv iu s
h in z u se z t: am h e f t i g s t e n C äsos G en o ssen : — so is t fr e y ­
lich u n z w e y d e u tig s e i n e M e y n u n g d ass h ie r M änner v o n
ju g e n d lic h e m A lte r zu v e r s te h e n se y e n : e s sin d ab er g a n z
g e w is s a u ch h ier d ie g r ö s s e r e n u n d m in d eren G e sc h le c h te r
zu e r k e n n e n 68). D ie Q u in c tie r g eh ö rten zu d en le z t e n 69);

666) In dem F all j e n e r Meuterer von 299: Dionysius X. 42.


p. 668. a. 67) L iv iu s III. 14. Cum — seniores P atru m —
cessissent possessione re i pu blicae, iuniores , i d maxim e quod Cae-
sonis sodalium f u i t , a u x ere ira s in plebem. 68) Es ist zu
erwarten dass die P a rth ey en der maiores und minores im Patri-
ciat, welche die S chriftsteller der augustischen Zeit in den alten
Büchern nicht erkannten , noch eine Zeitlang Manchem erträumt
scheinen werden, obw ohl sie eben so würklich und gewiss sind,
wie die der Patres und P lebes a). Unter den Stellen wodurch
ich davon vollkom m en gew iss geworden, (s. T. 1. Anm. 1143,
und Zusaz zu 832, und oben Th. II. S. 129. und Anm. 471.)?
ist die eben angeführte v o n grossem Gewicht: so wie X. 48. p.
673. c. wo 'K peaßozs.poi x a l véot den augeklagten Consularen
versprechen sie nicht zu verlassen. W enn diese Unterscheidung
ein Paarmal vorkäme, so m öchte sich die gewöhnliche Bedeutung
dafür vertheidigen lassen : aber sie findet sich so sehr häufig bis
gegen 310; dann nicht w eiter: obwohl der Streit zwischen P a ­
triciern und Plebejern m ehr als ein Jahrhundert hernach fort­
dauert, die Jugend doch blieb wie die der früheren Zeit gew esen
war, und die Chroniken im mer ausführlicher wurden. 69) S ie
sind unter den albanischen Geschlechtern des Könige Tullus.
«) Schwegler II. 657.
17*
— 260 — [ band п .]

u n d h ie r n a c h is t d er Z u sa m m en h a n g der b e r ic h te te n V or­
f ä lle se h r k lar. D ie b e y d e n er ste n S tä m m e w aren b ereit 329
n a c h z u g e b e n : d ie M in d ern , w e it z a h lr e ic h e r , z e ig t e n sich
h a ls s ta r r ig e r a b er a u ch k lü g e r a ls j e . S ie ern eu erten die
S tö r u n g d er A b stim m u n g e n ; a lle in s ie v erm ied en dass
ir g e n d e in e r sic h vo r än d ern au ffa llen d k u n d g e b e : sobald
d ie G em ein d e zu m A b m eh ren s c h r e ite n so llte w ar es w ie
e in a llg e m e in e s U n g e w it te r d a s a u f d em g a n zen Forum
a u sb r a c h : a u ss e r an d ie se n T a g e n e n t h ie lt e n s ie s ic h jeder
G e w a l t t ä t i g k e i t , v ie lm e h r w a r e n s ie b em ü h t d ie G unst
d e r P le b e je r zu g e w in n e n , der e in e n d u rch F reu n d sch aft­
l i c h k e i t u n d A c h tu n g , d er än d ern d u rch F r e y g e b ig k e it und
H ü lf e , w ie es fü r je d e n a n g e th a n w ar.
J e n e S c h la u h e it k o n n te v ie lle ic h t im V e r la u f der Zéit
w ü r k lic h d ie M e n g e v e r fü h r e n , zu g la u b e n d ass oh n e das
T r ib u n a t F r e u n d lic h k e it u n d E in tr a c h t h errsch en w ürden;
w a r e s a b e r a u c h w a h r s c h e in lic h d a ss U n g e d u ld d ie L ist
u m ih r e n E r fo lg b r in g e n w e r d e , so v e r a n la sste ein so
o ffen b a r b e r e c h n e te s B e tr a g e n den A r g w o h n d a ss etw as
s e h r G efä h rlic h e s v o r b e r e ite t w erd e. E in G erü ch t fand
G la u b e n u n d m o c h te ih n v e r d ie n e n , d a ss Cäso in der Stadt
g e w e s e n , u n d e in e V e r sc h w ö r u n g e in g e le it e t s e y a lle an­
g e s e h e n e u n d v e r h a s ste P le b e je r , vor a lle n d ie T ribunen,
z u erm orden* V erk ü n d ete W u n d e r z e ic h e n stim m ten die
G em ü th er n o c h b ek lo m m en er: e s sc h ie n u n feh lb a r d a ss die
Z e it m it e tw a s S c h r e c k lic h e m sc h w a n g e r g e h e .
M it so s c h w e r e n S o rg en h a tte m a n c h e r sic h d es A bends
zu r R u h e g e le g t , a ls die S ta d t d u rch K r ie g s g e sc h r e y und
D r o m m e te n vom K a p ito l h erab a u s dem m ittern ä ch tlich en
S c h la f g e w e c k t w u r d e “). W e n ig e e n tsp r u n g e n e F lü ch tlin g e
v e r k ü n d ig t e n , R öm er h ä tten d ie F e s te e in g e n o m m e n , u n d 330
s t ie s s e n je d e n n ied er der n ic h t zu ih n e n sch w öre. Das
s c h ie n d en P le b e je r n der A u sb ru ch d es erw arteten B lu t­
b a d e s : e s m ü sse Cäso se y n m it B a n d ite n u n d V ersch w or-
n e n . B i s der M o rg en k am w a g te e s N ie m a n d s ic h aus
d e r G eg en d se in e r W o h n u n g zu e n tfe r n e n ; m an besezte
a u f A v e n tin un d E s q u ilie n d ie f e s t e n H ö h en , u n d d ie F ahr­
w e g e u n d S tr a ssen w e lc h e h in a u f fü h rten .

a) Mommeen R . G. I. 2 8 0 ; N itzsch Röm. Annal. 118.


[bàîto п .] — 261 —

Es waren römische Verbannte, nnd ausgetretene


Knechte, mit hörigen Leuten eines mächtigen Sabiners
Appius Herdonius, der sich zum Haupt des Unternehmens
aufgeworfen hatte 670). Sie waren auf Böten den Fluss
hinabgefahren, am nächsten einsamen Ufer ausgestiegen,
und zum carmentalischen Thor, welches eines Glaubens
wegen nie geschlossen ward, hereingekommen, dann durch
den Vicus Jugarius, den capitolinischen Clivus hinauf.
Gebot aber auch ein Aberglaube jenes Thor offen zu halten,
konnte es denn ohne eine starke Wache gelassen werden,
wenn auch mit Aequern und Volskern wie mit Veji Waffen­
stillstand war? Vollends, da das Gerücht unmöglich von
331 jener Versammlung der Verbannten wenige Meilen von
der Stadt geschwiegen haben kann. Verrath ist hier offen­
bar: aber von den Mitwissenden mochten viele welche
eine nicht zu zügeln de Plünderung bevorstehen sahen, und
sich nicht verhehlten dass der fremde Magnat entweder
die Herrschaft als Preis seines Unternehmens zu behaupten
suchen, oder die aus geraubte angezündete Stadt mit Beute
und Gefangenen räumen werde, im Augenblick der Ent­
scheidung zurücktreten. Als es Licht geworden, sah Her­
donius seine Erwartungen getäuscht, und ganz Eom zur
Gegenwehr bereit. Selbst die Knechte waren taub für den
Aufruf sich zu befreyen. Nun blieb den Abentheurern
keine Rettung als auszuhalten, ob irgend ein Nachbarvolk
die Gelegenheit ergreife: abzuziehen, indem man sich die
jähen Bergwände herabgelassen hätte, war unmöglich, da
die Römer aus den Thoren mit grosser Ueberlegenheit auf
die Schaar gefallen seyn würden ehe sie den Fluss erreicht,
ja ehe sie sich am Fuss des Felsen geordnet hätte.

67°) D ion ysiu s X. 14. p. 640. a. cruvTj&potÇe roög кеЛатад


— Die Zahl seiner Leute wird von Livius zu 4500 angegeben :
das ist nichts weiter als die einer röm ischen Legion von fünf
Cohorten, nach dem vollständigen Schema von dreyssig Mann in
der Centurie. W ie w enn es mit den 4000 oder 5000 der Fabier
keine andere Bew andtniss h ätte: nnr zufällig die ächte Zahl
4500 nirgends erhalten vorkäm e? — D ionysius hat nach seiner
Art das Grelle einer bestimmten Angabe gem ässigt auf eine
düvaßtg àvÔpwv хвтрахідуіХшѵ цаХкгга: das w ill nun für eine
eigentliche Zahl gelten : 4U00 aber ist der Ausdruck für eine
sabinische Legion oben Th. II. S. 05.
— 262 — [band п.]

D ie C onsuln b e s e z te n M au ern u n d T h ore g e g e n äussere


F e i n d e , u n d s u c h t e n , e h e so lc h e e r s c h e in e n k ö n n te n , das
K a p ito l oh n e A u fsch u b w ied er e in z u n e h m e n . D azu riefen
s i e a lle zum F e ld d ie n s t V e r p flic h te te a u f , und forderten
d e n S o ld a te n e id . E s w ar a u f d em F oru m , u n ter d en A u g en
d e r H e r d o n isc h e n : O rt un d A u g e n b lic k g e b o te n u n b ed in gte
F o lg s a m k e it : ab er C. C la u d iu s, d es sc h r e c k lic h e n A p p iu s
B r u d er , w a r e in er d er C on su ln : nu r d u rch V erra th k on n te
d a s K a p ito l e in g en o m m en s e y n : u n d , w a s au ch H erd on iu s
H o ffn u n g e n g e w e s e n se y n m o ch ten , j e z t w ü rd e er, um das
L e b e n zu retten , d en P a tr ic ie r n w illig d ien stb a r w erden. 332
I n d ie se r L a g e so llte n d ie M än n er a u s d en K la ssen sich
d u r c h e in e n h e ilig e n E id zu b lin d em G eh o rsa m verp flich ten ?
d ie T r ib u n e n ih re sc h ü ze n d e G ew a lt a u fg e b e n ? E s sey
g e n u g T h o re u n d M auern zu b e w a c h e n : w en n die Ge­
m e in d e s ic h n ic h t b e str ic k e n la s s e w ü rd en d ie G astfreunde
u n d C lie n te n der P a tr ic ie r , w ie m an s i e i n die F e s te g e ­
b r a c h t, eb en so s t ille d araus e n tla s s e n w e r d e n 671). In zw i­
s c h e n s e y der A u g e n b lic k die R o g a t io n zu b esc h liesse n :
j e z t d a d ie P le b e s , stü n d lic h d u rch d ie h erein ström en d en
B a u e r n v erstä r k t, u n ter d en W affen s t e h e , w erde niem and
d ie A b m e h r u n g stö ren , u n d w en n d ie P a tr ic ie r n ic h t ganz
u n s in n ig w ä ren , so w ü rd en sie d a s P le b i s c i t sofort g en eh ­
m ig e n : a lsd a n n k ö n n e m an, E id g e g e n E id , ih ren F ahnen
fo lg e n .
I n d iese r u n s e lig e n V erirr u n g e i n e s nu r allzu w ahr­
s c h e in lic h e n A rg w o h n s, rettete P . V a le r iu s , P u b lic o la s Sohn
o d er E n k e l, das V a te r la n d .. E r , d e r a ls C ollege eines
C la u d iu s der E r w ä h lte der C en tu rien g e w e s e n se y n m uss,
d e m s e in H erz Z e u g n iss g ab d a ss e s r e in v o n A r g lis t sey,
b e s c h w ö r d ie T r ib u n en S tu n d en n ic h t v e r f lie s s e n zu lassen ,
d ie , w ie d as G erü ch t zu fe in d lic h e n V ö lk ern flog, tödtlich
fü r d ie R e p u b lik w erd en k on n ten . E r g e lo b te h e ilig , die
M a c h t s e in e s A m ts an zu w en d en d a m it k ü n ftig d ie V er­
sa m m lu n g u n g e stö r t ab stim m en k ö n n e , w en n s ie vorher
d ie E in w e n d u n g e n der C onsuln a n g e h ö r t h ä tte ; un d b e -
h a r r te n sie a lsd an n n o ch d a b ey d ie R o g a tio n zu g en eh m i- ззз

671) patriciorum hospites clientesque, si perlata lege frustra


tumultuatos esse se sentiänt, maiore quam venerint silentio abituros.
Livius III. 16 .
[band II.] — 263 —

g e n , so v er b ü r g e er d a ss s ie zum G esez b e s tä tig t w erd en


so lle 672). A u f d ie se s W o rt sch w u ren d ie P le b e je r , u n d
traten in L e g io n e n zu sam m en . V erstä r k t d u rch d ie T u s k u -
lan er, w e lc h e ih r D ic ta to r L . M am iliu s u n g e m a h n t h e r b e y -
g efü h rt h a tte , w a g te m a n am fo lg en d e n M orgen d en S tu rm .
D er C livu s m u sste g en o m m en w e r d e n : a u f b e y d e n S e ite n
ward m it g le ic h e r V e r z w e iflu n g g ek ä m p ft, en d lich g e la n g
e s , m it sc h w erem V e r lu s t, d ie B a n d iten zu ü b erm an n en .
D ie E n tsc h lo s se n s te n v on d en U eb erleb en d en w eh rten s ic h
noch im k a p ito lin isc h e n T e m p el, d essen H a lle s ie verram ­
m elt h a tte n : h ier fiel P . V aleriu s, der d en Sturm an fü h rte.
Seh r w e n ig e g e r ie th e n le b e n d in der R öm er H ä n d e; d ie se
w urden h in g e r ic h te t, je d e r n a c h sein em S ta n d , a ls P rey e
oder K n ech te.
E s is t w o h l n ic h t zu b e z w e ife ln d ass Cäso b e y d ie se m
W a g n iss g e w e s e n und u m gek om m en is t. D a s h a b en d ie
b estim m t g e w u s st, n a ch d en en L iv iu s sc h r ieb , z w e y J a h r e
h ern a ch h ä tte n die A n g e h ö r ig e n ein e p flic h tm ä ssig e R a ch e
an dem Z eu g en g e s u c h t, w e il Cäso für d ie R e p u b lik u n d
die S e in ig e n u n w ie d e r b r in g lic h verloren g ew esen w ä r e 73);
zu ein A u sg e w a n d e rter k o n n te , so la n g e er l e b t e , in s e in e n
S tan d h e r g e s te llt w erd en ; u n d d as w ürde dem V ater n ic h t
sch w erer g e w e s e n se y n a ls d en Z eu gen zu vertreib en . D ie
E rw ä h n u n g der G erü ch te w elch e vor dem U n te r n e h m e n
v erb reitet g e w e s e n , d e u te t a u f C äsos T h e iln a h m e ; a u s­
sp rech en k o n n ten d ie w e lc h e ih n a ls O pfer fa lsc h e s Z e u g -

672) D ie Zusage w elche bey Livius nur verspricht dass das


Concilium nicht gestört werden so lle, muss so gedacht werden
damit die Ausdrücke des besonnenen Dio nicht zu viel sagen:
ô ôè ofitXog où кротериѵ èv roïg отсХоід èyévero тіріѵ ті тгХеоѵ
суеЪ та>ѵ eÖTzarptdwv : Zonaras II. p. 26. f. 73) Livius
III. 25. Quoniam neque Q uinctiae fa m ilia e Caeso, neque re i
publicae m axim m iuvenum restitu i posset. Dass er in der D e­
klamation pro domo 32. (86.) mit Camillus und A hala als zu ­
rückberufen vorkommt, hat nicht das allergeringste Gewicht: es
ist der Einfall eines dreisten und unwissenden Rhetors, ganz von
dem selben S ch lag w ie der Zusaz dass alle drey von den Centu-
rien verurtheilt gewesen wären, und andere in diesen Anmerkun­
gen bemerkte V erkehrtheiten, w elche die Beweise der Unächt-
heit jener Schrift vermehren.
— 264 — [band II.]

H is s e s d a r ste llte n , n ic h t , d a ss er m it L a n d esfein d en und


K ä u b e r n a u f dem K a p ito l g e fa lle n s e y .
P . V a le r iu s w ar fe y e r lic h b e s ta tte t: zu se in e r lezten
E h r e h a tte d ie G em ein d e sic h b e s t e u e r t 674) : Ju p iter s T em p el
w a r v o n der E n tw e ih u n g g e r e in ig t : j e z t fo rd erten d ie T ri­
b u n e n von C. C lau d ius d a ss er s e in e s C ollegen W o rt er­
f ü lle . I n e in e r so sc h w e r e n S ach e a lle in zu h a n d eln , w e i­
g e r t e s ic h d ie se r : ab er a n s ta tt d ie C en tu rien zu b eru fen
d e n e n a lle in d ie E r n e n n u n g zu d er e r le d ig te n S te lle z u -
s t a n d , w e n n sie a u ch die a n d ere a u f im m er a b g etreten
g e h a b t h ä tte n , l i e s s er d ie Curien d en vom S en a t b e sc h lo s­
s e n e n C o n su l, L . C in cin n a tu s, b e s t ä t ig e n 75). E s w ar ein
G e w e b e v o n R ä n k en w o rin m an d ie G em ein d e zu fa n g e n
t r a c h t e t e . Ih r g a n zer H eerb a n n h a tte a u f V a leriu s W o rt
z u d e n F a h n e n g e sc h w o r e n , u n d w ar n ic h t e n tla sse n w or­
d e n ; d em n a c h w ar er v e r p flic h te t h in z u z ie h e n w o h in der
C o n su l d ie se F a h n en tr a g e n l i e s s , u n d n ic h t m in d er zu
u n b e d in g t e m G eh orsam . A ls o , fo lg e r te n d ie H ä u p ter des
S e n a ts , a u ch je d e s G esez a n zu n eh m en w a s ih n e n v o rg e­
s c h la g e n w ü rd e; d ass d ies an jed em in a u g u rirten Ort m it
g le ic h e r G ü ltig k e it w ie a u f dem M a rsfeld e g e s c h e h e n k ön n te 33s
b e s t r i t t n iem a n d , so w e n ig a ls d a ss e in v o llz ä h lig e s H eer
d e m E x e r c itu s der C enturien g le ic h steh e. W ü rd en die
C o m itie n e n tfer n t von R om g e h a lt e n , so w ären die w eh r­
lo s e n A n g e h ö r ig e n der S o ld a ten in der S ta d t und ihrem
n ä c h s t e n B e z ir k in der B ü r g e r sc h a ft G ew a lt, u nd d ien ten
a ls G e is s e in für d ie F o lg s a m k e it der G a tten u n d V ä ter:
d ie w e n ig e n w elch e sic h w ed er durch d iese s B a n d n och
d u rch d ie V erp flich tu n g d es E id e s z w in g e n H essen, käm en
n ic h t in B e tr a c h tu n g ; und w o llte m an s ie z ü c h t ig e n , so
k ö n n e e s m it den W affen der je z t so g a r a b h ä n g ig e n B u n ­
d e s g e n o s s e n g e s c h e h e n . D e s h a lb v e r fü g te n s ic h die A u gu rn
a n d en S ee R e g illu s um dort ein F e ld für C om itien zu in a u -
g u r ir e n , in d en en d ie e w ig e R ic h tu n g und a lle andre V or­
k o m m n iss e für to d t und a b g e th a n erk lä rt w erd en so llte n .
A ls d a n n w äre die V erfa ssu n g n ic h t a lle in w ie sie vor der
S e c e s s i o n g e s ta n d e n h e r g e s te llt g e w e s e n , son d ern m it allen
A b ä n d e r u n g e n w e lc h e die A lle in h e r r s c h a ft der Curien er-

674) Livius III. 18. 75) [Th. 2.] Anm. 425.


[band II.] — 265 —

fordern k o n n te; n a ch dem E e c h t d es B u c h s ta b e n s a u f e in e


v ö llig le g itim e W e is e ; so v o llg ü ltig d ass, w er sic h d a g e g e u
a u fg e leh n t h ä tte, n ic h t b e s s e r a ls ein R e b e ll g e w e s e n se y n
w ü rd e: u n d um fü rs erste d iesen Z u stan d zu b e h a u p te n ,
so llte ein D icta to r ern an n t w erd en . D a s w a ren d ie T räu m e
der U n sin n ig e n , w e lc h e n ic h t b ed a ch ten d ass ein ru c h lo se r
s c h e in h e ilig e r M isb rau ch der F orm en d es R e c h ts a u ch d ie
S a n fte ste n w ild m a c h e n , un d den Z auber se in e r M a c h t
g a n z zerstö ren w ü rd e. N im m t m an dazu d ass C in cin n atu s
n ic h t ein m a l r e c h tm ä ssig erw ä h lt w a r, so is t es o ffen b ar
dass E m p ö ru n g u n v e r m e id lic h a u sg eb ro c h e n se y n w ürde
336 eh e ein e C ohorte au s dem T h or g e z o g e n w äre : u n d so fiel
au ch den V e r w e g e n ste n der M ath w ie s ic h d ie A u sfü h ru n g
des tö lle n V o rh a b en s n ä h erte: m an w ar zu fried en a lle
V o rb ere itu n g en zu rü ck zu n eh m en g e g e n d as V er sp r e c h e n
d ass d as G esez für d ie se s J a h r ru h en s o lle . So seh r a b er
w a ren d ie P a tr ic ie r ü b erw u n d en d ass sie a u ch d iese s M al
die W ie d ererw ä h lu n g der T r ib u n en n ic h t h in d e rn k o n n te n ,
deren C ollegiu m v o n 2 9 3 b is 2 9 7 s ic h b e s tä n d ig e r h ie lt ;
h in g e g e n d ie d es C in cin n atu s a u fg e g e b e n w erd en m u s s t e 676) .
Oder w ar er es s e lb s t der, v o ll U n w ille n ü b er die F a c tio n
w e lc h e d ie G eister d er Z erstöru n g le ic h t s in n ig au frief, un d
vor ih rer E r sc h e in u n g v e r z a g te , den g a n zen H a ss für e in
strä flich es U n te r n e h m e n , u n d die S ch m a ch vor der A u s ­
fü h ru n g z u r ü ck g ew ich en zu s e y n , n ic h t zum zw ey ten m a l
a u f s ic h la d e n w o llt e ?
D o ch se h e n w ir ih n n a ch zw ey J a h r e n a ls D icta to r
w ied er im R e g im e n t. S ch o n 29 5 h a tte n die Q uästoren M .
V o lsc iu s vor den C u rien 77) a n g e k la g t f a ls c h e s Z e u g n iss
g e r e d e t, u n d d am it ein en ihrer M itstän d e in s V erd erb en

676) Die alten Annalen werden nichts weiter gem eldet haben
als dass dor Senat Cincinnatus zum Consulat berufen wollte, und
dieses so entschieden aufgegeben ward dass vielm ehr ein Edict
verbot Stimmen für ihn anzunehmen: die Erzählung wie das g e ­
kommen, ist Ausmahlung. Ihr Urheber hat seinen H elden ver­
herrlichen w ollen, doch ist es ihm schlecht gelungen; nach der
Ansicht dass er die Stüze der guten Sache gew esen , würde er
sich ihr aus schw ächlicher Furcht vor dem unverdienten Schein
des Ehrgeizes entzogen haben. 77) Ihnen stand das Gericht
zu über Plebejer die sich an einem ihres Standes vergangen
hatten, wie diesen gegen einen Patricier im gleichen Fall.
— 266 — [band II.]

g e b r a c h t z u h a b en . D ie T r ib u n en v e r g a lte n d ie S töru n g 337


i h r e r C o n cilien d am it d ass sie d en P a tr ic ie r n w eh rten zu
d i e s e m G erich t z u sa m m e n z u tr e te n 678): der W id ersta n d den
w e d e r je n e Q uästoren n och ih re N a c h fo lg e r a u fh eb en k on n ­
t e n v e r sc h w a n d vor der d icta to risch en M ach t (2 9 6 ): und
d e r A n g e k la g te m u sste in s E le n d g e h e n . D ie s is t w o h l
d e r e in z ig e Z w eck je n e r D icta tu r g e w e s e n die C in cin n atu s
m it d em s e c h sz e h n te n T a g n ie d e r le g te . D em V ater m ag
e s v e r z ie h e n w erd en d a ss er d as B lu t se in e s K in d es g e ­
r ä c h t h a t, w en n au ch d a s U r th e il w e lc h e s ih n zum L an ­
d e s f e in d m a c h te , h ö c h st v e r sc h u ld e t w a r: d ie P a c tio n der
e r a n g e h ö r te h a t sic h m it v ie l sc h w ä rzeren S ü n den b elad en .
S ie h a b e n v ie le der k ü h n sten u n ter den G egn ern m e y c h e l-
m ö r d e r is c h u m b rin g en la ss e n , s a g t D io 79).
W ir h a b en M ühe zu b e g r e ife n u n d zu g la u b e n m it
w e lc h e r G esin n u n g d ie O lig a rch ien d es A lterth u m s ih re a ll­
z e i t g e m iss b r a u c h te G ew a lt b eh a u p te te n : e s z e ig t sie ab er der
E i d zu r G en ü g e w e lc h e n sie in e in ig e n g r ie c h is c h e n S ta a ten
v o n ih r e n G en o ssen fo rd erten : der G em ein de gram zu seyn ,
u n d n a c h K rä ften zu rath en w a s ih r S ch a d en b r in g e 80).
D a s s c h e in t d en en u n m ö g lic h d ie n u r m it den m ild en un d
w o h lw o lle n d e n V e r h ä ltn isse n in M on arch ien b ek a n u t sin d :
in R e p u b lik e n z e ig e n sic h b is a u f u n sern T a g Z ü ge d ie se s
g r ä s s lic h e n G e iste s; durch ih n w u rd en zu F ry b u rg vor
n o c h n ic h t fü n fz ig J a h ren red lich e M änner in der R e g ie - зз8
r u n g , w e lc h e die d en B ü rg e rn u n d der L a n d sc h a ft en t­
w a n d t e n R e c h te zu rü ck zu g eb en rieth en , a ls V erräth er b e ­
s t r a f t : er i s t e s der den n eu en L a n d le u te n in S ch w y z ih ­
r e n S ta n d e n tz o g e n h a t, un d in d en S k la v e n sta a te n von
N o r d a m e r ik a d en U n terrich t der F a r b ig e n zum C rim inal-
v e r b r e c h e n m a c h t: e s i s t der n ä m lich e G eist der H ö lle

678) D ie Befugniss der Tribunen das Concilium des Populus


zu hindern erwähnte Dio : Zonaras p. 23. b. ([Th. 2.] Anm. 367•)•
79 ) D io eccc. de sent. 22. p. 151. ed. R . (und Zonaras)
ot едлат рсдас p avsp a jg (ikv ou 7гаии — йѵтіт:раттоѵу Ы $ р а
âè <ju%vouç T w v -d'paauTdzmv è<pôvEuo\>* 80 ) Aristoteles
P o lit. V. 9. p. 150. b. vùv juèv èv èvtatç (öXtyap%catg) ôp.vuou<rt,
X 'd l т<р d rjß o ) х а х о ѵ о и д ё<торіасу x a l ß ou Ae и am д тс äu
x a x ô v . Ein neckischer auapästischer Rhythm us!
[band п .] — 267 —

welcher Sparta die Tyranneyen gegen Heloten und Unter-


thanen, Florenz die eingab welche Pisa verödeten.
Die Meuchelmorde, fährt Dio fort, erreichten den
Zweck nicht: vielmehr wurden die Gegner um so entschloss-
ner je mehr die Tyrannen wütheten. Die Freyheit des rö­
mischen Volks ward, wie in Keligionsverfolgungen, durch
Märtyrer begründet: sie befestigte und erweiterte sich seit
dem publilischen Gesez stätig. Es wird als ein solcher
Gewinn erwähnt dass die Zahl der Tribunen im Jahr nach
Cincinnatus Dictatur, 2 9 7 , verdoppelt ward: auf zehn, zwey
aus jeder Klasse681) «). Da sie verpflichtet waren jedem Ple­
bejer nicht allein wider die Obrigkeit gegen Unterdrückung,
sondern auch gegen jede von Einzelnen ausgeübte Mishand-
lung persönlich beyzustehen82), so mochte die bisherige
Zahl in einer Zeit voll Gewaltthätigkeit unzureichend seyn :
und ein zahlreicheres Collegium erscheint ansehnlicher und
339 handelt kräftiger. So das tribunicische ; welches, bis es
die Gesezgebung errang, sich zu unbedingter Einstimmig­
keit verband83). Ihre zunehmende Macht zeigt sich darin
dass schon im ersten Jahr, 2 9 8 , Icilius und seine Collegen
zu erzwingen vermochten dass die Consuln ein Plebiscit
nicht, wie sie es wollten und sonst häufig geschehen seyn
muss, beseitigen konnten, sondern es dem Senat vortragen,
und dem Tribun gestatten mussten es hier zu verthei-
digen84). Dadurch ist das icilische Gesez über die An­
weisung des Aventinus85) in der Geschichte der Verfassung
denkwürdig, wie es der Gemeinde durch unmittelbaren
Nuzen theuer war 5).
Es überwiess den Plebejern, die schon seit König

681) Livius III. 30. ?) Ihne R. G. I. 159. A. 3.


82) Livius III. 19. 8i quis vobis — de vestra plehe — domum
suarn obsessam a f a m ilia a rm a ta n u n tia ret , ferendum auxilium
pu ta reiis. 83) D ionysius X . 31* p. 658. b. 84) Das.
p. 657. d. 85) Livius n en n t das Gesez nur: de Aventino
publiccmdo la ta lex est : III. 30. wo pu blicare, was eigentlich die
Einziehung von Privateigenthum für den Staat bezeichnet, von
der Zurücknahme des B esizes an den Staat, zu dessen Verfügung,
gebraucht is t, w ie IV. 48. cum — magnae p a rtis nobüium eo
p lebiscito pu blicaren tu r fortu n ae. b) Schwegler II. 5 9 8 ;
Ihne R. G. I. 159. A. 5.
— 268 — [band п .]

Ancus Zeiten dort eine Niederlassung hatten, welche An­


weisung zu Eigenthum nicht bezweifeln lässt, den übrigen
Theil des Bergs, der noch Gemeinland der Bürgerschaft,
von einzelnen Patriciern benuzt, und grossentheils mit
Häusern wo die Plebejer ohne Zweifel als Miether wohnten
bebaut war. Die redlichen Besizer wurden für den Werth
der Gebäude 'entschädigt686). Die Anweisung geschah nach
Wohnungen, an eben so viele Hausväter; ein solches Haus
ward nicht von Mehreren als Gesammteigenthum besessen,
sondern jeder hatte ein Stockwerk in vollem Eigenthum, 340
welches er durch Kauf oder Erbe übertragen konnte87).
Eine Klausel muss bestimmt haben dass die Patricier,
auch wenn allgemeines Commercium eingeführt wurde,
dennoch nie Grundstücke auf diesem Berge eigentümlich
erwerben könnten; sonst ist kein Grund denkbar warum
das Gesez von der unbegränzten Machtvollkommenheit der
Decemvirn, gleich den ewigen Preyheiten, ausgenommen
b lieb 88). Es war für die Unabhängigkeit der Plebejer
höchst wichtig dass der erste Stand ihnen nicht als Miethern
Geseze für ihre Stimmen vorschreiben könne; auch war
bey der Möglichkeit blutiger Fehden viel daran gelegen
dass die Gemeinde dies Weichbild ausschliesslich inne habe.
Der Aventinus war sehr fest; von der Stadt her, vor der
Anlage des Clivus Publicius, nur auf Fusspfaden zugäng­
lich; der einzige Fahrweg, aus der Porta Trigemina, führte
an das Ufer, eine Häuserreihe bey den Salzmagazinen und
der Schifflände, ausser der Stadt: er hatte seine eigene

686) Ueber Dionysius irrigen B egriff vom Gegenstand dieses


G esezes is t oben geredet: [Th. 2 .] Anm . 3 1 4 : — gewiss musste
jeder B esiz aufgegeben w erd en , doch mit dem Unterschied dass
eb en der unredliche Besizer nicht für die Gebäude entschädigt
w a rd , w ohl aber der rechtliche. Ohne Zweifel ward die Ent­
sch ä d ig u n g von denen gezahlt die das Haus erhielten ; und so
k on n te der bebaute und noch leere T h eil des Berges in Loose
ein g eth eilt werden ohne widersinnige U ngleichheit. 87) D iese
T h eilu n g des Eigenthums nach Stockw erken ist noch jezt in Rom
gew öhnlich, und dem Fremden eben so auffallend wie sie es D io­
n y siu s w ar. S ollte nicht ein so g eth eiltes, oder solcher Theilung,
der Verm iethung nach einzelnen Stockw erken, fähige« Haus, eine
insula vseyn, und der procurator insulae (Petronius 96.) der G e­
schäftsführer der Eigenthümer ? 88) L ivius III. 32.
[band и .] — 269 —

A r e . D ie E i g e n t ü m l i c h k e i t d a ss d ie se r B e r g a u ss e r dem
P o m ö riu m l a g 689), w e lc h e d en A r c h ä o lo g e n der K a ise r z e it
341 v ie l zu rath en g a b , d ü rfte a u c h durch d as ic ilis c h e G esez v e r ­
b ü r g t s e y n ; s ie b e fr e y te v o n den s t ä d tis c h e n A u s p ic ie n .
S eh r v ie l w ard d u rch d as G esez der C onsuln S p . T a r-
p eiu s u n d A . A te r n iu s, 3 0 0 , g ew o n n en , w e lc h e s d er W ill-
k ü h r d er M u lta a u ch für d ie P le b e je r ein Z iel s e z t e 90), in ­
d em e s a ls d ie h ö c h ste z w e y S ch afe und d r e y s sig E in d e r
f e s t s t e l lt e 91) . A u c h d ie se durfte n ic h t a u f ein m a l a u s g e -
sp r o c h e u w erd en , son d ern der Consul b e g a n n m it ein em
S c h a f 92): w e lc h e s d en P r o le ta r ie r sc h o n stra fte , den E r b -
g e s e s s e n e n w a rn te. A u s d e m se lb e n G runde f o lg t d a ss s ie
342 n u r stu fe n w e ise g e s te ig e r t w a r d 93), b is zum h ö c h ste n M aass,
je d e sm a l um ein H a u p t; w a h r s c h e in lic h au ch nur v o n T a g e
zu T a g e , m it A n s s c h lu s s der dies n e f a s ti94). So k o n n te Ш е -

689) B is auf den Kaiser Claudius: G ellius XIII. 14. Daher


begreift auch Varro diesen Borgo nicht in der Uebersicht der
Oertlichkeit der Stadt. 90) Bestimmung einer Zahl топ H äup­
tern V ieh für die höchste Multa giebt Dionysius X . 50. p. 674. e.
als Inhalt des Gesezes dieser Consuln an; und Cicero, de re p .
II. 34. hat gew iss das näm liche gem eynt: die feste Abschäzung
in Geld schreibt er den Consuln von 325 z u , womit die ihnen
zugeschriebene aestimatio m ultarum (Livius IV. 30.) übereinstimmt.
E s lieg t auch in der Sache dass diese später eintrat; und die
Angabe w elche die Abschäzung in jenes Gesez legt, (Gellius
X I. 1. Festus s. v. pecidatus) ist ganz gew iss irrig. Von den
€on su ln 302 wusste Verrius offenbar etwas was hieher gehörte,
allein F estus hat es ganz unverständlich gemacht. — Freye B e­
stimmung der Busse nach den Umständen ist Charakter der m u ltai
d ie poen a steht unwandelbar. 91) Es ist kein Versehen son­
dern erklügelt, das^ D ionysius umgekehrt 30 Schafe und 2 Rinder
sezt: jen er konnten nicht so viele seyn als einem Bind an W erth
gleich geachtet wurden: wo Pfunde oder Thaler ausgesprochen
•werden, wird man nicht neben ihnen eine grössere Summe Schil­
lin ge oder Groschen nennen als in einem einzelnen enthalten
eind. Der Einfall bey G elliu s, Schafe wären seltner und k ost­
barer gew esen als Binder, giebt das Maass des Menschenverstands
eines Pedanten. 92) G ellius а. а. О. 93) E in Maass
nach dem ändern einschütten, heisst m u ltare; Varro de l. L .
V . 36. (IV. p. 48.). 94) B ey Gellius a. a. 0 . haben alle
H andschriften an beyden Stellen in singulos d ie s : w elches lezte
Wort w eggestrichen is t , w eil man eine mehrmals wiederholte
— 270 — [band п.]

m a n d d u rch ü b e r m ä ssig e B r ä c h te n zu G runde g e r ic h te t


w e r d e n , w en n er n ic h t h a ls s ta r r ig w a r : d en n a u f d en F a ll
d a s s d er C onsul u n b illig e s g e b o t w a ren d ie T rib u n en b ereit
z u sc h ü z e n : deren r e g e llo s e s E in g r e ife n dem W e se n der
M a je stä tsg e w a lt k e in e n E in t r a g t h a t , w ie v o rg esch rieb en e
B e s t im m u n g e n der S tr a ffä lle e s g e th a n h a b e n w ürden. Ob
sie S c h u z g ew ä h r e n s o llt e n h a tte n s ie in ih rem G ew issen
zu e n t s c h e id e n ; u n d w er b e z w e if e ln so llte d ass er g ew ö h n ­
l ic h d em U n g e h o r sa m e n v e r s a g t w ard , w ürde v erk en n en
d a ss d ie A n n a le n n u r d as B ild a u fg e r e g te r Z eiten g eb en .
I n z w is c h e n k o n n te Z w ist h ierü b er z w is c h e n den Consuln
u n d ih n e n n ic h t a u s b le ib e n : un d es is t zu erw arten d ass
w e n ig s t e n s in der F o lg e d er Z e it die G em ein de alsd an n
r ic h t e n d e in tr a t, w ie e s d ie B ü r g e r sc h a ft sch on für d ie
I h r ig e n e r la n g t h a t t e 695).
E in e andre V e r fü g u n g d es a te r n isc h e n G esezes b erech ­
t i g t e a lle O b rig k eiten B r ü c h te n zu v e r h ä n g e n 96). V ie lle ic h t 343:
f e h lt e d ie s e B e fu g n is s d em S ta tth a lte r : v o n den B lu trich ­
te r n w ä r e es se ltsa m w en n s ie d as g rö ssere E e c h t g eh ab t,
d e s n ie d e r n e rm a n g elt h ä tte n : d en T r ib u n en u n d A ed ilen
k a n n e s für ih ren e ig e n e n S ta n d n ie g e f e h lt h ab en , g e g e n
d ie P a tr ic ie r d am als n o ch n ic h t ein g erä u m t se y n .
I n d em se lb e n J a h r , dem n e u n te n se itd em T e ren tiliu s
s e in e E o g a tio n an d ie G e m e in d e g e b r a c h t h a tte , g e n e h ­
m ig t e n e n d lic h S e n a t u n d C urien d a ss d ie G eseze g e b e sse r t
w e r d e n s o l l t e n a) . D ie v ie lfa c h e N o th der Z eit m och te
a u c h e in G efü h l w e c k e n d a ss U n s e g e n a u f der v e r t e i d i g ­
t e n S a c h e h a fte, E in tr a c h t fü r m ild er e G em ü th er B ed ü rf­
n isse e in e H o ffn u n g la u t w e r d e n d a s s sie so g a r d en Zorn
der h ö h e r e n M ä ch te v e r s ö h n e n k ö n n te . D ie g a n z h a lss ta r ­
r ig e n w a ren du rch d ie V e r u r th e ilu n g m eh rerer V ornehm er,
w e lc h e a u fs n eu e das p le b e jis c h e C on ciliu m g ew a ltsa m g e -

Brüchte von dieser Grösse für ein U n d in g hielt. Man bat aber
dam it den Schriftsteller selbst berichtigt: in seinen Quellen muss
er g elesen haben was oben geäussert ist.
695) Oben Th. II. S. 262. So erklärt es sich dass Cicero von einem
sacramentum multae redet: denn das sacramentum war eine W ette
die nur durch richterlichen Ausspruch verfiel. 9ß) , Dionysius
X . 5 0 . p. 674. e. <*) Schwegler III. 1 6 ; Mommsen В . G.
I. 283.
[band i i .] — 271 —

stö rt ( 2 9 9 ) , darn ach der Consuln w elch e s ie g e s c h ir m t


h a tte n (3 0 0 ), in F u r ch t g e s e z t.
D a m a ls sc h e in t der B e s c h lu s s n u r n o c h g a n z a llg e ­
m ein g e fa s s t, u n d d ie F r a g e ü b er d ie V e r tr e tu n g der S tä n d e
b e y der G esezg eb u n g v ersch o b en zu se y n . E s w u rd en a b er
d rey S en a to r en a ls G esa n d te n ach A th e n ab g eo rd n et, u m
d ie G eseze h e im zu b r in g en u n ter d eren H errsch a ft d ie a u s
der Z erstöru n g d es p e r sisc h e n K rieg s au ferstan d en e S ta d t
a ls d ie h e r r lic h ste und m ä ch tig ste u n ter a lle n fr e y e n
S ta a ten , n ic h t d en g r ie c h is c h e n a llein , b lü h te . Ih re N a m e n
w erd en g e n a n n t 697): o h n e Z w eifel w aren sie in d en B ü ch ern
344 der P o n tific e s e r h a lte n : w e n n aber a u ch ih re S en d u n g ü b e r
d as M eer für g a n z a u sg e m a c h t g e lte n m u ss, so k ö n n te
A th e n v o n sp ä teren S c h r iftste lle r n eb en so w illk ü h r lic h
e in g e s c h o b e n se y n w ie P y th a g o r a s in die S a g e von N u m a ,
D io n y s iu s in d ie von C eriolan u s: w ie s ie den Z u g d es
L a c h e s in e in e k a r th a g in ie n s isc h e E x p ed itio n v erw a n d elt
h a b e n . S o llte h ie r d a s ’V e r h ä ltn iss d es a ttis c h e n P r iv a t­
r e c h ts zu dem der z w ö lf T a feln e n tsc h e id e n , so m ü s ste
m an e in e n so lc h e n Irrth u m an n eh m en : in d em b ey d e in
a llem W e s e n tlic h e n u n d B e z e ic h n e n d e n , im p e r sö n lic h e n
B e c h t, a lle n u n d je d e n B e c h ts h a n d lu n g e n u n d dem P r o z e ss ,
n ic h t d ie g e r in g s te A e h n lic h k e it h a b en : d ie , wo s ie in
b e y d e n G e s e z g e b u n g e n g e fu n d e n w erd en m a g , en tw ed er
G eg en stä n d e b etrifft a u s deren W esen ein e A rt a llg e m e in e r
E in e r le y h e it h erv o rg eh t, od er a u f ein em u n en d lic h w e ite r
v e r b r e ite te n B e c h t b eru h t, w ie d ie G en tilitä t. A lle in d ie s e
G ründe red en in der T h a t eb e n so sehr g e g e n d iese H e r ­
le itu n g e in e s T h e ils der D e ce m v ira lg eseze au s d en en ir g e n d
einer g r ie c h is c h e n S ta d t, — d ie ita lio tisch en a u sg e n o m m e n ,
w o ab er d ie U eb ere in stim m u n g es u n n ö th ig g e m a c h t h a b en
w ü rd e e in E e c h t b e y ih n e n zu su ch en w e lc h e s sie s e lb s t
v o n den ita lis c h e n V ölk ern an gen om m en h ä tte n : und k o n n ­
ten d en n n ic h t d ie G esa n d ten a u sg e h e n ein e in w e it e r
F ern e v e r eh rte W e is h e it zu v e r n e h m e n , d iese aber h e r ­
n a ch n ic h t an w en d b ar b efu n d en w erd en ? D o ch das P r i v a t ­

em) Sp. Postumius, A. Manlius (Lydus L 31. Marcius, irrig),


P. (oder Serv.) Sulpicius. E s wären Triremen für sie a u sg e­
rüstet, sagt Dionysius: wenigstens später gebot die Sitte jed em
Gesandten eine eigene anzuweisen.
— 272 — [band п .]

r e c h t n a c h frem den Y o rh ild zu ä n d ern fiel sic h e r N iem a n ­


d e n e in : h in g e g e n w a r d as V o r h ild e in e s S ta a ts in w elch em
d i e G em ein d e m it den G e s c h le c h te r n d u rch v ö llig e Isegorie 345
z u e in e r N a tio n v e r e in ig t w ord en , in R om s d a m a lig en V er­
h ä lt n is s e n se h r le h r r e ic h . B e y s p ie le v o n a llen G esta ltu n g en
d e r S ta n d e s v e r h ä ltn is s e , vom a b g e le b te n F o r tb e ste h e n der
ä lt e s t e n b is zu ih rem g ä n z lic h e n V ersch w in d en , gew äh rten
n a h e u n d fern d ie g r ie c h is c h e n S tä d te : v ie le w arnende;
w ie d u rch o lig a r c h is c h e s F e s th a lte n d ie G ew alt e in e s U sur­
p a to r s u n v e r m e id lic h , un d e b e n der U n te r g a n g a lle r son st
m i t d em a llg e m e in e n W o h l v e r tr ä g lic h e n V orrech te der
ä lt e r e n B ü r g e r h e r b e v g e fü h r t w ord en : A th e n ab er jen es
w e lc h e s B o m b ed u rfte, m it dem A n b lic k d es g a n zen daraus
e r w a c h s e n e n S e g e n s. E s is t ein lä s s lic h e r Irrth u m dass
u n s r e H isto r ik e r v o n d en so lo n is c h e n G esezen red en : in
d ie s e n fa n d sic h n ic h t w a s d en R öm ern N o th th a t: die
s p ä t e r e G ese z g e b u n g g a b d ie L e h r e. I c h h ab e sch on b e­
m e r k t d a ss a u ch zu A th e n der' D em o s ein e w ah re Ge­
m e in d e w ar; es w aren d ie a lte n A ttik e r : und w ie d ie E in -
t h e ilu n g der v ie r io n isc h e n S täm m e n u r ih re B eh errsch er
a n g e h e n k o n n te, w e lc h e darin d ie 3 6 0 G esch lech ter aus­
m a c h te n , so b e tr a f u r sp r ü n g lic h d ie ö rtlich e der D em en
s ic h e r n u r je n e G em ein d e : so lc h e D em en b ild e te n nach
ih r e r L a g e v e r s c h ie d e n e B e zirk e ; u n d d ie M änner am B erge,
im B o d e n 698), und vom U fer, z e ig e n D r itth e ile w ie die ört­
lic h e n E i n t e i l u n g e n v o n R h o d u s u n d ä h n lic h e 99): d ie über­
w ie g e n d g e w ö h n lic h e d rey fa ch e d er g r ie c h is c h e n V ölk er:
u n d w a h r s c h e in lic h fo rtd a u ern d au s d er Z eit vor der U n ­
te r jo c h u n g . S o lch e L a n d e s th e ile sin d h ä u fig u n terein and er
v e r f e in d e t , m e is te n s o h n e a lle n v ern ü n ftig en G rund: u n d 3«
d ie a ttis c h e n h in g e n s ic h an m ä c h tig e E u p a trid en w elch e
s ic h zu L a n d esh ä u p tern au fw a rfen . V o n d iesem D em us,
d em S o lo n nur so v ie l A n se h e n im S ta a t a ls u n v erm eid lich
w a r e in g e r ä n m t700) , ab er s e in e p e r sö n lic h e F r e y h e it g e ­
s ic h e r t und se in e r N o th a b g e h o lfe n h a tte , v erste h t es sich
d a ss e r , da der R a th im m er e in e V e rtretu n g der P h y le n

698) g o 'wurden örtliche Partheyen in Graubünden bezeich­


n et. 9 9) Th. I. S. 332. 700) SrjfjLip (±kv yàp ідшха
т ôgqv xpdzoç oaoov ènapxétv.
[band n.J — 273 —

e n th ie lt, v o n d em selb en a u sg e s c h lo s s e n w a r so la n g e n u r
d ie v ie r io n isc h e n b e sta n d e n ; v o llen d s v o n den h o h e n A e m -
tern : d ie so lo n isc h e K la sse n o r d n u n g e n tfe r n te d ie u n b e g ü ­
terten E u p a trid en vom R e g im e n t oh n e d ie r e ic h e n D e m o te n
z u z u la s s e n 701). D a s s K listh e n e s die zeh n S täm m e a n g e o r d n e t
h a b e, d a g e g e n sc h e in t k e in Z w e ifel z u lä s s ig zu se y n : w o h l
aber fr ä g t es sic h se h r ob ih m m it g le ic h e m R e c h t d ie
A b sc h a ffu n g der v ier io n is c h e n , und E r h e b u n g je n e r zu r
N a tio n a le in th e ilu n g •zu gesch rieb en w erd en k ö n n e ? O der ob
er, in d erselb en A rt w ie S erv iu s T u lliu s , d en D em u s d er
nur n o c h au s z u sa m m e n g e fu g te n T h e ile n b e sta n d , e r w e ite r t
d u rch h in zu g ek o m m n e O rtsch aften , w ie S a la m is, u n d d ie
A u fn a h m e v ie le r B e y s a s s e n u n d A e r a r ie r 2) , zu ein er g e ­
g lie d e r te n , in sic h g le ic h fö r m ig e n , G esa m m th eit sch u f, d ie se
n eb en d ie a lte n S tä m m e s t e llt e ? Ob e r s t n a ch h er, in dem
Z eitraum der re isse n d sc h n e lle n E n tw ic k e lu n g A th e n s , w o r­
ü b er a lle K u n d e v e rsch w u n d e n is t, b e y d e S tä n d e zu ein er
347 B ü r g e r sc h a ft, v e r e in ig t, u n d die zeh n S tä m m e zu r E in t h e i-
lu n g der N a tio n erh o b en , d ie io n isc h e n a b g e sc h a fft, d ie
P h r a tr ie n a lle n -B ü rg ern g eö ffn et sin d ? I c h g la u b e d as
le z te , t h e ils w e il e s w e n ig s te n s u n w a h r sc h e in lic h i s t d a ss
e in w e it zu r ü c k g e se z te r S ta n d m it ein em S c h r itt fr ie d lic h
d ie h ö c h ste n R ech te e r la n g e n so llte ; w ie d en n d ie E m a n ­
c ip a tio n der ir lä n d isc h e n K a th o lik en vor fü n fz ig J a h ren
u n m ö g lic h g e s c h e h e n k o n n te : th e ils , w e il n o c h zur Z eit
v o n A r is tid e s A r c h o n ta t d ie G esch le ch ter a u s s c h lie s s lic h
zu d ie se r W ü rd e b e f u g t w a ren : e n d lic h w e il k e in G rund
i s t zn b e z w e ife ln d a ss u n ter K listh e n e s je d e P h y le zeh n
D e m e n e n th ie lt, so w e n ig a ls d ass sp ä ter im a ttis c h e n Y o lk
1 7 4 D em en w aren 3) : d ie h in zu g ek o m m en en v ier u n d s ie b z ig
m ü sse n zu m T h e il Orte s e y n w e lc h e a n fa n g s n och U n te r -
th a n e n g e b lie b e n w a ren , zu m a llerg rö ssten T h e il ab er G e­
s c h le c h te r , deren N a m e n in so g r o sse r Z ah l u n ter d en
D em en d er ze h n Stäm m e V orkom m en; u n ter s ie , a ls d er­

701) Th. I. Anm. 1017. 2) Ев heisst Klisthenes habe


•viele Metöken in die P hylen eingeschrieben (Aristoteles Polit.
Ш . 2. p. 62. e. 7zoXXobg èpuXérsuos Çévouç /іетоіхоид xal дои-
Àoug: во, nich t, $. х. д. fi.): Unterthanen die in Sympolitie stan­
den werden als Isotelen erwähnt seyn. â) Herodot V. 69.
Strabo IX. p. 396. c.
Niebuhr, Köm. Gesch. 18
— 274 — [ band II.]

s e l b e n A r t, g e s t e l l t 704). W ie d em a u ch se y , jen e V ere in i­


g u n g d er A th en ä er u n d A ttik e r zu ein er e in ig e n N a tio n
w a r e in e g er a u m e Z e it vor d en D e c e m v ir n , w e lc h e ih r A m t
e t w a d rey zeh n J a h r e v o r dem p e lo p o n n e sisc h e n K r ie g an­
t r a te n , v o llb r a c h t: u n d w er b e z w e if e lt d a ss au ch an der
T ib e r A t h e n s M a ch t u n d H e r r lic h k e it, d ie d am als a u f der
g r ö s s t e n H ö h e d er p e r ik le is c h e n Z e it g lä n z t e n , bek an n t
u n d b e w u n d e r t w a r e n , d er m u ss s e lb s t g e g e n die äu sseren
Z e u g n is s e d es V e r k e h r s je n e r K ü ste n m it A ttik a , w elch e
d ie s e le z t e n J a h re a n s L ic h t g e b r a c h t h a b en , b lin d seyn : 348
Z e u g n is s e deren e in e u n b e fa n g e n e A n sc h a u u n g n ich t ein ­
m a l b e d u r fte . T h e a te r u n d K u n stw erk e b e z e u g e n , dass
L a t iu m u n d d ie T u sk e r m it g r ie c h is c h e r P o e s ie b ek an n t
g e w e s e n sin d : w ie s o llte n S a g e n k u n d ig e n ic h t a u ch dort
w ie zu T h u r ii erzä h lt h a b e n d a ss P is is tr a tu s d en z e r fa lle ­
n e n u n d g e s c h w ä c h te n S ta a t a ls M ach th ab er w ied er zu
K r a ft u n d A n s e h e n e r h o b e n h a t t e , ab er du rch d ie F rey­
h e i t w e lc h e K lis t h e n e s sch u f, e in n e u e s L e b e n b e g a n n 5)?
e in L e b e n dem d ie S ta d t ih r e w u n d erb are v erjü n g te Aufer­
s t e h u n g a n s der p e r s isc h e n Z erstö ru n g verd an k te. F loss
j e z t der S trohm der D e m o k r a tie zu A th e n allzu reissen d ,
u n d h a tte sc h o n h e ilsa m e W e h r e n w e g g e s p ü lt, so w ar es
e b e n e in e W a r n u n g n ic h t fo r tz u fa h r e n ih n h a lssta rr ig ein ­
z u z w ä n g e n , son d ern s e in e n L a u f zu r ic h te n so la n g e es
Z e it s e y .
V ie lle ic h t w ar e s der E p h e s ie r H erm od oru s der die
R ö m e r b e le h r te w o d a s V o rb ild v on h e ilsa m en G esezen zu
s u c h e n s e y : je n e r F reu n d d es w e is e n H a r a k litu s , dem die
a llg e m e in e S tim m e d en B e y n a m e n d es V o rtrefflich en g e ­
g e b e n h e tte , d ah er se in e M itb ü r g e r sp r a c h e n : von u ns soll
k e i n e r v o r tr e fflic h s e y n ; is t er es, so sey er e s für andre
u n d b e y ä n d e r n 6) . D a s s er d e n D e c e m v ir n b e y der A b - 349

7ü4) D as A sty ist eben so w enig ein Dem us als es eine


Tribus Capitolina gab: hier und dort wohnten auf der Burg,
neben den T em p eln , nur Geschlechter. $) Herodot V. 78.
— D ie A thenienser hatten in Sicilien tyrrhenische Hülfe Völker :
T h u k yd id es VII. 5 7 : und schon тог diesem Heerzug war der
K arthaginienser Aufm erksam keit mit Sorge und Argwohn auf sie
g erich tet: VI. 36. 6) fyiéwv р.7]деcg ôvrjïorog icrrcj. Die
E rzählung ist bekannt, bey D iogenes L aeidus IX. p. 628» ed St.
[band п .] — 275 —

fa ssu n g der G eseze b eh ü lflich g e w e s e n , s c h e in t e in e w o h l­


b e g r ü n d e te U e b e r lie fe r u n g 707); u n d e s k o n n te n ic h ts G e­
w ö h n lic h e s s e y n w ofü r ein em F rem d en d ie E h re ein e r
S ta tu e a u f dem C om itium zu T h e il w a r d 8): is t e s ab er
g e g r ü n d e t d a ss er an d en z w ö lf T a fe ln A n th e il h a t t e , so
k a n n e s n u r d ie V e r fa ss u n g b etroffen h a b en .

D ie e r ste n D e c e m v ir n , und ih r e G e s e z e . a)

A ls d ie G esa n d ten ih ren A u ftra g v o llfü h rt h a t t e n 9),


zö g erte n ic h ts d esto w e n ig e r die E r n e n n u n g der G e s e z g e -
ber, u n d e s w äre n ie im F ried en d azu gek om m en , w e n n
die P le b e je r n ic h t ih ren u rsp rü n g lich en A n tr a g a u f e in g e -
t h e ilte s C ollegiu m a u s b e y d e n S tän d en a u fg e g e b e n h ä tte n .
350 W o zu d ie M a ch th a b er s ic h v ersta n d en w ar, d a ss d as Con­
su la t r u h e n , u n d in z w isc h e n ein e D ecu rie von S en a to ren ,
a ls In te r r e g e n , m it c o n su la risch er G ew alt u n d z u g le ic h m it

und Cicero Tusc. Quaest. Y . 36. (105). D a die Angaben der


äxßrj bey Diogenes und seines Gleichen so gar wenig gelten , so
hindert die welche diejenige des ephesischen Philosophen um
01. 69. sezt, nicht, anzunehmen dass der Hermodor der Decem ­
virn, 60 Jahre später, doch der nämliche gewesen sey.
707) Pomponius l. 2 . D . §. 4. de orig. iu r. — leges X I I
iabularum quarum feren d a ru m auctorem fu isse D ecem viris S e r -
modorum quendam Ephesium , exulantem in I ta lia , quidam retu -
leru n t: Pomponius compilirt Gaius, welcher Gracchanus vor Augen
hatte. P lin iu s X X X IV . 11. F u it et (statua) R erm odori E ph esii
in com itio, legum quas D ecem viri scribebant in terpretisz es scheint,
der Eilfertige dachte sich in dem A ugenblick, Hermodorus habe
die Geseze zu Borns Ehre ins Griechische übertragen: sein Autor
meynte die Uebersezung griechischer für die Decemvirn. Cicero
muss die Erzählung wenigstens nicht geglaubt haben ; sonst hätte
er sie a. a. 0 . gewiss nicht versäumt: — überall findet sich bey
ihm keine Andeutung eines griechischen Elem ents in den X II
Tafeln. 8) In P lin iu s Tagen war sie nicht mehr vorhanden,
sie ist wahrscheinlich in Sullas Zeit mit denen des Pythagoras
und A lkibiades weggenom men. a) S chw egler III. 1 ;• Momm­
sen Röm. Forsch. 295. 9) W enn Lydus (I. 34.) Gaius ge­
treu übersezt hat, so erzählte der, die Gesandten wären erst von
den Decemvirn abgeordnet worden.
18*
— 276 [band п .]

d e r G e s e z g e b u n g b e k le id e t se y n s o l l e 710). U n ter d en Z ehn-


m ä n n e r n w e lc h e h iern a ch ih r A m t e r h ie lte n , b efin d en sic h
die* b e y d e n C onsuln d es J a h r s 3 0 2 : u n d w ie d iese für die
W ü r d e e n ts c h ä d ig t w u rd en w e lc h e s ie a u fg e b e n m u s s t e n 11),
s o i s t e s w a h r s c h e in lic h d a ss a u ch d ie R ü g eh erre n und der
S ta t t h a lt e r , d eren A e m te r e b e n fa lls a n d as D ecem v ira t
ü b e r g i n g e n 12), in d a s s e lb e e in g e tr e te n se y n w erd en . D am it
h ä tt e n d ie P a tr ic ie r v ie r a u s s c h lie s s lic h d u rch sie ern an n te
A b g e o r d n e t e g e h a b t , ein e n b e s t ä t ig te n ; für d ie frey e E r­
w ä h lu n g der C en tu rien w ä ren fü n f S te lle n ü b rig g e b lie b e n .
V o n e in e r W a h l, w o d u rch e in ig e zu frü h er E rn a n n ten h in ­
z u g e f ü g t w o r d e n , h a t L iv iu s ein d u n k les G erücht ver­
n o m m e n 13).
B ie P a tr ic ie r w a ren um so e n tsc h ie d e n e r den P le b e ­
j e r n k e in e n A n t h e il a n d iese m D e c e m v ir a t zu g e sta tte n ,
d a e s s ic h e b e n v on s e lb s t v ersta n d d a ss es n ic h t nur die
G e s e z e zu e n tw e r fe n son d ern a u ch s ie ein zu fü h ren habe,
u n d a lle in ig e O b r ig k e it se y n s o lle ; d en n im A lterth u m
h a t t e n d ie zu r G e s e z g e b u n g B e r u fe n e n allem a l die gan ze 351
E e g ie r u n g ; w ie S olon , un d d ie w e lc h e von ih ren T h aten
d e n N a m e n d er d r e y s s ig T y r a n n en fü h ren . P la to u rth eilt,
d ie E in fü h r u n g n eu er G eseze g e s c h e h e am vollk om m en sten
d u rch d ie M a ch t e in e s E in z e ln e n : da n u n m eh rere seyn
m u sste n !, so lie s s s ic h n ic h t v e rk en n en d a ss die m ö g lic h e
U e b e r e in s tim m u n g v ie l le ic h te r u n ter S o lch en zu erlan gen
w a r d ie ein em S ta n d a n g e h ö r te n u n d s e it J a h ren im Se­
n a t n e b e n ein a n d er g e h a n d e lt h a tte n , a ls w en n M änner
z u sa m m e n tr a te n w e lc h e b ish e r ü b er d ie R e c h te ih rer Stän d e
g e s t r it t e n h a tte n : u n d w ie h ä tte n s ie sic h b ey g leich en
S tim m e n v e r e in ig e n s o lle n w en n e s eb en d ie A b grän zu n g
d ie s e r R e c h te g a lt? S ie h ä tte n ein e n O bm ann h ab en , und

710) W as Dionysius als Inhalt der Virginischen Rogation


g ie b t (X . 3. p. 6*29. c.), dürfte aus dem Beschluss erhalten seyn
w e lc h e r dieser Ernennung zuvorging. 11) An designirte Con-
eu ln (Livius III. 33. Dionysius X . 55. p. 679. d ) , ist hier, ja
noch sehr lan ge nachher, nicht zu denken: die erwählten traten
s o g le ic h , spätestens nach sehr wenigen T agen, an. Die Fasten
haben richtig, abdicarunt. ^ Ы) Von den Quästoren, x al eÏTtveç
3}<tglv äXXat itdrpiot àp^ai, Dionysius X. 56. p. 680. b.
Д?) graves ctetate novissimü 8ufragile electos ferunt.
[bàxd II.] — 2 11 —

d iese r a u s ein em v o n d en S tä n d en g en o m m en w e r d e n
m ü sse n : d en n H erm od oru s k o n n te e s n ic h t se y n . B illig e
E n tw ü rfe d u rften d ie P le b e je r d och h o ffen d a s e c h s M än n er
ih rer e ig n e n W a h l g e g e n v ier w a r e n 714): u nd es i s t n ic h t
u n w a h r sc h e in lic h d a ss d am als u n ter den P a tr ic ie r n e in e
ä h n lic h e S tim m u n g sic h tb a r se y n m och te w ie d ie w e lc h e
d ie C ahiers der m e iste n A b ord n u n gen d es A d e ls zu d en
a llg e m e in e n S tä n d en von 1 7 8 9 e in g a b : w o E ig e n n u z u n d
sta rrer T roz vor der B e r e itw illig k e it zu a llem B illig e n a ls
-Gunst, w e n n a u ch n ic h t a ls G e r e c h tig k e it, v erstu m m ten .
Б е г G ru n d saz w ar b e sc h lo s se n d ass G le ic h h e it in d ie V e r ­
fa ss u n g g e b r a c h t w erd en so lle : u n d w e n n u n g lü c k lic h e r ­
w e is e d ie D ece m v irn ih r e n A u ftr ä g e n u n g etr eu g ew o rd en
w ä ren , so k o n n ten d ie C en tu rien d as e in zeln e ta d e ln s w e r th e
G esez v e r w e r fe n . A lle G efah r lie s s s ic h e n tfe r n e n , u n d
352 se h r v ie l Z eit g e w in n e n , w en n nur so lc h e G eg en stä n d e
w orüber d ie se D e c e m v ir n n ic h t g la u b te n g le ic h e s E e c h t für
a lle ein fü h re n zu k ö n n en , der B e r a th u n g e in e s g e m is c h te n
C ollegiu m V orb eh alten b lie b e n .
Damit indessen das Volk den Sinn und die Folgen
der Vorschläge worüber es entscheiden sollte beurtheilen
könne, waren die Concionen der Tribunen unentbehrlich;
wie es denn schon undenkbar leichtsinnig gewesen seyn
würde, wenn die Plebejer im Vertrauen auf den Schuz
eines angerufenen Decemvirs dem Tribunat entsagt hätten.
Wozu wären die beschwornen Verträge Vorbehalten worden,
wenn ihre Gewähr und bester Gewinn aufgegeben wäre,
ehe die neue Verfassung bestimmt war? Mit den patrici-
schen Aemtern war es ein ganz Anderes, da ihre Träger
in das Decemvirat übergehen konnten. Ich zweifle nicht
dass unsre Schriftsteller, wie sie überhaupt die völlige
Verschiedenheit des ersten und zweyten Decemvirats nicht
zu erkennen vermochten, auf jenes übertragen haben was
sie von dem ändern, vielleicht von der terentilischen Eo-
gation, gemeldet lasen.
Wie jenes eine Decurie von Interregen vorstellte, so
war auch die höchste Gewalt immer nur bey einem aus
ihrer Mitte, und dieser ward custos urbis genannt : er hatte

Ш) Auch der eine Consul.


— 278 — [baud п .]

d ie L ic t o r e n , u n d sta n d dem S e n a t u n d der g a n z e n R e ­


p u b lik a ls S ta tth a lte r v o r 715). V o n d en ü b rig en , d eren j e - 35 &
d e m n u r e in W e ib e l zu B e fe h l sta n d , h e is s t es, s ie h ä tten
a ls S ch ö ffen zu G erich t g e s e s s e n 16). E s is t k e in Grund
d e n k b a r w e s h a lb der K r e is la u f e in a n d eres G esez als in
j e n e r D e c u r ie g e h a b t h a b e n s o llte , w o d ie k ö n ig lic h e Ge­
w a lt f ü n f T a g e b e y jed em b lie b : d iese r Y erm u th u n g ist
D io n y s iu s g ü n s t ig w e lc h e r u n b e stim m t von e in ig e n T agen
r e d e t 17). A ls In te r r e g n u m h a tte ih r A m t k ein anderes
G e s e z s e in e r D a u er a ls d ie E r fü llu n g d e s em p fa n g en en A u f­
tr a g s . I h r e N a c h fo lg e r tr a te n a n d en Id en d es M ai ein ,
s e h r w e n ig e J a h r e vor ih n e n h a tte d as co n su la risch e Jahr
m it d em S e x tilis b e g o n n e n : e s is t k lar d ass sie se lb st
e n t w e d e r lä n g e r oder k ü rzer a ls e in J a h r im A m t gew esen
s in d : w a h r s c h e in lic h d as le z te . B e y ein em G eg en sta n d der
d ie G em ü th er so la n g e u n d so t ie f b e s c h ä f t ig t h a tte, m usste ;
v i e l e s v o r g e a r b e ite t s e y n ; u n d s ie g in g e n n ic h t d arau f aus
e in n e u e s R e c h t zu erfin d en , s ie so llte n n u r u n ter w id er­
sp r e c h e n d e n V e r fü g u n g e n der S ta tu te n au sw ä h len u nd sie
v e r e in ig e n .
D i e g a n z e Z e it ih rer O b r ig k e it w ar o h n e ä u ssere S tö­
r u n g ih rem g r o s se n B e r u f g e w id m e t g e w e s e n ; u n tér ih n en зм
s e l b s t h e r r s c h te E in tr a c h t, o h n e d a ss s ie B esch w erd en g e ­
g e n e in e n a u s ih rer M itte d as O hr v e r s c h lo ss e n . S ie v o llen ­
d e t e n d a s L a n d rec h t s o w e it ih re B e fu g n is s r e ic h te , und

7*5) Lydus I. 3 4 . Von Livius wird er praefectu s iuris ge­


n a n n t, wofern nicht eo die penes praefectum urhia zu emendiren
sey n so llte. Es ist derselbe Gedanke des Statthalters für einen
nich t vorhandenen König der in den Niederlanden die Einsezung
dieser W ürde veranlasst hat. 1б) Was bey Dionysius hier­
über zu lesen ist, X. 57. p. 680. d. dtyrcuv rà iduorcxà cu ßßö-
Xaca x a l rà dyjßÖGia, ôizôcra r e ixpbç Ù7C7jx 6ouç xal <njßßd%ouQ
x a l to ù ç èvâ o id crœ ç äxpow ßivoog т vjç nôÀewç ёухХщ ат а тиу-
% avot y e v ö ß e v a — kommt aus einer höchst genau gedachten Er­
zäh lu n g. Für die Unterthanen sind sie Richter in allen Pro­
zessen : für die von zugewandten Orten und die Municipes (welche
unterschieden werden) wenn dio K lage nach dem Bündniss zu
R om entschieden werden soll. 17) eiç au yxeißevöv тсѵа
ijß e p w v ä p tü ß ö v . Vgl. Th. I. S. 377. Livius und Dio (Zona-
ras p. 27. b.) nehmen täglich umgehenden W echsel an: gewiss
irrig.
[ band II.] — 279 —

s t e llt e n e s a ls zeh n G eseze a n f eb en so v ie le n T a fe ln zu r


. a llg e m e in e n K u n de a u s: d a m it jed er der e tw a s zu b e ss e r n
se h e es ih n e n a n z e ig e ; sie s e lb s t, w en n sie b e y stim m te n ,
d arn ach b e ss e r te n u n d än d erten . N ie w ard im A lte r th u m
ü b er d ie e in zeln en A r tik e l ein e s G esezes, od er ü b er V e r ­
ä n d eru n g en d ie ein A n d erer v o r g e s c h la g e n , g e s tim m t : d a s
G anze in der E in h e it w e lc h e e s von s e in e m U r h e b e r
e m p fa n g en h a tte , w ard a n g en o m m en un d v e r w o r fe n 718). A ls
d ie D e c e m v ir n jed em T a d e l der ih n e n b illig sc h ie n g e n ü g t
h a tte n , un d ih r W erk vom S en a t g e b illig t war, b r a c h te n
sie e s vor d ie C en tu rien , d eren A n n a h m e von d e n C urien,
u n ter d er P r ie s te r c o lle g ie n V orstan d , u n d d er W e ih e g lü c k -
355 lic h e r A u sp ic ie n , b e s tä tig t w a r d 19). D a ra u f w u rd en d ie G e­
se ze, in zeh n eh ern e T a feln e in g e g r a b e n , jed erm an n zur
K e n n tn is s, a u f d em C om itium a n g e s c h la g e n 20).
D ie G eseze der D e c e m v ir n b lie b e n b is in d ie k a is e r ­
lic h e Z e it d ie G ru n d lage a lle s b ü r g erlich en u n d p e in lic h e n

718) Seit der constituirenden Versammlung ist auf dem festen


Lande das G egentheil gebräuchlich geworden, und besonders seit
der Restauration nicht nur häufig durch die von der Commission
vorgeschlagenen Aenderungen dem Project eine ganz entgegenge-
sezte Richtung gegeben — das wäre ein kleines Uebel, — son­
dern improvisirte bringen Verkehrtheit und Widerspruche hinein,
nachdem eine endlose Zeit mit H in- und Widerreden vergeudet
ward. England ist von diesem seltsamen Glauben, durch collective
W eisheit zu grosser Vollkom m enheit zu gelangen, kraft des dort
noch lebenden politischen Verstandes, trey: icli erinnere m ich
nur einer im Oberhause entstandenen Bill, w elche von mehreren
geschäftigen Händen am endirt, aber auch zu einer M isgeburt
ward w elche die nächste Session zu Grabe trug. In dem ganz
unverächtlichen Entwurf des Criminalcodex welchen die Cortes
1S22 beriethen, wurden die Artikel worüber Amendements durch­
drangen, m eistens verdorben. 19) D es Vorstands der Priester
gedenkt Dionysius X . 57. p. 681. b. nur auch hier mit irriger
Beziehung aut’ die C enturien, oben S. 253. 20) Der
èm<pa\>é<rraTQq rrjç àyo p â g тбкод bey D ionysius, ist, wie sonst
das x p d n a z o v тт}д à y o p â ç , nichts als das Comitium. — 'D ie
elfenbeinernen Tafeln (eboreae, durchaus nicht roboreae) bey P om ­
ponius, §. 4. sind im Geist eines Zeitalters w elches sich nicht»
wichtiges ohne Prunk und K östlichkeit des Materials voretellen
kann: zunächst wohl m it einem Gedanken an die elfenbeinernen
Diptychen.
— 280 — [band ii .]

B e c h t s , o b w o h l d em B lic k f a s t e n tz o g e n u n ter dem Unge­


h e u e r n zu m T h e il sc h o n w illk ü h r lic h d arü b er a u fgeth ü rm -
t e n G eb ä u d e. L e id e r s in d d ie B lä tte r w e lc h e d en B erich t
e n t h a lt e n den D io n y s iu s im e lf te n B u c h ü b er ih re E ig e n ­
t ü m l i c h k e i t g a b , verlo ren g e g a n g e n , u n d d ie e in z e ln e n zu ­
f ä l li g e r h a lte n e n u n d g e r in g e n F r a g m e n te le h r e n w e n ig :
s o e n th a lte ic h m ic h je d e r E r w ä h n u n g od er E rforsch u n g
i h r e s I n h a lt s so w e it d e sse n B e stim m u n g e n n ic h t S ta a ts­
r e c h t u n d V e r fa s s u n g u n m itte lb a r b etra fe n , oder w esen t­
l ic h e n E in flu ss a u f d en S ta n d u n d d ie V e r h ä ltn isse der
B ü r g e r h a tte n .
U m G e s c h le c h te r u n d G em ein d e zu ein er B ü rg e rsch a ft
z u v e r e i n i g e n a) w ard e in e N a tio n a le in th e ilu n g erfordert
w e lc h e b e y d e e n th a lte : d ie T r ib u s der G esch le ch ter k on n ­
t e n a b e r d ie P le b e je r n ic h t au fn eh m en , d ie ö r tlich en h in ­
g e g e n se h r w o h l d ie P a tricier. S ch o n 3 2 1 w ard Mam.
A e m iliu s v o n den b e le id ig te n C en soren au s se in e r T rib u s 35s
a u s g e s t r ic h e n ; w o b ey n ic h t an d ie a lte p a tr ic isc h e zu
d e n k e n is t , g e s e z t d a ss s ie d a m a ls n o ch b esta n d en h ä tte ,
d a k e in e m e n sc h lic h e M a ch t d as B a n d w o m it ih n d ie G e­
b u r t a n d ie k n ü p fte w e lc h e se in G e s c h le c h t e n th ie lt h ätte
lö s e n k ö n n e n , er a b er a u s d erselb en u n ter d ie A erarier
v e r s e z t w a rd , g le ic h je d e m P le b e je r der se in e n S tan d v er­
l o r 21). E s w ird e r z ä h lt d a ss 3 6 2 d ie P a tr ic ie r ein zeln
ih r e T r ib u le n b e sc h w o r e n w id er d ie N ie d e r la s su n g zu V eji
z u s t im m e n 22); un d d ie se E r w ä h n u n g sc h e in t v ö llig sicher,
w e n n a u c h d ie d a ss C am illu s v e r g e b e n s d ie s e in ig e n zu
b e w e g e n g e s u c h t ih n lo s z u s p r e c h e n , z u n ä c h st so g a r von
d er u n g e w is s e n L e s a r t der V u lg a ta a b h ä n g t 23). So kann
e s n ic h t e tw a e r st a u s d en g r o s se n U m w a n d lu n g en w elch e

a) Schw egler III. 6 ; Ihne R . G. I. 172. 72i) Livius


IV . 24. *3) dissipati p e r tribus, suos qitisque tributes p re n -
sa n tés. D ers. V. 30. 2S) Ders. V. 32. NUmlich die Flor,
lie s s t statt tribulibus clientibusque, m agna p a rs plebis erat, —
trib u lib u s eo clientibus quae m. p. p l. e. : wird eo, woraus sich
n ich ts machen lässt, gestrichen, so ist die Rede von den Clienten
die Tribulen waren, und einen grossen Theil der Plebs aus­
m a ch ten ; eine Lesart w elche ungemein reizt: es ist aber doch
n icht zu übersehen dass eben in den ältesten Membranen que
sehr häufig quae geschrieben steht.
[ bjlkd II.] — 281 —

d a s fü n fte J a h rh u n d e rt b ra ch te h e r g e le ite t w e r d e n , d a s s
d er D ic ta to r Cäsar zu r F a b ia , S er. S u lp ic iu s zu r L em o n ia ,
g eh ö rte ; ^d a ss d en C ensor C. C laudius 5 4 4 , a ls A n g e h ö r ig e n
ein e r T r ib u s, d ie v o n M. L iv iu s a llg e m e in ü b er d i e a u ss e r
ein er a u sg e sp r o c h e n e Y erd am m n iss t r a f 724): e s k a n n der
G rund dazu n ic h t jü n g e r a ls d ie Z eit der D e c e m v ir n s e y n .
D a s e r h e llt sc h o n t o s dem A n sp ru ch der P a tr ic ie r a u f
'357 W ä lh b a r k e it in d as T r ib u n a t n a ch d e sse n H e r s te llu n g ;
w a s n ie m a n d e n in d en S in n kom m en k o n n te so la n g e j e n e s
A m t s ic h n ic h t a ls e in e V er tr e tu n g der N a tio n b e tr a c h te n
lie s s . H ie r fo lg te n d ie D e c e m v ir n dem V o rg a n g A th e n s ;
ä h n lic h e s g e s c h a h ein h a lb e s J a h rh u n d e rt sp ä ter in E lis ,
w o a n sta tt der d rey P h y le n der en g en O lig a rch ie, in deren
Z e it so g a r der Gau u n m itte lb a r um d ie S ta d t u n te r th ä n ig
w a r , d as g a n z e L an d in z w ö lf B e z ir k stam m e e in g e th e ilt
w a r d 25): j a e s m u ss a lle m a l w en n e in e g r ie c h is c h e S ta d t
der O lig a r c h ie e n ts a g te d iese V erä n d eru n g v o rg en o m m en
se y n . E s w ar dem S in n n a ch d as n ä m lich e, nur m it der
F a rb e u n d d en Z ü gen e in e r a n d eren Z eit, w en n im M itte l­
a lter d ie G e s c h le c h te r in d ie Z ünfte a u fg e n o m m en w u rd en ,
u n d d ie se d er V e r fa ss u n g G esta lt g a b e n . So zu F lo r en z,
d a a lle A ltb ü rg e r, o b w o h l d en G ew erb en g ä n z lic h frem d ,
m it den M ä n n e r n von d er G em ein de in die Z ü n fte e in g e r
sc h r ie b e n w u r d e n , b is a u f d ie je n ig e n w e lc h e du rch d ie
so g e n a n n te V ero rd n u n g der G e r ech tig k eit v o n W ü rd en
u n d R e g im e n t a u s g e s c h lo s s e n w aren w e il s ie sic h u n v e r ­
b e ss e r lic h g e g e n g e s e z lic h e R ec h tsp fle g e au fleh n ten . D o rt
g e s c h a h ab er a u ch d a s E n t g e g e n g e s e z t e : die p leb ejisch en
Z ü n fter w u rd en in die V ie r te l u n d F ä h n le in au fgen om m en
w o rin d ie G e sc h le c h te r e in g e t h e ilt w a r e n , so d ass je d e r
V o llb ü r g e r b e y d e s in ein e Zunft und u n ter e in F ä h n le in
g e h ö r t e 26), d ie a u sg e s c h lo s s e n e n G esc h le c h te r d och w e n ig -

724) Livius X X IX . 37. 25) Pausanias Eliac. I. p. 156. a.


— Th. I. Anm. 975. 26) V archi, etoria Fiorentina III. p.
66. ff. Orig. Ausg. W elche Beschaffenheit es ursprünglich mit
den Quartieren und Fähnlein b atte, davon darf bey ihm keine
Kunde gesucht werden: einem Schriftsteller des XVI. Jahrhun­
derts war die Verfassung vor dem Zunftregiraent vollkommen
unverständlich. — Ich bemerke gelegentlich dass die sopportanti
non etatuali zu Florenz (welche die Decima bezahlten, aber nicht
regimen te fähig waren) den Aerariern entsprechen.
— 282 — [band п .]

s t e n s z u d en le z te n . E in e O rd n u n g w e lc h e dem en tsp r ic h t 358


w a s n n te r d en G riech en g e s c h e h e n s e y n m u ss w e n n die
P h r a tr ie n sic h g a n z v on der G e sc h le c h te r v e r fa ssu u g a b -
l ö s s t e n ; s e lb s t zu A th e n , w o ih r e B e z ie h u n g a ls e in T h eil
d er e in g e g a n g e n e n S tä m m e n u r im A n d e n k e n fortb estan d ,
n n d P h r a to r e n zu h a b e n e in V o r z u g , w a h r lic h n ic h t a llein
d e s E u p a tr id e n , so n d ern d es W o h lg e b o r n e n w ar.
S o w e it k am e s zu E om fr e y lic h n o ch la n g e n ic h t:
V e r s tä n d ig e , w e lc h e d as H e il e in e r g e m is c h te n V erfa ssu n g
e r k a n n te n , h ä tte n a u ch n ic h t w ü n sc h e n k ö n n en d ass die
P a t r i c i e r , n o c h im m er b e d e u te n d g e n u g um ih r D a se y n
a ls S ta n d g e lt e n d zu m a ch en , s ic h in e in e r B ü rg e rsch a ft
o h n e a lle U n te r sc h e id u n g a u flösen so llte n . N o c h h atten
d ie G e s e z g e b e r a u ch in der M itte d er A ltb ü r g e r G leich h eit
zu sc h a ffen . D ie E r w ä h n u n g d a ss A p p iu s im zw ey ten
D e c e m v ir a t d ie S tim m en im S e n a t in w illk ü h r lich er Ord­
n u n g u m fra g te, oh n e R ü c k s ic h t a u f a lt oder j u n g 727) , is t
m it d em d u r c h g e h e n d e n M isv e r stä n d n iss b e h a ft e t , geh ört
a b e r z u v e r lä s s ig zu d e n je n ig e n w o d u rch ein e e in g etreten e зб»
N e u e r u n g im A n d en k en e rh a lten is t : d ie n ä m lic h , dass
d ie Z u r ü c k ste llu n g der m in d ern G e sc h le c h te r im S en at
a u fg e h o b e n w ar. E in e W e ile n a ch d em die G e sezg eb u n g
U n te r s c h e id u n g e n a b g e sc h a fft h a t, d au ern sie n och w oh l
d u rch P e r s ö n lic h k e it un d A n g e w ö h n u n g e n fort: so la ssen
s ic h in d en a llerersten J a h ren n a ch d em D ece m v ira t n a ch ­
k lin g e n d e E r w ä h n u n g e n der jü n g e r n G e sc h le c h te r v ern eh ­
m e n : b a ld v e r s c h w in d e n s ie v ö llig . — S e it dem D e c e m -
v ir a t s in d oh n e Z w e ife l a lle P a tr ic ie r oh n e U n tersch ied
z u a lle n A em te rn im S ta a t u nd d en P rie ste r w ü r d e n w ä h l­
b a r g e w e s e n , o b w o h l d ie C o llég ien d er le z te n n ic h t er­
w e it e r t w u rd en .
D ie C urien h a b e n , w en n a u ch m it seh r verän d erter

727) D ionysius X I. 16. p. 697. d. ol тгepl тдѵѵА7гл:іоѵ ißouXeu-


ааѵто fjLinxért xa&' ijXixiav xal ßouXrjg à^toxnv croßßouXoug xa-
Àeîv, âXXà хат’ оіхвютута, xal т r)v іхрЬд адтоод ётасріаи. Die
ijXixia is t , auf die Einzelnen übertragen, der gew öhnliche Mia-
g riff über das Alter der Geschlechter. Die Notiz war in H and­
lu n g b ey der ersten bedeutenden Senatsversammlung ausgedrückt:
das M otiv gehört einer Bearbeitung; vielleicht schon einem A n ­
n alisten .
[ВАІГО П.] — 283 —-

■W esenheit, im m er fo rtb e sta n d e n ; v o n d en a lte n d rey S tä m ­


m en is t n u r a ls von e in e r A lte r th ü m lic h k e it d ie E e d e .
S ie m ü sse n a b g e sc h a fft s e y n , w ie d ie io n is c h e n zu A th e n ,
deren C urien e b e n fa lls b lie b e n : au sserd em d a ss sie n e b e n
a llg e m e in e n B ü rg e r stä m m e n n ic h t fü g lic h b e s te h e n k o n n te n ,
w a rd z u E o m ih re A u fh e b u n g a u ch dad u rch n o th w e n d ig
d a ss s ie d ie V e r w a n d lu n g des P a tr ic ia ts in e in e n S ta n d
v o n G leich en w e n ig s t e n s ersch w erten . A ls s ie b e s e it ig t
w a ren w ird d as L o o s fü r d ie sä m m tlich en d r e y s s ig ‘ C urien
d ie O rd n u n g e n tsc h ie d e n h a b en w orin sie zum S tim m en
b eru fen w u rd en .
O h n e V e r g le ic h w ic h tig e r a ls d ie se V erä n d eru n g w ar
d u rch d ie sic h e r n ic h t g ea h n d ete n F o lg e n , d a ss die d am a­
lig e n A era r ie r i n ' d ie T r ib u s e in g e s c h r ie b e n w ord en sin d ,
w ie es K listh e n e s w e n ig s te n s m it e in e r g r o sse n M en g e
P fa h lb ü r g e r u n d B e y s a s s e n g e th a n h a tte . D a s s d ie s durch
360 d ie D e c e m v ir n g e s c h e h e n se y , w ü rd e sc h o n au s dem Z w eck
ih r e r G e s e z g e b u n g u n d der “E in r ic h tu n g von a llg e m e in e n
S tä m m en g e f o lg e r t w erd en k ö n n e n ; d ie V e r g le ic h u n g der
P le b s w ie s ie n a ch dem D e c e m v ir a t w ie d e r e rsch ien m it
dem W e s e n w a s s ie vor d em selb en h a tte , th u t a u g e n sc h e in ­
lic h k u n d, d a ss d ie G esa m m th eit w e lc h e n u n d iese n N a m en
tr u g n ic h t m eh r d ie a lte der E ig e n e r b e n , son d ern d u rch
d ie E in m isc h u n g frem der E lem en te verän d ert w ar. A n ­
s t a tt d ass d ie T r ib u n en s e it dem p u b lilis c h e n G esez für
e in e n M an n g e s ta n d e n h a tten , z e ig t sic h n a ch ih rer H e r ­
s t e llu n g h ä u fig , w ie zu der Z eit a ls sie v o n den C en tu rien
e r w ä h lt w u r d e n , e in e d en P a tr ic ie r n erg eb en e P a r th e y
w e lc h e die E o g a tio n e n durch E in s a g e h in d e r t: j a , w en n
a u c h d ie s n ic h t g e s c h ie h t, so w erd en n ic h t se lte n A n tr ä g e
d ie e in e u n a b h ä n g ig e V e r sa m m lu n g , w ie vor der D e c e m -
v ir a lz e it , a ls B e d ü r fn iss m it B e g ie r d e ergriffen h a b e n
w ü rd e, d u rch S tim m e n m e h r h e it v erw o rfen . Zu g e w a ltsa m e n
A u ftr itte n a u f dem F oru m is t also k e in e V e r a n la ssu n g ,
u n d s ie e r e ig n e n sic h n ie m eh r : a u ch w erd en d ie C lien ten ,
v o rm a ls d en P le b e je r n e n t g e g e n g e s e z t, n u n zu ih n en g e ­
r e c h n e t: e in g r o s se r T h e il der T r ib u s b e s t e h t au s ih n e n 728) .

728) L ivius VI. 8. Q uod . clientes circa singulos f u is tis P a -


tro n o s und die [Th. 2.] А ю т. 723. aDgeführte S telle.
— 284 — [band II.]

S e h r v i e le F r e y g e la s s e n e der P a tr ic ie r u n d d eren N a c h ­
k o m m e n m ü sse n d am als a u fg e n o m m en s e y n ; d en n dass
A p p iu s d er C ensor s ie in M asse e in sc h r ie b b e w e is s t n ich t
d a s s s ie n ie vorher in d ie T r ib u s a u fg e n o m m en w o r d e n 729),
s o n d e r n n u r d a ss es s e h r la n g e , v ie lle ic h t s e it ein em h alb en sei
J a h r h u n d e r t, u n te r b lie b e n w ar. U n d w ie ic h verm u th et
h a b e d a ss zu A th e n s y m p o litis c h e O rtsch a fte n in d ie zeh n
T r ib u s e in v e r le ib t w o r d e n , so is t d ies v o llen d s zu Eom
v o n d e n a lte n C olo n ien k la r , w e lc h e n u n a ls so lc h e gan z
v e r s c h w in d e n , w ä h ren d n o ch im v e je n tis c h e n K rieg e ihrer
C o n tin g e n te g e d a c h t w a r d 30) : O rte v on d en en es h ö ch st
w a h r s c h e in lic h is t d a ss ih re G em ein d e n in der C lien tel
d e r j e n ig e n F a m ilie n sta n d e n w e lc h e e in von ih rem N am en
a b g e le it e t e s C ogn om en f ü h r t e n 31). D ie s e A lle , d ie za h l­
r e ic h e n I n q u ilin e n , u n d die L ib e r tin e n , n ic h t g ek au fte
S k la v e n v o n w ild em od er u n ed lem S tam m e w ie G eten,
P h r y g e r u n d S yrer zu A t h e n , so n d ern it a lis c h e Stam m ­
g e n o s s e n w e lc h e n nu r d as K r ie g s g lü c k d ie F r e y h e it g e ­
r a u b t h a tte , d ie s o la n g e s ie d ie n te n am T is c h ih res H errn
a s s e n u n d n e b e n ih m a u f dem F e ld e a r b e ite te n : ih re N a c h ­
k o m m e n , in d eren S ta n d d as S c h ic k s a l H oraz h at geb oren
w e r d e n la s s e n : d ie se A lle m it d er N a tio n zu v erein ig en
w a r e b e n so v e r s tä n d ig a ls b i l l ig , in d em d ie P e ste n die
E e ih e n d es a lle in zu m D ie n s t in d en L e g io n e n v erp flich ­
t e t e n S ta n d e s a u sn eh m en d g e lic h t e t h a b e n m ü ssen . A u ch
fin d e n s ic h u n z w e y d e u tig e S p u ren d a ss n a c h dem D ecem ­
v ir a t z a h lr e ic h e r e H eere a ls vorh er a u s g e s a n d t w arden.
D ie s e D ie n stp flic h t w ard den A era r ie rn , w e lc h e b ish er
f r e y d a v o n g e w e s e n w a r e n , um so b illig e r a u fg e le g t da
d ie C en tu rien , w orin s ie sc h o n stim m ten , zu a u sg e d e h n te ­
r e n B e fu g n is s e n erh o b e n w u rd en . D ie X I I T a feln ü b er­
tr u g e n d ie H a lsg e r ic h te a n s ie a ls d ie a llg e m e in e N a tio n a l­
v e r s a m m lu n g 32) : d ie E e c h ts b ü c h e r h a tte n das erste B e y - 362
s p ie l, d a ss e in e A n k la g e an s ie g e b r a c h t w o r d e n , a u f be­
w a h r t 83), w e lc h e s v o n S p ä ter en a ls e in B e le g w ie d ie co n -

729) Plutarch Public. p. 100* e. 30) [Th. 2.] Anm. 75.


449. 31) Oben Th. II. S. 275. 32) Cicero de legg.
IIL 4. 19. (11. 44.) 33) Der Decemvir C. Julius lud einen
P a tricier, L. (nicht P .) S estiu s vor das V olk , w eil in seiner
K am m er eine Leiche verscharrt gefunden war: Cicero de re p .
[вАШЭ П.] — 285 —

s u la risch e G ew a lt g e s c h m ä le r t se y , n risverstan d en is t . E s
b e d a r f k e in e s B e w e is e s d a ss d ie se s G erich t ü b er d ie A lt ­
b ü rg er b ish e r v on den Curien a u sg e ü b t w a r: e s w a r der
V erä n d eru n g d es G erich tsta n d s a n g e m e sse n d a ss d ie R ü g e -
# h erren von n u n a n durch d ie C enturien e rw ä h lt w u rd en .
_ W en n n u n d ie X I I T a fe ln so lc h e G erich te a u f d ie se
a lle in b e sc h r ä n k te n , so h a b en sie d am it d er p rä to risch en
O b rig k eit d ie M ach t ein d eu tlich b estim m tes und offen­
k u n d ig b e g a n g e n e s V erb re ch en a u ch m it dem T od e zu
b e str a fe n n ic h t e n tz o g e n : es b etrifft d as V erb o t nu r d ie
C urien für je n e F ä lle w e lc h e im A lterth u m an V o lk s­
g e r ic h t e k am en : w o d ie S tr ä flich k eit d es A n g e k la g te n n ic h t
n a ch ein em ein z e ln e n G esez b eu rth e ilt und g e m e sse n w er­
den k o n n te. N ic h t d a ss d ie p le b e jis c h e n T r ib u s fü r die
v o n ih rem S tan d n ic h t b ish e r d ie se lb e B e fu g n is s g e h a b t,
oder d a ss sie d ie se lb e b e h a lte n h ä tte n : d as G esez n ah m
k e in e R ü c k sic h t a u f s i e , w e il sie a u fg e h ö r t h a tte n , der
S ta n d a u fg e lö sst w ar. W er h ä tte a u ch , fa lls m an, w ie es
n a ch dem D ece m v irn g e s c h a h , an d e sse n S te lle d ie G e-
sa m m tb e it der n ic h tp a tr ic isc h e n B ü rg e r a ls P le b e s h ä tte
e in trete n la ss e n w o llen , m it ih r v erh a n d elt, da d as T rib u n a t
3e3 a b g e sc h a fft w ar? D e n n d a ss d ies förm lich u n d a u sd rü ck lich
g e s c h e h e n se y , H esse sic h d u rch au s n ic h t b e z w e ife ln , w en n
a u ch C iceros se h r u n g lim p flic h a u sg e s p r o c h e n e s Z e u g n iss
w e n ig e r b e stim m t la u t e t e 734). D ie G e se z g e b u n g w ü rd e
s o n s t ih r e n Z w eck v e r fe h lt, un d sich w id ersp roch en h a b en .
D en n a lle r d in g s sta n d d iese M ach t g e g e n d ie h ö c h ste
G ew a lt un d E in h e it d es S ta a ts n ic h t a n d ers a ls w ie d ie
H u g e n o tte n durch den B e siz der g e g e n d ie treu lo sen W id e r ­
sa c h e r u n e n tb e h r lic h e n S ic h e r h e ite n : u n d e s m u sste s c h e i­
n en d a ss n u r d ie N o th w e n d ig k e it ein em T h e il der N a tio n
p e r sö n lic h e F r e y h e it zu s ic h e r n , w äh ren d ein andrer d ie
g a n z e R e g ie r u n g h a tte , un d d iese U eb e r m ä c h tig e n tä g lic h

I. 36. u n d , darnach zu berichtigen, Livius III. 33. — D ie Schuld


m ochte gar nicht zu bezweifeln seyn, aber, wie der Fall erzählt
wird, war es kein delictum m an ijestu m , wo die Obrigkeit auf
beständiges Zeugniss das U rtheil sprach: es musste ein Gericht
über die Schuld erkennen.
734) Cicero de legg. III. 8. (19). cum esset cito ablegatus,
tanquam ex X I I tabulis insignis a d de/orm itatem p u er — .
— 286 — [band іі.]

d er V e r s u c h u n g n a c h g a b e n ih r e n V o r th e il zu m isb ra u ch en ,
d a s D a s e y n ein e r so stö r e n d e n K r a ft r e c h tfe r tig e n könne.
D ie s e r G ru n d ab er sc h ie n v ö llig b e s e it ig t zu se y n w ofern
d ie h ö c h s t e O b rig k eit z w is c h e n b e y d e n S tä n d en g e th e ilt
w ü r d e : d a a lle R öm er zu e in er B ü r g e r sc h a ft v e r e in ig t ѣ
w u r d e n , in w e lc h e r d a s P a tr ic ia t d ie G e s ta lt e in er seh r *
z a h lr e ic h e n N o b ilitä t a n n a h m . D a m it h ä tte der p le b e jisc h e
A d e l e r la n g t w o n a c h er offen b ar b e y dem B e g e h r e n einer
V e r ä n d e r u n g d e s C on su lats s tr e b te ; d a s V o lk h offte von
s e in e n H ä u p te r n d en n ä m lic h e n S ch u z w e lc h e n die T rib u ­
n e n g e w ä h r t h a tt e n : a ls C o lleg en k ö n n ten sie U n b illig -
k e i t e n e h e s ie g e s c h a h e n V orb eu gen . U n d w en n d ie E ite l­
k e i t s i c h d u rch d e n G ed a n k en b e le id ig t fan d die A n g e h ö ­
r ig e n e in e s ä n d ern S t a n d s , a u f d ie m an b ish e r a ls zur ш
U n t e r t h ä n ig k e it g eb o ren h e r a b g e b lic k t h a tte , in d en h öch ­
s t e n W ü r d e n n e b e n s ic h zu s e h e n , so k o n n te e s doch
j e d e m E r fa h r e n e n n ic h t v e r b o r g e n se y n d a ss in der W ah r­
h e i t d ie p a tr ic is c h e H e r r s c h a ft, w en n d ie h ö c h ste G ew alt
e in e m z a h lr e ic h e n C o lleg iu m a n v e r tr a u t w ü rd e w elch es zur
H ä l f t e a u s P le b e je r n b e s te h e , n o c h im m er g e sic h e r te r sey
a ls u n te r a u s s c h lie s s lic h p a tr ic is c h e n C o n su ln , d en en T ri­
b u n e n u n d ih re a u fg e r e g te n C on cion en g e g e n ü b e r stä n d en :
e in e s v o n b e y d e n a b er m u sste m a n w ä h le n , w e n n von
W a h l d ie R e d e , w en n e s ü b erh a u p t m ö g lic h w ar d en P le ­
b e je r n d a m a ls j e n e n A n t h e il zu w e h r e n .
H ie r ü b e r s in d d ie im K la ren g e w e s e n au s d en en sich
d ie M e ld u n g b e y D io n y s iu s h e r s c h r e ib t a), d a ss d ie B e frey u n g
v o m T r ib u n a t d ie S en a to r en n a c h d em e rste n J a h r en t­
s c h ie d e n h a b e d a s D e c e m v ir a t z u w ü n sc h e n : u n d g e w is s
h a b e n a lle A n n a lis te n e b en so b e stim m t g e w u s s t d a ss in
d e r T h a t d ie H ä lfte d e s z w e y te n D e c e m v ir a ts a u s P le b e ­
j e r n b e s ta n d . V o n d rey en g ie b t D io n y siu s a u sd rü ck lich
ih r e n S ta n d a n ; v o n d en b e y d e n ü b r ig e n , d ie er L eu te
v o n g e r in g e m A n se h e n n e n n t , i s t es a u ch n ic h t zu b e ­
z w e i f e l n 735) : un d b e y b ey d en G e s c h ic h ts c h r e ib e r n steh en

<*) M om msen Röm. Forsch. 296. 735) ävÖpeg ob 7zduu


èxqpaveïç: X. 58. p. 682. a. Ein R abulejus *) kommt 35 Jahre
früher a ls V olkstribun тог: D ionysius ѴШ . 72. p. 539. e : und
w en n g e g e n die Plebitüt des Antonius M erenda angeführt werden
ъ) Schw egler III. 12.
[band п .] — 287 —

d ie N a m en der fü n f zu sam m en n a ch d en P a tr ic ie r n . F r e y ­
lic h se h e n b e y d e a u ch in d ie se m C o lleg iu m n u r e in e n
a u ss e r o r d e n tlic h e n A u ss c h u ss , ern a n n t um d ie G e s e z g e b u n g
zu v o lle n d e n : v erk en n en d d a ss ih n e n d ie se n u r n e b e n d em
B e r u f e in er g e w ö h n lic h e n M a g istra tu r a u fg e tr a g e n g e w e s e n
365 is t ; d a ss die E in s e z u n g ih res A m ts d ie te r e n tilis c h e R o ~
g a tio n , d ie co n su la risch e G ew a lt b esser z u ordnen, e r fü llte .
D o ch f e h lt e s n ic h t a n Z e u g n issen w e lc h e d as R ic h t ig e
a n erk en n en . L iv iu s a), d e ss e n W id ersp r ü c h e d aher k o m m en
d a ss er a n v e r s c h ie d e n e n S te lle n n a ch v ersc h ie d e n e n A n ­
n a liste n red et, b e g in n t d ie E r z ä h lu n g vom D ece m v ira t in ­
dem er d ie d a m a lig e V erä n d eru n g m it dem U e b e r g a n g
v om K ö n ig r e ic h zum C on su lat v e r g le ic h t; h in zu fü g en d , nu r
darum s e y s ie w e n ig e r b erü h m t w e il s ie k e in e n B e sta n d
g e h a b t; in d em der b lü h e n d e A n fa n g d ie se r M agistratu r
b a ld v e r w ild e r t s e y 736): w o das V e r s e h e n n ic h t in B e tr a c h ­
tu n g k om m t, d a ss er e r s t u n ter dem fo lg e n d e n J a h r v o n
dem h ä tte red en so lle n w e lc h e s das C on su lat e rsezte. A n ­
d ersw o s c h ilt ein C on su l d en W a n k elm u th der P le b e jer,
u n d p r e is s t der P a tr ic ie r N a c h g ie b ig k e it: ih r w o llte t D e ­
cem v irn , w ir g e s ta t te te n ih re W a h l; ih r w u rd et ih rer m üd e,
w ir z w a n g e n s ie a b z u d a n k e n 37). U n d w en n d iese Z e u g -
366 n is s e u n v e r d ie n t a ls e in e b lo ss e M ey n u n g d es G e s c h ic h t­
sc h r eib ers a b g e w ie s e n w ü rd en , so is t n ic h ts a u th e n tisc h e r
a ls das G esez w o d u rch L . V a leriu s u n d M. H o ra tiu s d ie
U n v e r le z lic h k e it der p le b e jis c h e n B e a m te te n v e r s ic h e r te n :
in d e m selb en w u rd en D e c e m v ir n u n ter d en n ä m lic h e n
S c h u z w ie die T r ib u n e n , A e d ile n u n d R ic h te r g e s te llt .

sollte dass einer desselben Namens im Jahr 333 consularischer


Tribun gew esen, und Livius doch sa g e , P . Licinius sey im Jahr
355 zuerst aus der P leb s zu dieser W ürde erwählt worden, so
genügt es um seine Autorität in diesem F a ll zu würdigen dass
er Licinius für den einzigen Plebejer unter sechs Collegen aus-
giebt, da doch umgekehrt im ganzen Collegium nur ein einziger
Patricier war. D as Jahr 333 fällt in eine Zeit heftiger Bewegun­
g e n , wo die Patricier die Ausübung der eingestandenen W ähl­
barkeit der Plebejer zu hindern entweder nicht vermocht, oder
es zu thun gar zu bedenklich gehalten haben werden: sie musste*)
w ohl über mehr nachgeben.
a) Nitzsch Röm. Annal. 133. 73ß) Livius III. 33.
37) Livius Ш . 67.
— 288 — [вЛЭТ) II.J

U n t e r d ie s e n i s t n ic h t e tw a d a s G e r ic h t d es N a m e n s zu
v e r s t e h e n ; d en n d a s w ard erst im fü n fte n J a h rh u n d ert
e i n g e s e z t 738) ; so n d ern o h n e a llen Z w e ife l d ie O b rig k eit
w e lc h e w ie d e r a n d ie S te lle d e s C on su lats treten so llte ,
s o b a ld d ie F r a g e v e r g lic h e n se y n w ü rd e w e lc h e n A n sp ru ch
d ie G em ein d e an d ie c u r u lisc h e n W ü r d e n h ä t t e , da ihr
d a s T r ib u n a t w ie d e r g e g e b e n w ar. D a s w ar d en je n ig e n
n i c h t u n b e k a n n t d ie durch d ie s e s G e s e z d ie U n v e r le z lic h -
k e i t d er C on su ln u n d P r ä to r e n v e r b ü r g t fa n d en : s ie w an d ­
t e n m it E e c h t a u f d ie w e lc h e ih re A em te r in der en d lich
f e s t g e s t e l l t e n F orm tr u g e n , d ie G ew ä h rleistu n g an d ie
d a fü r g e g e b e n w a r da e in e a n d re a ls v e rfa ssu n g sm ä ssig : •
g a l t : u n d d ie v e r m e y n te W id e r le g u n g d a ss d ie C onsuln
n i c h t E ic h ter g e n a n n t w ä ren , t r a f s i e n i c h t 39). E s e r h e llt
f e r n e r a u s d e m se lb e n G esez d a ss d ie T h e iln a h m e der P le ­
b e j e r a n der h ö c h s te n O b r ig k e it a ls n o th w e n d ig erk an n t
w a r d ; d e n n n u r d ie D ece m v irn v o n d iese m S ta n d e w aren
u n te r d e s s e n S ch irm g e s t e ll t , da s ie n a ch den a ltp leb eji­
s c h e n A e m te r n g e n a n n t w erd en , u n d d ie S trafe dem C eres­
t e m p e l z u fie l: n ic h t d a ss d ie p a tr ic isc h e n dem F r e v e l ü b er- зет
l a s s e n g e w e s e n w ä r e n , so n d ern ih r e U n v e r le z lic h k e it w ar
d u r c h d ie a lte n E e c h te a lle r p a tr ic isc h e n in a u g u r irten
O b r ig k e ite n v e r b ü r g t.
N u n w ü rd en a b er v o n 3 1 1 a n d ie h o h en W ü rd en der
B e p u b l i k e b e n v o n z e h n M ä n n ern g e h a lt e n se y n , w en n das
M ilita r tr ib u n a t so z u sa m m e n g e se z t g e w o rd en w äre w ie es
D i o n y s i u s a ls v ero rd n et a n g ie b t; d rey a u s jed em S ta n d e 40) :
d e n n d e r C en so ren w a ren z w e y , u n d sc h o n s e it 3 0 7 zw ey
v o n d en C en tu rien ern a n n te B lu tr ic h te r . J e n e A n g a b e
ü b e r d ie T h e ilu n g d es T r ib u n a ts s c h e in t fr e y lic h a u f den
e r s te n B lic k g a n z v e r k e h r t: s ie w ä re n u r ein m a l b e o b ­
a c h t e t ( 3 7 6 ) : u n d in d er W a h l w o z u sie n a ch C. C lau d ius
V o r s c h la g b e s c h lo s s e n s e y n s o l l, w u rd en n ic h t se ch s er­
n a n n t so n d ern d r e y , u n d oh n e U n te r sc h ie d der S tän d e.
A l l e i n d a rn a ch h a t es j a a u ch k e in e m S ch riftseller e in -

338) L iviu s III. 55. qui tribunis plebis, aedüibus, iudicibus.


decemviris nocuisset, eius caput loci sacrum esset, familia ad
aedem Cereris Liberi Liberaeque venum iret. 39) Ebendas.
E s ist T h. I. S. 473. gezeigt dass unter den Richtern die Cen—
tum virn zu verstehen sind. *°) XL 60. p. 735. d.
[ band п .] — 289 —

fa lle n k ö n n e n . s ie zu erfinden : w o h l ah er m o ch te es ein em


"Vorschnellen b e g e g n e n v o n dem w a s d ie A n n a le n a n g a h en
ein en T h e il w e g z u la s s e n , n ä m lich d a ss d ie P a tr ic ie r n u r
n a ch d ie se r V erä n d eru n g e in g e w illig t h ä tte n d ass n eb en
d en O ensoren co n su la risch e T rib u n en ern an n t w ü rd en . J e n e
P orm b ot sic h von s e lb s t a n : d rey P a tr ic ie r tra te n an d ie
S te lle d er d rey T rib u n i celeru m , w e lc h e m it der A b s c h a f­
f u n g der S täm m e a u fh ö rten ; u n d e b en so viel P le b e je r
w u rd en ih n e n b e y g e o r d n e t: un d au s e in er d u n k eln V o r­
s te llu n g d avon d ass in ein er der zum D e c e m v ir a t v erk n ü p f­
te n M a g istra tu ren d rey P le b e je r w a r e n , d ü rfte D io n y siu s
Irrth u m k om m en d a ss s ic h in d essen G esam m th eit n ic h t
368 m eh rere b efu n d en h ä tte n . S u ch en w ir dan n die A em te r
der b e y d e n ü b rig en P a a r e , so w erd en A p . C laudius un d
S p . O p p ius a u sd rü ck lich a ls die g e n a n n t w e lc h e zu r H u t
der S ta d t z u r ü c k b lie b e n : w o b e y es k ein er E r lä u teru n g b e ­
d a rf d a ss s ie a ls stä d tis c h e P rätoren h a n d e lte n , dem S e n a t
u n d den V o lk sv e r sa m m lu n g e n v o rsta n d en , un d zu G erich t
sa s se n : ab er ih r B e r u f h a t sic h n ic h t h ie r a u f b e sc h r ä n k t.
E s m u ss m it d em selb en d ie Censur v e r e in ig t g e w e s e n s e y n ,
w e lc h e a u s der A u flö su n g d e s D e c e m v ir a ts z u g le ic h m it
dem M ilita r trib u n a t h ervortrat: au ch d am als, w ie zu se in e r
Z e it b em erk t w erd en w ird , m it den A ttr ib u te n jen er P r ä -
tu r verb u n d en : — d ah er fin d et sic h g e m e ld e t d ass A p p iu s
C lau d iu s zu erst d ie C ensur b e k le id e t h a b e 741). D er Q uä­
sto ren eb en so w ie je n e r b ey d en zu g e d e n k e n h a tte d ie
G e sc h ic h te k e in e V e r a n la ssu n g : die A n n a len h a tte n s ie
s t ills c h w e ig e n d b e z e ic h n e t, in d em sie d ie M ilitartrib u n en
a n g a b e n w e lc h e g e g e n S a b in er u n d A eq u er fü h rten . D o rt
w erd en d rey g e n a n n t, ein P a tr ic ie r und zw ey P le b e je r :
w o n a ch zu erw arten is t d ass das zw ey te H e e r von zw ey
P a tr ic ie r n u n d ein em P le b e je r b e f e h lig t gew o rd en s e y :
n ach d em ab er L iv iu s d ie se in d ieser O rd n u ng g e n a n n t,
fü g t er e in e n P le b e je r u n d ein en P a tr ic ie r h in z u 42). N ä m -

741) Lydus I. 43. ?vpwroç toç ЖЛаидюд хцѵошр п р о -


eßkrfir). 42) Livius i ll . 41. tiuic ( Fabio) bellum in Sabinis,
M1 liabuleio et Cl. Foeielio additis collegis, mandatum. M. Cor­
nelius in Algidum missus cum L. Minucio et T. Antonio, et
Caesone Duiiio et M. Sergio: Sp. Oppium Ap. Claudio adiuto-
rern ad urbem tuendam decemunt. Bey Dionysius (XI. 23. p.
Niebohr, Eöm. Gesch. 19
— 290 — [ band п .]

l i e h , m a n se z te v o r a u s, d ah er d a ss z w e y g en a n n t w u rd en
d ie a ls stä d tis c h e P r ä to r e n z u r ü ck b lieb en , fo lg e , d a ss a lle
ü b r ig e in d en K rieg g e g a u g e n se y n m ü ssten . M it u n g leich
b e s s e r e m R e c h t se h e ic h in M. S e r g iu s u n d K . D u iliu s
d ie b e y d e n Q u ä storen d e s P a r r ic id iu m ; V o r g ä n g e r der eu - 309
r u lis c h e n A e d ile n , in g le ic h e r A rt w ie es A p p iu s und
S p . O p p iu s für d as n a c h h e r g e s p a lte n e A m t der Censoren
u n d P r ä to r e n w a r e n 743).
D u r c h d ie se T h e ilu n g der c o n su la r is c h e n M ach t zw i­
s c h e n C en soren oder P rä to re n , — w ie m an s ie n en n en
w i l l — , u n d M ilita r trib u n en , w e lc h e oh n e Z w e ifel a u f den
H e e r s b e fe h l b e sc h r ä n k t w aren , m it der J u r isd ic tio n n ich ts
z u sc h a ffe n h a tte n 3, w a r der Z w eck der te r e n tilis c h e n B o -
g a t io n sc h o n g r o s s e n th e ils e r r e ic h t, da der E in tr itt ein er
g r ö s s e r e n Z a h l das p e r s ö n lic h e k ö n ig lic h e A n se h e n der
C o n su ln a u fh o b : w ä h ren d e s m it je n e r M acht b e y dem
e r s te n D e c e m v ir a t für d en je d e sm a lig e n S ta tth a lte r in sein er
g a n z e n F ü lle b e sta n d . V o llen d s a b er w ard die gefü rch tete

7 04. e.) sind unter den fünfen erst die Patricier, dann die beyden
P le b e jer genannt. Um die grössere Zahl zu erklären, werden
ihnen nun fünf L egionen, dem sabinischen Heer drey, zuge­
schrieben ; also 24000 Mann mit den Leichtgerüsteten ; — und
ein e g leich e Zahl Bundesgenossen: eine Uebertreibung welche
d ie Unwahrheit aufdeckt. — Und damit jeder Decemvir seine
L egion habe, sollen zw ey in der Stadt zurückgeblieben seyn, und
zw ar imiiores: w elche Unkunde verräth w ie spilt diese Fabeley
a u sg eh ec k t worden. Die alte Sage wusste auch diesmal nur von
einer R eservelegion Veteranen ([T h. 2.] Anm. 775. 77G.) —
fo lg lich auch nur von zwey ins F eld gerückten: je eine unter
drey Militartribunen.
743) Flam inio Vacca erzählt, eine Wand des in dem zu Rom
erzbarbarischen zwölften Jahrhundert gebauten lateranischen Ho­
sp itals w äre m it Stücken zerschlagener Statuen, wo an vielen die
h errlich ste griechische Arbeit zu erkennen sey, aufgemauert. An
m anchen wird nur wahrzunehmen gew esen seyn dass sie parischer
Marmor und einst aus Bildbauers Hand hervorgegangen gewesen:
dies vollen d et das Bild der Nachrichten die Ly dus aus Gaius giebt.
W enn er m eldet (I. 34.) die Decemvirn wären glebae beygenannt,
w eil die Besizer fruchtbarer Felder ihren Unterhalt bestritten, so
lau tet das toll : es muss aber doch der Sache etwas zum Grunde
liegen . V ielleich t eine Erwähnung dass das gem eine Baufeld
steuerpflichtig gemacht worden?
[bakd п .] — 291 —

G ew a lt d a d u rch g e m ild e r t d ass b ey d e Z w e ig e der R e g ie ­


ru n g m it dem A m t der R ü g e h e r r e n , w e lc h e in ih r n ic h t
b e t h e ilig t w a r e n , zu ein er e in ig e n g esa m m te n h ö c h ste n
370 S te lle v e r e in ig t w aren , au s der je d e s M itg lie d zu m S ch irm
a n g eru fen w e r d e n d u rfte; a u f g le ic h e W e is e w ie b ish e r
die V o lk str ib u n e n , d eren A m t nur d ad u rch e n tb e h r lic h
sc h e in e n k o n n te. D ie E r fa h ru n g leh rte d a ss dem n ic h t
also se y : un d so fand m an es au ch n ich t n o th w e n d ig , je n e
V e r e in ig u n g w ie d e r ein tr e te n zu la ss e n a ls d ie d rey A em ter,
v erä n d ert, n a ch d em d as T rib u n a t für d ie P le b e je r h e r g e ­
ste llt w ar, e in g e s e z t w u rd en : ob w oh l die C onsuln V a leriu s
un d H o ra tiu s n och d ie A b s ic h t h a tte n d a ss d ie D e c e m -
v ira lv erfa ssu n g m it dem T r ib u n a t b e ste h e n so lle.
D ie V e r e in ig u n g g a n z versch ied en er A em ter zur h ö c h ­
ste n S te lle im S taat, i s t e in e so u n g e w ö h n lic h e Form d ass
ein ä lte r e s B e y s p ie l w o h l für ein V o rb ild g e lte n k an n .
E in s o lc h e s , v ie lle ic h t d a s e in z ig e w ovon ein e g e n a u e
K unde a u f u n s gek o m m en is t, g e w ä h r t d ie S y n a rch ie der
n eu n A rch o n ten zu A th e n : w o d a s’ e ig e n th ü m lic h e der V e r ­
g le ic h u n g m it d em D e c e m v ir a t darum n ic h t m in d er b e ­
ste h t d a ss d ie e in z e ln e n A em ter d en rö m isch en n ic h t e n t­
sp re ch en . V o lle n d s m u ss m an s ie n ic h t d esh a lb v erw erfen
w eil, so w e it d ie a ttis c h e V erfa ssu n g g le ic h z e it ig b ek a n n t
ist, a lle d ie se A e m te r b e y n a h e N a m en ohne W e s e n tlic h k e it,
371 w e n ig ste n s B e h ö r d e n oh n e S e lb s t th ä t ig k e it, w aren . I c h
w ied erh ole d a ss in V er fa ssu n g e n n ic h ts a ls S ch a tten b e ­
g in n t: u n d von den d rey W ü rd en d ie aus der a lten k ö n ig ­
lich en h erv o rg eg a n g en w a r e n , h a tte der P o lem a rch n o c h
b e y M arathon e in w a h r h a ftig e s A m t, und d ie d es A rch on
k a n n n ic h t oh n e g ro sse M a ch t g e w e s e n se y n a ls S olon s ie
em p fin g um d ie G eseze zu g eb en , die P isistr a tid e n sie a n ­
n a h m en a ls e in e S tä r k u n g ih rer H errsch a ft. D a m a ls g e ­
h örte ih r oh n e Z w e ifel d er V orsiz u n d V o rtrag im S e n a t,
den nur d as d e m a g o g isch e S treb en d ie R e g ie r u n g zu e n t­
k rä ften an d ie P r y ta n ie n g e b r a c h t h a b en k an n : wo d ie
sp ä tere E in r ic h tu n g durch d as M isv erh ä ltn iss der Z ah len
ih rer M itg lie d e r u n d T a g e sic h verräth . P r y ta n is w ar
au ch v erm u th lich vor A lte r s der A m tsn a m e d es E p on ym u s.
J e n e s S tr eb en h in d e rte d a ss d ie S tr a teg e n u n ter die A r­
ch o n te n b eru fen w u rd en , w o g e g e n zu R om a lle e in ig w aren
d a ss d ie R eg ie r u n g sta rk se y n m ü sse. O b w o h l n u n das.
19*
— 292 — [bànd ir.]

D e c e m v ir a t k ein E b e n b ild d es C o lleg iu m s der A rch on ten


■war n o c h se y n k o n n te , so h a t e s d och ein e se h r hohe
■ W a h rsch ein lich k eit d a ss d er G esa n d ten B e r ic h t , w ie die
k ö n ig lic h e G ew alt in d a ss e lb e a u fg e lö s s t w orden, den Ge­
d a n k e n der V e r e in ig u n g d er h o h e n A e m te r le ite te .
So k a n n a u c h d as zu A th e n o h n e Z w eifel sch o n seit
J a h r h u n d e r te n b e ste h e n d e R e c h t , k ra ft d essen die neun
A r c h o n te n n a ch v o lle n d e te m A m tsja h r in d en obern R ath
e in tr a te n , V e r a n la s s u n g g e g e b e n h a b en d a ss zu Rom eine
e n ts p r e c h e n d e O rd n u n g für d ie e in g e fü h r t w ard w elche
c u r n lis c h e W ü r d e n , so g a r für d ie w e lc h e nur d as Säk el-
m e is te r a m t b e k le id e t h a tte n . F r ü h e r , so la n g e der Senat
e r s t d ie G e s c h le c h te r , d an n d ie C urien d a r s te llte , wäre 372
d ie s e R e g e l n ic h t an w en d b ar g e w e s e n . B a ld nach d em p le ­
b e j is c h e Q u ä storen e r w ä h lt w a r e n , fin d et sic h au ch ein
S e n a to r a u s d e m selb en S ta n d e ; u n d d en P le b e jern die im
D e c e m v ir a t s a s s e n , k ö n n te n a ch h er der E in tr itt in den
S e n a t u n m ö g lic h v e r s c h lo ss e n g e w e s e n se y n : w en n aber
a lljä h r lic h fü n f g e w e s e n e D e c e m v ir n e in tr a te n , so würde,
w e n n a u ch d ie c e n s o r isc h e W illk ü h r, an der je z t ein P le ­
b e je r T h e il h a b en so llte , n ic h t e in e n E in z ig e n vom zw eyten
S ta n d a u f e r le d ig te S te lle n b eru fen h ä tt e , n ach einem
M e n s c h e n a lte r , w o fern n ic h t h ä u fig e W ied ererw äh lu n gen
n n d u n g e w ö h n lic h e S te rb elä u fte d en n a tü r lic h e n G ang der
D i n g e d u rch a u s g e s tö r t h ä t t e n , w e n ig s te n s ein D ritth eil
d e r S en a to r en au s P le b e je r n b esta n d e n h ab en . U m dies
z u h in d e r n la g e in M itte l g a n z n a h e , u nd die D ecem virn
k o n n te n e s u n m ö g lich ü b e r se h e n : n ä m lic h , der W ürde eine
lä n g e r e D a u er als e in J a h r zu g e b e n ;' u n d für dasselbe
r e d e t e d a n eb en d ie E r w ä g u n g , w e lc h e g e w is s k ein e der
S c h la u h e it n eu erer Z eit a u fb e w a h r te E n td e c k u n g ist, dass,
w e r d ie A u fr e g u n g e in e s frey en S ta a ts d äm p fen w ill, die
W a h le n se lte n m a ch en m ü sse . D ie s e D ä m p fu n g w ar grade
d e r D e c e m v ir n Z w eck , eb en so w o h l w ie d erjen ig en w elch e
in E n g la n d u nd F ra n k r eich d ie D a u er d es erw äh lb aren
Z w e ig s der G esezg eb u n g a u f sie b e n J a h r e au sged eh n t
h a b e n : und da d ie a u f fü n f J a h r e v e r lie h e n e Censur ein
T h e il d es D ec e m v ir a ts w ar, so b ie te t sic h die V erm u th u n g
a n d a ss a lle drey A em te r d e s s e lb e n für d ie n ä m lich e Zeit
e r w ä h lt w urden, w od u rch den n d ie Z ah l der n ach A n rech t
e m tr e te n d e n S en atoren a u f ein F ü n fth e il v erm in d ert ward.
[ band п .] — 293 —

373 D ie s e b e stim m te D au er is t a lle r d in g s H y p o th e s e : v ö llig


g e w is s j e d o c h , d ass d ie D e c e m v ir n a u f lä n g e r e Z e it a ls
ein J a h r ern an n t w a r e n , ob w oh l die S c h r ifts te lle r d en en
nur e in jä h r ig e M a g istra tu ren d en k b ar sc h ie n e n d ie lä n g e r e
D a u er ih rer G ew alt a ls U su rp ation d arstellen . W äre d em
so g e w e s e n , d a n n w ü rd e b e y dem V e r g le ic h m it der a lte n
G em ein d e n ic h t v erord n et s e y n d a ss die D ece m v irn so b a ld
a ls m ö g lic h ih r A m t n ie d e r le g e n s o llt e n 744): d en n dad u rch
w ird a u sg esp ro ch en d a ss sie ein g e s e z lic h e s R e c h t a u f
lä n g e r e D a u er h a tten . H ä tte n sie ih re G ew a lt u su rp irt
g e h a b t, so w ä ren so g le ic h In terre g en an ih re S telle g e ­
tr e te n , s ie h ä tte n n a ch dem v a le r is c h e n G esez d as L e b e n
v erw ü rk t g e h a b t, a lle w e ite r n A n k la g e n w ä ren ü b erflü ssig
g e w e s e n 45).
^ W ie n u n die h ö c h ste G ew alt un d d ie h o h en E h re n
g le ic h , od er w e n ig s te n s a ls U e b e r g a n g b illig , g e t h e ilt w or­
den s in d , so z e ig t s ic h in m an ch en E r w ä h n u n g en d ie
G le ic h ste llu n g der R e c h tsv e r h ä ltn iss e der E in z e ln e n a u s ­
g efü h r t. S o g a r für den V erp fä n d eten m it dem L e ib frey en
z u g e s ic h e r t: dem S an as m it dem F o rtis °): W orte die sc h o n
d en a lte n R e c h ts- u n d S p ra ch k u n d ig en r ä th se lh a ft w a ren ,
d och en tw ed er von L a sse n un d F r e y g e b o r n e n , oder v o n
den b ish e r ig e n U n terth a n en in d en a lte n C olon iestäd ten
374 und d en C olonen zu v erste h e n se y n w e r d e n 46). W o d ie
S tr a fen b ek a n n t sin d , z e ig t sic h k ein U n te r sc h ie d a ls fü r
den U n fr e y e n und den K n a b en : das G efä n g n iss im K erk er
trifft n u n je d e r m a n n : der D ece m v ir A p p iu s w ard in F o lg e
sein er e ig e n e n G eseze in p ersö n lich e H a ft g e b r a c h t47).
D a s C om m ercium is t offen b ar von der Z eit a n g a n z frey

744) Livius III. 54. F actu m senatuscom ultum , u t se decem ­


v iri prim o quogue tempore m agistratu abdicarent. 45) u m
diese Einwendung ahzuwehren, wird den Decemvirn die Ausrede
geliehen (als ob in solchem F all eine leere Ausrede всЬйгеп
könnte) sie wären unbestimmt für die Gesezgebung ernannt: und
da auch die durch die beyden lezten Tafeln vollendet w ar, so
sollten dieee damals nur erst vorgeschlagen gewesen seyn: —
woher Diodor (XII. 26.) ßie den Consuln L. Valerius und M. H o-
ratius zuschreibt. «) Schw egler III. 5. A. 2- 46) Nexo
êolutoquc, fo rti sanatique idem in s esto. Festus im Auszug s, v.
tanates. 47) Liviue III. 56. ff.
— 294 — [band и*}

z w is c h e n "beyden S tä n d e n ; d ie M a n cip a tio n in ih ren v iel­


f a c h e n A n w e n d u n g e n , d ie U s u c a p io n u m sie zu ersezen ,
d ie V in d ic a tio n u n d a lle a n d re R e c h tsm itte l sin d a llg e ­
m e in e s R e c h t der N a tio n . In d e s s e n w a r d ie G leich stellu n g
n i c h t o h n e A u sn a h m e n : d ie p e r s ö n lic h e V erp fä n d u n g ward,
h e y b e h a lte n , u n d tr a f, w ie d ie g a n z e S ch u ld k n ech tsch a ft,
a u s s c h lie s s lic h d ie P le b e je r 748). D a s S c h u ld r ech t, vor dessen
G r a u sa m k e it die N a ch k o m m en sic h e n t s e z t e n , k a n n n ich t
z u r G e s e z g e b u n g der er ste n D e c e m v ir n g e h ö r t h ab en , deren
G e r e c h t ig k e it g e p r ie s e n w ir d 49) ; m u ss s ic h a u f den beyden
l e z t e n T a fe ln b e fu n d e n , h a b e n , d eren G eseze Cicero un­
b i l l i g n e n n t 50) a) : vor a llem d a sje n ig e w e lc h e s k ein Con­
n u b iu m z w is c h e n d en S tä n d e n g e s t a t t e t e 51). D ie P lebejer 375
b l i e b e n v o n der B e n u z u n g d es G em ein feld s a u sg esch lo ssen .
E s k ö n n en nur ä h n lic h e B e stim m u n g e n g e w e s e n seyn
w e lc h e s ie zu rü ck se zte n , d ie C icero zu jen em U r th e il ver-
a n la s s te n . E in e b efrem d e n d e E r sc h e in u n g , da die U rheber
je n e r g e ta d e lte n G eseze zu r H ä lfte dem S tan d e angehörten
d e n s ie zu u n terd rü ck en und h era b zu w ü rd ig en schienen:
u n d d och v o llk o m m en erk lä rlich , da e s in der S a ch e selb st
l i e g t d a ss d ie e r s te n D e c e m v ir n n a ch ihrem A u ftra g nur
ü b e r G eg en stä n d e v ero rd n eten w o s ie d ie g a n z e B ü rger­
s c h a f t g le ic h s t e llt e n . E s is t d en k b a r d a ss der gem isch te
R a t h U n g le ic h h e it od er H ä rte d es R e c h ts in m anchen
F ä lle n w o sie d ie u n b e t e i l i g t e n N a ch k o m m en empörte,
f ü r d ie d a m a lig en V e r h ä ltn isse w ed er v erm eid lich noch in
W a h r h e it sc h ä d lic h g e fu n d e n h a t, w e n ig s te n s ein klein eres

748) Th. I. S. 335. 49) Cicero de re p. II. 36. summa


legum aequitate et p ru d en tia . Unter diesen Gesezen muss eich
a u f jeden F all das befunden haben welches Privilégia verbot:
ein e dunkle S ach e; denn die Aecbtung des Schuldigen der das
E xiliu m erwählt h a tte, würde unter Ciceros Definition gehören.
S o llte er nun nicht auf einer ganz falschen Spur gewesen seyn,
so m üsste man an Verbannung gefürchteter oder beneideter Bür­
g er ohne angeschuldigtes Verbrechen denken; Ostracismus und
P etalism u s : dergleichen in den italiäniscben Städten des Mittel­
a lters wieder entstand. 50) a. a. 0 . 37. duabue tabulis ini -
q u a ru m legum a dditis. D ie Uebertreibung fällt in die Augen;
es ist unm öglich dass auch nur die Mehrheit dieser Art gewesen
seyn sollte. «) Mommsen Röm . Forsch. 300. A. 29.
^1) а. а. О. — D ionysius X . 60. p. 584. a.
[ bakd п .] — 295 —

U e b e l d arin s a h : ja e s w a r w o h l s o , w e il je n e T a fe ln so
la n g e n a ch h er, m it A u sn a h m e der V e r ä n d e r u n g du rch d as
C a n u lejisch e G esez, in v o lle r K raft b lie b e n . D ie S p ä te r e n
tä u sc h te n s ic h durch d ie V o r ste llu n g e s s e y von n e u er­
fu n d en en G esezen d ie B e d e ; da d och nu r b e ste h e n d e n ic h t
a b g esc h a fft w u rd en . A lle r d in g s lä s s t sic h n ic h t b e h a u p te n
d a ss d ie p le b e jis c h e n D ece m v irn sic h durch so a ch tb a r e
G ründe b estim m ten : ih re M itw ü rk u n g g a b ab er den S c h e in
fr e y er Z u stim m u n g der n ic h t p a tr icisch en R ep rä sen ta n ten ,
w e n n a u c h n u r ein e r sic h g e w in n e n lie s s : in d em d ie
M eh rh eit im C ollegiu m e n tsc h ie d ; u nd le ic h t m och ten a lle
376 fü n f ü b e r w ä ltig t w erd en . E s v e r s te h t sic h d ass d ie p a ­
tr ic isc h e n D ecem virn , w ie s ie in den V e r z e ic h n isse n zu erst
g e n a n n t w erd en , zu ih n e n w e n ig s te n s im V e r h ä ltn iss d es
v o n den C urien ern a n n te n C onsuls g e g e n se in e n C ollegen
sta n d en : d ie G le ic h h e it der n eu en L e u te g e g e n d ie w elch e
sch o n h o h e W ü rd en b e k le id e t h a t t e n , u n d A h n en b ild er
z ä h lt e n , lie s s sic h n ic h t g e lte n d m a c h e n , da d ie O effen t-
lic h k e it a u fg e h o b e n w ar w od u rch s ie K raft h ä tte n g e w in n e n
k ö n n e n : d ie e n tg e g e n g e s e z te E r w a r tu n g , w e lc h e m a n c h e
e it e l oder g u tm ü th ig g e h e g t , andre k lu g u n d a b sic h tsv o ll
g e n ä h r t h a t t e n , so llte m it allen H o ffn u n g en von der th e o ­
r e tisc h u n ta d e lh a fte n , a b g e w o g e n e n n eu en V e r fa ssu n g , seh r
b a ld v e r n ic h te t w erd en .

D as z w ey te D e c e m v i r a t . a)

D ie W a h l d erjen ig en u nter deren H ä n d en das n u r n o ch


g e s c h r ie b e n e G esez a n fa n g en so llte zum le b e n d ig e n zu
w e r d e n , d essen S tärk e m it der D au er zu n im m t, b is e s
n ic h t w e n ig e r a ls S p ra ch e und S itte jed em der u n ter ih m
g eb o ren i s t in se in e m W e s e n a n h ä n g t, d a n n , w o fern es
s ic h n ic h t den v erw a n d elten V e r h ä ltn isse n g e m ä ss fo rtb il­
d et, a b stir b t u n d a b lö s s t, — d iese W a h l w ar vollk om m en
frey . N a ch so lc h e n U m b ild u n g e n g e s c h ie h t e s le ic h t d ass
g ra d e d ie W id e r s a c h e r 752) sic h ern en n en la ss e n , um d ie V e r -

e) Schw egler III. 4 2 ; Ihne R. G. I. 1 6 3 ; Nitzsch Röm.


Annal. 141. 752) In Frankreich 1795 und 17У7: in Spa­
nien 1813.
— 296 — [band IX.]

f a s s u n g z u z e r stö r e n : u n d in k e in e r än d ern A b sic h t k o n n ­


t e n d ie H ä u p ter d e s P a tr ic ia ts d a m a ls ih ren g a n z e n E in ­
f lu s s a u f d ie C en tu rien a n w en d en , u m d ie E r n en n u n g d es
L . C in cin n a tu s, C. C laudius, und 'T. Q u in ctiu s zu b ew ü rk en . зтт
W o h in d ie s e tra ch te n w ü rd en , k o n n te N iem a n d e n z w e ife l­
h a f t s e y n : w is s e n d o ch w ir v o n dem ein en w ie er den
F r ie d e n v o m h e ilig e n B e r g e h a tte v e r n ic h te n w o lle n ; v o n
d em ä n d e r n d a ss er w e n ig e. J a h r e n a c h h e r d am it u m g in g
d ie G e g e n r e v o lu tio n d u rch e in B lu tb a d au szu fü h ren ; dem
d r itte n w ie er d ie E n t w ic k lu n g d er en tw o rfe n e n V erfa ssu n g
im g ü n s t ig s t e n A u g e n b lic k h in d e rte 753). D ieser, e in st u n ter
d er Z a h l d erer d en en d as V o lk s ic h v ertra u te, h a tte se in e
G e s in n u n g verä n d ert; e n tg e g e n g e s e z t A p p iu s von dem A u ­
g e n b lic k d a d ie E efo rm u n a u sb le ib lic h en tsc h ie d e n war,
s ic h la u t fü r sie erk lärt, un d er g a lt für die S e e le der
g a n z e n D e c e m v ir a lg e s e z g e b u n g 54). D a s V o lk — d en n s e it- 378

753) Livius III. 35. 66. ff. IV. 6. 54) Es war schon
lä n g st m it Befremden bemerkt dass die Fastentafeln diesen Appius
Ap. f . M. n. nannten, da doch Livius offenbar in ihm einen Sohn
des C onsuls von 283, und Enkel des ersten Appius sieht. Noch
weit auffallender ist dass durch eins der 1817 entdeckten Bruch­
stü ck e die M eldung seines Consulat« jezt wie folgt vervollständigt
steh t: Ap. Claudius Ap. f, M. n. Crassin. Regill. Sahin. II. —
woraus klar hervorgeht dass der Verfasser ihn für den nämlichen
geh alten haben muss der uns nach Livius als sein Vater gilt.
Auffallend ist es allerdings, w eit weniger an sich als wegen der
schon oft bemerkten W eise der A nnalisten, dass zweymal von
einem A ppius Selbstmord erzählt wird, der in den alten römischen
Zeiten so unbeschreiblich selten vorkommt: und unmöglich ist
es w ahrlich nicht dass die Erzählung von der Strafe die auf das
Consulat von 283 gefolgt sey die Erfindung eines Ueberklugen
wäre der sich so aus der Verlegenheit gezogen härte, w ie es
doch m öglich gewesen dass die Gemeinde jem als dem Urheber
je n e s Blutbads ihr Vertrauen geschenkt hätte: vor Allem aber
reranlasste Virginias Tragödie sich den Decemvir als einen jun gen
M ann zu denken. Aber Tiberius und A li P asch a! Ja durch­
gehend» findet es sich , namentlich im O rient, dass die brutale
G e w a lttä tig k e it greiser Tyrannen w ie ihre Grausamkeit steigt.
— D ass das Volk sich nach zwanzig Jahren m it ihm ausgesöhnt
gehabt, ist um so weniger unmöglich da seine zw eyte W ahl zum
C on su lat, w elch e auch befremden mochte, durch die Curien g e ­
schehen w a r, worauf er denn von Am tswegen in das erste De»
[ВАЛТО П.] — 2 9 7 — 1

dem der N a m e B u r g e r a lle n R öm ern zu k om m t, is t e s n ic h t


u n a n g e m e sse n die G esa m m th eit d erer d ie j e z t d en P a tr i­
ciern g e g e n ü b e r s te h e n so zu b e n en n en , — sa h d as B e s t e ­
h en der V erfa ssu n g n u r dad u rch v erb ü rg t, d a ss s ie ih m
u n d d en en d ie er v o r sc h lu g a n vertrau t w erd e. E s h e is s t
d a ss d ie än d ern D ece m v irn um se in e W a h l m o ra lisch u n ­
m ö g lic h zu m a c h e n , ih m d en V orsiz b e y d e r se lb e n z u g e ­
w ie s e n h ä tte n : un d a lle r d in g s m u ss e s e in e an erk a n n te
P flic h t b e y d iese m A u ftr a g g e w e s e n se y n , zu h in d ern d a ss
k ein er d ie c o n su la r is c h e G ew a lt zw e y J a h re h in ter ein a n d er
b e k le id e : w a s in H in s ic h t a u f d en C ollegen verord n et w ar,
w a r v o llen d s für d en V o rsizen d en s e lb s t d u rch E h re u n d
G e w isse n g e b o te n . D a s D a s e y n der R e g e l e r h e llt a u s d en
F a s te n ; w o e s n ic h t z u fä llig se y n k a n n d a ss b is d ah in
a u sser P u b lic o la k e in C onsul in z w e y s ic h fo lg e n d e n J a h ­
ren v ork om m t; ih re U r sa c h e is t klar, w e il, w e r d as Im p e ­
rium h a tte, n ic h t zu r V era n tw o rtu n g g e z o g e n w erd en k o n n te ;
u n d s ie m u sste w e n ig s te n s j e z t in d en G esezen str e n g a u s -
379 g e sp r o c h e n se y n , da d em D ece m v ira t e in e lä n g e r e D a u er
a ls a u f e in J a h r g e g e b e n w ar. In d e s se n h a tte sie sic h e r
n ie den vo rsizen d en In te r r e x b etroffen ; u n d A p p iu e k o n n te
se in V erfa h ren d am it b e sc h ö n ig e n d ass s ie a lle nur I n t e r ­
r e g e n g e w e s e n w ä ren : a u ch m u ss d ie s zu g esta n d en se y n ,
d en n o h n e B e s tä tig u n g der Curien h ä tte er das A m t n ic h t
b e k le id e n k ön n en .
E r w ar a ls C ensor u n d P rä to r der erste im C o lleg iu m ,
.w e lc h e s er ü b erd ies m it der p ersö n lich en G ew alt b e ­
h e r r sc h te , w o d u rch fü n fz ig J a h r e sp ä ter K r itia s und C ha-
r ik le s d en R a th der d r e y s sig T y r a n n en le n k te n u n d u n ter­
jo c h t h ie lte n : e in ig e r m a sse n th e ilte Q. F a b iu s , der d rey m a l
C onsul g e w e s e n w a r , se in e M ach t. M it der Z au b erk raft
h errsch en d er U e b e r le g e n h e it, der, w en n sie u n ter stü zt v o n

cemvirat übergegangen seyn kann. Bey Livius selbst sind zw ey


Spuren aus Annalen die mit jenen Fasten übereinstimmten g e ­
blieben : die eine IV. 48. wo Ap. Claudius, der Militartribun von
35*2, nepos Decemviri h eisst, und den ersten Appius seinen
proavus nennt (w elches dem bellen B lick des Glareanas nicht
en tging, nur hätte er nicht den T ext ändern sollen): — die
zw eyte III. 33. vom Decemvir selbst: der plebicola ward, pro
truci aaevoque insectatore plebis.
— 298 — [ band п .]

S t o lz u n d G e r in g sc h ä z ig k e it v o n ein em V orn eh m en a u sg e -
1iht w ird , in n erh a lb d er M auern e in e s R a th szim m er s, vor
h e y f a lle n d e n T e iln e h m e r n , n u r h ö c h st g esu n d e G em üther
w id e r s te h e n k ö n n en , m o ch te er le ic h t w e n ig s te n s d ie M ehr­
z a h l s e in e r p le b e jis c h e n C o lle g e n , deren N am en säm m tlich
d e n v o r h e r g e g a n g e n e n B e w e g u n g e n frem d s in d , die also
w a h r s c h e in lic h L e u te oh n e p e r s ö n lic h e B e d e u tu n g waren,
w ille n lo s m a ch en . D o c h m u ss d ie G e s ezg eb u n g ', w elch e
so v ie le G efü h le u n d W ü n sc h e v e r le z te , g ro ssen W id er­
s p r u c h g e fu n d e n h a b e n , o b w o h l a u ss e r dem S en a t freye
B e r a t h s c h la g u n g g a r n ic h t S ta tt fin d en k o n n te: den n das
e r s t e J a h r d ie s e s D e c e m v ir a ts w a r b e y n a h e v erflossen ehe
d ie b e y d e n T a feln a u s g e s t e llt w u r d e n 755).
A b e r w ed er se in e r C ollegen n o ch der C en tu rien E in ­
w i l l i g u n g h ä tte sic h e r la n g en la s s e n d as Connubium zw i- m
s e h e n d en S tä n d e n a b z u sc h a ffe n 56): d a ss e in e von jeh er b e ste ­
h e n d e T r e n n u n g b l i e b , is t u n ter jen em E in flu ss seh r b eg reif­
l ic h . O hne Z w eifel w u rd en r e lig iö s e B e d e n k lic h k e ite n als
G ru n d d afü r a n g e fü h r t: e in e p a tr ic is c h e E h e erford erte A u sp i-
c ie n , u n d d eren se y d ie P le b s n ic h t fä h ig . E in k lu g erP leb ejer
m o c h te s ie g ern g e w ä h r e n la s s e n , da, w a s fr e y lic h b e le i­
d ig te , se in e n S ta n d v e r stä r k te , in d e m a u s den sic h e r n ich ts
w e n ig e r a ls s e lte n e n E h e n d ie se r A rt F a m ilie n en tstan den,

755) L iv iu s ІП. 37. Zonaras p. 27. c. èn9 è£6d<p той ітоид.


56) E s ist sehr m öglich dass sich kein Geeez hierüber im
papiriauischen Recht hätte finden lassen: denn vielmehr musste
das Connubium ausdrücklich verliehen seyn um zu bestehen:
aber schw erlich hat jem and-dort darnach gesucht. Dass d ieX II
T a feln nicht aie Consolidation von Statuten erkannt wurden, ge­
n ü gte um den Irrthum herbeyzuführen. Um sich von demselben
ganz loszum achen, bemerke man dass schon vor dem Decemvirat
patricische und plebejische Sicinier und Genucier Vorkommen:
w en n es auch W idersprechenden gefallen sollte den plebejischen
S tan d der Marceller, und so vieler anderer späterer Familien
w elch e doch nicht alle in vier Jahren entstanden seyn können,
säm m tlich lieber durch Uebertritt zu erklären. — Dass für die
F a b ier m it Maluentanern Connubium bestand, früher als mit den
P le b e je r n , erklärt sich wohl aus der eabinischen Herkunft des
G esch lech ts: es ist sogar natürlich dass alle Titier es mit allen
Sab ellern hatten, woraus für die beyden ändern Stämme nichts
fo lg t
[band п .] - 299 —

w e lc h e , a u s g e s c h lo ss e n v o n d en P a tr ic ie r n , w e n ig s t e n s v o n
n u n an oh u e d a ss e s ein er A u fn a h m e b ed u rft h ä tte , d er
P le b s z u w u c h se n : er sa h lä c h e ln d w ie d ie G eg n er s ic h in
d em selb en V e r h ä ltn iss sc h w ä c h te n , u n d , w e n n d ie T h o r h e it
d a u erte, v e r n ic h te te n . D ie s e g e m isc h te n E h e n w a ren g a n z
S8 1 SO eh ren v o ll w ie e in e con farreirte ; n ic h t K e b s e h e n : der
e in z ig e U n te r sc h ie d w ar d ass, b e y ein em p a tr ic isc h e n V a ter,
d ie K in d er in den S ta n d der M u tter tr a te n .
A lle in d a s K in d erb te so w e n ig a ls ein em a n cip ir ter
S o h n ; den n e s w ar n ic h t in der v ä te r lic h e n G ew alt. D e m
E e c h t n ach fiel d ie E r b s c h a ft an e b e n b ü r tig e G esc h w iste r ;
u n d in d eren E n tste h e n an S ip p e n u n d M agen ; so a u ch
d ie fe h lte n , an das G esch le ch t. D a ss d iese n ä m lich e Ord­
n u n g u n ter d en d e u tsc h e n V ölk ern h errsch te, so la n g e sie ,
w ie d ie ä lt e s t e n E ö m er, au s G esch le ch tern b e sta n d en , d a­
v o n h a t sic h a u f der ä u sse r ste n G ränze D e u tsc h la n d s e in e
Sp u r im G ew o h n h eitsrech t erh alten . W er au f der I n s e l
E e h m e r n 757) ein er V e tte r sc h a ft a n g e h ö r t, m u s s , w en n er
ein T e sta m e n t m a ch en w ill, ih r ein e b e stim m te G eld su m m e
e n tr ic h te n : w ie n u n d ie s a u g e n sc h e in lic h ein e A b fin d u n g
ih r e s E r b r e c h ts is t , so w ü rd e s ie a u ch zu E o m ein g efü h r t
se y n , w e n n n ic h t d ie G en s u n ter a llg e m e in e r e n G esam m t-
h e ite n b eg riffen g e w e s e n w äre. N u n ab er, d a d as V erm ö ­
g e n e in e s a u sg e sto r b e n e n G esch le ch ts der Curie, d a sje n ig e
ein er erlo sc h e n e n C urie dem publicum der g esa m m te n B ü r ­
g e r s c h a ft z u fie l, b e d u r fte e s der E in w illig u n g d es g a n z e n
P o p u lu s : und h ier li e g t der U rsp ru n g der T e sta m en te vor
P o n t if e x und C urien. D ie p leb ejisch en G esch le ch ter sta n d en
a lle r d in g s verein zelt, ab er der gesa m m te S tan d h a tte doch
d en G em ein d e k a sten im C erestem p el58): u nd w en n d as
H e e r c e n tu r ie n w e ise , s e y es a u f dem M arsfeld , se y e s vor
882 d e r S c h la c h t, den le z te n W ille n d es W eh rm an n s zum G esez
e r h o b , so w u rd en d am it d ie A n sp rü ch e der G esam m th eit
a n se in V erm ö g en n a c h g e g e b e n . D ie s e a llg e m e in e n V er­
sa m m lu n g en w aren w e it w en ig er a ls d ie u n m ittelb a ren und
n a h e b e t h e ilig t e n K r e is e v er su c h t d ie v ä te r lic h e F ü rsorge
für d ie d u rch B illig k e it b eru fen en zu v e r e ite ln ; u n d da

757) Ihre Bevölkerung g ilt für eine ditmarsieche Colonie.


58) Th. I S. 600.
— 300 — [ bakd i i .]

v ie lm e h r e in a llg e m e in e s G efü h l ih r g ü n s t ig w ar, so m u sste


d ie u r sp r ü n g lic h w a h rh a ft h e s c h lo s s n e G en eh m ig u n g zu
e in e r b lo s s e n F orm w erd en : w o h er d en n a u ch die G esez-
g e b e r d a s E e c h t des le z te n W ille n s , ü b er V erm ö g en und
T u t e l je d e m r ö m isch en H a u sv a te r u n b e sc h r ä n k t frey g eb en
k o n n te n , so d a ss b e y d e r le y C om itien b lo ss sy m b o lisc h dar­
g e s t e l l t w u rd en . E s zu v ero rd n en b e stim m te d ass sich
n ic h t v e r k e n n e n l i e s s , e s k ö n n ten d ie P a tr ic ie r k ü n ftig ,
w e n n ih r e F a m ilie n d u rch m a n g e ln d e E b e n b ü r tig k e it im ­
m er w e n ig e r w u rd en , s ic h e in ig e n j e n e s G e n eh m ig u n g srech t
w id e r d ie H a ib v e tte r n in der T h a t au szu ü b en . So ward
d ie G e s c h le c h te r v e r fa s su n g u n te r g r a b e n , u n d m u sste es
w e r d e n , w e il e in f ä lt ig e H o ffa h rt d as C onnubium n ic h t zu ­
la s s e n w o llte .
V ie r J a h r e h ern a ch m u s ste e s d och ein g efü h r t w erden,
e s b lie b a b er n u n d ie sc h r a n k e n lo s e W illk ü h r der T e sta ­
m e n t e : d ie, w ie a lle W illk ü h r, b e lie b t w ar. U n d w er h ätte
d a m a ls a n dem eb en f e s t g e s t e llt e n b ü r g e r lic h e n E e c h t än ­
d e r n m ö g e n ? S ob ald a b er der F a m ilie n g e is t g e sc h w ä c h t
w a r , w a r d s ie a rg un d im m er ä r g er g em isb r a u c h t ; v e rg e­
b e n s s u c h t e n G eseze, von dem F u r is c h e n a n , ih r zu b e­
g e g n e n .' H in g e g e n e n tz o g b u c h s tä b lic h e A u s le g u n g den
F r a u e n j e d e te sta m e n ta r is c h e V e r f ü g u n g 759), d am it w e n ig - 333
s t e n s ih r V e r m ö g e n , w en n sie s e lb s tä n d ig w a r e n , dem
G e s c h le c h t e r h a lte n b le ib e : e in e V e r w e ig e r u n g w elch e den
S it t e n u n d der B illig k e it zu se h r w id ersp r a ch um sic h
g e g e n d ie erfin d erisch e S c h la u h e it d er E e c h ts k u n d ig e n b e ­
h a u p te n zu k ö n n en .
V o n d em g ra u sa m en S c h u ld r e c h t w e lc h e s d iese T a feln
fü r d ie P le b e je r sic h e r a u ch n u r b e y b e h ie lte n , w erd e ic h
w e it e r h in h a n d eln , w o e s in h ö c h st u n g lü c k lic h e n Z eiten
u n e r t r ä g lic h e r w ard a ls d ie G e se z g e b e r m och ten g ea h n d et
h aben . E s lä s s t s ic h a b er erw arten d a ss s ie e in so e n t-
s e z l i c h e s E e c h t n ic h t o h n e B e s c h r ä n k u n g d es W u ch ers
h a b e n b e s t e h e n la s s e n : u n d so b ek a n n t w ie d as C ivilrech t
d e r T a f e ln w ar, k an n sc h w e r lic h e in Irrth u m in der M el­
d u n g s e y n , d a s s der U n z ia lz in sfu ss sc h o n durch sie v er­
o r d n e t w o r d e n s e y 60). E r m u ss in ein er Z eit g r o s se s G eld -

759) W eil die Befugniss nur dem p aterfa m ilia s ertheilt war.
60) Tacitus A n n . Y I. 16 .
[ band II.] — SOI —

b e d iir fn is se s a b g esc h a fft g e w e s e n , im J a h r 3 9 4 nu r h e r g e ­


s t e llt se y n .
A m a lle r sc h m e r z lic h ste n fan d en sic h d ie P le b e je r d a ­
d u rch zu rü c k g e se z t d a ss sie die A p p e lla tio n an ih ren S ta n d
v o n d e n M a ch tsp rü ch en der D ece m v irn verloren h a tte n ,
w e lc h e den P a tr ic ie r n g e b lie b e n w ar. D a s s dem so g e ­
w e s e n , e r h e llt darau s d a ss das G esez w od u rch d ie H e r ­
ste lle r Her F r e y h e it d ie E r n e n n u n g ein er O b rig k eit oh n e
P ro v o c a tio n m it dem L e b e n v erp ön ten , e in e s von d en en is t
w e lc h e d en P le b e je r n g le ic h n ach dem S tu rz der T y r a n n en
zu b esserem E e c h t h a lfe n : auch w ird N iem a n d b e z w e ife ln
k ö n n en d a ss der erste S tan d , w e lc h e r s e lb s t vom D icta to r
384 p ro v o ciren k on n te, se in e b e ste F r e y h e it der n eu en O b rig ­
k e it , w elch e so g a r zur H ä lfte p le b e jisc h w ar, n ic h t a u fg e ­
o p fert h a b en w ird . A lle m A n se h e n n a ch w aren d ie Con-
c ilie n der T r ib u s g a n z a u fg e h o b en , w äh ren d d ie der Cu­
r ie n fo rtd a u erten : d ie E itte r und K la ss e n w aren ja je z t
je n e n g le ic h ; und d ie O b rig k eit w e lc h e a lle in m it ih n en
v e r h a n d e lt h a t t e , w a r a b g esc h a fft. D e n p le b e jis c h e n D e ­
cem v irn sta n d d as E e c h t zu a n sta tt der T r ib u n en sc h ü -
zen d g e g e n ih re C o lleg en e in zu trete n : a lle in der S ch u z
d e s E in z e ln e n , der nur se in A m tsr e c h t g e lte n d m a ch en
k o n n te, w ar o h n m ä c h tig g e g e n d en w e lc h e n der M ann d es
V o lk s g e w ä h r t h a tte , m it dem T au sen d e ih re S tim m e er­
h o b en , un d , w en n e s N o th th a t, ih ren A rm .
U n d a u ch d ie se n sc h w a c h e n S ch u z so ll ein e id lic h e s
U eb ere in k o m m e n sic h n ic h t zu w id er zu se y n v e r n ic h te t
h a b e n 761). M ö g lic h , d ass h ieru n te r e in e V era b red u n g zu
v e r ste h e n is t d ie M eh rh eit e n tsch eid en zu la sse n : u n d w ie
b e y der G e s e z g e b u n g e in e a b trü n n ig e S tim m e h in g e r e ic h t
h a b en k an n um den P le b e jern F rey h eiten zu v er sa g e n , so
w ü rd e der B e y tr itt d es Sp. O ppius g e n u g g e w e se n se y n
u m d iese m D e c e m v ir a t d as W e se n ein e r a u ss c h lie ss lic h p a ­
tr ic is c h e n G ew a lth errsc h a ft zu g eb en : w a s b ey ein er zu
g le ic h e n S tim m en g e m isc h te n O b rig k eit u n g la u b lic h la u te t.
A n fa n g s , s a g t L iv iu s, d roh te der S ch reck en ohne U n te r ­
sc h ie d ; a llm ä h lig w a n d te er sic h g a n z g e g e n d ie P le b e s :

?6l) intercessionem consensu sustulerant : Livius. opxta r efiöv-


reg — c<piaw aùrocg ё&еѵто izepi fX7)ôevàç àXXitjXoiç іѵаѵтюй-
€г&аі. D ionysius X . 59. p. 682 с.
— 302 — [band it.]

d ie P a t r ic ie r w u rd en n ic h t g e k r ä n k t. J u n g e M änner aus
ih r e r M itte u m g a b en d ie D e c e m v ir n u n d ih r T rib u n al: h ier 385
g e w a n n e n s ie u n g e r e c h te S p rü ch e g e g e n d ie M änner von
d e r G em ein d e : b a ld k am e s d a h in d a ss die so e s ih n en
z u b e s c h u ld ig e n g e fie l g e s tä u p t u n d e n th a u p te t w u rd en :
d a s V e r m ö g e n der H in g e r ic h te te n w ard dem A n k lä g e r für
s e in e M ü h e g e s c h e n k t. U m d ie se n P r e is , s a g t er, verk au fte
d ie a d lic h e J u g e n d d en T y r a n n en ih r e n B e y sta n d : die
H ä u p te r d e s S ta n d e s , v o ll S ch a d en fre u d e g e g e n d ie G e­
m e in d e , d eren S tr e b e n n a ch F r e y h e it s ie in d ies U n g lü ck
g e s tü r z t h a tte , h ä u fte n d ie M ish a n d lu n g en , d am it die P le ­
b e je r d ie H e r s te llu n g d es C on su lats au ch oh n e T rib u n en
a ls e in e W o h lth a t b e tr a c h te n m ö c h te n 762). D io h a tte von
d e n u m d ie H e r r s c h a ft v er sa m m e lte n p a tr ic isc h e n J ü n g lin ­
g e n a ls v o n ein er für s ie v e r sch w o rn en S ch aar bew affneter
F r e v le r g e r e d e t 63). A lle s d as m a g e in ig e n G rund h a b en :
a b e r h ö c h s t ü b e rtrieb en dü rfte je n e E r z ä h lu n g doch se y n
w e lc h e L iv iu s u n g e a c h te t se in e r V o r u r th e ile ohne e in ig e n
Z w e if e l v o rträ g t, d ie a lso g a n z g e w is s a llg e m e in v erb reitet
w a r : d ie M ilita r trib u n en , der g r ö s se r e T h e il d es C ollegium s,
k ö n n e n a n u n g e r e c h te n B ic h te r sp r ü c h e n k ein en T h eil g e ­
h a b t h a b e n ; d as p rä to risch e u n d q u ä sto risch e A m t waren
a lle in in dem F a ll so lc h e zu e r la sse n : au ch w erd en n u r 386
d ie b e y d e n d eren sic h d ie P rä to re n sc h u ld ig g e m a ch t er­
w ä h n t, u n d d ie se s in d g a n z v e r s c h ie d e n von den h ier g e ­
s c h ild e r t e n A u ftr itte n . Cicero s a g t vom er ste n J a h r d ieser
D e c e m v ir n n ic h ts sc h lim m e r e s a ls d a ss ih re G erech tig k eit
u n d G e w is s e n h a ftig k e it n ic h t so lo b e n sw ü r d ig g e w e s e n
w ä r e n w ie d ie ih rer V o r g ä n g e r : er s ie h t ih re U eb ertretu n -
g e n a ls F o lg e der U n b e sc h r ä n k th e it a n ; n u r für d ie le z te
Z e it w ir ft er ih n e n vor d a ss s ie sic h d er G rau sam k eit, dem

762) Ich bitte meine Leser sich zu überzeugen dass Livius


III. 3 6 37. dies alles ganz genau sagt: aus einem Buch welches
jederm ann gleich zur Hand hat mag ich grosse Stellen nicht ab­
sch reib en : einzelne Säze oder wenige W orte versäumt mancher
in einem angeführten Kapitel aufzusuchen. ѵеаѵі<тхоид
èx т шѵ еЬкатрідшѵ iS-pacrurdroug èxXeÇd/isvOL жоХла дС аЬтш
ёжp a Ç a v xal ß ta ta . — D ionysius XI. 2. p. 686. w eiss im A ll­
gem einen viel von den verübten R uchlosigkeiten: aber chrien-
m ässig, ohne einen einzigen bestimmten F all.
[ band п .] — 303 —

G eiz u n d d en L ü sten ü b erla ssen h ä t t e n 764). U eb er d en A n ­


th e il d es Igesam m ten, p a tr ic isc h e n S ta n d es an d ie se r tra u ­
rig en Z eit i s t se in A u sd ru ck a n e in er ä n d ern S te lle b e ­
so n n en u n d w o h l er w o g e n : d as D e ce m v ira t h ab e b e y der
P le b e s H a ss un d A u fr e g u n g w id er d en selb en e r w e c k t65):
d a ss d em so w ar is t a u g e n sc h e in lic h , u n d w äre sc h o n d a­
durch b e g r e iflic h d a ss s ie e in e g e h a ss te E e g ie r u n g b e h a u p ­
ten w o llte n . D e n n a u ch z u g e g e b e n d a ss d ie D e c e m v ir n so
v erru ch t g e w e s e n w ären, so w urde a u sg ed eh n te T h eiln a h m e
der M itstä n d e a n ih ren V e rb re ch en d arau s n och n ic h t f o l­
g e n . S ie is t a n sic h u n g la u b lic h : n ic h ts r e c h tfe r tig t d ie
M ey n u n g d a ss d ie e ig e n t ü m li c h e n T u g en d en der röm i­
sc h e n E e lig io n un d S itte eb en den P a tr ic ie r n frem d g e -
387 w e se n w ä r e n , m an d a rf sie v ielm eh r u rsp rü n g lich d o ch
w o h l b e y d en ä lte s te n B ü rg e rn N u m a s su ch en .
E s i s t n ic h t zu ü b e r se h e n d ass d ie M eh rh eit der E ö ­
m er u n zu fried en g e w e s e n se y n w ürde w en n d iese D ece m v irn
au ch e b e n so lö b lic h r e g ie r t h ä tten w ie d ie d es ersten Col­
le g iu m s, zu m a l w e n n d eren H e rrsch a ft n u r w e n ig e M on ate
g ed a u ert h a tte . Ih re E in s e z u n g w ar e in S ie g : w a s s ie g e ­
w ä h rten stim m te w o h lw o lle n d : m an freu te sic h der E in ­
tr a c h t n a ch dem la n g e n H a d er u n d G roll. A b e r b ald m u s s­
te n d ie le id e n s c h a ftlic h e n B e w e g u n g e n e n tb e h r t w erd en
w e lc h e s e it z w a n z ig J a h r e n d as D a s e y n erfü llt h a tte n , d ie
a ls L e b e n s e r r e g u n g B e d ü r fn iss g ew o rd en w a r e n ; u n d
e ig e n tlic h u n g leich m eh r a ls der Z w eck der v o r g e sc h la g e n e n
E o g a tio n e n an sie fe s s e lte n . N a c h la n g w ie r ig e n K r ie g e n
v o ll g r o sse r E r e ig n is s e u n d n ach E e v o lu tio n en , is t , w e n n
m an in e in e n d a u ern d en b e r u h ig te n Z u stan d ein trat, der
d ie a u fg e r e g te n W ü n sch e n ic h t erfü llen k a n n , ein ä h n lic h e s
M isb e h a g e n g a n z g e w ö h n lic h . D a s F orum w ar stu m m u n d
tod t, e s so llte k e in e P a r th e y e n m eh r g e b e n : m an w ar in

76*) Cicero de re p . II. 36. quorum non sim iliter fid e s nec
im titia lau data. 37. T ertius annus — X . viralis ccmsecutus —
libidinose et acerbe et avare prae/u eru n t. Daran zweifle ich nicht
im geringsten: glaube aber nur nicht dass sie schlimmer waren
als frühere Consuln, Man fühlte sich viel unglücklicher; und die
Unterdrückung ward gesprengt w eil sich der Unwille nicht in
Concionen Luft machen konnte. — 65) Ders. B ru t. 14. (54).
plebem in P a tres incitatam post X . viralem invidiam .
— 304 — [band п .]

d a s a lltä g lic h e L e b e n v e r w ie s e n , d e s s e n S tö ru n g durch jen e


L e id e n s c h a ft lic h k e it v ie lm a ls b e k la g t se y n m och te, u n d fand
e s j e z t u n erträ g lich r e iz lo s . A n s t a t t u n b estim m ter E rw ar­
t u n g e n u n d T räum e d ie g a n z g e t ä u s c h t w aren , sta n d ein e
f e s t g e s t e l l t e v o lle n d e te W ü r k lic h k e it da, oh n e H offn u n gen ,
o h n e d ie M ö g lic h k e it e in e r E n t w ic k lu n g , ohne F r e y h e it:
w e r s ic h erin n erte w ie la u t s e in e T h eiln a h m e und seine
A e u s s e r u n g e n g e w e s e n w a r e n , a ls ü b er d as w as kom m en
s o llt e g e r e d e t und b e s c h lo s s e n w ard , fü h lte sic h n u n ganz
u n d g a r a ls b lo ss e r U n terth a n . A lle G ew ä h rleistu n g en ш
w u r d e n h in g e g e b e n : m an sa h sic h h in te r g a n g e n , u n d un­
m ö g lic h s c h w ie g e n S p o tt und S ch a d en fre u d e. D a zu kam
d a s s d ie D e c e m v ir n , da jed er m it z w ö lf L icto ren auftrat,
u n d in d e m sie d ie B e ile w ied er in d ie S teck en b ü n d el ein -
f ü g t e n , k u n clth aten d a ss sie, w ie T y ra n n en , S ch u z u n d Ge-
.w a lt d u rch e in e W a c h e b e d u r fte n und s u c h te n 766).
D ie L e b lo s ig k e it in d er R e p u b lik erstr eck te sic h bis
a u f d e n S e n a t, der n u r a n den h erk ö m m lich en T a g e n der
F o r m w e g e n zu sa m m en tra t, oh n e G esch ä fte zu h a b e n : die
m e is t e n S en a to r en h a tte n sic h d ah er au s der S ta d t a u f ihre
H u f e n b e g e b e n . D a s J a h r von d en Id e n d es M ai 3 0 4 , an
w e lc h e m T a g e d ie D ece m v irn ih r A m t a n tr a te n , v erg in g
o h n e e in ä u sse r e s E r e ig n is s : m it d en N a ch b a rv ö lk ern m uss
W a f fe n s tills ta n d in K ra ft g e w e s e n s e y n ; die E in fü hrun g
d er G e s e z e , n a m e n tlic h d ie E in z e ic h n u n g a ller B ü rg er in
d ie a llg e m e in e n T rib u s, m och te d ie Z e it fü llen . M an dürfte
e s v e r z e ih lic h n e n n e n w en n die R e g ie r u n g , um d ie ver­
s t im m t e n G em ü th er zu b e s c h ä ftig e n u nd au fz u r eg en , einen
K r ie g g e s u c h t h ä tte : d och w ird e r z ä h lt d ie A eq u er und
S a b in e r h ä tte n die F e in d s e lig k e ite n b e g o n n e n . J e n e la ­
g e r t e n sic h w ied er a u f dem A lg id u s , u n d b ed roh ten T u s-
culum *. d ie se h a tten zur n ä m lich en Z eit au s der röm isch en
L a n d s c h a ft je n s e its d es A n io v ielen R au b fo rtg etrieb en ,
u n d e in L a g e r b e y E r etu m b e z o g e n . E s w ar Z eit g en u g
d a s s , n a c h d en g e s e z lic h e n F orm en , der S en a t die B ild u n g
d er L e g io n e n verord n e, und d as A erariu m durch d ie Q uä­
s t o r e n ö ffn en la sse, um d ie F a h n en , und d as G eld w elch es
a u f e in e m F e ld z u g a u ch vor H e r s te llu n g d es S old s n ic h t 3g9
g a n z e n tb e h r lic h w a r , h erau s zu n e h m e n : ab er d ass die

766j àopucpôpoL fiev од, 7ГeXs.xu<p6poi âé : ygl, Herodot I. 59.


[ band п .] — 305 —

D e c e m v ir n ‘ ih n b e r ie fe n da d och k e in e E in s a g e s ie a n der
A u sh e b u n g h in d ern k o n n te, z e ig t d a ss s ie w en ig sten ^ ih m
se in A n se h e n n ic h t zu e n tz ie h e n g e d a c h te n .
D e n V e r la u f d ie se r S iz u n g , w ie L . V a le r iu s u n d M .
H o r a tiu s , E n k e l der B e g r ü n d e r der F r e y h e it, k ü h n u n d
droh en d ab er fr u c h tlo s w id e r die T y r a n n en g e r e d e t h ä tte n ,
erzä h len b e y d e G e sc h ic h tsc h r e ib e r n a ch dem n ä m lic h e n
A n n a lis te n , v ie lle ic h t m it der b estim m ten A b s ic h t M e ssa lla
zu erfreu en : L iv iu s so m e iste r h a ft, d ass e s e in O pfer i s t
d en u n sc h e in b a r e n B e g e b e n h e ite n d iese r Z eit d en S ch m u ck
se in e s B e r ic h ts zu v e r s a g e n . Ic h k an n ab er d essen I n h a lt
n ic h t für a c h t h a lte n , da a lle s d arau f b e r u h t d ass die D e ­
cem v irn ih r A m t e ig e n m ä c h tig v e r lä n g e r t h ä tte n : ic h h a lte
e s für g e w is s d a ss er, w o h l sp ä t g e n u g , v o n ein em C lien ­
te n d es v a le r is c h e n G esch le ch ts, wo n ic h t erfu n d en , so
doch a u ch nu r w e n ig e n Z ü gen der G ed ä ch tn issred en g e ­
sp o n n en is t . So la n g e d ie a lte L ittera tu r em p fä n g lic h e G e-
m ü th er fin d et w ird er in L iv iu s g e le s e n w erd en , un d d ieser
m it n o c h g r ö sse r e r N e ig u n g w en n ein b estim m ter B e g r iff
d er a lte n V e r h ä ltn isse G e m e in g u t g ew o rd en ist.
D ie P flic h tig e n m u sste n ohne Z ögern in d ie L e g io n e n
tr e te n ; a b er s ie g in g e n u n m u th ig : und der sc h le c h te E r ­
f o lg w ird , n ic h t u n w a h r sc h e in lic h , au ch d ie se sm a l dem W i­
d erw illen der S o ld a te n zu g e sc h r ie b e n . B e y d e H e e r e w u rd en
g e s c h la g e n : d ie w e lc h e b e y E retu m g e g e n d ie S a b in e r
v erlo ren h a tten b e f e s t ig te n ein L a g e r z w is c h e n F id e n ä u n d
Crustumeria*. a u f dem A lg id u s w ar d ie N ie d e r la g e v o ll-
390 k om m en , L a g e r und G ep äck w urden der S ie g e r B e u te : d ie
F lü c h tig e n fa n d en S ic h e r h e it in d en M auern v o n T u scu lu m .
H ierh er sa n d te n d ie D e c e m v ir n V erstä r k u n g u n d W affen ,
m it dem G eb ot w ied er in s F eld zu rü ck en : m an n ah m e in
S ta n d la g e r a u f der F a jo la , se itw ä r ts vom M on te c a v o 767).
A u c h Q. F a b iu s u n d s e in e C ollegen e r h ie lte n den B e fe h l
in d a s fe in d lic h e L a n d v o r z u g eh en .
I n d iese m H e e r b e fa n d sic h ein V etera n d em d ie S a g e
ü b e r sc h w ä n g lic h e T h a te n u n d E h ren zu sc h r eib t, L . S ic i-

?67) Der Mone Vecilius (Livius III. 50.) kann nach der Oert-
lichkeit wohl kein andrer eeyn als dieser Berg, für den im Alfcer-
thum sonst kein Nam e vorkommt.
Niebuhr, Köm. Geech. 20
— 306 — [bjlnd п .]

n i u s 768) D e n ta tu s . Y arro h a tte v o n ih m erzä h lt gefu n d en ,


er h a b e in h u n d e r tz w a n z ig G e f e c h te n g e s tr itte n g eh a b t,
a c h t F e in d e im Z w e y k a m p f e r le g t, fü n f u n d v ie r z ig N a rb en
g e z ä h lt , k e in e a u f d em R ü c k e n : an E h r e n z e ic h e n u n d B e ­
lo h n u n g e n , P fe r d e g e s c h ir r , S p ie ss e n , H a ls - u n d A rm k etten ,
d e n v e r s c h ie d e n e n K ro n en w e lc h e d ie T a p fe r k e it a u sze ich ­
n e t e n , e in e f a s t u n e r m e sslic h e M en g e, e in z e ln a n g e g e b e n ;
w e lc h e H e r z ä h lu n g f r e y lic h d ad u rch e in se h r ap ok ryp h i-
s c h e s A n s e h e n g e w in n t, d a ss s ie ih m a u ch zu sch reib t, er
h a b e d e n T riu m p h v o n n eu n F e ld h e r r e n b e g le it e t , deren
S i e g e d u rch ih n v o r n ä m lic h e n ts c h ie d e n w ord en : d en n u n ­
s e r e G e s c h ic h te , d ie w o h l k e in e n E h r e n ta g v ersch w ieg en ,
m a n c h e n e r d ic h te te n a u fg e n o m m en h a t, k e n n t k au m so v iele зэі
a n d e n e n der n ä m lic h e h ä tte T h e il h a b en k ön n en , w ährend
d e s v o r h e r g e h e n d e n h a lb e n J a h r h u n d e r ts69)* W ie n u n dem
a u c h s e y , er i s t a ls e in H e ld im A n d e n k e n g e b lie b e n dem
d ie N a c h k o m m e n k e in e n g le ic h s t e llt e n : m an h a t ih n den
r ö m isc h e n A c h ille s g en a n n t; w ir k ö n n en ih n fiig lic h e r den
r ö m is c h e n R o la n d n e n n e n ; a u ch d e sw e g e n w e il er w ie dieser
H e ld d er w ä ls c h e n D ic h t u n g d u rch Y err a th fiel. D e n H eroen
d er g r ie c h is c h e n P o e s ie d a rf k e in K r ieg er e in e s a n n a listi-
s c h e n Z e ita lte r s, k e in rö m isch er H a u p tm a n n dem P elid en
v e r g lic h e n w erd en .
D ie cr u stu m in isc h e G eg en d erin n erte an die S ecessio n
w o d u r c h d ie G em ein d e vor 46 J a h r e n dort a u f dem h e ili-

768) B eyde H istoriker und Harduins Codd. (Plinius VII. 27.)


nennen ihn Siccius : Yarro aber hat ihn Sicinius genannt nach
der Anführung b ey F ulgen tiu s s. v. nefrendes; und Valerius Ma­
x im u s (II. 3. 2 4 .); eben so F estu s s. v. obsidionalis, und die
H andschriften des G ellius (II. 11.) [und Solinus p. 10. a. c. ed
Salm. Z u s . d. H . E x .] . Dionysius nennt auch den Consul des
J. 267. S icciu s. 6y) Denn wo zwey Consuln im nämlichen
Jahr der Triumph zugeschrieben wird, könnte er doch nur unter
dem einen gedient haben. D och fürchte ich dass der Urheber
dieser A ngabe dies nicht erwogen, sondern alle Triumphe, -welche
er se it dem Jahr 261 angegeben fa n d , zusammengezählt hat.
Der Veteran wird im ersten Jahr der Dienstbefreyung gedacht,
nach 45 Feldzügen, von dem Jahr an, wo er die Prätexta abge­
le g t: aus jedem F eldzug zeigte er eine Narbe. Der erste fiele
zusam m en mit dem Jahr der Richtung vom h eiligen Berge. —
12 0 ist eine der häufigsten typischen Zahlen.
[вдю> п .] — 307 —

g e n B e r g d en F r e y h e its b r ie f e r la n g t h a tt e : n n d S ic in iu s ,
der a ls V o lk strib u n d en C on su l T . E o m iliu s v o n d en T r i­
b u s h a tte in e in e B r ü c h te v e r u rth eilen la s s e n , s c h ä lt d er
S o ld a ten F e ig h e it w e n n s ie s ic h w e ig e r te n d as n ä m lic h e
zu w a g e n w ozu ih re Y ä te r se in e m G e sc h le c h ts g e n o ss e n g e ­
fo lg t w a ren . D ie B e fe h lsh a b e r b e s c h lo s s e n se in e n T o d ;
w ie s ie ih n au sfü h rte n , darüber m u ss e s z w e y E r z ä h lu n ­
g e n g e g e b e n h a b en . I c h b in ü b e r z e u g t d a ss d ie ä lt e s t e
392 uu d s ta ttlic h e r e m e ld e te , e s s e y d en G e sc h la g e n e n e in e
L e g io n d er B ejah rten zu r V erstä r k u n g g e s a n d t, in d er sic h
a lso v ie r z ig C enturien*) der erste n K la s s e , a ch th u n d ert
M ann, b e fa n d e n 770) : d ie se a lle w ä r e n , der A n fü h ru n g d es
G eh a sste n u n te r g e b e n , d em F ein d e verrath en w ord en , u n d
‘ u m g e k o m m en . E in e r dem d ies a llzu u n g eh eu er vork am ,
v o n der G e iste sa r t d e s L . P is o , sc h r ieb d as um , zu der E r ­
z ä h lu n g w elch e je z t in der G esch ic h te g e le s e n w ird , u n d
a lso la u te t: Q. F a b iu s h a b e ih n u n te r e in e r B e g le it u n g v o n
M eu ch elm örd ern a u sg e s c h ic k t, d ie G egen d zu sc h a u en , u n d
d en O rt ein e s L a g e r s zu w ä h len . A n ein e r ein sa m en S tä tte
fielen s ie ih n a n , d er n ic h ts a h n d ete; er starb , a b er g e ­
rä ch t u n te r ein em H a u fe n g etö d teter V erräth er. S o fa n d en
ih n d ie K r ie g s g e fä h r te n w elch e, a u f d as G erü ch t er s e y in
ein em H in te r h a lt d er F e in d e um gekom m en , e ilte n d ie L e ic h e
z u su ch en : u n d fa n d e n um ih n nur E öm er, v o n se in e r
H a n d , n ic h t m it ih m , g e tö d te t: der V errath w ar e n th ü llt;
a b er d ie S o ld a ten H essen s ic h b e g ü tig e n in d em d ie D e c e m ­
v ir n e in h er r lic h e s L e ic h e n b e g ä n g n is s an ord n eten . S p â tér e
w o llte n a u ch v o n d ie se n b ey d e n E r z ä h lu n g e n k e in e au f­
g e b e n , H essen d en V err a th g e g e n d ie Cohorte m islin g e n ,
u n d se z te n ih n in d as C on su lat d es R o m iliu s: d am it w ar
e in e U r sa c h e g efu n d en w esh a lb S ic in iu s ih n a n g e k la g t h a b e :
u n d n ic h t nu r um d ie se Z u säze w ar m an reich er, so n d ern
h a tte a u ch R o m iliu s B e k e h r u n g g ew o n n en , u n d d ie V e r ­
sö h n u n g m it d en T r ib u n e n , w e lc h e n o th w e n d ig w ar um
es d en k b a r zu m a ch en d a ss er vom V o lk u n ter d ie G esez-
393 g e b e r g e w ä h lt w o rd en : d en n d a ss er a ls E rn an n ter der
C urien u n ter s ie h ä tte tr e te n k ö n n e n , fiel ein em so lc h e n
A n n a liste n sc h o n n ic h t m eh r ein .

*) Ex conj. statt: C o h o r t e n wie die 2. und 3- Ausgabe


haben, A. d. H. 770) Th. 1. Anm . 1093.
20*
— 308 — [bahd п .]

In z w is c h e n h a tte A p p iu s C lau d iu s s e in e lü ste r n e n


B l i c k e a u f e in e re iz e n d e u n d s itts a m e J u n g fr a u g ew orfen ,
d ie T o c h te r e in e s w a c k e r n H a u p tm a n n s L . V ir g in iu s , der
z u d en A d lic h e n s e in e s S ta n d es g e h ö r t e 771): der T rib u n
A u lu s , w e lc h e r so m a n c h e s J a h r u m d ie E in fü h r u n g g le ic h e r
G e s e z e g e s tr it t e n h a tte , w a r von s e in e m G e s c h le c h t; und
d a s M ä d c h e n d em L . I c iliu s v e r lo b t, d e ss e n Y o lk strib u n a t
d e n k w ü r d ig w ar. O h n e E r fo lg h a tte d er D ece m v ir A n ­
tr ä g e u n d L o c k u n g e n v e r s u c h t: a b er G ew a lt u n d Grau­
s a m k e it w a r e n ein R e iz m eh r für s e in e W o llu s t; un d die
A b w e s e n h e it d es V a te r s , der im H e e r a u f dem A lg id u s *
d ie n te , g a b G e le g e n h e it d a s V o rh a b en a u szu fü h ren . E in
C lie n t s e in e s H a u se s w ard a n g e s te llt, v o rzu g eb en , V irg in ia
s e y d a s K in d ein er ih m e ig e n e n “S k la v in , und von der
k in d e r lo s e n E h efra u d e s v e r m e y n te n V a te r s u n te r g e sc h o b e n .
D i e S c h r e ib e k u n s t m u ss d am als w e n ig s t e n s n ic h t im m er
im K in d e s a lt e r e r le r n t, d ie se ltn e r e K u n st k on n te dem
r e if e r e n A lte r V orb eh alten se y n . A u f dem W e g e zur S chule,
d ie s ic h , w ie n o c h im M o rg en la n d e, u n ter d en ändern B u d en
b e f a n d w e lc h e da,s F oru m , w ie e in e n B a z a r, ein sc h lo ssen ,
e r g r if f d er fa lsc h e A n k lä g e r d ie s c h u z lo s e J u n g fra u . D as
H ü lf e g e s c h r e y ih rer B e g le it e r in r ie f d as V o lk h erb ey , die
T h e iln a h m e , w e lc h e ih re S c h ö n h e it w e c k te , w ard n och un­
g e s tü m e r a ls die N a m e n d es V a te r s u n d des- V erlob ten 394
u m h e r g e n a n n t w u rd en : G ew a lt w ü rd e a b g e w e h r t se y n ;
a b e r d e r R ä u b er erk lärte, d ie b ed ü rfe er n ic h t; er fordre
s e in R e c h t vom P rä to r, der a u f d em Com itium zu G ericht
s a s s . D ie s e r w a r A p p iu s C lau d ius. V or ih m w ied erh olte
er d a s e r le r n te M ä h r c h e n , u n d d as B e g e h r e n d ass ihm
s e in e le ib e ig e n e M a g d zu g e sp r o c h e n w erd e.
Das Kind einer Sklavin konnte deren Herr, wenn es
fälschlich für frey ausgegeben ward, mit unverjährtem
Recht ansprechen: wodurch nicht selten ein vermeinter
Bürger die Freyheit verlor. Bis nun ein Urtheil entschied
blieb der Angesprochene im Besiz seiner persönlichen
Rechte; doch musste er Sicherheit stellen vor dem Gericht
zu erscheinen. Diese Sazung war in den XII Tafeln wie-

7?1) Diodor XII. 24. èpaaüelq eù/evoüç 7cap&évou пеѵі%рад.


— D ie Virginier gehörten ohne Zweifel dem patricischen Ge­
sch lech t dieses Namens an.
[ band II.] — 309 —

derholt: sicher nicht durch sie eingeführt; sie musste


allenthalben gelten, wo Sklaverey bestand: sie gehört zum
allgemeinen Recht aller Völker (dem ius gentium). Am
heiligsten musste dies Recht gehalten werden wenn die
Freiheit eines Weibs streitig gemacht ward: denn die
welche das Schicksal einer Magd theilte war schändlicher
Mishandlung Preis gegeben. Und eben deswegen sprach
Appius gegen die Sazung seines eigenen Gesezes, als die
welche die Jungfrau vertraten flehten, es möge das Urtheil
verschoben werden bis der Vater, aus dem Lager gerufen,
sein Theuerstes selbst vertheidigen könne. Das sey billig,
erklärte der Decemvir: bis dahin solle der Kläger das
Mädchen in seinem Hause verwahrt halten, und Bürgschaft
gewähren sie vor Gericht zu stellen, falls der angebliche
Vater auf die Ladung erscheine. Wäre das Mädchen
selbständig, oder der Vater anwesend, so würde M. Clau-
395 dius sich beruhigen müssen wenn ihm Sicherheit geleistet
würde: aber an des Vaters Stelle könne kein Andrer die
Unterthänige rechtskräftig verbürgen, und wenn der Kläger
einfältigerweise eine ungültige Sicherheit annähme, so habe
der Prätor, der das geschehen Hesse, seine Pflicht verlezt.
Bey diesem grässlichen Spruch erhob sich lauter
Jammer. Icilius war nun, mit P. IsTumitorius, dem Oheim
der Jungfrau, durch das Gerücht herbeygerufen : er drängte
sich durch die Lictoren an das Tribunal des frevelnden
Richters; ein immer dichterer Kreis umschloss das Mäd­
chen: es war jezt nicht möglich sie fortzuschleppen. Appius
aber erwog dass der Haufe, den Mitgefühl vereinigt hatte,
wenn er sich ohne Gewalt auflöse, über Nacht erkalten,
dass Bedenklichkeiten erwachen, und die Menge zitternd
ausführen sehen werde, worüber sie im ersten Gefühl bis
auf den Tod gekämpft haben würde. Er konnte am fol­
genden Tage eine bedeutende. Macht auf bieten, mit seinen
Anhängern und den Schaaren ihrer Clienten auch offen­
bare Gewalt wagen, da die meisten der Waffenfähigen aus
der Gemeinde im Felde standen. Daher änderte er seinen
Ausspruch als wollte er die wilde Gährung einer verführ­
ten Menge mit Güte beruhigen: Virginia möge denn vor­
läufig von denen verbürgt werden die sich als die Ihrigen
eindrängten; die Entscheidung, wer die gesezliche Bürg­
schaft zu leisten habe bis ein Richter sprechen könnte,
— 310 — [ band п .]

zum morgenden Tag ausstehen772). Ob dann der Vater


erscheine oder nicht, er werde die Geseze und seine Würde 395
zu behaupten verstehen, das Urtheil wie es Rechtens sey
ohne Scheu zu geben wissen.
Die Freunde sahen dass, wenn nur die höchste An­
strengung hinreichte L. Virginius vor der Stunde des Ge­
richts zur Stadt zu bringen, die kleinste Frist dem Tyran­
nen die Möglichkeit gewährte ihn im Lager verhaften zu
lassen. Icilius hielt die Sizung hin bey der Bestimmung
der Bürgschaft: alle Anwesende hatten die Hand aufge­
hoben, und sich angeboten. Appius blieb eine Weile, um
doch den Schein zu bewahren dass er gekommen sey zum
Recht zu sizen. Inzwischen entfernten sich zwey Befreun­
dete heimlich, und eilten mit äusserster Kraft der Pferde
ins Lager; Virginius erhielt unter gleichgültigem Vorwand
einen Urlaub zur Stadt, und hatte einen grossen Theil des
W egs zurückgelegt als Appius Bote eintraf mit der Auf­
forderung ihn festzuhalten.
Wie der Tag anbrach füllte sich das Forum mit Män­
nern und Frauen die der Entscheidung angstvoll entgegen
sahen. Virginius und seine Tochter kamen in zerrissenen
Kleidern. Er flehte die Einzelnen fussfällig um Hülfe:
warnte dass sein Unglück jedem drohe: heftiger redete
Icilius: die begleitenden Frauen schluchzten. Alle jammer­
ten mit ihnen: alle verstummten als Ap. Claudius mit
grosser Begleitung, wie gegen eine Verschwörung, das
Tribunal einnahm. Der falsche Kläger wiederholte sein
Begehren, angewiesen dem Prätor die Schwäche vorzu­
werfen womit er sein Recht einer anmaassenden Einmisch­
ung aufgeopfert habe. Wie Appius, da der Vater anwesend
war, den Spruch beschönigt habe, dass Virginia dem der 397
ihre Freyheit ansprach, bis ein Richter entschieden hätte
übergeben werden solle; fand Livius nirgends auf eine glaub­
liche Weise berichtet: er beschränkt sich daher diesen
Ausspruch zu melden73). Sogleich trat M. Claudius hinan

772 ) D ie Unterscheidung zwischen der vorläufigen und der


definitiven Verbürgung ist bey L ivius ganz klar: erst am zw ey­
ten T age giebt Appius die vindicias secundum eervitutem: am
ersten decretirt er nicht. 73) Livius sieht über dies ganze
V erhältniss sehr klar, und staunt bey der Unm öglichkeit irgend
[ bjlkd п .] — 311 —

um sich des Mädchens zn bemächtigen: er vermochte nicht


bis zn ihr durch die Freunde zu dringen: die Männer
drohten und verwünschten. Appius gebot Stillschweigen,
und verkündigte: die Empörung welche sich kund mache,
komme ihm nicht unerwartet : er habe schon gestern wohl
erkannt wie die Meuterer Vorwand suchten: er wisse dass
die ganze Nacht aufrührerische Yersammlungen gehalten
wären. Er und seine Collegen von der Herrschaft wären
unerschütterlich entschlossen ihr heiliges Recht zu be­
wahren. Seine Mitstände wären bewaffnet, und von be­
waffneten Getreuen begleitet. Jeder möge sich vorsehen.
Dem gehorsamen Bürger solle kein Leid geschehen: wehe
398 den Rebellen ! Lictoren, treibt das Gesindel aus einander;
macht dem Manne Plaz dass er die Dirne holen kann! —
Yon blindem Schrecken überwältigt wich das Yolk von
den Unglücklichen zurück; da bat Yirginius flehentlich
um die einzige Gnade von der Tochter Abschied nehmen
zu dürfen, und vor ihr die Pflegamme über die Wahrheit
zu befragen. Er trat mit den Frauen unter die Lauben,
ergriff ein Messer von einer Fleischerbank, und stiess es
der Jungfrau in die Brust. Die Schergen wagten es nicht
ihm in den Weg zu treten, als er, das blutige Eisen hoch
empor haltend, dem Thor zueilte : bald schüzte ihn zu­
sammenlaufend eine grosse Schaar. Noch viel mehrere
sammelten sich auf dem Forum, um Icilius und Numito-
rius1, L. Yalerius und M. Horatius, die an der keuschen
Leiche zur Freyheit aufriefen. Die Lictoren wurden über­
mannt, ihre Steckenbündel zerbrochen. Yom Yulcanal
herab redete Appius zu den Patriciern auf dem Comi-

einen Scheingrund für den gottlosen Spruch zu erdenken, indem


der Yater nun anwesend war. V ielleicht ist es dies was Diony­
sius verführt hat anzunehmen V irginia sey als Eigenthum dem
K läger zuerkannt : w elches durch die ausdrückliche Angabe dass
die tribunicische K lage darauf gin g dass vindiciae secundum ьег-
vitutem gegeben wären (Livius III. 56- und Cicero, nach Asconius
ad Cornel. — Ule ex Decemviris qui contra lihertatem vindidas
dederit), widerlegt wird. E s war Appius gleichgültig dass Vir­
ginia als Magd in der Gewalt des M. Claudius bleibe; wenn er
seine L ust gebüsst geh ab t, würde er die Geschändete lebend
oder als Leiche haben au f die Gasse werfen lassen. Man denke
an den D ü c de Fronsac, und seines Gleichen unter Ludw ig XY.
— 312 — [ bjlKd п .]

tinm 7T4): ermahnte sie mit ihm zu halten, die Häupter


der Empörung zu greifen oder niederzuschlagen. Aber
der Schrecken hatte sich gewandt: er fand sich verlassen ;
man drängte sich zu L. Valerius welcher die tribunicischen
Concionen auf dem Templum erneute : Appius flüchtete ver­
hüllt in ein Haus.
In diesem Tumult berief sein College Sp. Oppius den ^
Senat. Die Kunde davon beruhigte: ein Senatusconsult
konnte den Decemvirn das Imperium entziehen. Aber sehr
viele Patricier hielten sich dann nicht mehr für sicher:
auch mancher der sich schuldlos w usste, mochte eine
rächende Gegenwürkung fürchten. Schon forderten die
Wortführer der plebejischen Freyheit vor den Thüren der
Curia die Herstellung des Tribunats : liess sich erwarten
dass sie dafür den erlangten Antheil am Decemvirat auf­
geben würden? Wie bitter würde man bald eine erste,
von der Scham Verbrecher zu schirmen eingegebene, Nach­
giebigkeit zu bereuen haben! — So ging der Senat aus
einander ohne einen Beschluss, nur mit dem unbestimmten
Gedanken hinzuhalten und Zeit zu gewinnen. Eifrige von
der Oligarchie wurden in die Läger gesandt, um sie durch
alle Mittel im Gehorsam zu erhalten : ein eitles Beginnen.
Von der Legion der Veteranen, welche vor der Stadt bereit
lag sich hinzubegeben wo der Feind dränge, hatte die
Hälfte der Centurien der ersten Klasse Virginius auf den
Algidus begleitet75): sobald die Soldaten hörten was sich
zugetragen hatte, nahmen sie die Fahnen, und brachen

W*) d.vaßag èm той 'Hçatarou тЬ lepôv: D ionysius X I. 39.


p. 7 1 9 . b .: woraus sich von selbst ergieb t dass Valerius, етероѵ
тбпиѵ туд àyopàç xaTaXaßößeuog, die nachm als sogenannten
R ostra eingenom m en hatte. W ie diese zur Concio auf dem Forum,
w ar das Vulcanal (Th. 1. Anm. 1344. Oben Antn. 524*) g eeig­
net , zu den Patriciern die auf dem Comitium standen zu reden.
N ach L iviu s hätten Appius und die Patrioten zur nämlichen Ver­
sam m lung gesprochen. 75) B eyde Geschichtschreiber er­
w ähnen dass er von 400 Bewaffneten b egleitet worden : D ion y­
siu s X I. 37 p. 718. b. Livius III. 50. — w elcher lezte auch
diesm al die Bestimm theit wegzunehmen sucht: agmine prope qua-
dringentorum hominum. D ie Legion enthielt vierzig Centurien
der ersten K lasse; damals jed e zu zwanzig Mann. Vgl. [Th. 2.]
A nm . 569.
[ bàhd п .] — 313 —

auf nach Rom. Der Aventinus stand ihnen offen; den


besezten sie; viele versammelten sich zu ihnen. Auch das
andre Heer, aufgerufen durch Icilius und Numitorius776),
400 sagte den Tyrannen ab. Die gesammte bewaffnete Plebes
erkannte zwanzig Tribunen als ihre Obrigkeit: also dass
jede Tribus von einem repräsentirt ward; wie sonst die
servianischen77). Aus jeder Decurie ward einer zum Tor­
mann erkoren, wie 261 zuerst zwey Volkstribunen waren78).
Aber der Senat liess nicht von den Tyrannen. Drey
Abgeordnete kamen auf den Aventinus das Vornehmen
des Heers als Rebellion zu schelten; Verzeihung anzu­
bieten wenn es ungesäumt zur Pflicht zurückkehrte. Sie
wurden ohne Antwort entlassen, mit dem Bedeuten: wolle
der Senat mit ihnen verhandeln, so möge er Valerius und
Horatius senden, andre würden nicht zugelassen werden.
Auch wandten sich Vermittelnde unter den Machthabern
an diese, man begegnete ihnen nicht mehr als Verräthern;
aber zugestehen sollten sie nichts: durch Ueberredung, als
401 wohlgelittene Leute, die Gemeinde bewegen sich zu unter­
werfen. Sie aber forderten dass die Decemvirn abdanken
sollten. Das ward abgeschlagen. Noch immer trozten
die Patricier auf die Schaaren ihrer Clienten; rechneten
wohl auch diesmal auf die zugewandten Städte; und ein
Bürgerrecht wie sie es den Plebejern gönnten war nicht1

776) A uch sie dachte man sich gew iss nicht allein und ohne
Schuz h in gezogen , sondern von den übrigen zwanzig Centurien
der ersten K lasse aus der V eteranlegion geleitet; und da diese
also aufgelösst war, die vierzig der beyden folgenden K lassen
und die Leichtgerüsteten in die Stadt gerückt um die W ehrlosen
zu vertheidigen. Auch die Esquilien mussten eine ßcsazung
haben bis die offneren Gegenden ganz geräumt wurden. Ich sage
nicht dass dies historisch sey , sondern w ie die Erzählung lautete,
und was sie m eynte. 77) Th. I. S. 464. — Von
diesen zwanzig Tribunen hatte Pomponius bey Gaius gelesen
ohne ihn zu verstehen: 1. 2. §. 25. de 0. J. Interdum viginti
fuerunt, interdum plures, п о п п и щ и а т pauciores. Mehr als
zwanzig, weil die Tribus auf 35 gebracht wurden: weniger, w eil
er diese Phylarchen mit den cousularischen M ilitartribunen ver­
wechselt. 78) Livius III. 51. Dionysius XI. 44. p. 724. d.
Zonaras p. 28. a.
— 314 — [band п.]
zu köstlich um es nicht den Sklaven im Nothfall anzu-
hieten, und für diese lockend genug.
M. Duilius, Alttribun, so entschieden wie gemässigt,
belehrte die Gemeinde, so werde der Zwist nie endigen.
Noch immer wähne der Senat sie seyen nicht zum äusser-
sten entschlossen: erst wenn sie die Stadt verlassen hätten,
wenn man sie bereit sähe, wofern es seyn müsse, eine
neue Heimat sich zu gründen oder anzunehmen, der Mut­
terstadt auf ewig zu entsagen ; wenn kein in deren Mauern
zurückgelassenes Unterpfand sie länger binde; erst dann
werde man sie hören. Noch einmal müsse man ausziehen,
sich auf dem heiligen Berge lagern. So geschah es. Wie
die Gemeinde den Aventinus, so hielten die Geschlechter
das Kapitol und die Festen in ihren Stadttheilen besezt:
doch herrschte ein stillschweigender Waffenstillstand; nie­
mand versuchte die Cohorten aufzuhalten welche, ohne zu
verlezen, herabgestiegen vom Aventinus, mitten durch die
Stadt, durch das Velabrum, über das Forum, durch die
Subura, den Steig bey Santa Agata779) hinauf, aus dem
collinischen Thor in Kriegsordnung fortzogen. An sie
schlossen sich, von den Esquilien, und aus den Vierteln
wo ihr Stand zerstreut wohnte, Mann und Weib, Alt und m
Jung, wer sich regen konnte, oder von Hülfreichen fort­
geholfen ward, geleitet von den Veterancohorten der ge­
ringeren Klassen80). Alles lagerte sich auf dem heiligen
Berg bey der Legion welche Icilius zum Abfall bewogen
hatte81): dorthin versezten sie ihre Regierung. Auch

779) Die Alta Semita. 80) S. [Th. 2.] Anm. 776. Dass
der Aventinus besext und geschlossen blieb, versteht sich von
selbst. Die dort wohnten zogen nicht aus, und konnten viele
aufnehmen. 81) Nach Livius war dieses Heer vorher mit
vorgetragenen Kriegszeichen, unter Wehr und Waffen, zum col­
linischen Thor eingerückt, durch die Stadt gezogen, hatte sich
auf dem Aventinus mit denen vom Algidus verbunden, und
kehrte jezt, vereinigt mit ihnen, auf der Strasse zurück die sie
gekommen waren. Diese Erzählung habe ich weggeworfen: sie
ist nichts als Einschaltung der zweyten Version, — [Tb. 2.]
Anm. 785 — nach der so oft erwähnten Weise. Nicht bey
ändern Gründen zu verweilen: wie hätte man das Lager in der
crustuminischen Landschaft aufgehoben, da es die Zufuhr die
Tiber herab abschnitt, wie der Aventinus die vom Meer?
[bakd п.] — 315 —
diesmal wird ihnen rühmend das Unglaubliche nach gesagt,
' das Eigenthum ihrer Feinde sey von diesen Tausenden
nirgends versehrt worden782).
Nun wich der Widersacher Troz : Valerius und Hora-
tius kamen ins Lager um die Forderungen des Volks zu
vernehmen. Sie wurden herzlich empfangen : für die Plebes
redete Icilius. Er begehrte Herstellung des Tribunats,
und der Provocation; dann, dass es keinem zum Verbre­
chen gerechnet werde Volk oder Heer zum Aufstand be­
wogen zu haben: endlich, Auslieferung der Decemvirn,
um sie durch den Scheiterhaufen hinzurichten. Die Ge­
sandten erwiederten: die ersten Forderungen wären so ge­
recht dass es vielmehr Pflicht gewesen wäre sie anzubieten.
403 Unbillig sey auch das Verlangen nicht die Decemvirn mit
äusserster Strenge zu bestrafen : aber die Republik bedürfe
der Aussöhnung, eine grässliche Bache vererbe den Hass
auf Kindeskinder. Es werde die Unterdrücker genug de-
müthigen wenn sie unter gleichen Gesezen leben müssten,
und Stillschweigen vergebe das Recht nicht Anklagen gegen
die Einzelnen zu erheben. Die Gemeinde vertraute sich
den Wünschen und dem Gewissen der Redlichen.
Als Valerius und Horatius im Senat Bericht erstatte­
ten, und meldeten dass die Achtserklärung nicht gefordert
werde, verstummte jeder Widerspruch: und doch hätte
auch dieses Gesez angenommen werden müssen; denn die
Patricier fühlten sich ohnmächtig, und ganz unfähig län­
ger auszuhalten. Ueber die künftige Verfassung war nichts
entschieden: ein schlimmes Versäumniss für die Gemeinde,
aber sehr erklärlich, da der Friede durch diese Verhand­
lungen verschoben seyn würde: jezt erwarteten beyde Par­
theyen in der Folge den höchsten Vortheil davon zu ge­
winnen. Der Senat verordnete dass die Decemvirn ihr
Amt niederlegen, und Consuln erwählt werden sollten: der
Oberpontifex solle der Wahl von Volkstribunen vorstehen.
Darauf rückten die Ausgewanderten in Rom ein: das Ka­
pitol ward ihnen übergeben83): von da zogen sie in

7 8 2 ) f)ag gtand recht wohl in der Sage: aber wie kann man
es ernsthaft erzählen? So tadellos, ohne einige unedle Bey-
mischung, sind selbst die Vendeer in ihren schönsten Tagen nicht
gewesen. 83) Diesen sehr bedeutenden Umstand hat Cicero
— 316 — [band ii.]
Heeresordnung, bewaffnet, auf den Aventinus um die Tri­
bunen zu wählen.
So erzählt Livius den Verlauf dieser Revolution, und
Dionysius784) und Dio hattet) den nämlichen Bericht ange­
nommen: allein Bruchstücke Ciceros enthalten eine Ueber­
lieferung welche, von Virginias Tod an, durchaus von je­
ner abweicht. Nach derselben begaben sich die Empörten
mit Virginius vom Algidus sogleich auf den heiligen Berg:
dort ward der Friede mit ihnen durch die drey Abgeord­
neten, deren Gesandtschaft in der ändern Erzählung als
fruchtlos dargestellt wird, geschlossen; und erst darauf
rückte das Heer in Kriegsordnung ein, und besezte den
Aventinus85). Von der Botschaft des L. Valerius und M.
Horatius, die er Männer nennt welche des Friedens wegen
mit Klugheit nach Volksgunst getrachtet hätten86), weiss
Cicero so wenig dass er die Reden womit der erste die
gegen den ganzen patricischen Stand erbitterten Plebejer
besänftigt habe, ausdrücklich nach dem Sturz des Decem-
virats sezt87). Wenn nun zum Theil kein einziges Moment
entscheiden kann die eine dieser Erzählungen vorzuziehen,
so glaube ich doch sicher zu sehen dass die Namen der
drey Gesandten urkundlich vorgekommen seyn müssen,
wozu nur Veranlassung war wenn sie den Frieden schlos­
sen, nicht wenn ihr Auftrag vergeblich .gewesen : es ist 405
begreiflich dass, wenn die Plebes, als Corporation, wieder
auflebte, auch die drey Stämme durch eben so viele Ab­
geordnete bey dem Friedensschluss vertreten waren: und
es wäre grade nur die gewöhnliche Häufung zweyer Er­
zählungen dass die, welche auf die Gedächtnissschriften
der Valerier gegründet ward, jene Gesandtschaft als mis-

aufbewahrt, pro Cornel. I. 24. ed. Or. — inde armati in C api -


toliurn venerunt: und er gehört nicht etwa der abweichenden
Version näher an.
784) Die Entwicklung stand auf verlornen Blättern: es lässt
sichaber nach dem Vorhergehenden und XI. 45. p. 725. d. voll­
kommene Uebereinstimmung mit Livius nicht bezweifeln.
85) Cicero de re p . II. 37. und ders. Fragm. der Cornel, а. а. О.
86) de re p . II. 31. 87) B ru t. 14. (54.) qui post de -
cem viralem invidiam plebem in Patres incitatam legibus et con-
сіоп іЬ ш suis mitigaverit.
[bakd ii.f — 317 —
lungen einschaltete. Für diese valerische Erzählung könnte
einigermaassen Diodor angeführt werden788) a), wenigstens in­
sofern dass auch hey ihm das Heer mit Virginius sogleich
den Aventinus besezt. Dann verläuft alles äusserst be­
schleunigt: die Decemvirn rüsten sich zum Widerstand,
aber die Wohlgesinnten vermitteln einen Vergleich, dessen
Bedingungen er vorzutragen meynt; aber zum Theil so
auffallend widersinnig dass aller Grund ist zu glauben,
da wo ein erträgliches Misverständniss obzuwalten scheint,
liege eigentlich ein ungleich erheblicheres verborgen. Es
ist sehr Schade um das Verderbniss welches seine Leicht­
fertigkeit in die auf jeden Fall höchst achtungswerthen
Berichte, die ihm Vorlagen, gebracht hat.

Das erste Jahr der hergestellten Freyheit.


Es lautet sehr befremdlich dass, unter Umständen wo
die Ueberwundenen keine Anmaassung wagen konnten, der
Oberpontifex, ein Patricier, erwählt durch die Curien, und
Vorsizer ihres Conciliums89), der Wahl der Tribunen bey
der Herstellung ihres Amts vorzustehen berufen ward ; zu­
mal da dies bey der ersten Einrichtung desselben nicht
m geschehen war. Indessen waren die Umstände auch nicht
die nämlichen : damals bestanden die Stämme der Gemeinde
abgeschieden, und die beyden ersten Volkstribunen, welche
sich drey Collegen zuwählen liessen, waren keine ändern
als die Decurionen unter den alten gesezmässig ernannten
servianischen Tribunen: aber die unter denen M. Oppius
und Sex. Manilius dieselbe Stelle einnahmen waren im Auf­
stand erwählt: denn mit der Aufhebung des plebejischen
Standes hatten diese mindern Tribunen aufgehört, und wo­
fern auch die Nationaltribus ihre Phylarchen hatten, so
müssen unter ihnen zum wenigsten viele Patricier gewesen
seyn. Ferner waren zu jener Zeit die Erwählten von den
Curien bestätigt worden, und diese, längst beseitigte, Theil­
nahme ward so, einmal für alle, durch die Anwesenheit

788) Diodor XII. 24. 25. a) Nitzsch Röm. Annal 226.


*9) [Th. 2.] Anm. 502.
— 318 — [band Ц.]
und Zustimmung des Haupts desjenigen Collegiums ersezt,
dessen Anwesenheit gewiss schon damals hinreichte um
eine Scheinhandlung des Standes gültig zu machen: eine
solche musste das von den Curien unter pontificischen Au-
spicien angenommene Gesez aufheben wodurch das Tri­
bunat abgeschafft war, denn die Herstellung der Freyheit
duldete keinen Verzug. Endlich fehlte den Plebejern ein
Institut wie das der Interregen, vermöge dessen die Ueber­
lieferung der patricischen Obrigkeiten nie ausging.
Die neuen Tribunen beriefen die Plebes auf eine Wiese
unter dem Kapitol gegen das Marsfeld gelegen', wo lange
nachher der flaminische Circus gebaut ward790), und ohne 407
Zweifel von Alters her die plebejischen Spiele begangen
wurden, deren Ort ausserhalb des grossen Circus gesucht
werden muss, wie Forum und Comitium geschieden waren.
Der erste Beschluss, welcher die Unsträflichkeit jeder
Theilnahme am Aufstand erklärte, vollendete den Senats­
beschluss der das nämliche verbürgt hatte zum Gesez : da­
mit sicherte die Gemeinde ihr Recht. Dieses Plebiscit
liess L. Icilius verordnen, Virginias Verlobter, den sein
Stand mit ihrem Vater und Oheim ernannt hatte, ihren
Manen zum Trost die noch um Rache schrieen: aber die
Seele des gesammten Collegiums war M. Duilius. Auf
seinen Vortrag beschloss die Gemeinde, die Interregen soll­
ten zur Ausübung der höchsten Gewalt zwey patricische
Consuln von denen die Provocation frey stehe, frey durch
die Centurien erwählen lassen91). Auch hierin ist nur

7 9 0 ) Ein Leser des Livius dem die Topographie fremd ist


wird sich diesen Ort auf dem Aventinus denken: aber die Worte
ea omnia etc. (III. 54.) sind nur auf das zu beziehen was durch
die neugewählten Tribunen verhandelt worden. An solchen Bey-
spielen ist zu sehen wie weit die klassischen Schriftsteller ent­
fernt waren die Regel anzuerkennen, man müsse so schreiben
dass auch der Unkundige und Gedankenlose nicht misverstehen
könne; sonst habe ein solcher volles Recht das zu höhnen wobey
der einsichtige Leser nicht den geringsten Anstoss finden wird.
91) Dionysius XI. 45. p. 725- с erwähnt ausdrücklich die
Ernennung durch die Centurien: nämlich nach einem Annalisten
der bemerklich machen wollte dass diese Ordnung nun nach 36
Jahren völlig hergestellt war. Ihm selber muss es wunderlich
vorgekommen seyn dass grade die Centurien, aus deren Wesen
[band II.] — 319 —
Bestätigung eines vorhergehenden Beschlusses der Patres
durch die Tribus als Zweig der Gesezgebung zu sehen,
nicht Anmaassung, die eben so lächerlich als sträflich ge­
rn wesen seyn würde, einseitig über die Verfassung zu ent­
scheiden. Es kann gar nicht bezweifelt werden dass die
Häupter der Stände vor der Rückkehr der Plebes hierüber
einig geworden waren: denn wenn diese Tribunen hatte,
und daneben die Hälfte der Stellen im fDecemvirat, so
fehlte ihr nur noch der Besiz einer grossen Zahl Stimmen
im. Senat zu einer entschiedenen Uebermacht. Um ein
wahres Gleichgewicht der Stände einzuführen gab es einen
zwiefachen Weg: entweder das Tribunat beyden gemein­
schaftlich zu machen, wie es jezt die Tribus waren, oder
die Zusammensezung des Decemvirats zu verändern. Hier­
über mussten billige Männer von beyden Partheyen einig
seyn: hierauf mussten Valerius und Horatius bestehen,
wenn sie auch ganz frey von dem Wunsch gewesen seyn
sollten, der sich nicht tadeln liesse, ihre Mitstände zu be­
günstigen : Duilius selbst war unverkennbar ganz in dieser
Ansicht: aber auch bey redlichem Willen war der Augen­
blick zu schnell sich über das Beste zu verständigen, und
das Erkannte in Kraft zu sezen fand ungeheure Hinder­
nisse; so dass es nothwendig war eine provisorische Ein­
richtung zu belieben, damit die Zeit Bahn breche.
Es war wohl weil dieses Amt nicht als bleibende Er­
neuerung des^ frühem gewaltigen eintrat, dass der Name
409 Consuln an die Stelle des älteren, Prätoren, kam792): er
trägt sichtbarlich die Spur der gemilderten Gewalt, indem er
nur die Vereinigung zweyer im nämlichen Amt, nicht Macht
und Herrschaft, andeutet.
Damals war es kein Opfer für die Gemeinde das Con­
sulat dem ersten Stande zuzugestehen; es war billig den

er sich sonst die oligarchisehen Wahlen erklärt, die populärsten.


Consuln ernannten.
792) Es war eben Benennung der provisorischen Magistratur,
und blieb zufällig. Zonaras IL p. 28. с. тбте Леуетас тірштоѵ
ижатоид аЬтоид 7zpoçayopeu$7jva.L, стратгіуоЬд xaXoofiévouç тд
тгрбтероѵ. Livius hätte also nicht sagen sollen dass die Consuln
damals Prätoren genannt wären. Wie, wenn die Decemvirn in.
den XII Tafeln comules hiessen?
— 320 — [band п.]
beyden Edeln, welche sich ihnen und der Republik treu
erwiesen hatten, gemeinschaftlich zu lohnen. Die Ernen­
nung des L. Valerius und M. Horatius war allerdings ein
Geschenk der Plebes793), dem Senat und Curien ihre Be­
stätigung nur nicht versagen konnten : und wie früher die
angemaasste Ernennung an der Persönlichkeit des einen
Consuls, den die Klassen unmöglich gewählt haben können,
oft erkennbar ist, so zeigt es sich hier augenscheinlich dass
beyde Consuln, wie es auch ausdrücklich gesagt wird94),
von den Centurien ernannt waren. Und diese Wahlfrey-
heit, wie sie für das Decemvirat hergestellt war, bleibt
von nun an, auch nachdem das Consulat dauernd einge­
richtet worden95).
Die Erwählten des Volks a) entsprachen seiner Zuver­
sicht: einträchtig in der Macht, wie sie es im Widerstand
gegen die Tyranney gewesen waren, gründeten sie die
Freyheit auf hergestellte oder neue Geseze. Für diese
konnte der Senat seinen Beschluss, welcher dem A n tra g s
an die Centurien zuvorgehen musste, sn wenig verweigern
wie die allgemeine Versammlung der Geschlechter ihre Zu­
stimmung: denn die Patricier waren gedemüthigt, voll
Sorgen wegen der drohenden Anklagen über die noch ein
düstres Stillschweigen herrschte: jeder mass seine Gefahr
nach dem Bewusstseyn seiner Schuld und seines Hasses.
Die Geseze der Consuln wurden mit Unmuth, aber ohne
Widerstreben angenommen96).
Die neuen Tribunen hatten das Recht welches durch
das publilisehe Gesez eingeleitet, durch Icilius vollendet

793) Bey Livius III. 6 7 ,9 . muss mit dem Codex des Latinius
geschrieben werden: patricium quoque magistratum p l e b i s do­
num ß e ri vid im u s , nicht p l e b i , welches bey Livius nur wo die
alte Form durch den Sprachgebrauch festgestellt war, der Ge­
nitiv seyn kann. 94) [Th. 2.] Anm. 791. 95) Vielleicht
mit einer einzigen Ausnahme, 316 — wovon zu seiner Zeit: —
und allerdings übertrug die Ernennung der Censur die Usurpation
einer Stelle im vollständigen Consulat auf den abgezweigten
mächtigeren Theil desselben. a) Nitzsch Röm. Annal. 146.
96) Livius III. 55- haec -- ut invitis ita non adversantibu&
p a iric iis transacta. 59. multi e ra n t qu i mollius consultum d ice -
rent quod legum ab iis latarum P a tres auctores fuissent.
[ВІ-NDII.] — 321 —
war, schon ausgeübt ; und es verstand sich allerdings dass
ihr Amt in dem ganzen Umfang seiner Befugnisse wieder­
belebt sey. Um indessen das Vorgeben zu vermitteln, es
wären die später gewonnenen erloschen, ein von den Pa­
tres angenommenes Plebiscit sey doch kein Gesez797), Hessen
die Consuln durch die Centurien, unter Verlust des Lebens
und des Vermögens für den zuwider Handelnden98), ver­
ordnen, dass ein Plebiscit einem Beschluss der Centurien
gleich zu achten sey99) a). Eine Gleichstellung die, zum Ue-
berfluss, als Zeugniss dient dass die bis zum publilischen
Gesez von 412 für Centuriatgeseze unentbehrliche aus­
drückliche Annahme durch die Patres nicht etwa schon
damals bey den Plebisciten weggefallen seyn kann.
4X1 Es darf nicht irre leiten dass allerdings die Ausdrücke
worin die Verfügung bey Livius erhalten ist: dass die
von der Plebes in den Tribus gefassten Beschlüsse für
alle Quiriten verbindlich seyn sollten: — einen ganz ändern
Sinn zu enthalten scheinen. Freylich kam eine Zeit da
die Volksgemeinde die Macht des Senats und der höchsten
Obrigkeiten willkührlich beschränkte’, und, durch agrari­
sche Geseze, das Vermögen der Nobilität schmälerte800):
da waren die Plebiscite für jeden Eömer Geseze, deren le­
gale Gültigkeit, wer sie als verderblich schalt, nicht be­
streiten konnte: aber damals war auch die Plebes, bis auf
eine kleine Zahl Familien, die lange nicht den mächtigsten
und bedeutendsten Theil des Adels bildeten, die Nation
selbst; da das Tribunat hergestellt ward sass ohne Zweifel
noch kein Plebejer im Senat. So lehrt schon die An­
schauung der Sache, jenen Saz durch die Clausel ergänzen:
— wofern die Patres solche Beschlüsse bestätigen. Ein
Plebiscit war noch nichts weiter als eine vom Haus der
Gemeinen angenommene Bill, die erst durch den Beytritt

797) Livius III. 55. cum veiuti in coniroverso iure esset, teneren-
turne Patres plebiscitis. 98) Dionysius XI. 45. p. 725. e.
" ) Ebendas, p. 725. d. roug unb гой drj/xou теёёѵтад èv
tcuç puXeTtxaïç èxxXyataig vôfiouç anaat xEÏaÿat Pwfxatotg èÇ
Устои, rrjv адт7}Ѵ і^оѵтag ôôvafiiv rotg èv r atg Xo^tTtatv èxxh)-
matg TE#7)<rojiévotg. o) Schwegler III. 71; Mommsen Röm.
fc'or?cb. 164, 216; Clason Krit. Erörfc. 113. 80°) Polybius
VI. 16.
Niebuhr, RÖm. Gesch. gl
— 322 — [band II.]
der beyden ändern Zweige der Legislatur zum Gesez wird801).
Was so augenscheinlich aus den Verhältnissen hervorgeht'
dafür zeugt auch die Geschichte der Rogationen wodurch
allmählich und langsam die Gleichheit des plebejischen
Standes errungen ward: wo dass Hinderniss immer
daran lag dass die Patres, — bald schon der Senat,
bald die Curien allein, — ihre Zustimmung verwei­
gerten: oder wenn, ohne dass dies ausgesprochen wäre,
durch vorgegebene Auspicien, welche das Concilium des
Populus störten, der Beschluss vereitelt ward2). Die er-
theilte Sanction erhob sie zu einem vollkommnen Gesez
gleich einem consularischen: und erst seitdem sie entweder
ganz wegfiel, oder nur in einer leeren Förmlichkeit bestand,
konnte ein Wortstreit darüber erhoben werden, ob einer
solchen Verordnung, ihrer Rechtskräftigkeit unbeschadet,
der Name eines Gesezes zukomme3). Wie Wahlen und
Gesezgebung die von den Centurien ausgingen, so sind die­
selben Handlungen die in den Tribus begannen völlig
gleicher Art unter einander: es wurden aber die mindern
Magistrate von den Tribus gewählt, und von den Curien
eingesezt4).
Da nun die Versammlung der Plebes als Zweig der
Gesezgebung anerkannt war, konnte auch umgewandt ein
im Senat entstandener Beschluss durch die Beystimmung
der Plebes, auf der Tribunen Vortrag, zum Gesez erhoben 413:
werden5). Beyspiele hievon sind in einer späteren Zeit

801) Die Comitien der Tribus seit dem bortensischen Gesez,


in ihrer gesezgebenden Gewalt, sind gegen die ursprünglichen
wie ein einziges Haus, allein aus Repräsentanten bestehend, sich
zu dem alten der Gemeinen verhalten haben würde, wenn aus
dem langen Parlament, anstatt Oligarchie und Usurpation, eine
würkliche Republik entstanden wäre. Und eigentlich sind alle
nordamerikanische Legislaturen solche demokratische Entwicklun­
gen des brittischen Unterhauses. 2) Dies versteht Dio mit
den Worten ßpü% ea Tivà èn ѵ&віа^оѵтед { f. èm$£(T7riÇovT£ç) —
E x c. de sent. p. 151. 3) sive lex sive plebiscitum sit.
4) Gellius XIII. 15. m inoribus cre a n d is magistratibus iributie со-
m itiis magi8tratu8f sed iustius (l. iu s e ins — E statt T ) curiata
d a tu r lege. $) Die auctoritas Patrum konnte vorangehen;
sey es dass sie vollständig von Senat und Curien, oder nur von
jenem ertheilt ward.
[band п.] — 323 —
häufig: keines ist so bestimmt ausgesprochen als, nur vier
oder fünf Jahre nach diesen Gesezen, die Errichtung der
Censur; worüber es heisst, der Senat habe die Sache vor-
geschlagen, die Patres hätten sie eifrig ergriffen, die Tri­
bunen nicht eben widerstrebt806). Sollte nun auch hier die
ursprüngliche Form der Ernennung der Censoren mit der
Errichtung ihres Amts verwechselt seyn, so sind nur Ge­
sezgebung und Wahl verwechselt, weil sie verschwistert
waren; es ist Irrthum in der Anwendung dessen was die
Annalisten von ändern Fällen richtig wussten. Ein Mis-
verständniss ist unmöglich bey der Meldung, dass zwanzig
Jahre vor dem jüngeren publilischen Gesez ein Senatsbe­
schluss an die Tribus gebracht worden ist, um als Gesez
verordnet zu werden7). Wie es kommen konnte dass der
Senat für ein Gesez diesen Weg vorzog, ist zu erörtern
hier der Ort noch nicht: dass es willkommen war ein
Mittel zu haben für eilige Verwaltungsbeschlüsse, ohne von
einem Comitialtag, und ohne von Auspicien abzuhängen,
die Sanction zu erlangen, welche eigentlich die Centurien
414 geben sollten, ist deutlich genug, da schon ein Gewitter
diese vereitelte. Das älteste erhaltene Beyspiel von einem
nachher äusserst gewöhnlichen Geschäftsgang, im Jahr 342,
mag auch das erste gewesen seyn, da es dabey die Ab­
sicht war die gereizte Plebes durch kluges Entgegenkom­
men zu besänftigen8).
Drey Geseze a) , dieses valerische, das jüngere publi-
lische (412), und das hortensische, sollen im Lauf von

806) Mentio illata ab Senatu est : — et Patres laeti accepere


(die Curien) — et tribuni — haud sane tetendere. Livius IV. 8.
7) Ders. VII. 15. de ambitu ab C. Poetelio tr. pl. auctori-
Ъив Patribus , tum prim um ad populum latum est. Die miabräuch-
liche Anwendung des Worts populus hier und an ähnlichen
Stellen, werde ich an seinem Ort erklären. Gleich darauf (16.)
ist der entgegengesezte Gang : haud aeque laeta Pa tribu s — de
unciario foen ere a — tr. p l. rogatio est p e rla ta , et plebs eam
aliquanto cupidius scivit . Hier treten die Patres zulezt ein,
geben ihre Zustimmung, aber ungern. 8) Ders. IV. 41.
SC . factum — ut de quaestione — tribuni — ad plebem fe rre n t,
— A plebe consensu p o pu li con&ulibus negotium m andatur.
S. unten Anm. 959. a) Schwegler HI. 77.
21 *
■— 324 — [band п.]
hundert und sechszig Jahren die Gesezkraft der Plebiscite
mit wesentlich denselben Worten festgestellt haben809). Dies
hat das Ansehen einer Erneuerung des ursprünglichen,
durch sträfliche Nichtbeobachtung veralteten: wie das va-
lerische und porcische wider schmähliche Züchtigungen
wiederholt erneuert werden mussten. Doch dafür konnte
keine Veranlassung seyn als der Dictätor Publilius sein
Gesez annehmen liess; indem augenscheinlich die Anwen­
dung der Befugnisse der Gemeinde vielmehr weit häufiger
und bedeutender geworden war; die plebejische Macht stets
und mächtig empor stieg. Entweder hatten also dieselben
Worte in jedem dieser Geseze eine ganz verschiedene Be­
deutung, oder, was jeder wahrscheinlich finden muss, die 415
Geschichtschreiber haben ihren flüchtig gefassten Sinn mit
den Worten ausgedrückt die einem von ihnen eigentüm­
lich und angemessen waren. Eine Andeutung was es ge­
wesen das sie anzugeben versäumt haben, auf welchen
Stufen die plebejische gesezgebende Macht sich zur Allge­
walt erhob, darf hier nicht fehlen ; obwohl das Gesez die­
ses Werks nicht gestattet dem Fortgang der Geschichte
vorzugreifen. — Zuerst fielen die Curien aus, und es ge­
nügte zur ouctoritäs p a tr u m dass der Senat einen Beschluss
an die Tribus sandte, oder ein Plebiscit gut hiess: diese
Veränderung darf dem Dictator Q. Publilius zugeschrieben
werden. Ein halbes' Jahrhundert später ward durch das
hortensische Gesez auch das Veto des Senats aufgehoben,
und die Tribus nahmen, unabhängig von demselben, die
constituirende Gewalt an: eine gefährliche Unbeschränkt­
heit, welcher der gesunde Sinn sehr lange widerstrebte;
die erst von C. Flaminius in seinem Tribunat entschieden
festgestellt ward. Was nach dem Herkommen in einer
Senatsverhandlung hatte beginnen müssen, wie die Ver­
leihung des Imperium und andre Handlungen der Eegie-

8ü9) Das Valerische : ut q\iod tributim plebes iussisset popu -


lum ten eret : Livius Ш. 55. Das Publilische: ut plébiscita omnes
Q uirites tenerent: ѴПІ. 12. Das Hortensische : ut quod plebs
iussisset omnes Quirites teneret : Plinius XVI. 15. Wobey zu
bemerken ist dass iubere eben so falsch von der Plebs gebraucht
wird als sciscere es vom Populus seyn würde.
[band II.] — 325 —
rung, darüber änderte die Abschaffung des Yeto nichts;
so wenig dem Senat die Befugniss entzogen war ein con-
sularisches Gesez einzuleiten: — noch ein Jahrhundert
nach dem bortensischen war die Unerlässlichkeit seiner
Initiative in jenen Fällen anerkanut, und es war Anmaas-
sung wenn die Tribunen diese Gränze überschritten.
Unvollständig muss auch der Inhalt des zweyten Ge­
sezes der nämlichen Consuln gemeldet seyn, welches jeden
416 ächtete der die Ernennung eines Magistrats ohne Provo-
vocation bewürken würde: denn in dieser Allgemeinheit
würde ebenfalls die Dictatur untersagt gewesen seyn. Die
Androhung einer solchen Strafe für eine Handlung welche
dem der sie beging keinen Vortheil brachte, hat ihr un­
fehlbar vorgebeugt a).
Das dritte erneuerte, unter Wiederholung der ursprüng­
lichen Eidesleistung, die furchtbare Strafdrohung gegen
jeden der den Tribunen und Aedilen schade. Dieselbe
Sanction ward jezt auf die Richter ausgedehnt810): und auf
die Decemvirn; unter welchen, wie die Verbindung mit
den ändern plebejischen Aemtern, und die Anwendung des
alten von Stand zu Stand geschwornen Eides zeigt, nur
die plebejischen zu verstehen sind11).
Von denselben Consuln ward ferner verfügt dass eine
Abschrift aller Senatsbeschlüsse den plebejischen Aedilen
übergeben, und in ihrem Archiv im Cerestempel bewahrt
werden solle: bis dahin waren sie nicht selten durch die
Consuln verfälscht oder unterdrückt worden12): eine Schlech­
tigkeit welche also vornämlich gegen die Gemeinde ge­
richtet war. Den plebejischen Aedilen sollen die Consuln
auch die Promulgation der Decemviralgeseze übertragen
haben13): wahrscheinlich sind doch nur die beyden lezten
Tafeln damals neben den zehn ersten auf dem Comitium
angeheftet worden.
417 Ein tribunicisches Gesez des M. Duilius wodurch der
Scheiterhaufen dem angedroht ward der einen Magistrat

«) Lange Röm. Alt. I. 642. 8io) Dio Centumvirn:


Th. 1. Anm. 996. n ) Oben S. 366. 12) Lmus IlL 55.
quae antea arbiirio consulum supprim ebantur, vitiubanturque.
13) Livius a. a. 0. Daher Diodor XII. 26. diesen Consuln
die Vollendung der Gesezgebung auwcbreibt.
— 326 — [ b a .n d H .]

ohne Provocation einsezen, oder die P leb s ohne Tribunen


lassen w ü rd e814) , schloss die grosse Gesezgebung dieses
J a h r s . Die Strafe drohte der curulischen Obrigkeit die
durch Stö ru n g, wie dem Tribun der durch Verrath oder
S ch w äch e Schuld hatte wenn das Tribunat erledigt blieb;
äusserste Strenge w ar zw iefach nothwendig da es, wie oben
bem erkt ist, schon der Porm nach, mehr als vorher schwierig
fiel es herzustellen, wenn keiner aus dessen Mitte da war
um der W a h l vorzustehen: so schw ierig wie wenn auf
V e s ta s A lta r das Feuer erloschen war.
A ls jezt die Freyheit durch R ech te, die freylich erst
durch einen langen K am p f zu voller K raft gediehen, sicher
gegrü n d et schien, luden die Tribunen die einzelnen D e­
cem virn vor das Gericht der P lebes. Denn dieses war
durch ihre A uferstehung und die ihrer Tribunen wieder­
b e le b t; und es ist ein blosses Misverständniss, dem höchst
zahlreiche Beyspiele widersprechen, anzunehmen, das Ge­
richt, dessen ausschliessliche B efu gniss die X I I Tafeln ver­
o r d n te n , habe auch von dieser Zeit an ausschliesslich be­
stan d en : der V erfo lg der Geschichte wird zeigen dass lange
Z eit nach dem Decemvirat die Curien eben so wohl wie
die T rib u s das H alsgerich t ausübten. — Appius Verbrechen
konnte nicht vergeben werden: aber Troz und Hochmuth ^
vollendeten sein Verderben. E r hätte ins Exilium gehen
können, allein er glaubte im schlimmsten F a ll eile es nicht
m it dem En tschluss ; unmöglich könne der Tribun ihn ver­
h a fte n : so erschien er au f dem Forum begleitet von einer
S c h a a r ju n ger P atricier die ihn noch als ihr Haupt be­
kannten. D a entbrannte L . V irgin iu s Zorn , dass er ihn
m ahnte sofort vor einen R ichter zu treten welcher über
die T h atsach e ausspreche, ob er als Prätor gegen den Besiz
der persönlichen F reyh eit erkannt habe? wolle Appius
sich diesem Spruch nicht unterwerfen, so werde er ihn,

814) Die Strafe giebt Diodor XII. 26. so an: ganz gewiss
richtiger als bey Livius, Stäupung und Enthauptung. Diese
Todesstrafe more maiorum zu verhängen gehört nicht für die
Tribunen; und der Feuertod ist der eigentliche für die Hochver-
räther. — Zur Hälfte wiederholt dies Gesez, aus kaum zu be­
stimmender Ursachef jenes consularische.
[band II.] — 327 —
als der Schuld eingeständig, in K erker und B anden leg en
lassen815).
Liv iu s Erzählu n g träg t das G epräge dass ihm hier
alles klar w a r: für uns ist alles räthselhaft. W elch er
Eichter konnte über den aussprechen der au f einen noch
entfernten T a g vor das Y o lk geladen w a r ? und w ie der
A n k läger durch die W eigeru n g vor einem solchen zu er­
scheinen, berechtigt seyn in den Kerker w erfen zu lassen ?
Die Lösung dieser Fragen wird im Gaius w enigstens ein-
419 geleitet gewesen seyn , aber grade das B la tt w orauf von
der postulatio iudids gehandelt war, ist verloren : so müssen
w ir suchen zu errathen.
E s würde m üssig ja lächerlich gewesen seyn dass die
römischen Geseze L eib es- und Lebensstrafen verordneten,
wenn es jedem frey gestanden hätte sich ihrer A nw endung
durch Selbstverbannung zu entziehen. Vollends der P ro ­
letarier welcher sich , wo B ürgsch aft Statt fand , durch
irgend einen seines Standes verbürgen lassen konnte, hätte
kecklich jedes Verbrechen w agen m ögen: Gesellen die
nichts zu verlieren hatten, und, wenn sie auch das strenge
Schuldrecht fürchten m ussten, fortlaufen konnten, würden
nicht gefehlt haben um für ihn einzutreten. D abey wäre
alle persönliche Sicherheit untergegangen: aber zu solcher
Straflosigkeit kam es nicht einmal als die porcischen G e -
seze die unvernünftigste Uebertreibung erreicht hatten:
die alten T age waren ganz fern von solcher Verkehrtheit.
Im Gegentheil würde man es als eine V erspottung des
B egriffs vom Eech t betrachtet haben, b e y klarer Schuld
eitlen Prozess anzustellen, wie jezt Geschworne berufen

815 ) Livins III. 56' TJnius tantum crim inis n i iudicem dices
(l. d o ces), te ab libertate in servitutem contra leges vin d icia8
non dedisse, in vincu la te duci iubebo. In der Corruptel, deren
Verteidigung kaum die verkehrteste Spizfindigkeit unternehmen
wird, stimmen alle Handschriften: meine Emendation gründet
sich auf docendue nobis est iu d ex u. dgl. bey Cicero, was jedem
Philologen gegenwärtig ist: für das Präsens erinnere man sich
unter anderen an ocyus hinc te n i rapis. — Ferner ders. ІП. 57.
se iterum atque saepius iudicem illi fe r r e , n i vindicias ah lib e r­
tate in servitutem dederit : si a d iudicem non e a t, p to damnato
in vincula duci iubere .
— 328 — [ііА.2ШII.}
w erd en um zu erklären ob die Sonne am M ittag über dem
H orizont steht, und, wenn es ihnen beliebt, das Gegentheil
erklären. D er offenbare, auf der T h at betroffene, V er­
b rech er, ward vor das Tribunal des Prätors geführt816), ge­
schleppt wenn er sich sträubte, um seine Strafe zu ver­
nehmen und zu erleiden. E s versteht sich dass der Ge­
kränkte, wenn er persönlich auftreten konnte, dies unmit­
telbar, unter B eystan d von Zeugen, that: fehlte der Kläger,
so versteh t es sich ebenfalls dass die Quästoren, eingesezt 420
um V erbrechen aufzusuchen17) , seine Stelle einnahmen.
W e il aber die Zahl der G erichtstage ursprünglich sehr
klein, und nur an ihnen die unmittelbare Vorführung des
S ch u ld igen m öglich w a r, so muss derselbe, wofern er an
einem ändern Tage ergriffen w a r , ohne Zweifel durch die
n äm lichen Quästoren in den Kerker geworfen seyn; um in
leib lich er H aft au f den T a g des U rtheils und "der Strafe
b e w a h rt zu bleiben. Unsere Vorfahren wollten, sagt Cicero,
d ass der K erker für die B estrafu n g offenbarer und ruchlo­
ser V erbrech er haften solle.18)
H eut zu T age ereignet es sich wohl in grossen H aupt­
städten dass der völlig Hülflose eine sträfliche Handlung
ausübt um im G efängniss Obdach und N ahru ng za erhalten:
aber der römische K e rk er, in den kein Strahl des T ags
fiel, w a r ein Ort des Entsezens und des äussersten Elends.
E in e n B ü rge r dorthin zu überantworten w ar ganz unerlaubt,
w enn die T h a t nicht unläugbar gew iss war, oder wenn es
zw eifelh aft gem acht werden konnte ob sie unter das Gesez
falle. — wie wenn der Todtschläger behauptete, er habe
N o th w eh r geübt. E in unzweydeutiges B eyspiel thut dar, 42t
dass der A n gek lagte alsdann eine W ette oder Sponsion an-
b o t, zu deren Entscheidung die Obrigkeit einen Eichter

816) Gleichviel unter welchem Namen er dem Amt varstand.


17) Varro de l. L . V. 14. (IV. p. 24.) quaestores — qui
con qu ireren t m aleßcia. 18) carcerem vindicem m farioru m ac
m a n ifestoru m scelerum m aiores esse voluerunt : Cicero Catil.
II. 12. (2 7 .): — womit er keineswegs, wie Muretus meynt, der
Aeusserung Ulpians widerspricht dass der Kerker nicht Strafe
sondern Verhaltung sey. Denn vin dex hat hier den nämlichen
Sinn wie bey dem Process: Verbürgung einem Urtheil zu ge­
nügen. — C. Claudius jammert über seinen Neffen: iacere vin-
ctum in ter ju r e a nocturnos atque latronee. Livius III. 58.
[band II.] — 329 —
aus der Gesammtheit des zu diesem A m t berechtigten
Standes, — bis zum sempronischen Gesez, der Senatoren, —
anwies, und dass er dadurch Anspruch auf tribunicischen
Schuz erhielt, wenn der K läg er die Sponsion ablehnte:
aber dasselbe B eyspiel lehrt auch dass die Tribu n en , nur
ihrem G ew issen verantwortlich, selbst dann ihn verw eigern
konnten819). Augenscheinlich würde ein günstiger Spruch
die Freylassu n g unter B ü rgsch aft zur nothwendigen Fo lge
gehabt haben20).
Dasselbe Verfahren musste auf der entgegengesezten
Seite dem der ein Verbrechen, für sich oder als Obrigkeit,
rügte, das Mittel gewähren die Anw endung der gesezlichen
Strafe zu sichern. D a dieses dem täglichen Leben ange­
hörte , so ist es kein W under dass nur in ihrem Abbilde,
der Komödie, ein F all davon vorkommt21). H ingegen meldet
422 die Geschichte B eyspiele eines ganz verwandten B echts-
gangs der bey Staatsanklagen eintrat. Solche waren w e­
niger auf eine einzelne T h at als auf Vorhaben und Gesin­
nung gerichtet: immer w ar dabey der V e r te id ig u n g ein
Feld offen; das Gericht vereinigte XJrtheil und Begn ad igu n g:
seine En tscheidung w ar oft höchst zw eifelhaft, und der
Verurtheilte konnte die Hochachtung auch derer welche
wider ihn sprachen b esizen : nirgends weniger als hier

819) Es findet sich bey Valerius Maximus VI. 1. 10. Dér


Centurio den der Triumvir capitalis in den Kerker führen liess,
rief vergebens die Intercession der Tribunen an, quanquam spon-
sionem .se facere paratum diceret, quod adolescens Ule corpore
quaestum factitavisset , — also infam gewesen sey; und mithin
die Scbandthat, welche er nicht läugnete, nicht unter das Gesez
falle. — Ernennen konnte der welcher die Sponsion forderte in
diesem Fall den Richter gewiss nicht, und so gehört derselbe
unter die postulatio iicdicis, wie die Sponsion des Scandilius, 2. Verr.
III. 58. ff. 20) Hier ist vom Recht die Rede: durch einen
Machtstreich konnten später die Tribunen allerdings auch einen
in aller Form Rechtens Verurtheilten entreissen. 21) Plau­
tus H udens III. 4. 7. ff. — ergo dato D e Senatu C yrenem i
guemlibet. opulentum arbitrum S i tuas esse oportet nive eas esse
oportet libéras N eu te in carterem compingier est aequum. —
Dato ist offenbar nicht an den Leno gerichtet, als ob der den
Richter hätte angeben können, sondern allgemein gesagt: —
man gebe uns.
— 330 — [band п.]
eign ete es sich den A ngeklagten m it Bösewichtern in die
Fin ste rn iss des K erkers zu stossen. W enn ihm aher nam­
h afte todesschuldige Handlungen zur L a st gelegt waren,
so konnte der A n k läger eine Sponsion anbieten, wobey er
den E ic h te r vorschlu g822), nach derselben Rechtsansicht
die dem gekränkten Y o lk oder Stan d das Richteramt zuer­
k an n te: w ard durch diesen die W ah rh eit der That ausge­
sprochen, so sandte der A n k läger den Schuldigen ins Ge-
fä n gn iss damit er sich dem G erich t des Volks nicht ent­
ziehen könne; w eigerte sich der B eklagte die Sponsion
anzunehm en, so w ar er seine Schuld geständig, und konnte
nun ebenfalls mit F u g in H aft gebracht werden. Diese
E n tsch e id u n g würden w ir, nach ihrem W esen, ein V o rge­
ric h t nennen, wenn auch das W o rt praeiudicium nicht er­
halten w ä r e , von dem ich nicht zweifle dass es in seiner
eigen sten Bedeutung eben diesen E ech tsgan g bezeichnet
h at. E in solches bestimmte gewöhnlich den A u sgang des
folgenden eigentlichen G erich ts23) : allein doch nicht noth- m
w en dig. D a es also noch mehr als die persönliche F re y ­
heit ga lt, so w ar es keine A nm aassung der Tribunen den
zu schüzen welcher sich der Sponsion nicht unterwerfen
wollte : es konnte ihm ein unbilliger Eichter vorgeschlagen
seyn. D aher blieb Volscius frey, aus dessen Process und
dem des A p p iu s dies ganze V erhältniss hervorgeht24). W ar
der A n k lä g e r ein Tribun aus einem einmüthigen Collegium,
so schüzte den der es nicht w agte sein Schicksal dem A u s­
sp ru ch eines Eichters über eine bestimmte Handlung zu
überlassen, nichts gegen V erhaftung.
A u c h der Patricier der sonst in allen Fällen wo der
P leb e jer bey seinen Tribunen Hülfe suchte sich nicht an
sie wenden durfte, konnte wider einen solchen, mit dem
keiner Obrigkeit zu hadern erlaubt w a r , einen Collegen
desselben anrufen: und das that A ppius als ih n , da V ir ­
gin iu s a u f seiner Eede bestand, V erzagtheit überfiel. A lle

822) Dies wäre also laiio iu d ic is , nicht postulatio.


23) Ich verweise auf die Beyspiele bey Brissonius und Forcellini
s. v. 24:) Cäsos Freunde forderten dass ein Richter über
ihre Versicherung entscheide, dass jener zur Zeit wo der Mord
yorgefallen seyn solle nicht in der Stadt gewesen: n i ita esset
muTti p r iv a tim fereban t Volscio in dices . Livius III. 24.
[bind II.] — 331 —
schw iegen, und die W eib el führten ihn ungehindert in den
Kerker. Der Altconsul C. Claudius, der M itschuld unver­
d äch tig, da er sich vergebens bemüht die Decem virn zu
bewegen ihre Gew alt in Händen des Senats niederzulegen,
und dann nach R egillu s, in die Heim at seiner Vorfahren,
zurückgezogen hatte, scheute keine D em üthigung um die
Gemeinde zu erweichen dass sie seinen Neffen aus dem
424 Gefängniss entlasse. Dann konnte er sich vor dem G ericht
entfernen, denn an ein begnadigendes Urtheil w ar nimmer­
mehr zu denken. M it ihm erschienen im Gewand der
Trübsal alle Gentilen und Clienten, bereit zu jeder B ü r g ­
sch aft die gefordert werden mochte; er bat demüthig sie
möchten dem G eschlecht die Schmach erlassen dass ein
Claudius unter Mördern und Räubern in Ketten lie g e : er­
w ägen dass es für die Republik selbst entwürdigend sey,
deren H aupt er so neulich gewesen. A b er des V aters M ah­
nungen und der eigene Zorn überwogen. Appius starb im
Kerker, w ahrscheinlich frey w illig, ehe der G erichtstag ein­
trat, den die Tribunen verschoben hatten um En tschluss
und Ausführung zu begünstigen.
Gleiches Schicksal hatte sein unm ittelbarer A m tsg e­
noss, der Plebejer Sp. Oppius, welcher zur Zeit des Spruchs
gegen V irgin ia in der Stadt anwesend w a r, und keine
Hülfe leistete ; nach dem Ausbruch des A ufstand s die R e ­
gierung fortgeführt, und den Em pörten als Rebellen w ider­
standen hatte. Dieser ward auf das Zeugniss eines alten
Soldaten den er nach sieben und zw anzig tadellos bestan­
denen Feld zü gen 825) , ohne auch nur einen Vorw and an­
führen zu können, hatte stäupen lassen , in den Kerker
gesandt: auch er entleibte sich. Die übrigen Decem virn
blieben fr e y ; auch M. Claudius, das sklavische W erkzeug
für A ppius Verbrechen : diese alle konnten sich verbannen,
aber schuldig erklärt wurden alle, und das Verm ögen der
Decemvirn w ard eingezogen26).

825) Also bis auf einen die sämtlichen die in das Lebens­
alter der iuniores fallen : eine Zahl missliches Ansehens für histo­
rische Glaublichkeit. 2б) ipso remittente Virginio ultimam
poenam , ist nicht dass Virginius auf eine andre Strafe als den
Tod geklagt hätte, sondern eben dass er dem Angeklagten die
Möglichkeit liess zu entschlüpfen.
— 332 — [band п.]
W e r sich schuldig oder gehasst wusste sah jezt mit 425
A u g s t weiteren A n k lagen entgegen; aber M. Duilius er­
k lä r te , er werde keine wegen Handlungen aus der Decem-
v ir a lz e it gestatten. D iese M ässigung stellte die Eintrach t
n ich t h e r : kaum fühlten sich die P atricier sich e r, als sie
R a c h e dafür suchten dass sie gefürchtet hatten.
D ie Consuln kehrten mit seltnem Glanz aus dem Felde
z u r ü c k « ) : die P flichtigen hatten sich freudig gestellt;
auch alte K rieger, deren Ja h re sie vom D ienst lossprachen,
bild et en freyw illige Cohorten : und Bejahrte und Jü nglin ge
w etteiferten im Felde um den geliebten Wohlthätern herr­
lich e Trium phe zu erringen. F ü r die Siege zweyer abge­
sonderter H eere, deren einer so festen Frieden mit den
Sabin ern begründete dass sie während mehr als andert­
halbhundert Jah ren Rom unverbrüchlich befreundet blieben,
be sch lo ss der Senat nur einen F esttag: das Volk liess sich
n ich t verwehren einen zw eyten, wie es sich zu verordnen
geb ü h rt hätte, in allen Tempeln zu feyern. Während
dieser D anktage kam en die Heere zurück und lagerten vor
der S ta d t a u f dem Felde unter dem Cäliust die Consuln
entboten den Senat nach der Sitte in den Marstempel vor
dem Capenischen Thor, um über den Feldzug zu berichten,
und den Trium ph zu begehren. Man weigerte sich zu
beschliessen , w eil die B erathun g mitten unter den Bew aff­
neten nicht frey s e y 827). Die Versam m lung ward in den 426
A pollotem pel verlegt, der neben dem nachmaligen fiamini-
sch en Circus stan d 28) : jezt ward die wohlverdiente Ehre fast
einstim m ig abgeschlagen : sie gebühre solchen Yerräthern

a) Nitzsch Röm. Annal. 150. 827) Livius verwechselt


wieder die beyden Campi : auf dem Marsfeld war kein Ort wo
der Senat gehalten werden konnte, und der Circus Flaminius lag
eben an demselben. Hingegen stand der Maratempel, wohin zu­
rückkehrende Feldherrn den Senat gewöhnlich beriefen, am
kleineren Campus, welcher der Plebes, wie der grosse dem Po­
pulus gehört haben wird; und jener Circus ist von ihm durch
die Stadt geschieden. *8) Bey Livius III. (53. ist eine dop­
pelte Lesart gewesen : circum , iam tum A polliharem app. und
iam tum A p o llin a r (oder Apollinare) a p p . — ohne circum. —
Es lässt sich für die eine und die andre reden; aber die gewöhn­
liche Lesart ist entschieden verwerflich.
[band II.] — 333 —
nicht. Gewissenloser M isbrauch des förmlichen Eech ts
gefährdet seinen B esiz weit mehr als der W idersacher
Feindschaft. Selbst die Initiative über den Trium ph hätte
die Gemeinde nicht nehmen können ohne das bestehende
E ech t zu verlezen: der A n trag des L . Icilius an die T r i­
bus dass sie ihn wider die Entscheidung des Senats zuer­
kennen sollten, überschritt unläugbar ihre gesezlichen B e ­
fugnisse, auch wenn der Cerestempel die Kosten übernahm.
D ies werden die Senatoren in der Concio geltend gem acht
haben: V o rw ü rfe, wie der Geschichtschreiber sie ihnen
leiht, sind dem Gefühl vergebens zu reden angem essen:
— man wisse es w o h l, der Sieg den die Gemeinde und
ihre Consuln feyern w ollten, sey der über die Patricier.
B e y solcher Erbitterung war die M öglichkeit sich über
die Verfassu n g zu verständigen entfernter als zur Zeit
der Revolution; und es schien für jezt kein andrer
E a th zu finden als die provisorische A nordnung des endi­
genden Ja h rs zu erneuern. A ber die gegenw ärtigen Con-
427 suln hatte der Himmel zur H erstellung der F reyh eit g e ­
sandt, keine andre konnten sie der Gemeinde ersezen.
Hätten indessen Valerius und Horatius mit diesem B ew u sst-
seyn sich über die M eynung erhoben, so w ar die B estäti­
gung der Patres für sie eben so unmöglich als wenn die
Klassen Plebejer ernannt hätten: die E h re der W ah l wäre
zur nuzlosen Kränkung geworden. W as in der M acht der
Gemeinde stand hat sie für V alerius gethan , indem sie
ihn in der ersten den Centurien überlassenen W ah l der
Quästoren m it dieser W ürde bekleidete: manchmal nach­
her mögen die vorsizenden Consuln Stimmen für beyde
Volksfreunde zurückgewiesen haben: oder, wenn ein B illig ­
gesinnter es nicht that, die gesezlich erwählten durch die
Curien nicht zugelassen seyn.
Diejenigen freyen S taaten , die nicht als blosse A n ­
häufungen von Einzelnen ihre A rt und Gesinnung nach
äusserer 'E in w irku ng und Bew egungen des A ugen blicks
ändern, verdanken diese Stätigkeit vornämlich dem B e ­
stehen von Geschlechtern und Corporationen in denen der
Vorfahren Grundsäze und Gefühle als ein Verm achtniss
auf den späten En kel übergehen. Ein E u sse l welcher sich
den Grundsäzen von 1688 untreu erwiese, würde als eine
unnatürliche A usartung empören: aber vor allen Völkern
— 334 — [band п.]
h errsch te unter den Eöm ern die Ein h eit der Vorfahren
und N achkom m en, also dass eines Hauses Leben in der
R ep u b lik w ar w ie eines einzelnen M ann es: der Urenkel
em pfing die Grundsäze seines Ahnherrn als G esez, und
seine En tw ü rfe anvertraut zur Yollendung. Mehr als vier­
hundert Ja h r e nachdem C. Sicin iu s die tribunicische Ge­
w a lt gegrü ndet hatte, w ar ein Tribun desselben Namens 42s
der erste der es w agte sie von Su lla zurückzufordern:
C. L ic in iu s , einer der Tribunen vom heiligen B e r g , darf
für den Y o rfa h r des gleichgenannten Stolo gelten, welcher
v ie r M enschenalter nachher die E h re des plebejischen
S tan d es feststellte: M än iu s, der zuerst die Erfüllung des
A ck erg e se zes von den Usurpatoren zu verlangen wagte,
fü r den desjenigen der fast zwey Jahrhunderte später den
Curien eine G ew alt entzog deren M isbrauch immer unleid­
lich er geworden w ar : von dem Dictator Q. Publilius, durch
dessen Gesez die Mündigkeit der plebejischen Gesezgebung
vollendet #w a rd , ist es gew iss dass er von dem Tribun
V olero abstam m te. So lange die Plebes in ihren F r e y -
h eiten Schuz bedurfte, sind ihr die Valerier nie untreu
gew ord en : besonders betrachteten sie als ihres Geschlechts
E rb a m t die Geseze zu erneuern und lebendig zu erhalten
w elche die persönliche Unverlezlichkeit des Bürgers ver­
sicherten. Mehrmals wenn plebejische Militartribunen er­
nannt wurden, oder, nach gewaltsam er Unterbrechung des
licin isch en Gesezes zuerst aufs neue ein plebejischer Con­
s u l, w a r ein Valerius in der M agistratur des vorigen
J a h r s * also dass sich annehmen lässt, ihm sey der Vorsiz
b e y der W a h l zugefallen gew esen, und er habe diesen zur
H erstellu n g des Rechts angewandt.
D a s H oratische G eschlecht erlischt in der Geschichte
zw ey Menschenalter nach dem Sieger der Sabiner. Das
V a le risch e zeigt nach dem Untergang der Republik an
M essalla den vortrefflichsten seiner Zeitgenossen, es über­
lebte m it dem Cornelischen alle andre patricische : es
g lä n z t e , freylich nicht mehr in den entwürdigten Fasten,
b is die röm ische Nation erlosch. Der V a te r des Präfecten m
S y m m a ch u s nennt unter den E rste n des Senats au f deren
F reu n d sch a ft er stolz w ar, den V aleriu s Proculus, als der
alten P u blico la w ü rd ig, so dass die Grösse seiner Ahnen
ihn n ic h t drücke, und preiset seine W ahrheitsliebe und
[band II.] — 335 —
R echtschaffenheit829). E in lobenswerther Mann aus dem
Schutt der jüngsten Z e it30) , w ar freylich aufs B este ein
schwaches B ild seiner Vorfahren; doch eig e n tü m lich e ,
von den Schicksalen die eine ganze N ation heben oder
niederdrücken unabhängige En tartun g hatte dies Geschlecht
nicht getroffen. Sollten nun Publicolas und M essallas
Nachkommen den Stolz auf ihre Ahnen zu sehr gehegt
haben, so w ar es ihnen schon damals vergolten: indem,
wie die versificirte Schilderung gepriesener Zeitgenossen
zeigt aus der w ir jenen Valerius kennen der für uns der
lezte i s t , die plebejische N obilität der pränestinischen
A nicier von den M agnaten des theodosischen Zeitalters
für einen vornehmeren A d el gerechnet ward als das tau­
sendjährige P atriciat der Valerier und Cornelier. Doch
konnten jene auch nicht einen nennen der dem geringsten
unter den grossen Männern dieser Geschlechter zu ver­
gleichen gewesen w äre: es war ihr unermesslicher R eich­
thum, und der B esiz wesenloser hohen W ü rd en 'u n ter den
Kaisern des verfallenen Reichs, wodurch sie die Vornehm ­
sten in der M eynung waren. D as Reich gin g unter: E r ­
oberer theilten sich die Güter: was von einheimischem
A d el die V ertilgu n g der Senatoren überlebt hatte, wenn
430 es auch A nicier waren, verlor, arm und unterdrückt, sogar
das Andenken seines Standes: barbarischer U rsprung ist
den römischen Baronen des Mittelalters eigen 31).

829) Symmachus E pist. I. 2. 30) Das. I. 4. 31) Die


Revolution wodurch das Decemvirat gestürzt ward, fällt in den
December 305 : die Tribunen traten ihr Amt am vierten vor den
Iden dieses Monats an, und es liegt im Wesen ihres Amts dass
kein Collegium seit dessen Herstellung es einen Tag über oder
unter einem Jahr bekleidet haben kann. Damit stimmt überein
dass im Jahr 312 und 355 die Consuln das ihrige an den Iden
des Decembers antraten : (Dionysius XI. 63. p 737. a. Livius
V. 9.) denn sie waren 305 unmittelbar nach dem Antritt der
Tribunen erwählt. — Hier trennen sich die catonischen Fasten
und die denen Livius folgt von den varronischen, indem diese
das lezte Decemviraljahr und das erste des hergestellten Consu­
lats für ein einziges, ’jene als zwey zählen: offenbar richtig:
woraus noch der Vortheil für eine Zeitlang bervorgeht daa phy­
sische und das Fastenjahr zusammen zu bringen.
— ззб — [band u.]

Die innern Bewegungen bis zur Verfassung


von 311.
D ie Erh altu n g der nämlichen Tribunen lag der alten
Gem einde nicht w eniger am Herzen als die der Consuln,
und diese konnte keine äussere Einm ischung verwehren.
A b e r M . D uilius, dem der Vorsiz b e y der W ah l zugefallen
w ar, erklärte, dass er so w enig für seine Collegen als für
sich selbst Stim m en gelten lassen w erde: ein Entschluss
dem die alten P lebejer den eben so entschiedenen W illen
entgegensezten sie nur den Abtretenden zu geben: und
so sehr waren die neuaufgenommenen noch die M inderzahl,
d ass d urch sie, und einzelne die sich zu ihnen thun moch­
ten , n u r fü n f Candidaten die nöthigen Stimmen in der
M ehrheit der Tribus erlan gten 832). D a nun alle Verhand- 431
lu n gen der Plebes in einem T age beendigt seyn m ussten33),
so konnte die W ah l welche nicht die volle Zahl ergeben
hatte als ungültig betrachtet w erden, und dies forderten
die w elche die W ied ererw ählu ng durchsezen wollten: D ui­
lius h in gegen behauptete, es sey genug dass erwählte
T ribu n en da wären um das neue A m tsjah r anzutreten; sie
könnten die fehlenden Stellen rechtm ässig ergänzen34).
D as Y o lk musste sich hiebey beruhigen; allein die Mehr­
zahl der neuen Tribunen zeigte sich , wie es nach ihrer
E rn en n u n g zu erwarten w a r , so ganz den Patriciern er­
geb en dass unter denen womit sie das Collegium vervoll-

832) Damit dies möglich sey, muss man sich denken dass
die eigentliche alte Plebs eigensinnig keine Stimmen abgab,
oder die für die alten Tribunen nicht gezählt wurden, — dass
absolute Mehrheit nötbig war, — und die abgegebenen Stimmen
sich, ausgenommen iür jene fünf, zerstreuten. 33) S. 244.
Anm. 486. 34) Nach der Erzählung bey Livius (I1Ï. 64.)
hätte er sich auf ein bestehendes Gesez berufen: salisfactum legi
a ie b a t , qu ae — sa n ciret, et — cooptari соIIeg as iuberet. Ein
eigentlicher Schreibfehler ist hier schwerlich, doch fordert der
Sinn iu bebat : es ist Duilius Rogation. Vielleicht hat der Schrift­
steller sich versehen, vielleicht der Bericbtiger einer Handschrift.
[band n.J — 337 —
ständigten sogar zw ey von diesem Stande w aren: Sp. T a r -
peius nnd A . Aternius, denen die Gemeinde allerdings für
ihr Gesez wegen der M ulta verpflichtet w ar.
Diese Darstellung ist au f L iviu s Erzählu n g begründet,
und würde glaublich genu g lauten, wenn es denkbar wäre,
dass D uilius einen willkührlichen En tschlu ss gegen den
W illen seiner Collegen hätte durchführen können, zu einer
Zeit wo die Mehrheit entschied: dass ein durch A u ftra g
432 verliehener B e ru f eben an den gekommen sey der das
G egentheil von seinen Collegen über die Sache Wollte
deren Entscheidung in seine Gewalt gegeben ward. W enn
es sich demnach kaum bezweifeln lässt dass Duilius viel­
mehr im Sinn der Mehrheit des Collegiums gehandelt hat,
so lässt sich auch vermuthen dass der Zw eck dessen w as
er durchsezte falsch vorgestellt ist. W ie, wenn jene b e y ­
den Consulare nicht die einzigen P atricier unter den Z u ­
gewählten waren, sondern nur als persönlich ausgezeichnet
im Andenken geblieben seyn sollten? W enn die A b sich t
w ar das Tribunat zur Repräsentation der gesammten N a ­
tion zu m achen, wie sie in den Tribus vereinigt w a r;
und es zu theilen, gleich dem D ecem virat? wenn dafür
die angemessenste Form schien, — wie sie es wohl un­
streitig, wenigstens für erste, gewesen wäre, — die E r ­
nennung zur H älfte der Stellen an fünf durch die Tribus
gew äh lte Plebejer zu vertrauen? So w a r, menschlichem
A nsehen nach, verbürgt dass keine Uebertriebene erwählt,
der W o lf nicht zum Schuz der Heerde gegeben werde,
wie von einer Curienwahl zu besorgen gewesen wäre. Dieser
Beschluss sezt die Uebereinkunft voraus dass das Decem ­
virat in seiner beschlossenen Form eingeführt werden solle:
wenn man nun erw ägt dass die Tribunen den 1 0 . die
Consuln den 1 3 . December aus dem A m t traten, und die
abtretenden Consuln die W ah l ihrer N achfolger in den
allerlezten Tagen hielten, so konnte sehr leicht sogar die
Cooptation durch die fünf Plebejer schon erfolgt seyn, ehe
433 ein Senatsbeschluss verordnete dass Consuln, nicht Decem­
virn,, gew ählt werden sollten. E s w ar das eine wälsche
L is t mit vollkommnem Erfolg.
Is t nun diese Erkläru n g freylich nur wahrscheinlich
zu nennen, so ist das ausser allem Zw eifel dass die be­
strittene Frage war, welchen Antheil die Plebejer am D e-
N ieb u h r, R öm . G esch. 22
— 338 — [band п.]
ce m v ira t haben sollten, da der ausschliessliche Besiz des
T rib u n a ts neben der vollen H älfte der höchsten Obrigkeit,
n a ch den damaligen V erhältnissen, überm ässig gewesen
w äre. Je n e r B esiz w ar offenbar Z w e ck des Plebiscite w el­
ches L . Trebon ius, einer der erwählten fünf plebejischen
Tribu n en , 3 07 beschliessen lie ss; dass der Vorsteher einer
tribunicischen W ah l sie so lange fortsezen solle bis die
volle Z a h l der zehn erreicht s e y 835) : hier ist der Sinn dass
eine W a h l vor deren Beendigung die Sonne unterging so
w e it0 sie gediehen w ar in K ra ft bleiben sollte ; und zu ver-
m uthen dass es nicht noth w endig w ar für ihre Vollendung
ein Trinundinum abzuwarten.
Ic h würde annehmen dass dagegen der B esiz der rich­
terlichen Quästur a) den Patriciern überlassen worden, in­
dem sie damals, im 6 3 . Ja h r nach der Tarquinier Verban­
n un g, zum erstenmal durch die Centurien verliehen w ard ;
w en n n ich t diese Anordnung, als bleibend beschlossen, vor-
aussezte dass die Auflösung des Collegiums schon damals
entschieden gewesen wäre. Man kann auch dieses Am t
p ro viso risch zw ey Patriciern anvertraut haben wie das Con- m
su la t. In seinen Attributen w ar es das nämliche welches
im D ecem virat bestehen sollte36) : die W ah l war fre y;
die Centurien ernannten mit L . V aleriu s Potitus einen än­
dern der bedeutendsten und wohlgesinntesten Zeitgenossen,
Ж а т . A em iliu s: wie vor dem Decem virat Consulare das­
selbe ih rer W ü rd e nicht unangemessen achteten, obwohl es
hau p tsäch lich den traurigen B eru f der Trium viri capitales
e n th ielt37).
D ie Consuln der Ja h r e 307 und 308 vermieden Zw ist

8 3 5 ) Das Gesez bey Diodor XII. 25. welches unter Strafe


des Scheiterhaufens verordnet г), dass allemal die volle Zahl von
zehn Tribunen ernannt werden müsse, ist kein anderes als dieses
trebonische ; es kann ja nicht vor Duilius Vorsiz bestanden haben.
«) Schwegler III. 85. 36) Oben S. 367. 368. Ueber
Tacitus und Ulpians doppelten Irrthum, da sie die quaestores
p a r r ic id ii mit den classici verwechseln, und wähnen jene seyen
zuerst durch die Könige, dann bis 307 durch die Consuln ernannt»
s. Th. I. S. 583. 37) Varro de L . L . V. 14. (IV.
p. 24.).
b) Schwegler III, 95. A. 2.
[band п.] — 339 —
mit den Tribunen: aber die jüngern G eschlechter, deren
hier zum leztenmale gedacht w ird , reizten und m ishan-
delten die Leute von der Gemeinde, sogar die Tribunen
wenn sie beschüzten: die älteren, ohne ihre Schuld zu
theilen, w ollten sie doch nicht bestraft w issen 838). Im fol­
genden J a h r wurden V iele wegen solcher V ergehungen vor
dem V o lk belangt : die alten Verhältnisse waren völlig auf­
g e le b t, man erwartete dass die Tribunen die Aushebung
hindern würden. D och fanden sich die Aequer getäuscht,
die in dieser Voraussezung die römische Land schaft über­
zogen. D as Ja h r 310 brachte Entscheidung. N eun T r i­
bunen promulgirten die Rogation dass ein Consul aus je ­
dem Stande genommen: einer von ihnen, C. Canuleius a),
dass das Connubium zwischen den Ständen eingeführt
werden solle. L iviu s B ericht von dem erbitterten W id er-
435 stand womit die P atricier diesem A n trag begegnet wären,
ist ohne Zweifel ein treues Bild der Gesinnung des stolzen
Adels seiner Zeit, und der Ausdruck tiefes Unwillens in
der Eede des Tribuns ist sein eigenes Gefühl : doch können
unmöglich alle patricische Geschlechter damals so au f die
ausgezeichneten plebejischen herabgesehen haben. Cn. Cor­
nelius und P . Licin iu s waren B rü d er39), und wahrschein­
lich vor dem canulejischen Gesez geboren40) : da die ei­
gentliche «Schwierigkeit dieser Ehen an den Auspicien lag,
sind sie füglicher gemischte als ungleiche zu nennen.
K luge Männer haben erkennen müssen dass der M angel
des Connubium das P atriciat untergrabe ; 1sie konnten auch
nicht übersehen dass dieses keine heftigere Feinde habe
als Männer die durch solche dennoch geschlossene Ehen
aus ihm entsprossen, und von ihm ausgeschlossen waren.
So in Griechenland K ypselus und viele Demagogen und
Usurpatoren der ältesten Z e it: so können auch die ent­
schlossensten Führer der römischen P leb e s, Sicin ius, G e-

838) Livius III. 65 : eine inhaltsreiche Stelle. «) Schweg­


ler III. 100. 39) Livius V. 12. 40) Wäre Livius Er­
zählung, wonach der Militartribun Licinius Calvus des Jahrs 359
Sohn von jenem, dieser damals ein Greis gewesen, sicher, so
•würde es entschieden seyn: allein die neuen Fragmente der ca-
pitolinischen Fasten sehen in ihm den nämlichen der das Amt
355 bekleidet hatte.
22*
— 340 — [band II.]
n u c iu s, V irgin iu s selbst, den patricischen Geschlechtern
dieser N am en nicht fremd gewesen seyn. — Demnach ward
au ch das canulejische P lebiscit von den Patres angenom­
m en. D a ss dessen Urheber im Senat wider die Aushebung
redet wom it die H errscher die Annahme der Eogationen
stören w o llte n 841), zeigt einen Zutritt der Tribunen in die
C u r ia 0), der offenbar ein neues E e ch t is t 42): und mit d e r 435
V e rfü g u n g dass die Senatusconsulte in das A rch iv der
A ed ilen ab g egeb en werden sollten, in Verbindung steht. Ihr
S iz w ähren d der Versam m lung w ar auf Bänken vor den
geöffneten T h ü ren 43). So hatten die Plebejer durch ihre
V e rtre te r Zutritt zu den Berathungen des Senats, ohne
S tim m e : w ie die Abgeordneten der Zünfte im 13 . Ja h r ­
hundert in vielen Städten zu Eathhaus gin g en , lange ehe
ihnen S iz im E a th eingeräum t w ard 44).
D ie erste Eogation über das Consulat ward nachher
dahin verändert dass es frey stehen solle ohne Unterschied
der Stän d e zu w ä h le n 45). D er Schein von Steigerung ist
gan z täuschend: vielmehr w ar vorauszusehen dass die W ill­
k ü h r eines vorsizenden P atriciers, und der Einfluss des
Stan des in den Centurien, das eingestandene Eech t verei­
teln w ü rd en , wenn nicht die Erw äh lu n g eines Plebejers

841) p a u c a in senatu ro c ifera tu s : Livius IV. 1.


«) Schwegler III. 85. 42) Mit Icilius Auftreten vor dem
Senat war es ein Anderes: so konnte es auch einer thun dem
die Versammlung sonst ganz geschlossen war. 43) Valerius
Maximus II. 2. 7. Dass die Thüren offen stehen mussten, liegt
in der Sache. 44) Und die Abgeordneten der polnischen
Städte nach der Verfassung von 1791. 45) Livius Erwäh­
nung (IV. 1 .) wonach zuerst die ' Befugniss nur zu einer Stelle
gefordert, dann der Anspruch bis auf unbeschränkte Wahl ge­
steigert worden, ist ein Misverständniss, welches sich im Grunde
durch die Sache selbst berichtigt. — Von diesen Eogationen redet
auch Diodor der freylich in vielfachen Irraälen befangen ist, in­
dem er ьіе iür beschlossene Geseie hält, und unmittelbar nach
der Abschaffung des Decemvirats sezt: nicht zu erwähnen, dass
die Centurien damals noch nicht Demus genannt werden dürfen,
und dass er den ganzen Zusammenhang nicht fasst: XII. 25.
twv — итсаттѵ тдѵ ßkv iv a èx тшѵ кат ріхш ѵ acpsta&at, xal
ra v e v a Tzdvrwç ànù той TzXijûouç хаМатасгд^аі • èÇoucrtaç oÜarjç
тш ôrjfMp x a l àp.<poTépouç toùç bndTouç èx tou i zÀ7j$ouç atpet-
criïat.
[band п.] — 341 —
unerlässlich feststand. Also w ar die zw eyte Rogation ein
Rückschritt ; grade wie hei der Verdoppelung der Quästoren
437 des Schazes: wo die Tribunen Theilung der Stellen gefor­
dert hatten, der Interrex verm ittelte, dass die W a h l aus
heyden Ständen freygestellt w erde846). A b e r diese N a c h ­
giebigkeit versöhnte die Patricicr nicht. Man haderte m it
äusserster L eid en schaft47): die Häupter des Senats rath -
schlagten in geheimen Zusammenkünften, und C. Claudius
rieth, die Tribunen zu ermorden48). Ändern däuchte dies
zu grässlich , oder zu ge w ag t: es ward ein V ergleich zw i­
schen den H äuptern des Senats und den Tribunen g e­
schlossen, der eine neue Verfassung, welche ich der Kürze
wegen die vom Ja h r 311 nenne, an die Stelle der decem-
viralisehen sezte. Von diesem V ergleich w issen die G e­
schichtschreiber n ich ts; er ist darum nicht weniger gewiss,
und ohne Z w e ife l, gleich griechischen Friedensschlüssen,
in der Form eines Gesezes gefasst werden: als Beschluss
von Senat und Curien, angenommen durch die Gemeinde,
wie es über die Einfü hrun g der Censur berichtet w ird 49).
Die Verbindung zwischen dieser und dem consulari­
schen M ilitartribunat a), und wie beyde Aemter verbunden
438 dem Consulat gleich standen, erkennen jene Schriftsteller
auch nicht: die Censur ist nach ihrer Meynung aus zufäl­
ligem Bedürfniss angeordnet worden. Unbefangene B e ­
schauung lässt über den Sinn und den Inhalt des V e r ­
gleichs keinen Zweifel. Das Decemvirat ward in seine drey
Aem ter aufgelösst, die nun völlig vereinzelt standen. V on
diesen blieben Censur und Quästur den Patriciern Vorbe­
halten ; jene w ard durch Senat und Curien, diese durch
die Centurien verliehen. Das Militartribunat ward von
sechs Mitgliedern auf drey herabgesezt: anstatt gleicher
Theilung W ählbarkeit ohne Unterschied eingeführt: eine

846) Livius IV. 43. — Forderung der Tribunen u i p a rs


quaestorum ex plebe fie re t: der Interrex vermittelt: m edm сори -
tarent concordiam — trib. pi. non intercederent quominus I V
quaestor es ' prom iseue de plebe ac, Patribus — fieren t . Worauf
manches Jahr die Wahl von Plebejern immer vereitelt wird.
47) noXXa xa z’ àXXiqXwv xal ß iata іХеубѵ re xal hzparzov. Zo­
naras p. 28 F. 48) Livius IV. 6. 49) Anm. 506.
a) Schwegler Hl. 114*
342 — [band u.]
B estim m u ng über deren drohenden N ach th eil die Plebejer
sich unm öglich täuschen konnten. A lle diese Zugeständ­
n isse wurden ihnen abgedrungen w eil sie das Tribunat
au ssch liesslich besassen: die Ueberzeugung dass die Ge­
schlechter irgend eine Theilnahm e an demselben benuzen
w ürden um es zu vernich ten , muss ganz tie f begründet
gew esen seyn, da es nicht mehr versucht ward um diesen
P reis die D ecem viralverfassung zu retten.

Das consularische Militartribunat.a)


D er B e g riff der V erfassu n g von 311 spricht die P a ­
tricier von dem Urtheil lo s, dass sie grossen W erth auf
den Sch ein gelegt die P lebejer vom Consulat auszuschliessen,
das W e sen aber hätten sie ihnen eingeräum t850). Dio macht
bem erklich dass kein einziger consularischer M ilitartribun, m
obw ohl mehrere von ihnen glänzende Siege gewonnen,
einen T riu m p h geführt h a b e 51). Daraus folgt dass sie die
curulischen Ehren entbehrt haben m üssen52) : denn der ei­
g e n tlich e Trium ph heisst triu m p h u s c u r u lis bZ) \ und gewiss
lie g t h ier eine B eziehung au f das Vorrecht der hohen
B eam teten sich au f einem W agen in den Senat zu begeben54):

a) Schwegler ІІГ. HO; Mommsen R. G. 1. 291. 85°) Zo­


naras а. а. О. t ой ß h іруои iгаре%й)р7)ааѵ, той âk àvôfiaToq
ob fi£Téâcoxav. 51) Ders. p. 29. a. 52) Livius Angabe,
IV. 7. Jm p erio et insignibus consularibus usos, gehört zu seinen
Uebereilungen. 53) Zu den Stellen welche die Wörterbücher
angeben, ist aus dem Monum. A n cyr. hinzuzufügen ( tres egij
curules trium phos: (Oberlins Tacitua H. p. 73S.). 54=) Festus
im Ausz. 8. v. curules , und Isidorus, angeführt zu Gellius III. 18.
Wenn diese Berechtigung mit der Magistratur aufhörte, so konnte
sie als Auszeichnung dem erblindeten Mefcellus bewilligt werden:
der Ausdruck qu i curulem magistratum gessissent (Gavius Bassus
bey Gellius a. a. 0.) ist falsch gewählt, statt gererent. — Ich
yermuthe dass der Dictator sich eines Wagens nicht nur bedienen
durfte sondern sollte ; und desshalb, nicht weil er eigentlich ver­
pflichtet gewesen die Legionen zu Fuss anzuführen, durch ein
Gesez berechtigt werden musste ein Pferd zu besteigen: Livius
fXXIU. 14. u. die Intpp. — Hierher gehört der versus quadra -
u s : D ictator ubi currum insedit vehitur usque ad oppidum :
[band п.] — 343 —
jene Ehre ist ihnen nicht gestattet worden, weil ihnen der
«curulische Eang fehlte. Auch kein Oberster der Ritter hat
triumphirt; es ist kein Gedanke daran dass* sein Amt zu
den curulischen gehöre; und die consularischen Tribunen
standen im Rang nicht über ihm855). Man begreift dass
440 das Amt herabgesezt ward, weil .es den Plebejern zugäng­
lich war: wenn aber die Macht die nämliche gewesen
wäre, so würde der Vorzug des Consulats eine Sache blosser
Eitelkeit gewesen seyn.
Eigentümlich auffallend an diesem Tribunat ist die
Veränderlichkeit der Zahl seiner Mitglieder, welche sonst
für alle Obrigkeiten im Alterthum durchaus feststeht; nie­
mals, wie jezt in Monarchien, nach wechselnden Rück­
sichten verändert ward. Von 311 bis 323 haben die Pasten
diese Magistratur fünfmal, und jedesmal drey Namen56):
von 329 bis 349 ' finden sich elf oder zwölf Collégien von
vier, und drey oder zwey von drey Militartribunen57): dann’,
so oft seit 350 bis zum licinischen Gesez solche Tribunen
erwählt worden, sind ihrer nie weniger als sechs gewesen ;
wohl aber kommen dreymal je acht vor58). Ueber das
erste dieser Beyspiele hat Perizonius erschöpfend ge­
handelt, und gezeigt, dass die beyden lezten Kamen
unter den achten allerdings die der Censoren des dama­
ligen Jahrs 352 sind, diese aber von Livius so entschieden
als Glieder des tribunicischen Collegiums betrachtet werden,
dass es jenes Jahr in der Reihe der Tribunate des M.
Camillus zählt59). Grade die nämliche Beschaffenheit hat
es mit den beyden ändern welche nie erwogen sind: wie

bis an die Stadtmauer (s. Varro), indem er ins Feld geht: da


besteigt er sein Ross. Von Romulus 'Wagenpracht redete die
Sage, von Trajan hingegen wird als Beyspiel seines animus civi­
lis angeführt, dass er in der Stadt zu Fuss gehe.
8 5 5 ) Livius VI. 38. Ein coneularischer Tribun wird zum Ma­
gister equitum ernannt, kein Consul jemals. 56) Denn für
321 müssen drey Tribunen angenommen werden, nach Diodor
XII. 53: unmöglich können die nämlichen Consuln zwey Jahre
nach einander regiert haben. 57) Das zweifelhafte Collegium
ist 333: s. Anm. 869. 58) 352: Livius V. 1 . 376. 01. 102.
1 . 377. 01. 102. 2. Diodor XV. 50. 51. 59) Perizonius
A nim adv. 2. p. 46. ff.
— 344 — [band II.]
fa st alles w a s Diodor für die ältere römische Geschichte
enthält, verachtet liegt. Im J a h r 4 75 waren Censoren, und
in der unter der A bschreiber Händen völlig entstellten ш
und verstümmelten L iste findet sich wenigstens der Name
des C. Sulpicius, der bey L iv iu s als einer derselben steht:
und in dem darauf folgenden Ja h r , wo nun vollständig acht
N am en stehen, sind C. Genucius und P . Trebonius die
Censoren welche anstatt derer des vorhergehenden Jah rs
erw äh lt w urden, aber ihr A m t als ungültig ernannt nie­
derlegen mussten 860). W ährend dieses Zeitraums kam die
Censur äusserst selten v o r: so oft sie aber neben dem Mi­
lita rtrib u n at ein tra t, muss sie au f gleiche W eise als ver­
bun den m it demselben betrachtet seyn , so dass alsdann
ach t T ribu n en gezählt w urden61). E s ist nur mit einer
u nerh eblich en Uebertreibung gesagt dass diese Zahl oft
vorgekom m en s e y 62).
E s w ird weiterhin klar werden dass die Censur da­
m als ohne V ergleich niedriger an W ürde und M acht stand
a ls früher und nachher; hier kommt nur zu erwägen, dass
die welche damit beauftragt waren den Tribunen beyge-
zä h lt w u rd en , ohne, streng genommen, zu ihnen zu ge­
hören . Z u derselben Zeit w ar aber das Tribunat nicht
a u f den K riegsbefehl beschränkt: gewöhnlich wurden zwey 442
H eere au fgestellt, jedes unter zw ey M ilitartribunen63):
von den beyden welche zurückblieben wird regelmässig,

860) Livius VI. 27. wo nur durch ein Versehen die Abdan­
kung der ersten und Erwählung der zweyten Censoren in das
Jahr 376 gesezt ist. 61) Bey dem Jahr 378 finden sich im
Diodor, allerdings die Namen der damaligen Censoren nicht
(Livius VI. 31.): es ist aber, wie echon die Vornamen, verglichen
mit Livius, darthun, die Nennung unvollständig, wahrscheinlich
durch Unlesbarkeit der Handschrift aus der unser Text her­
stammt: die Angabe dass vier Tribunen gewesen wären, rührt
wohl von dem nämlichen her der betrügerisch allenthalben die
Spuren von Lücken übertüncht hat. 62) S. die Stellen aus
Livius selbst, und der Rede des Kaisers Claudius, bey Perizo­
nius p. 47. 63) In den Jahren 360, 364, 369, 372, 377,
378 ; Livius V. 24. 32. VI. 6. 9. 22. 31. 32. 33. vgl. V. 6. 18.
28. VI. 23. 30. 64) Те, S e r. Cornell, praesidem huius p u ­
blici c o n s ilii, cmtodem religionu m } comitiorum, legum , rerum
omnium urbanarum , collegae facim us. Ders. VI. 9.
[band п.] — 345 —
wie es über 369 bestimmt gemeldet i s t 64), der eine
das A m t des Statthalters bekleidet haben; der andere,
als Befehlshaber der Reserve von Veteranen und Beurlaub­
ten, das ehemalige proconsularische 865) : mögen nun diese
Aemter durch Loos oder V erabredung zugetheüt seyn. Die
städtische P rätu r w ar aber nicht allein in den B e fu g ­
nissen nicht begriffen woran das P atriciat den Plebejern
in der V erfassu n g von 311 Antheil zugestanden, sondern
sogar nach dem licinischen Gesez blieb es jenem noch ein
M enschenalter ausschliesslich; und wie hätte dies anders
seyn können, da die Ertheilun g der E ic h te r, und die B e ­
wahrung des Besizes, dieser Stelle anvertraut w aren? W ä h ­
rend also die übrigen fünf, als bloss m ilitärisch, ohne U n ­
terschied der Stände verliehen werden konnten, muss diese
eine dem ersten Vorbehalten gewesen seyn : und wie dies
in den Jah ren 355 und 356 am T age lie g t , so verhält es
sich in der Th at auch bey dem einzigen J a h r ( 35 9 ) wo
die livianischen Fasten lauter Plebejer nennen66).
A u f gleiche W eise musste diese P rätu r . ehe das T r i­
bunat au f sechs Stellen gebracht w ard , ausserhalb dem-
443 selben seyn : und indem damals, wenn vier Tribunen Vor­
kommen, die E e gel w ar und seyn musste dass einer die
Stadt als P räfect hütete, während die ändern ins Feld zo­
g e n 67), so wäre jeder Zw eifel müssig ob dieser vierte, dem
die städtische P rätur in ihrem ganzen Um fang zugestanden
haben muss, nothwendig ein Patricier w ar: welches, da es
fast immer gelang die P lebejer ganz auszuschliessen, aller­
dings nicht zur Eede kam. E r war aber eigentlich eben
so wenig M ilitartribun als nachher die Censoren: sondern
College der Tribunen68) , Statthalter der Censoren. H ätte
Mamercus Aem ilius die Censur nicht abgekürzt, so dass
in jedem Lustrum während viertehalb Jah ren keine seyn
sollte, so würden vor der Veränderung von 350 nur Col­
légien von drey M ilitartribunen vorkomtnen, wie es, der

865) Oben S. 138— 140 . 66) Nämlich anstatt P. Mä­


nius nennen die neuen Fastenfragmente, und Diodor XIV. 90 .
Q. Manlius. 67) In den Jahren 3 *29 , 331 , 3 4 9 : s. Almelo-
yeens Präfecturfasten. A p . Claudium praefectum u rbi relin qu u n t :
Livius IV. 36 . Cossus praefu it u rbi. 31 . 68) Wie der Prätor
College der Consuln.
— 346 — [band п.]
V e rfa ssu n g yon 311 gem äss, der F a ll war bis das äm ili-
sche Gesez in W ü rku n g trat. So oft jener M agistrat zu­
g le ich mit M ilitartribunen bestand bedurfte es keines prä­
torischen Statth alters: daher w aren 337 nur drey consula-
rische T ribu n en , w eil in diesem J a h r , wie die F ra g ­
m ente der Fasten zeigen, Censoren waren : und diese Spur
leitet sich e r, auch wo diese Tafeln noch je z t, hoffentlich
n icht a u f immer, fehlen. D as J a h r 34 7 , wo ebenfalls nur
drey N am en sind, ist durch zw ey Lustern von 337 , durch
eins von 3 5 2 , welches auch Censoren hat, getrennt869). In
denen wo die Fasten vier Tribunen h a b e n , war sicherlich
keine Censur.
Ic h bin aus der jüngsten Zeit dieses Am ts gegen
seinen U rspru n g hinaufgegangen, um das Räthsel der ver­
änderlichen Zahl einleuchtend zu lö sen : ich wende mich
zurück, um die Abänderungen seines W esens auch in entge-
gen gesezter R ichtung vor A ugen zu legen.
W ie es als Th eil des Decem virats angeordnet gewesen,
b e d a rf hier keiner W iederholung. In der Verfassung von
3 1 1 w ard die Zahl der Collegen au f drey herabgesezt, ohne
U n terschied des Stands, weil die P atricier vertrauten durch

869) x>a a J a h r 3 3 3 ist demnach das zweyte einer Censur; da


also die lezten sechs Monate ohne Jurisdiction gewesen seyn
würden, so dürfte Livius hier den Collegen ausgelassen haben,
und Sigonius Vermuthung (zu IV. 42.) es fehle der Name des
L. Servilius, von dem es IV. 47. heisst er sey schon einmal con-
sularischer Tribun gewesen, eine Bestätigung erhalten die er
nicht ahnden konnte. Die Statthalterschaft wird, wie nach 350
die Censur, im Militartribunat gezählt haben : aber nicht in allen
Fasten. — Ich weiss kaum etwas erfreulicheres als wenn es ge­
lingt einer Divination unserer Vorgänger, welche für sie ausge­
macht war, für die minores unerwiesen blieb, einen Beweis zu
schaffen: wir vergelten ihnen mit Wohlthat nach Jahrhunderten:
auch mir wird es nicht an ebenso gesinnten Nachkommen fehlen.
Schade dass für jenes Jahr die Fastentafeln mangeln, und Dio­
dorus die Tribunen desselben mit den Magistraten von drey än­
dern auslässt, um die Synchronistik der gallischen Eroberung
auf 01. 93. 1- zu bringen. — Wenn Mamercus Aemilius das Ge­
sez welches die Сепьиг abkürzte 321 annehmen liess, so konnte
es doch die damals bestehenden Censoren nicht treffen: und
hinderte C. Furius und M. Geganius nicht, wenn sie gleich schon
320 im Amt waren, 322 und 323. die Jurisdiction zu haben.
[band п.] — 347 —
die Macht des bey der W ah l Vorsizenden, und durch die
censorische Gew alt über die W ählerlisten, die plebejischen
Candidaten auszuschliessen: eine Erw artu n g welche sie,
445 nach dem ersten F all; nicht täuschte. Jed esm al entschied
der Senat ob die W ah l von Consuln oder M ilitartribunen
angesagt werden solle: man zog jene vor, weil bey ihnen
ohne M ühseligkeit und Verdruss Stimmen für einen plebe­
jischen Candidaten schlechthin abgewiesen wurden: nach
dem ämilischen Gesez trat ein Statthalter, der noth wen­
dig nur Patricier seyn konnte, wie die Censoren selbst, an
deren Stelle, wenn sie fehlten und die W ah l von Tribunen
nachgegeben werden musste.
Mit dem J a h r 350 begann eine durchaus verschiedene
M agistratur unter demselben Namen. Die Prätur, von der
Censur getrennt, ward mit dem Tribunat vereinigt: sie
blieb den Patriciern Vorbehalten; als eine der Stellen des
Collegium, dessen ursprüngliche Zahl, sechs, hergestellt
war. Die übrigen fün f waren nun ohne Unterschied w äh l­
bar wie jene drey des bisherigen Tribu n ats: nur ein ein-
sigesmal fand die ursprünglich verordnete gleiche Theilung
Statt: von diesen fünf hatte einer den B efehl über die R e ­
serve, sobald es nöthig schien sie zusammenzuziehen. W ie
nun die innere V erfassung des Collegiums so durchaus ver­
ändert worden, kann es nicht unwahrscheinlich genannt
werden wenn ein Bericht bey der W ah l des Ja h rs 359 von
der Prärogativa, und den übrigen nach ihrer Ordnung be­
rufenen Tribus red et870). D a die Abstim m ung der Tribus
in der Republik immer mehr W ich tigk eit gewann, und ihr
Beschluss gleich denen der Centurien durch die B estäti­
gung der Curien souveräne Gültigkeit erhielt, so kann a l-
446lerdings die W ah l wohl an sie übertragen seyn : und da
dem Volk damals vieles eingeräumt ward, so könnte es auch
eine W ahlform erhalten haben welche besser als die der
Centurien gegen Misbrauch gesich ert schien. Jedoch bauen
lässt sich auf diesen Bericht nicht sich er, indem er mit
der sehr ungewissen Erzählun g unzertrennlich verbunden
ist dass der Licinius Calvus in jenem Ja h r, Sohn des ersten
consularischen Tribu n s dieses Nam ens gewesen sey. W elche
Wahlform aber auch bestand, so ward sie nun ohne Zweifel

87°) Livius V. 18.


— 348 — [bakd п.]
%
eb enfalls au f die Censoren angewandt, die damals Collegen
der Tribunen w aren: und wenn ein Trebonius 376 zur
Censur erwählt w a r 871), so bedarf .es keines Beweises dass
es nicht durch die Curien geschehen seyn kann.

Die Censur.“)
Ich habe schon angedeutet dass in der Verfassung
von 311 diese es waren welche sie verliehen: wo sich denn
ve rste h t dass die Centurien sie bestätigten. D aher die selt­
sam e Anom alie dass in der Fo lge ihre Comitien zweymal
über die Censoren stim m ten72): welches vom A nfang her
n icht bestanden haben kann ; wohl aber konnte, wenn die
W a h l später den Patriciern entzogen w ard, die frühere
B estä tig u n g der Centurien als eine unbedeutende Förmlich­
k e it bleiben : umtauschend sie an die Curien zu übertragen,
w ä re bedenklich gewesen und der R ichtung der Zeit grade m
widersprechend. So würden auch die Curien vor Servius
T u lliu s nicht zweym al über den nämlichen König gestimmt
haben, wenn von A n fa n g , wie seit Tarquinius, die wäh­
lende und die bestätigende Versam m lung dieselbe gewesen
w ä r e , nicht die lezte einen viel weiteren Umfang gehabt
h ä tte 73). %
E s w ar aber die Ernennung durch die Curien die
O rdnung welche seit der Vorkommniss von 272 für die
vornehm ere Stelle im Consulat in K ra ft gewesen war, an­
gew an d t au f die bey weitem w ichtigere Hälfte der consu­
larisch en Macht. A ls 350 die P rätu r von dieser geschieden
w urde, hatte es für die P atricier ungleich weniger W ich­
tigk eit sich im ausschliessenden B esiz der Verleihung zu

871) Diodor XV. 51. Die Trebonier waren Plebejer, —


die in jenem Jahr ausgeführte Theilung der Stellen auch auf
die Censoren angewandt, — und dies offenbar die Ursache weshalb
sie abdanken mussten. . «) Schwegler III. 117; Mommsen
R. G. I. 435. 72) Cicero adv. H ull. II. 1 1 . (26.) maiores
d e om nibus magistratibus bis vos sententiam fe r r e voluerunt. nam
cum centuriata lex censoribus fereba tu r , cum curiata ceteris pa~
tric iis m agistratibus , tum iterum de iis iudicabatur u t esset re-
p reh en d en d i potestas. 73) Th. I. S. 379.
{band п.] — 349 —
erhalten, wenn sie, so lange die Cênsur mit dem M ilitar­
tribunat verknüpft b lieb , das E e ch t zu verwerfen hatten.
— lieber die P rätu r ist das Nöthige an seinem Ort. g e ­
sa gt: hier habe ich die Beschaffenheit und die Befugnisse
des eigentlichen censorischen A m ts zu entwickeln.
Diese waren ursprünglich die V erw altun g des E ig e n ­
thums und der Einkünfte der Republik, als Käm m erey und
Bauherren : die Verzeichnung der B ürger nach ihren S tän ­
den, als Ritter, gemeine Vollbürger und Aerarier, und die
H altung der Steuerrollen. E in solches G eschäft w a r , so
lange es sich darauf beschränkte Sorge zu tragen dass die
Schreiber diese A rb eit treu führten, obwohl unentbehrlich,
448 ohne W ürde und A nseh en : und wenn L iv iu s sich erinnerte
dass damals die Einnahm e vom Gemeinland höchstens im
H utgeld bestand, mithin beydes Verpachtung und V erw en ­
dung des E rtra g s unbedeutend waren, und es ihm entging
dass die P rätu r mit dem A m t vereinigt w a r, so hatte er
sehr recht zu sagen es sey an sich ein geringes gewesen.
Eben so rich tig sezt er hinzu: man habe ohne Zweifel
eingesehen dass es in den Händen vornehmer Männer mäch­
tig werden m üsse874) : nämlich durch W illkühr womit sie
•den Stand der B ürger bestimmten, und die A bschäzung
des steuerpflichtigen Vermögens anordneten. D iese begann
vielleicht unmittelbar mit der Einrichtung des A m ts, wuchs
fortwährend, und um so mehr als die alten Formen morsch,
und allm ählig nicht mehr durch angemessene ersezt w urden;
bis dasselbe, da die bürgerliche Ordnung sich aufgelösst
hatte, als eine unentbehrliche despotische M acht herrschte
und gehasst ward.
Die Censoren waren beauftragt in den Senat, den R it­
terstand und die Stämme einzuschreiben, und hingegen
die Unwürdigen auszuscbliessen75): wer aus der Rolle sei­
nes Stamms gestrichen ward kam vor A lters nothwendig
unter die Aerarier, oder in die Tafeln der Cäriten76): seit

874) futurum credo rati ut mox opes eorum qui praeeesent


ipsi honori iue maiestaiemque adiicerent. XV. 8. 75) Zonaras
p. 29. b. èÇvjv аЬтоід — èg ràg <pukàg, xal èg ттгу Ітикада, xal
èg rijv yeoouarcav èyypdç>etv — тодд ô ’ obx ей ßioüvrag â n a v-
та%0$£ѵ èÇaÀectpetv. 76) Der falsche Asconius angef. Th. 1 .
Anm. 1085. Wenigstens darin ist bey ihm Irrthum dass die
— 350 — [ВАЯВII.]
der Unterscheidung vornehmerer und geringerer Stämme
im Y e r fo lg der Zeit auch wohl in einen minder achtbaren.
Z u v e rlä ssig haben die Geseze von jeher zu Eom schändliche
V ergeh un gen mit bürgerlicher En tehrun g bestraft, nicht ш
m inder als zu A th e n mit Atim ie : der B egriff eines indicium
tu rp e ist wesentlich dass es diese m it sich führe: ein schur­
kisch er Vorm und oder H andelsgenoss, ein Meineidiger, ein
D ie b und Eäu ber, oder andre Uebelthäter der A r t 877), hatten
alle bürgerliche E h re verbrochen, und waren durch das
U rth eil w elches ihre Schuld aussprach aus Stand und Stamm
au sgestossen. H ie r vollzogen die Censoren nur den A u s­
sp ru ch des G erich ts: eben so wenn sie den der ein ent­
ehrendes Gew erbe erw ählt hatte, oder schmählich vom
H e e r fortgejagt war, ausstrichen : einen solchen Schuldigen
hätten sie zuverlässig auch einstimmig nicht wieder in
bü rgerlich e E h re einsezen können. Anders war es wo sie
n a ch eigener Ueberzeugung der Unwürdigkeit, nicht in V oll­
ziehung eines Eichterspruchs verfuhren. Eine solche cen-
sorische Notation w ar allerdings kein U rtheil, und ward
unzähligem al, bald durch den Collegen dessen der es aus­
g esp ro ch en , bald durch N ach fo lg er, aufgehoben78). Sie
fan d S ta tt bey v iele n , an sich oder durch die Gesinnung
aus der sie hervorgehen, entehrenden Handlungen, welche
von den Gerichten nicht geahndet werden können, oder
kaum je vor sie gelangten, — deren E ü g e den Censoren
ü berw iesen w ar. D er Client dem ein unwürdiger Patron 450
tre u lo s, der K necht dem sein H err grausam begegnete,
konnten nur zum Himmel rufen : vernahmen aber Censoren
w ie Cato und Flaccu s die M issethat, so entzogen sie dem
Sch u ld igen die bürgerliche Ehre. Uebermaass der Härte
oder N a ch sich t gegen die Kinder, K rän kung der schuldlosen

Versezung unter die Aerarier nur auf die Plebejer bezogen wird.
Was Gellius IV. 12. aerarium fa ce re nennt, heisst ihm XVI. 13.
in tabulas Caeritum re fe rri (durch die Schreiber) iubere.
877) Cicero pro Cluent. 42. (119). turpi iudicio damnati in
perpetu u m omni honore ac dignitate p riv a n tu r . Ueber dies iu d i-
cium s. die bey Brissonius s. v. turpis gesammelten Stellen.
?8) Was Cicero a. a, 0. u. ü . über den Unterschied der censo­
rischen Notation von den Folgen eines iudicium turpe sagt ist
ganz genau richtig, und wird nun klar aeyn.
[band п.] — 351 —
E h e frau , Vernachlässigu ng der A eltern , Eigennuz gegen
G eschw ister, G elage , Verführung oder Verw ahrlosung der
Ju g e n d , Unterlassung der Sacra und Todtenehren; über­
haupt jedes Vergehen wider Ziemlichkeit und öffentliches
W o hl, ward von den Censoren geahndet879). Zu diesen
lezten V ergehen gehört der L u x u s, dessen B estrafun g an
Vornehmen, in der Zeit wo die Liebe der guten alten Sitte
und die Versuchung ihr untreu zu werden zusammenstiessen,
die berühmtesten Ueberlieferungen von censorischer Strenge
gewährt. M uthw illige Eh elosigk eit, oder eine gesezlich
ungültige E h e , ward von ihnen geahndet, weil .der S ta a t
dadurch an B ürgern arm w a rd 80) : sicher also auch das
Aussezen eines nicht missgeschaffenen Kindes. Die P le ­
bejer waren wesentlich Ackerleute; wer diesem B e ru f ent­
sagte, und Kramhandel oder Handwerk erwählte, entsagte
451 seinem Stan d e81) : und der Censor w ar verpflichtet seinen
Namen auszustreichen. W e r seinen A ck er oder seinen
W ein berg verwildern lie ss, zeigte sich seines Stands und
des ihm von der Republik übertragenen Eigenthum s un­
würdig, und ward aus der Tribus ausgeschlossen82).
A u s demselben Grunde w ar es im Gegentheil nur
billig wenn der A era rie r, welcher den Stand des L a n d ­
manns wählte, in die Tribus eingeschrieben ward in deren
Region er sich an gekauft hatte: und hätte A ppiu s Claudius
nur solche, nicht die städtische M en ge, der Plebs einver-
leibt, so w äre gegen die Aufnahm e auch von Freygelasse­
nen mit F u g nichts zu erinnern gewesen. A b e r er hatte
Alle ohne Unterschied in die Tribus vertheilt: und hier
zeigt sich nun die censorische Machtfülle im höchsten
Uebermaass, indem die Ordnung wodurch Fabiu s M aximus
dem Uebel abh alf, bald verlassen, bald hergestellt, bald

879) So berichtete Dionysius — exc. M ai. 64. ed. R . (p. 97.


Frankf. Ausg.) mit einer Bestimmtheit die keinen Zweifel zu­
lässt. 80) Dies ist wohl gewiss der Sinn der Formel u x o r
liberorum quaerendorum causa . 8*) obôevl è$yjv 'Poipaicw
(hier sind die Aerarier vergessen) o bre х ащ коѵ obre % eip°-
ré^VTQV ßtov. Dionysius IX. 25. p 583. c. Die Strafe
konnte nur censorische Notation eeyn. 82) Gellius IY. 12.
— A grum male colere censorium probrum iudicabatur, Plinius
ХѴЛІ. 3.
— 352 — [band hJ
in noch, engere Gränzen gezogen , ja 569 eine allgemeine
U m sch reibu n g der Tribulen vorgenommen ward.
A llein wiewohl die Censoren die Rechte des römischen
B ü rg e rs so willkührlich mehren und mindern konnten, so
g ie b t es doch kein B eysp iel dass sie das Bürgerrecht selbst zu
ertheilen oder zu entziehen befugt gewesen wären. W enn sie
Frem de zur Schäzu ng zuliessen, so w ar es K raft eines vom
röm ischen Y o lk ertheilten Anrechts ; und den Aerarius konnten
sie nicht tiefer herabsezen. A u ch kann nichts eigenmäch­
tige s dabey gedacht w erden, wenn es heisst die Censoren
hätten neue Tribus, aus fremden Gemeinden die das volle
B ü rg e rre ch t erhielten gebildet, zu den bestehenden hinzu- ш
g e fü g t 883) : dies meldet nur dass sie und keine andre curu-
lisch e M agistratu r das G esez, welches die Tribus anord­
nete, vor dem Volk in A n tra g brachten. W illkühr konnte
d abey unm öglich Statt finden, da kaum etwas für den Zu­
stan d der Republik so folgenreich w ar wie die Einrichtung
so lch er: und die Ertheilun g des vollen Bürgerrechts an
M unicipien w ar so sehr eine H andlung der Hoheit dass
die Tribunen im sechsten Jahrhundert nicht einmal dem
S e n a t die B efu gn iss zu einem V o rsch lag darüber zugestehen
w o llte n 84). F reylich standen die B ürger sympolitischer
O rte den übrigen A erariern g le ic h : aber für die Republik
w a r es etw as ganz anderes ob die Censoren Einzelne, die
zu Rom leb ten , mit den einheimischen Römern vielfach
verbunden w aren, — oder ob sie gesonderte, zum Theil
en tfern te, fremde Gesammtheiten zum R echt der Quiriten
erhoben.
A u c h die P atricier, als in den allgemeinen Tribus
begriffen, waren der Schande dort ausgestrichen zu werden
a u sg esez t: der Aerarius stand dem B ü rger, nicht mehr
dem P leb e jer im alten Sinne, entgegen. A b e r in Hinsicht
des patricischen Ritterstandes konnte sich die Macht der
Censoren nur auf Bew illigu ng und Entziehung der Ritter­
pferde erstrecken : für den plebejischen muss es allerdings
schon an fänglich von ihnen abgehangen haben ihn zu er-

8 8 3 ) tribus additae propter поѵоа cives — censores addide -


ru n t Q. P u b liliu s, Sp. Postum ius: Livius ѴШ. 17. 84) Livius
XXXVIH. 36.
[band п.] — 353 —
453 ganzen, nnd von Unw ürdigen zu reinigen. D ie M eynu n g
dass vor A lte rs die Inhaber der königlichen G ew alt den
Senat willkührlich aus Befreundeten zusammengesezt hätten,
verkennt gänzlich das W esen desselben: andre als solche
die èich Atim ie zugezogen hatten vom Senat auszuschliessen,
können die Censoren kaum befugt gewesen se y n : wohl
aber w äre es den damaligen Verhältnissen angemessen,
wenn ein G esez, dessen N am en, Urheber und Umstände
unentschieden dahinstehen müssen, sie anwies denselben
nach den Curien durch die Besten zu ergän zen 885). P le ­
bejer welche dem consularischen Tribunat vorgestanden
geh abt, konnten nicht ausgeschlossen se y n : mochten sie
nun ausser der Zahl stehen, oder die A bordnung der Cu­
rien um so viele Stellen vermindert w erden: wohl aber
ist es wahrscheinlich dass damals die A b sic h t w ar die
Zulassung aus ihrem Stande auf sie zu beschränken.
Die V erw altu n g des Vermögens der R epublik w ar den
Censoren ohne Zw eifel vom A n fan g her eben so vollkom­
men überlassen wie in den späteren Zeiten ; wo sie nicht
nur an unterthänigen Orten Zölle und A c cise wie es ihnen
gefiel errichteten, sondern den Preis sezten wozu die P a c h ­
ter der Salzw iesen in Rom selbst und in den Bezirken
454 und M arktflecken römischer B ürger das Salz verkaufen
durften86). Die V erpachtung der Zölle und ähnlicher E in ­
künfte, so wie die V erd in gu n g öffentlicher A rb eiten , w ar
ihnen überlassen, doch so dass der Senat mit billigen
Erm ässigun gen einschritt87). Der Sch o ss, fest in G eld
bestimmt, w ar der V erpachtung nicht unterworfen. Ih n

885) Festus s, V. praeteriti senatores . Ein wunderlicher Ar­


tikel a), an dem Scaliger und A. Augustinus mit vollem Recht
Anstotis genommen haben: doch lässt sich allenfalls die Angabe
dass auch die Consulartribunen die Liste der Senatoren verfasst
hätten, von den Censoren deuten als diese zu ihnen gezählt wur­
den : und ich will nicht verschweigen dass mir eine Möglichkeit
klar ist, jenes Gesez, dessen Namen auf alle Weise verschrieben
ist, könnte wohl um vieles jünger seyn. 8б) Livius XXIX.
37. XXXII. 7. XL. 5 1 . 87) Ders. XXXIX. 44. Polybius
VI. 17. Die Gesuche der Publicani um Nachlass in Ciceros.
Zeit, sind bekannt.
a) Schwegler III. 121. A. 3.
Niebuhr, Köm. G-esch. 23
— 354 — [band ir.]
Erhoben die Tribunen des Aerarium, wofern er nicht zum
Behuf des Solds ausgeschrieben war, und der Soldat ihn
unmittelbar vom Zahlungspflichtigen einforderte, wie der
Reisige das Ritterpferdsgeld. Doch bey der Einführung
der Censur ward noch kein Sold gezahlt, und schwerlich
yeranlassten damals andre Zwecke dass ein Tributum aus­
geschrieben888) ward. Ob dies geschehen, und welche
Summe aufgebracht, mithin wie viel vom Tausend des
Census, dem Massstab wonach der Schoss berechnet ward89),
entrichtet werden sollte, entschied der Senat ausschliess­
lich, so wie er allein Zahlungen aus dem Schaz anwies90):
bey ihrer grössten Entwicklung hat die Demokratie doch
nie Anspruch gemacht die Steuern zu bewilligen. Die
Comitien konnten die Kriegserklärung verweigern: hatten
sie aber den Zweck beschlossen, so war die Regierung
berechtigt die Mittel dafür aufzubieten: Geld und Menschen.
Eine Landgemeinde von vielen Tausenden ist doch nur
Repräsentation der Nation, wie eine nicht erwählte Be­ 455
hörde im Besiz der nämlichen Befugniss seyn kann : wenn
irgend eine Vertretung, in den unendlichen Formen die
von dem einen zum ändern dieser äussersten Punkte sich
folgen, der Regierung die Mittel der Erhaltung des Staats
versagt, so sind die Gränzen überschritten innerhalb wel­
cher Herrschaft und Freyheit, Staat und Nation, sich ab­
wechselnd beschränken. Es ist Krieg, und eine der bey­
den Mächte muss unterliegen: Usurpation oder Revolution
ist vor der Thür. Dahin konnte das tribunicische Veto
gegen die Zahlung des Schosses nicht führen, denn es
ward damit vor dem gallischen Krieg nur gefordert dass
der erste Stand redlich von seinem Besiz des Gemeinlands
steure: wie vor Zeiten, als die fürstlichen Domainen sehr
gross waren, als die Bedürfnisse des Staats gar nicht
ausser Verhältniss zu ihrem Ertrag standen, die Stände
Subsidien verweigern konnten ohne mehr als eine Ver­
legenheit für den Fürsten hervorzubringen. Nachher er­

88S) indicere , imperare . 89) Livius XXIX. 15. XXXIX.


44. Auch XXXIX. 7 : denn dio Rückzahlung geschieht nach dem­
selben Fuss wie die Zahlung, Dies genügt hier: die Erklärung
der Stelle bleibt bis zu ihrer Zeit verschoben. 90) Poly­
bius VI. 15.
[bandII.] — 355 —
klärten die Tribunen mit dieser Verwahrung, dass die
Wucherer ihre Forderungen nicht sollten geltend machen
können wenn die Republik Vermögenssteuer von den Grund­
stücken erheben wolle von deren Ertrag jeder As an den
Gläubiger kam: oder, mit ändern Worten, sie verwiesen
den Senat, wofern kein billiges Abkommen für die zu
Grunde gerichteten Landeigentümer getroffen würde, an
eine auf die Geldeigenthümer aüszuschreibende Vermögens­
steuer. Auch war dieses Veto durch die Regellosigkeit
der tribunicischen Gewalt ohne Vergleich weniger gefähr­
lich als wenn es in scheinbar streng rechtlichen Formen
ausgeübt wäre.
So weit waren die Römer davon entfernt die Besteu-
rung als dem Willen des Volks überlassen, und den Be­
schluss darüber als die grosse Angelegenheit der Freyheit
zu betrachten, dass sich wohl ausser der auf die Frey­
lassungen gelegten Abgabe von fünf vom Hundert kein
einziges Beyspiel findet wo die Gesezgebung hierüber ein­
getreten wäre. Selbst der Senat überliess die Anordnung
des Schosses ausschliesslich dem Gutdünken der Censoren.
Camillus und Albinus belegten die Hagestolzen mit einer
schwereren Belastung, und zogen die Waisen unter die ge­
wöhnliche Steuer891) : Cato und Flaccus unterwarfen Klei­
der und Schmuck der Frauen, und Wägen über einen ge­
wissen Preis, der Besteurung; sezten den Steuerwerth
kostbarer junger Sklaven auf den zehnfachen Betrag ihres
Kaufpreises und bestimmten für alle diese Gegenstände,
deren Besiz sie- strafen wollten, eine höhere Abgabe92).
Diese Bey spiele allgemeiner Verordnungen sind zufällig
erhalten: vielleicht sind wenige Censuren gewesen deren
Edict nicht einige Aenderungen solcher Art gebracht hätte ;
keine einzige so milde dass nicht einzelnen Bürgern eine

891) Plutarch Camil. p. 129. d. Valerius Maximus П. 9. 1.


Щ Livius XXXIX. 44. his rebus omnibus terni in m illia
aeris attribuerentur : welches nicht erwähnt seyn könnte wenn
nicht drey Asse mehr als das gewöhnliche Steuerquotum waren.
Das Simplum wird ein As von tausend gewesen seyn, wie es
den Colonien zur Strafe aufgelegt ward. — Plutarch Cato Censor.
p. 346. d. hat einige Verschiedenheit, aber in Dingen die hier
übersehen werden können.
23*
— 356 — [band п.]
v ielfa ch e V ersteuru ng ihres Census au f erlegt wäre, wie es
s ic h C. Fu riu s und M. Geganius gegen einen der ersten 457
B ü r g e r erlaubten893). H iern ach, und nach der V erviel­
fa ch u n g des W erths jener Sk laven , ist es klar dass auch
b e i dem röm ischen Census der wahre B etrag des E ig en ­
th u m s, und die B erechnung desselben zum Schoss, ver­
schieden w aren 94) : aber au f eine ganz andere W eise als
in der atheniensischen Steuerordnung. Denn in dieser
w a rd d as sämtliche Verm ögen veran sch lagt, aber nur ein
T h e il d avo n , und für die geringeren K lassen ein kleinerer,
als schosspflichtiger Census ausgeäondert, von diesem der
näm liche A n th eil gesteuert : zu Rom kam ein sehr grosser
T h e il, w eil er nur B esiz war, nicht in A n schlag, ja man­
ches Eigen th u m w ar davon ausgeschlossen: für gewisse
A rte n desselben w ar der Census m ehrfach der abgeschäzte
W e r t h ; und von dem selben, in einzelnen Fällen vom ge­
sam m ten Census, musste überdies ein mehrfaches Simplum
e rle g t w e rd e n : dagegen findet sich keine Spur dass, von
d er G ränze an wo Besteurung eintrat, das mindere V e r­
m ögen begünstigt wäre*
D ie Calculatur und die Führun g der Begister waren
d as G esch äft von N otarien; deren Inn u ng, aus F re y g e ­
la sse n e n bestehend, sicher über die Einsezung der Censur
hinaufreicht : die eigentliche Schreiberey mochte grossen-
theils den Knechten des Staats aufgetragen seyn welche 45s
als D ienerschaft der Censoren erwähnt w erden 95) : sie waren
aber auch sonst unentbehrlich um Ordnung zu halten, und
für vielfache A ufträge.
E s ist gew iss keine Ursache anzunehmen dass die
TJ eberschreibung ungeschickter und nachlässiger geschehen
sey als g e gen w ärtig96) : eben so gu t wie jezt haben einzelne

8 9 3 ) Livius IV. 24. 94) Böckhs Entdeckung des Unter­


schieds, und Ergründung des Verhältnisses der obaia und des
t tßrjßa (Staatshaush. Th. П. Anf.) bieten, neben ihrem eigenen
hohen Werth, ein lehrreiches Beyspiel wie Schriftsteller des
Alterthums, welche sonst mit Eecht im höchsten Grade Autorität
sind, sich in Irrthümern verfingen, welche ihre unmittelbaren
Nachfolger nicht ahndeten, die kritische Philologie aber darlegen,
und die von jenen nicht geahndete Wahrheit finden kann.
95) Livius XLIH. 16. 96) Ich kenne selbst sehr alte Kata-
[bjüsd II.] — 357 —
Stücke, die den Eigenthümer veränderten, vermessen, und
in den Steuerregistern ab und zugeschrieben werden können.
Indessen liess sich für den allergrössten Theil des schoss­
pflichtigen Landes die Ordnung im Kataster viel leichter
und sichrer bewahren wenn die assignirten oder quästo-
rischen plebejischen Hufen geschlossene Höfe bildeten,
von denen nur im Unzialverhältniss einzelne Theile an
neue Eigenthümer übergehen konnten: eine Bestimmung
ohne welche die agrarische Controverse vom Modus offen­
bar nicht denkbar wäre. Auch ist, so weit römische Ein­
richtungen in den Anfang des Mittelalters herabgehen, und
Italien nicht longobardisch geworden war, die Veräusserung
von Unzialtheilen eines Fundus in Gebrauch geblieben:
ja bis auf den heutigen Tag hat sich um Eom und in
Latium ein Landmaass erhalten welches mit seiner Be­
nennung aus dem Grundbuch herstammt. Die Pezza ist
das alte Jugerum897), der Eubbio von sieben Pezze die

8ter — namentlich in Italien einen aus dem XV. Jahrhundert, —


deren Genauigkeit ganz vollkommen zu seyn scheint; und gewiss
war man damals nicht geschickter als in den früheren Jahrhun­
derten der Eepublik.
897) Nach der Bestimmung des römischen Fusses zu 0,29624
Met. wie sie durch Cagnazzis Untersuchungen ausser Zweifel
steht, enthält das Jugerum 25 Aren 27,4343 Centiaren: während
die Pezza (nach der tavola d i riduzione ecc. Eom 1811. p. 78.)
26 Aren 40,6224 Centiaren enthält. Der römische Fuss hat sich
im Verlauf der Zeit zu 0,29789 Met. vergrössert: wonach 28800
Quadratfuss 25 Aren 55,6674 Centiaren gleichkommen. Aber nicht
nur im Mittelalter mag man die Kunde vom genauen Flächen­
inhalt des Jugerum verloren gehabt haben, sondern das gegen­
wärtige Landmaass, der Eubbio, könnte dem von sieben Jugern
nicht vollkommen entsprechen. Denn es ist offenbar durch eine
gesezliche Eeform seit der Herstellung der Wissenschaften einge­
führt: es soll das Areal der Aussaat von 640 Pfund Weizen
(also 40 Modien, wenn das Gewicht unverändert wäre) seyn: die
Pezza, als Siebentheil beybehalten, ist auf ein fremdes Maass­
system, catene und staioli , angepasst; aus dem Parallelogramm
von zwey Actus in ein Geviertes von ]6 Qu. Catenen gebracht.
Dennoch ist es unmöglich die wesentliche Einerleyheit von Pezza
und Jugerum bey einer Differenz die, nach dem jezigen römischen
Fuss, noch nicht 4 Procent machen würde, zu verkennen. Und
— 358 — [banb II.]
plebejische Hufe von sieben Jugern898): der Karne offenbar 459
rubrum\ der Katasterabschnitt: so genannt weil der Name
des Fundus mit rother Dinte geschrieben, darunter einge­
tragen stand wer das Eigenthum habe, und wie es sich
verändere. Es ist sehr anziehend den täglichen Geschäfts­
verkehr des Alterthums zu errathen: so bemerke ich hier
dass die Zeugen dienten, um zu erweisen dass der Er­
werber in der That derjenige sey dessen Namen in den
Bürgerrollen, entweder unter seiner Tribus oder als Aera­
rius, eingetragen stand: indem der blosse Ausbürger so
wenig als ein Fremder Liegenschaften erwerben konnte:
von allen Eigenthümern, die in den nach den Eegionen 4so
angelegten Grundbüchern99) unter einem Rubrum genannt
waren, musste das Caput sich dort finden. Begab sich
also für dieses die höchste Deminution, indem einer das
Bürgerrecht aufgab, so ward auch sein Naine unter dem
Rubrum gelöscht. Hatte er das Eecht des Exilium be-
nuzt um einem Urtheil zu entgehen, und ward Aechtung
gegen ihn ausgesprochen, so verfiel das Grundstück ohne
Zweifel an den Staat: war es aus andrer Ursache gesche­
hen, so stand es offen: niemand war da um es zu vindici-
ren wenn irgend einer sich in Besiz sezte, der dann durch
Usucapion Eigenthum daran gewann. Die Möglichkeit
einer solchen Einbusse genügte damit der Eigenthümer,
ehe er wegzog, verkaufte; oder, was für die Republik hin-
reichte, wenigstens zum Schein an jemanden übertrug von
dem sie den Schoss einfordern konnte. Hatte er einen
Sohn in seiner Gewalt, und liess diesen zu Eom, so trat
derselbe an des Vaters Stelle, als ob sie durch dessen Tod
erledigt wäre: später war ganz gewiss das Eecht der
Uebersiedelung für Eömer, wie umgewandt für Italiker,
auf die beschränkt welche Kinder zurückliessen900).

welches andre Beyspiel fände sich von einer Maaeseintheilung


durch sieben?
898) Oben S. 184. 99) Daher Cicero pro Flacco 32.
(80) : in qu a irib u ista p ra e d ia cemuisti ? Tribus steht hier und
sonst statt Eegion, weil sie denselben Namen führten.
300) Livius XLI. 8.
[band п.] — 359 —

Innere Geschichte von 311 bis auf den lezten


vejentischen Krieg.
Die Willkühr in der Bestimmung des Census, und die
461 ausschliessende Handhabung der Register, gewährten den
Machthabern Mittel die Centurien auf eine für die Comitien
meistens entscheidende Weise einzurichten. Konnte der
Census als Strafe vervielfacht werden, so hat dasselbe
unter dem Schein wohlverdienter Belohnung geschehen
können: ungleich häufiger konnten allgemeine Bestimmun­
gen verordnet werden, durch deren Anwendung das Ver­
mögen der einen höher, der ändern niedriger in den Klas­
sen zu stehen kommen sollte : und wie viele Unwahrheiten
wird man sich geradehin erlaubt haben um die Stimmen­
mehrheit der Centurien zu haben? Der Partheygeist ist
blind für ihre Schändlichkeit. So lange kein Sold gezahlt
ward, brachte ein zu hoher Ansaz durchgehende keinen
Nachtheil ausser schwererer Dienstpflicht im Kriege, wovon
doch auch die Consuln befreyen konnten, da sie willkühr­
lich aushoben: und ward einmal ein Tributum ausgeschrie­
ben, so konnten die ausschliesslich patricischen Quästoren
mit der Erhebung verschonen. Unzweifelhaft redeten die
Tribunen für denjenigen dem, um ihn in eine niedrige
Klasse zu versezen, sein Vermögen nicht vollständig zuge­
rechnet war: wer aber konnte falsche Wähler überführen ?
Wenn sich hierüber ein System festsezte so beherrschten
die Patricier die Wahlen der Centurien, freylich nicht
ohne Widerstand, noch weniger ohne heftigen Unwillen
zu erregen, aber ohne Abhülfe.
So hätten allerdings schon im ersten Militartribunat
ausschliesslich Patricier ernannt werden können ohne dass
die alte Gemeinde der Vorwurf träfe kindisch, einer leeren
Eitelkeit willen, den Frieden der Republik gestört zu haben,
damit ein Becht eingeräumt werde dessen Benuzung ihr
462 nicht am Herzen lag. Hütet Euch, — sprach C. Gracchus
zu der Volksgemeinde, als der blutige Inquisitor P. Po-
pillius, Jahre lang von den sogenannten Optimaten be-
schüzt, endlich vor Gericht stand, — dass es nicht heisse,
— 360 — [bakd п.]
ihr Ihättet mit blinder Leidenschaft gewünscht, und das
endlich vom Schicksal gewährte leichtfertig verschmäht901) Г
Dieser Tadel würde der römischen Plebes gebühren, mit
nichten das Lob idealischer Bescheidenheit womit Livius
sie ziert, wenn sie gewählt hätten wie er es sicht denkt:
aber selbst der Schein solcher Thorheit trifft sie nicht:
denn unter den dreyen ist L. Atilius Longus ein unläug-
bar plebejischer Name, da das Jahr 356 einen zweyten
L . Atilius Longus, ausdrücklich als Plebejer, hat2).
Eben deshalb hat der Senat sie schon im dritten Mo­
n at3) ihres Amts, unter dem Yorwand eines Decrets der
Augurn, welches ihre Einsezung für irrig erklärte, abzu­
danken gezwungen. Wer darauf der Republik während
der übrigen Monate des Jahrs vorgestanden habe, erwähn­
ten die alten Annalen nicht: erst Macer, welcher in der
Urkunde des Bündnisses mit Ardea und einem Regestum
fand, dass L. Papirius und L. Sempronius in diesem Jahr
jenes Bündniss geschlossen hätten4), füllte die Lücke mit 463
ihren Namen; sey es'nun dass er sie dort als Consuln
genannt las, oder folgerte dass sie es gewesen seyn müssten.
Er muss den nothwendigen Zusammenhang der beyden
aus dem Consulat gebildeten Aemter nicht erkannt haben:
sonst hätte ihm nicht entgehen können dass jene zwey,
welche im folgenden Jahr als Censoren Vorkommen, augen­
scheinlich es schon damals waren, und dass darnach die
den Consulartribunen angewiesenen Geschäfte ohne eine
neue Wahl ihnen anheim fallen konnten, sobald diese ent­
fernt waren. Uebrigens dürfte ihnen, als der vornehmeren
Magistratur5), der Abschluss eines Bündnisses auch wenn

901) Gellius XI. 13. 2) So nennt ihn Livius selbst V. 13.


Wie wenig Gewicht seine Meynung habe dass alle drey Militar-
tribunen Patricier gewesen, erhellt daraus dass er an einer Stelle,
die am nämlichen Tage geschrieben seyn mag, dasselbe eben so
ausdrücklich von allen Decemvirn des zweyten Collegiums.sagt:
IV. 3. decem viris, teterrimis mortalium , qu i tum omnes e P a tri­
bus eran t. — Wäre die Schreibart T. Cäcilius bey Livius richtig,
so würde auch dieser für einen Plebejer gelten müssen.
3) Nach Dionysius am 73sten Tage. *) Livius IV. 7.
5) Da die Consuln nach dem licinischen Gesez an die Stelle der
Militartribunen traten blieben die Censoren nachher die vornehm­
fite Obrigkeit : und der älteste Altcenaor war Princeps des Senats.
[band II.] - 361 —
die Militartribunen noch im Amt waren zugekommen seyn.
Dass sie erst unter dem folgenden Jahr als Censoren ge­
nannt sind erklärt sich dadurch dass sie damals die Volks­
zählung für das Lustrum geschlossen haben werden: es
ward in den Amtsrollen die Jahrszahl angegeben worin
dies geschah906).
So ruhig wie es Livius sich nach seiner Ansicht frey­
lich denken konnte, hat das Volk die Entsezung der Mili­
tartribunen nicht hingehen lassen. Seit fünfzig Jahren
war nur einmal, um Cäso zu rächen, ein Dictator ernannt
gewesen: jezt ward T. Quinctius mit dieser Macht ausge­
rüstet: es heisst, weil die consularischen Tribunen die
Republik erschütterten; wahrscheinlich weigerten sie sich,
unterstüzt von denen des Volks, dem heuchlerischen Aus-
464 spruch der Augurn zu gehorchen7). Die Oligarchie muss
inzwischen Macht gesammelt gehabt haben: diesesmal wahr­
scheinlich zunächst von Ardea, mit welcher Stadt, wo eine
Faction herrschte die in Wesen und Gesinnung dem römi­
schen Patriciat verwandt war und sich ihm zuneigte, in
jenem Jahr ein Bündniss geschlossen ward; die Einräu­
mung der wüsten Feldmark von Corioli ist als Preis des
gewährten Beystands zu betrachten8). Am dreyzehnten
Tage hatte Quinctius seinen Auftrag vollbracht, und legte
das Amt nieder.
Es mögen Tage des Entsezens gewesen seyn: und
wenn eine Erzählung die, unsern beyden Geschichtschrei­
bern fremd, aller chronologischen Angabe entbehrt, nicht
in ihren Grundzügen falsch lautet, — wenn in der That
einsmals neun Volkstribunen in den Flammen hingerichtet
sind wie vor Alters die Widersacher des Consuls Sicinius,
so ist dies der einzige Zeitpunkt wo ein so befremdendes
Ereigniss als möglich gedacht werden könnte.
9°6) Dionysius I. 74. p. 61. a. 7) Lydus I. 38. той
dijfiou 7ГdXtv (TTCLTOÜvTOç (1, <гтaaidÇovToç) TzpoeßXrj&vjaav % ikiap-
yoc Tpetg' &v <гаХво6ѵтшѵ r à 7tpdy{хата à v rjy o p s u ^ діхтатшр
îir o ç KuvTioq, 3ç èv {Lovaiç Tptal xal âéxa ijfiépaLç хатеиѵа-
cnfreto'Tjç T7jç aTd<TEü)ç àné-d-ETo туѵ àpyijv. Nach Livius wäre
er Interrex gewesen: offenbar irrig, da keine Consuln gewählt
wurden: — wie A. Atratinus 272 von einigen als Interrex, von
ändern als Dictator erwähnt wird — oben S. 212. —
8) Livius IV. 7—11.
— 362 — [bàndii .]
Valerius Maximus rühmt unter ändern Bey spielen alter
Strenge a), dass ein Volkstribun P. Mucius seine neun Col­
legen lebendig verbrannt habe, weil sie, geleitet von Sp. 465
Cassius, ergänzende Magistratwahlen gehindert hätten909):
ohne den Tribun zu nennen gedachte Dio des nämlichen
Ereignisses; er schreibt die Hinrichtung ausdrücklich dem
Populus zu10). Also vollzog Mucius nicht an Verräthern
welche die Ernennung ihrer Nachfolger gestört hätten, die
Strafe des Hochverraths, sondern es ist die Handlung eines
Anhängers der Patricier; und so erzählte sie auch Dio
mit ändern Gewaltthaten des Standes, hinzufügend, selbst
dieses Gericht habe die Plebejer nicht muthlos gemacht;
vielmehr wären die Tribunen immer heftiger geworden.
Mucius Antheil an der That ist darauf beschränkt zu den­
ken, dass er seinen Beystand lieh ein Urtheil zu voll­
strecken welches die Curien als verlezter Stand ausge­
sprochen hätten: nur wer auch unverlezlich war, wie er,
konnte die unverlezlichen Tribunen antasten. Die Zeit wo
sich dieses entsezliche Gericht begeben habe, lässt Dio
ganz unbestimmt: er gedenkt dessen nur gelegentlich bey
dem Mord des Genucius und dem publilischen Gesez, in
einer allgemeinen Schilderung der wilden Zeit: weit früher
als es sich hat ereignen können, da erst seit 298 zehn Tribu­
nen waren. Bestimmt, lässt sich behaupten dass es auch
nicht in den sehr wenigen Jahren Statt finden konnte 466
welche von der Zeit an bis zum Decemvirat verflossen11):

a) Schwegler II. 710. 909) Valerius Maximus VI. 3. 2.


P. M u ciu s T r . p l. — omnes coîlegas suos, qui duce Sp. Cassio id
egeran t u t m agistratibu s non subrogatin communis lihertas in
dubium vo ca retu r, vivos crem avit. — poenam novem collegis in -
f e r r e a m u s. 10) Dio exc. de sent. 22. p. 152. ed. R. (und
Zonaras) è vvé a n o rè Ô7)fJ.ap%0L Tzopl bizb той дуіхои парвдо&т)-
<таѵ àXX* o b re тоито to ù ç Xoltzouç ènécr^ev' ol jusrà ra u r a
dy]fj.ap%oovT£ç — obx 7)ßßX uvovro. — Serre xal rîbv e b n a rp i-
âd>v rcuaç — èg r à той tzÀrj&ouç yofj.lep.ara (1. véfiifxa) fie ra -
a r y v a t — rà g (1. ту) r ÿ ç ôr)fiapxtxijq Icryuoç èm&ufitaç (1. èn i-
$upLta). — 1X) Das erste Collegium von zehn Tribunen ward
299 wiedergewählt: 300 willigten die Patricier in die Gesezge­
bung, 301 war Pest aber innere Buhe, 302 Vorbereitung des
Decemvirats.
( b a n d II,] — 363 —
.auch umfasst Dio Ereignisse diesseits desselben, indem er
des TJebertritts von Patriciern zur Plebes, um das Tribu­
nat zu erlangen, gedenkt. Dieses wird von L. Minucius
erzählt; auf gleiche Weise mag er sich das Tribunat des
Sp. Tarpeius und A. Aternius erklärt haben ; und Sp. Cas­
sius und P. Mucius können in diesem Amt nur als Ueber-
getretene gedacht werden*). Von diesen erinnert der lezte
an den Mucius Scävola welcher 267 unter acht Patriciern,
zum Theil Consularen, nicht von geringerem Stande als sie
gewesen seyn kann: jener an den Consul; es ward aber
das Tribunat erst dreyssig Jahre nach ihm auf zehn Col­
legen gebracht. Die Erwähnung dass seine Kinder ver­
schont worden, möchte, Dionysius unbewusst, der sie wie­
derholt912),-dadurch verursacht seyn dass ein Annalist die
Weichherzigkeit tadelte welche eine Natter im Busen der
Republik liess, ein andrer sich der Verblendung freute
welche sich selbst gefährdete, obwohl die Rache nicht ge­
lang. Denn Hass gegen die Mörder seines Vaters, und
Sehnsucht nach Eache hätten der Gemeinde in der Fülle
der Zeit wenigstens einen der Söhne zugeführt: P. Mucius
hinwiederum wäre ihm eben dorthin nachgefolgt um Blut-
467 rache für den Vater oder Ahnherrn an dem zu nehmen
der in gleichem Grade von demjenigen abstammte der sich
mit jenes Tod beladen hätte13). Das lautet, dächte ich,
glaublich genug, und die Zahl von neun Volkstribunen
erinnert an die neun welche 310 mit Canuleius Zutritt zum
Consulat für die Plebejer forderten: wohl ein todeswürdi­
ges Vergehen in den Augen der Oligarchen: allein in
dieses Jahr kann das Blutgericht nicht gesezt werden, da
die Patricier wenigstens einen Vergleich eingehen mussten;
auch war der Name des widersprechenden Collegen C. Fur-
nius14),- nicht Mucius. Verfolgen wir nun hier die Spur
von Wahrscheinlichkeiten, so mögen jene, unter ihnen Sp.
Cassius, als wohlverdiente Männer wieder erwählt seyn,

*) Vergl. Anm. *) zu Th. I. S, 605. A. d. H. 912) Anm.


376. 13) Man muss diesen.Cassius als einen der neun denken,
wenn die Begebenheit nach dem Decemvirat gesezt wird: es kann
jedoch auch Valerius oder ein Vorgänger anachronistisch ein Tri­
bunat von zehnen vor Cassius Consulat angenommen haben*
**) Dionysius XL 52. p. 730. b.
— 364 — [bjlhdи.J
wie es so häufig für die Tribunen geschah: der welcher
sich kund gsgeben hatte, ward es nicht: an seiner Stelle
wäre es P. Mucius gelungen sich einzuschleichen. Was
an ihnen als Verbrechen geahndet worden, wäre ein äus­
serst heftiger Widerstand gegen die Absezung der Mili-
tartribunen, und das Vorhaben eine ven den Curien er­
nannte Magistratur in den Besiz der vollen consularischen
Macht zu sezen, gewesen; welches in der Sprache der Oli­
garchie lautete wie es bey Valerius zu lesen ist: sie hätten
die Ernennung anderer Obrigkeiten an die erledigte Stelle
gehindert.
Dies Alles vereinigt giebt sicher der Hypothese eine
fast überredende Wahrscheinlichkeit; doch sprechen auch
bedeutende Erwägungen mit solchem Gewicht für den Ge- m
danken, die ganze Erzählung sey nichts anders als die von
der Hinrichtung der neun Patricier in 267, dass es schwer
seyn dürfte sich zwischen beyden ganz überzeugt zu ent­
scheiden915). Wie seltsam die Uebereinstimmung der Zahl
der Hingerichteten, und ihrer Todesart! In beyden Ge­
schichten ein Mucius: hier strafend für neun, dort als
einer von neun Bestraften: jene Umkehrung der Sagenart
wo das grade entgegengesezte eigentlich das Nämliche ist.
So konnten die Scävola ein betrübtes Andenken sogar in
einen Ruhm ihres Geschlechts verwandeln: und war P.
Mucius ein guter Bürger im Sinn der Optimaten, so konnten
die welche seine Strenge traf nur Aufrührer und Tribunen
seyn. Nach dieser Ansicht bedarf es keines ändern Sp.
Cassius und keines ändern Mucius; und gewiss ist es be­
denklich dass sich von keinem von beyden irgend eine
Spur findet: es bedarf dann auch nicht der Voraussezung
dass zwey so seltsam verwandte Geschichten auf gleiche
Weise aus den Annalen verschwunden wären.
Wie dem nun sey: von dieser meineidigen Revolution
an 16) wurden während fünf Jahren Consuln ernannt, unter m

915) Oben S. 145. 1б) Vom Jahr 312, w o der Ueber-


rest v o n Dionysius XI. Buch abbricht, sind wir für die innere
Geschichte, bis auf gar geringe Ausnahmen, soweit Livius erste
Decade reicht, auf diese beschränkt : und wie manche Erwähnung
würde der sorgfältige Grieche aufgenommen haben, wo jezt jede
Spur verweht ist ! Sonst sind aus der zweyten Hälfte der Archäo-
{band п.] — 365 —
denen T. Quinctius sich zweymal befindet, den nach jener
Dictatur nur unbeschränkter Einfluss der Patres in den
Centurien, oder erneute Usurpation der Curien, dazu be­
rufen konnte. Das lezte ist für das Jahr 316 deutlich aus­
gesprochen, wenn Livius nicht zufällig Ausdrücke anwen­
det die sonst einem bestimmten Sprachgebrauch angehö­
ren917): und es hat um so grössere Wahrscheinlichkeit, da
die Patres sich eben damals wenigstens einen völlig er­
gebenen Consul zu sichern dringende Gründe hatten.
470 Schon im verflossnen Jahr hatte Hungersnoth ge­
herrscht18): um das Volk zu beruhigen, und so weit es seyn

logie nicht nur sehr bedeutende Eklogen in zwey Titeln der


konstantinischen Sammlung übrig geblieben, sondern, da Appians
drey erste Bücher bloss aus Dionysius zuaammengezogen waren,
so ist auch was unter jenen Excerpten daraus vorkommt dem
Inhalt nach zu seinen Ueberresten zu zählen. Ebenfalls ist Plu-
tarchs Camillus, wenn gleich nicht ganz so ausschliesslich, aus
ihm geschöpft. Zu diesen Reliquien, wo kein Stück ohne ent­
schiedene Wichtigkeit ist, kam 1816 durch Monsignor Mai eine
Sammlung, deren seltsame Beschaffenheit Ursache seyn mag dass
sie nicht so dankbar wie es sich gebührt hätte, als wesentliche
Bereicherung der Geschichte, aufgenommen und benuzt ist. Ihre
Entstehung wüsste ich nur durch die Vermuthung zu erklären
•dass jemand aus einer Handschrift worin bald Erzählungen, bald
halbe Säze, bald abgerissene Zeilen, theils wegen des Inhalts
theils wegen Worte und Ausdrücke, am Rande mit Strichen,
Fingerzeigen oder der Sigle arjß. ausgezeichnet waren, dies zu­
sammengeschrieben habe: wie es in Venedig eine sehr alte Hand­
schrift von Glossen zum Juvenal, (ohne Bezeichnung des Schrift­
stellers) giebt, ohne die erklärten Worte, fortlaufend geschrieben.
Was diese Excerpte enthalten hat alle Authenticität des Diony­
sius : freylich aber lauten Sprache und Vortrag manchmal so
seltsam dass man sehr bezweifeln muss dass sie unmittelbar aus
ihm gezogeja seyn sollten. Ich führe sie na«h den Abschnitten
der zweyten Ausgabe (im 2. Band der nova collectio, Rom 1827),
und den Seitenzahlen des Frankfurter Abdrucks an.
917) Livius IV. 13. Consul sextum creatus T. Quinctius Ca -
pitolinus — eollega additur ei A g r. M enenius: s. oben
Anm. 424* 18) Das Amtsjahr fiel damals mit dem physischen
der wiederkehrenden Sonne fast genau zusammen: als T. Quin­
ctius in das Consulat trat waren seit der Erndte bald sechs Mo­
nat verflossen.
— 366 — [band n.J
konnte Rath zu schaffen, war L. Minucius zum Präfecten
der Annona, einer wie es scheint ausserordentlichen Ma­
gistratur, ernannt; aher er vermochte nicht die auf ihn
gesezten Hoffnungen zu erfüllen. Versuche zu Einkäufen
im Ausland schlügen fehl; das Misjahr mochte seine Ver­
wüstungen weit erstreckt haben; nur aus Etrurien каш
einige Zufuhr919). Es blieb nichts übrig als mit den ge­
ringen Vorräthen Haus zu halten: alle wurden verzeichnet,
und die Eigenthümer verpflichtet, was sie über den mo­
natlichen Bedarf ihres Hauses besassen, dem Staat zu
überlassen. Die Kornhändler wurden als Verbrecher ver­
folgt. Es ist augenscheinlich dass der Präfect die Por­
tionen bestimmte, die allen Bürgern zu festgesezten Preisen
aus den Magazinen überlassen wurden: für die unglück­
lichen Knechte ward nur ein Theil des Korns welches sie
zur Sättigung bedurften, angewiesen. Aber Theurung und
Mangel drückten so unerträglich dass viele Plebejer sich
verzweifelnd in den Fluss stürzten.
In dieser Noth beschämten die erfolgvollen Anstren­
gungen eines Bürgers die Maassregeln des Staats a). Der
reichste unter den plebejischen Rittern, Sp. Mälius, ver­
wandte sein Vermögen um Getreide in Etrurien anzukau-
fen; seiner Entschiedenheit und Gewandtheit gelang es
grosse Vorräthe zu erhalten; er scheute den Preis nicht. 471
Er überliess sie den Dürftigen für leidliches Geld, den Ar­
men umsonst20) , während der Staat verkaufte: eine Frey-
gebigkeit die bei dein grössten Reichthum auf spärliche
Gaben beschränkt seyn musste, wenn auch die Zahl derer
welche die Wohlthat umfasste nicht nach der der Capita
im Census zu schäzen ist: doch kann der Hohn nicht wört­
lich genommen werden, das Volk habe ihm seine Seele
für Portionen von ein Paar Pfund Spelt21) verkauft. Der

919) Miswachs in der Gegend von Rom kann fast nur durch
Mangel an Regen entstehen; und dieser trifft in gleicher Weise
die Küstengegenden: daher findet sich öfter erwähnt dass diese
alsdann nicht aushelfen konnten, wohl aber kam Korn aus dem
Innern wo eine andere Witterung herrschte; und das fruchtbare
Umbrien konnte sein Getreide nirgends hin leichter verfahren als
auf der Tiber nach Rom. a) Mommsen, Sp. Maelius (Her­
mes 1870. S. 256. ff.) 20) Zonaras p. 29. f. 21) Mß-
[bakd II.] — 367 —
thätig bewährte Wille, der einige Hülfe schaffte, gewann
die Herzen der Armuth, und mit ihnen die Neigung der
wohlhabenderen Plebejer, die den Mann ihres Standes mit
Stolz nannten.
Als nun T. Quinctius jenes sechste Consulat angetreten
batte, (316), da ward, wie es heisst auf die Angabe des
Präfecten L. Minucius, es würden in Mälius Hause heim­
liche Versammlungen gehalten, und Waffen gehäuft, L.
Cincinnatus im äussersten G-reisenalter zum Dictator er­
nannt. Der Senat sass den ganzen Tag in geheimer Be-
rathung: in der Nacht wurden kapitol und andre feste Ge­
genden mit vertrauten Leuten besezt922): der Dictator, be­
gleitet von Bewaffneten, errichtete sein Tribunal auf dem
Forum. Neugierig und ängstlich über die räthselhafte Er-
472 scheinung lief das Volk zusammen: unter ihm war Mälius
gekommen. C. Servilius Ahala, Oberster der Bitter, rief
ihn vor den Dictator: den Tod vor Augen ergriff er ein
Fleischmesser die Schergen abzuwehren, welche sich an­
schickten ihn fortzuschleppen23); entsprang ihnen unter
die Menge, welche ihn aufnahm und schüzte, bis Ahala,
bewaffnet, mit einem Gefolge gerüsteter patricischer Jüng­
linge, eindrang: vor ihm wichen sie, er stiess den Wehr­
losen nieder. Das ist Mord: wer Mälius auf dem Forum
so erschlagen konnte, der vermochte auch ihn vor das
Tribunal des Dictators zu führen, und dieser selbst durfte
nur das Gericht sichern. In solchem Fall wo klärlich keine
offenbare Handlung war, der Hochverrath nur gefolgert
werden konnte, musste das Gericht nicht einmal einem ein­
zelnen Richter, sondern den Centurien zustehen: in diesen
hatte die Armuth keine Stimme, und dass vor ihnen alle
Gunst der angesehenen Plebejer einen Angeklagten nicht
gerettet haben würde der auch nur gewaltsame Entwürfe
gegen die Machthaber im Sinn getragen hätte, das bewei­
sen die Wahlen dieses Zeitraums. War Mälius schuldig
so konnte es an Handlungen nicht fehlen wonach ein
Richter die Sponsion gegen ihn entscheiden musste, so dass

bris f a rris: Speltbroy, von fa r r ic e llo , jezt durch die ungleich


schlechtere Polenta von Mais verdräDgt, machte weit mehr als
Brod die Nahrung des Volks aus.
922) Zonaras p. 30. a. 23j Dionysius exc, M ai. 1. (p. 3.)
— 368 — [bawd п.]
er im Kerker auf das Gericht aufbehalten wäre; und die
Intercession der Tribunen zu hindern damit dies geschehe
hatte der Dictator rechtmässige Gewalt.
Also muss kein Umstand anzuführen gewesen seyn
worauf ein Gericht Verurtheilung gründen konnte: weder
Aufhäufung von Waffen924), noch Anwerbung von Söld- 473
nern25): dies sind rhetorische Erfindungen, nicht anders
als wie das Vorgeben des livianischen Minucius die Volks­
tribunen wären verkauft Mälius das Königreich zu ver­
schaffen: alleRoBen für die Empörung vertheilt. Und kein
einziger Mitschuldiger ist zur Strafe gezogen26)? und das
Haupt einer solchen Verschwörung, wäre, als die Dictatur
angeordnet war, ohne den Schuz Bewaffneter auf dem Fo­
rum erschienen! Mälius hätte sich nicht zum Volkstribun
wählen lassen, um unverlezlich seinen Zwecken näher zu
kommen? Konnte Ehrgeiz verblendet genug seyn um zu
verkennen dass die Bürger der ersten Klassen, welche allein
ausser den Eittern Waffen hatten, mit den Geschlechtern
gegen einen solchen Anmassenden auf gestanden seyn wür­
den, und dass die Ergebenheit aller Armen in der Stadt
ohnmächtig gegen diese Vereinigung war? — Da Mälius
das Mittel nicht suchte welches er im Tribunat gehabt
hätte, eine freye Wahl von Consulartribunen und damit
seine Ernennung durchzusezen, so muss es. zweifelhaft
scheinen, ob er auch nur darnach trachtete ; wie wahrschein­
lich es auch an sich ist dass seine Spenden nicht aus rei­
ner Mildthätigkeit geflossen seyn dürften. Hätte er dabey
jenes Ziel gehabt, oder das noch höhere den Patriciern,
da sie selbst die Verfassung von 3 1 1 zerrissen hatten, die
Theilung des Consulats abzudrängen, wäre denn das, vol­
lends nach jenen endlosen Usurpationen, die nicht einmal 474
bey dem Zustand vor 261 befriedigt waren, ein Verbrechen
gewesen? e Kaum ist es möglich dass der Schein täusche,
auch hier* habe der Wolf angeklagt ihm werde der Bach
getrübt.
Es ist ein wehmüthiger Gedanke dass der achtzigjäh-

924) Livius IV. 13 . Zonaras p. 29 . f. 25) <ppoupoi\ Zo­


naras und Dionysius à. а. О. 26) fiydéva èrepov xokàoaç
9} Ü7zatrtacdߣyog: Zonaras p. 30 . a.
[band п.] — 369 —
rige927) Cincinnatus, am Ziel eines Lebens welches die eif­
rigste Partheylichkeit nicht in der Meynung aller nach­
folgenden Zeiten als Muster alter strenger Tugend hätte
aufstellen können, wénn es nicht rein und tugendhaft ge­
wesen wäre, so weit es frey von der Gewalt des Geistes
einer grausamen Faction war, — in ihrem Dienst gemor­
det hat. Nirgends sind die Charactere härter, nirgends ist
Troz gegen Gewissensbisse für Partheyzwecke einheimisch
gewesen wie in Corporationen und aristokratischen Repub­
liken, nicht im Alterthum allein: in ihren bessern Tagen
vereinbar mit starken Tugenden. Männer von sonst flecken­
losem Wandel haben in ihnen oft als kalte Fanatiker das
reinste Blut vergossen. Der aufrührerische Demagog war
selten so grausam, meistens aber handelte er nicht so für
die Ideen seines Standes: jene andere waren das edlere
Raubthier.
Das Haus des Mälius ward niedergerissen; die leere
Stätte, des Aequimälium28) , erinnerte nach einem halben
Jahrtausend an sein Schicksal, und schien seine Schuld
darzuthun. Die späten Nachkommen, welche sie nie be­
zweifelten’, haben, im Glauben an die Ueberlieferungen
des quinctischen und servilischen Geschlechts, Ahala unter
475 die Helden der Tugend gezählt. Anders urtheilten die
Zeitgenossen. Es ist wohlbezeugt dass er, als •Mörder vor
dem Yolk angeklagt, nur durch freywillige Verbannung
dem Urtheil entging29); mag dies nun erst nach drey Jah­

927) Livius und Zonaras. 28) Es lag unter dem Kapi­


tol a)f unfern vom Career, jezt tief begraben unter dem Schutt­
haufen worüber die via d i M arforio sich hinzieht. 29) Va­
lerius Maximus V. 3. 2. A h ala — custoditae libertatis civium
exilio suo poenas pependit: dies ist die offensio A h alae welche
bey Cicero de re p. I. 3. mit Camillus und anderer berühmter
Eömer Exil genannt wird, wie in der Declamation pro domo 32.
(8G.) derselbe mit Camillus und Cäso Quinctius als verurtheilt
von dem verblendeten Volk: wogegen eben der ächte Cicero so
bestimmt erkennt dass vor Alters kein römisches Urtheil Ver­
bannung aussprach: — ich sage vor Alters,* denn in seinen Tagen
•war freylich das Exil schon Strafe, z. B. in der lex C alpurnia
de ambitu . Ahalas ZurüclcberufuDg möchte, wie breit auch der
Rhetor mit seiner Belesenheit in den Annalen thut, eben so
a) Schwegler III. 133. A. 4*
Niebuhr, Köm. Gesell. 24
— 3*70 — [band п.]
reu, 319, geschehen, und die tribunicische Eogation eines
zweyten Sp. Mälius, sein Vermögen einzuziehen, mit der
Anklage verbunden gewesen, nicht, wie Livius glaubt,
ohne Erfolg geblieben seyn930): oder schon im nämlichen
Jahr. Denn dass drey Tribunen um Eache für das ver­
gossene Blut riefen, und ein Aufstand ausbrach, als die
Schrecken der Dictatur entfernt waren, hat er, auf dessen
Berichte wir nun für lange Zeit mit sehr wenigen Aus­
nahmen beschränkt sind, nicht, wie die Strafe welche Ahala
traf, ganz übergangen. Er fand in einigen Annalen, die
Gährung sey durch L. Minucius beruhigt der zur Plebes 476
übergegangen, und von den Tribunen cooptirt worden:
eine Erzählung wo es ganz unglaublich lautet dass er zum
elften Tribun ernannt seyn soll31); die es nicht eben so
wäre wenn seine Wahl eine Lücke im Collegium füllte32).
In dieser Magistratur brachte er in drey Nundinen, also
durch eine Eogation und ein Maximum, den Preis des
Korns auf einen As für den Modius33): ein Preis der nicht
ohne Beyspiel ist34): und es lässt sich sehr wohl denken
wie ein ungeheurer Fall der Preise bewürkt werden konnte.
E s ist freylich wenig darauf zu geben dass Kornwucher als
Ursache der Noth angegeben wird35): aber gefehlt hat er
gewiss nicht: und wenn das Verbot grössere Vorräthe als
auf einen Monat zu halten in Minucius Tribunat gehören
sollte, wenigstens nur mit der Macht dieses Amts in Kraft
gesezt ward, so kam auf einmal eine Masse Getreide auf
den Markt, während Niemand mehr als für den unmittel­
baren Bedarf zu kaufen wagte; ja es zu thun nicht Lust
hatte falls die Aussicht auf eine gesegnete Erndte nicht
mehr fern*war36). Diese Begebenheit ist seltsam dahin

grundlos seyn wie die des Cäeo: übrigens würde sie auch nur be­
weisen dass die Patricier wieder mächtig genug geworden waren
ihrem Märtyrer aufzuhelfen.
930) Livius IV. 21. 8editione8 quaesitae nec motae tarnen —
quae v a n io ra a d populum ipso auctore fu ere. 31) Ders.
IV. 16. Plinius XVIII. 4. 32) Diese Vermuthung öffnet den
Weg zu mehreren. 33) Plinius a. a. 0. j arris pretium in
trin is n u n d in is a d assem redegit . 34) Th. I. S. 511.
35) robg eôvcôpouç à ç n e p l т ov ctrov xaxoopyoùvrag èv a h ta
TzsTzoh)VTo\ Zonaras p. 29. e. Зб) Ich habe zu Rom den bis
[bakd п.] — 371 —
verdreht dass Minucius die V orräthe des M älius zu jenem
Preise verkauft habe: eine Spende von geraubtem G ut
welche unmöglich als W ohlthat hätte betrachtet werden
477 können : und doch ist die M eldung wohlbeglaubigt dass
die Gemeinde ihn als E rretter aus der N oth durch ein
Opferrind mit vergoldeten Hörnern, und eine Statue vor
der Porta T rigem in a987) belohnte, wozu m anniglich eine
Unze gesteuert w a rd 38).
Eine unwiderstehliche Gegenbewegung würde die M ör­
der des Mälius, wie einst die des Genucius, ihre Missethat
haben bereuen lassen, wenn die Plebes die nämliche g e ­
wesen wäre. J e z t waren die Folgen u n gew iss: der U n ­
wille w ar heftig genug um zu erzwingen dass die W ah l
von M ilitartribunen statt Consuln gestattet w ard : dass B e -
478 wusstsein der Schuld hinderte entschiednen W iderstand.
A b er in den Centurien herrschte der patricische Einfluss
so überwiegend dass kein Plebejer ernannt ward ( 3 1 *7), son­
dern, wie zum H o h n , ein Sohn des Cincinnatus unter den

auf 24 Scudi getriebenen Preis des Rubbio Weizen unmittelbar


nach der Erndte auf 10 fallen sehen: wo das Fallen wie die
Steigerung Werk der zum Theil sehr vornehmen Kornwucherer
war. Sie liehen im Frühling dem armen Ackersmann, der nach
der dürftigen Erndte des vorhergehenden Jahrs bey der Theue-
rung aller Gegenstände seinen Erwuchs völlig verkauft hatte,
Korn, nach der neuen Erndte zu erstatten: nicht Scheffel um
Scheffel, sondern das vorgeschossene ward nach dem Marktpreise
zu Geld gerechnet; und diese Schuld nach der Erndte mit
Getreide wieder zum Marktpreis abgetragen, mithin mit 24
Scheffel für 10. So ward man die aufgespeicherten Vorräthe
zum höchsten Preise los; und der künstliche niedrige hielt nicht
an; demnach war der Gewinn zwiefach. Dergleichen Operatio­
nen konnten Minucius Unternehmen, wovon nicht bekannt ist wie
lange es vorhielt, entgegen kommen.
937) Pür die Statue extra portam trigeminam giebt Plinius
an zwey Stellen Zeugniss: a.a.O. und XXXIV. 11. Bey Livius
IV. 16. sind nach den Worten — L . M inucius bove aurato —
vor denen extra portam trigem inam — augenscheinlich die: et
statua ausgefallen. Ein solches Opferrind war Ehrengeschenk
für den Retter, wie P. Decius : Livius ѴП. 37. 88) unciaria
stipe: Plinius XXXIV. 11. Alle Standbilder waren von Erz;
das gesteuerte Geld, schweres Gewichts, gab den Stoff.
24*
— 372 — [b a n d п . ]

d r e y e n ; doch gelan g es, M am ercus A em ilius zu der ersten


S te lle zu erheben, dessen Ern enn u ng mit L . Valerius zur
Q uästur zeigt dass er L ieb e und V ertrauen des Volkes
g e n o s s ; eines Mannes von solchem A n seh en 939) dass die
O lig a rch en , wenn sie ihn h assten , nicht wagen konnten
ihm die B estätig u n g der Curien zu versagen. Sogar muss­
ten sie selbst in dringenden Zeiten ihn wiederholt zur
D icta tu r berufeu: die jezt, seit der M inderung des Consu­
la t s , h äu fig vorkommt. In der ersten, 321 a) , wandte er
die M a ch t heilsam an um die Censur, welche bisher fünf
J a h r e g e w ä h rt hatte, au f achtzehn Monate zu beschränken:
eine V e rfü g u n g die von den damaligen Censoren durch
allen U n glim p f, der in ihrer M acht stand, geahndet ward.
D a s V o lk fand sich in dem ehrwürdigen Beschirmer seiner
F r e y h e it b e le id ig t, und nur seine Verw endung schüzte C.
F u riu s u nd M. G eganius gegen M ishandlungen. W ährend
der noch ü brigen Ja h re ih res Lustrum wurden ferner M i-
litartribu n en ernannt; dann folgte fünfmal das Consulat;
wo denn ohne Zw eifel auch wenn Censoren waren die prä­
torische G ew alt bey demselben w ar: darauf beginnen 329
jene Collégien von Militartribunen, denen, wenn keine Cen­
soren im A m t sind, ein Prätor bey geordnet is t: während
der ersten dreyzehn Ja h re nur zweym al durch Consulate
unterbrochen. Geschah dies, so w ar es Folge eines Se- 479
n atsb e sch lu sses, die R egel wollte dass jene gewählt wür­
den 40) : w ie es aber den einen daran lag auf diese W eise
auch die M öglichkeit plebejischer W ah len zu entfernen,
so hielten die ändern fest an dieser, wie bitter auch jedes­
m al der V erd ru ss über das verdrehte R echt war. N icht
allein die censorische W illkühr gab den A u sg a n g der Co­
m itien in die Gewalt der H errschenden, sondern auch die
des M agistrats welcher der W ah l Vorstand, der, wenn es
n icht unm ittelbar gefährlich schien, gradehin keine Stim ­
m en für P lebejer annahm41) : was kurz vorher ehe den
G eschlechtern die B estätigun g entzogen w a r d , gew agt

939) v ir summae dignitatis : Livius IV. 16. a) Mommsen


Röm. Chronol. 96. 40) Ders. IV. 25. 26. 41) de plebe
сот гііет non accipiebat: Cicero B ru t. 14. (55.) comitia quibus
non haberetu r ratio s u i: Livius IV. 7. 56.
[bawd II.] — 373 —

worden ist, konnte ein Jahrhundert früher weit unbedenk­


licher versucht werden, und muss häufig geschehen seyn.
Zuweilen unterstüzte der Senat diese anmassliche V erw eig e­
rung durch Beschlüsse, welche eben diejenigen entfernten,
deren Ernennung dem V o lk am H erzen la g ; w ie 3 4 6 , als
die Volkstribunen, welche vier T age vor den m ilitärischen
abtraten, für nichtwählbar erklärt w urden942). Und wenn
ganz entschiedener W ille auch so die Ern enn u ng eines
Plebejers unvermeidlich herbeygeführt hätte, so fehlte noch
die B estätig u n g der Curien43): und damit w ar es mehr
als anderthalb Jahrhunderte vor dem mänischen G-esez
zuverlässig kein Spiegelfechten. N u r ein einzigesmal er-
480 scheint ein Plebejer als M ilitartribun , ehe die veränderte
V erfassu n g von 350 eintrat a) : Q. Antonius Merenda im
Ja h r 3 3 3 : und das erklärt sich durch die Umstände der
Zeit. E in e A n k lage w egen schimpflicher N iederlage und
Verrath drohte Einem der Consuln des vorhergehenden
Ja h rs, C. Sem pronius; doppelt gefährlich, w eil die Comitien
worin er ernannt w ar zum äussersten Unw illen des V o lks
an die Stelle der tribunicischen verordnet w aren: man
musste die Plebejer besänftigen: dazu w ar nichts w ü rk-
samer als wenn die W ah l mit Gerechtigkeit gehalten ward.
Die A n k lage ist auch offenbar nach einer V erstän d igu n g
zurückgenommen worden.
Ueberhaupt gewann doch die Plebes seit Mälius Tode
sichtbar an Befestigung und Erweiterung der ihr geblie­
benen Eechte. Die Consuln weigerten sich 324 so un­
biegsam den vom Senat erkornen Dictator zu proklamiren,
. — wahrscheinlich unter dem Vorwand, dass die Curien
ihn nicht bestätigt hatten, — und die Umstände waren so
dringend, dass der Senat, alle Rücksichten beseitigend,
die Tribunen zu Hülfe rief, um seinen Beschluss durch
den Beytritt der Plebes zum Gesez zu erheben: und ihre
Drohung, die Consuln verhaften zu lassen wenn sie dem

942) Ders. IV. 5 5 . In dies Opfer willigten des Friedens


wegen die Icilier, gegen welche es gemeynt war: der Zweok
ward erreicht, und eine plebejische Ernennung gehindert.
43) Dies ist die reprehensio comitiorum. — Livius I. 17. VI. 42.
Cicero B ru t. a. a. 0. «) Schwegler ПІ. 147. A. 2.
— 3 74 — [b a n d п . ]

S e n a t ferner widerstrebten, erzw ang G ehorsam 944). So be­


g a n n m an gegen seitig sich über die leidigen Standesbe­
ziehu ngen zu den höheren von R egieru ng und Repräsen­
tation zu erheben; und das Y o lk betrachtete die Dictatur
n ich t m ehr als nothwendig gegen sich gerichtet. — Im
folgen den J a h r , 3 2 5 , w ard eine feste und niedrige A b ­
sch äzu n g des W erth s der H äupter V ieh, worin die Brächten m
au sgesp rochen w urden, durch ein consularisches Gesez
verord n et : sie w ard vom Y o lk dankbar aufgenommen ; und
d ass die Consuln, au f die Kunde dass die Tribunen damit
u m gin gen die M aassregel vorzu tragen , ihnen zuvorkamen,
zeig t vollends ein tröstliches Aufleben wohlwollenderer
S tim m u n g 45). — U n feh lbar hatten die X I I Tafeln das ser-
via n isch e R echt der Centurien K rieg und Frieden zu be-
sch liessen hergestellt : a b h än gig wie sie von der Regierung
w a r e n , hätte der Senat die Fö rm lichkeit, ohne Furcht
seinen W ille n vereitelt zu sehen, beobachten können; und
fü r den A u gen b lick w ar es kein so sehr erheblicher Ge­
w in n dass die Tribunen 328 damit durchdrangen dass die
K rie g se rk lä ru n g gegen Y e ji von ihnen angenommen werden
m ü sse46). D och für die Folge, und als Anerkennung der
Grund Verhältnisse, w ar es viel: und so haben es die T r i­
bunen betrach tet; welche, die verzweiflungsvolle Zeit des
Ele n d s vor den licinischen Gesezen ausgenommen, die A u s­
h eb u n g für die Legionen seitdem nicht mehr hinderten.
D a ra u f sah sich der Senat genöthigt einzuwilligen
dass Consulartribunen mit einem Statthalter ernannt wur­
d en; und nur zweymal in dreyzehn Jah ren gelan g es Con­
suln aufzudringen. D as erstemal gab 331 eine Rogation,
welche das wiedererwachende Leben der tribunicischen
M ach t d arthu t, unmittelbare V eranlassung zum Streben 482
jed e M öglichkeit einer plebejischen W ah l zu entfernen.
B is dahin kennen die A nn alen in diesem Zeitraum keine
B e w e g u n g e n über das alte cassische A ck ergesez, wie sie

944 j Livius IV. 26. 45) Ders. IV. 30- lex per grata po­
pulo. — Cicero de re р. П. 35- levis aestimatio pecudum. Also
-war ein Rind damals schon mehr als 100 Asse werth.
46) pervicere tribuni denuntiando impedituros se delectum, ut
comules de bello ad populum ferrent, omnes centuriae tusserunt;
Livius a. a. 0.
[ b a n d п .] — 375 —
vormals die Republik erschüttert hatten: doch muss das
Gemeinland, seitdem Rom sich wieder unter den umwoh­
nenden Völkern erhob, vornehmlich in den lezten sieben
Jahren, nach dem entscheidenden Sieg des Dictators
A. Tubertus, einen grossen Zuwachs gewonnen haben. Für
das alte entrichteten die Besizer noch in dem genannten
Jahr keine Ertragssteuer vom Bauland; denn die Tribunen
forderten dass diese erhoben und zum Sold verwandt, ein
Theil Ländereien unter die Plebejer aufgetheilt werden
solle947): nämlich neugewonnene; während jene älteren Be-
sizungen jezt denen bleiben konnten deren Anspruch eine
so lange Dauer für sich hatte. Nach Livius Erzählung
sollte man denken dass diese Rogation ohne alle Folgen
geblieben wäre: um so mehr da in den Jahren 338 und
339 dem Anschein nach weit heftigere agrarische Bewe­
gungen sich erhoben. Wenn indessen der Bericht, dass
in diesen Jahren auf die Theilung des eroberten Landes
angetragen worden, wörtlich so genommen werden darf
dass nur dieses gefordert sey, so ist die Herstellung des
Zehenten entweder aufgegeben gewesen, oder sie war schon
erlangt: wenn er auch nicht redlich entrichtet ward.
Denn damit konnte es freylich eben so stehen wie
483 mit den Wahlen der Consulartribunen. Das Stillschweigen
des licinischen Gesezes ist vollkommner Beweis dass die
Abgabe um 380 würklich einging: und wenn sie nicht
während der lezten Zeiten des vejentischen Kriegs zum
Sold verwandt worden wäre, so würden die Tribunen nicht
seit dem Jahr 3 54 ohne Widerrede zugegeben haben dass
das Tributum von der Plebes eingefordert ward. Das
agrarische Gesez a) welches sie damals einbrachten48),
hat ohne Zweifel die Erhebung des Zehenten betroffen,
und eben so vollkommenen, ja dauernderen, Erfolg gehabt
wie die Bestrebungen, endlich eine redliche Wahl von
Consulartribunen zu erlangen. Aber die Verpflichtung
konnte früher meistens vereitelt, obwohl in ausserordent­
lichen Umständen ihr nachgekommen seyn : denn die Zah-

Э47) A g r i pu blici d ividen d i coloniarumque deducendarum


oatentatae spes: et vectigali poasessoribus agrorum imposito in
■Stipendium miliium erogandi aeris. Livius IV. 36. °) Schweg­
ler III. 148. A. 4. 48) Livius V. 12.
— 376 — [ bakd II.]

lungen wodurch die Patricier hey der Einführung des


Soldes darzuthun suchten dass sie sich der Last nicht zu
entziehen meynten, dürften vom Zehenten, nicht vom
Schoss herrühren. Dass in der That die agrarischen Ge­
seze des Mäcilius und Metilius neben der Theilung des
gewonnenen Landes, wenn sie die Ertragsteuer berührten,
nur die Erfüllung schon bestehender Ordnungen zu ver­
fugen gehabt haben: dass dieselbe schon 331 gesezlich her­
gestellt war, das lässt eine andre Eogation schliessen
welche unter dem zweyten der erwähnten Consulate, 334,
heftig aufregte.
Das Bey wort, classici, wodurch die Säkelmeister von
den Blutricbtern unterschieden wurden, bis die Quästur
der lezten in Vergessenheit gerathen war949), bezieht sich
gewiss auf ihre Ernennung durch die Centurien, seit Pu- m
blicola; anstatt dass die ändern Quästoren bis auf das
Decemvirat ihr Amt von den Curien erhielten. Sie waren
noch nur zwey an der Zahl, als in dem genannten Jahr
die Consuln selbst auf ihre Verdoppelung antrugen: wozu
kein Grund war, wenn nicht die Geschäfte ungemein ver­
mehrt waren; wie es die Herstellung des Zehenten mit
sich führen musste; zumal da mit derselben die Einführung
des Solds beabsichtigt ward, also Auszahlungen im Lager.
Es scheint dass auch diesesmal der Vorschlag zuerst an
die Patres gebracht war50), der Plebes nur Genehmigung
Vorbehalten seyn sollte; allein die Tribunen verweigerten
ihren Vortrag, ohne welchen diese Bestätigung nicht er­
langt werden konnte51), wenn nicht die neu errichteten

9 4 9 ) J e n e s B ey w o rt -w äre v e r s c h w u n d e n o h n e L y d u s , b e y
d e m e s in e in e r v ö llig e n ts te llte n N o tiz e rh a lte n s te h t : I. 27.
I m J a h r 4 8 5 хареохеоаодт) <ттôkoq, xal npoeßXr)&7)crav ol xaXoo-
fievot xXdaaixot, olovel vauap%ai, тш àptôixÿ âuoxaiôexa xoai-
trrwpeç. A u c h h ie r is t G a iu s d ie Q u e lle , u n d a n d en e n tste lle n ­
d e n V e r k e h r th e ite n u n s c h u ld ig : L y d u s a d d irte die Z a h l von 8
C o lle g e n , w o z u d a m a ls d ie Q u ä s tu r g e b ra c h t w a rd , zu d e r w oraus
s ie b is d a h in b e sta n d e n h a t t e , u n d e rfa n d s ic h die E ty m o lo g ie .
J e d e r m a n n Tveiss w ie viel d a ra n fe h lt d a ss d a m a ls e in e F lo tte
g e b a u t w ä re . 50) quam rem — a consulibus relatam, cum
Paires summa ope approbassent, consulibus tribuni plebis certa-
men intulerunt, ut pars quaestorum ex plebe fieret. L iv . IV . 43.
51) H i e r i n b e s ta n d u rs p r ü n g lic h d ie In te rc e ss io n d e r T r ib u n e n g e g e n
[band II.] — 377 —

Stellen den Plebejern zugesichert würden. War die Be-


steurung beschlossen, so lag den einen alles daran dass
nur Mitstände diese Quästur hatten, damit der geringe
485 Betrag ihrer Zahlungen verborgen bleibe, den ändern im
Gegentheil an pünktlicher Einziehung durch Plebejer, da­
mit der Betrag der durch Tributum aufzubringenden Er­
gänzung möglichst beschränkt bleibe: dann, damit von
falschem Census gesteuert, also die Lust ihn sich zuschrei­
ben zu lassen gemindert werde. Daher zogen die Patri­
cier jezt den Vorschlag zurück; die Tribunen hingegen
promulgirten ihn mit jener Verbesserung für sich. Wäre
noch die strenge alte Sonderung der Stände gewesen, so
würden sie mit gleicher Erbitterung wie vor dem Decem­
virat sich bedroht haben: jezt vermochte der Interrex L.
Papirius einen Vergleich annehmen zu lassen, dass die
Wahl an keinen Stand gebunden seyn solle. Damit gewann
die Plebes für jezt freylich nur noch Anerkennung ihres
Rechts; sie wussten wohl dass der Genuss ihnen vereitelt
werden würde wie für das Consulartribunat. Aber sie
vertrauten auf die sichere Würkung der Zeit welche mit
ihnen war: nicht vergebens: nach elf Jahren, 346, gelang
die Ernennung plebejischer Candidaten, und jezt war die
List des Vergleichs gestraft, denn diese erste Wahl er­
nannte drey Plebejer. Von der Zeit an kommen diese
Comitien nicht mehr als Gegenstand des Streits vor, und
es ist zu vermuth en, dass die Geschlechter bald willig
486 gewesen seyn werden durch Rückkehr zu der einst so
heftig verschmähten tribunicischen Rogation die Hälfte
eines Amts zu behaupten, wo die Plebes wünschen durfte
sie so eng als möglich zu beschränken.
Dies war der erste unmittelbar folgenreiche Gewinn

ein S e n a tu s c o n s u lt, d a m it es n ic h t G e se z e s k ra ft e rla n g e : o ftm als


a b e r v o llzo g d ie R e g ie r u n g es d a ru m n ic h t m in d e r : si quia inter­
cédât senatusconmlio, auctoritate se fore contentum: L iv iu s IV . 5 7 .
In d e n j ü n g s t e n Z e ite n d e r R e p u b lik w ird frey lich je d e r S e n a ts ­
b e sc h lu s s d em T r ib u n e n w id e r s p r a c h e n , senatus auctoritas g e ­
n a n n t. A u s d e m e b en a n g e f ü h rte n B e y s p ie l e r h e llt d a ss d ie
T r ib u n e n 3 4 8 w e n ig s te n s A n s p r u c h m a c h te n d a ss d e r B e s c h lu ss
w e g en E r n e n n u n g e in e s D ic ta to rs v o n d e r G e m ein d e g e n e h m ig t
w e rd e n m ü sse .
— 378 — [band ii .]

der plebejischen Sache seit dem Decemvirat: darnach ward


die Oligarchie Schritt vor Schritt zurückgedrängt, wie
hartnäckig sie sich auch oft behauptete. Das römische
Yolk siegte von nun an über die Patricier wie die Nation
über Italien : durch unverdrossene Beharrlichkeit im un­
scheinbaren geringen Anfang, durch eifrige Anstr engungen
um geringe erste Vortheile, durch rasches Ergreifen des
günstigen Augenblicks, ausdauernde Geduld^ und Sorge nur
nicht zurückgedrängt zu werden in schwierigen Zeiten:
endlich durch vervielfachtes Aufbieten lange gesammelter
Kraft als die Fülle der Zeit gekommen war, ruhige Be­
festigung des entscheidenden Siegs, und besonnenes Ein­
ernten seiner Früchte.
Sullas Zweck als er die Zahl der Quästoren vermehrte,
war, durch sie den Senat zu ergänzen952), in den der
Altquästor durch Anrecht eintrat, wenn ihn die nächsten
Censoren nicht als unwürdig entfernten. Das muss eine sehr
alte Ordnung gewesen seyn, und ohne Zweifel nahmen
auch jezt die plebejischen Quästoren Siz im Senat. Die
früheste bestimmte Erwähnung eines Senators aus dem
zweyten Stande kommt neun Jahre später vor: und für
einen der schon lange in der Curie gewesen, wie es von 487
P. Licinius Calvus heisst, konnte der gelten welcher auch
nur fünf oder sechs Jahre dort Siz gehabt hatte: dann
konnte er diesen Rang durch die Quästur erhalten haben.
Doch hat es schon 334 einzelne plebejische Senatoren ge­
geben, weil damals die Patricier zusammentraten um den
Interrex zu ernennen53): zuverlässig nicht die Curien,
sondern die welche im Senat sassen: dieses Zusammen­
treten konnte erst beginnen seitdem die Versammlung nicht
ausschliesslich patricisch war. Das Interregnum hat augen­
scheinlich sein Wesen verändert; der erste Interrex ist
nicht mehr der erste Senator, eben so wenig folgen ihm

952) T a c i t u s Annal, X I. 2 2 . viginti creati, eupplendo senatui.


53) res publica — ad interregnum, neque id ipsum (nam
coire patricios tribuni prohibehant) sine certamine ingentiy redit.
L iv iu s IV . 4 3 . D ie e in z ig e fr ü h e r e E r w ä h n u n g e in e r s o lc h e n
C o itio , 3 1 1 , ( I V . 7 .) is t a p o k r y p h is c h , w e il T . Q u in c tiu s g a n z
g e w is s n ic h t I n te r r e x s o n d e rn D ic ta to r w a r.
[band II.] — 379 —

andre nach Rang und Alter: sie werden erkoren: die alten
Vorrechte der Decurie der zehn ersten hatten aufgehört.
Immer begleitete von nun an ein Quästor jedes aus­
ziehende Heer: obwohl nur noch um dem Verkauf der
Beute vorzustehen, deren Preis jezt gewöhnlich in der
Legion vertheilt, und, wenn dies nicht geschah, wenigstens
in das Aerarium, den gemeinen Schaz der Republik, ge­
schüttet ward954): nicht mehr in das Publicum der Ge­
schlechter. Auch hier ist unzweifelhafte Folge der allge­
meinen Gesezgebung: die Gemüther wurden nicht länger
dadurch empört, dass man diesen Gewinn den Curien zu­
gewandt sah; aber die Legion forderte ihn um so ent-
488 schiedner als ihr gebührend, da, ungeachtet des tribunici­
schen Antrags, noch immer kein Sold gezahlt, aber der
Felddienst langwieriger ward. Als daher der Consular-
tribun M. Postumius im Jahr 341 vor dem Sturm auf Bolä
seinen Völkern die Beute der Stadt versprochen hatte,
und nachher seinem Wort untreu ward, so geriethen sie
darüber in eine Wuth die sie zu einem bis dahin uner­
hörten Verbrechen trieb.
Doch war es nicht die entzogene Beute allein welche
sie wild machte : sie wollten nicht mit unbesoldetem Dienst
den Boden für die Patricier gewonnen haben. Am Anfang
dieses Zeitraums waren Colonen nach Ardea gesandt (312):
es ist augenscheinlich dass zu jener Zeit, wo die Plebejer
ganz gebeugt und unterdrückt waren, dabey nur an eine
Colonie der Curien zu denken ist; und die Forderung des
Tribuns Poetelius im nämlichen Jahr, dass die Consuln
im Senat auf Ackeranweisung für die Plebes antragen
sollten55), zeigt vollends dass diese übergangen war. Es
ward nichts erreicht; erst 337, nachdem schon die Her­
stellung des Zehenten, wie es scheint, beschlossen, wenn
auch noch nicht ins Werk gerichtet worden56), kommt
eine Ackerassignation vor welche unzweifelhaft den Ple­
bejern zum Vortheil gereichte. Als in jenem Jahre Lavici
eingenommen war, kam der Senat tribunicischen Forde- ‘

9й4) venditum consul sub hasta in aerarium quaestores redi-


gere iussit: D e rs. IV . 53. V o n d e r redactio in publicum (o b e n
A n m . 386) is t s o it d e m D e c e m v ira t d ie R e d e n ic h t m e h r.
55) D e rs . IV . 1 2. 56) O b e n S . 4 8 3 .
380 [band ix.]

rungen durch den Beschluss zuvor das 1 6 0 0 Colonen dort­


hin gesandt werden sollten. Das Landmaass war das ur- m
alte Heredium von zwey Jugern957): auch herrscht noch
das römische Zahlengesez, aber dahin verändert dass jezt
3 0 0 0 Jugern vertheilt wurden, anstatt dass sonst 3 0 0
Bürger einen Antheil erhielten58). Jezt waren die Colonen
nur Plebejer, wie sonst ausschliesslich von den Geschlech­
tern : es war aber doch eine dürftige Abfindung, da weder
von der fidenatischen Feldmark, noch von den Eroberungen
welche die Entscheidung des Kampfs mit den Aequern
schon vorher gebracht haben muss, einiges an sie ge­
kommen war: daher auch in den Jahren 3 3 8 und 3 3 9
zw ey Yolkstribunen ein umfassendes agrarisches Gesez vor-

9 5 7 ) L iv iu s IV . 4 7 . D e r A u s d r u c k : coloni ab urbe misai,


s c h l i e s s t , w e n n irg e n d e in ig e G e n a u ig k e it a n g e n o m m e n w erden
k a n n , d ie L a tin e r a u s. A u c h k o m m t L a v ic i u n te r d en la tin is c h e n
C o lo n ie n n ic h t v o r: es is t a ls M itte lp u n k t e in e r K le ru c h ie zu
d e n k e n w ie S ig n i a : [ T h . 2 /| A n m . 1 93. 58) D ie Z a h l d e r
P f l a n z b ü r g e r e in e r s e it d e r Z e rs tö ru n g d e s S ta a ts d e r L a tin e r von
R o m a u s e rric h te te n la tin is c h e n C o lo n ie , h a t k e in e S p u r d e r a lte n
ty p is c h e n F o r m e n , so n d e rn m u s s je d e s m a l n a c h d en U m stä n d e n
b e s c h lo s s e n sey n . A b e r d ie 1 5 0 0 C o lo n e n von L avici b e zieh e n
s ic h a u f d ie d a m a lig e L e g io n , w e lc h e v o llz ä h lig 3 0 0 0 M an n e n t­
h i e l t , f ü n f C o h o rte n , je d e zu 6 0 0 (T h . 1 . A n m . 1 0 93). L a n d a n ­
w e is u n g w a r v o n je h e r P r e is d es K r ie g s d ie n s t (o b e n S . 185.
A n m . 3 5 6 .) — u n d w en n sie n u r e in e r b e s c h rä n k te n Z a h l zu
T h e i l w e rd e n k o n n te , so m u ss d en V e te r a n e n d e r V o rz u g g e g e b e n
s e y n . D ie s e w a r e n n ic h t z a h lre ic h e r a ls u m ein e L e g io n zu
b ild e n (o b e n S . 1 3 8 ) , w e n n a u s je d e r T r ib u s 150 g en o m m en
w u r d e n : so w u rd e n im J . 3 6 0 n a c h V ite llia 3 0 0 0 C olonen g e ­
s a n d t. H ie r a b e r w a re n n u r 3 0 0 0 J u g e r n zu v e r th e ile n , u n d so
k o n n te n e n tw e d e r z e h n T r ib u s a u sg e lo o s st w e rd e n , u n d v o n je d e r
d a s v o lle C o n tin g e n t z u r T h e iln a h m e k o m m e n , o d e r von je d e r
T r i b u s d ie H ä lf te d es C o n tin g e n ts . D ie N o tiz d a ss je n e s g e sc h e h e n
is t , h a t s ic h b e y L iv iu s e rh a lte n , n u r , m is v e rs ta n d e n , a u f d ie A u sh e ­
b u n g z u m F e ld d ie n s t b e z o g e n , d a h e r a u f d ie iuniorts: IV. 46 . (fü r
d e n A n f a n g d e s J a h r s w o rin L a v ic i e r o b e r t w a rd ) deleclum haberi
non ex toto passim populo placuit. decem tribus sorte ductae
sunt, ex his scriptos iuniores — ad bellum duxere. W o h l zu
m e r k e n , d a s s d e r B efeh l ü b e r d ie se v e rm e y n te h a lb e L e g io n d o c h
a n z w e y M ilita r tr ib u n e n g e g e b e n , d a n e b e n e in e R e se rv e g e b ild e t
w ir d , u n d d ie N o th w e n d ig k e it e in e n D ic ta to r z u e rn e n n e n e in tritt.
[band II.] — 381 —

490 trugen. Dies vereitelten die Patricier indem sie die Mehr­
heit des tribunicischen Collegiums gewannen: es mag mehr
als billig war gefordert seyn959). Koch mehr Anhänger
hatten sie in dem des folgenden Jahrs, so sehr war die
Zusammensezung auch der Tribus in der Censoren Gewalt.
Als nun Bolä im nächsten Feldzug eingenommen war, be­
stand ein Tribun, L. Sextius, darauf dass, neben allge­
meiner Ausführung des Ackergesezes,; die Legion, welche
jenen Ort erobert hatte, dort Loose angewiesen erhalten
sollte60). Mit dieser Bewilligung konnte die Ruhe erhalten
werden: aber die Geschlechter wollten die neu gewonnene
Landschaft eben so wenig wie die uralten Besizthümer
fahren lassen. Das Heer musste im Felde bleiben: diese
Verlängerung eines Dienstes dessen Kosten jeder Einzelne
491 ganz tragen musste, und auf keine Weise dafür entschä­
digt werden sollte, war absichtliche Plackerey und Hohn;
doch sollten auch wohl die Nundinen der Abstimmung
verfliessen. Postumius war zur Stadt gerufen um der un­
gerechten Sache das Wort zu reden, welche seine Collegen
vielleicht lau oder mit Widerwillen aufnahmen : der Tribun
drohte, die Völker möchten nicht immer gelassen ihr Blut
ohne Lohn vergiessen wollen: den meinigen, rief jener,
soll es übel bekommen, wenn sie nicht ruhig sind. Dieses
Wort gelangte in das Lager, wo der Quästor die Beute
versteigerte über deren Entziehung der Lanzknecht er­
bittert war: es erhob sich Tumult; und ward zum vollen
Aufruhr, da jener, den Befehlshaber vertretend, mit Strenge
den Gehorsam herzustellen wähnte; er ward von einem
Steinwurf getroffen. Ueber dies Verbrechen hielt Postu­
mius Gericht, und wüthete unmenschlich und ohne Maass:
die Soldaten nahmen sich derer an die zu einem qual-

959) D a s w ü rd e a lle rd in g s d e r F a ll sey n w e n n , w a s L iv iu s


IV . 4 8 . s a g t , so w ie e r es g a n z b e s tim m t g e m e y n t h a t , r ic h tig
w ä re . eo) L iv iu s IV . 4 9 . — Z o n a ra s p . 3 0 . c. s c h re ib t d ie
A n s p rü c h e d e n S o ld a te n s e lb s t z u , s e z t sie n a c h P o s tu m iu s T o d e ,
u n d n im m t an ^ ein e a llg e m e in e A u fth e ilu n g se y d a m a ls a u s g e ­
f ü h r t: rvjv %ü)pav, ob rfy al%f±äXwzov iiôvov, àXXà xal nàoav
Tzpoqéve.tfxav éaurotç rfy èv rw dyfioatw rôre тиухаѵоисаѵ.
m it L iv iu s IV . 5 1 . iacere tamdiu irritas
G ra d e im W id e rs p r u c h
sanctiones u . s. w.
382 [band ii .J

vollen Tod geführt wurden; Postumius glaubte sie mit


Unbiegsamkeit zu überwältigen, aber er fiel in einer Em­
pörung die alles vergass.
Diese Missethat brachte der Oligarchie Gewinn: man
musste es geschehen lassen dass Cönsuln ernannt wurden
und die Plebes den Beschluss von Senat und Curien an­
nehmen dass diese über Postumius Tod Gericht halten
sollten961). Es geschah mit Mässigung; aber die Feldmark
von Bolä blieb den Patriciern; der plebejische Anspruch
schien befleckt, und kein Tribun erneute ihn: doch das 429
konnte nicht lange lähmen. Die übrigen von den fünf
Jahren, während welcher die Republik unter der Herrschaft
von Consuln blieb, vergingen in agrarischen Bewegungen
deren Erfolg durch Anhänger der Machthaber unter den
Tribunen selbst vereitelt wurde. Allein die Wahl plebe­
jischer Quästoren liess sich nicht länger hindern; und
nur durch Ränke ward ein gleicher Ausgang abgewehrt,
als darauf eingewilligt werden musste dass für 347 con-
sularische Tribunen ernannt werden sollten: worauf fünf­
zehn Jahre ununterbrochen vergingen ehe wieder Consuln
aufgedrungen wurden.
Doch während der Name jener Obrigkeit unverändert
blieb, nahm sie, nach vier Jahren der Herstellung, jene
Form an wodurch die Zahl des Collegiums auf sechs er­
höht, die Prätur darin aufgenommen, die Censur, des bis­
herigen Vorrangs beraubt, mit ihr verbunden ward. Das
Wesen derselben habe ich schon erörtert; und bemerkt,
dass, wenn auch das Zeugniss, wonach das Collegium
durch die Tribus erwählt worden, so wenig für sicher an­
zunehmen als ganz zu verwerfen ist, augenscheinlich die
Wahl der Censoren damals nicht mehr bey den Curien
geblieben seyn kann, so wie dem Amt damals die präto­
rische Jurisdiction auf immer entzogen ward62).
Die Aufopferung kostbarer Vorrechte, für deren Usur­
pation vormals so wenig Frevelthaten als Gefahren ge-

961) ^ a s L iv iu s e r z ä h lt, IV . 5 1 , es s e y d e r P le b e s ü b e r ­
la s s e n w o rd e n d a s S p e c ia lg e r ic h t w em s ie w o lle z u ü b e rtra g e n ,
u n d s ie h a b e es d en C o n su ln a n v e r tra u t, is t u n m ö g lic h : es k a n n
n u r d ie g e w ö h n lic h e B e s tä tig u n g e in e s B e s c h lu s s e s d e r P a tr e s
gew esen sey n . 62) O b e n S . 4 4 2 .
[band п .] — 383 —

scheut waren, mag nicht so ohne alles Widerstreben er­


folgt seyn wie Livius Stillschweigen vorauszusezen ver-
493 leiten könnte: dass sie aber hingegeben wurden um Ein­
tracht und Wohlwollen herzustellen, zeigt, dass der Senat
sich nicht mehr als Vertreter der Ansprüche einer Faction,
sondern als die gemeinsame Regierung der ganzen Re­
publik betrachtete. Der Waffenstillstand mit Veji, welcher
einen Krieg unterbrochen hatte wo die äusserste Rache
für ein unabsühnbares Verbrechen gerecht war, war ver­
laufen, und die rechtmässige Erneuerung der Feindselig­
keiten öffnete unbegränzte Aussichten wenn Veji fiel. An
Grösse Rom gleich, nur zwölf Millien entfernt, verschloss
diese Stadt Etrurien den römischen Waffen: sie war nicht
mehr furchtbar: aber ihre Eroberung erforderte Anstren­
gungen von einem Umfang und einer Ausdauer wie sie
seit der Einführung des Consulats nie von dem römischen
Volk gefordert waren. Seit einem Menschenalter genass
die Republik von ihrem langen Siechthum, und die Er­
zählungen aus der Grossväter Tagen wie die Gemeinde
den Sieg eines patricischen Tyrannen mit eigenem Ver­
derben zu zerstören beflissen gewesen, lauteten schon lange
fremd: aber die Plebejer waren auch entschlossen die
Kriege nicht als Frohndienste zu führen, ihre Früchte als
Bürger zu theilen. Bey solchen Verhältnissen ist der
Schluss von Gleichzeitigkeit auf innere Beziehung untrüg­
lich: und es leidet gar keinen Zweifel dass die Tribunen
die nun unentbehrliche Einwilligung ihres Standes in die
Kriegserklärung gegen Veji von der Erledigung dringender
Beschwerden abhängig machten. Fünfzig Jahr früher
hätte der Senat alsdann den Krieg mit allen seinen Hoff­
nungen fahren lassen.
Auch das Volkstribunat hat um diese Zeit eine höchst
494 wesentliche Veränderung erfahren. Noch immer hatte die
Stimmenmehrheit in demselben entschieden: das Ackerge­
sez von 339 ward dadurch vereitelt dass die Patres sechs
Tribunen gewannen, also die Mehrheit : es hätte der grossen
Bemühungen womit diese erlangt ward nicht bedurft,
wenn schon damals ein einziges Veto hinreichend gewesen
wäre : und hätten die vier Tribunen, welche die Sache des
Consuls C. Sempronius zu ihrer eigenen machten, die An­
klage ihrer Collegen mit einem Wort aufheben können,
— 3 84 — [band п .]

sie 'würden nicht durch Trauerkleider und Bitten das Yolk


zu erweichen gesucht haben963). Aber 360 und 361 waren
es zwey welche die Rogationen über Yeji aufhielten64):
so wie um 380 Licinius und Sextius die Comitien hinder­
ten: es stand mithin nicht in der Gewalt der acht übrigen
jenes Hinderniss aufzuheben. Die Gränzen der Zeit in
welche die Neuerung fällt sind also unverkennbar: nicht
so klar ist in welchem Sinn sie beschlossen ward. Es
scheint doch dass es nur die Regierung seyn konnte welche
sie wünschte um die Unternehmungen der Tribunen zu
hemmen: einer oder zwey unter zehnen hingen noch wohl
ihr an; auf eine Mehrheit war immer weniger zu hoffen,
je stärker die Unabhängigkeit des Volks sich mit seinem
Wohlstand befestigte, und je sichtbarer für jedermann die
patricische Macht Boden verlor. Ich denke dass der Senat
es sich für jene Zugeständnisse ausbedingen mochte: und
die Erwähnung dass Appius Claudius, des Decemvirs Enkel,495
Consulartribun im Jahr 352, den Weg gezeigt habe die
tribunicische Macht durch Intercession zu brechen, dürfte
sich eben auf diese Aenderung beziehen. Wenn die Mehr­
heit sich durch Wahlart und List erhalten liess, bedurfte
es keiner Erfindung um Rogationen abzuwenden65).
Wären die Zugeständnisse der Patricier so aufrichtig
gewährt worden wie sie, wenn sie ausgeführt wurden, er­
heblich waren, so war nichts billiger als ihre Vorbehalte
zu sichern, und zu hindern dass die zu unermesslicher
Entwicklung bestimmte tribunicische Gewalt sie nicht zer­
störe. Unter jene Zugeständnisse gehört der Beschluss
dass auch dem Eussvolk regelmässiger Sold gezahlt wer­
den solle*, offenbar eine der Bedingungen woran die Tri-

9 63 ) L i v i u s IV . 4 8 . 42- 64) D e rs. V . 2 9 . dies dicta erat


tribunis pl. biennii superioris, A . Virginio'et Q. JPomponio —
quod — rogationi intercessissent. D ie se s in d d ie jntercessores
legis w e lc h e d ie P a tr e s v e rg e b e n s reficere annisi sunt. E b e n d a s.
65) U n te r d em g e n a n n te n J a h r e r in n e r t L iv iu s d a ra n , je n e r
A p p iu s s e y auctor g e w ese n per collegarum intercessionem tribu-
mciae potestatis dissolvendae: V . 2. — w e lc h e s e r fre y lic h schon
a u f 3 3 9 b e z ie h t. M it d em R a th d es A h n h e r r n , 2 7 4 (II. 4 4 .), is t
es g a n z g e w is s w e ite r n ic h ts a ls m is v e rs ta n d e n e U e b e rtra g u n g
d e r I n te r c e s s io n d e a E in z e ln e n a u f d ie d e r M e h r h e it; bezogen
v o m E n k e l a u f d e n d a m a lig e n A p p iu s C la u d iu s.
[band п .] — 385 —

bunen die Einwilligung in einen Krieg knüpften während


dessen die Plebejer unmöglich auf ihre Kosten im Felde
liegen konnten, wenn auch ein billiger Antheil an den
Früchten der Eroberung ihnen bündiger gesichert gewesen
wäre als Zusagen es thaten966). Der Sold sollte eigentlich
mit dem Zehenten bestritten werden, und es ward nun
unmöglich auf die Länge dessen Beytreibung zu hindern.

U e b e r d e n S o l d . a)
Ich habe schon an einem früheren Ort angedeutet
dass der Sold nicht zuerst für den vejentischen Krieg ein-
geführt seyn kann: dass die Aerarier ohne Zweifel nie
aufgehört hatten Pensionen für das Fussvolk zu zahlen,
wie ledige Weiber .und Unmündige an die Ritter: dass
die Veränderung darin bestand dass jeder Legionär ihn
erhielt, anstatt dass bisher nur so viele Pensionen gezahlt
seyn werden als sich anweisen liessen67) : mithin das
Mangelnde aus dem Aerarium, vom Ertrag der Zehnten,
und, so weit dieser nicht reichte, durch ein auch auf die
selbst dienstpflichtigen Plebejer ausgeschriebenes Tributum
aufgebracht ward. Es ist aber nicht bloss undenkbar dass
die väterliche Gesezgebung die den Census einführte, zu­
gegeben haben sollte dass während die reichsten Ritter

$66) Ic h w ill os m ir n ic h t z u m V e rd ie n s t re c h n e n d a ss ich


L iv iu s U e b e re ilu n g e n u n d S c h w ä c h e n stills c h w e ig e n d ü b e r g e h e :
d ie v ie ljä h rig e V e r tr a u lic h k e it b in d e t e in re c h tsc h a ffn e s G e m ü th
m it e in e r P ie tä t, d ie s ich ü b e rw in d e n m u ss u m M a n g é l zu e n t­
h ü lle n : h ie r i s t e in F a l l d e n ich n ic h t u n b e rü h rt la ss e n k a n n .
V o n d e r E in f ü h r u n g d es S o ld s s a g t e r IV . (iO. non a tribunis
plebis unquam agitatum, non suis sermonihus e/ßagitatum — u n d
das. 3 6 . h a t t e e r g e sc h rie b e n , d ie T r ib u n e n h ä tte n d e n ager pu -
blicus b e la s te n w o lle n , ostentatae spes — in Stipendium militum
erogandi aeris. W e r so v e r g is s t, d a r f , w e n n w ir ih n stillsc h w e i­
g e n d b e ric h tig e n , n ic h t a ls A u to r itä t g e g e n u n s a u fg e ru fe n w erden.
a) S c h w e g le r II I . 164, 2 2 2 . 67) T h . I . S . 524- 5 2 5 . N a t ü r ­
lich w u rd e n d ie se P e n s io n e n capita g e n a n n t , a ls einem caput
e n ts p r e c h e n d ; d a v o n h a t s ic h d ie E r w ä h n u n g b e y L y d u s e rh a lte n
I. 46- — тоте dtwpta&T) Tocg атратіштаід тгараа^еси тЬ Щцб-
с toy — та Xeyofieva хйжіта.
Niübuhr, Röm. Gesch. 25
— -3 8 6 — [ band п.]

Sold empfingen, das Fussvolk durchaus ohne Löhnung


hätte dienen müssen : ich kann auch unzweydeutige Spuren 497
darlegen dass beyde Waffen ursprünglich nach dem näm­
lichen System besoldet wurden.
Bekanntlich giebt Polybius die tägliche Löhnung des
Legionärs zu zwey Obolen an 968) : welches — da er Drachme
und Denar gleich sezt, und dieser dem Soldaten auch nach
der Einführung leichter Scheidemünze, nicht wie im gan­
zen übrigen Verkehr zu 16, sondern nur zu 10 Assen an­
gerechnet ward, — 3VS gleich ist, und für dreyssig Tage
100 ausmacht. Das ist die elçtpopà von zehn Drachmen
die der lezte Tarquinius ausschrieb : eben gar nichts an­
deres als die Anweisung eines einzelnen Pussknechts für
seinen Monatssold. Ein solcher von denkbarem Betrag
ergiebt sich für die Reisigen nicht, wenn die jährige
Summe von zweytausend Assen durch zwölf getheilt wird:
allein hier, wie durchaus bey allen Bestimmungen über
Zahlungen aus uralter Zeit, ist das zehnmonatliche Jahr
zu suchen, welches nun für den Monat zweyhundert Assen
giebt. Also genau das doppelte von dem Sold des Puss­
knechts: ein Verhältniss welches in den verschiedensten
Zeiten und Ländern zwischen diesem und dem des Reisi­
gen angenommen worden ist69). Der dreyfache, welchen
die römischen Reiter später empfingen70), war eine Ent­
schädigung die durch den Militartribun Cn. Cornelius Cos­
sus im Jahr 354, ohne allen Zweifel für die welche mit
eigenen Pferden dienten, eingeführt und erst in der Folge m
allgemein ward71). Ursprünglich war dieses wohl der

968) P o ly b i u s V I. 3 9 . 69) D ie P e lo p o tm e s ie r g a b e n d e m
L a n z k n e c b t d r e y O b o le n , d e m R e u te r e in e D ra c h m e : T h u k y d id e s
V . 4 7 . S ix tu s IV . r e r h ie s 8 im V e rtra g m it d e n E id s g e n o s s e n j e ­
d e m S ö ld n e r m o n a tlic h 5 G u ld e n , d em R e ite r 10 G u ld e n :
M e y e r v. K n o n a u I. S . 2 5 5 . 70) P o ly b iu s a. a. 0 . D e r
C e n tu rio h a t t e n u r d as d o p p e lte S tip e n d iu m ; u n d im n ä m lic h e n
V e r h ä ltn is s w a r d d a s L a n d m a a s s b e y m ilitä r is c h e n A ssig n a -
tio n e n z u g e t h e i l t , u n d d a s D o n a tiv b e y d e m T r iu m p h .
71) L iv iu s V . 1 2 . triplex Stipendium equitibus dederat (C ossus).
Z w e y J a h r e v o r h e r h a tte d e r D ie n s t d e r R e is ig e n m it e ig e n e n
P f e r d e n b e g o n n e n ; d a fü r w a rd ih n e n e in numeru* aeris b e w illig t
( L iv iu s V . 7 . ) : w e lc h e B e m e r k u n g z u m J a h r 3 5 4 h a tte versch o -
[ band II.] — 387 —

Sold der Befehlshaber: denn in diesem Verhältniss wurden


die drey Klassen der spolia opima belohnt: der Befehls­
haber erhielt 300 Asse; die beyden ändern Stufen, 200
und 100, sind gewiss für Beuter und Fussknechte bestimmt
gewesen972).
Ein patricisches Standeshaupt bey Livius fordert von
den Soldaten den Bienst während des ganzen Jahrs, weil
499 sie den Sold eines vollen Jahrs empfingen73). Das ist
indessen doch nur Uebereilung des in den Verhältnissen
seiner Zeit befangenen Schriftstellers: als er schrieb war
schon längst, wie der Dienst so die Löhnung des Soldaten,
an ganze Jahre gebunden. Der Sold für die vollen zwölf
Monate, zwölfhundert Asse, ward damals, zu drey Gold­
stücken berechnet74), als Einheit genommen und Stipendium
genannt, in drey Eaten ausgezahlt75): daher jene Vor­
stellung. Für sie scheint freylich zu reden dass der Reiter­
lohn für das ganze Jahr gegeben ward. Schon wäre in­
dessen nichts begreiflicher als wenn die Ritter in jeder

b e n b le ib e n m ü s se n . W e n n d ie L e g io n ä re im J a b r 4 0 8 , a u fg e ­
b ra c h t g e g e n die R e u te r , fo rd e rte n ut de stipendio equitum ( me-
rebant autem triplex ea tempestate) aera demerentur — Ѵ П . 41.
— so m a g d ie s n u r d ie b e tro ffe n h a b e n w e lch e e in e n eguus pu­
blicus h a t t e n , u n d d a n e b e n d o ch d a s d ritte Stipendium b e z o g e n .
D e n n , w ie d e r v o rtre fflic h e R a d b o d H e rm a n n S c h e ie b e m e r k t
h a t, d ie 1 0 0 0 0 A sse fü r d a s R itte rp fe rd , m a c h en , a u f z e h n J a h r e
d e r D ie n s tp f lic h t v e r th e ilt, 1 0 0 0 A ss e jä h r l i c h , w e lc h e , g e n a u e r
als e r (d e r B e re c h n u n g n a c h z e h n m o n a tlic h e n J a h r e n n ic h t k u n ­
d ig ) e rm e ss e n k o n n te , j a v o llk o m m e n ,. e in e in fa c h e s J a h r g e ld be«
tra g e n .
972) D ie s e E r k lä r u n g h a b e ic h s e lb s t z u v e rtre te n : d ie N a c h ­
ric h t a b e r w o ra u f sie b e ru h t fin d e t s ic h b e y F e s tu s s, v. opima
spolia, u n d P lu t a r c h Marcell. p. 3 0 2 . c. w o n a ch U rs in u s je n e
S te lle v o rtrefflic h h e rg e s te llt h a t. V g l. P e riz o n iu s Animadv. 7.
p. m. 2 6 3 . 2 6 4 . 73) L iv iu s V . 4 . annua aera habes, annuam
operam ede. An tu aequum censes militia semestri solidum te
Stipendium accipere ? 94) D a s G o ld s tü c k g a lt 100 S e s te rtie n :
also is t d e r D e n a r n u n a u c h h ie r z u 1 0 A sse n b e re c h n e t: a ls
d e r S o ld v e rd o p p e lt, d a n n v e rd re y fa c h t w urde, k o n n te d e r S o ld a t
n ic h t k la g e n d a s s d ie se B e r e c h n u n g s a r t je z t a u c h a u f sein e L ö h ­
n u n g a n g e w a n d t w a rd . 75) D a h e r h e is s t es von D o m itia n
quartum Stipendium addidit. V g l. a u c h d ie S te lle n A n m . 9 7 0
u n d 97 2 .
25*
— 388 — [band п .]

Hinsicht Begünstigung genossen hätten; da sie aber das


ganze Jahr hindurch ihr Streitross und einen berittenen
Beitknecht halten mussten, so fehlt viel daran dass sie
damit als begünstigt betrachtet werden könnten, wenn
der Lanzknecht nur für jeden Monat, wovon er einen
Theil im Felde stand, abgelöhnt ward. Hätte dieser den
.Sold für die übrige Zeit welche er zu Hause zubrachte
erhalten, so wäre das eine Verschwendung gewesen welche
im grössten Glanz der königlichen Zeit höchst unwahr­
scheinlich, bey den beschränkten Mitteln der Bepublik in
den früheren Jahrhunderten ganz unmöglich gewesen wäre.
Eine Berechnung nach monatlichen Baten findet sich auch
in der erwähnten Abstufung der Vergeltung für die spolia
opim a.
Die Veränderungen im Schoss welche Camillus und 50a
Albinus in ihrer Censur des Jahrs 352 trafen, waren durch
die Einführung eines allgemeinen Solds veranlasst. Wahr­
scheinlich hörten damals die einzelnen Zahlungen an die
Beisigen auf; wobey zuweilen eine sehr harte Belastung
eintreten, zuweilen weniger erhoben werden mochte als
wenn Ledige und Waisen ebenfalls nach dem Tausend
des Steuerfusses bezahlten; es stand noch immer in der
Censoren Willkühr sie nach einer höheren Schäzung an­
zuziehen. Das Tributum drückte dio Plebejer während
der ersten Jahre sehr hart: ganz so wie es die Tri­
bunen verkündigt hatten, es werde ihnen bey Erschwe­
rung der Dienstpflicht eine Steuerlast aufgebürdet, welche
dem geringen Mann aus der lezten Klasse, und dem Accen-
sus freylich wohlthätig ward, allein den Wohlhabenden
weit härter falle als der unentgeltliche Dienst. Daher
thaten sie 354 Einsage gegen die Erhebung, promulgirten
ein Ackergesez, und gaben nicht eher nach, bis eine red­
liche Wahl plebejischer Militartribunen vollbracht war976).
Hätte nun die Menge nicht eine Erleichterung erhalten,
so würden sie den Ehrgeiz ihrer Vornehmen schadenfroh
getäuscht haben, wie sie sich dreyssig Jahre später gleich­
gültig über das Consulat zeigten, ihr Sinn nur auf die
Minderung der Schulden und Ackeranweisung gerichtet
stand. Das hier erwähnte agrarische Gesez mag einzig

976 Livius V. 12.


[band п .] — 389 —

und allein Maassregeln wodurch die Entrichtung des Ze­


henten gesichert ward, angeordnet haben977). Dass dies
mit Erfolg geschehen sey, lässt sich an dem Yerstummen
501 der tribunicischen Einreden erkennen, welche nur in der
Zeit äusserster verzweiflungsvoller Noth, vor den licini-
schen Bewegungen, wieder vernommen werden.
So waren nach einem halben Jahrhundert unsichrer
und streitender Bewegungen, durch die unwiderstehliche
Kraft der Dinge, Ehrenrechte und Wohlstand der Erbeigen
zugleich hergestellt, und der Oligarchie Einräumungen
abgewonnen welche sie nie wieder ungeschehen machen
konnte. Hätten die Vorfahren aus den Gräbern aufge­
blickt, so würden ihnen die Rechte, über deren Bestim­
mung noch gestritten ward, ganz geringfügig gedünkt
haben gegen das was schon zugestanden und ausgeglichen
war: der heftigste Streit der Partheyen wäre ihnen, gegen
das was sie erlebt hatten, als milde Erörterung vorge­
kommen. Sie hätten Plebejer im Senat gesehen; zwar
nur noch wenige, aber nicht als Eingedrungene betrachtet:
und in den ersten patricischen Häusern Plebejerinnen, den
im ersten Stand gebornen Matronen gleich geachtet. Es
verbreitete sich immer mehr eine Heiterkeit, worin jeder
Einzelnes leicht verschmerzte, was in trüben Zeiten Bitter­
keit und Unwillen erregt haben würde; bald in behaglichen,
bald in glänzenden Tagen befestigte sich Wohlwollen und
Nachsicht zwischen Eegierung und Volk. Auch die äussern
Verhältnisse der Republik hatten sich sehr glücklich ge­
ändert; das römische Gebiet, während der lezten dreyssig
Jahre vor den Decemvirn der Schauplaz der Kriege, ward
schon längst von keinem Feinde verlezt, und in Latium
hatte die Herrschaft der Republik die Gränze des Gebiets
der Könige wieder erreicht.

£02 D ie K r ie g e b is z u m le z te n v e je n tis c h e n .
Die Feldzüge dieses Zeitraums sind schon häufig so
erheblich in dem was vollbracht ward und aus ihnen her­
vorging, dass ausführlichere Erzählung nicht länger als

977) Oben [Th. 2.] Anm. 948.


— 390 — [ band II.]

das Verweilen einer Vorliebe bey kleinlichen Ereignissen


getadelt werden könnte: aber fast durchgehende ist jede
Umständlichkeit in den Berichten noch immer historisch
bedenklich. So muss es genügen zu sagen dass M. Ho-
ratius 306 einen herrlichen Sieg über die Sabiner a) ge­
wann: ein höchst denkwürdiges Ereigniss, indem damit
die sabinischen seit mehr als zwanzig Jahren immer er­
neuerten Kriege aufhören, bis nach anderthalb Jahrhun­
derten der kraftlose Staat sinnlos aufgeregt die Waffen
ergriff, und in wenigen Tagen seinen Untergang fand.
Während dieser ganzen Zeit nennt die Geschichte sie nie­
mals, obwohl die angränzenden Völker, bald Tiburtiner
bald Falisker, gegen Eom Krieg führen: im zweyten und
dritten samnitischen gehen die römischen Heere ungehin­
dert durch ihr Land; keines hätte nach Apulien gesandt
werden können wenn ihre Freundschaft nicht unbedingt
sicher gewesen wäre. Mag kein Schuzbündniss bestanden
haben, worüber freylich wohl nicht so ganz jede Spur aus
der Geschichte verschwunden seyn würde, so muss doch
die Befreundung auf bündigen Verträgen beruht haben;
und wir dürfen annehmen dass auf den Sieg des M. Ho-
ratius ein Vertrag gefolgt ist. Durch denselben wird ein
Landrecht geschlossen seyn: und wenn die Vermehrung
der Censuszahl von 256 um 20000, Folge eines nachmals
aufgehobenen war978), so dürfte die Zahl der sabinischen m
Landleute den grössten Theil der 35200 Capita ausmachen,
um welche der Census von 364, leider der nächste der
mit dem von 295 verglichen werden kann, diesen über­
trifft79). Es findet sich eine ausdrückliche Erwähnung
dass die Sabiner das Bürgerrecht ohne Suifragium hatten :
welches auf die Verhältnisse der romulischen Zeiten, wo­
rauf sie bezogen wird, für Römer und Quiriten kaum

«) M o m m se n R . G . I. 3 4 7 . 978) T h . I. S. 623.
79) A u s s e r ih n e n w aren a b e r d a rin d o ch w o h l d ie e tru s k isc h e n
L a n d s c h a f t e n e n th a lte n w e lch e n a c h d e r g a llis c h e n R ä u m u n g zu
T r i b u s e rh o b e n w u r d e n : u n d es m ö g e n a n d r e B ü n d n iss e g le ic h
d e m s a b in is c h e n ü b e rg a n g e n s e y n . U e b rig e n s z eig en die S tr e it­
k r ä f t e w e lc h e a n d e r A lia stan d ten d a ss d ie Z a h l d e r e ig e n tlic h en
rö m is c h e n B ü r g e r in d ie se m Z e itra u m von B lü th e u n d W o h lsta n d
s e h r a n g e w a c h s e n w a r.
[band II.] — 391 —

passt980): auch gewiss nicht nothwendig auf das halbe


Jahrhundert nach Curius Sieg zu beschränken ist, während
dessen sie, ehe aus ihnen die beyden jüngsten Tribus ge­
bildet wurden, Municipes der zweyten Art, sympolitische
Unterthanen, waren.
Was die Sabiner so friedlich stimmte, war wohl, dass
504 die Nation sich in Auswanderungen erschöpfte; viele
Kriegslustige aus dem Stammvolk, welches sich gegen
Westen auszudehnen nicht vermochte, dürften zu ihren
Volksgenossen, den Samnitern, gezogen seyn, welche gleich
nachher als Eroberer in Kampanien81), bald darauf in Lu-
canien erscheinen; und, mit Oskern gemischt, unter dem
Namen der Kampaner schaarenweise als Lohnvölker in
Sicilien dienen.
In jenem nämlichen Jahr rächte L. Valerius auf dem
Algidus die Ehre der römischen Waffen an den Aequern.
Ihr Heer war dem seinigen überlegen: er vermied in einem
festen Lager übereilte Entscheidung: als sie aber, der
Unthätigkeit überdrüssig, Haufen ausgesandt hatten ent­
legnere Gegenden zu plündern, benuzte der Consul diesen
Augenblick die Zurückgebliebenen zu schlagen ; sie wurden
von ihrem Lager abgedrängt, und dieses erobert. Zwey
Jahre vergingen ruhig: im dritten (309) überraschte ein
plündernder Einfall die römische Landschaft: die Aequer
erschienen vor dem esquilinischen Thor: es war der lezte
verheerende Zug womit sie Eom schreckten. Eilig brachen

980) S e rv iu s ad A en. V II. 70 9 . post Sabinarum raptum, et


factum inter Romulum et T. Talium foedus recepti in urbem
( s ta tt civitatem) Sabini sunt : sed hac lege ut in omnibus essent
cives Romani, excepta sufragii latione. W e n n m a n h ie rin e in e
A n sic h t d e r ä lte s te n Z e ite n s u c h t, so w ä re n ß o m u n d Q u iriu m
d u rc h d as B ü n d n is s in Is o p o litie g e k o m m e n , u n d das Z u s a m m e n ­
tre te n d e r K ö n ig e u n d S e n a te lie sse s ich a lle n fa lls m it d en l a t i ­
n is c h e n F e r ie n v e rg le ic h e n : R o m u lu s A lle in h e rrs c h a ft k ö n n te ein e
U s u r p a tio n w ie d ie d es T a rq u in iu s ü b e r L a tiu m d a rs te lle n : a b e r
w e n ig s te n s von N u m a s W a h l a n s te llt d ie L e g e n d e b e y d e B ü r­
g e rs c h a fte n in e in d u r c h a u s v e rsch ie d e n e s V e rh ä ltn is s.
öl) D io d o r (X II. 3 1 .) se z t d ie E n t s te h u n g d e s k a m p a n isc h e n
V o lk s , d a s h e is s t die A u fn a h m e d e r S a m n ite r a ls E p ö k e n in
V u ltu r n u m , (T h . I S. 1 0 3 .) in 3 1 0 , 0 1. 8 5 , 3 , n a c h s e in e r S y n ­
c h ro n is tik .
392 — [band гг.]

die Consuln auf mit drey Legionen982), am Tage nachdem


der Feind vor der Stadt gesehen worden; aber er war
schon entwichen: am folgenden Tag erreichten sie ihn
bey Corbio: der dritte endigte den Feldzug durch einen
Sieg der die geraubte Beute wiedergab. Wenn anders 505
nicht auch hier Erdichtung obwaltet: denn sehr auffallend
ist es doch dass von einem Triumph aus diesem Kriege
nirgends die Rede gewesen ist83).
In beyden Jahren nennt Livius die Yolsker mit den
Aequern: aber der Siz des Kriegs ist an der äquischen
Gränze im Norden des Latinerlandes. Häufig scheint der
volskische Name als ein allgemeiner anstatt des aurunki-
schen gebraucht: ist das hier nicht, so waren es doch
wahrscheinlich nur Freywillige oder Cohorten aus den
Städten am obern Liris. An die Antiater ist selbst im
Jahr 312, — wo die Hülfsvölker der Gemeinde von Ardea
Volsker genannt werden, nur ihr Feldherr Clölius ein
Aequer, — nicht zu denken, da die Entlassenen ihren
Heimweg durch die tuskulanische Landschaft nahmen.
Seit der Zertrümmerung Latiums standen die Rutuler
wieder vereinzelt, und auch von Roms Hoheit unabhängig,
da beyde Städte 311 ein Bündniss eingingen. Zwey Jahre
vorher hatten sie die Entscheidung der Römer gegen die
Ariciner als Austrag angenommen. Corioli a) lag seit der
Zerstörung durch die Volsker84) in Trümmern, und die
angränzenden Orte mochten nach allgemeinem Recht das
herrenlose Land in Besiz nehmen; wie eben jene beyde
ausschliesslich sie ansprachen ist nicht erklärt. Die Römer
urtheilten, beyde wären unberechtigt, und das verödete
Land ihnen anheimgefallen: wahrscheinlich weil der lati­
nische Staat, nach dem Erbrecht der Gentes und Curien, sog
die Feldmark einer seiner Städte nach deren Untergang
mit seinem Ager vereinigt haben würde; Rom, aber nach
dessen Auflösung, Anspruch machte in seine Rechte ge­
treten zu seyn. Diese Entscheidung haben Unkunde und

982) J e d e r C o n su l fü h r t e in e n F l ü g e l , e in L e g a t d ie media
acies: ( L iv iu s I I I . 7 0 .) : n ä m lic h d ie L e g io n d e r V e te r a n e n : o b e n
S . 138. A n m . 259 . 83) L iv iu s e a g t es a u sd rü c k lic h , I I I . 7 0 .,
m it D ic h t v e rsc h w ie g n e m B e fre m d e n . a) S c h w e g le r Ш . 9 8 .
84) O b e n S . 2 9 2 . — u n d 108. A n m . 198.
[band II.] — 393 —

Vorurtheil der Plebes zugeschrieben, wiewohl das Con­


cilium des Populus, der allein hier erwartet werden kann,
ausdrücklich genannt wird985): und in dem Wahn dass es
die Plebes gewesen, deren niedriger Sinn das unziemliche
Urtheil gesprochen, eifern die Erzählenden über die Ver­
unglimpfung der römischen Ehre durch dasselbe, und
wissen viel von den Bemühungen die der Senat um die
gekränkten Ardeater zu besänftigen angewandt, zu erzählen.
Das alles ist willkührliche Erfindung: das Bündniss von
311 wird den Herrschern zu Ardea eben so erwünscht
gewesen seyn wie den römischen; denn, wenn es auch
dort erst im folgenden Jahr zu Secession und offener
Fehde mit der Gemeinde kam, so hatte der Unfriede gewiss
schon lange gedauert.
Durchgehends hatte ohne Zweifel jede italische Stadt
eine Plebes86): die welche zu Ardea von den Handwerkern
— (den Freygelassenen) — eben wie von den Herrschen­
den — (den Geschlechtern der Rutuler) — unterschieden
507 wird, war also auch dort die Gesammtheit der freyen
Landleute87): und offenbar auf gleiche Weise durch die
Erwerbung latinischer Ortschaften gebildet, welche zu ver­
mehren die Zertrümmerung des Staats Gelegenheit gab :
zu diesen kamen die Municipes aus verburgrechteten Orten.
Die Partheyen waren bereit : eine Brautwerbung entschied,
wie manchmal unter den Griechen, wie zu Florenz, dass
Alles sich feindlich theilte88). Um ein schönes Mädchen
warben ein Plebejer, ihr Standesgenoss, und ein Geschlech-

985) T h . I. S . 4 6 9 . A n m . 9 8S . — J e n e L a n d s c h a ft l a g in
d e r R eg io n d e r T r ib u s S c a p tia ; u n d d e r w e lc h e r sie fü r d a s
rö m is c h e V o lk f o r d e r t w ird S c a p tiu s g e n a n n t: e in b e d e n k lic h e r
U m s ta n d fü r d e n G la u b e n a n sein h is to ris c h e s D a se y n ! — Im
S a n e s is c h e n s in d im 16. u n d 17. J a h r h u n d e r t v ie le D o rfs c h a fte n
a u s g e s to rb e n , u n d d ie F lu r e n a n d ie a n g re n z e n d e n g e k o m m e n :
a u c h b e y u n s n a c h d e r U n te rjo c h u n g u n d d em 3 0 jä h r ig e n K rie g .
8Ö) V g l. T h . I. S . 4 4 6 . ff. U n te r d e n b a n tin is c h e n O b rig ­
k e ite n n e n n t die o s k is c h e G e se z ta fe l a u c h tribuni plebis.
87) A l 8 a ie d e r H e rrs c h a ft a b g e s a g t h a t t e n , urbem quoque omnis
etiam expertem ante certaminis, mvltitudine opificum evocata,
obsidere parat (plebs) : L iv iu s IV . 9 . 88) A ris to te le s Polit.
V . 4 . p . 135- b . c . — Z u F lo r e n z d ie W o rtb rü c h ig k e it d es B u o n -
d e lm o n te 12 1 5 .
— 394 — [band II.]

ter: jener von den Vormündern, dieser von der Mutter be­
günstigt: nur jene konnten mit väterlichem Eecht ihre
Hand vergeben, die Obrigkeit entschied für ihren Ange­
hörigen, mit offenbarer Ungerechtigkeit. Die Vormünder
entrissen das Mädchen aus dem älterlichen Hause: es kam
zu einem heftigen Gefecht, die Plebejer mussten aus der
Stadt weichen. Die Handwerker zogen zu ihnen hinaus,
und ein äquischer Feldobrister, Clölius, führte, um Sold
oder verheissene Plünderung, eine Schaar Eeisläufer heran.
Dagegen kam der Consul M. Geganius der Bürgerschaft
zum Entsaz: er umzingelte die Völker des Clölius, und
diese mussten um freyen Abzug ihre Waffen niederlegen,
ihren Feldherrn ausliefern: dennoch wurden sie auf der
Strasse zur Heimat von den Tuskulanern angegriffen, und
ausser wenigen erschlagen.
Nach diesen Vorgängen konnte für das entvölkerte
Ardea der Gehorsam der Plebes, wenn sie sich unterwor- sos
fen hatte, so unsicher seyn, dass den Bürgern fremde Co­
lonen willkommen waren. Die Stadt kommt im sechsten
Jahrhundert als latinische Colonie vor: war es vielleicht
312 geworden. Historisch ist, dass patricische Triumvirn
zu Eom ernannt wurden: dass sie keinen Theil der alten
ardeatischen Feldmark, sondern nur die welche die Eömer
sich zuerkannt hatten, assignirten; und von dieser zuerst
den Eutulern, nach ihnen den römischen Colonen Loose
anwiesen. Ohne Zweifel waren dies Heredien; die Eömer
bildeten nicht den Populus wie in den romulischen Colo­
nien, sie können nur als eine Tribus eingetreten seyn;
und sollte man damals die Ariciner eben so übersehen
haben, wie es der Geschichtschreiber thut? Sind auch sie
mit einem Antheil begütigt worden, so konnte die so an­
geordnete Bürgerschaft nachher zu den latinischen Colo­
nien gezählt werden ; die Maassnahme der Triumvirn
aber nicht nur den Plebejern, welche gar keinen Antheil
erhalten haben werden, sondern auch den Patriciern so
ärgerlich seyn dass jene weise thaten Wohnung und Bür­
gerrecht zu Ardea zu erwählen, um sich der allgemeinen
Anfeindung zu entziehen989).

989) L iv iu s IV . 1 1 . cum plebem ofendissent, ne primoribus


quidem Patrum satis accepti.
[band II.] — 395 —

Es ist möglich dass der Zug des Clölius den Frieden


zwischen den Staaten gar nicht störte, der, wie zu glauben
ist, durch förmliche Verträge gesichert, für die Römer
während des vejentischen Kriegs willkommen, bis zum Jahr
3 2 4 fortdauerte. Damals bildeten Aequer und Volsker —■
509 unter denen hier sicher auch die Ecetraner zu verstehen
sind — aus erlesener Mannschaft Heere, die durch heilige
Eide verpflichtet wurden bis auf den Tod zu streiten990):
diese sandten sie auf den Algidus. Bey der Aussicht auf
einen so schweren Krieg verordnete der Senat die Ernen­
nung eines Dictators, und ernannte ohne Zweifel sogleich
A. Postumius Tubertus. Ihn zu proclamiren verweigerten
die Consuln, unwillig sich einer höheren Gewalt unter­
zuordnen, wahrscheinlich unter dem Vorwand dass die Be­
stätigung der Curien noch fehle: allein die Tribunen er­
klärten dass sie die Ernennung als gültig anerkennten,
und ihre Ausführung mit Gewalt behaupten würden.
Den Namen des Dictators Tubertus begleitet eine
schreckliche Sage, und, wie den weniger seiner Zeitgenos­
sen, ein dunkles Andenken von Grösse: die älteren Anna­
len müssen deutlich erkannt haben dass sein Sieg der
Wendepunkt der äquischen Kriege war91). Er versammelte
das Aufgebot der Klassen, ohne einige Entschuldigung zu
gestatten: einer der Consuln blieb in Rom mit den städti­
schen Legionen, der Oberste der Reisigen mit der Reserve
vor den Mauern92): Latiner und Herniker stiessen zum
510 Heer. So drohend war die feindliche Macht dass der Dic­
tator vor seinem Auszug ausserordentliche Festspiele für
den Sieg gelobte. Volsker und Aequer standen auf dem
Algidus, in gesonderten Lägern; eine Millie von ihnen
entfernt die römischen Feldherrn: der Consul T. Quinctius

99°) lege sacrata delectu habito: D ers. IV . 26. W ie d ie se


A u sh e b u n g g e s c h a h , z eig t s ic h im S a m n ite rk rie g . 91) D a h e r
w ird e r b ey G e lliu s X V II. 2 1 . u n te r d en d e n k w ü rd ig e n Z e itp u n k te n
a u fg e fü h rt, u n d von D io d o r X II. 64. a u sfü h rlic h d a rü b e r g e m e ld e t.
92) L iv iu s I V . 2 7. A u ch h ie r is t d a s vie rfa c h e H e e r —
S. 139. A n m . 2 6 0 : — u n d d e r M a g iste r e q u itu m , w ie in d e n
d o rt a n g e fü h rte n S te lle n ü b e r d ie e rsten D ic ta tu r e n , n ic h t B e ­
g le ite r d es D ic ta to rs , u n d w ü rk lic b A n fü h re r d e r R e ite r, s o n d e rn
B e fe h lsh a b e r d e r R ese rv e .
— 396 — [band ii .]

auf der Strasse von Lanuvium, Anlus Tubertus, ohne


Zweifel mit einer bey weitem grösseren Macht, auf der
von Tusculum. Das Feld, welches die verschanzten Stel­
lungen trennte, war manchen Tag Schauplaz folgenloser
Gefechte: ein Zustand von Ungeduld dessen die Annalen
als Veranlassung des Ungehorsams gedacht haben werden
den der Sohn des Dictators mit dem Leben büsste. Es
war eine allgemeine Ueberlieferung, der Livius nur die
Abneigung Grässliches zu glauben entgegensezt, der Jüng­
ling habe den ihm befohlenen Posten verlassen um eine
Gelegenheit zu glücklichem Gefecht zu nuzeu : er sey sieg­
reich zurückgekehrt, der Vater habe ihn unerbittlich
gerichtet993). — Zulezt unternahmen die Verbündeten Nachts
einen Angriff gegen das Lager des Consuls. Während
dieses mit Muth und Erfolg behauptet ward, gelang es
einigen von dem Dictator gegen das schwachbesezte äqui-
sche gesandten Cohorten, dieses einzunehmen : andre kamen
dem Consul zu Hülfe: die meisten führte Tubertus selbst
auf einem Umwege in den Eücken derer die das römische
Lager stürmten. Am achtzehnten Junius94), dem Tag der
Schlachten von Collin und Waterloo, in der ersten Früh- 511
stunde, wurden die schon ermüdeten Aequer und Volsker
zugleich von ihm und durch einen Ausfall des Consuls
angegriffen. Sie waren umringt: Vettius Messius, von dem
Livius Erzählung ungewiss lässt ob er das Heer angeführt
hatte, oder es in der äussersten Noth gehorsam für die
Stimme eines zum Befehl berufenen Mannes fand, bewog
sie eine Masse zu bilden, und nach dem noch nicht ver­
lornen volskischen Lager durchzubrechen. Aber die Ent­
schlossenheit der Verzweiflung verschwand als sie dieses
durch einen mörderischen Kampf erreicht hatten, und sich
auch hier umringt sahen. Die Verschanzungen wurden

9 9 3 ) D ie S a g e fin d e t s ic h b e y V a le riu s M a x im u s II . 7. 6 .
G e lliu s u n d D io d o r a. a. 0 . — L iv iu s I V . 2 9 . w ü n s c h t n ic h t zu
g l a u b e n , non libet credere — a b e r w ie n ic h tig s e in e G rü n d e
(et licet) is t lä n g s t g e z e ig t: n a m e n tlic h vo n P e riz o n iu s , 8 . p .
3 5 8 . ff. 94) D e r T a g w a r a. d . Х П І. Kal. Quinctil. —
O v id iu s fast. V I. 7 2 1 . — D a s is t n a c h d e m J u lia n is c h e n K a le n ­
d e r d e r 1 9 . — a b e r n a c h d em a lte n S ty l, d a d e r J u n iu s n u r 29
T a g e h a t t e , d e r 18.
[bakd II.] — 397 —

erstiegen ; vielen, welche die Waffen wegwarfen, das Leben


geschenkt: aber alle Gefangene, ausser den Senatoren995),
in die Knechtschaft verkauft.
Das war eine entscheidende Niederlage, deren Folgen
für die geschlagenen Verbündeten durch Entzweyung, wie
gewöhnlich, noch verderblicher wurden. Unter den Vols­
kern herrschte Zank zwischen denen die irgend einen
Frieden, und denen welche Fortsezung des Kriegs wollten :
die Aequer entschlossen sich um Frieden zu bitten. Der
Senat forderte Unterwerfung: und wenn Fabius Worte
durch Diodor erhalten sind, so gilt unzweifelhaft die Er­
wähnung, dass sie sich den Eömern unterworfen hätten96),
auf eine ganz andre Weise als wenn Livius oder Diony-
512 sius ähnliches erzählen was der Eitelkeit schmeichelt. Es
ward auf acht Jahre Waffenstillstand geschlossen, und es
ist sehr möglich dass die Ueberwundenen sich verpflichte­
ten während dieser Zeit die Hoheit der Eepublik zu
ehren97). Auch bey den Volskern muss die Parthey des
Friedens ihren Zweck erreicht haben: denn es ist auf der
ganzen östlichen Gränze während jener Zeit ruhig gewesen.
Dies war für Eom um so erwünschter, da die ersten Jahre
in Landplagen und Seuchen vergingen, unter deren. Druck
die Nachwehen eines so blutigen Kriegs doppelt schmerz­
ten, die lezten in Krieg gegen Veji, dessen glänzender
Ausgang der Eepublik Sicherheit gab den erneuerten in
Latium mit allen Kräften führen zu können.
Es war der zweyte den die Eömer während dieses
Zeitraums gegen die Vejenter führten: beyde bewegten
sich um das abtrünnige Fidenä, und wurden durch sein
Schicksal entschieden.
Fidenä, fünf Millien oberhalb Eom, am rechten Ufer
des Strohms, ursprünglich eine tyrrhenische Stadt98), dann
Colonie von Alba, endlich ein albensischer Ort99), scheint

995) L iv iu s IV . 29. — D e r e in z e ln e n S tä d te ? o d e r d e r g e ­
sa m m te n N a tio n ? 96) ипатаууеаѵ D io d o r a. a. 0 .
97) cum, f o e d u s p e tis s en t , et p r o fo e d e r e d ed itio osten ta retu r , i n -
d u cia s — im p etra v eru n t . L iv iu s IV . 30- — M a iesta tem p o p . Jt.
colunto. 98) I n d e r A n g a b e d a s s sie E tr u s k e r g e w ese n ,
(L iv iu s I . 15.) w a lte t d ie g e w ö h n lic h e V e rw e c h s lu n g von T u s k e rn
u n d E tru s k e rn . " ) O ben S. 24.
— 398 — [ band п .]

nie eine Stelle unter den dreyssig Städten des unabhän­


gigen Latium eingenommen zu haben: es war früh in die
Gewalt der Römer gefallen, und durch Colonen unterwürfig
gehalten. Oftmals lesen wir von Versuchen der Fidenaten
sich von diesen zu befreyen, und wie sie immer gebüsst, 513
und unter das Joch hätten zurückkehren müssen: sey
es dass das Ereigniss sich mehrmals erneuerte, sey es
dass die Annalisten das nämliche in der Erzählung ver­
vielfacht haben, um die leeren Jahrstafeln der königlichen
Zeit zu füllen. Wie jede Colonie in einer Stadt die sich
befreyte, so muss auch die römische, als Fidenä 317 das
Joch abschüttelte, ausgetrieben seyn; da sie aber seit
sechszig Jahren ungestört bestanden hatte1000), so konnte
es nicht fehlen dass manche aus ihrer Mitte, durch enge
Verhältnisse mit den alten Bürgern verbunden ; geschont
wurden, ja ihre Sache theilten. Befreyt suchten die Fide-
nater Beystand im Bündniss mit Vejentern und Faliskern:
mehr als einmal überschritten ihre vereinigten Völker den
Anio, und standen vor dem collinischen Thor: eben so
oft berief Rom einen Dictator. In dieser Würde eroberte
A. Servilius Priscus Fidenä wieder, 320, im vierten Jahr
nach dem Abfall. Es bedurfte keiner Erwähnung dass
die Urheber unter dem Beil gebüsst haben, aber klar ist
es dass die Rache sich hierauf beschränkte, da von Be­
strafung der Stadt die Rede gar nicht ist, ja sogar die
Vermehrung der Colonie erst sieben Jahre später vorkommt:
unmöglich also kann bey der Empörung Unversöhnbares
sich ereignet haben.
Die Falisker, entlegen, und durch fremde Landschaften
von Rom getrennt, mochten den Krieg aufgeben wenn er
ihnen leid ward, ohne dass die Gereizten hätten vergelten
können: Veji, dessen Waffenstillstand von vierzig cycli­
schen Jahren schon erloschen war als Fidenä sich ihm su
ergab1), schloss einen neuen, wahrscheinlich auf achtzig
1000) S e i t 2 5 6 : D io n y siu s V . 6 0 . p . 325* e. l) T h. L
S . 3 1 3 . — D e r W a f fe n s tills ta n d k a n n g e g e n d a s E n d e топ 2 8 0
g e s c h lo s s e n , d e r A b fa ll то п F id e n ä am A n fa n g v o n 3 1 7 e in g e ­
t r e t e n s e y n : u n d d ie F a e te n ja h r e 3 0 3 b is 3 0 5 z ä h le n w ohl n u r
z u s a m m e n 2 8 M o n a te : so d a s s k e in e la n g e Z e it o h n e a u s d r ü c k ­
lic h e n V e r t r a g frie d lic h v erflo ss — iacitis tnduciis — n a c h d e m
d ie 4 0 0 M o n a te u m w a re n .
[bàicd II.] — 399 —

Monate: schon 327 hatten die Feindseligkeiten wieder be­


gonnen. Im nämlichen Jahr wurden einige Fidenater als
einer Verschwörung schuldig nach Ostia verwiesen: die
Colonen vermehrt, und die Grundstücke der gebliebenen
oder hingerichteten Empörer ihnen verliehen1002). Sie gingen
in ihr Verderben: nachdem 329 die consularischen Tribu­
nen vor Veji durch Zwietracht eine Niederlage erlitten
hatten, empörten sich die Fidenater, und erschlugen wenig­
stens diese neuen, vielleicht auch die zurückgekehrten,
nicht mehr vertrauten, alten Colonen. In dieses nämliche
Jahr sezt Diodor, allem Ansehen nach keinem geringeren
Vorgänger als Fabius folgend, die Ermordung der zu ihnen
Abgeordneten3) : deren Andenken bis auf Ciceros Tage
durch ihre Standbilder auf den Eostris allgemein erhalten
515ward4). Wäre dieser Mord 317 verübt worden5), so würde
Vertilgung schon bey der Einnahme 320 Fidenäs unaus­
bleibliches Loos gewesen seyn. Jene waren gekommen
um den drohenden Ausbruch der Empörung abmahnend zu
hindern: sie wurden verhaftet, wie später in entfernteren
Gegenden die welche vor Pyrrhus Ankunft gleiche Sen­
dung bey italischen Völkern hatten. Wahrscheinlich auch
um für die nach Ostia verschickten Fidenater zu haften;
aber deren Schicksal war dem vejentischen König Lar
Tolumnius gleichgültig, und ihm lag viel daran dass jede
Aussöhnung seiner neuen Unterthanen mit der bisherigen
Herrschaft unmöglich werde. Sie wurden daher auf seinen
Befehl umgebracht: dass er ihn auf die Anfrage, was mit
den Verhafteten geschehen solle? beym Würfelspiel, ohne
es zu unterbrechen, ertheilt habe, ist augenscheinlich Ueber-
lieferung oder alte Dichtung: für diesen schnöden Frevel

1002) L iv iu s A u s d r ü c k e : IV . 3 0 . colonorum additus numerus,


agerque iis beîlo interemtorum assignatus — la ss e n a u c h d ie A u s ­
le g u n g z u , d a ss n u r d ie u r s p r ü n g lic h e Z a h l d e r C o lo n e n e rg ä n z t
u n d ih n e n d ie in d e re n C e n tu rie n a u s g e s to rb e n e n L o o se z u g e th e ilt
w o rd e n . A lle in w ie h ä tte m a n d a m it so la n g e g e z ö g e rt? u n d ,
w as g e s c h a h , is t d o c h k lä r lic h V e ra n la e s u n g d e r z w e y te n E m p ö ­
ru n g . 3) D io d o r X I I . 8 0 . *) C icero Philipp. I X . 2.
P li n iu s X X X IV . 1 1 . h ie lt n a c h g e b ild e te fü r d ie u rs p rü n g lic h e n ,
w e lch e in C ic e ro s J u g e n d u n te rg e g a n g e n z u s e y n sch e in e n .
•*) W ie e s L iy iu s a n n im m t: IV . 1 7.
— 400 — [band п .]

musste er von der Hand des Obersten der römischen Rei­


sigen, A. Cornelius Cossus, fallen, und seine Waffenbeute
den Tempel des Jupiters Feretrius zieren1006). Ob die ab­
gefallene Stadt im nämlichen Jahr, oder erst im folgenden,
eingenommen ward, mag abweichend erzählt seyn : das ist
unzweifelhaft dass Fidenä in diesem Kriege unterging; die
Einwohner welche das Blutbad überlebten wurden in die m
Knechtschaft verkauft, und der Name ward mit dem von
Gabii das Symbol eines verödeten Fleckens7).
Im wesentlichen so, nur erweitert mit Umständen und
Einzelheiten, welche bloss für die Römer nicht gleichgültig
waren, würden wir die fidenatischen Kriege erzählt lesen,
wenn alle Annalen den Inhalt der ältesten Chroniken un­
verfälscht wiedergegeben hätten, wie Fabius: aber das ist
nicht geschehen, eben weil die Statuen der umgebrachten
Abgeordneten, die Spolien des Cossus, und die verwüstete
Stätte von Fidenä jene Ereignisse im Mund und Andenken
der Nachkommen erhielten. Irgend einer vom ämilischen
Geschlecht fand in sagenhaften Ueberlieferungen den Stoff
zu einer apokryphischen Lobrede des Mamercus Aemilius ;
legte ihm darin wahrscheinlich mehrere Dictaturen als er
würklich führte, bey, und bezog die unter seinen Auspi-
eien vollbrachten, wie seine eigenen, Thaten, unpassend
auf gewisse Jahre. Nur aus einer so schlechten Quelle
kann die thörichte Fabel hergeleitet seyn dass die Fide-
naten sich mit brennenden Fackeln auf die Römer warfen,
und diese, wie eine dämonische 'Erscheinung, mit Ent-
sezen erfüllten : darauf habe Cossus den Pferden das Ge­
biss aushängen lassen, diese hätten die Reuter mitten in
die Flammen getragen, und das Gaukelspiel zersprengt8).

1006) A lle rd in g s sch w e ig t D io d o r a. a. 0 . v on T o lu m n iu a


T o d ; a lle in d ie U e b e r lie fe ru n g , d ass d ie s e r d en M o rd d e r G e ­
s a n d te n b e f o h le n , s te h t so fe s t d a s s , w er d e n in 3 2 9 s e z t, a u ch
d e n T o d d e s U rh e b e rs in d ie se s o d e r e in n a h e fo lg e n d e s sezen
m u s s . V ie lle ic h t th a t F a b iu s d as le z te : d e n n D io d o r w eiss u n te r
3 2 9 n u r v o n e in e m u n e n ts c h ie d e n e n T re ffe n b e y F id e n ä : es sieh t
ih m ä h n lic h d a ss e r b ey d e m fo lg e n d e n J a h r d ie rö m isc h e n E r ­
e ig n is s e e in z u tr a g e n v e rg a ss. 7) Gabiis desertior atque JPi-
deni8 vicus — JPidenarum Gabiorumque poteetas. 8) D ie se m
s e lts a m e n E i n f a li lie g t d e r U m s ta n d z u G ru n d e d a s s P fe rd e i n
[ band II.] — 401 —

Dort wird dann des Cossus Zweykampf in die, vielleicht


517 sogar erdichtete, erste Dictatur des Mamercus, 318, ver-
sezt gewesen seyn: eine Zeitbestimmung deren Falschheit
freylich nicht, wie es Livius zugeben möchte, daraus her­
vorgeht dass nur ein Feldherr von dessen Hand der feind­
liche fiel, opime Spolien habe weihen können: denn den
Irrthum dieser Meynung hat Perizonius entschieden dar-
gethan1009). Auch konnte er sie dem Jupiter Feretrius,
nicht Mars oder Quirinus, weihen, sobald er mehr als
Eitter war, Befehlshaber in irgend einem Range10). Allein
die Aufschrift <*) welche Augustus auf dem linnenen Waffen­
kleide des Tolumnius entdeckte : — dass der Consul Cossus
diese Spolien gewonnen habe11), — ist ein entscheidendes
Zeugniss dafür dass es nicht früher als 327 geschehen
518 seyn kann : welches mit Diodors Meldung, und der Folge­
rung aus Fidenäs Verschonung nach der ersten Einnahme,
vollkommen übereinstimmt. Freylich verging dieses Jahr,
— wie die Annalen angaben, deren Zeugniss immer um
so zuverlässiger ist je kärglicher ihre Erzählung lautet,
— in Seuchen und Theurung, ohne Kriegsthaten ; allein

e in e m e in g e sc h lo s se n e n R a u m w e n n B ra n d a u s b r ic h t d ie B e s in ­
n u n g v e r lie r e n , u n d sic h in d ie h e lle n F la m m e n s tü r z e n : a b e r
h ie r w ir d o ffen es F e ld v o ra u s g e s e z t, wo Q u a lm u n d e in s e lts a m e r
A n b lic k d ie P f e r d e s c h e u m a c h e n m u s s te n , d ie R e u te r n ic h t
s c h re c k e n k o n n te n .
1009) Animadv. 7. p . 26 2 . ff. 10) V g l. d ie a u s P lu t a r c h u n d
F e s tu s o b en A n m . 9 7 2 . a n g e f ü h rte n S te lle n . a) S c h w e g le r I I I .
1 98, 2 0 0 . A . 4 . n ) Consulem Cossum cepisse, L iv iu s IV . 20. D e r
le z te T h e il d ie se s K a p ite ls von omnes ante me — bis a n s E n d e , is t e in e
v ö llig vom T e x t a b g e s o n d e rte A n m erk u n g ,* d e rg le ic h e n w o h l s o n s t in
k e in e r S c h rif t d es A lte rth u m s v o rk o m m t: o ffen b a r h in z u g e fü g t n a c h ­
dem A u g u stu s d as h e ra u s g e g e b e n e B u c h g e le s e n h a tte . D a h e r v e r­
d ie n t d ie A rt w ie C o ssu s im K a p . 3 2 e rw ä h n t w ird d e n d a w id e r a u s ­
g e sp ro c h e n e n T a d e l n ic h t: g e s e z t L iv iu s h ä tte , n a c h d e m ih m d ie
B e m e r k u n g d e s K a is e rs b e k a n n t w a r , d ie S te lle g e ä n d e r t , s o
k o n n te d e r u rs p r ü n g lic h e F e h le r e b e n so im U r te x t d e r a u f u n s
g e k o m m e n e n H a n d s c h rifte n b le ib e n , w ie JPhliuntii, w as C ic ero
v e rb e ss e rte , in d e n U e b e rre s te n d e r B ü c h e r v on d e r R e p u b lik : —
d e r g ro s se Z u sa z a b e r d e n n o c h e in g e tra g e n w e rd e n , d e in e E r ­
z ä h lu n g a u fo p fe rn , d ie d u r c h A u g u s tu s E n td e c k u n g g a n z u m g e ­
s tü rz t w a rd , d a s k o n n te ih m , n a c h d e r Ir o n ie w o m it e r d ie a lte
G e sc h ic h te b e tra c h te te , n ic h t n ö th ig sc h e in e n .
Niebuhr, Röm. Gesch. 2g
— 4 02 — [band II.]

jeder Eömer schrieb auf einem Denkmal mit seinem Namen


beständig die Titel auch vorlängst bekleideter Würden,
•und gewiss Cossus eben so wenn er die Spolien zu irgend
einer Zeit nach dem Consulat weihte1012). Also auch wenn
er sie 329, im Jahr seines consularischen Tribunats, als
Oberster der Eeisigen gewann, wie dies ausdrücklich an­
gegeben wird13). Hier dürfte sogar eine unmittelbarere
Erklärung für jenen Titel eintreten: als consularischer
Tribun mochte er sich wohl Consul nennen können, noch
mehr aber weil er Prätor der Stadt war14), und, ins Feld
berufen durch den Dictator, mit diesem Amt auch den 519
militärischen Befehl verband, also die ganze consularische
Macht hatte. Livius Behauptung dass alle seine Vorgän­
ger den Zweykampf in das Jahr 318 gesezt hätten, ist
durch Diodorus Bericht widerlegt; er hat eben Fabius hier
versäumt; doch ist eine Angabe einiger Annalen unter
329, welche er von einem Schiffsgefecht bey Fidenä ver­
standen hat, daher als lächerlich verwirft15), nur aus einer
Erzählung von Cossus Zweykampf übrig, wobey gedacht
worden, die Spolien seyen im vollständigen Heerestreffen
erbeutet. Die diesen Kampf elf Jahre früher berichtet
hatten, wiederholten sie freylich nicht: etwas wollten sie
sich doch davon erhalten ; die Erwähnung der c la sm a).

1012 ) P e r iz o n iu s a. a . 0 . p . 3 1 3 . ff. A b e r s e in e H y p o th e se ,
d a s s d ie A u f s c h r if t in v ie l s p ä te r e r Z e it, a ls M a rc e llu s d ie d ritte n
S p o lie n w e ih te , a n g e b r a c h t s e y , is t n ic h t g lü c k lic h . A u f einem
W e i h g e s c h e n k m u e ste d e r G e b e r n o th w e n d ig g e n a n n t s e y n : u n d
w ä r e d ie se S c h rift e tw a m it e in e m S tü c k d e r R ü s tu n g v e rlo re n
g e g a n g e n , so h ä tte ih r e E r g ä n z u n g g e g e n d ie G ru n d re g e l g e ­
s ü n d ig t b e s c h ä d ig te S p o lie n n ie h e r z u s te lle n : P e riz o n iu s a . a. 0 .
S. 250. l3 ) V a le r iu s M a x im u s I H . 2. 4- S e rv iu s ad A en.
"VI. 7 4 2 . V ic to r de vir. UL 2 5 . D a , w ie B o rg h e s i e rra th e n h a t,
d ie In s c h r if te n v o m F o ru m d e s A u g u s tu s a ls G ru n d la g e dieses
B u c h s b e tr a c h te t w e rd e n k ö n n e n , so w ird es a u f e in e a n z ie h e n d e
W e i s e k la r d a ss A u g u s tu s d o rt d e r E n td e c k u n g fo lg te w e lch e
L i v i u s n u r so w e it a ls d ie R ü c k s ic h t a u f d e n H e rrs c h e r dazu
z w a n g , b e a c h te te . M ilita rtrib u n h e is s t C o ssu s ü b rig e n s a llg e m ein .
14) L iv iu s IV . 31. 15) classi qnoque a,d JPidenas pug-
nalum cum Veientihus quidam annales retulerunt: IV . 34. E s
w a r n ä m lic h in d e n a lte n B ü c h e rn n ic h t v e rs ä u m t z u s a g e n , d ie
S p o lie n d e s T o lu m n iu s se y e n classe procincta g e w o n n en w orden,
d e n n n u r d ie w a re n opima : F e s tu s 8 . v. «) I h n e R . G . I. 198*
[вліш п.] — 403 —

Auf ändern Boden, und unter ganz andere Umstände,


versezt der Dichter, freyer Sage oder vielleicht Ennius
folgend, des Tolumuius Tod. Cossus und die Eömer bela­
gerten Veji: der Sturmbock erschütterte die Mauern: der
etruskische König erschien über dem Thor und trug ver­
söhnende Unterredung an : Cossus forderte ihn zum Zwey­
kampf: jener kam herab ins offene Feld, und fiel: der
Sieger trug das abgeschlagne Haupt zur Schau, dessen
Blut auf seine Eosse träufelte1016).
Noch liess sich der Sieg gegen Veji nicht entschei­
dend verfolgen, und ein Waffenstillstand auf zwanzig cycli­
sche Jahre17) war den Eömern angenehm; auch mit den
520 Aequern erneuerten sie ihn auf drey Jahre, so weit ihnen
selber Erholung willkommen war: einen längeren Auf­
schub schlugen sie ab. Es ist unbekannt was die Volsker,
deren Verträge verschieden gewesen seyn müssen, bewog
für sich allein das Kriegsglück zu versuchen: dass der
Krieg im Jahr 332 bloss gegen sie geführt ward, die
Aequer erst im folgenden hinzutraten, sagt Livius be­
stimmt18); und der Waffenstillstand von dreyssig Monaten
kann auch erst 333 erloschen seyn. Nicht wie ehemals
um Beute und Eroberung, sondern für die Freyheit, gingen
die Volsker mit einem zahlreichen und wohlgeordneten
Heer ins Feld. Die Eömer hatten wohl gewiss den Krieg
erregt, dennoch führte ihn der Consul C. Sempronius Atra-
tinus schlaff und leichtsinnig. Die Truppen vertrauten
weder ihm noch sich. Als das erste Treffen wich, die
Fahnen schwankten, der Consul keine Befehle gab, die
Eeiter als Zuschauer die herannahende Niederlage des

1016) P r o p e r tiu s IV . 10. 2 3 . Й. 17) E r w a r 34 8 a b g e ­


la u f e n , u n d m a g e rs t 3 31 g e sc h lo s se n sey n . 18) Ic h le g e
k e in G e w ic h t d a ra u f d a ss L iv iu s IV . 3 7 . ff. n u r d ie V o ls k e r
n e n n t: w o h l a b e r a u f d ie a u s d rü c k lic h e U n te rs c h e id u n g a m S c h lu s s
IV . 4 2 . w o n a c h d ie A e q u e r e r s t im fo lg e n d e n J a h r d ie W affen
n a h m e n ; u n d es is t w o h l z u m e rk e n d a ss ih r W a ffe n stillsta n d d a
e r s t a b g e la u fe n w a r. E s m ö c h te fre y lic h s c h e in e n d a ss C. S e m ­
p ro n iu s d u rc h sie g e sc h la g e n w o rd e n sey , d a e r a u f d e r la v ic a n i-
s c h e n S tr a s s e z u r ü c k k a m : a lle in T e m p a n iu s , d e r a u f d e r g ra d e n
z u rü c k g e k e h rt w a r , h a tte n ic h ts von ih m g e s e h e n ; m ith in d e r
C o n su l s ic h s e itw ä rts g e zo g e n .
26*
— 404 — [band п .]

Fussvolks erwarten mussten, forderte einer ihrer Haupt­


leute, Sex. Tempanius, sie auf, abzusizen und ihm zu
folgen. Ihre Erscheinung gab den Cohorten Haltung: sie
selbst brachen in die Reihen der Yolsker ein; als aber
diese sich hinter ihnen schlossen, war ihr kleiner Haufe 521
getrennt, und auf einem Hügel den Angriffen einer grossen
Macht überlassen. Vergebens bot das Fussvolk alle Kraft
auf sie zu entsozen: die Schlacht dauerte bis zur Nacht
unentschieden, beyde Heere gaben sie verloren; beyde
sollen ihre Läger geräumt haben. Auch die Volsker,
welche die Ritter auf der Höhe ein geschlossen hielten,
brachen um Mitternacht auf. Sex. Tempanius mit seiner
Schaar nahm den Weg zum römischen Lager, fand aber
nur verlassene Verwundete, und niemand wusste anzugeben
wohin sich der Consul mit dem Heer gezogen habe: als
sie vor Rom ein trafen wurden sie für volskische Reiter
angesehen: man glaubte das ganze Heer vertilgt, an der
Eitter Untergang zweifelte keiner. Der Freude über ihre
Erhaltung, dem Dank für die Rettung der Verwundeten
welche sie mit sich führten, war die Erbitterung gegen
den Consul gleich, der gedemüthigt auf einer ändern
Strasse die Ueberreste des Fussvolks zurückführte. Es
waren Decurien plebejischer Ritter gewesen, die er dem
Untergang, welcher durch ein Wunder abgewandt worden,
Preis gegeben zu haben schien1019) : man schrie über Ver­
rath: Sex. Tempanius redete für den Beschuldigten. Er
und drey andre Hauptleute jener Reisigen wurden für das
folgende Jahr zu Volkstribunen erwählt20): in diesem Aflat
schüzten sie, mit der Pietät des römischen Soldaten, ihren 522
ehemaligen Feldherrn gegen die Anklage eines ihrer Col­
legen vor dem Volk, durch Fürbitte. Aber zwey Jahre
später erwachte das Andenken der verziehenen Schuld
durch des Altconsuls gehässige Leidenschaftlichkeit: er
ward in eine Multa verurtheilt.

1019) D a ss d ie se g e s o n d e rt von d e n p a tric is c h e n seyn m u ssten


v e r s t e h t sic h v o n s e lb s t: u n d R e isig e , d e re n A n fü h re r sä m m tlic h
P l e b e j e r w a re n , k ö n n e n n u r a u s je n e m S ta n d e g e w ese n seyn.
2t)) U n te r d ie se n is t a u c h e in I c iliu s : a lso g e h ö rte d ie se s G e­
s c h le c h t, d e ss e n N a m e f ü r L iv iu s fa s t g le ic h b e d e u te n d m it M eu­
te r e r n u n d V o lk s a u fw ie g le rn g ilt, zu d e n p le b e jisc h e n r itte r lic h e n .
[band II.] — 405 —

‘Lavici, welches nnter Coriolànus Eroberungen genannt


wird1021), mag uneigentlich dahin gezählt werden, und unter
die Orte gehören die in der Auflösung des latinischen
Staats sich an die Aequer anschlossen: wenigstens ist es
klar dass es 336, als deren glänzende Tage vergangen
waren, fur slbh bestand. Aber vereinigt mit jenen befeh­
deten die Lavicaner Tusculum, welches zu Eom nicht ver­
gebens Beystand suchte. Im folgenden Jahr ward ihnen
der Krieg erklärt: auf dem Algidus, der zum leztenmal
Schauplaz desselben gegen die Aequer war, erfochten diese
mit ihren Bundesgenossen einen Sieg, der vielleicht nur
nach der allgemeinen Yoraussezung, dass ein römisches
Heer nicht anders als durch die Schuld seiner Anführer
geschlagen werden könne, der Zwietracht der befehlshaben­
den Consulartribunen zur Last gelegt wird. Das römische
Heer wich bis Tusculum: aber Q. Servilius, der Eroberer
von Fidenä, ward zum Dictator ernannt, und als die Ee-
serve sich mit den Geschlagenen vereinigt hatte, erlitten
die Sieger eine weit schwerere Niederlage. Lavici, in
welche Stadt sich mit den Bürgern auch die Aequer ge­
worfen hatten, ward mit Sturm eingenommen; und ver­
schwindet, da es eine römische Kleruchie ward, aus der
Geschichte 22j.
523 Drey Jahre später, 340, ward Bola erobert, welches
seit der Zertrümmerung Latiums völlig äquisch durch eine
Colonie geworden war23); um so hartnäckiger ward um
den Besiz gekämpft. Nachdem die Stadt abwechselnd ge­
nommen und verloren war, blieb sie den Eömern: diese
lezte Eroberung gab Veranlassung zu einem Verbrechen
welches bis auf die Sullanischen Zeiten einzig in der rö­
mischen Geschichte bleibt: der Ermordung des Militartri-
buns M. Postumius24).
Yon dieser Zeit an verfällt der Stärke der Aequer

1021) A n m . 1 98. u n d S . 2 6 8 . 22) B is a u f e in e z u fä llig e


E r w ä h n u n g . C icero — Plane. 9 . (23.)» — n e n n t die L a n d ­
sch aft a ls e b e n so m e n s c h e n le e r w ie d ie g a b in js c h e .
23) N a c h d e r E r z ä h lu n g v o m c o rio la n isc h e n K r ie g w ar es g a n z
v e r w ü s te t: D io n y s iu s Ѵ ІП . 18. p . 4 9 4 . c : — n u n w a re n sie e i a
ä q u isc h e e V o lk : Bolani, suae gentis populus: L ivius IY . 4 9 .
24) O b en S . 4 9 1 .
— 4 06 — [band и »)

und Yolsker zusehends. Doch hatten die römischen Kriege


ihr Land früher selten, auch jezt nur seinen Saum be­
rührt, aber die Macht der Samniter verbreitete sich eben
in diesem Zeitraum erobernd über alle Gränzen, unterwarf
oder verdrängte allenthalben die noch übrigen ausonischen
Stämme. Seit vierzig Jahren zu Kapua angefiedelt, dran­
gen sie auch am obern Yulturnus und gegen dan Liris
ein, wo, freylich in einer späteren Zeit, Casinum, Sora und
Fregellä als ihre Eroberungen Vorkommen: so konnten
Yolsker und Aequer nur mit getheilter Kraft die früher
gewonnene Landschaft zu behaupten suchen. Ferentinum
ward jenen 342 wieder entrissen und den Hernikern zu­
rückgegeben; die Burg von Caruentum, ehemals einer der
dreyssig Städte, und an die Aequer verloren, ward, so wie 524
die Bergfeste Yerrugo auf dem Algidus, da wo das volski­
sche Land jene berührte, abwechselnd eingenommen. Kaum
glaublich lautet es dass die Eömer schon damals bis an
den See Fucinus vorgedrungen wären1025). Die Ausbreitung
ihrer Herrschaft veranlasste die Antiater den Feinden bey-
zutreten: als solche finden sie sich 347: aber nach dem
für Eom ruhmvollen Feldzug von 349 nicht mehr. Dieser
zeigt zum erstenmal in der römischen Geschichte zusam­
menstimmende Bewegungen abgesonderter Armeen, anstatt
der langweiligen Einförmigkeit plündernder Einfälle, wel­
che mit einem Treffen endigen. Drey römische Legionen
rückten in das volskische Land ein: ein Tribun bedrohte
Antium, ein zweyter Ecetra: die Hauptmacht zog gegen
das sich selbst überlassene Anxur: diesen Namen führte
das tyrrhenische Tarracina seit der volskischen Erobe­
rung26). Es war fest als Bergstadt, am Eand der Sümpfe:
aber an den aufgemauerten Felsenwänden der Städte dies­
seits der Tiber, die weder zu erschüttern noch zu unter­
graben waren, entdeckte der Belagerer meistens Stellen

1 0 2 5 ) L iv iu s IV . 5 7 . Щ D ie M e y n u n g d e r A lte n dass
T a r r a c i n a u r s p rü n g lic h rpayetvà g e h e iss e n h a b e , is t s e h r p la u ­
s ib e l, w e n n sic d a h in g e fa s s t w ird d a ss je n e s W o r t sic u lisc h d ie ­
se m g r ie c h is c h e n g le ic h g e w e s e n sey . D e r v o lsk isc h e h a t w o h l
n ic h t d e m Jupiter Anxurm d e n s e in ig e n g e g e b e n , s o n d e rn von
d ie s e m d ü r f te e r a u f d ie S t a d t , wo d e s s e n H e ilig th u m w ar, g e ­
k o m m e n seyn.
[band п .] — 407 —

wo Sturmleitern ausreichten; und war die Höhe erstiegen,


dann lag der Ort offen ohne Ringmauern und Zinnen. So
erging es Anxur, indem die Eömer den Angriff und die
525 Aufmerksamkeit der Belagerten theilten. Diese Eroberung
stellte an der Küste die Gränze der königlichen Herrschaft
über Latium her: aber diesseits behaupteten manche Orte,
die ohne Zweifel damals Eom gehorcht hatten, ihre Un­
abhängigkeit : so Antium und Ecetra, die wohl gewiss nach
jenem Feldzug zum Burgrecht mit Eom zurückkehrten.
Veliträ hingegen, wohin Eom 351 Colonen sandte1027), muss
sich unterworfen haben: und wie dies von Livius über­
gangen ist, mag er auch von ändern Orten zu erwähnen
versäumt haben dass sie damals der Eömer Hoheit aner­
kannten: so von Satricum28).

D e r l e z t e v e j e n t is c h e K rie g . *)
Ein Waffenstillstand, auch für eine geraume Eeihe
von Jahren, hob die Ursachen des Kriegs nicht auf, wie
Friede und Bündniss: daher forderte Eom, als der nach
der Eroberung von Fidenä geschlossene abgelaufen war29),
Sühne von Veji für die Missethat des Tolumnius30). Die
Vejenter scheuten den Krieg. Schon vor siebzig Jahren
hatten sie ihn erst als Hülfsvölker aus ganz Etrurien bey
ihnen versammelt waren, und so lange diese blieben, mit
Erfolg geführt, während Eoms Eidsgenossen alle Kräfte zur
eigenen Vertheidigung auf bieten mussten. Jezt war freylich
manche Stadt aus deren Zahl zerstört oder Eom entfremdet,
aber die Cohorten der übrigen verpflichtet auf des Senats
Gebot die Legionen zu begleiten; und nun versagten die
526 Etrusker auf mehr als einem Tage am Tempel der Vol-
tumna alle Hülfe. Sie konnten nicht verkennen dass die
Stadt, welche ihrem Schicksal überlassen ward, die.Vor­
mauer der ganzen Nation war: und wenn es auch in der

1027) D io d o r X IV . 3 4 . 28) D ie se s e m p ö rte sic h 361 z u ­


g leich m it V e litr ä : d e rs. X IV . 1 0 2 . a) S c h w e g le r I I L 2 04.
29) tempus induciarum exierat: L iv ius IV . 58. — V g l. T h . I.
S. 3 1 4 . 30) D a h e r d ie w a h re o d e r e rfu n d e n e A n tw o rt : datu-
tos quod Tolumnius dedisset.
— 408 — [band п .]

Geschichte schlecht vereinigter Bundesstaaten an leidigen


Beyspielen weder fehlt noch fehlen wird dass einer von
dessen Erhaltung das Wohl aller übrigen abhing durch ihre
Eifersucht und Scheelsucht dem Untergang preisgegeben
ward, so konnte wenigstens nicht die Wahl eines Königs
die unvernünftige üble Laune der übrigen Etrusker reizen1031),
da Tolumnius König gewesen war : ja es fehlt jeder Grund
zu vermuthen dass irgend eine Stadt der Nation einen
ändern höchsten Magistrat gehabt habe. Offenbar hat eine
unvermeidliche Nothwendigkeit die Etrusker gezwungen
sich der Hoffnung hinzugeben dass Yeji nicht zu über­
wältigen seyn würde. Unmittelbar vorher ehe es fiel, wird
die Nähe der Gallier, furchtbarer neuer Nachbaren, als
Ursache angegeben weswegen die Orte südlich vom Apenninus
keine Hülfe senden konnten32). Gleichzeitig fiel Melpum,
die vornehmste Stadt der Etrusker jenseits des Po, von
den Barbaren erobert: und wenn auch dieses Ereigniss
welches die Vertilgung der Nation in jener Landschaft
unwiderruflich entschied, als der Zeitpunkt der gallischen
Einwanderung in Italien nicht unfüglich betrachtet wird33),
so mochte doch schon früher das Vordringen der Celten
gegen die Alpenvölker, ihre Annäherung an die Gebürg-
steige, die Ankunft der fortziehenden Ueberwältigten, alle 527
Etrusker, auch die südlich vom Apenninus, beschäftigen,
und sie veranlassen öffentlich sich über den Erfolg der
römischen Unternehmung zu täuschen: leise sich zu sagen,
im schlimmsten Fall gelte es wenigstens für alle von Rom
entlegnere Orte nicht das Daseyn, wie bey dem Einbruch
jener schrecklichen Feinde.
Die Vejenter, wahrscheinlich eine sehr beschränkte
Zahl, herrschten über Periöken nnd Hörige, daher waren
und fühlten sie sich ohnmächtig die Römer im Felde zu
bestehen. Von Einwohnern ganzer Ortschaften, welche
sich unter Roms Hoheit begeben hatten, ist es zu ver­
stehen, dass nach der gallischen Zeit vier Tribus aus
denen gebildet wurden welche während der Kriege von

1031) L iv iu s V . 1 . 32) D e rs. V . 1 7. gentum invisitaiam,


novos accolas Gallos esse. 33) S . u n te n d a s K a p ite l v o n d e n
S y n c h r o n is tik d e r E in n a h m e R o m s.
[ band п .] — 409 —

Yejentern, Capenatern und Faliskern abgefallen waren1034):


einzelne Ueberläufer konnten so zahlreich nicht seyn, noch
ihnen die Ehre zu Theil werden gleichen Antheil an der
Souverainetät mit dem fünften Theil der damaligen römischen
Nation zu erhalten. Es war die alte siculische, von
Etruskern und Aequern bezwungene Einwohnerschaft,
welche von jenen drey Orten abfiel, in den Römern eine
verwandte Nation und Befreyer sah. Spuren der Ringmauer
sollen Dionysius Angabe, die wahrlich schon an sich
Glauben verdient, bestätigen, wonach Yeji wenigstens eine
deutsche Meile im Kreis gemessen haben muss; und es
begreift sich leicht dass die Etrusker nahe an Rom eine
so weitläuftige und feste Stadt anlegten um Latium zu
bekriegen oder zu beherrschen; aber die Bevölkerung mag
528 ihrem Umfang so wenig entsprochen haben als die von
Megalopolis: Yejenter eben so einzeln gewesen seyn wie
die Spartiaten in ihrer Hauptstadt, als Krieger diesen
ganz unähnlich. Darnach ist es kein Räthsel dass eine
solche Stadt jezt nicht einen Yersuch machte den Römern
im Felde zu widerstehen: es wäre aber auch ganz un­
wahrscheinlich dass sie die römischen Forderungen stolz
und schnöde beantwortet hätte; wenn es auch nicht im Jahr
vorher hiesse sie hätten um Schonung gebeten.
War indessen das ganze G-ebiet von Yeji den Römern
bis an die Mauern offen gelegt, so spotteten dagegen diese
der rohen Angriffe eines für wenige Tage mit eigener
Kost, so viel der Mann tragen konnte35), ins Feld ge­
zogenen Aufgebots: und wenn derselbe entlassen war, so
konnten selbst diese Etrusker, wie in den früheren Kriegen,
durch einen plözlichen Ausfall bittere Vergeltung über die
angränzende römische Landschaft bringen. Ohne eine
bereite Macht, welche diesem wehre, war ein vejentischer
Krieg doch sehr bedenklich für die Wohlfahrt des römischen
Landmanns, und die Einwendungen der Tribunen wohl be­
gründet36): konnte hingegen eine solche in der Art unter
den Waffen gehalten werden, dass Mangel und Noth die Stadt
zu Uebergabe zwängen, so begann mit dieser Eroberung

1034) qu i Veientum Gapenatumque ac FaMscorum per ea


bella transfugerant: L iv iu s I Y . 4 . vgl. 5. 35) olxöatTOi:
Z o n a ra s p . 30- d . 36) L iv iu s IV . 58-
— 4 10 — [band II.]

eine zweyte Jugend für die Republik. Dies war nur


möglich durch Herstellung des Soldes, welche die Tribunen
schon vor achtzehn Jahren gefordert hatten: und wenn
den Plebejern nicht eine Schlange anstatt des Fisches ge­
boten werden sollte, so musste dazu der Zehente vom 52 »
Gemeinland redlich entrichtet werden: ich glaube manche
schwere Anklage gegen den kurzsichtigen und gewissenlosen
Eigennuz des Senats mehr als aufgewogen zu haben, durch
die Entwicklung, dass er schon damals berufen genug
zur Herrschaft war um, damit Veji erobert werden könne,
eine Besserung der Verfassung nachzugeben, und die An­
ordnung des Soldes, welche die Abstellung der angemassten
Steuerfreyheit unabwendlich herbeyführte1037). Es mag seyn
dass viele, deren Stimmen die Mehrheit entschieden, durch
die Hoffnung dazu bewogen wurden, der Stand werde doch
zulezt den ganzen Gewinn der Eroberung sich zuwenden,
man werde auch diesesmal alle der Gemeinde eingeräumte
Rechte unterschlagen können : aber die den Entschluss ver-
anlassten mussten besser gesonnen seyn. So ward der
Sold verordnet im Jahr 349: die Patricier zahlten an­
sehnliche Summen, der Schoss also diente nur zur Er­
gänzung; und die Kriegserklärung, welche vorher ver­
worfen war, ward im folgenden Jahr angenommen38).
Diese Beschlüsse, wenn gleich in der Ausführung, so­
weit der Einfluss schamloses Eigennuzes reichte, gestört,
führten zum Ziel: eine römische Kriegsmacht behauptete
sich immer so dass die Vejenter die Kriegsnoth schwer
empfanden, sie nie vergelten konnten. Zwar die Er­
wähnung dass die Stadt während zehn Jahren, Sommer
und Winter ununterbrochen, eingeschlossen gehalten
wäre39), gehört nur dem Gedicht an: bey einer völligen 5 за
Einschliessung würde, selbst wenn in der weitläuftigen
Ringmauer grosse Felder begriffen waren, in weniger als
einem Jahr eine eben so unerträgliche Hungersnoth ge­
herrscht haben wie die welche Athen gezwungen hatte
sich Lysandern zu ergeben. Aber von Mangel ist die

1037^ O b e n S . 4 9 3 . 38) L iv iu s IV . 6 0 . fin. w o die F o lg e


d e r B e s c h lü s s e g a n z k la r is t. 39) D e rs . V . 2 2. decem cuesta-
tes hiemesque circumsessa. — Mtsc дехатш r yjç TtoXtopxiaç, P l u ­
t a r c h , Camill. p . 1 3 2 . с. & inq: D io n y s iu s 13. p . 1 3 .
[ band II.] — 411 —

Kede gar nicht: und wenn erwogen wird dass zwey


Legionen eine ganz unzureichende Macht waren um eine
Stadt von jenem Umfange eingeschlossen zu halten, und
dennoch ihr Sold das volle Jahr hindurch, ohne einige
andere Kriegskosten zu rechnen, zehn Millionen Asse1040),
welche damals unbedenklich einer Million attischer Drach­
men gleichgeschäzt werden können, erfordert haben wurde,
so ist zu vermuthen dass die Zufuhr niemals anhaltend
völlig abgeschnitten war. Für den grössten Theil der
Dauer des Kriegs ist nur glaublich dass Schanzen, wie
die an der Cremera, im vejentischen Gebiet aufgeführt
waren, welche gegen einen raschen Versuch hinreichend
verwahrt, im Fall eines ernsthafteren Angriffs durch ein
allgemeines Aufgebot entsezt werden konnten. Solche
Kastelle, wie die Sprache der römischen Kriegskunst sie
nannte, machten die Bestellung der Felder fast unmöglich,
und die Zufuhr sehr schwierig.
Sie waren wie Dekelea unter dem Schuz der Armee
aufgeführt, vielleicht schon im ersten Feldzug (350):
531 sonst mögen dieser und der folgende verflossen seyn wie
die früheren der Peloponnesier in Attika: ein Heer, vor
dessen Uebermacht die Angegriffenen das Feld räumten,
verwüstete die Landschaft, zog sich aber dann nach einigen
Wochen zurück. Keines von allen benachbarten Völkern
nahm sich der Bedrängten an: daher ward im dritten
Feldzug, 352, die Belagerung der Stadt begonnen. Ein
Schutt war gegen die Mauer geführt, von hölzernen Wänden
eingeschlossen, dass er nicht zerfalle: — es war auch in
Griechenland damals noch die Belagerungsart, einen Damm,
in gleicher oder grösserer Höhe als die Mauer, und von
grosser Breite, an sie hinanzuführen, um die Belagerten
auf ebener Fläche oder von einem höheren Ort anzu­
greifen41): — das Schirmdach unter dem die Sturmböcke
die Mauern erschüttern sollten, hatte sie fast erreicht:

1040) G e n a u e r 10080000* D e r L e s e r w ird s ich e rin n e rn d a ss


die C o h o rte d a m a ls z u 6 0 0 M a n n g e re c h n e t w a rd , a lso d ie L e g io n
zu 3000*. je d e r S o ld a t e rh ie lt im J a h r 12 00 A s s e ; also d ie G e ­
m e in e n vom F u s e v o lk in zw ey L e g io n e n 72000Ö Ü : d a z u fü r 3 0 0
C e n tu rio n e n d o p p e lte r S o ld , 7 2 0 0 0 0 : u n d fü r 6 0 0 R e u te r d r e y -
fa c h e r, 2 1 6 0 0 0 0 . 41) T h u k y d id e a Д . 7 5 — 7 7 .
— 412 — [band п .]

diese Werkzeuge, obwohl uralt und von den ägyptischen


Eroberern gebraucht, waren selten und schwach, wie die
zwey welche die Peloponnesier vor Platää hatten1042). Als
die Werke so weit gediehen waren beschloss der Senat in
einem Winterfeldzug bis zur Eroberung auszuharren : aber
ein Ausfall vereitelte diese Gedanken, durch den die Be­
lagerer zersprengt, Schirmdach und Rüstzeuge eingeäschert
wurden, der Schutt geebnet. Seitdem ist die Belagerang
bis zum lezten Feldzug nicht wieder erneuert worden.
Der unerwartete Glückswechsel ermunterte die Cape-
naten, Yejis Colonen, und die Falisker, sich zu gestehen
dass ihr Daseyn von der Erhaltung Vejis abhange, und 532
zu hoffen dass sie es retten könnten. Dagegen waren die
Eömer, vorher der ungewohnten Opfer überdrüssig, zu
willigen Anstrengungen geweckt: Ritter, denen keine Pferde
angewiesen werden konnten, erboten sich mit eigenen za
dienen; gleich guter Wille äusserte sich in den Klassen:
und der nächste Feldzug, 353, ward mit einer Macht er­
öffnet, welche, unter fähiger Führung, die Hoffnungen der
Verbündeten vereitelt haben könnte: aber die römischen
Befehlshaber waren nur ihrer Eifersucht eingedenk. Zwey
Läger standen vor Veji, ein grösseres unter dem Tribun
L. Virginius43), ein kleineres unter seinem Collegen
M’ Sergius; dieser ward zugleich von dem Entsaz und
durch einen Ausfall angegriffen, und wollte lieber der
Uebermacht erliegen als seinem Feind Gelegenheit zu
einem Sieg geben, bey dem er selbst nur als der aus der
Gefahr Errettete genannt würde. Mit noch ärgerer Ver­
kehrtheit blieb Virginius unbeweglich, weil seine Hülfe
nicht gefordert werde : und so ward jenes Lager erobert :
und auch das grosse muss geräumt seyn; denn erst im
folgenden Jahr, 354, heisst es dass die Stellung vor der
Stadt wieder eingenommen, und die Schanzen hergestellt
wurden. Mit der Legion der Bejahrten, welcher vielleicht

1042) Öeschüzzeuge waren noch gar nicht im Gebrauch: erst


um diese Zeit sind die Katapulten zu Syrakus, der Vaterstadt
der höheren Mechanik, erfunden worden. 43) Die Legionen
der Juniores wurden immer gleich getheilt: damit also ein Heer
stärker eey, musste ihm eine Legion Veteranen, oder ein Corps
Hülfevölker beygegeben seyn.
[band п .] — 413 —

allein dieser Dienst übertragen war, kam nun eine solche


Macht unter die Waffen dass Camillus, in dem ersten
Feldzug wo sein grosser Name genannt wird, und ein
533 andrer Tribun, den Capenaten und Faliskern durch Ver­
heerung ihrer Landschaften bis unter die Mauern der
Städte vergalten. Zwey Jahre darauf, 356, als die Eömer
ebenfalls in zwey Lägern vor Veji standen, wiederholten
die beyden verbündeten Völker das früher gelungene Unter­
nehmen in gleicher Weise, aber mit ganz entgegengeseztem
Erfolg: denn, während sie das kleinere Lager stürmten,
wurden sie von dem grösseren Heer umgangen. Noch un­
glücklicher waren die aus der Stadt gefallenen Vejenter:
sehr viele kamen vor den Thoren um, welche die Furcht
vor den verfolgenden Eömern übereilt hatte schliessen
lassen. Dies war der erste Sieg plebejischer Militar-
tribunen. Das nächste Jahr verging vor Veji thatenlos;
Capena hingegen und die Falisker wurden aufs neue mit
Verwüstung heimgesucht: dann, 358, unternahmen die
Tarquinienser, zur Erleichterung der Bedrängten, aber
nicht unbestraft, einen Streifzug in die römische Land­
schaft.
Der Feldzug des Jahrs 359, in dem Veji fiel, begann
unerfreulich. Zwey Militartribunen hatten auch diesesmal
einen Einfall in das Gebiet der Capenaten und Falisker
unternommen ; sie wagten sich unbesonnen in eine schwierige
Gegend: Genucius büsste seinen Fehler durch tapfern Tod
an der Spize der Seinigen, Titinius durchbrach die um­
ringenden Feinde. So gross war der Schrecken dass die
Sieger alles zerstreuen konnten wenn sie die Schanzen vor
Veji sogleich angegriffen hätten: zu Rom erwartete man
die Etrusker wieder auf dem Janiculus zu sehen. Um
den Krieg zu endigen wurden die grössten Anstrengungen
beschlossen, und diese Camillus als Dictator vertraut. Er
534 versammelte die ganze römische streitbare Macht, und mit
Ihnen Hülfsvölker der Latiner und Herniker: diese führte
er zuerst gegen die befreundeten Völker der Vejenter.
Bey Nepet traf er auf die Capenater und Falisker1044),

1044) D i e s macht ев unwahrscheinlich d a s s Capena die ihm


zugeschriebene Lage näher an Eom gehabt habe.
— 414 — [band и .]

und schlug sie entscheidend: darauf wurden vor Yeji die


Schanzen vervielfältigt, und die Stadt enger als je ein­
geschlossen.
So weit geht die einfache annalistische Erzählung von
diesem Kriege: die von der Einnahme der Stadt ist ganz
verdrängt durch ,eine dichterische, welche dem Lied oder
der Sage von Camillus, wie jeder es nach seinen Ansichten
nennen mag, angehört: einer epischen Erzählung, deren
mit der Geschichte unvereinbare Züge von nun an bis zum
lezten gallischen Sieg am Albanergebirg, sich zu einem
Ganzen vereinigen, wie es im wesentlichen als Biographie
bei Plutarch erscheint. In dieser Sage ist Yeji das römische
Ilion: aus ihr ist die Erzählung entstanden dass die Be­
lagerung zehn Jahre gedauert habe : sie ist es welche das
Schicksal der Stadt an das Wunderzeichen des albanischen
Sees knüpft, die Götter selbst unmittelbar es entscheiden
lässt, und dass Loos des siegenden Feldherrn und des
siegenden Yolks als Sühne für allzu hohes Glück mit Yejis
Fall verbindet. Yon jezt an verschwindet hier der historische
Boden gänzlich: ich werde auch dieses Gedicht herstellend
erzählen.
Unter ändern Wunderzeichen hatte ein beyspielloses
Anschwellen des Albanersees die Gemüther entsezt. Mitten
in den Hundstagen1045), ohne einige Regengüsse oder Un­
gewöhnlichkeit der Witterung, wuchsen die Gewässer so 535
dass sie sich über die einschlissende Bergwand mit einem
Strohm ergossen der die angränzende Landschaft ver­
heerte46), In ändern Zeiten würde der Senat den Sinn
dieses Wunderzeichens von etruskischen Aruspices erfragt
haben: allein jezt war treulose Antwort zu erwarten: es
wurden Theoren abgesandt um das Orakel des pythischen
Gottes zu vernehmen.
Um die Mauern von Yeji war Waffenstillstand, und
manches Gespräch ward zwischen denen gehalten die in
solcher Nachbarschaft sich vor dem Kriege gekannt hatten.

1045) Dionysius exc. Mai. 8 . p. 8 . — гb Ырод 'ëhyyev, Plu­


tarch Camill. p. ISO. Ь. 46) Dionysius а. а. О. р. 9. Plu­
tarch а. а. О. d. Zonaras p. 30. с. : womit auch dum lacus re-
dundaret bey Cicero übereinstimmt. Ich führe dies an, weil
Livius Y. 15. nur sagt in altitudinem insolitam crevit.
(band II.] — 415 —

So vernahmen die in der Stadt das Wunder des Sees, und


ein Zeichendeuter, vom Schicksal getrieben, verlachte die
Anstrengungen der Eömer, deren Vergeblichkeit die Bücher
der Weissagung kund thaten. Nach einigen Tagen lud
ein römischer Hauptmann diesen auf das Feld zwischen
Mauer und Schanzen zu kommen, um sich Wunderzeichen,
die in seinem Hause geschehen, erzählen zu lassen, und
ihre Versühnung zu lehren: der Aruspex ward durch den
Geldlohn verfuhrt, und liess sich achtlos den römischen
Schanzen näher bringen. Plözlich ergriff der starke
Centurio den Alten, und trug ihn als eine leichte Beute
hinüber zu den Seinigen. Von dort ward er nach Eom
geführt, vor den Senat, wo er, die Wahrheit zu reden be-
536 droht, unter lautem Jammern über das Verhängniss, welches
ihn bethört hätte seines Volks Geheimniss zu verrathen,
gestand: die Schicksalsbücher von Veji lehrten, so lange
der See überströhme könne die Stadt nicht erobert werden,
und wenn die Gewässer das Meer erreichten so werde Eom
untergehen104?). Nicht lange nachher kehrten die Theoren
von Delphi wieder, und brachten hiemit übereinstimmende
Kunde48): worauf der Emissarius begonnen ward, damit
der See nicht länger überfliesse, und das herausgeführte
Gewässer sich im Blachfeld in Gräben zerstreue. Dieses
Werk ward rastlos gefördert, und es blieb den Vejentern
nicht unbekannt dass das Geschick, wovon ihr Verderben
abhing, bald erfüllt seyn werde. Sie baten durch eine

1047) So sind diese fata angegeben bey Cicero de divin.


I. 44. (100): weit weniger bündig bey Livius, Plutarch und Dio­
nysius. 48) Das Orakel muss der Verkündigung der libri
Jatales bey Cicero a. a. 0. genauer entsprechen als bey Diony-
eius p. 11. und Plutarch p. 13 1. a: für Yeji war es gleichgültig
ob das Wasser die See erreiche, wenn es nur überströhmte, —
nicht aber für Eom. Cave lacu contineri, bey Livius IV. 16,
steht im Widerspruch mit dem unzweifelhaften ttinn der Weissa­
gung ; da es das Ueberströhmen war welches Yeji schüzte. Das
Orakel ist hier wohl verändert; sonst treten mehrere von den
Versen hervor worin die Sage es gefasst hatte: emissam per dgros
rigdbis — dissipdtamque rîvis extingues. — Tum insiste audax
hàstium mûris, — memôr quam per tot annos àbsides ürbem —
4x ea tibi his quae nunc pdnduntur fâtis victäridm datam. —
Beîlô perfects donum amplûrn victor dd mea témpla portdto.
— 416 — [band п .]

Gesandtschaft um Schonung, aher sie fanden kein Erbarmen:


der Vornehmste der Abgeordneten warnte, ehe sie die
Curia mit der erbarmungslosen Entscheidung verliessen, 531
noch einmal vor der Strafe die nicht ausbleiben werde:
so gewiss Veji nun untergehen müsse, eben so sicher ver­
kündigten die nämlichen Orakel, Rom werde bald nach
Veji durch die Gallier eingenommen werden1049). Man hörte
ihn nicht.
Schon gebot Camillus als Dictator vor der Stadt, und
vollführte ungeahndet das Werk welches ihren Untergang
bereitete. Die Römer standen ruhig auf ihren Posten und
schienen dem langsamen Erfolg einer undurchdringlichen
Einschliessung entgegenzusehen : aber das Heer war in
sechs Schaaren getheilt, und baute ohne Rast, nach jeder
sechsten Stunde sich ablösend, einen Minengang, der in die
vejentische Burg, und dort in Junos Tempel an den Tag
führen sollte.
Vor dem Sturm befragte der Dictator den Senat, wie
mit der Beute verfahren werden solle? Appius Claudius,
des Decemvirs Enkel, rieth, sie für den Schaz zu ver­
kaufen: man könne damit Sold zahlen ohne Schoss aus­
zuschreiben: dawider erklärte sich P. Licinius, der vor­
nehmste unter den plebejischen Collegen des consularischen
Tribunats: ja* er nannte es unbillig wenn die anwesenden
Soldaten allein die Beute theilen sollten deren Erlangung
jeden Bürger irgend ein Opfer gekostet habe. Daher müsse
man bekannt machen, wer Theil daran haben wolle könne
sich in das Lager begeben50) Das ward beschlossen, und *за
jung und alt ströhmte gegen die dem Untergang geweihte
Stadt. Als nun das Gewässer in den Gefilden zerstreut

1 0 4 9 ) Dionysius, 12. p . 12. Cicero a. a. 0. welcher so fern


einer prosaischeren Erzählung folgt dass die Geheimnisse der
Schicksalsbücher durch einen Ueberläufer verrathen werden.
50) [Die Bemerkung bey Livius, dass der behende Räuber, nicht
der wackerste der Soldat, dabey am besten fahre, ist nichtig,
wenn nicht angenommen wird dass bey dieser Plünderung die
alte Ordnung der Ablieferung und gleichen Theilung, welche Po­
lybius schildert nicht beobachtet sey. Es sollte auch der Aerarius
Antheil haben, welcher ohne zu dienen gesteuert, — und jeder Ple­
bejer, ohne Rücksicht ob er als Locuples viel oder wenig, ob er
als Proletarius gar nicht gezahlt hatte.
[band п .] — 417 —

und der Gang in die Burg vollendet war, gelobte Camillus


grosse Testspiele, einen Tempel der Matuta, welche an
jenen tyrrhenischen Küsten waltete1051), zu weihen, und
richtete Gebete an Juno, deren Tempel den Weg verbarg
welcher die Eömer in die Stadt führen sollte, mit Ver-
heissungen noch grösserer Ehre : und seine Beschwörungen
waren nicht fruchtlos. Dem pythischen Apoll, dessen
Orakel, als es Zuversicht gab den Eeden des Aruspex zu
trauen, ein Weihgeschenk für Delphi gefordert hatte,
gelobte er den Zehenten der Beute. Darauf war zu be­
stimmter Stunde der Gang mit Cohorten gefüllt, welche
Camillus selbst führte52): indessen die Hörner zum An­
griff bliesen53), und das zahllose Heer Sturmleitern heran­
trug: wie es schien, um die Mauer ringsum allenthalben
zu ersteigen. Hier erwarteten die Bürger den Eeind,
während ihr König in Junos Tempel opferte, und der
Aruspex aus der Schau des Opfers verkündigte: wer der
Göttin den ihr gebührenden Antheil vom erschlagenen
589 Thier darbringe, der werde siegen. Das vernahmen die
Eömer unter dem Boden, brachen hervor, raubten die
Opferstücke, und Camillus weihte sie. Von der Burg aus
verbreiteten sie sich unwiederstehlich in der Stadt, und
öffneten den Stürmenden die nächsten Thore.
Die Beute war den Siegern selbst unerwartet und un­
glaublich. Alles empfing das Heer: nur die welche das
Blutvergiessen verschont hatte, bis Unbewaffneten das
Leben gelassen ward, wurden für den Staat verkauft.
Schon waren alle Gegenstände menschliches Eigenthums
aus den leeren Mauern fortgeschafft: nur der Schmuck
und die Bildsäulen der Götter waren noch unberührt.
Juno hatte das Gelübde eines Tempels auf dem Aventinus
angenommen: aber jeder zitterte ihr Bild zu berühren,
welches nach etruskischer Eeligion nur ein Priester aus
einem bestimmten Geschlecht ohne Todesfurcht wagen
konnte. Die den Muth fassten es von seiner Stätte zu

1051) U e b e r d e n T e m p e l d e r M a tu ta z u P ^ r g i s. W e s s e lin g
z u D io d o r X V . 14. 52) D a s m u ss d ie S a g e e rz ä h lt h a b e n ,
d a C am illu s d a s O p fe rfleisc h a u f d e m A lta r d a rb rin g t: e r m u s s
sich u n te r d e n e rs te n a u s d e m B o d e n e rh o b e n h a b e n .
53) S . S c a lig e r z u F e s tu s s. v. aenecUores,
Niebuhr, Röm. Geech. 27
— 418 — [band п .]

h eben, auserlesene Eitter, begaben sich in reinen Feyer-


kleidern in den Tempel, und fragten die Göttin, ob sie
einwillige nach Eom zu ziehen? Sie vernahmen die be­
jahende Stimme der Antwortenden, und das Standbild
folgte, durch sich selbst bewegt, denen die es fort­
zogen 1054).
Yon jenem Tempel hatte Camillus die Herrlichkeit
der gewonnenen Stadt betrachtet, als die Plünderer aus
ihr überschwenglichen Eeichthum zusammenrafften: er ge­
dachte der Drohungen der Vejenter, und der Abgunst der
höheren Mächte für allzugrosses Glück, und betete zu der 540
hülfreichen Königin des Himmels dass sie ' die versöhnende
Trübsal für die Eepublik und ihn selbst erträglich seyn
lassen wolle55). Indem er nun, nach gesprochenem Gebet,
der Sitte gemäss, mit verhülltem Haupt sich rechts im
Kreise umwandte56), stiess sein Fuss an, und er fiel:
damit schien die gütige Göttin dem Schicksal genügt zu
haben: und Camillus, der warnenden Ahndung uneingedenk
reizte die zürnenden Mächte durch den nie gesehenen
Pomp und Stolz seines Triumphs: Jupiter und Sol sahen
ihn mit ihrem Viergespann weisser Eosse das Capitolium
hinaufziehen. Diese Hoffahrt büsste er mit Verurtheilung,
Eom mit Zerstörung.
So weit ist die dichterische Sage ein Ganzes; und,
obwohl sie von einer Begebenheit erzählt die sich un­
zweifelhaft ereignet hat, ein ganz freyes Gedicht.

1 0 5 4 ) P l u t a r c h Camillus p . 1 3 2 . a. s c h r e ib t a u sd r ü c k lic h L i­
v iu s d ie S c h w ä c h u n g d e r a lte n E r z ä h lu n g z u d a ss ein R ö m e r im
S c h e r z g e f r a g t, a n d r e e in e n b e ja h e n d e n W in k zu s e h e n g e g la u b t
h ä tte n . — D io n y siu s exc. 17. p. 18. lä s s t d a s W o r t d e r G ö ttin
w ie d e r h o le n — w ie in d e r L e g e n d e von d e r F o r tu n a M u lie b ris.
5 5 ) D a s s C a m illu s in J u n o s T e m p e l d as G e b e t s p r a c h ist
m e in e E r g ä n z u n g , a b e r u n z w e ife lh a ft im S in n d e r S a g e .
56) D ie C e lla w a r n a c h O ste n h in o ffen ; d o rth in a u c h d a s A n t-
liz d e s G ö tte rb ild s g e w a n d t: v o r d e r C e lla im F r e y e n , w a r d e r
O r t d e s A l t a r s . D e r O p fe rn d e , zw isc h e n d ie se m u n d dem H e ilig ­
th u m s te h e n d , ric h te te d a s G e sic h t b e y se in e m G e b e t e b e n fa lls
n a c h O s t e n ; w a n d te sich a b e r a u c h g e g e n d a s B ild ih m z u h u l­
d ig e n , d o c h v e r h ü llt, u m e s n ic h t a n z u s c h a u e n , d a die G o tth e it
i n d a s H e ilig th u m g e ru fe n w a r.
[band п .] — 41 9 —

Ueber das Anschwellen des albanischen Sees, und die


Entladung seines Gewässers, werde ich weiterhin historisch
reden, und bemerklich machen dass, da der angegebene
Zeitpunkt jenes Ereignisses unbedenklich feststeht, die
Vollendung des Emissarius vor der Einnahme Vejis un­
möglich ist: wenn man auch den Vortheil verschmäht
den Livius anbietet, der den Anfang des Werks sogar erst
nach der Theoren Rückkehr, und diese in das Jahr vor
Mi der Eroberung sezt1057). Es ist wohl ganz sicher dass der
pythische Gott damals wie in der Samniterzeit befragt
worden ist, wie der Krieg zu Ende gebracht werden könne?
und ohne in eine schaale Exegese zu verfallen, lässt sich an­
nehmen, ja nicht wohl bezweifeln, dass der Senat ein Orakel
veranlasst oder bekannt gemacht hat welches denen der Pythia
durchaus unähnlich ist, und ganz bestimmt ein äusserst
schwieriges und kostbares Werk zu unternehmen gebietet,
wogegen sich die erschöpfte Nation sträuben musste.
Mag dies abweisen, wer sogar einen auf irgend eine Art
überlieferten Delphischen Orakelspruch in Ansehen ge­
halten haben will, so wird doch schwerlich jemand so
heidnisch gläubig seyn. dass er ernsthaft dessen Ueber-
einstimmung mit den Worten eines etruskischen Zeichen­
deuters als denkbar annehme.
Dass Veji durch einen Stollen eingenommen sey, ist
früher wohl von Niemanden bezweifelt worden, indem
Livius die Vollbringung des von dem etruskischen Fürsten
begonnenen Opfers durch den Dictator, als ein Mirakel
der Tragödie abgestreift hat. Dass die römischen Soldaten
sich aus der Erde erheben wie der Geist auf der Bühne ver­
sinkt, hat niemanden gestört; und dass es im Tempel der
Juno geschieht, ist ohne Zweifel als ein zufälliger Um-
542 stand betrachtet worden : aber in der Sage liegt hier der
Schlussstein des Ganzen. Wie Veji zehn Jahre umlagert
gewesen seyn soll, gleich Ilioaj wie der Gang voll Be­
waffneter dem auf Pergama hinaufgeführten Ross des
Epeus entspricht; so ist es Juno welche auch über jene
Stadt Verderben bringt. Sie ist nicht erst durch Camillus
Gelübde gewonnen; ihrer Obhut war der Weg anvertraut

1057) Liviua V. 16. und 19.


27*
— 4 20 — [band ii .]

auf dem in ihrem Tempel die Bewaffneten hervorgehen,


und das Opfer vollbringen sollten, woran zulezt das Schick­
sal gebunden war. Juno war die eigentümliche argivische
Gottheit auch der italischen Pelasger: ihr lacinischer
Tempel verband die önotrischen Völker1058) ; der im picen-
tinischen Land ward den Argonauten zugeschrieben59):
zu Falerii bestand er mit seinen heiligen Gebräuchen von
den Zeiten der Siculer60). Wie nun hier die äquischen
Eroberer ihren Dienst behalten hatten, so zu Veji die
Etrusker: aber die Göttin war mit den Fremden nicht
ausgesöhnt: sie verlangte den Aventinus zu bewohnen, mit
den latinischen Plebejern, vom Stamm ihrer alten Tyrrhener.
Das war des Dichters Sinn: und so ist sie es, die zornige
Göttin der Ilias, welche das Wunder des albanischen Sees
erregt; denn ehe dieser abgeleitet war gestattete das
Schicksal der etruskischen Eeligion nicht dass Veji fallen
könne: sie war es welche den Aruspex bethörte dass er es
verrieth. Anzunehmen dass, was hier Hauptsache ist, die
Ausmündung des Gangs in ihrem Tempel, zufällig treffe, ist
entschieden unlogisch.
Eine andre Frage ist, ob es nicht, mit Aufopferung 543
dieses Umstands, doch historischen Grund habe dass die
Stadt durch einen Gang erobert worden woraus die Be­
waffneten innerhalb der Eingmauer emporgestiegen wären?
Diodor erwähnt eines solchen, ohne einige nähere Um­
stände61): und nirgends findet sich eine andre Meldung
über die Art der Einnahme. Nun will ich zugeben dass
der Tufboden jener Gegend leicht zu bearbeiten ist, und
doch Festigkeit genug hat um kein Zimmerwerk zu be­
dürfen: das war nur nöthig wo der Gang unter der Mauer
durch geführt werden musste; und die konnte auf Pfählen
und Balken getragen werden, wie wenn man sie zum
Einsturz untergrub : dieser Bau konnte doch einen Durch­
gang lassen. Wenn im Umfang der Stadt weite unbebaute
Pläze waren, so war és möglich dass der Gang sie
treffen, und die Truppen in der Nacht unbemerkt hervor-

1058) T h . I. S . 9 5 . 59) T h . I. S. 5 1 . 60) D io n y siu s


I . 2 1 . p . 1 7 . b . V g l. E c k b e l doctr. num. I. p . 9 2 . 61) D io ­
d o r X IV . 9 3 . Boiouç èÇéTiokiôpxTjoav, ôitvpu%a хатасхеиаааутед.
[band IX.] — 421 —

brechen konnten: nnr hing das тот Glück ab, und kein
menschliches Geschick konnte die Eichtung, wenn auch
nicht aus weiter Ferne, geben1062). Es lässt sich auch eine
Auslegung für die Meldung, dass ein Sechstheil des Heers
zum Dienst dieses Werks bestimmt gewesen sey, erdenken,
obgleich es klar ist dass nur sehr Wenige neben einander
vorwärts arbeiten konnten. Manche hätten ihn erweitern
können: und eine grosse Zahl, in Eeihe aufgestellt, die
losgebrochenen Steine aus Hand in Hand fortgeschafft:
aber ihre eigentliche Bestimmung wäre gewesen, im Fall
ш das Werk von^ den Belagerten entdeckt worden, es
zu behaupten, ja die Gelegenheit zu versuchen in die*
Stadt einzubrechena). Allein es ist doch offenbar ganz
unwahrscheinlich dass die Belagerer ohne Eothwendigkeit
sich eine langwierige und saure Arbeit aufgelegt haben
sollten, da es genügte den Holzbau, welcher die Bing­
mauer auf jeden Fall tragen musste, anzuzünden, um
eine Bresche zu öffnen: die Eömer scheuten sich
gewiss nicht eine solche anzulaufen. Solche Minen
waren bey Belagerungen ganz gewöhnlich: wogegen die
ganze bewährte Kriegsgeschichte des Alterthums schwerlich
ein Beyspiel von einer Stadt giebt, die so erobert wäre
wie Veji es seyn soll63). Darnach möchte ich vermuthen
dass die Erwähnung, es sey durch einen Cuniculus ge­
schehen — welcher einen Theil der Mauer einstürzte —
der Sage Veranlassung gegeben habe. Die Sache war in
den römischen Kriegen vielleicht noch nie versucht: denn

1062) Z o n a ra s p . 3 1 . a. Tcäpßtu&ev äp^dßBvog. «) S c h w e g ­


le r П І. 2 1 8 . 63) D ie E in n a h m e von F id e n ä d u rc h A . S e r -
v iliu s (L iv iu s IV . 2 2 .) is t u m n ic h ts b e w ä h r te r a ls d ie von V e ji:
a u s s e r d ie s e r b le ib t m e in e s W iss e n s n u r die v o n C h a lk e d o n d u rc h
D a riu s , b e y P o ly ä n u s V I I . 1 1 . 5 . — D ie n u n i s t w o h l n irg e n d s
» n d e rs b e r g e n o m m e n a ls au s K te s ia s , w e lc h e r von d e r E in ä s c h e ­
r u n g je n e r S ta d t d u rc h D a riu s , n a c h s e in e r R ü c k k e h r a u s d e m
s k y th is c h e n F e ld z u g , e r z ä h lt h a tte (b e y P h o tiu s , p . 3 8 b. Век).
W a s e in v iel g e w iss e n h a fte re r Z e u g e a u s d ie se r Z e it b e ric h te t
h ä tte , w ä re h ö c h s t m is slic h ; w ie v ie l E in z e ln e s k a n n ü b e r X e rx e s
Z a g fü r h is to ris c h g e lte n ? V o n je n e r B e la g e ru n g w e iss H e ro d o t
n ic h ts ; e r g e d e n k t, d ass O ta n e s C h a lk e d o n m it ä n d e rn O rte n in
je n e n G e g e n d e n e in g e n o m m e n h a b e (V . 2 6 .), a b e r s p ä te r , u n d
u n te r g a n z ä n d e r n U m s tä n d e n a ls in d e r E r z ä h lu n g d e s K te s ia s .
— 422 — [band и.]

in Latium, wo die Städte durch das Aufmauern der Berg- 545


wände fest waren, fand jenes Untergraben keine An­
wendung.
Die Erzählung dass Camillus mit einer stolzen Pracht
triumphirt habe wie niemand vor und nach ihm, mag auch
ganz dem Gedicht angehören, und ursprünglich ihn zu
verherrlichen gebildet seyn; die Abweichungen und Miss­
lichkeiten in der von dem Weihgeschenk an den delphischen
Tempel dürften ihren Ursprung bloss in den Annalen
haben.
Der Dictator hatte dem pythischen Apoll den Zehenten
der Beute gelobt: die Pontifices erklärten, die Eepublik
sey nur für das Geld welches der Quästor eingenommen,
und für den Werth der Gebäude und des Bodens so weit
das vejentische Volk dessen vor der Einnahme Meister ge­
wesen, verpflichtet : wer Beute gewonnen, solle sie abschäzen:
wer dabey gewissenlos verfahre, dessen Sünde treffe ihn
selbst, nicht den Staat1064). Diese Verpfliphtung ward erst
bekannt als der Gewinn des blutigen Tags von den meisten
verthan, von sorgfältigen Wirthen verwandt war; die
Schrecken des Gewissens erzwangen einen Ersaz der eben
so sehr wie Besteurung drückte: jedermann war voll Un­
willens gegen den Feldherrn, dessen nicht verholene Un­
freundlichkeit gegen das Volk seinem Stillschweigen das
Ansehen absichtlicher Schadenfreude gab, da er hätte
warnen können den geweihten Antheil bey Seite zu
legen.
Für den Werth dieses Zehenten sollte ein goldner m
Krater verfertigt werden: wenn die Summe, welche das
Aerarium zu entrichten hatte, nicht vorräthig war, —
wenn dazu ein Schoss hätte ausgeschrieben werden müssen,
— so war es höchst verdienstlich dass die Frauen ihren
Schmuck und Geschmeide darbrachten: zu erstatten wenn
die Götter die Waffen der Eepublik aufs neue gesegnet
haben würden. Dafür belohnte sie der Senat durch die
Berechtigung in der Stadt auf Wägen zu fahren65), welche

1064) Ich. h a b e die g e w ö h n lic h e E r z ä h lu n g u m g e w a n d t, w o rin


e s g le ic h w u n d e rlic h la u te t d a s s d e r D ic ta to r s e in G e lü b d e v e r­
g e s s e n , u n d d a ss d e r S e n a t z u e r s t n ic h t a n d ie V e rp flic h tu n g des
S ta a ts g ed ach t habe. 65) W e n n d a s G e ld v o rr ä th ig g e w e s e n
[band п .] — 423 —

den Männern nnr während der Dauer ihrer curulischen


Aemter zustand. Eine Triremis, an deren Bord drey
Theoren das geweihte Kleinod überbringen sollten, ward
von liparäischen Kriegsschiffen nach ihrer Insel aufgebracht.
547 Die Eömer haben sie Seeräuber genannt: aber ungleich
wahrscheinlicher ist eine Erzählung wonach vielmehr die
Galeere genommen ist weil sie für einen Korsaren gehalten
ward1066). Denn die Liparäer kreuzten gegen die tyrrheni­
schen Piraten, und weihten manches Geschenk von der
über sie gewonnenen Beute nach Delphi67): und so wenig
auch die Eömer ein Verdacht treffen kann dass sie sich
jemals des Seeraubs schuldig gemacht hätten, so war doch
gegen ein aus ihren Gewässern ausgelaufenes Schiff der
Argwohn sehr natürlich dass es Böses vorhabe, und die
heilige Fahrt nur vorschüze um sich durchzuschleichen,
oder wenigstens dieselbe bei dargebotener Gelegenheit sich
vom Eaub nicht abhalten lassen werde. Nur zwei Jahre
später gaben die tyr-rhenischen Seeräubereyen einen Vor­
wand für Dionysius Zug gegen die Cäriter68), die hierüber
doch eben so tadellos wie die Eömer selbst waren: ein
tyrrhenischer Korsar Postumius, den sein Name als Latiner
verräth, ward von Timoleon ergriffen und hingerichtet69):
und noch um die Mitte des fünften Jahrhunderts, schon

w ä re , w ie L iv iu s a u s d r ü c k lic h s a g t (pecimia ex aerario promta


— ut (tr. mil.) ex ea aurum coemerent), — so h ä t t e m a n h ö c h ste n s
n u r e in w e n ig w a rte n u n d e tw as th e u e r b e z a h le n m ü s se n u m d a s
G o ld zu k a u fe n : d a ss d ie s n ic h t fe h lte zeig en d ie E n td e c k u n g e n
b e y C an in o . D ie M a tro n e n h ä tte n o h n e S o t h d e n A rb e its lo h n
von ih re m G e sc h m e id e a u fg e o p fe rt : o d e r d ie B e lo h n u n g w ä re
ih n e n fü r n ic h ts a n d e r e s g e g e b e n a ls d a ss sie e in ig e Z eit d e n
S c h m u c k e n tb e h r t h ä tte n . E s m u ss also v o ra u s g e s e z t sey n d a s s
d e r S ta a t w as ih n tr a f sc h u ld ig b le ib e n m u s ste . — D e r R e p u b lik
zu le ih e n , w a r in d e r g a llis c h e n N o th o h n e V e rg le ic h v e rd ie n s t­
lic h e r a ls es in d ie s e r Z e it d e s G lü c k s z u th u n : d a h e r b e z ie h t
L iv iu s g e w iss m it B e c h t a u f j e n e die g rö s s e re E h r e d e r G e d ä c h t-
n is sre d e n (V I. 4 . ) , a u f d ie se d ie o b en b e ric h te te m in d e re : u n d
h in g e g e n irr e n d ie d a s u m g e k e h rte a n g e b e n , P lu t a r c h CamiÜ.
p. 113. b . u n d D io d o r X IV . 1 1 6 : w e lc h e r h ie rü b e r ä n d e rn a ls
F a b iu s f o l g t : Xéyouat dé tweç.
,1066) P lu t a r c h а. а. О. с . 67) S tra b o V I. p. 275. c.
в») D io d o r X V . 14. 69) D e rs . X V I. 82.
-— 424 — [band п.]

der römischen Herrschaft unterworfen, sezten die Städte


an dieser Küste den Unfug gegen die Griechen fort1070).
Allein der Stratege Timasitheus verabscheute die Ver­
geltung an Schuldlosen und am Heiligthum: er befreyte
die angehaltene Triremis, und liess sie zu ihrer Bestimmung
geleiten. Der Senat dankte ihm durch Geschenke und die
Vorrechte der Proxenie; und, als im ersten punischen
Krieg Lipara unter der Römer Herrschaft gekommen war, ш
durch Befreyuung seiner Nachkommen von Unterthänigkeit
und Steuerpflicht71). Der Krater ist zu Delphi im Thesaurus
der Massilienser aufgestellt worden, aber nicht lange er­
halten geblieben: Onomarchus hat ihn eingeschmolzen:
doch blieb die eherne Basis mit der Inschrift erhalten,
und Zeugniss72).
Damit ist freylich nicht auf gleiche Weise bezeugt
dass jenes Goldgefäss acht Talente wog73): worunter ohne
Zweifel italische von hundert Pfunden zu verstehen sind:
ein ungeheures Geschenk für einen fremden Tempel, dem
selbst die griechischen Städte wenigstens seit dem peloponnesi-
schen Krieg keine vergleichbare Freygebigkeit erwiesen.
Es ist aber auch keine historische Zahl, sondern die
typische Schäzung des Zehenten einer ungemein reichen
Beute, wie der von Pometia und der Schlacht am Begillus,
auf zwölf Talente Gold : 120 Talente, 12000 Pfund, Silber:
12 Millionen Pfund Kupfer. Von diesem Zehenten sondert
der Annalist das Drittheil der Herniker: darüber hatten
die Eömer nicht zu verfügen ; wohl aber über das zweyte,
welches den Latinern zugekommen wäre, die nun von
Eom abhingen74). Es wäre ganz müssig, forschen zu
wollen ob der Werth der innerhalb Vejis Mauern be­
findlichen Gegenstände sich wohl auf das zehnfache jener
Summe habe belaufen können: nicht eben so der Zweifel,
ob überhaupt dem griechischen Gott der ganze Zehente
geweiht worden, da von den nämlichen Manubien der
aventinische Tempel Junos aufgeführt ward?

107 0)S tr a b o V . p . 2 3 2 . b . E s s c h e in t d a ss es d ie A n tia te r


w a re n . 7l) D io d o r X IV . 9 3 . 72) D e rs. d a s. — A p p ia n
Italic, fr. 8 . 1. 73) P l u t a r c h Camiil. p . 1 3 3 . b . 74) V g l.
T h . 1 . S . 5 7 1 . A nm . 1137.
[band II.] — 425 —

549 D ie ü b r ig e n K r ie g e b is z u m g a llis c h e n .
Während des zweyten Feldzuges gegen Yeji ward eine
Stadt Artena durch die Körner eingenommen. Diese ge­
hörte, nach einigen Annalen, den Volskern, nach ändern
den Vejentern; Livius entschied sich für die erste An­
gabe1075): wenn aber nicht unter demselben Jahr ein Treffen
bey Ferentinum erwähnt würde, so könnten wir nicht an­
stehen nach innerer Wahrscheinlichkeit die lezte vorzu­
ziehen: man erwartet die ganze Kriegsmacht gegen Etrurien
gerichtet zu sehen, und ein Theil davon konnte die Er­
oberung eines Orts in der weitläufigen Landschaft aus­
führen. Die ganze fernere Dauer des vejentischen Kriegs
hindurch, ist von Feindseligkeiten gegen Volsker und
Aequer die Eede nicht, ausgenommen zu Anxur, wo die
Einwohner mit Hülfe von eingeschlichenen Landesleuten,
sich von der römischen Besazung befreit hatten (353)*
Die Umstände wodurch dies gelang deuten auf einen
Friedenszustand mit dem übrigen Volskerland: die Soldaten
waren grösstentheils auf Urlaub abwesend, und volskische
Kaufleute wurden ohne Vorsicht im Ort zugelassen76).
Nach zwey Jahren ward dieser wieder eingenommen: es
scheint dass noch immer der Friede mit der übrigen
Nation nicht gestört war: den Römern lag alles an dessen
Erhaltung; und die entmuthigten ausonischen Völker ge­
nossen der Ruhe mit matten Hoffnungen auf günstige Er­
eignisse welche die Gefahr abwenden sollten.
Allein Veji, dessen Untergang sie vielleicht hätten
550 hindern können, fiel ; und schon im ersten Jahr nachher,
360, verordnete der Senat eine Ackeranweisung von den
ihnen in den lezten Kriegen entrissenen Ländereyen an
dreytausend Colonen. Allem Ansehen nach ist Vitellia,
welches fast gleich darauf als römische Colonie im Aequer-
lande vorkommt, ohne dass die Gründung erwähnt wäre,
— jener albensische, unter Coriolans Eroberungen genannte

io«) Livius IV. 61. 7б) Ders. V. 8.


— 426 — [band II.]
Ort1077) , — der Mittelpunkt' dieser Kleruchie gewesen78).
Eben so unverkennbar ist es dass diese Ansiedelung es
war welche die Aequer im folgenden Jahr, 361, unter die
Waffen trieb, wie es ein Jahrhundert später durch die
Colonie Carseoli geschah: wie die Gallier durch die flamini-
sche Ackeranweisung zu verzweifelten Entschlüssen be­
wogen wurden. Eine Gegend welche als Besiz Weniger
von Knechten bestellt ward, liess sich wieder einnehmen;
erst wenn sie von einer grossen Zahl Freyer die dort ihr
Eigenthum vertheidigten bewohnt war, empfand man dass
sie auf immer verloren sey, wofern nicht eilig die Nieder­
lassung zerstört werde. Auch war nicht zu verkennen
dass eine solche Colonie dienen sollte neue Eroberungen
vorzubereiten. Diodor sagt dass damals der vierte Krieg*
gegen die Aequer begann79): sie führten ihn keineswegs so
schlaff, wie sie seinen Anfang scheu verzögert hatten.
Im ersten Feldzug ging Yerrugo den Römern verloren;
jene oft bestrittene Feste, wahrscheinlich auf dem Algidus,
die gewöhnlich als volskisch vorkommt: dass es nicht mit
Gewalt eingenommen, sondern ohne Nothwendigkeit ge- 551
räumt worden se i80), mag man uns eben so wenig ein­
red en als das alltägliche Mährlein dass die andre
römische Legion eine Niederlage am folgenden Tage
durch einen Sieg ausgeglichen habe, der freylich ohne
Folgen geblieben sey, eben weil Yerrugo durch einen un­
glücklichen Irrthum verlassen worden. Vielmehr ist der
Yortheil im Jahr darauf, 362, noch immer entschieden bey
den Aequern: jene Colonie wird durch die Einnahme von

1077) O b e n S . 29 3 . 78) W ie S ig n ia : o b e n A nm . 193.


79) D io d o r X I V . 9 8 . D a ss von d e n A e q u e r n d ie E e d e sey
h a t n ie m a n d v e r k a n n t: d a s v e rs c h rie b e n e Alruikobg is t, n a c h des
S c h r if ts t e lle r s G e b r a u c h , z u AcxAouç h e r z u s te lle n , n ic h t Aixodç
o d e r AixtxXuug. A ls e rs te r K rie g s c h e in t d e r g a n z e Z e itra u m bis
3 1 0 g e m e y n t: u n te r d em z w ey te n is t w o h l d e r zu v e rs te h e n
w e lc h e r 3 2 4 a u s b r a c h , im J a h r v o rh e r b e r e ite t w a r : L ivius IY .
2 5 . 2 6 . — u n te r d em d ritte n d e r w e lch e r 3 3 4 n a c h A b la u f d e s
W a f f e n s tills ta n d s b e g a n n . — IV . 4 2. 80) D io d o r a. a. 0 .
èx âè Obepfayhog 7tôàswç und rwv noXefiLOjv èÇepXyj&7]<rav.
Y g l. L iv iu s Y . 28* D e r b lin d e S c h re c k e n u n d d ie v e rm e y n te
u n n ö t h i g e F lu c h t k o m m e n ih m n ic h t s c h m ä h lic h v o r , a b e r d a ss
M e n g e o d e r G lü c k d e n R ö m e rn o b s ie g te n m a g e r n ic h t d e n k e n .
[band II.] — 4 27 —

Vitellia vernichtet1081); ja ein Bericht, dessen Aechtheit


nicht in Zweifel gezogen werden kann, sagt, dass damals
Yeliträ und Satricum abfielen. Unter diesen Umständen
ward der Besiz des wohl schon vor 349 wiedergewonnenen
Circeji durch eine Colonie gesichert82), an der ohne
Zweifel auch die Orte des latinischen Namens, dem sie in
552 der Folge heygezählt ward, Theil erhielten. Doch blieb
auf die Länge den benachbarten Völkern der Vortheil
nicht : in diesem und dem folgenden Jahr werden äquische
Orte, deren Namen seltsam lauten, und höchst wahrschein­
lich verschrieben sind83), erwähnt als erobert durch die
Eömer: und damit verschwindet dieser Krieg schon ein
Jahr vor der Ankunft der Gallier.
Im Jahr nach Vejis Fall suchten die Sieger die Orte
heim durch deren Hülfe er verzögert war. Die Capenaten,
in deren Landschaft keine Pflanzung und kein Gebäude
verschont geblieben war, suchten Frieden (360): da sie
nie weiter als unabhängiger Ort Vorkommen, so dürfte es
sicher scheinen dass sie sich unterwarfen, und nach der
Herstellung Koms in die neuen vier Tribus eingetheilt
wurden, wenn nicht die Möglichkeit zugegeben werden
müsste dass sie durch die gallische Zeit spurlos ver­
schwunden seyn konnten, ehe die späteren römischen
Kriege einiges Licht auf Etrurien werfen. Das Land der
Falisker, schon damals verwüstet, ward im folgenden Jahr,
361, der Schauplaz bedeutenderer Unternehmungen. Sie
hatten eine Millie vor Falerii eine sehr feste Stellung ge­
nommen, um die nahe Gegend zu decken: Camillus
nöthigte sie ohne ein Gefecht sich in die Stadt zurück­
zuziehen. Ein Krieg, langwierig wie der vor Veji, und
so viel entfernter von Rom, hätte den Unwillen der Ge­
meinde über die Absicht der Patricier sich das eroberte
vejentische Land anzumaassen noch heftiger gereizt: die

1081) L iv iu s V . 29. D ie g a llis c h e Z e it w ird d ie H e rs te llu n g


v e r h in d e r t h a b e n : ü b rig e n s k o n n te V ite llia u n te r d e n la tin is c h e n
C o lo n ie n n ic h t V o rk o m m e n , d a es e ig e n tlic h n u r C o n ciliab u lu m
in e in e r g a n z rö m isc h e n A s s ig n a tio n w ar. D ie F a b e le y d es E u ­
lo g iu s , d e r es zu e in e m C re m e ra d e r V ite liie r m a c h te (S u e to n iu s
Vitell. 1.), v e rd ie n t n ic h t d ie g e rin g s te B e a c h tu n g . 82) D io ­
d o r X IV . 1 0 2 . 83) Ai<pXov u n d A i<potxoua das. u. 106.
— 428 — [bakdII.]
Zahlung eines jährigen Solds, wodurch der Steuerbare des
Schosses tiberhoben ward, der Soldat ohne Dienst volle
Löhnung empfing, machte dem römischen Yolk den Frieden 553
angenehm, wenn dieser auch keine weiteren Vortheile
brachte1084).
Ein Ereigniss in diesem Krieg muss doch wohl Stoff
zu der Erzählung gegeben haben, dass ein Schulmeister
die Knaben der vornehmsten Häuser in Falerii verrätherisch
ins römische Lager geführt, Camillus sie zurückgesandt,
•und den Bösewicht zur Strafe überantwortet habe: aber
ohne Zweifel ist diese, in ihren wohlbekannten Zügen,
doch nur aus der Sage von dem Helden, deren Wesen,
wo sie hervortritt, sich immer eben so historisch zeigen
wird wie bey dem vejentischen Krieg, in die Annalen ein­
geschaltet. Wer sich nur erlaubt die Möglichkeit einzu-
räumen dass hier Dichtung sey, dem wird Undenkbarkeit
des Erzählten gleich klar werden. Nicht minder fabelhaft
ist das Weitere; dass die Falisker, von solcher G-rossmuth
besiegt, sich den Römern unbedingt unterworfen, Waffen
und Geissel übergeben hätten85). Einen solchen Verrath
hat kein Volk an sich begehen können: denn unüberlegte
Zuneigung , welche sich wohl einem Tyrannen überliefert
hat, ist eine ganz andre Sache. Die Annalen meldeten
ohne Zweifel die Zahlung des Solds für ein Jahr; und
davon sind die Beyspiele häufig bey Verträgen welche die
Selbständigkeit des dazu verpflichteten Staats bestehen
Hessen: ich zweifle dass sie einem aufgelegt sey, der sich
in Untertänigkeit begeben hatte. Von der angeblichen
Unterwürfigkeit findet sich hernach keine Spur: doch da­
rüber möchte ein Anwalt sagen, die Falisker würden sich
freylich über jene edelmüthige Übereilung besonnen haben, 554
und die gallische Zeit hätte ihnen Gelegenheit gegeben
sich ihr zu entziehen.
Unmittelbar nach der Herstellung finden wir Bom im

1 0 8 4 ) L iv iu s V . 2 7. Was im K rie g e a n L a n d u n d L e u te n g e ­
w o n n e n w a r , b lie b d e r R e g e l n a c h d o c h a u c h . 85) L ivius
b e z e ic h n e t d ie D e d itio n in d e r g rö s s te n S tr e n g e : mittite qui arma,
qui obsidesy qui urbem patentibus portis accipiant : a lso a u ch B e -
s a z u n g : im A lterfchum w ie im 3 0 jä h r ig e n K rie g d ie g e fü rc h te ts te
G é is s e l !
[bandII.] — 429 —

Besiz der Hoheit über Sutrinm und Nepet, welche Städte,


zwischen Yeji und Yulsinii gelegen, lange nachher tdie
Gränzfestungen des römischen Gebiets gegen Etrurien aus­
machten. Von welcher souverainen Stadt sie früher ab­
hingen lässt sich nicht errathen: erobert dürfte Sutrium
im Jahr 361 seyn, unter welchem, nach dem Friedensschluss
mit den Faliskern, Diodor eines Zugs gegen diesen Ort
gedenkt1086). Ihre Erwerbung oder ihr Besiz mag den
Krieg gegen Yulsinii erregt haben, welchen im zweyten
Feldzug, 364, ein grosser Sieg entschied, worauf acht­
tausend Etrusker die Waffen streckten87). Ein zwanzig­
jähriger Friede ward geschlossen, nachdem die Besiegten
den Sold eines Jahrs für das römische Heer gezahlt hatten.
Vereinigt mit Yulsinii in jenem Kriege waren die Salpi-
naten; also diese, deren Wohnplaz nicht entfernt seyn
konnte, entweder eine sonst völlig unbekannte souveraine
555 etruskische Stadt, oder ein in dieser Gegend übriggeblie- ■
benes Yolk anderes Stamms88).
Es war allenthalben eine unglückliche Zeit für die
Etrusker. Im Jahr vorher, 01. 99. 1., hatte Dionysius
von Syrakus, unter dem Yorwand ihre Seeräubereyen zu
züchtigen, einen Zug mit sechszig Galeeren an die tyrrhe­
nische Küste unternommen, und die Hafenstadt von Cäre,
das pelasgische Pyrgi, um so leichter erobert da die
Cäriter schuldlos waren89), nichts Böses erwarten konnten.
Die Plünderung eines an Weihgeschenken äusserst reichen
Tempels der Matuta war des Tyrannen Zweck: er fand in
demselben 500 Talente an Silber und Gold, mit denen und
vielen Gefangenen er sich ungestraft wieder einschiffte:
die Cäriter waren eiligst ausgezogen um den angegriffenen
Ort zu retten, wurden aber geschlagen, ihre Landschaft

1086) D io d o r X IV . 9 8 . — v o r Hourptov is t inc a u s g e fa lle n :


s o n s t d a r f n ic h ts g e ä n d e r t w e r d e n : d u rc h Z u fall k o n n te das W o rt
n ic h t e n ts te h e n , u n d d e r w e lc h e r e in e z e rris se n e H a n d s c h rift D io -
d o rs so z u s tu z te w ie u n s e r T e x t la u te t, w a r , w ie sohon d ie u n -
g e s ta lte n N a m e n d e r F a s te n z e ig e n , a lle n rö m isc h e n D in g e n g a n z
fre m d ; e r h a tte v o n S u tr iu m g e w iss n ie g e h ö rt. 87) L iv iu s
V . 3 2 . N a c h D io d o r X IY . 1 09. w a r d ie S c h la c h t b e y G u ra siu m .
88) S a lp in u m h a t d e m n a c h a u c h A n s p r u c h d as n a m e n lo s e
urbi vetue, O rv ie to , z u s e y n . 89) S tra b o Y . p 22 0 . c.
— 430 — [ band п .]

geplündert1090). In demselben Jah r wurden zu Eom die


Consuln L. Lucretius, M. Manlius, durch ein Senatus­
consult genöthigt drey Monat vor dem Verlauf ihres Amts
ahzudanken; wofür keine andere Ursache angegeben wird
als die herrschende Seuche, von der auch sie ergriffen ge­
wesen wären91). Das würde ohne Beyspiel seyn, und ist
gewiss nur ersonnen weil allerdings einer der Censoren
starb. Ganz gewiss sind sie ihres Amts entsezt worden:
und zwar weil sie es an getreuer Aufsicht für eine Stadt
hatten ermangeln lassen, welche die Tibergegend gegen
die See schüzte, und sehr befreundet seyn musste, da zwey
Jahre nachher die Heiligthümer der Nation in ihren 556
Manern niedergelegt wurden: nicht zu gedenken dass Cäre
während des ganzen vejentischen Kriegs wenigstens nichts
wider Rom unternommen hatte. Auch musste Dionysius
Zug um so bedenklicher erscheinen, da die italiotischen
Städte schon von ihm abhingen, und seine Niederlassungen
im adriatischen Meer, auch an den Küsten der Umbrer,
und Veneter, Entwürfe gegen die gesammte italische Halb­
insel kund thaten, die damals nicht verlacht werden konnten ;
indem es ihm leicht gelingen mochte die Gallier, mit
denen er sich früh befreundete, um den Preis der wegzu­
führenden Beute zu ziehen wohin er wollte.

F e r n e r e in n e r e G e s c h ic h t e b is z u m g a llis c h e n
K rie g .
Nicht richtiger a) dürfte die Ursache angegeben seyn
weshalb die Consulartribunen des Jahrs 353 drittehalb
Monate vor der gesezlichen Zeit abgedankt hatten, so dass
ihre Nachfolger, wie es von da an bis zu der eben be­
richteten Veränderung gehalten ward, mit dem ersten Ok­
tober an traten. Nach der durch die Schuld zweyer aus
dem Collegium verursachten Niederlage vor V eji, wäre es
billig gewesen diesen das Imperium zu entziehen, doch

1 09 0) D i o d o r X V . 1 4. v g l. W e s s e lin g s A n m . 9l ) L ivius
V. 81. a) S c h w e g le r I I I . 1 5 3 .
[band II.] — 431 —

eben so verkehrt als ungerecht das ganze Collegium zu


entlassen während ein solches Uebel herzustellen war.
Allein die Veränderung gab den Patriciern ein Mittel
die Wahlen plebejischer Militartribunen zu erschweren,
welches Zweck, nicht zufälliger Gewinn, gewesen seyn
557 dürfte. Die Wahlen für das Volkstribunat wie für das
consularische wurden am Ausgang des Amtsjahrs gehalten5
jenes endigte drey Tage vor diesem, und ein rühmlich ge­
führtes, eben endigendes, war die mächtigste Empfehlung
gegen die Mittel wel che den Patriciern zu Gebot standen.
Da nun aber der W echsel des Consulartribunats auf den
ersten Oktober verlegt ward, so blieben nur solche Tribuni-
cier wählbar die schon seit mehr als zehntehalb Monaten
aus dem Amt waren; eine Zeit welche sie dem Volk be­
reits entfremdet hatte, um so mehr da sie während der­
selben zu ihm nicht reden konnten.
Gegen die damaligen Volkstribunen bedurfte es solcher
Maasregeln nicht : die hätten niemals dem Willen der Fac­
tion, deren Sinnesart im Senat wieder herrschend gewor­
den war, zuwider gehandelt, vielmehr boten sie selbst ihre
Hülfe an um die widerstrebenden Consulartribunen zu
zwingen dass sie ab dankten1092). Wie ganz sie , unter dem
Einfluss der Gegner standen, zeigte sich bey den Wahlen
für das folgende Jahr93). Es konnte nicht fehlen dass
die öffentliche Stimmung jezt eben die entschiedensten
Männer forderte: solche müssen von dem Vorsizenden aus-
558 geschlossen seyn, während es nicht gelingen wollte hin­
reichende Stimmen für die Candidaten der Faction zu er­
halten: so wurde, dem trebonischen Gesez grade zuwider,
die Wahl geschlossen nachdem nur acht Tribunen ernannt
waren. Man träumte sich nun schon der Gegenrevolution

1092) Das Vortretei) der Volkstribunen gegen die militärischen,


bey Livius V. 9. — (der seine Erzählung IV. 26. vergessen hatte)
— ist gewiss historisch: allein was bey der Wahl vorfiel zeigt>
wie weit entfernt sie waren sich etwas wider den Senat anmaseen
zu wollen. Es mag auch historisch seyn dass C. Servilius drohte
einen Dictator zu proclamiren. 93) Wenn schon damals die
Minderheit im tribunicischen Collegium ein Veto geltend machen
konnte (S. 494.) « so muse es, um die Wahl so verrätherisch zu
leiten, ganz einstimmig gewesen seyn.
— 432 — [band п .].

ganz nahe, und verhiess sich die heyden ledigen Stellen


mit Patriciern zu füllen: aber der Wahn sollte getäuscht
werden. Allerdings ernannten die acht Gewählten sich
zwey Collegen, aber aus ihrem eigenen Stande; ja es ist
ungleich wahrscheinlicher dass die Arglist ganz betrogen
wurde als dass diese unter den Dienern der Oligarchie
gewählt waren1094). Gehandelt wenigstens hat das tribuni­
cische Collegium des Jahrs 354 als ob es aus einstimmi­
gen У olksfreunden bestanden hätte: ihre Kraft und ihr Er­
folg entsprachen der Heftigkeit womit der Unwille über
Treulosigkeit und Schlich e auch den Gemässigten ergreift.
Bitter mag die Faction ihre Unbesonnenheit bereut haben.
Die beyden Schuldigen des verflossenen Jahrs wurden von
dem Yolksgericht in eine Brüchte verurtheilt: und ein
Ackergesez machte den Bänken ein Ende, welche die Lei­
stung des Zehenten noch immer vereitelt hatten95). Die
Geschlechter mussten sich bequemen es zu bestätigen, denn
die Völker im Lager forderten den Sold drohend, und die
Tribunen gestatteten nicht dass er von den Daheimgeblie­
benen, von dem Hausstand derer die unter den Waffen
standen, erpresst werde. Nach einem solchen Vortheil
war das Volk bereit auch die Ehren seiner Häupter zu
fordern, und als eine Entschädigung für so vieljährige
Verdrehung des Rechts ward zugestanden dass in der
nächsten Wahl der Consulartribunen, mit Ausnahme der
städtischen Obrigkeit, nur Plebejer ernannt werden soll­
ten96). Solche Frucht trugen den Oligarchen ihre Bänke.

1094) Die ledigen Stellen mussten gefüllt werden: der Fehl­


schluss lag nahe, — weil anfangs die Ernennung von Patriciern
beabsichtigt war, so müssten die Ernannten der Parthey angehört
haben (haud dubie patriciorum opibus : Livius V. 10. fin-). Allein
Cn. Trebonius, und die drey welche die Schuldigen des verflosse­
nen Jahrs anklagten, waren doch gewiss nicht unter diesem Ein­
fluss; und ihre Stimmen waren denen der übrigen Erwählten
gleich. 95) Oben S. 483. Anm. 948. 9^) Livius sagt,
alle ausser P. Calvus wären Patricier gewesen: dagegen aber
sind die Namen welche V. 12. gelesen werden, ausser Sp. Fu­
rius, alle plebejisch: wie längst bemerkt ist — s. Perizonius 8.
p. 353. ff. Indessen steht P. Mänius nur durch Sigonius im
T ext, anstatt P. Manlius (Vulso) wie es in den früheren Aus­
gaben hiess und in Handschriften (keine bat Mänius, wohl aber
[ band II.] — 433 —

Nicht alle Patricier verdienen diesen Namen: in die­


sem nämlichen Jahr liess der Consulartribun Cn. Cornelius
den Reisigen welche mit eigenen Pferden dienten, wie
dies seit zwey Feldzügen begonnen hatte, ein drittes Sti­
pendium von hundert Assen im Monat zahlen, um sie
denen gleichzustellen, welche ein Ritterpferd von der Re­
publik erhielten : es bedarf keines Beweises dass die deren
billigen Forderungen damit genügt ward, wo nicht aus-
560 schliesslich so doch vornämlich, Plebejer waren. — Cn.
Cornelius, und sein Halbbruder P. Licinius Calvus, Ahn­
herr des Dichters, scheinen Vermittler des Friedens gewe­
sen zu seyn : Calvus war im Collegium von 355 das Haupt
unter den vier Männern seines Standes1097). Die Regierung
dieser Militartribunen war unsträflich, ja rühmlich; die
ihrer Nachfolger, unter denen sogar nur ein einziger Pa­
tricier, der Prätor, war98), nicht minder: aber der schreck­
lich harte Winter, dem ein seuchenvoller Sommer folgte,
diente den Priestern, zu verkündigen, dass die Götter ihren
Zorn über die Entweihung ihrer Auspicien durch Unwür­
dige, augenscheinlich kund thäten. Dem Einfluss dieser
Reden, neben den angelegentlichen Bestrebungen des gan­
zen Standes, misst Livius den Ausgang der Comitien für
357 bey, in denen, und 358, die Plebejer wie sonst aus­

Manlius und Mamilius): dann in den jüngst entdeckten Frag­


menten der kapitolinischen Fasten, und bey Diodor XIV. 47.
Dass der Vorsizende durch ein förmliches Abkommen genöthigt
war Stimmen für Plebejer anzunehmen, lässt das Beyspiel von
368 erkennen : V. 17. donee convenisset ut maior pars tribuno-
rum militum ex plebe crearetur. Für die wählenden war die
Uebereinkunft nicht nöthig.
1097) Da Dukers Autorität in den [Anmerkungen zu Livius
mit Recht sehr gross ist, so kann ich nicht unberührt lassen
dass seine Meynung, Calvus heisse auch in den kapitolinischen
Fasten jprimus e plebe, nur durch eine interpolate Ausgabe ver­
anlasst seyn kann. 98) P. Veturius: a) — nach Livius V. 13.
und Diodor XIV. 54. Dagegen haben die (neuen) kapitolinischen
Fragmente statt L. Atilius und Cn. Genucius, Patricier: — Mi­
nucius Augurinus und Servilius Priscus: also gleiche Theilung.
Hier scheint ein Beyspiel von verweigerter Bestätigung, worauf
die in den Fasten genannten ergänzend gewählt wären,
a) Schwegler III. 151. A. 2.
Niebuhr, Röm. Gesch. 28
— 434 — [bjlnd ц .]

geschlossen waren. Aber für 359, wo wieder, bis auf eine


einzige, alle Stellen von ihnen eingenommen wurden, war
ihnen vor dem Wahltag diese Mehrzahl zugesichert1099):
und so scheint für jene vier Jahre ein Vergleich zu er- sei
kennen, dass zweymal nacheinander nur die städtische Obrig­
keit, dann wieder während zwey Jahren das ganze Colle­
gium patricisch seyn solle. Sobald Veji erobert war hielten
sich die Herrscher dadurch nicht mehr gebunden, und so
ist bis zur gallischen Zeit keine Rede von ;’plebejischen
Militartribunen: ja in zwey Jahren mussten Consuln er­
nannt werden.
E s erhob sich nun der Zwist über den Besiz der ge­
wonnenen Domaine um so heftiger, je reicher die Erobe­
rung war. Die Volkstribunen forderten aber nicht bloss
AckeranWeisung für ihren Stand, sondern in der eroberten
Stadt, deren Gebäude weit schöner waren als die römischen,
auch Verloosung der Wohnhäuser: doch dies nicht allein
für die Plebejer. Livius sagt, sie hätten Veji dem Senat
wie der Plebes zur Wohnung bestimmt: aber die alte Zeit
sezte der Gemeinde nicht, wie die seinige, den Senat son­
dern die Geschlechter entgegen: und der Antrag muss
darauf gegangen seyn dass diesesmal die Eigenthumsan­
weisung von Land und Häusern sich auf die ganze Nation
erstrecken solle.
Wenn Veji als eine von Römern bewohnte Stadt fort-
bestand, wäre sie auch als Präfectur eingerichtet worden,
ohne einen Rath und erwählte Obrigkeiten, so war doch
die Einheit der Republik gefährdet: und sie ward zerrissen
wenn die plebejische Obrigkeit bey einer neuen Secession
dort ihren Siz nahm. So weit war also der Widerstand
des Senats, und die Intercession zweyer Tribunen welche
die Verhandlung während 360 und 361 hinhielten, richtig,
ja löblich ; nur hätte die Ackeranweisung welche den Hader 562
endigte sogleich gewährt werden müssen. Aber erst als
im Jahr 362 die Wiedererwählung der beyden widerspre­
chenden Tribunen mislungen war, da sie sogar, als untreu

1099) Livius V. 17. in Anm. 1096. — Auch hier steht


P . Mänius falsch; diesmal statt Q. Manlius: Anm. 866 .
[band IX.] — 435 —

gegen die Gemeinde, jeder in eine Busse von zehntausend


Pfund altes Geld1100) verurtheilt waren: — erst da Hessen
sich die Herrscher zwingen ihre Habsucht zu beschränken.
Nichts hinderte nun die Annahme der unglücklichen Ro­
gation: und ihre Verwerfung durch die Curien, obwohl
nach dem Buchstaben der Verfassung hinreichend sie auf­
zuheben, war wenigstens so unanwendbar wie es das könig­
liche Veto gegen eine von den beyden übrigen Zweigen
der Gesezgebung mit grosser Mehrheit und im entschiede­
nen Kampf wider die Krone beschlossene Bill seyn würde.
Jezt thaten sich die heilsamen Folgen der Vereinigung
beyder Stände in den Nationaltribus kund: die Senatoren
wandten sich mit Vorstellungen und Bitten an ihre plebe­
jischen Tribulen ; sie fanden Glauben für die Zusage dass
eine billige Feldanweisung gewährt werden solle; und die
Rogation ward von elf gegen zehn Tribus verworfen. Am
folgenden Tag gewährte ein Senatusconsult, mit dem Schein
freywilliger Gunst, die Assignation plebejischer Hufen von
sieben Jugern, nicht allein an jeden Hausvater, sondern
für jeden Freyen in der Familie1): welches doch schwer-
563 lieh von allen Angehörigen der Bürger ohne Unterschied
des Geschlechts verstanden werden kann, wie es die ge-
than haben müssen welche schrieben, es wären jedem Bür­
ger acht und zwanzig Jugern angewiesen2).
Eine andre Anweisung war dieser zuvorgegangen: die
Geschlechter hatten die Plebes durch äquische Ländereyen
für die vejentischen abzufinden gehofft: Ю750 Jugern
wurden im Jahr 360, an 3000 Veteranen assignirt3): aber
der Zweck ward so wenig erreicht als den Colonen ihre

1100) Vor dem Decemvirat wird im Livius bey den Brüchten


nur aes schlechthin erwähnt : (z. В. П. 52.) — jezt so viele
millia aeris gravis: so V. 12. 29. 32. — woraus sich wohl fol­
gern läset dass seit den XII Tafeln die Strafgelder in altem
Geld, unabhängig von der Verminderung des Gewichts, bestimmt
waren. ut omnium in domo liberorum capitum ratio ha-
beretur: Livius V. 30. 2) Diodor XIV. 102: man rechnete
gewöhnlich vier Köpfe auf die Familie: oben Anm. 147.
3) 3-й* Jugern, Livius V. 24. — also 14 Hufen auf die plebeji­
sche Centurie, anstatt 7 bey einer normalen Assignation. 3000
war eine Legion Veteranen : oben Anm. 958.
2 8*
— 436 — [band п.]

Ansiedelung gedieh. Circeji mag den Bundsgenossen ganz


überlassen seyn.
In den Verhandlungen über die vejentische Landschaft
hatte sich Camillus mit dem allgemeinen Hass beladen:
die spät angekündigte Pflicht den Zehenten von der Beute
zu weihen galt für eine Erfindung der Abgunst und Scha­
denfreude; so rief ihn die Anklage des Volkstribuns L.
Apuleius 364 vor höchst ungünstige Richter. Sie beschul­
digte ihn Schäze aus der vejentischen Beute untergeschla­
gen zu haben1104): und für verläumderisch wird sie weder
bey Livius noch bey Plutarch erklärt, wenn gleich des
Gebets so gedacht ist dass seine Erfüllung den Leser ver­
anlassen soll zu denken was man Scheu fühlt ihm vorzu­
reden. Diejenigen können ihn unmöglich für schuldlos
gehalten haben welche erzählten, man habe in seinem
Hause eherne Thüren aus Veji gefunden5): und es is t 564
wohlbewährt, wie nur irgend eine Ueberlieferung dieser Zeit,
dass die in den Tribus eingeschriebenen Clienten auf die
Eorderung seine Lossprechung zu bewürken, erklärt haben:
lossprechen könnten sie ihn nicht, aber sie wollten die
Brüchte, wozu er verurtheilt würde, ’ zusammenschiessen6).
Das ist die unumwundene Antwort ehrlicher Leute, welche
die offenbare Schuld dessen dem sie verpflichtet sind nicht
abläugnen können, aber sich dadurch von der Verbindlich­
keit gegen ihn nicht befreyt glauben. Sie am wenigsten
konnten ihn freysprechen, weil sie damit sich selbst von

1104) Livius sagt nur propter praedam Veientanam. V. 32.


ïyxbjfxa xXonijg, Plutarch Camill. p. 134. f. хатторуйг) Sg firj-
âèv тд dyiiôatov èx тшѵ Tupfirjvix&v dнрекуаад хрт}{іат(оѵ,
aàrbg ô’ èx roÔTùjv <rç>erepicrdßevog: Zonaras p. 32. g. — Nicht
so schmählich Victor de vir. ill. 23. quod equis albis triumphas-
set et praedam inique divisisset ; vollends nur der Hoffahrt wegen
nach einigen bey Diodor XIV. 117. 5) Plutarch а . а. О .—
Nicht um das Haus damit zu zieren, sondern Erz war in jeder
Form so gut wie Geld. 6) se collaturos quanti damnatus
esset, abeolvere eum non posse : Livius a. a. 0 . Bey Plutarch ist
das bedeutende verwisoht: ярдд ttjv xpfoiv адтф firjdkv ol's<r&at
ßo7)'&7}<Teiv : p. 135. a. In den Dionysischen Excerpten ist die
Berathung mit Vettern und Hörigen vor dem Gerichtstag ganz
übergangen; sie erlegen das Geld nach der Verurtheilung, aber
die Schmach treibt Camillus fort: p. 19. 2Ѳ.
[ band II.] — 437 —

einer Last losgemacht hätten: alle übrige hätten es thun


können, da Urtheil und Begnadigung im Ausspruch des
Yolksgerichts ununterscheidbar gemischt waren: und ihrer
selbst wegen hätte die Nation dem grossen Mann verzeihen
sollen1107).
565 War es schadenfrohe Eifersucht der Standesgenossen,
die sich dem welchen die ganze Welt als den ersten unter
ihnen nennt im Staat gleich dünken, welche sie abhielt
eine glimpfliche Verwendung für ihn zu versuchen, da man
vormals alles angewandt hatte um den Mörder Cäso der
Strafe zu entziehen? Oder ist Camillus Vergehen so ganz
unläugbar gewesen, und hielt das Schmähliche der Handlung
die zurück welche für ein gewaltsames Verbrechen ohne
Scheu aufgetreten seyn möchten ? Sollte er durch ein Prä­
judicium, ausgesprochen von einem senatorischen Arbiter,
schuldig gefunden, und vor den Tribus nur von der Schä-
zung des Ersazes die Rede gewesen seyn^ Haben nicht
die Patricier sogar selbst das Urtheil der plebejischen Tri­
bus bestätigt? Der Curienbeschluss welcher ihn in seine
Bürgerrechte herstellte, scheint einen vorhergegangnen
wider ihn vorauszusezen : sey es nun dass damit der Aech-
tungsspruch der Centurien, nachdem er sich durch Aus­
wanderung dem Recht entzogen hatte, bestätigt war, oder
566 vielmehr dass dazumal auch Staatsgerichte durch plebe­
jische Tribus und Curien entschieden wurden, in gleicher
Weise wie sie Geseze beschlossen und Wahlen hielten.
Ich werde seiner Zeit bemerklich machen dass der Process
des Manlius erklärlich wird wenn man diesen Rechtsgang
annimmt: und es hält schwer zu glauben dass Aechtung

1107) X)ie Strafsumme war nach Livius 15000 Asse: Plutarch


Camill. p. 135. b. hat diese Summe vielleicht nur aus ihm ge­
nommen, so wie Zonaras p. 33. b. wieder Plutarch ausgeschrieben.
Dieser hatte Dionyaius hier nicht vor AugeD, der, wie die Ex-
cerpte zeigen, die irgend woher dargebotene Summe von 100000
Assen ergriff: auch weiss dass diese Camillus Vermögen um viele
Male überstieg. Appian (Italic. 8, 2. p. 39.) hat gar 500000:
nämlich er verwechselt die Camillus in den licinischen Händeln
angedrohte Multa mit der verurtheilten Strafe. Es lässt sich
denken dass der Unterschied der beyden erstgenannten Summen
sich daraus ergebe dass die eine der geschäzte Betrag des ver­
untreuten Werths, die zweyte die deshalb zugeschäzte Busse wäre.
— 438 — [band II.]

•e rfo lg t s e y w o fe rn e in e r in s E x iliu m g in g d e r n u r in e in e
G e ld b u s s e , oder zu E rsaz v e ru rth e ilt w a r, in d e m d ie L e i ­
s tu n g d u rch E ig e n th u m oder B ü rg e n v e rs ic h e rt w a r. O der
h a tte das U rth e il, w ie es auch g e fä llt w a rd , d ie F o lg e n
e in e s i u d id u m ы г р е 1Ш ) , w e i l e s i n d e r T h a t e in e h rlo se r
H an d el w ar; und w ar d ad u rc h das B ü r g e r r e c h t d e s F e h l­
b a re n so v e rn ic h te t d a ss nur d ie h ö c h s te G e w a lt d e s P o ­
p u lu s es h e rs te ile n k o n n te ? Im U m k re is d ie s e r .F ä lle lie g t
ganz g e w is s d ie L ösung der F rag e: s ie m it Z u v e rsic h t zu
e n ts c h e id e n i s t n ic h t m ö g lic h .
U n z w e ife lh a ft is t M . M a n liu s sch o n d a m a ls C a m illu s
g e sc h w o rn e r F e in d gew esen, und w a h rs c h e in lic h an der
S p iz e s e in e r 'W i d e r s a c h e r im S e n a t. Es kann n ic h t z u ­
f ä llig seyn dass eben v o rh er, a ls d ie C o n s u ln , von denen
M a n liu s der e in e w a r, gezw ungen ih r A m t n ie d e r le g te n ,
C a m illu s zum In te rre x e rw ä h lt w a rd .
W ie sehr D ic h tu n g C a m illu s T h a te n v e rg rö sse rt h a t,
der G la u b e d e r N a c h w e lt d ass er der e rs te u n t e r s e in e n
Z e itg e n o s s e n , und e in M a n n 'w a r w ie s e lb s t Eom ih re r
w e n ig e gesehen h a t, b e ru h t u n m ö g lic h auf T äu sch u n g .
E in e m s o lc h e n h ä tte d ie N a tio n auch b e trü b te V e rs ü n d i­
g u n g e n h in g e h n la s s e n s o lle n : o b w o h l s c h w e r lic h e in S te r b ­
lic h e r d ie N ie d e rla g e an d e r A lia a b g e w a n d t h a b e n w ü r d e . 567
N un hat s ie ih m sogar d a s ru c h lo se G e b e t v e rz ie h e n , w o­
m it e r, aus der S ta d t s c h e id e n d , s e in e S c h u ld v o lle n d e te :
dass d ie R e p u b lik ih n b a ld und schw er v e rm is s e n m ö g e .
So hat D e m o s th e n e s n ic h t g e b e te t, da er s c h u ld lo s und
fü r s e in e T re u e a u s g e s to s s e n w a rd : auch m in d e r re in e
S e e le n u n te r den G rie c h e n , denen m anche Tugend der
s c h ö n s te n rö m isc h e n Z e ite n fe h lte , haben s ic h n ic h t so
v e rirrt.

Physische Geschichte von 305 bis 365.


D ie G ä h r u n g d e r E l e m e n te , w e lc h e g e g e n d a s E n d e
d e s d r it te n J a h r h u n d e r ts d e r S ta d t h e rrs c h te , h ie lt w ä h re n d
d e r e r s te n H ä lf te d e s f o lg e n d e n a n , u n d v e r m e h rte d a s E le n d

u w ) Oben S. 449.
[ band п .] — 439 —

d e s p e lo p o n n e s is c h e n K rie g s , w e lc h e r in n e rh a lb des oben


b e z e i c h n e t e n Z e i t r a u m s 1109) G - r i e c h e n l a n d z u G r u n d e r i c h t e t e .
D a m a ls e r le b te n w ir, s a g t T h u k y d id e s , w a s s o n s t n u r d u rc h
E r z ä h lu n g e n b e k a n n t w a r , E r d b e b e n , w e it v e r b r e i te t u n d
von e n ts e z lic h e r G e w a lt, s c h re c k lic h e D ü rre, und daher
H u n g e r; und d ie P e s t. A uch der A e tn a w a rf in je n e r
Z e it e in e n L a v a s tro m aus.
V on d ie s e n Z uckungen der E rd e b e ric h te t d ie g rie ­
c h isc h e G e s c h ic h te u n g le ic h m e h r: doch erw äh n en auch
d ie r ö m is c h e n A n n a le n L a n d p la g e n d ie u n v e r k e n n b a r ih n e n
a n g e h ö re n . Im Jahr 319 h e rrs c h te n E rd b e b e n , h ä u fig
w ie d e rk e h re n d , in d e r rö m isc h e n L a n d s c h a ft, und w arfen
v ie le G ebäude n i e d e r 10) : h ie r is t Z u sa m m e n h a n g m it d em
568 A u s b r u c h d e s A e tn a , u n d d e n e n ts e z lic h e n E r s c h ü tte r u n g e n
w e lc h e 0 1 . 88, 3 . d ie K ü ste n des e ig e n tlic h e n G rie c h e n ­
la n d s h e im s u c h te n , u n v e rk e n n b a r; w enn auch d ie s e s O ly m ­
p ia d e n ja h r nach s y n c h r o n is tis c h e r V e rg le ic h u n g frü h e s te n s
d e m fo lg e n d e n , 3 2 0 , e n t s p r a c h u ). Im Jahr 3 2 7 v e rs ie g te n
Q u e lle n und B äche, V ie h und G ew ächse v e rsc h m a c h ­
t e t e n 12) * ) , : e i n e e b e n so s c h r e c k l ic h e D ü r r e h e r r s c h t e s e c h s
und d re y s s ig Jah re n a c h h e r, und v e rb re ite te g le ic h e s
E l e n d 13) . B eyde M a le fo lg te e in e v erh ee ren d e E p id e m ie .
Im Süden is t w o h l o h n e A u sn a h m e D ü rre d ie U rsa c h e v o n
H u n g e rs n o th u ) : es lä s s t s ic h a lso s c h lie s s e n d a s s d ie s e
W itte ru n g g e h e rrs c h t h a tte , a ls 322 S euche u n d T h e u ru n g
p l a g t e n 15) , und 343, da im f o lg e n d e n Jahr nach e in e m
s ie c h e n S o m m e r M a n g e l e i n t r a t 16) . Z w is c h e n d ie s e s J a h r ,

1X09) 01. 37. i, fällt, so nahe es sieh bestimmen lässt, auf 315.
10) crebis mot/ibus terrae ru ere in agris nuntiabantur tecta :
Livius IV. 21. — ein sichtbar genauer Ausdruck, da die Stadt
selbst sehr selten von Erdbeben leidet, obwohl die Inschrift im
Colosseum zeigt dass dieses im 5. Jahrhundert schwer dadurch
beschädigt worden. H) Nach der Synchronistik der Ein­
nahme der Stadt entspricht 321 : aber ein halbes Jahrhundert
zurück mag diese nicht pünktlich eintreffen. 12) Ders. IV. 30.
Dionysius exc. M . 3. p. 4. *) 1508 war in Italien ein ent-
sezliches Erdbeben, darauf Dürre und Hungersnoth. R an d b e­
merk. d. H.-Ex. 13) Dion. exc. 18. p. 18. 14) Diese
nennt Thukydides unter den Leiden der Zeit schlechthin als Ur­
sache des Hungers. lö) Livius IV. 2ö. 16) Ders. IV. 52^
— 440 — [band IX.]

und 363 fä llt d e r fü rc h te rlic h e W in te r von 355, dem v ie l­


le ic h t nur der von 476 g le ic h g e k o m m e n is t. D ie T ib e r
trie b v o ll E i s : d er S ch n ee la g s ie b e n F u ss t i e f 1117) , von
v ie le n G ebäuden w ard das D ach e in g e d rü c k t, oder d ie
W ä n d e w ic h e n b e y d e m A u fth a u e n : F ru c h tb ä u m e u n d B e ­
b e n e r f r o r e n b is in d ie W u r z e l: e in e u n z ä h lig e M enge
V ie h kam um aus M angel an N a h ru n g , w e lc h e es i m 569
W in te r auf den W e id e n an der K ü ste s u c h t 18) . D ie s e
C a la m itä t, w e lc h e e in g ro s s e r S ta a t, dem nur e in z e ln e G e ­
genden so v e rw u n d e t w e rd e n , in s e in e m G anzen b a ld v e r­
s c h m e rz t, m u s s te d e n rö m isc h e n , w o N ie m a n d d e m U n g lü c k
e n tg in g , n ic h t a n d e rs a ls w ie e in f e in d lic h e r U e b e rz u g
tre ffe n .
A uch d ie s e A b w e ic h u n g der N a tu r vom W esen des
K lim a s , w ar ohne Z w e ife l, w ie je n e r an d re s c h re c k lic h e
W in te r, dessen A ndenken d ie rö m is c h e n A n n a le n e rh a lte n
haben, F o lg e der in n e r n K egungen d ie s ic h in E rd b e b e n
und v u lk a n is c h e n A u sb rü c h e n ä u ssern . D enn das A n­
s c h w e lle n des A lb a n e rs e e s , w e lc h e s u n m itte lb a r nachher
e in g e tre te n seyn m uss, w as o ffe n b a r e in e F o lg e d e r V e r­
s to p fu n g u n te rird is c h e r A b flü s s e , w ie bey den b ö o tis c h e n
u n d a r k a d is c h e n S e e n : h ie r h a tte n , b ey P h e n e u s, E rd b e b en
d ie S c h lü n d e v e rs c h ü tte t in denen frü h e r das G ew ässer
d e s B e rg k e ss e ls a b l i e f 19) .
D ass m an s ic h e n ts c h ie d e in e n S to lle n d u rch d ie L a ­
vaw and zu b rech e n , a n s ta tt d em S tro m der s ic h ü b e r d ie
n ie d rig s te W and e r g o s s 20) s e in e n L auf in e in e m g e re g e l­
te n B e tt a n z u w e ise n , h a tte e in e z w ie fa c h e U rsa c h e . M an
v e rm ie d d a m it w ild e U e b e rs trö m u n g e n b e y u n g e w ö h n lic h e n
Z u flü ss e n , und d ie O b e r flä c h e z w is c h e n d e r L in ie wo der
S e e ü b e rflo s s , u n d d e r d e s E m is s a riu s , w o d a s U fe r se c h s
M illie n im U m fa n g h a t, w a r e in G e g e n s ta n d v o n g ro s se m
W e rth ; s e lb s t w en n der B oden auch d a m a ls g rö s s te n th e ils
nur a u f H o lz b e n u z t w ä re . M a n s u c h t e n i c h t , n e u e s L a n d 570

1Ш) Es heisst sogar, wo er am niedrigsten lag. 18) Ders.


V. 13. Dionysius exc. 6. p. 7. 19) Strabo VIII. p. 389. b.
20) Alle Neuern, welche, indem sie den Emissarius be­
schreiben, von dem Phänomen handeln wodurch seine Anlage
nöthig ward, berücksichtigten nur Livius, und nebmen daher an,
es sey noch nicht so weit gekommen gewesen.
£band п.] — 441 —

zu e r h a lte n , s o n d e rn f ü r E ig e n th ü m e r u n d B e s iz e r v e rlo r­
nes w ie d e rz u g e w in n e n : n i c h t e in m a l a lle s w a s im In n e rn
d es K ra te rs d u rch d ie E rh ö h u n g d es W a s s e rs p ie g e ls v e r­
lo re n w a r, m ag tr o c k e n g e l e g t s e y n 1121) . In s e in e r A u s ­
dehnung is t d e r E m is s a riu s w e it g e rin g e r a ls d ie A b le i­
tu n g e n des S ees von K o p ä: aber d ie B e s c h a ffe n h e it d e s
O e s te in s m a c h te d ie A u s f ü h r u n g u n g e h e u e r s c h w ie rig . Es
is t e is e n h a rte L ava, w o d u rc h e in m a n n sh o h e r, v ie r te h a lb
E uss b re ite r G ang, s e c h s ta u s e n d E uss la n g , g eb ro ch e n
w a r d 22) . A u f d e r L in ie s e in e r L ä n g e w u rd e n e tw a fü n fz ig
S c h ä c h te b is a u f d ie S o h le d e s b e a b s ic h tig te n S to lle n ge­
trie b e n ; so w a r d ih re E lä c h e und R ic h tu n g z w is c h e n den
heyden E n d p u n k te n g e n a u b e s tim m t u n d fe s tg e h a lte n , u n d
w e n ig s te n s in dem der C am pagna z u g e w a n d te n T h e il d ie
A u s fü h ru n g s e h r b e s c h le u n ig t, in d e m , s o b a ld je n e B r u n n e n
a u f d ie S o h le g e l a n g t w a r e n , a u s je d e m d e r s e lb e n A r b e it e r
nach beyden S e ite n e in a n d e r e n tg e g e n das G e s te in hauen
k o n n te n . O hne ih re T ie fe in d e r R ic h tu n g gegen den See
h in zu kennen, lä s s t s ic h n ic h t sag en w ie w e it d ie s e r
Y o rth e il d o c h noch b lie b : im m e r g e w ä h rte n s ie den das
g e b ro c h n e G e s te in le ic h t h in a u fz u s c h a ffe n , und nach der
571 V o l l e n d u n g d e s W e r k s b l e i b e n d das M itte l d e n C anal zu
r e in ig e n , und d ie E e ld e r a u f dem A bhang d u rc h S ch ö p f-
räd er zu b e w ä sse rn . D ie B e t r a c h tu n g d e r A n la g e h a t m it
S ic h e rh e it e r ra th e n la s s e n , dass, a ls der G ang nu r noch
d u rch e in e m ä s s ig e E e ls w a n d vom See g e s c h ie d e n w ar,
d ie s e d u rc h b o h rt, und das G ew ässer b is auf den ih m am
A n fa n g des R in n s a ls g e s e z te n S p ie g e l a b g e z a p ft w ard :
w o ra u f d ie gegen den S ee g e w a n d te S e ite m it Q u ad ern
a u fg e m a u e rt, und davor e in e g ro s s a rtig e H a lle e rb a u t
is t. D a s W a s s e r d ie n t d ie d ü rre n G e fild e d e r C am pagna
zu trä n k e n , u n d d e n T J e b e rflu ss f ü h r e n B ä c h e in d ie T i b e r .
A u f je n e n s c h r e c k lic h e n W i n te r fo lg te e in höchst un­
g e s u n d e r S o m m e r, u n d es w ard R a th gegen d ie v ie lf a c h e n
P la g e n in den s ib y llin is c h e n B ü ch e rn g e s u c h t. A uf ih r

1121) Ein Umstand welcher folgern läset dass der Wasser­


spiegel sonst niedriger stand, ist erwähnt Th. I. S. 220.
22) Westphals römische Campagna S. 25. vgl. mit Nibby Cam-
pagn a H. S. 81. (Vgl. Vortr. ü. R. Gesch. Bd. I. S. 3C>0. Zus.
d. H.)
— 442 — [band ii 4]

G e b o t i s t d a m a ls , 3 5 6 , s e c h s g r ie c h is c h e n G o tth e ite n d a s
e rs te L e c tis te rn iu m g e w id m e t w o r d e n , w ä h re n d dessen
s ie b e n T age la n g d ie ganze S ta d t m it g e m e in e n O p fe rn
fe y e rte , je d e r B ü rg e r nach s e in e m V erm ö g en m it G a s t-
fre y h e it und O p fe rm a le n . Es w ar e in e b e k lo m m e n e Z e it,
d ie zu W o h lw o lle n und F re u n d lic h k e it s tim m te . U nbe­
k a n n te F re m d e w u rd en a ls G ä s te in d ie H ä u s e r g e la d e n ;
k e in e T h ü r s ta n d v e rs c h lo s s e n ; d e n S c h u ld ig e m w aren d ie
B anden abgenom m en; K n e c h te d ie so n st F e s s e ln tru g e n
g in g e n fre y u m h e r: und w ie in Z e ite n a llg e m e in e r be­
ra u s c h te r G e m ü th s e rh e b u n g d ie V ersu c h u n g zu g e m e in e n
V e rb re c h e n au fg e h o b e n is t, so h a t s ic h , w ie d ie A n n a le n
e rz ä h lte n , in a lle n d ie s e n T a g e n fro m m e s V e r tr a u e n s w e d e r
D ie b s ta h l noch U n fu g e re ig n e t. S ie b li e b e n den U n g lü c k ­
lic h e n auch nachher w o h lth ä tig : es s c h ie n s ü n d lic h denen
d ie K e tte n w ie d e r a n z u le g e n w e lc h e d ie G ö tte r d a v o n b e - 572
f r e y t h a t t e n 1123) .
W e lc h e r A rt d ie d a m a lig e E p id e m ie w ar is t n ic h t
a n g e d e u te t: von denen der Jah re 327 und 363 le h r t e in e
a lle m A n seh en nach v ö llig g la u b h a fte N a c h ric h t dass es
H a u tk ra n k h e ite n gew esen. D ie le z te w ird u m s tä n d lic h e r
b e s c h rie b e n : z u e rst w ä re n k le in e B la tte rn a u sg e b ro c h e n ,
w obey s ic h e in u n e rträ g lic h e s Jucken e in g e s te llt habe,
d a n n w ä re d e r A u ss c h la g zu e ite rn d e n S c h w ä re n g e w o rd e n ,
w e lc h e b is auf d ie K nochen g e fre sse n h ä t t e n 24) . G le ic h e r
A r t m u s s d ie , n i c h t so im E i n z e l n e n g e s c h i ld e r te , E p id e m ie
des frü h e re n J a h rs gew esen seyn, w e lc h e , g e w is s s e h r u n ­
p assend, K räze g e n a n n t w i r d 25) . A u ss c h la g z e ic h n e t a u c h
d ie Seuche aus w e lc h e 01. 96. 1 ., 3 5 1 , das H eer des H i-

1123) Livius V. 13* Dionysius, welcher den Piso Frugi an­


führt, exc. 7. p. 7. 8. 24:) Ders. 18. p. 19. — elg vocroug dec-
vag хатёжесоѵ , àp%opévag juèv àizd ßtxp&v iZav&vjßdTwv, â
izepl roù ç MÇw&sv x p & ra ç à v ia r a r o , хата<тхУ)жтои<тад â ’ eîg
ik xrj ß eyd X a <pay£âai\>aig oßota, жoyrjpàv ßkv 8фсѵ, âetvÿv â*
àkyrjâôva тсарі%оѵта. 9)» âè obâèv taßa rrjg Tceptcoâoutag rotg
x ä ß v o o o w otl fly xvrjcßot xa l oizapayßol cu veysïg, XujßtbߣVot
TOÏÇ X p w a t ߣ%pt yupLVâ><r£ù)Ç d<JT£(üV. $ ) І) XaX0UfJL£V7)
фшршдг^д , â£t»àg dôôvag Tzapiyooaa — xazà roùg dda^yjaßobg
x a l npog zàg £Àxw<r£tg ir t ßäXXov äyptatvoߣP7]. Ders. 3. p. 5.
— Nach Livius IV. 30. hatte die Räude zuerst unter dem Vieh
geherrscht.
[band II.] — 443 —

m ilk o v o r S y ra k u s g rö s s te n th e ils a u frie b : d e r B e ric h t ü b e r


den V e rla u f s c h e in t M a s e rn zu b e s c h r e i b e n 1126) , w ie m an
bey je n e n rö m isc h e n E p id e m ie n an d ie Pocken e rin n e rt
w ird : von beyden Seuchen is t es g le ic h rä th s e lh a ft w ie
s ie w ie d e r h ä tte n e rlö sc h e n können. Es m ag auch e in e
573 s o l c h e , k e i n e P e s t i m e n g e rn S in n , o d e r e in g e lb e s F ie b e r ,
gew esen sey n , w e lc h e e tw a ach t Ja h re v o r d e r im L ager
H im ilk o s , 01. 94. 1 ., 3 4 3 , nachdem s ie d ie H ä lfte des
k a rth a g in ie n s is c h e n H e e rs in S ic ilie n w e g g e ra fft h a tte ,
d a s p u n is c h e A frik a e rg riff u n d e n t v ö l k e r t e 27) .
V on den P e s te n der Ja h re 320, 322 und 323 is t es
h ö c h s t w a h r s c h e in lic h d a s s s ie m it d e r a ttis c h e n v e rb u n d e n
w a re n , d eren e rs te r A u sb ru c h , 0 1 . 8 7 . 3 ., so w e it s ic h e in e
S y n c h ro n is tik f e s ts te lle n lä s s t, in 3 1 7 , d e r z w e y te O L 88. 3 .
in 321 fä llt. A uch R om is t in d ie s e m Jah r w o h l n ic h t
frey von S euche g e w e s e n , u n d L iv iu s w ird d ie E r w ä h n u n g
ih re r F o rtd a u e r, w o h e r s ic h d ie A b w e s e n h e it v o n K rie g s -
U n te rn e h m u n g e n w ie im v o r h e r g e h e n d e n u n d f o lg e n d e n er­
k lä rt, nur ü b erse h e n haben. B e s o n d e rs v e rd e rb lic h s c h e in t
320 g ew esen zu sey n , da e in a llg e m e in e r B e tta g an g esezt
w a rd , w o b o y das V o lk e in von den D u u m v irn v o rg è s a g te s
574 G e b e t s p r a c h ; und 322, in w e lc h e m A p o llo e in T em pel
g e l o b t w a r d 28) . H a t in d ie se m J a h r D ü rre g e h e rr s c h t, so

1126) Der Verfolg war, Katarrh, Geschwulst im Halse, Fieber


mit Rücköchmerzon, und Schwere in den Beinen, Durchlauf, und
Abschlag über den ganzen Leib: Delirium war häufig: der Tod
erfolgte meiHtens am sechsten, doch auch schon am fünften Tage:
wer «ich dem Kranken näherte ward angesteckt. Diodor XIV. 71.
Den AuBSchlag nennt er <ркихт(шас; welches Wort, dem Deut­
schen an Umfang gleich, nicht bloss Blattern oder wässrichte
Blasen bedeutet: a. Foösius s. v. 27) Diodor XIII. 114.
XIV. 41. 45- (wo es heisst, tou kotfxov toù ç кАеіѵтоид тшѵ xaxà
Atß6y)v dtepiïapxévai), 4 7 . ô Àot/xdç TcafxnXyj'&etç t w v Каруудо-
vltov àneXTdyxsi. — In der Lücke zwischen K. 113. u. 114.
•welche der Verfertiger des Originals aller erhaltenen Handschrif­
ten durch Abschneiden der verstümmelten Reste versteckt hat,
stand die Erzählung von der im punischen Lager ausgebroch-
nen Pest. 28) Als Sender und Abwehrer der Pest nach grie­
chischer Religion: also waren die sibylliniachen Bücher befragt;
und dasselbe muas 320 geschehen seyn: denn jene Duumvirn
waren gewiss keine ändern als ihre Bewahrer.
— 444 — [ band и .]

k o n n te s ie d ie K ra n k h e it an fa c h e n , w ie das E rd b e b en ,
w enn das G ift in M itte lita lie n s e it 2 9 7 s e in e K ra ft v e r­
lo re n h a t te , d e n g lim m e n d e n B r a n d w ie d e r e n tz ü n d e t,
o d e r E m p f ä n g lic h k e it fü r A n s te c k u n g a u s fre m d e n G e g e n ­
den erre g t haben m o c h te : a b e r m ö rd e ris c h w ie d ie f r ü h e ­
ren P e s te n s in d d ie s e Seuchen n ic h t g ew esen .
D ie T r ü b s a l w e lc h e s ie b ra c h te n h in d e rte E o m s M ach t
n ic h t s ic h re iss e n d zu e n tw ic k e ln . S tä d te w e lc h e der er­
w achsenen E e p u b lik d re y s s ig J a h r e la n g w id e rs ta n d e n ,
b e u g t e n s ic h d a m a ls s c h o n v o r i h r : f r e y lic h g a lt es s p ä te r
U n te rjo c h u n g , je z t n u r L oskauf von P lü n d e ru n g , um G e ld
w o ra n d ie e tru s k is c h e n S tä d te a n s ta tt an B ü rg e rn re ic h
w a re n . D ie G rä n z e w e lc h e d a m a ls im N o rd e n g e b ild e t
w a r, e rw e ite rte s ic h w ä h re n d s ie b z ig Ja h re n n ic h t m e h r;
s ie s c h ie n sogar den N achkom m en u n ü b e rs c h re itb a r, und
es w a r v ö llig v e rg e sse n dass d ie L e g io n e n e in st je n s e its
des c im in is c h e n W a ld e s K rie g g e fü h rt h a tte n . So sch w er
f ie l R o m d u rc h d ie g a llis c h e E r o b e r u n g : w ie e s je n e U e b e r-
m acht der E in w a n d e ru n g des b is h e r d u rc h G e b iirg e d ie
u n ü b e rs te ig lic h s c h ie n e n von I ta lie n e n tfe rn t g e h a lte n e n
fre m d e n V o lk s , v e rd a n k t h a tte .

Von den Celten und ihrer Einwanderung in


Italien*a)
D ie w e lc h e das G e ric h t von Rom s Z e rstö ru n g d u rc h
d ie G -a llie r n a c h A th e n b ra c h te n , e r z ä h l t e n , w ie e s H e r a - 575
k lid e s b a ld nachher s c h rie b , e in g ro sse s H e e r, von den
H y p e r b o r e e r n , a lso aus" dem u n b e k a n n te n N o rd e n ü b e r das
m it E is b e d e c k te G e b ü rg e h er, h ab e d ie S t a d t e r o b e r t 1129).
Um 330 k a n n te H e r o d o t d ie C e lte n n u r e r s t im ä u s s e rs te n
W e ste n E u ro p a s, in so w e it e r P e r n e d a s s e r s ie a u s s e r h a lb
der S ä u le n d e s H e rk u le s d e n k t 30) . N ic h t s ie sezt er an

*) Vgl. Vortr. ü. Alte Geech. Bd. 3. S. 281—303., Vortr.


ü. Alte Länder- u. Völkerkunde 8. 603. ff. A. d. H. a) Momm­
sen ß. G. I. 328. 29) Plutarch Camill. p. 140. a.
30) H erod ot П . 33. IV. 49.
[band и .] — 445 —

den F u ss d e r G e b ifrg e au s d en en D rau u n d I n n f l i e s s e n 1131) .


so n d ern U m b re r; auch n e n n t e r s ie n i c h t u n t e r d e n V ö lk e r n
aus denen d as H e e r g e w o rb e n w a r w e lc h e s H a m ilk a r w id e r
G e lo n . u n d T h e r o n g e f ü h r t h a t t e : P ö n e r n , L i b y e r n , Ib e re rn ,
L ig u re rn , V o ls k e rn , S a rd e n , K o r s e n 32) : n a c h m a ls aber
b ild e te n d ie G a ll ie r im m e r e in e n g ro s se n T h e il d e r k a r th a -
g in ie n s is c h e n A rm ee n , w ie s ie schon D io n y s iu s dem
A e lte re n d ie n te n : a lso w aren s ie n o ch fern von den G e­
genden wo p u n is c h e W e r b e r s ie annehm en und e in s c h iffe n
k o n n te n .
W o e s m ö g lic h i s t A p p ia n m i t D io n y s iu s z u v e r g l e ic h e n ,
da hat e r, so w e it d ie s e r r e ic h t, a u f d e m s e lb e n g e b a u t ; a)
und d a e s ih m n ic h t g le ic h t d a s s e r s ic h d ie M ü h e g e g e b e n
haben s o llte daneben a n d e re B ücher zu R a th zu z ie h e n ,
so w ird s e in e a u s d rü c k lic h e A ngabe dass d ie g a llis c h e
E i n w a n d r u n g i n d i e s i e b e n u n d n e u n z i g s t e O l y m p i a d e f a l l e 33) ,
a ls a u s je n e m e n tle h n t, b e tra c h te t w erd en k ö n n e n . D ass
576 D i o n y s i u s zu d e n je n ig e n g e h ö rte w e lc h e d ie S age g e lte n
H essen , der g e k rä n k te C lu s in e r habe d ie G a llie r je n s e its
d e r A lp e n a u fg e s u c h t, und s ie m it d e n ih n e n noch unbe­
k a n n te n G en ü sse n des Südens nach Ita lie n g e lo c k t, z e ig e n
d ie jü n g s t b e k a n n tg e w o rd n e n E x c e r p t e 34) : aus ih m a lso
h a t P l u t a r c h d ie s e E r z ä h lu n g genom m en, u n d o h n e Z w e ife l
n ic h t m in d e r d e n Z u s a z w o m it e r f o r tf ä h r t , s ie h ä tte n a ls ­
b a ld d a s g e s a m m te v o n d e n T y r r h e n e r n z w is c h e n d e n A lp e n
und den M e e re n b e w o h n te L a n d e i n g e n o m m e n 35) . H ie m it
ü b e re in s tim m e n d h e is s t es in dem v o lls tä n d ig e rh a lte n e n
T h e il s e in e r G e s c h ic h te , dass d ie T y rrh en e r um d ie 6 4 .
O ly m p ia d e , a lso n e u n z e h n n a c h d e r G rü n d u n g v o n M a s s ilia ,
am o b e rn M e e r w o h n te n , und von d o rt e rs t n a c h la n g e r

Karpie und Alpis: ders. IV. 49.


1131) 32) Ders. VII. 165.
«) Mommsen Röm. Chronol. 122. 33) Appianus C elt
2. p. 77. VÀu/midôüJU rotç vEXh]ai\> è n rà xal èvvevyjxovra y e y e -
V7]ßEVü)Vy à v io ra ra i fidtpa Кектшѵ — Іхаѵт) — oï тб те ѵАЛпюѵ
Ьрод bnepeß jjaav xal KAoucrivotç — ènoXéfxouv. 34) Diony­
sius exe. 24. p. 25. 3^) Plutarch Camill. p. 136. b. ol ô*
èfifiaÀôwreç eù&uç èxpdrouu rrjq %wpaç o<n]v rà naXatàu ol Tup-
f)7]\>ol хатесуоѵ. Da er auch Liyius тог sich hatte, so fügt er
freylich nach diesem hinzu, Im Widerspruch mit sich selber:
àÀÀà тайта ßkv ё к р а у Щ trouva) тіѵі %pâv<p крбтероѵ.
— 446 — [ band II.]

Z e it d u rc h d ie C e lte n v e rtrie b e n w u r d é n 1136) . G anz un­


m itte lb a r vor der E in n a h m e Eom s sezt D io d o r d ie E in ­
w an d ru n g über d ie A l p e n 37) , w a h rs c h e in lic h nach F a b iu s :
wo beyde E re ig n is s e nur w egen der S age d ass C lu s iu m
ih r Z ie l gew esen so ganz nahe zusam m engezogen s in d .
D ass z w is c h e n d e n s e lb e n e in ig e Z e it v e rflo ss e n w ar, d e u te t
P o ly b iu s an, aber auch nur e i n i g e 38) : und ganz u n v e r - 577
kennbar d a c h te s ic h T ro g u s P o m p e ju s den G ang d ie s e r
B e g e b e n h e ite n u n d d e sse n D a u e r e b e n so : s e in e S tim m e a b e r
b e d e u t e t h i e r u m so m e h r , d a e r a u s e in e m g a llis c e n o d e r d o c h
d e n G a ll ie r n b e n a c h b a r t e n V o lk a b s t a m m t e 39) . N a c h s e in e r
E r z ä h l u n g 40) w a re n s ie , d re y m a lh u n d e rtta u s e n d an der
Z a h l, ausgezogen: von d ie s e n b lie b e in T h e il in Ita lie n ,
und d ie s e r e ro b e rte R om ; e in a n d re r w a n d te s ic h a n den
illy ris c h e n B usen d e s a d ria tis c h e n M e e rs, b a h n te s ic h e in e n
W eg d u rc h d ie w id e rs tre b e n d e n V ö lk e r, — d ie V e n e te r,
d e re n S tä d te s ic h , w ie d ie d e r C e ltib e re r u n d B e ig e n g e g e n
d ie C im b e rn , b e h a u p te te n , — und nahm P a n n o n ie n e in .
H ie ra u s e r k lä r t s ic h d er A u sd ru c k des S k y la x , d e r u m 01.
1 0 5 ., gegen 24 Jahr nach d e r E in n a h m e E o m s, s c h rie b :
d i e 'C e l t e n am a d ria tis c h e n M ee r, w e s tlic h von den V e­
n e te rn , w ä re n von dem Zuge z u r ü c k g e b l i e b e n 41) : n ä m l i c h
dem w o d u rc h d ie w e ite r v o rg e d ru n g e n e n e in e N ie d e r­
la s s u n g g e g rü n d e t h a tte n , d eren d ro h en d e L age schon d ie

1136) Dionysius VII. 3. p. 419. a. T u p ß w w v ol тхері ’löviov


xoXtzov xarotxou vreg , èxefflév ?$’ bizb т&ѵ ІіеХт&ѵ è$eXa&évreg
<rbv XP&V(P- Für die Bedeutung: nach geraumer Zeit — des
Ausdrucks a b v ypàvm vgl. III. 49. p. 186. d. 37) Diodor
XIV. 113 . xa&’ ov xaipbv [хаХктта *Prjytov enoXtäpxei Atovuoiog,
ol xa rotxou vreg r à izépav r& v ѵАХпешѵ K eXrol, r à a revà dteX-
1 'ô-ôvreg fxeyàXatg duvapecrt, xjareXaßovro t tj v fieraÇ b % 6pav roü
те AnevvCvou xal rw v vAX7zeù)v ôpw v. Щ Sie nahmen die
Ebenen der Lombardey im Anlauf ein: 7zapaâôÇo>ç è7xeX&âvreg
ig e ß a k o v Tupp7)vobq xal xaréayov r à к е д ca : Polybius IL 17. —
unterwarfen sich viele angränzende: und nach einiger Zeit —
fie r à ôé r t v a ypovov — erobern sie Rom: 18. 39) Die Vo-
contier in der obern Provence: es lässt sich freylich nicht ent­
scheiden ob sie Gallier oder Ligurer waren. 4°) Justinus
XXIV« 4. 41) àîzoXetp&évreg rrjg a rp a re ta g , Skylax p. 6.
Er sezt sie an den innersten Busen des Meers, indem er die Ve­
neter auf der Östlichen Küste denkt.
[ band п .] — 447 —

578 A u f m e r k s a m k e i t d e r G rie c h e n e rre g te , d ie aber hey ih m


n ic h t w e ite r V o rk o m m e n k o n n te w e il s ie fe rn v o n d e r K ü ste
im in n e rn Lande w ar. S e in e C e lte n am a d ria tis c h e n M e e r
w ä re n dem O rt n ac h , d ie L i n g o n e r u n d S e n o n e r : v ie lle ic h t
aber b e trifft d ie K unde doch e ig e n tlic h d ie B o je r, von
denen e in T h e il am re c h te n U fer des P o s ic h n ie d e rlie s s ,
der a n d e re m it T a u ris k e rn und S k o rd is k e rn ü b e r d ie ju li-
s c h e n A lp e n w a n d e r te . So ju n g a b e r w a r ih re A n sie d e lu n g
an je n e r K ü ste , dass d ie ä lte re n P o rtu la n e , w e lc h e in
s e in e n P e rip lu s v e ra rb e ite t s in d , d ie T y rrh en e r noch in
d ie s e r G e g e n d , z w is c h e n U m b re rn u n d V e n e te rn , a ls H e r r e n
des ganzen L andes z w is c h e n beyden M e e re n angaben;
u n d S k y la x , um m ü n d lic h e , u n b e s tim m te N a c h r ic h te n über
d ie E r o b e re r , d e re n W a n d e ru n g a lle s u m s tü r z te , n ic h t
zu v e rsä u m e n , s ie z w is c h e n d ie s e n T y r r h e n e r n u n d " V e n e ­
t e r n e i n s c h a l t e t e , a n s t a t t s ie a n d ie S te lle j e n e r z u b r in g e n .
D u r c h ih r e fo rtg e s e z te W a n d e r u n g e n ts ta n d d e r g a llis c h e
S ta a t in N o r ic u m , w o h e r d ie G e s a n d ts c h a ft d e r C e lte n ge­
kom m en sey n m uss, w enn der A u sd ru c k dass s ie am
a d ria tis c h e n M eer w o h n te n ir g e n d genau is t, w e lc h e
A le x a n d e r n ih r e f u r c h tlo s e n G lü c k w ü n s c h e ü b e r d e n g e tis c h e n
S ie g d a r b r a c h t e 1142) . D em S c h a u p la z d e s K rie g s näher
w o h n te n scho n d a m a ls d ie g a llis c h e n S k o rd is k e r: an der
M itte ld o n a u , wo s ie d ie th ra k is c h e n T rib a lle r v e rja g t
h a t t e n 43) , w e lc h e , a ls H e ro d o t s c h rie b , d ie E benen S la -
v o n ie n s und N ie d e ru n g a rn s b e w o h n te n , nach ih n e n , in
je n e r Z e it, d a s trib a llis c h e G e fild e b e n a n n t: s e in A n g ru s
.579 i s t o f f e n b a r d e r D r i n , d e r B r o n g u s d i e S a u 44) . E tw a v ie r­
z ig Jah re nachdem er s c h rie b , n u r sechs nach d er E in ­
nahm e E o m s, 01. 101. 1 ., e rs c h e in e n d ie s e T rib a lle r a ls
e in v e rtrie b e n e s , fo rtg e z o g e n e s , V o lk m itte n in T h ra k ie n ,
bey A b d e r a 45) : d a m a ls a lso h a tte n d ie C e lte n P a n n o n ie n
s c h o n e in g e n o m m e n . So s c h n e ll d r in g t e in e V ö lk e rw a n d ru n g
v o r, w enn s ie n ic h t d u rc h ä u s s e r s t s ta rk e , m a n n h a ft v e r-
th e id ig te , G egenden, o d e r e in e n S ta a t d e r b e y a n s e h n lic h e r
V o lk s m e n g e u n d C u ltu r in d e r P ü lle v o n M a c h t u n d K rie g s -

1142) Arrian Anal. I. 4. p. 11. ed. Gr. Strabo VII. p. 301. d.


43) Appian, llly r . 3. p. 832. ^44) Herodot IV. 49.
45) D io d o r X V . 36 .
— 448 — [band n.J

g rö sse s te h t, w äh ren d e in e r la n g e n Z e it g e h e m m t; w e rd e n
k a n n ; w ie je n e G a la te r d u rc h d ie G e b ü r g s v ö lk e r im S k a r d u s
nnd S k o m iu s , u n d d a s m a k e d o n is c h e K ö n ig re ic h . A ls d ie
w e lc h e in I ta lie n e in b ra c h e n d ie A lp e n ü b e r s tie g e n h a tte n ,
da s ta n d ih n e n in d e n E b e n e n n ic h ts e n tg e g e n a ls e tru s k i­
sche H eere w e lc h e sehr s e lte n d ie rö m is c h e n in o ffe n e m
F e ld e zn b e s te h e n v e rm o c h te n . Ist es m ö g lic h dass J e ­
m and, d a m it L iv iu s A ngabe g e lte , s ic h im E rn s tü b erred e ,
das n ä m lic h e V o lk w e lc h e s , nachdem es d ie A p e n n in e s
ü b e rs tie g e n , h a tte in e i n e r B e w e g u n g v o n C lu s iu m b is E o m
v o rd ra n g , nnd dann fe rn e r in e in e m Z uge, m itte n d u rch
d ie w e h rh a fte n V ö lk e r I ta lie n s , u n d ih re u nw egsam en G e-
b ü rg e b is nach A p u lie n , haben zw ey J a h rh u n d e rte zuge­
b rach t um s ic h s c h n e c k e n m ä s s ig von den A lp e n b is an
den Po fo rtz u b e w e g e n ? So la n g s a m e rw e ite rt w ohl e in
S ta a t d u rch a u sg e s a n d te H e e re s e in e G rä n z e n : e in V o lk
w e lc h e s m it W e ib u n d K in d e rn s e in e H e im a th v e rla s se n
h a t, w ie C im b e m u n d H e lv e tie r, m u s s w e itlä u ftig e L and­
s c h a f te n ü b e r s tr ö h m e n d e in n e h m e n , o d e r e s g e h t u n te r. D ie
L o n g o b a rd e n w aren ohne V e rg le ic h w e n ig e r z a h lre ic h a l s *8o-
d ie G a llie r: d ie fe s te n S tä d te k o n n te n a u f d ie B e s tr e b u n g e n
e in e s g r o s s e n E e ic h s z ä h le n ih r e n E n ts a z z u v e rs u c h e n ; o ft
w ard in der F e in d e M itte A b fa ll und V e rra th e rk a u ft;
und d e n n o c h w a r in e in e m M e n s c h e n a lte r d a s o b e re Ita lie n
ganz e in g e n o m m e n : das u n te re b is an s e in e ä u s s e rs te n
U fe r ü b e rz o g e n . V ie r Jah re nachdem A lb o in in F ria u l
e in g e d ru n g e n , ö ffn e te ih m P a v ia , d u rc h d re y jä h rig e E in ­
s c h lie s s u n g u n d H u n g e r b e z w u n g e n , s e in e T h o re : u n d M e l-
pum , w e n ig e M e ile n von den P ässen w o d u rch d ie G a llie r
h e ra b g e s tie g e n w a re n , o h n e A u s s ic h t a u f a n d re H ü lfe a ls
d ie von S ta m m g e n o s s e n , d eren S ta a te n nur d u rch g u te n
W ille n a n g e h a lte n w e rd e n k o n n te n d e n B e d rä n g te n b e y z u -
s te h e n , s o ll s ic h zw ey J a h rh u n d e rte h in d u rc h b e h a u p te t
haben? D enn d ie A n g a b e d ass es in d e m s e lb e n J a h r m it
V e j i fie l, i s t s o g la u b w ü rd ig w ie i r g e n d e in e n i c h t g le ic h ­
z e itig ü b e rlie fe rte , w enn auch das Z u s a m m e n tre ffe n auf
den T ag e in e U e b e rtre ib u n g seyn m a g 46) . H ä tte n d ie
G a llie r s ic h b is d a h in n ic h t über den T e s s in a u s b re ite n

1146) T h. I. S . 131.
[ band II.] — 449 —

können, so w ü rd e n s ie u n te r g e g a n g e n seyn: d ran g en s ie


tie fe r e i n , so w ar e iie S ta d t in der E bene v e rlo re n d ie ,
v o m F e in d e s s c h w a rm u m g e b e n , n ic h t s ä e n u n d e rn d te n
k o n n te .^ E s i s t a b e r d ie E in w a n d e r u n g w ä h r e n d d e s K r ie g s
v o r V e ji, und eben je n e U e b e rw ä ltig u n g der L änder um
den P o , w as d ie A n n a le n im S in n h a tte n n a c h d en e n
L iv iu s s c h r e i b t , d ie E t r u s k e r h ä t t e n s ic h d e n Y e je n te r n
e n ts c h u ld ig t, s ie k ö n n te n k e in e H ü lfe senden, denn s ie
s e lb s t w ü rd e n v o n d e n G a llie rn b e d r o h t, e in e m n ie g e -
581 s e h e n e n V o l k , n e u e n N a c h b a r e n 1147) : u n d fe r n e r : e in n ie
g e s e h e n e r , n ie g e h ö rte r F e in d , vom O ceanus und den
ä u s s e r s t e n W e i t e n d e n h e r z i e h e n d 48) .
G e g e n d ie s e U e b e r e i n s t im m u n g s e in e s e i g e n e n Z e u g ­
n is s e s m it a lle n ä n d e rn o h n e A u s n a h m e u n d d e r in n e r n
E v id e n z , s te h t n u n L iv iu s m it d e r A n g a b e a n e in e m
ä n d e r n O rt, d a s s d ie G a llie r s c h o n z w e y h u n d e r t J a h r e f r ü h e r ,
u n te r T a rq u in iu s P ris c u s , über d ie A lp e n g ek o m m en w ären ’
und M e d io la n u m e rb a u t h ä tte n . D ie s e Z e itb e s tim m u n g be­
ru h t in d e s s e n auf n ic h ts a n d e re m a ls auf der Sage, dass
ih r F ü h re r B e llo v e s u s den G rie c h e n w e lc h e M a s s ilia
g r ü n d e t e n g e g e n d ie fe in d s e lig e n K ü s te n b e w o h n e r h ü lfre ic h
gew esen sey: d ie E rb a u u n g d ie s e r S ta d t w a rd a b e r in d ie
4 5 . O l y m p i a d e g e s e z t 49), a l s o i n n e r h a l b d e r G r ä n z e n w e lc h e
d ie rö m isc h e C h ro n o lo g ie fü r je n e n K ö n ig b e s tim m te . So
fin d e n w ir u n s a u s s c h lie s s lic h a u f je n e S a g e z u rü c k g e fü h rt,
und d ie s e v e rlie rt ih re s o n s t ä u s s e r s t g e r in g e G la u b lic h k e it
v o lle n d s d u rc h d ie e rh a lte n e n m a s s a lio tis c h e n U e b e rlie -
f e r u n g e n , d ie n ic h ts v o n j e n e r F r e u n d li c h k e i t d e r w a n d e r n d e n
B a rb a re n w u s s te n , im G e g e n th e il e rz ä h lte n d a ss d e r K ö n ig
der S e g o b rig ie r d ie Phokäer an d ie s e m U fe r fre u n d lic h
a u fg en o m m en , und ih re m A n f ü h r e r s e in e T o c h te r v e rm ä h lt
habe. S ie is t z u v e rlä s sig eben so o h n e e in ig e n h is to r is c h e n
G ru n d g e d i c h te t w ie d ie v o n A e n e a s A n k u n f t b e y D id o im
n e u g e b a u te n K a rth a g o : w ie d ie s e dem G e fü h l e n tsp ra c h

1Ш) Livius V. 17. 48) Ders. У. 37. 49) Timäus


bey Skymnus Chius 210—14. — temporibus T a rq u in ii regis,
Justinue XLIII. 3. Andere sezten sie in 01. 57. — s. Valesius
zu Ammian XV. 9. — eine Abweichung deren Benuzung gegen
Livius unredlich wäre, denn sie beruht auf einem entschiedenen
Irrthum.
Niebuhr, Röm. Gesch. 29
— 450 — [band и .]

w o m it d ie E ö m e r d ie für ih r e W a ffen u n verw u n d b aren 582


B e h e r r s c h e r d e s M eers b e tr a c h te t hab^n- w e r d e n , sc h o n eh e
d ie b e y d e n S ta a te n s ic h v e r f e in d e te n , so i s t e s le ic h t b e ­
g r e if lic h w ie d ie G allier, d a n k b a r g e g e n d ie m a ss a lio tis c h e n
G r ie c h e n , v o n d en e n a lle B ild u n g a u s g e g a n g e n w ar die
s ie a n g e n o m m e n h a t t e n , u n d ih n e n g e n e i g t 1150) w ie d ie
S a m n ite r d e n I t a lio t e n , ih re V o rfa h ren a ls deren W o h l-
th ä te r d a r z u s te lle n F r e u d e fa n d e n . U n d a lle r d in g s w aren
b e y d e , M a s s a lio t e n und G a llie r , au ch h is t o r is c h , aber zu
a n d r e r Z e it u n d in an d rer W e is e , m it d en L ig u rer n v er­
f e in d e t : w ie d ie S a llu v ie r je n e u n a u fh ö r lic h b efeh d e ten ,
h a tt e n d ie s e L a n g u e d o c u n d d as C om tat ein g en o m m en ; in
w e lc h e r l e z t e n L a n d s c h a ft der N a m e der K e lto lig y e r Z eug­
n i s s g i e b t d a s s b e y d e V ö lk e r d u rch E r o b e r u n g g e m isc h t
w aren .
E in h e im is c h g a llis c h i s t oh n e Z w e ife l d ie von L iv iu s
e r h a lt e n e S a g e , — d u rch w e lc h e U e b e r lie fe r u n g im m er sie
z u se in e r K u n d e g e k o m m e n se y n m a g ; u n d a ls so lc h e der
E r w ä h n u n g w e r th . S ie m e ld e te : z a ein e r Z e it da d ie
B it u r ig e r d ie H e g e m o n ie u n te r der, e in e r g e s e z lic h e n V er­
e in ig u n g u n f ä h ig e n , M en g e g a llis c h e r V ö lk e r au sü b ten ,
s e y in G a llie n d e s V o lk s so v ie l g e w e s e n d a ss der K ö n ig
A m b ig a t u s s e in e n N effe n B e llo v e s u s u n d S ig o v e su s g e ­
s t a t t e t h a b e A u sw a n d er er n a c h n eu en W o h n u n g e n zu
fü h r e n . E in e u n z ä h lig e M en ge v ersa m m elte sic h um sie ,
d a ss ih n e n k e in V o lk zu w id e r s te h e n v erm o ch te. S ie
n a h m e n d e n W e g w o h in sie B e o b a c h tu n g d es V o g e lflu g s
w ie s s : S ig o v e s u s u n ter d as h e r c y n is c h e G eb ü rg, B e llo v e s u s
g e g e n I t a lie n . A m F u s s d er A lp e n v ern a h m d ie s e r , d ass 583
d ie S a llu v ie r ü b er d as M eer g ek o m m en en F rem d lin g en
n ic h t g e s t a t t e t e n sic h a n z u sie d e ln ; er z o g h in ih n en zu
h e lf e n , u n d zu m L o h n öffn eten ih m d ie G ö tter ein e S tr a sse
d u r c h d ie A lp e n . A m T ic in u s sc h lu g er d ie E tru sk er und
e r b a u te M e d io la n u m : d arn ach fo lg te V o lk a u f V olk ,
z u le z t d ie S e n o n e r , w e lc h e vor C lusium u n d E o m k a m e n .
I c h z w e ifle n ic h t d ass d ie B a r d e n a u ch darin ihrer
N a t io n g e s c h m e ic h e lt h ab en , d a ss s ie d ie A u sw a n d ru n g als

1150) Strabo IV. p. 181. a. ^ 7roÀcç хатеахеиаае pdéXÀyvaç


to ù ç ra X d z a ç p. 199. a.
[ band II.] — 451 —

frey en E n tsc h lu s s, v e r a n la sst durch d ie F o lg e n ü b e r m ä ssig


g e s e g n e te r Z eiten , sc h ild e r te n : s ie w ird ab er d u rch D r a n g ­
sa le und U e b e r w ä ltig u n g erzw u n g en se y n , e b e n w ie E r e ig ­
n is s e d e rselb en A rt in sp ä teren Z eiten . A n sc h a u u n g le h r t
w a s G esch ic h te v e r s c h w e ig t. — In S p a n ie n fa n d en d ie
R öm er z w e y c e ltis c h e V ö lk er e r h a lte n , d ie C eltik er am
A n a s un d die am M in iu s: a u sser d iese n d ie C eltib erer.
U e b e r d iese d rey V ö lk er i s t die M ey n u n g w o h l a llg e m e in
g e w e s e n d ass d ie C elten a u ch über die P y r e n ä e n g e z o g e n
w ä ren , u n d d u rch ih re M isc h u n g m it b e s ie g te n Ib erern d ie
N a tio n en tsta n d e n se y deren N a m en d iese M isch u n g a n ­
d e u te : d a ss ein T h e il ih rer S ch a a r en s ic h am A n a s n ied er­
g e la s s e n h a b e , u n d die am M in iu s fern er v on d iese n a u s­
g e g a n g e n w ären . V on ein er E r z ä h lu n g ü b er je n e n Z u g
fin d et s ic h je d o c h d u rch au s k e in e S p u r 1151) : v erm u th lich
584 h a b e n ih n in d ie frem d en G esch ic h tsch reib er b e y d er N a tio n ,
w e lc h e s ic h in ä n d ern R ic h tu n g e n so w e it ü b er ih re
G rän zen v e r b r e it e t e , n u r v o r a u s g e s e z t : w ä ren s ie aber
w ü r ld ic h ein er S a g e g e f o lg t, so k o n n te a u ch h ie r die V er­
t a u s c h u n g der e n tg e g e n g e s e z te n R ic h tu n g sp ie le n d e in -
treten . U n d n u n is t in allem w a s w ir von d en C eltib erem
w isse n der ib e r isc h e C harakter so en tsch ied en , d a ss es n ic h t
z w e ife lh a ft sc h e in t w e lc h e s V o lk h errsch te . Ih re S itte n z e ig e n
k e in e S p u r c e ltis c h e r A r t: ih re N a m e n sin d ib e r isc h : ih re
V e r fa ss u n g is t rep u b lik a n isch . In ih ren W o h n sizen , dem G e-
b ü rg e w e lc h e s d en L au f d es Ib er u s vom B ä tis u n d von d en
w e s tlic h flie ssen d e n S tröhm en a b so n d e r t, und dem ob ern
T h e il d ieser G e w ä sse r , d es T a g u s u n d D u r iu s, is t ein e
G eg en d n ic h t zu v erk en n en in der s ic h ein e au s la c h e n ­
deren L a n d sc h a fte n z u rü ck g ed rä n g te N a tio n b eh a u p te t.
V e r e in z e lt w ie. die C eltik er im w e s tlic h e n Ib er ien , e r h a lten
sic h w o h l T h eile ein er ü b e r w ä ltig te n tap fern N a tio n : so
th a te n e s d ie R ä ter u n d d ie V in d elik er: k ein e ein w a n d ern d e
h a t s ic h so u n ter k r ie g e r is c h e n a n g e s ie d e lt : e s w aren

1151) Nicht bey Diodor, der wohl auch hier nach Posidonius
schrieb, und nur von den langwierigen Kriegen redet welche mit
der Verschmelzung der Celten und Iberer geendigt hätten. Strabo
freylich nimmt, in allgemeinen Ausdrücken, die Einwanderung
der Celten an: ihm musste scheinen dass die Sache sich von
selbst verstehe.
29*
—- 452 — [ band п .]

P h r y g e r d e r e n G eb ü rg e d ie G a la ter ein n a h m en . N ö rd lich


v o n d en P y r e n ä e n b e w o h n te n d ie Ib er er A q u ita n ie n : n a ch
k e in e r H y p o t h e s e i s t e s g la u b lic h d a ss s ie e s n ic h t durch
E r o b e r u n g in n e h a tte n ; je d e m offen b ar, d a ss sie sic h vom
G e b ü r g h in a b g e g e n N o r d e n s o w e it a u s b r e ite te n a ls V ölk er­
s tä m m e e in a n d e r fo lg te n . A u c h im L a n g u e d o c kom m en
s ie i n P h ilip p u s Z e it v o r , m it L ig u rer n u n te r m is c h t1152):
u n d a u c h h ie r m ö c h te m a n g la u b e n , d a ss s ie ein g ew a n d ert 585
w ä r e n , w o fe r n n ic h t d ie E r w ä h n u n g d a ss s ie durch d ie
L ig u r e r a u s d er G eg en d e in e s F lu s s e s S ic a n u s v erd rän gt
w o r d e n , a ls Z e u g n is s d a fü r, d a ss es d ie le z te n w aren
w e l c h e s i c h a u s b r e ite te n , v o lle G ü ltig k e it h ä tte : w iew o h l
j e n e r F lu s s u n b e k a n n t, u n d d ie A n n a h m e d a ss s ie von dort
n a c h T r in a k r ie n g e z o g e n w ä r e n , kaum g la u b lic h ist.
W e n n ic h n u n , so w ie d ie C elten in der sp a n isch en
H a lb in s e l V o rk o m m en , e s fü r a u g e n s c h e in lic h h a lte d ass
d ie I b e r e r d o rt a n fä n g lic h n u r B ä t ik a u n d d ie sü d ö stlich en
K ü s te n lä n d e r b e w o h n te n , so w ü rd en sie h iern a ch zu d er­
s e lb e n Z e it d ie s s e it s der P y r e n ä e n an d e r se lb e n K ü ste sic h
b i s a n d e n E h o d a n e r str e c k t h a b en ; u n d d ie G la u b lich k eit
d a s s d ie N a t i o n , w e lc h e e in s t a lle I n s e ln d es w e s tlic h e n
M itte lm e e r s b e w o h n te , d am als ein en g r ö sse r e n T h e il vom
R a n d d e s s ie u m s c h lie ss e n d e n M eer b e ck en s in n e h atte, i s t
e in le u c h te n d . J a e s d r ä n g t s ic h die V erm u th u n g a u f d ass
s i e n o c h fr ü h e r a u ch d ie a fr ik a n isc h e K ü ste b e w o h n t h ab en ,
u n d d u rch d ie A n k u n ft frem d er V ölk er, w e lc h e d ie p u n isch e
S a g e M e d e r 53) u n d P e r s e r , g e f ü h r t v o n H e r c u le s , n an n te,
zu ih r e n S ta m m g e n o ss e n ü b er die S ee zu e n tw e ic h e n g e -
n ö t h ig t s e y n d ü rften . D o c h b e d a r f e s n ic h t ein m a l der
H y p o th e s e d a ss v er d r ä n g te S c h a a ren den Ib er ern in B ä tik a
d a s L a n d z u e n g m a ch ten , um e s erklärlich* zu fin d en d ass
d ie s e d u rch d ie S ierra M orena b ra ch en , u m d ie C elten ü b e r ­
w ä lt ig t e n ; d a n n , n a ch d em s ie sic h ü h er d en g a n z e n ih n en
fr ü h e r fr e m d e n T h e il der H a lb in s e l v e r b r e it e t h a tten , zu lezt
d ie w e s t lic h e n P y r e n ä e n ü b e r s tie g e n .
D ie z a h lr e ic h e n H ä fe n d er N o r d k ü ste S p a n ie n s lad en
ih r e A n w o h n e r zur S ch iffah rt, u n d d ie w ild e S ee d es b is - 586

il 52) Atyueg xal vIßy)peg ßtyddeg, ßi%pt noraßou ‘Родйѵои :


Skylax p. 2. 53) An diese zu denken, veranlaeete der Name
Amzigh, Mazyes.
[band II.] — 453 —

c a jisc h e n M eer b u sen s ü b t s ie : d ie B a sk e n s e g e lte n ü b er


d en O cean a u f den g r o s se n F isc h fa n g a ls an d re W e ls c h e n o ch
n ic h t w a g te n die K ü ste n zu v e r la s se n : u n d ih re V o rfa h ren
k o n n te n le ic h t S ch iffe g e n u g b e siz e n um e in P fla n z v o lk
n a c h B r ita n n ie n zu fü h ren , w o h in d ie Z in n g ru b en lo c k te n .
T a c itu s B e m erk u n g d a ss Z üge, F a rb e u nd H a a r d er S ilu rer,
w e lc h e S p a n ie n g e g e n ü b e r w o h n te n , für ih r e ib e r isc h e A b ­
sta m m u n g r e d e te n 1154) , h a t e b e n so v ie l G e w ic h t a ls d ie
W a h rn eh m u n g irg en d e in e s u n srer g le ic h z e it ig e n V ö lk er­
b e sc h r e ib e r : d ie S p rach e m o ch ten sie a b g e le g t h a b e n .
S e in Z e u g n iss k o n n ten d ie ir isc h e n M önche n ic h t w isse n ,
d a s s s ie etw a d a ra u f d ie G e sc h ic h te von der m ile s is c h e n
E in w a n d e r u n g a u s S p a n ie n g e b a u t h ä tte n : d a ss w ar a lso
w o h l ein e a lte S a g e .
U r sp rü n g lich w o h n ten in B r ita n n ie n G allier, w e lc h e , n a c h
d e n E rzä h lu n g en der D r u id e n , von d er U r z e it h er d ie
I n s e ln w ie d as fe ste L an d d es W e s te n in n e h a t t e n 55): ab er
v o n der S ü d k ü ste w aren sie , a ls Cäsar dort la n d e te , a u sse r
v o n d en S ilu r e r n , a u ch d u rch d ie B e ig e n v e r d r ä n g t56).
B e ig e n w ar der g a lis c h e N a m e d es V o lk s w e lc h e s s ic h
b is a u f d en h e u tig e n T a g K y m ren n en n t : d ieser e in h e im is c h e
w ard von den R öm ern ü b erse h e n , n ic h t von d en G r ie c h e n :
es w ar sic h e r der v ö lk e r k u n d ig e P o sid o n iu s , d er sie G alater
«87 und K im b ern n a n n t e 57). Ih re S p rach e ob w oh l k e in e s w e g s
e in nur g e m is c h te s g a lisc h , so n d ern u rsp rü n g lich in W orten
u n d G ram m atik e ig e n t h ü m lic h , is t d och d em selb en a n a lo g
w ie sla v is c h u n d litth a u isc h ; und von än d ern S p ra ch en
so v e r s c h ie d e n , d a ss b eyd e N a tio n e n , K ym ren u n d G alen ,
f ü g lic h u n ter d em g e m e in s c h a ftlic h e n N a m en der C e lte n
b eg riffen w erd en k ö n n en . J e n e S a g e n der D ru id en m e ld e te n
fe r n e r , e in T h e il d er C elten s e y ü b er d en R h e in e in g e ­
w a n d e r t58) ; d as k a n n nur v o n d en B e ig e n zu v e r s te h e n
se y n , w e lc h e e in stm a l die G alen n ic h t b lo s s in d er b r ita n -

1154) Tacitus Agric. 11. — fidem faciunt : er folgert nicht


ihre Abstammung aus diesen Umständen, sondern sieht darin den
Beweis für eine geltende Meynung. 55) Ammianus Marcel­
linus XV. 9. 56) Cäsar de bello gall. V. 12. 57) Dio­
dor V. 32. Der ganze Abschnitt über die Celten V. 25—32. ist
eicher aus keiner ändern Quelle geschöpft. 58) Ammianus
a. a. 0.
— 454 — [band и .)

n i s c h e n I n s e l so n d ern au ch a u f dem fe ste n L a n d e w e it zu ­


r ü c k g e d r ä n g t h a b e n d ürften. N ic h t im m er k ö n n en S ein e
n n d M a rn e ih r e sü d lic h e G rän ze g e w e s e n s e y n : sie m ü ssen
e in s t w e n ig s t e n s b is an d ie L o ir e g e w o h n t h a b e n ; d ie
V e n e t e r g e h ö r t e n zu d en B e ig e n 1159); u n d oh n e Z w e ifel n ic h t
n u r s ie s o n d e r n d ie s ä m tlic h e n B e w o h n e r der N ied erb re­
t a g n e , d e r e n k y m r is c h e V o lk sa r t m itte n in dem so n st zur
E ö m e r z e it g a lis c h e n T h e il d es L a n d e s zu e r k lä r e n , ein e
s p ä te a n g e b lic h e E in w a n d e r u n g a u s der I n s e l erd ach t
w o r d e n i s t . D ie s e sü d lic h e r e n G e g e n d e n m u sste n sie dann
w ie d e r r ä u m e n a ls d ie G alen vor d en Ib erern n ord w ärts
z u w e ic h e n g e z w u n g e n w a ren : u n d d ies sc h e in t eb en U r­
s a c h e d e r g r o s s e n A u sw a n d e r u n g g e w e s e n zu se y n . D ie
B e ig e n w e r b e n in je n e r a u s P o sid o n iu s e n tle h n te n S c h ild e ­
r u n g G a la te r g e n a n n t, die G a le n , K e lt e n 6Ü); m it jen em
N a m e n b e z e ic h n e n d ie G riech en d ie in d a s ö stlic h e Europo 588
e in g e d r u n g e n e n S tä m m e; oh n e Z w e ife l w a ren d ie B e ig e n
u n te r ih n e n w e n ig s t e n s ü b e r w ie g e n d : d ie Z ü ge g e g e n Rom
u n d D e lp h i w e r d e n den K in d ern z u g e s c h r ie b e n 61) : u nd
d er v e r m e in te N a m e der F ü h re r a u f b e y d e n , is t d as
k y m r is c h e W o r t für den K ö n ig 62). I n d e s s e n m ö g en sch on
v o n A n f a n g G a len s ic h an sie g e s c h lo s s e n h a b en ; w e n ig s t e n s
G ä sa te n , d ie sp ä te r in g r o sse r Z ah l k a m en .
N ö r d lic h v o n der D on au h a b e n s ie sic h je n s e it s d er
K a r p a th e n u n d d a cisc h e n A lp e n n ie d e r g e la s s e n 63) , am
B o r y s t h e n e s d ie S k y th en u n terjo ch t, w o d as a u s b eid en g e ­
m is c h t e V o lk d en N a m en der K e lto sk y th e n e r h ie lt, und
s in d b is a n d ie M äotis v o r g e d r u n g e n , von w a n n en sie ,
d u r c h e in e V ö lk e r b e w e g u n g v o n O sten ü b e r w ä ltig t, v er­
m e h r t d u rch v ie le a n g e sc h lo s se n e frem d e S c h a a r e n , ab er
u n te r d em N a m e n d es h errsch en d en V o lk s , a ls Cimbern,.

1159) Strabo IV. p. 194. d. 60) Die Unterscheidung der


näheren Celten und entfernteren Galater V. 32. ist unzw eifelhaft;
es kann nur ein Schreibfehler des Verfassers selbst, oder eines
Abschreibers seyn, dass p. 317. e d . B i p . r à я р Ь д vârov ѵ е и о ѵ т а
ß i p y j steht, anstatt 7гp b g ä p x r o v . 61) Diodor a. a. 0 .
62) Brenin: s. Adelungs Mithridates. 63) epßaXövreg та
*PmaXa Plutarch Camill. p. 135. e. — Ich habe gezeigt
dass der JSame Rhipäen früher eben so wenig unbestimmt gewe­
sen ist wie Skythen: kl. Schriften S. 359.
[band п .] — 455 —

au f der S tra s s e wo ih re V o rfah ren d re y h u n d e rt J a h re zu­


v o r h a r g e k o m m e n w a r e n n a c h d e m W e s t e n z u r ü c k k e h r t e n 1164) .
Ich habe d ie V e rm u th u n g b e g rü n d e t dass d ie G a la te r a n
d e r M itte ld o n a u d ie L o m b ard ey d u rc h z o g e n w a re n : d aru m
a b e r is t n ic h t zu v e rk e n n e n dass g a llis c h e S tä m m e auch
589 ü b e r den E h e in gegangen s in d , w ie d ie V ö lk e r, w e lc h e
d e r D i c t a t o r C ä s a r d o r t k a n n t e 65) , u n d a lle w e lc h e w ü r k lic h
u n te r d e m h e r c y n i s c h e n F o r s t w o h n t e n , w o h i n , ‘n a c h L i v i u s ,
S ig o v e s u s d ie S e in ig e n f ü h r t e 66) . U nd h ie r kann ic h m ir
n ic h t w e h re n zu fo rsc h e n w e lc h e B ew ohner d ie s e ö s tlic h
vom Ju ra und V o seg u s an tr a f e n ? w ohl w is s e n d dass s ic h
d a r ü b e r n n r a lle n f a lls W a h rs c h e in lic h k e ite n g e w in n e n la s s e n .
E in e s o lc h e is t aber doch, d ass d e r e tru s k is c h e S ta m m ,
w e lc h e r s ic h , um geben von d e n G a llie rn , in d e n A lp e n b e ­
h a u p te te , e in st auf ih re m n ö rd lic h e n A bhang und nach
D e u ts c h la n d h in a u s g e b re ite t gew esen seyn w ird : und es
g le ic h e n , s o w e it B e s c h r e ib u n g u n d Z e ic h n u n g zu erk e n n e n
fä h ig m achen, d ie M a u e rn auf dem O ttilie n b e r g im E isa ss ,
in ih re m B au und der W e is e w ie s ie dem U m fa n g des
G ip fe ls fo lg e n , a u ffa lle n d den e tru sk isc h e n , n a m e n tlic h
denen von V o lte rra , w äh re n d s ie e in e m g a llis c h e n W e rk
s o u n ä h n l i c h s i n d w ie e i n e m r ö m i s c h e n . I n d e s s e n m ü s s e n a u c h
d e u ts c h e N a tio n e n b is in d ie s c h w e iz e ris c h e n A lp e n ge­
w ohnt haben, denn nur d ad u rch k o n n te das W a llis zu
L iv iu s Z e it von h a lb d e u ts c h e n V ö lk e rs c h a fte n bew ohnt
s e y n 67) : a ls d ie C e lte n s ic h a u s b re ite te n , w a re n d ie e in ­
w an d e rn d e n H e lv e tie r M e is te r der S c h w e iz , und w a h r­
s c h e in lic h , nebst ä n d e rn V ö lk e rn des S ta m m s , von ganz
Schw aben, g e w o rd e n . D ass th e ils L ib u rn e r, th e ils Illy rie r,
d ie L a n d s c h a fte n z w is c h e n V e n e t e r n und ls tre rn und P an-
590 n o n i e n besassen, is t g e w is s n ic h t zu b e z w e ife ln , d a s ic h
d ie lib u r n is c h e n V in d e lik e r an d e r N o rd s e ite d es B re n n e rs
b e h a u p t e t e n 68) .

1164) Kl. Schriften S. 384. wo noch Diodor V. 32. anzufüh-


ren, und aus Plutarcha M ariu s p. 411- d. hinzuzufügen ist:
TzoXXàç xazà fiépoç èmxkrjaetç èyôuraju, xoivjj КеХтоахб&ад ràv
c rp a rà u (bvô/iaÇov. 65) bell . G a ll . VI. 24. 66) Sigoveso
sortibus dati H ercyn ii saltus: Livius V. 34. 67) itinera quae
a d Peninum fe ru n t , obsepta gentibus semigermanis : Ders. XXL 38.
б8) Th. 1. Anm. 503.
— 456 — [band i i .]

D ie S itte n und b ü rg e rlic h e n O rd n u n g en der beyden


c e l t i s c h e n V ö lk e r m ü s s e n , w e n ig s te n s z u d e r Z e it a ls G rie c h e n
u n d E ö m e r s ie b e s c h r ie b e n , n ic h t u n te rs c h ie d e n g ew esen
seyn: n u r g rö s s e re E o h h e it w ird d e n v o m V e rk e h r m it
I ta lie n u n d d e m M itte lm e e r e n tf e r n te r e n B e ig e n z u g e s c h rie b e n .
D er in n e re Z u s ta n d d e u te t auf d ie K n e c h tsc h a ft ü b er­
w ä ltig te r V ö lk e r, w ie bei den N achkom m en der S a rm a te n .
C äsar fa n d , b e n u z te und s c h ild e rte e in e A u flö s u n g w e lc h e
d ie le z te E p o c h e d e s E le n d s e in e r b a r b a r i s c h e n A d e ls h e r r s c h a f t
is t: nur d ie E itte r m a c h te n d ie N a tio n aus, das V o lk
le b te in d e r d e m ü th ig s te n C lie n te l : a b e r v ie r J a h r h u n d e r te
v o rh e r m üssen d ie g e m e in e n F re y e n u n g le ic h z a h lre ic h e r
gew esen seyn, aus d e re n M itte V e ra rm te u n d U n te rd rü c k te
s ic h im m e rfo rt den h ö rig e n L e u te n der M ä c h tig e n zuge­
s e llte n . B ey den G a llie rn in Ita lie n s c h e i n t d ie L andes­
g e m e in d e noch z a h lre ic h gew esen zu seyn. D a m a ls w ar
auch ü b e ra ll e rb lic h e K ö n ig s w ü rd e ; d ie , a ls C äsar nach
G a llie n k am , in der A n a rc h ie des A d e ls u n te rg e g a n g e n
w a r, eben w ie das A n seh en der S e n a te . Ih re F re y h e it
w ar B e c h tlo s ig k e it: e in e w e s e n tlic h e U n fä h ig k e it d u rch
G eseze zu b e s te h e n , u n te r s c h e id e t s ie a ls B a rb a re n von
H e lle n e n und Ita lik e rn . W ie d e r e in z e ln e s ic h den S chuz
e in e s M a g n a te n erw e rb e n m u s s te um s ic h e r zu le b e n , so
begaben s ic h sc h w ä c h e re V ö lk e r in d ie C lie n te l e in e s
m ä c h tig e re n ; denn s ie w aren e in e u n v erb u n d en e M enge
u n d d a s je n ig e , w e lc h e s a u f d ie s e W e is e e in e w e it v e r b r e ite te
H o h e it e r l a n g t h a tte , ü b te s ie w illk ü h rlic h , b is i h r u n e r - 591
trä g lic h g e w o r d e n e r M is b ra u c h , oder b lin d e r G ro ll g e g e n
d e n M ä c h tig e n , d ie B e h e r r s c h te n v e r a n la s s te a b z u fa lle n u n d
s ic h um e in e n neuen M itte lp u n k t zu s a m m e ln . E in h e it
fin d e t s ic h nur in d e r K irc h e d e r D ru id e n , d ie w e n ig s te n s
in C a s a rs Z e it d e n b e y d e n N a tio n e n g e m e in s c h a ftlic h w a r:
b e y d e g e h o r c h t e n ih r e m T r i b u n a l, w e lc h e s jä h r l i c h E e c h t
e r th e ilte :. e in e O rd n u n g d ie erst la n g e nach d e r Z e it d e r
W a n d eru n g en , da m an a u fg eh ö rt h a tte d ie A u s tre ib u n g
des B e s ie g te n a ls Z w eck d e r K rie g e zu b e tra c h te n , d u rch
d ie in den e in z e ln e n S ta a te n im m e r h ö h e r g e s tie g e n e G e-
s e z lo s ig k e it h e rb e y g e fü h rt se y n w ird ; u n d d u rc h den B an n
w e lc h e r den U n g eh o rsa m en von a lle m V e r k e h r d e s G o tte s ­
d ie n s te s u n d d e r F ro m m e n a u s s c h lo s s , b e h a u p te t w a rd . D ie
D ru id e n w a re n k e in e K a s te ; n ic h ts v e ra n la s st zu g la u b e n
[ band П.1 — 457 —

dass J ü n g lin g e n ie d e re r A b k u n ft von den S c h u le n au sg e­


s c h lo s s e n g e w e s e n s in d w o ih n e n m a n c h e s J a h r im E r l e r n e n
der Y e rse v e r g in g , w o rin ih re Sazungen, und ih re L e h ren
von d e r N a tu r, d e r W e lt und den G e s tirn e n , und dem
W esen der G ö tte r und der S e e le n v erfasst w aren : d ie s e
d u rfte n nur m ü n d lic h ü b e rlie fe rt, n ic h t a u fg e s c h rie b e n
w e r d e n ; w ie w o h l v o r C a s a rs Z e it d e r G e b ra u c h g r ie c h is c h e r ,
und w ie M ü n z e n z e ig e n auch la te in is c h e r, S c h rift v e r­
b r e ite t w a r.
D ie R e u te re y b ild e te d ie S tä rk e ih re r K rie g s m a c h t:
S tre itw a g e n , von e in e m H ö rig e n g e le n k t, d e r im G efech t
d e n A d lic h e n s c h irm te , w a re n ih n e n e ig e n th ü m lic h : in d e n
ita lis c h e n K r ie g e n w ird d e re n b e s tim m t b e y d em H e e re sz u g
392 n a c h S e n tin u m g e d a c h t: C äser a b e r fan d s ie n u r noch in
B rita n n ie n g e b rä u c h lic h . G ro s s e K ö r p e r , w ild e Z ü g e , e in
598 l a n g e s s t r u p p i c h t e s H a u p t h a a r 1169) m a c h t e n i h r e n A n b l i c k

1169) Durcbgebends nennen die Alten das Haar der Celten


gelb oder roth: aurea caesaries, Virgil A en. VHI. 659. ra îç
xôfJLttiç èx ç>iï<T£ûjç Ç avûoi, Diodor Y . 28. candidi paene omnes
et ru tili, Ammianus XV. 12: Tacitus hingegen scheint, indem er
die comas rutilas der Caledonier als Beweis ihres germanischen
Ursprungs, wie das krause Haar der Silurer für deren iberischen,
anführt, dem celtiscben Stamm diese Haarfarbe abzusprecben :
womit übereinstimmt wenn Suetonius erzählt, Caligula habe Gal­
liern das Haar färben lassen um sie für Deutsche auszugeben
(unter den von Lipsius zur Germ . 4. gesammelten Stellen). Ueber
diesen Gegenstand hat ein brittischer ungenannter Gelehrter mich
mit einem inhaltsreichen Briefe beehrt, der leider mit ändern Pa­
pieren in dem Unglück meiner Wohnung zerstört ist: möchte mit
dieser Anmerkung der Dank für seine freundliche Erörterung ihm
zu Gesicht kommen. Die Summe derselben war die Meynung :
da jezt alle Celten schwarzes Haar hätten, so müsse in Stellen
wie die wonach in der ersten Ausgabe dieser Geschichte ihnen
ein gelbes zugeschrieben werde, Verwechslung mit den Germanen
obwalten. Ich würde dieser Ansicht ganz beystimmen, deren
Grundsaz, über die Stätigkeit der phy^iechen Bildung, meiner
Ueberzeugung völlig entspricht, wenn nicht Ammianus ein so vor­
trefflicher Zeuge wäre, und mehrere Jahre in Gallien gelebt hätte:
bis jemand die Bedenklichkeit hebt, wie er hierüber habe irren
können, möchte der Umstand dass unter den Deutschen und Skan­
dinaviern das gelbe Haar einst ausschliesslich gewöhnlich war,
jezt in den meisten Gegenden sogar selten geworden ist, Anlass
— 458 — [band и. J

g ra u s e n h a ft: d ie s e r, ih r w ild e r M u th , ih re u n e rm e s s lic h e


Z a h l, d e r L ä rm e in e r u n g e h e u re n M e n g e H ö r n e r u n d D ro m ­
m e te n , lä h m te n d ie gegen s ie s te h e n d e n H e e re m it F u rc h t
n n d B e t ä u b u n g : lie s s e n s ic h a b e r d ie s e n ic h t v o m S c h re c k e n
ü b e rw ä ltig e n , so gab m anchm al der M angel an O rd n u n g ,
F o lg s a m k e it und A u sd au er auch e in e r k le in e r e n Z ahl den
S ie g über d ie S c h w ä rm e der B a rb a re n . A uch w aren ih re
R ü s tu n g e n s c h le c h t: s e lte n h a tte n s ie H a rn is c h e : . ih r e
m an n sh o h en s c h m a le n S c h ild e w aren sch w ach und unge­
s c h ic k t: s ie w a rfe n s ic h a u f den F e in d m it b re ite n , dünnen,
s c h l e c h t g e s t ä h l t e n , S c h l a c h t s c h w e r d t e r n 1170) , d i e o ft d u rc h
den e rs te n H ie b auf E ise n s c h a rtig und u n b rau ch b a r
w u rd e n . A ls W ild e v e rtilg te n s ie in den ü b e rw ä ltig te n
L ä n d e r n B e v ö lk e ru n g , S tä d te u n d A n b a u : s ie k n ü p fte n d ie
a b g e s c h n itte n e n K ö p fe d e r E rs c h la g e n e n m it den H aaren
an d ie M ähne ih re r P f e r d e : von denen d e r V o rn eh m en be­
w a h rte n s ie d ie S c h ä d e l a n g e n a g e lt im H a u s e a ls E rb s tü c k
fü r d ie N achkom m en, w ie der A del ro h e r Z e ite n H irs c h ­
g e w e ih e . S tä d te w aren s e lte n , d ie H äuser der s e h r z a h l­
re ic h e n D ö rfe r g e rin g , i h r G e r ä th a r m s e lig ; e in e S tre u m it
F e lle n b e d e c k t d ie n te ih n e n s ta tt B e tte n und S e s s e l. K o rn
b a u te n s ie n u r f ü r e in e n s e h r b e s c h r ä n k te n V e r b r a u c h ; d e n n
m e is te n s n ä h rte n s ie s ic h m i t d e r M ilc h und dem F le is c h
ih re r H eerd en ; d ie s e w a re n ih r R e ic h th u m : auch G o ld
h a tte n s ie v ie l , w e lc h e s der S and d e r F lü s s e , und e i n i g e 59*
B e rg w e rk e zu d eren E n td e c k u n g d ie s e g e le ite t h a tte n ,
gaben. D a m it s c h m ü c k te s ic h je d e r v o rn eh m e G a llie r; in
der S c h la c h t tru g er g o ld e n e K e tte n an den A rm e n , und
sch w ere g o ld n e R in g e um den H a ls , w enn er auch so n st

dazu geben grade über das Haar eine Ausnahme von jener Stä­
tigkeit anzunehmen. — Dem Gegenstand ist eine Bermerkung
verwandt welche eines von jenen vielen #аи/и.а<гсосд betrifft, in
denen völlig wahre Bemerkungen stecken. Die Kinder der nörd­
lichen Celten die mit Greisenhaar geboren werden (коЛса èx уе-
VErrjç), welches nachher in die gewöhnliche Farbe übergeht (Dio­
dor V. 25.), sind weissköpfige Jungen unsers niederdeutschen
Stamms, die später gelbes Haar bekommen.
1170) Die Claymores der Hochländer, welche bey Killikranky
und Preston pans gegen Artillerie und reguläre Truppen entschie­
den, sind derselben Art, aber weit tüchtiger.
[band II.] — 459 —

a m O b e rle ib n a c k t e r s c h ie n : d e n n o ft w a r f e n s ie ih r e b u n te n ,
g e w ü r f e lte n , m it R e g e n b o g e n f a r b e n s c h ille r n d e n M ä n te l v o n
s ic h ; d ie m a h le ris c h e T ra ch t ih re r S ta m m g e n o s s e n der
B e rg s c h o tte n , w e lc h e d ie B rak k e n d e r a lte n G a llie r a b g e ­
le g t h a b e n . I h r e Z w ey k äm p fe u n d w ild e V ö lle r e y s in d
e in E b e n b ild d e s r o h e s te n M itte la lta rs . M e is te n s b e r a u s c h te n
s ie s ic h in B ie r u n d M e th ; d e n n R e b e n u n d a lle G e w ä c h s e
s ü d lic h e r G e g e n d e n w a re n d ie s s e its d e r A lp e n , in e in e m d a ­
m a ls ä u sserst ra u h e n K lim a , noch ganz frem d ; a lso der
W e in s e l t e n , o b w o h l s ie u n t e r a lle n z u g e fü h rte n W a a re n
d ie s e n a m b e g ie r ig s te n k a u f te n .
Schon vor der G rü n d u n g von M a s s ilia , w e n ig s te n s
s e itd e m d ie Phokäer an d e r lig u ris c h e n K ü ste v e rk e h rte n ,
w ard e r o h n e Z w e ife l b is in s in n e r s te G a llie n v e r f a h r e n :
auch ü b e r d ie je n ig e n d ie fe rn v o m M e e r in d e n A lp e n
w o h n te n , is t es e in e w id e r s in n ig e E rz ä h lu n g dass d ie
Segnungen des Südens erst d u rc h den, w e lc h e r d ie B a r ­
b a re n vor C lu s iu m rie f, ih n e n bekannt g e w o rd e n w ären .
W o h in er s e in e S a u m th ie re trie b , d o rth in h a t te n K a u fle u te
auch v o r ih m des G e w in n s w egen g e la n g e n können; der
H andel ö ffn e t V erk eh r über noch u n w e g sa m e re G e b ü rg e ,
und m it n o ch ro h e re n B a rb a re n . W a s je d o c h d ie G e s c h ic h te
a ls a u s g e m a c h t fa lsc h v e rw irft, das s te h t d e r S a g e w o h l;
lin d e in e je d e w e lc h e la n g e vor dem A n fa n g d e r L itte ra tu r
im V o lk le b te , g e h ö r t a n s ic h , a ls e in e le b e n d ig e U rk u n d e ,
595 w e n n a u c h n i c h t d u r c h i h r e n B e r i c h t , i n e i n e l i e b e n d g e ­
s c h rie b e n e rö m isc h e G e s c h ic h te .

Der gallische Krieg, und die Einnahme Roms.


Jene Sage e rz ä h lte , A ru n s, e in B ü rg er von C lu s iu m
s e y d e r t r e u e V o r m u n d e i n e s L u c u m o g e w e s e n 1171) , d e r z u m

1171) Wohl nicht zufällig ist hier wie in der Sage von Tul-
lia, Aruns der Fromme, Lucumo (Lucius) der Frevler. Uebrigens
ist doch zu vermuthen dass man zu Rom, als diese Erzählung
entstand, nicht so unbekannt mit Etrurien war dass schon damals
Lucumo für einen Eigennamen gegolten hätte: und dann möchte
Aruns ursprünglich darin als ein Mann von der Gemeinde ge­
dacht seyn.
— 460 — [band п .]

J ü n g lin g e rw a c h se n , d ie h ä u s lic h e G e n o sse n sc h a ft m is-


b ra u c h te dessen W e ib zu v e rfü h re n . A ls G e ric h t u n d
O b rig k e it dem G e k rä n k te n d ie A h n d u n g d e r G e s e z e v e r ­
s a g te n , tr ie b ih n d ie V e rz w e iflu n g , w ie d e n G ra fe n J u lia n ,
e in e n u n w id e rs te h lic h e n F e in d zu ru fen . Er b e la d e in e
M enge S a u m th ie re m it S c h lä u c h e n v o ll W e i n u n d O e l, u n d
B in s e n m a tte n v o ll tr o c k n e r F e ig e n : d a m it g in g er über
d ie A lp e n zu den G a llie rn : das L and w e lc h e s d ie s a lle s
h e rv o rb rin g e , w erd e ih n e n g e h ö re n w enn s ie ih m fo lg e n
w o llte n : e in u n k r ie g e r is c h e s G e s c h le c h t w o h n e d a rin . A u g e n ­
b lic k lic h e rh o b s ic h das ganze V o lk m it W e ib und K in d ,
und s ie zogen über das G e b ü rg b is vor C lu s iu m .
D ie C lu s in e r rie fe n d e r R ö m e r B e y s ta n d an: der Senat
w ä h n te , d er N am e Rom s könne genügen d ie B a rb a re n zu
e n tfe rn e n . D re i F a b ie r, Söhne des O b e rp o n tife x M. A m -
b u s tu s , w u rd e n a u s g e s a n d t u m ih n e n im N a m e n d e s S e n a t s 596
a n z n d e u te n d a s s s ie v o n R o m s S ch u zg en o ssen a b la s se n
s o llte n . D ie G a llie r a n tw o r te te n , ih r L a n d sey ih n e n z u
eng; aber v e rtilg e n w o llte n s ie d ie C lu s in e r n i c h t , w o­
fe rn d ie s e ih r e L a n d s c h a f t m it ih n e n th e ilt e n . J e n e , w e lc h e
s ic h v e rla c h t fa n d e n , v e rg a sse n im Z o rn d ass k e in R öm er
gegen e in V o lk dem d ie R e p u b lik den K rie g n ic h t er­
k lä rt habe; dass auch in g e s e z m ä s sig e rk lä rte m K rie g
n ie m a n d der n ic h t zu den F ahnen g e sc h w o re n habe, d ie
W a ffe n fü h re n könne ohne F lu c h auf R om und s ic h zu
la d e n ; e n d lic h dass s ie G e s a n d te , und a ls s o lc h e s e lb s t
von den B a rb a re n n i c h t v e r l e z t w a r e n 1172) . S ie fo c h te n in
d e n e r s t e n R e i h e n d e r C lu s in e r b e y e in e m A u s f a ll ; Q . F a b iu s
s tie s s e in e n g a l lis c h e n H e e r f ü h r e r n ie d e r, u n d w a rd e r k a n n t
a ls er dessen W a ffe n nahm . A ls b a ld lie s s K ö n ig B ren n u s
zum R ückzug b la s e n , d a m it das B lu t d e r G e s a n d te n s e in
V o lk n i c h t v e r s ü n d ig e : v o n d e n R ö m e rn w o llte e r s ie fo rd e rn ,
Sühnung e rla n g e n , o d e r e in e n den G ö tte rn w o h lg e fä llig e n
K rie g .
E r erk o h r d ie g r ö s s te n u n te r s e in e n r ie s e n h a fte n K äm ­
p e n 73) um den R ö m e rn d ie W ahl z w is c h e n A u s lie fe ru n g
der S c h u ld ig e n und K rie g zu s te lle n . D ie F e tia le n e r-

11T2) ich habe hinzugefügt was klar macht wie vielfach die
Fabier eich versündigten. 7ä) Appian us Celt. 3. p. 78.
[ band п .] — 461 —

m a h n te n , sonder Schonung d ie R e p u b lik von d e r S c h u ld


zu b efre y e n ; d ie M e h rh e it im S enat e rk a n n te w a s P flic h t
w a r, aber s ie v e rm o c h te n den E n ts c h lu s s n ic h t, M änner
aus dem e d e ls te n G e s c h le c h t e in e m w ild e n F e in d und dem
M a rte rto d zu ü b e ra n tw o rte n . Es w a rd b e s c h lo ss e n E n t­
s c h e id u n g und V e ra n tw o rtu n g dem V o lk zu ü b e rla s s e n :
597 h i e r s i e g t e d a s M itg e fü h l; ja m an e ilte d ie A n g e k la g te n
zu c o n s u la ris c h e n T r ib u n e n zu e rn e n n e n , u n d b e s c h ie d d ie
F rem d e n : so la n g e e in e r d ie s e M a g is tr a tu r b e k le id e s te h e
e r u n te r k e in e m G e ric h t; w enn das Ja h r a b g e la u fe n seyn
w e rd e , und ih r Z o rn noch fo rtd a u re , m ö c h te n s ie d ie
K la g e e rn eu e rn . A u g e n b lic k lic h a ls d ie s e A n tw o rt be­
r ic h te t, w o rd en , b ra c h das L ager auf und e ilte ra s tlo s von
C lu s iu m gegen R om . F u s s v o lk und R e isig e in z a h llo s e r
M enge b e d e c k te n d ie F e l d e r : a l l e s flo h vor ih n e n in d ie
S t ä d t e , s i e a b e r z o g e n v o r ü b e r o h n e d a s L a n d z u v e r l e z e n 1174) :
ih r W eg gehe nach R om , rie fe n s ie den W achen au f den
Z in n e n der M a u e rn zu. D ie S ta d t w ü rd e ganz u n g e rü s te t
ü b e rfa lle n seyn, w enn n ic h t e in M ann von d e r G e m e in d e ,
M. C ä d i c i u s 75), N a c h t s , a u f d e r V ia n o v a u n te r dem P a la -
tin u s , e in e S tim m e v ern o m m en h ä tte , w e lc h e v e rk ü n d ig te ,
d ie G a llie r s e y e n im A n z u g 76) . A u f d ie s e K u n d e w u rd e n
d ie W e h r h a f te n e ilig s t a u fg e b o te n , u n d a u f d e r s a la ris c h e n
S tra s s e d e m F e in d e n tg e g e n g e fü h rt, m it dem s ie e lf M illie n
598 v o r der S ta d t z u s a m m e n tra fe n , wo d ie A l i a 77) aus den
c ru s tu m in is c h e n B e rg e n gegen d ie T i b e r f l i e s s t 78) .

1X74) Plutarch Camill. p. 137. c. — In einem Mährchen kann


das stehen. 75) Unter diesem M. Cädicius hat sich die Le­
gende gewiss keinen ändern gedacht als den welcher топ den
nach Veji Geretteten zum Befehlshaber erhoben; und, nach der
Sage топ Camillus, ihn zur Rückkehr einzuladen abgeordnet seyn
soll. 7ß) Die Erscheinung sezt allein Dio (Zonaras p. 33. d.)
in diese Zeit; und das äst augenscheinlich ächt, denn so ist es
Warnung der erbarmenden Götter, das Heer in die Stadt zu
werfen; und gereicht doch Rom zum Verderben, deseen Zerstö­
rung das Schicksal beschlossen hat: denn die Militartribunen
eilen unüberlegt zum Treffen. In allen ändern Erzählungen wird
sie weit früher gesezt. 77) So, mit nur einem 1, steht dieser
den Römern verruchte Name durchaus in den Handschriften, auch
bey den Griechen: die Verdoppelung welche durch Virgil, als
jeder Philologe ihn auswendig wusste, allgemein in Gebrauch ge-
— 462 — [band п .]

Um die historische Glaublichkeit dieser Erzählung zu


würdigen, genügt es zu bemerken dass die consularische
Obrigkeit damals ihr Amt mit dem ersten Quinctilis. an­
trat, die Schlacht aber den fünfzehnten vor den Sextil-
kalenden, damals den Tag nach den Iden, oder den sechszehn­
ten Julius nach unsrer Zeitrechnung1179), verrucht machte.
Angenommen, .die Consulartribunen wären am lezten Junius 599
erwählt worden, so wären von da an volle fünfzehn Tage
verflossen ehe die Gallier, welche durch diesen Hohn ge­
reizt seyn sollten ‘gegen Rom aufzubrechen, deren Eile
die Stadt überrascht haben soll, es vernommen und einen
Weg von nur drey Tagemärschen80) zurückgelegt hätten.
Aber es bedarf keiner Kritik der luftigen Sage; da hier
die historische Erzählung nicht, wie über Y eji, verdrängt
ist, sondern sich aus einem höchst glaubhaften, wohl zu­
verlässig aus Fabius entlehnten Bericht, eingeleitet und
ergänzt durch einige andere nicht minder zuverlässige
Züge, herstellen lässt. Die Ehre der dichterischen Darstel­
lung wird auch hier bewahrt, wenn sie nicht für das aus­
gegeben wird was sie nicht seyn kann.

kommen ist, hat er, wie Servius bemerkt, vorgenommen um das


Wort gebrauchen zu können: guos — infaustum interluit A llia
nom en : A e n . УН. 717. 78) In Diodors Erzählung hat es
den Schein, aber täuschend, als ob sie auf dem rechten Tiber­
ufer einströhme: s. [Th. 2.] Anm. HSÖ- Die Erwähnung bey
Virgil, der sich gewiss nicht über dergleichen irren konnte, ge­
stattet über den Ort keinen Zweifel, wozu man versucht seyn
könnte, da ein Wasser, wie es Livius beschreibt, in der angege­
benen Entfernung, unter den vielen Bächen jener Gegend, aller­
dings nicht zu erkennen ist.
1179) Nach der Eeform des Kalenders ward postr. Id u s Qiänct.
der 17. a. K a l. Sext . weil der Julius zwey Tage mehr bekam:
da nun in den Fasten der 15. a. K a l . als dies A liensis bezeichnet
war, so sah man in dem nämlichen Datum zwey Tage, und bil­
dete sich ein, Q. Sulpicius habe am Tage nach den Iden den
Willen der Götter durch Opfer gefragt, und am dritten Tage
darauf die Schlacht angenommen. In dieser Verwirrung ist Li­
vius schon nur vierzig Jahre nachher (VI. 1.): Verrius Flaccus
aber wusste sehr wohl dass der dies A liensis der nächste nach
den Iden, und das Unglück des dritten Tags die Einnahme der
Stadt war. 80) Polybius H. 25.
[ band II.] — 463 —

Es darf für augenscheinlich sicher gelten dass die


Gallier durch das Thal von Aosta in Italien gekommen
sind. Die Salasser, welche es bis auf Augustus bewohn­
ten, waren vom Stamm der Taurisker1181); mithin zurück­
geblieben, während ihre Genossen, einem reicheren Loos
nachziehend ihren Weg fortsezten; die Tauriner aber L i­
gurer, also dass man wenn die Gallier über den Mont
Genèvre gekommen wären annehmen müsste die Einwand­
rer hätten ein fremdes Volk zwischen sich und der Heimat
gelassen. Ob sie aber wie Hannibal über den kleinen,
oder wie Bonaparte über den grossen Bernhard gekommen
sind, ob ihr Zug der Isere folgte, oder den Leman rechts
hatte, wäre eine eitle Frage. Das mag gegründet seyn
dass ein Sieg am Tessin ihnen die Ebenen der Etrusker
öffnete, diese aber auch nachher an manchem Tag ihren
«ю Besiz mit den Waffen zu behaupten, fruchtlos versuch­
ten82). So weit sie selbst sich niederlassen wollten, ver­
tilgten sie die alte Bevölkerung; denn Ackerbauer waren
ihnen überflüssig, und hätten ihre Heerden beschränkt:
aber ausserhalb ihrer Gränzen nahmen sie viele Völker zu
Untertänigkeit und Steuer an 88): so, ohne Zweifel, sind
•die Umbrer und Picenter verschont worden. Auch Orte
in unzugänglicher Lage, wie Eavenna, werden friedliches
Leben erkauft haben.
Ein Volk nach dem ändern ströhmte über das Gebürg,
und zog vorwärts durch die schon angesiedelten Genossen
nach Landschaften die noch nicht eingenommen waren.
So Hessen sich die Senoner in der Romagna nieder. Von
hier öffnete ihnen die Unterwerfung der Umbrer die Pässe
der Apenninen nach dem südlichen Etrurien, dessen nörd­
liche Gränze nicht zu überwältigen seyn mochte. So er­
schienen sie vor Clusium, dreyssigtausend an der Zahl8*),
als ein Heer, nicht als wanderndes Volk: Weib und Kind
mit der Habe waren am obern Meer zurückgeblieben.
Der Senat sandte Boten, nicht an die Gallier, nicht
zu einer dünkelvollen Vermittlung, sondern um die fremde

USl) Cato bey Plinius HI. 24. 82) Livius V. 34. 35.
&*) Polybius II. 18. 84) Diese und die später Vor­
kommen de Zahl, beruhen, wie von hier an das Ganze der Er­
zählung, auf Diodor XIV. 113. ff.
— 464 — [band п .]

Heeresmacht zu erkundigen1185). Diese nahmen in den


Eeihen der Clusiner Theil an einem Gefecht, und einer
топ ihnen tödtete einen vornehmen Befehlshaber86). Die
Gallier erkannten den Fremden, und Hessen zu Rom seine
Auslieferung fordern, •wie es sich nach dem Recht derFe-eoi
tialen gebührte. Vergebens suchte man sie mit Gold zu
versöhnen, sie wollten Blut. Auch dazu entschloss sich
der Senat, damit die Sünde des»Einen nicht über das
ganze Volk komme. Aber dieser war Sohn eines der
Consulartribunen; der Vater rief den Entschluss des Po­
pulus über den Tod — und welchen Tod ! eines Geschlech-
ters an : und die Curien, welche nie zuvor einen Beschluss
des Senats abgeschafft hatten, verweigerten des Jünglings
Ueberantwortung87) .
Als die Gallier dies vernommen hatten, mahnten sie
ihre Volksgenossen, und nahmen, durch grosse Schaaren
verstärkt, siebzigtausend an der Zahl, die Strasse gegen
Rom. Hier waren inzwischen die Cohorten der Bundes­
genossen ein gerückt88), und wer Waffen führen konnte
war gerüstet?9). Es ist klar dass das ganze Aufgebot ein
Lager bey Veji genommen hatte um die Bewegungen der
Feinde zu beobachten, wie 421 als ein Einbruch desselben
Volks gefürchtet ward: denn jene Erzählung, deren Rich­
tigkeit auch in kleinen Zügen keinen Zweifel zulässt, be­
richtet, das römische Heer sey über die Tiber gegangen,
und längs dem Ufer an die Alia marschirt90) ; nämlich auf
die plözliche Kunde, der Feind komme in Eilmärschen, 602
um die von allen Vertheidigern entblösste Stadt zu über-

II85) хатаахефореѵоид, 8б) Es wird p. 261. Z. 2. ed.


B ip , Хптхарушѵ statt ènapyotv zu lesen seyn. 87) Dass die
Curien der oijfiog waren von dem Diodor hier erzählt, ist dargethan
Anm. 367 «) 88) Polybius a. a. 0. vtxyaavreg
*Pù)fia(oug xa l то ид fie ra тоитшѵ n aparaÇ afiévou g.
39j ä n a v ra g roùg èv ijXixta ха&шяЛнтаѵ : — unter denen alle
bis auf die y é p o v reg à<peipévot zu verstehen sind : — è$eÀiïovreç
п аѵЩ р.еі\ Diodor XIV. 114. 90) Ötaßavreg rd v Ttßeptv
п а р а rd v n o ra fib v Ijyayov rijv duvaßiv. Das. — Die Richtung
der Flucht nach Veji hin, macht auch diese Annahme wahr­
scheinlich: man hoffte die Brücke zu erreichen, ward aber davon
abgeschnitten.
a) S ch w egler П . 138. A. 5.
{band II.] — 465 —

fallen, und sey schon ganz nahe1191): die Befehlshaber hoff­


ten die Verheerung der Landschaft zu hindern. Hätten sie
doch diese Hoffnung nicht gehegt! eine unter den Mauern
der Stadt verlorne Schlacht würde ihren Untergang nicht
zur Folge gehabt haben.
Offenbar hatten die Eömer an der Alia kein Lager
genommen, sondern begegneten dem Feind auf dem Marsch.
Ohne irgend einiges vorgesehen, ohne die Stadt für eine
Belagerung versorgt und gerüstet zu haben, eilten sie zu
einem Treffen mit dem alles verloren seyn [musste: wohl
nicht aus gewähnter Zuversicht des Siegs92). Wenn die
Lösung schwerer Aufgaben von einem kunstvollen, man-
nichfaltigen Plan, und dessen stätiger, den wandelnden
ш Umständen angemessener, Ausführung abhängt, so wird
der nichts übereilen der ihn zu entwerfen und ins Werk
zu richten die Fähigkeit hat; die Vollendung des Schwie­
rigen ist Genuss: wer aber die Aufgabe nicht beherrscht,
der eilt zur Entscheidung, beschleunigt sie mehr als der
des Siegs sichre Gegner; höchstens - mit dem Trost dass
Muth und vielleicht ein Glücksfall helfen könne; oft auch
nur um zu endigen; wie ein Unglücklicher, dessen Geistes­
kraft gefesselt ist, marternder Angst durch den Tod zu
entfliehen sucht.
Das römische Heer zählte vierzigtausend Mann93); der

II9*) Die Eile der Feinde redet ganz vorzüglich dafür dass
das römische Heer seitwärts von der Stadt stand. Die Siege der
Barbaren sind oft durch die Strategik ihrer Feldherren, lange
nicht immer durch wilden Ungestüm, entschieden worden, den
man gewöhnlich allein als ihre Ursache denkt ; wie hier die Sage
angenommen hat dass Zorn und Wuth sie vorwärts getrieben
hätten. 92) Indessen übertreibt Livius doch die verblendet
Versäumniss. Ohne einen Oberbefehlshaber waren die Römer
nicht: Q. Sulpicius hat unter seinen Collegen den traurigen Vor­
zug als solcher in der Schlacht (Gellius V. 17 ) und bey dem
Loskauf der Stadt dargestellt zu werden: worauf seine Nach­
kommen doch eitel gewesen seyn mögen. Auch versäumten die
Militartribunen nicht, den Rathschluss der Götter vor der Schlacht
durch Opfer zu erfragen: aber es geschah, wie diese und ähn­
liche Erfahrungen lehrten, an einem schwarzen Tage, wo die
Zeichen täuschten. 93) Plutarch Camill. p. 137. c.
Niobuhr, Köm. Gosch. 30
— 466 — [bakd ii, J
!
linke Flü gel1194) vier und zwanzig tausend95): vier römische :j
Legionen, also eine gleiche Anzahl Linientruppen der zu­
gewandten96) : der rechte wird aus zwey Legionen Bejahr­
ter, und drey städtischen, aus Proletariern und Aerariern
gebildet, bestanden haben97): die römische Eeuterey wird
Fabius auf vier Legionen zu zwölfhundert angenommen 60*
haben; so dass, wenn er die der Verbündeten nicht in
Anschlag brachte, auch diese W affe in der runden Summe
begriffen war. Wie es scheint hatte das Heer die Alia
vor sich; einen unbedeutenden Fluss, der zumal im Sommer
nur der Eeuterey durch etwas hohe Ufer einige Schwierig­
keit entgegen stellen konnte. Der linke Flügel war an
die Tiber gelehnt, und stand auf flachem Felde: die gröss-
tentheils ungeübten Truppen des rechten waren auf Höhen
und durchschnittenem Boden aufgestellt, dabey aber war
die Linie der Feldlegionen sehr weit gezogen und schwach.
Doch scheint es kaum dass die Gallier diesen Umstand
benuzt haben sie zu durchbrechen. Brennus, der auch so
das römische Heer überflügelte, griff mit auserlesenem Volk,
und grosser Uebermacht, die Hügel an, und warf die Ent­
gegenstehenden im Augenblick herunter. Von der galli­
schen Eeuterey schweigen die Erzählungen: es ist aber
nicht zu bezweifeln dass sie ein eben so grosser Theil
des Heers war wie bey Sentinum, oder bey den Einfällen

1194) Flügel sezen einen Körper, in der Schlachtordnung ein


Centrum, voraus, und dies war in den römischen Kriegen höchst
selten vorhanden; wenn nicht, wie über 309 vorausgesetzt wird,.
Veteranen neben der doppelten Zahl Feldlegionen auszogen, bildet
jedes cornu die Hälfte des Heers: und dieses Wort ist ange­
messen; da die Hörner sich mit ihren Wurzeln berühren. Es
war wohl wegen jener Uneigentlichkeit dass Xylander im deut­
schen Polybius es durch S p ize giebt: aber ein so befremdlicher
Ausdruck ist unzulässiger als ein uneigentlicher, der eine Erklä­
rung annimmt. 95) Diodor XIV. 114. 96) r s r r a p a r a y -
fia r a èvrzkyj , Dionysius exc. 25. p. 28: also in runder Summe,
nach dem damaligen Schema, 12000 Mann Römer: und die Zu­
gewandten (oben Anm. 1188) waren eben so viele. 97) Die
Cohorten der seniores waren die Hälfte derer die ins Feld zogen
(oben S. 139), also hier zwey Legionen: die städtischen zählten
ohne Zweifel eben auch jede dreytausend Mann, mithin war diesft
kleinere Hälfte 15000 Mann stark.
[band п .] — 467 —

in Makedonien und Griechenland, und die völlige Nieder*


läge auch der Linientruppen beschleunigte und entschied.
Ueberflügelt und bald umringt, ergriff diese ein panisches
Schrecken. Abgeschnitten von Rom floh alles nach den
Ufern der Tiber in einer uugeheueru verworrenen Masse,
die sich selbst die Flucht hemmte: von allen Seiten bra­
chen die Gallier unter sie ein, und die Ueberwältigten fielen
605 unter ihren Schwerdtern. Das Heer ward nicht durch die
Flucht gerettet, indem sie die Stadt aufopferte, wie Livius,
seiner eigenen Erzählung uneingedenk, sagt, wo er Cannä
mit Alia vergleicht1198); auch konnte die Flucht hier nicht
retten. Die Wurfspiesse der Gallier, vom Ufer in die
dichten Schwärme der Schwimmenden, welche sich durch
die Tiber zu retten suchten, geschleudert, tödteten eine
sehr grosse Menge: sehr wenige entkamen mit vollen
Waffen, die meisten hatten sie am Ufer von sich geworfen.
Jedoch hatte sich eine nicht geringe Zahl Flüchtlinge in
einem Wald zwischen dem Fluss und der salarischen Strasse
verborgen99): und einigermaassen mindert es die Vorstel­
lung vom Umfang des Blutbads dass sich wenigstens zwey
der Tribunen nachher als überlebend genannt finden. Die
vom rechten Flügel, welche in den waldigen Höhen ent­
kommen konnten, da der Sieger sie fahren liess, und sich
gegen die Linienlegionen wandte, mögen Rom auf Um­
wegen erreicht haben, die übrigen Entronnenen sammelten
sich zu Veji.
Einige Zeit verfloss während die Barbaren die Leichen
plünderten und ihre blutigen Siegszeichen sammelten:
doch schon vor Einbruch der Nacht erschienen ihre Reuter
auf dem Marsfeld und vor dem collinischen Thor. Damals
hätte nichts sie hindern können dieses zu sprengen und
sich aller Wehrlosen und der gesammten Beute in der
Stadt zu bemeistern: aber wenn auch Brennus den Sieg zu
vollenden gesucht hätte wie er ihn als Feldherr entschieden
бое hatte, so fanden seine Befehle jezt keinen Gehorsam. ^ Ver­
breitet über die ganze offene Landschaft von der Alia bis
zur Stadt, überliessen sich die Gallier ungezügelt der

Livius ХХП. 50.


1198) " ) Ausz. des Festus 8. v . luca-
—, Name des Feste womit die Errettung in diesem Schlupf­
ri a :
winkel gefeyert ward.
30*
— 468 — [band II.]

der Plünderung, der Trunkenheit, und allen Gräueln welche


unbeherrschte brutale Schaaren nach einem Sturm, zuweilen
nach einer Niederlage, üben. In dieser Auflösung ver­
ging die Facht, der ganze Tag des siebzehnten, und noch
eine Nacht1200) : ein Theil schwelgte, während andre über­
wältigt von der Ermüdung der Märsche und der Schlacht,
oder von Trunkenheit, in Schlaf versunken lagen. So ver­
zögerte sich die Unternehmung gegen Eom, und das Da­
seyn der römischen Nation ward gerettet.
Denn inzwischen war in der Stadt ein Entschluss ge­
fasst und ausgeführt. Verteidigung war unmöglich: die
Flüchtlinge vom rechten Flügel kamen ohne Waffen: die
welche sich nach Veji gerettet hatten, waren auch wehrlos;
und hätten sie denn vor den Augen der Sieger, die schon
das Marsfeld zu bedecken anfingen, in die Stadt gelangen
können? Man beschloss Kapitol und Burg mit den Wehr­
haftesten zu besezen, und diese mit den Vorräthen zu ver­
sehen welche die gesammte Bevölkerung in wenigen Tagen
aufgezehrt haben würde. Auch Schäze und Kostbar­
keiten wurden hinaufgeschafft : die Auswandernden, welche вот
sich nach allen Orten zerstreuten wo sie Gastfreunde
und Mitleiden zu finden hofften, nahmen mit sich fort
was sie tragen und wegführen konnten. Die Heilig-
thümer wurden zum Theil vergraben, zum Theil nach
Cäre geflüchtet. L. Albinius, ein Plebejer, welcher seine
Frau und edie Kinder den Clivus des Janiculus hinauf
fuhr, erreichte die Priester und die Vestalinnen welche
die verehrtesten Heiligthümer unter sich vertheilt trugen:
er liess die Seinigen absteigen, und nahm auf so viel sein
Fuhrwerk fassen konnte. Zu Cäre wurde alles gewissen­
haft bewahrt, und nach der Eäumung führte Albinius was
er fortgeschafft hatte, wieder zurück1).

1200) Gewiss nur aus Misverständniss glaubt Diodor dass die


Gallier drey Tage gezögert hätten ehe sie in die Stadt brachen:
post diem tertium , bey Verrius (Gellius V. 17.)» ist in derselben
Art gerechnet wie ante diem [;tert.] : — und Livius, wiewohl er
sich etwas verwirrt, folgt doch unverkennbar einem Bericht dass
die Todesangst zwey Nächte und einen Tag gewährt habe. Vgl.
V. 39. und 41. interpoeita node a contentione pugnae remiserant
anim osi — sine ira — ingressi postero die. 1) ßey Diodor,
XV. 51. heisst der Militartribun Albinius des Jahrs 376, den
[ band i i .J — 469 —

Den Entschluss die Greise aufznopfem kann man aller­


dings für ein Yolk im Alterthum nicht undenkbar nennen:
undenkbar aber ist es dass sie, bewogen durch der
608 Patricier Beyspiel, ihr Loos, hingegeben als Opfer, erwartet
hätten. Wussten sie denn dass ein erwünschter Tod sie
schnell erlösen : ob nicht unmenschlicher Muthwille sie ihm
erst in Martern finden lassen werde? ob sie nicht als
Sklaven, nicht nach ihren Kräften sondern nach der Bar­
baren Laune, würden fortgetrieben werden? Sie konnten
Mauern un4 Thore vertheidigen, konnten im Innern der
Stadt mit allerlei Geschoss Gegenwehr leisten, manchen
Feind mit sich fortnehmen; wobey, wenn die behaupteten
Stadtgegenden in Brand geriethen, dem Sieger die Beute
entzogen wäre. Doch kennt auch nur Livius allein diese
starre Resignation. Andre erzählten: während das ganze
übrige Volk sich rettete, hätten achtzig Priester und andre von
den vornehmsten patricischen Greisen, auf dem Forum, in
Feyerkleidern auf ihren curulischen Thronen sizend, den Tod er­
wartet1202): einfreyer gemeinsamer Entschluss unter Gleichen,
denen es unerträglich war den Gottesdienst und die Repu-
plik zu überleben, an dem nichts unwahrscheinliches ist:
am wenigsten wenn die zum Tod Ents chlossenen sich
feyerlich in die Hände des Oberpontifex für die Eepublik
und zum Verderben der Feinde geweiht hatten3). Vollends

Livius Marcus nennt, Lucius; wenn dies jemals Bestätigung findet,


so dürfte es fast für gewiss gelten dass es dieser Fromme war.
Denn de plebe Romana homo kann auch der ausgezeichnetste
Plebejer genannt werden, wie der höfliche A usdruck patriciae
gentis, eben so gut gebraucht wird wo vou den Giftmischerinnen
als wenn von Manlius die Rede ist. Die Frage wäre w ohl ent­
schieden wenn die Inschrift aus dem Forum des Augustus in der
Vaticanischen Gallerie, welche Borgheai im G iornale A rcadico 1.
p. 58. hat abdrucken lassen, ganz erhalten wäre. So weit ein
Theil der Zeilen vorhanden ist, lässt sich das Verlorne sicher
ergängen: cu m G a l l i | o b sid e re n t Capitolium, | v i r g i n e s
Vestales Caere d ed u x it : | s a c r a a t que ritus soltemnes ne | n$~
g l i g e r e n t u r cu rai sibi habuit; | u r b e r e e c u p e r a t a sacra e*
virgines | В о т am r e v e x it . «)
«) Schwegler IH. 250. A. p.
1202) Zonaras p. 33. f. — welcher allein die Zahl angiebt :
— Plutarch Cam ill. p. 139. e. Nach Livius sassen sie jeder in
dçr Halle seines Hauses. 3) Plutarch a. a. 0. und Livius.
— 470 — [ band п .]

a b e r i s t e s g a n z u n d e n k b a r d a s s W e ib e r u n d K in d e r g rö s s s te n -
th e ils in d e r S ta d t g e b lie b e n w ä re n , w o g rä n z e n lo s e S c h m a c h
u n d M is h a n d lu n g u n a u s b le ib lic h s ie e rw a rte te , da es d och
m ö g lic h w a r s ic h d u rch F lu c h t zu re tte n . Es h e is s t, e in e
g ro sse Z ahl habe s ic h im le z te n A u g e n b lic k z u g e d rä n g t,
und A u fn ah m e im K a p ito l u n d B u r g e rla n g t: a ls ob, w en n eo9
d a s m ö g lic h w a r, n ic h t a lle s ic h e in g e d r ä n g t h a b e n w ü rd e n ;
a ls ob der k le in e R aum m ehr a ls d ie n o th w e n d ig e n V e r-
th e id ig e r, und V o rrä th e fü r s ie , h ä tte fa sse n können.
G anz v e rw e rflic h la u te t e n d lic h d ie E rz ä h lu n g dass d ie
T h o re der S ta d t in d e r V e rz w e iflu n g n ic h t g e s c h lo ss e n
w o rd e n , u n d nur F u rch t vor e in e m lis tig e n A n s c h la g d ie
S ie g e r z u rü c k g e h a lte n habe e in z u z ie h e n : aber h ie r b e d a rf
es k e in e r in n e rn G rü n d e , da der ä c h te B e r i c h t b e y D io d o r
m e ld e t, dass d ie G a llie r s ie a u fh ie b e n , a ls d ie M a u e rn
ganz v e rla s se n w a re n .
Es w ä re s e h r u n g e r e c h t w e n n je m a n d , w as h ie r ü b er
L iv iu s E rz ä h lu n g gesagt is t, fü r V e rk le in e ru n g ausgäbe.
S o lc h e K ritik e n s c h m ä le rn s e in e n u n v e rg ä n g lic h e n R uhm
n ic h t: eben s o b a ld der A n sp ru c h e n tf e r n t is t, dem zu g e­
n ü g e n L iv iu s g e rin g ste S o rg e w a r, s tö rt n ic h ts dem U nbe­
fan g en e n d ie F reu d e an s e in e r D a rs te llu n g : s o llte e s e in e
v e rk e h rte N a tu r geben der s ie v e rle id e t w ä re , w e il ih re
h is to r i s c h e T J n h a ltb a r k e it d a r g e le g t is t, so m ü s s te m a n e in e
s o lc h e b ed a u ern ; sch o n en lie s s e s ie s ic h n ic h t. W e r e in e n
v e rn a c h lä s s ig te n und tr o c k n e n B e r i c h t e in e r a llg e m e in be­
k a n n te n und m e is te rh a fte n S c h ild e ru n g v o rg e z o g e n h a t,
m uss s ic h re c h tfe rtig e n , d a rth u n dass er n ic h t au s P a ra ­
d o x ie d a s S c h ö n e re z u rü c k s te llte . D e r L e s e r d e m ic h , w e n n
e r th e iln e h m e n d so w e it fo lg te , n ic h t fre m d g e b lie b e n seyn
kann, w ir d g la u b e n d a s s d a s U r th e il w e lc h e s a u f d e n e rs te n
S e ite n d ie s e r G e s c h ic h te über L iv iu s g e ä u sse rt is t, a u f­
ric h tig w a r. U nd in s e in e r e ig e n tü m lic h e n M e is te rh a ftig -
k e it, in dem R e ic h th u m und den F a rb e n w e lc h e m anches
Jah rh u n d ert n a c h h e r d ie A u s s ta ttu n g d e r u n te r dem n ä m - 6io
lie h e n H im m e l g e b o rn e n v e n e tia n is c h e n M a le r w u rd e n ,
g lä n z t er s e lb s t n irg e n d s m ehr a ls eben in d ie s e r D ar­
s t e l l u n g 120! ) : e i n e l e b e n d i g e r e g e w ä h r t k e i n G e s c h i c h t s c h r e i ­
b e r b e y d e r N a tio n e n .

1204) Er dacht© die übriggebliebene Blüthe der Römer in


der Burg eingeschlossen: ihre Geliebteeten und ihr Eigenthum
[ band п .] — 471 —

A ls d ie G a llie r d u rc h , das c o llm is c h e Thor in d ie


S ta d t e in g e h ro c h e n w a re n , fa n d e n s ie a lle s ö d e u n d ausge­
s to rb e n : das G ra u se n w e lc h e s e in e n F rem d e n e rg re ift d er
im S o m m e r in e in e r S ta d t des h o h en N o rd e n s u m M itte r­
n a c h t T a g e s h e lle und k e in L eben auf den G assen s ie h t,
kam über s ie . A lle H äuser w a re n v e rs c h lo ss e n , m an zog
im m e r v o rw ä rts b is auf das F o ru m . H ie r e rb lic k te n s ie
in der H öhe d ie B e w a f f n e te n auf d er B u rg : a u f dem C o­
m itiu m d ie c u r u lis c h e n G re is e , w e lc h e W e s e n e in e r ä n d e rn
W e lt z u s e y n s c h ie n e n . Z w e ife lh a ft, o b n ic h t d ie G ö tte r h e r ­
a b g e s tie g e n w ä re n u m E o m zu r e tte n o d e r zu rä c h e n , n ä h e rte
s ic h e in G a llie r e in e m d e r P r i e s t e r 1205) , M . P a p i r i u s , und
e n b e rü h rte s e in e n w e is s e n B a rt: d e r G r e is s c h lu g ih n z o r­
n ig m it dem e lfe n b e in e rn e n S c e p te r ü b e r den K o p f: der
B a rb a r h ie b ih n n ie d e r, und a lle w u rd en u m g e b ra c h t.
D ann begann d ie P l ü n d e r u n g im g a n z e n U m f a n g d e r S ta d t,
und b a ld b ra c h h ie r und d o rt F e u e r aus. T ag fü r T a g ,
so la n g e v erb o rg en e s G u t e n td e c k t w a rd , e rn e u e rte n s ic h
d ie s e A u ftritte ; d ie F e u e rs b rü n s te v e rm e h rte n und v e r­
b re ite te n s ic h , und b is a u f w e n ig e H ä u s e r a u f dem P a la -
t i u m 6) , w e l c h e d ie H e e r f ü h r e r zur W ohnung fü r s ic h e r­
h a lte n H essen , w ard d ie ganze S ta d t e in g e ä s c h e rt.
A uf dem K a p ito l und der B u rg w a re n an ta u s e n d
B e w a f f n e t e 7) v e rs a m m e lt: u n te r ih n e n d ie ü b e rle b e n d e n
C o n s u la rtrib u n e n und jü n g e r e n S e n a to re n . U n e in n e h m b a r
w ar d er O rt n ic h t: A p p iu s H e rd o n iu s h a tte den E ö m e rn

in der Stadt und der Gewalt eines frevelnden Feindes : die Blicke
eines jeden auf seine Wohnung geheftet, und das Herz zerrissen
wenn dort die Lohe aufschlug, oder Jammergeschrey sich zu er­
heben schien. Was sein Geist schuf, das hatte Cellini nach dem.
Sturm des Connetable Bourbon auf der Engelsburg erlebt; denn
damals war die Stadt ganz unerwartet eingenommen: eine Schil­
derung erinnert an die andere. Aber die livianische ist ein
Traum. In Eom war gewiss niemand zurückgeblieben als schlechte
Knechte, und schändliches Gesindel aller Art, die sich dem frem­
den Kriegsvolk, jeder nach seiner Art, vertraut zu machen, mit
ihnen zu leben und zu gewinnen dachten : sie anleiten konnten
vergrabene Schäze zu finden, und Geraubtee abkaufen.
1205) Das muss er gewesen seyn : denn in den Fasten kommt
er nicht vor. ®) Diodor. 7) Florus I. 13. Satis constat
v ix mille hominvm fuisse .
— 47 2 — [band ii .J

u n te rlie g e n m üssen: w ie d e rh o lt lie fe n auch d ie G a llie r


S t u r m g e g e n d e n C liv u s , w u r d e n a b e r d u r c h v e r z w e if e lte n
W id e rs ta n d zu rü ck g e w o rfe n . D a rn a c h r e c h n e te n s ie a u f
den H u n g e r, da an k e in e n E n tsa z zu denken w ar. A lle in
a l s d ie E in g e s c h lo s s e n e n a u s d a u e r te n , m it W a s s e r d u rc h d e n
B ru n n en , d e r b i s a u f d ie s e n T a g im I n n e r n d e s ta r p e ji s c h e n
B e rg s e in g le ic h z e itig e s D enkm al der B e la g e ru n g i s t 1208) ,
v e rs o rg t, m it N a h ru n g z u r N o th d u rft fü r ih re k le in e Z a h l;
da rä c h te s ic h d ie w ild e V e rw ü stu n g : d ie G a llie r s e lb s t
b e g a n n e n a u f d e n B r a n d s t ä t t e n g r o s s e s U n g e m a c h z u le id e n .
Schon d ie H u n d sta g e , dann der S e p te m b e r, zu Eom von
je h e r w ie d ie s e n T a g s e u c h e n v o l l, e r z e u g t e n F i e b e r , w e lc h e e ia
d ie F re m d e n bey T au sen d en w e g ra ffte n , w ie K a is e r F r i e ­
d ric h s n o rd is c h e s H eer in d e n s e lb e n M o n a te n u n te r den
M a u e rn der S ta d t h in s ta rb . D ie G egend wo d ie L e ic h e n
v e r b r a n n t w u r d e n , b e h ie lt, so la n g e d a s a lte E o m b e s ta n d ,
den N am en d e r g a llis c h e n S c h e i t e r h a u f e n 9) .
D er g r ö s s te T h e il d e r G a llie r s c h e in t, a ls d ie B e u te e r ­
sc h ö p ft w a r, w e ite r v o rw ä rts , und b is in A p u lie n gezogen
zu s e y n 10) : aber auch d ie Z u rü c k b le ib e n d e n h ä tte n b a ld
a u f b r e c h e n m ü s s e n , w e n n n ic h t L a tiu m , d u r c h B r a n d s c h a z u n g
oder P lü n d e ru n g , s ie e rn ä h rt h ä tte : d a m a ls m ag m ancher
O rt von d e m s p ä te r d ie E e d e j i i c h t m e h r i s t u n te r g e g a n g e n
seyn. A r d e a ï a g so n a h e , u n d n ic h ts la u te t w a h rs c h e in lic h e r
a ls d ass C a m illu s , w enn er d o rt a ls In q u ilin u s le b te , d ie
A rd e a te n , d u rc h s e in e n g ro sse n N am en e rm u th ig t, gegen
d ie P lü n d e re r fü h rte und s ie b e s ie g te : a lle in d ie s e E r­
z ä h lu n g , w e lc h e in den A n n a le n so w e n ig a ls d ie D r a n g -

1208) Th. I. S. 255. Die Oeffnung ist jezt nicht verdeckt,


daher sein Wasser durch Verunreinigung unbrauchbar. Fs kommt
wohl aus der Tiber. 9) Die busta g a llica , nicht weit топ
den Carinen : es ist eine sehr glaubliche Meynung der Topogra­
phen dass der Name zu, Portogallo verdreht worden, und die
Kirche S , A n d re a die Stätte bezeichnet. — Nach einer ändern
Erzählung verbrannten die Eömer dort ihre Leichen nach der
Bäumung. 10) Diodor schreibt XIV. 117., — nach der
Bäumung der Stadt wären die aus Apulien zurückgekehrten Gal-
lier von den Cäriten niedergemacht worden. Dieser Zug in das
südliche Italien brachte sie in Dionysius Nähe, wo ein Theil in
«einen Dienst trat: Justinus XX. 5.
[ band II.] — 473 —

s a le d e r ä n d e rn la tin is c h e n S tä d te g e m e ld e t sey n k o n n te ,
m a g d o ch a u c h n u r a ls re in e E rfin d u n g d e r S a g e a n g e h ö re n .
M an m uss a n n e h m e n , w ie u n b e g re iflic h es auch is t, dass
613 d a s r e c h te U f e r d e s E lu s s e s , s e itd e m d ie B r ü c k e a b g e w o r f e n
w o rd en , g e g e n s ie g e s ic h e rt g e w e se n sey. Zu Y e ji w a re n
v ie le a u s d e r S c h la c h t E n tk o m m e n e , a b e r es f e h lte n W a ffe n
und e in A n f ü h r e r : a ls s o lc h e n e rw ä h lte n s ie M . C ä d i c iu s .
D ie s e r, dessen N am e neben denen d e r E e ld h e rrn genannt
w e rd e n s o llte w e lc h e n Bom am m e is te n v e rd a n k te , fü h rte
s ie g e g e n d ie b e n a c h b a rte n E t r u s k e r 1211) , d ie , e rm u n te rt
d u rc h der B öm er Schw äche, s ic h a u fg e m a c h t h a tte n , und
das v e je n tis c h e G e b ie t p lü n d e rte n w o h in der rö m isc h e
L andm ann d ie T r ü m m e r s e in e r H a b e g e r e tte t h a tte . C ä d i­
c iu s ü b e rra s c h te und s c h lu g d ie u n e d e ln F e in d e , b e fre y te
d ie G e fa n g e n e n , gew ann den B aub w ie d e r, und rü s te te
s e in e w e h rlo s e n L e u te m it den W a ffe n der G e fa n g e n e n
o d e r F lü c h tig e n . D ie g u te B o ts c h a ft, E rm u n te r u n g auszu­
d a u e rn w e il m a n den E n tsa z a u sz u fü h re n h o ffe, w a rd den
a u f d e m K a p ito l E in g e s c h lo s s e n e n d u rc h e in e n k ü h n e n J ü n g ­
lin g , P o n t i u s C o m i n i u s 12), ü b e r b r a c h t , d e r d ie T ib e r h in a b ­
sch w am m , n ah e a m K a p ito l d a s U fe r b e tr a t, u n d u n b em erk t
d u r c h d ie P o s t e n der F e in d e den B erg h in a u f k a m und
z u rü c k k e h rte .
A m fo lg e n d e n M o rg e n b e m e r k te n G a llie r , d a s s a u f d e r
B e r g w a n d u n t e r A r a C e l i 13) a) G e b ü s c h i n d e n B i z e n , w o r -
eH a n s ic h d e r k ü h n e A b e n th e u re r g e h a lte n , lo s g e ris s e n , u n d
G rassb ü sch e l von F u s s tritte n h e ra b g e sto ss e n w ären . D o rt
a lso lie s s s ic h d ie A rx e rk lim m e n . S ie n ä h e rte n s ic h in
d e r M itte rn a c h ts tu n d e in tie f e r S tille ; u n b em erk t vo n d en

1211) Vermuthlich die Tarquinienser ; die Vulsinienser hatten.


Stillstand geschlossen. 12) Der Name Pontiue gehört zu den­
jenigen welche bey den Eömern Eigennamen, bey den Oskern
geschlechtisch waren, oder umgekehrt; wie Pacuvius, Marius;
Cominus ist durch einen alten Emendator, der sich an der Ver­
bindung zweyer scheinbar gentilicischer btiess, in die Handschrif­
ten des Livius und Frontinus gebracht: s. Oudendorp zu diesem,
strat . IEI. 13. 1. 13) An der Porta Carmentalis. Der Berg
war also damals dort noch nicht aufgemauert; und die wahrgenom-
xnene Ersteigbarkeit veranlasste nach der Herstellung der Stadt
zu diesem Bau. a) Schwegler III. 257. A. 1.
— 474 — [band п.]

S c h ild w a c h e n und den H u n d en h a tte e in G a llie r s c h o n d ie


H öhe des F e ls e n s e rs tie g e n , a ls das G esc h re y der G änse
• w e lc h e , w ie s e h r a u c h d e r H a n g e r n a g t e , a l s d e r J u n o g e w e i h t,
g e s c h o n t w u r d e n , d e n A ltc o n s u l M . M a n liu s w e c k te , d e s s e n
H a u s a u f d e r H ö h e l a g 1214) . Y o n je h e r w a r d e r a ls d e r
H e ld j e n e s Z e i ta lta r s n e b e n C a m illu s a n e r k a n n t : w e n ig s te n s
d ie S p ä t e r e n h a b e n ih m E o m s E r r e t t u n g n ic h t a lle in in
je n e r N a c h t z u g e sc h rie b e n ; a u f s e in e n K a th , u n d v o n ih m
g e fü h rt, h ä tte n s ic h d ie W e h rh a fte n auf das K a p ito l b e ­
g e h e n 15) . E r s t ü r z t e d e n E m p o r g e k l o m m e n e n z u r ü c k , s e in
F a l l w a r f d ie n a c h s te ig e n d e n h in a b ; d e r A n s c h la g w ar
v e re ite lt. D er a c h tlo s e H a u p tm a n n d e r d ie W a c h e gehabt
w a rd m i t g e b u n d e n e n H ä n d e n h i n a b g e s t ü r z t 16) : d e m R e t t e r
zum D a n k b r a c h t e j e d e r d e r s ic h in d er B u rg b efan d e in
h a lb e s P fu n d K o rn , und e in e n Y ie rte ls c h o p p e n W e in : d ie
k o s tb a rs te G abe in e in e r H u n g e rs n o th .
D ie s e v ar so hoch g e s tie g e n dass d ie B e la g e rte n das
L eder der S c h ild e und S o h le n v e r z e h r t e n 17) , a ls d i e 6i5
G a llie r dem A n tra g e in e n L oskauf fü r d ie R ä u m u n g der
S ta d t zu nehm en, G ehör g ab en . So la n g e s ie h o ffte n m it
A u sh a rren a lle Schäze zu bekom m en w e lc h e s ic h a u f dem
K a p it o l b e f a n d e n , u n d v o rn e h m e G e f a n g e n e , d ie v o n g e ­
f lü c h te te n A n g e h ö r ig e n o d e r v o n G a s tfre u n d e n g e lö s s t w o rd e n
w ä re n , h a tte n s ie je d e n Y o rs c h la g s ic h m it e in e m T h e il
zu begnügen v e rla c h t. A b e r ih re S c h a a re n s c h m o lz e n , s ie
v e rn a h m e n dass d ie Y e n e te r, d e s K rie g s v o lk s A b w e s e n h e it
benuzend, in ih r L a n d e in g e fa lle n w a r e n ; u n d w en n B re n -
nus e in e n T h e il s e in e r L e u te z u rü c k an den Po gesandt
h ä tte , so k o n n te n d ie z u Y e ji V e r s a m m e lte n l e i c h t d e n
E n t s a z a u s f ü h r e n . W ie d ie R o m a n z e v o n d e n M o h re n e r ­
z ä h lt, dass s ie , a ls d e r R it te r ih n e n d a s le z te , n a c h j a h r e ­
la n g e r B e la g e ru n g im S c h lo s s e ü b rig e , B ro d zu w a rf, ih r
U n te rn e h m e n a u fg a b e n , und au fb ra c h e n , so d ic h te te n d ie
rö m isc h e n L ie d e r, J u p ite r habe d en B e d rä n g te n d u rch e in

1214) Daher der Name Capitolinus, welcher schon vorher im


Geschlecht war. Nach Victor (de v ir . ill. 24.) wäre ihm dort
ein Haus für gemeine Kosten erbaut. 15) Victor a. a. 0.
u. 23. und Florus I. 13, 13. 15 : — der ihn als Befehlshaber
während der Belagerung betrachtet. 16) Dionysius exc . 23.
p. 24. 17) Serrius ad A en . ѴПІ. 652.
[ band п .] — 475 —

, T ra u m g e s ic h t e in g e g e b e n , a lle s v o rrä th ig e M ehl zu v e r­


backen, und d ie B rö d e g le ic h S te in e n auf d ie A n g re i­
fen d en zu s c h le u d e rn : s ie h ä tte n ih m v e rtra u t, und d ie
G a llie r s ic h e in b ild e n la s s e n d ass je n e im U e b e rflu s s
s ä s s e n 1218) . M an w a rd e in ig dass s ie ta u s e n d P fu n d G o ld
e m p fa n g e n s o llte n , u m R o m u n d d ie L a n d s c h a f t z u r ä u m e n .
A ls es d arg e w o g e n w a rd , lie s s der g a llis c h e H e e rfü h re r
fa lsc h e s* G e w ic h t b r i n g e n , und da Q . S u lp ic iu s g e g e n 'd i e
U n g e re c h tig k e it a u s rie f, le g te er o b e n d re in S c h w erd t u n d
«16 W e h r g e h e n k a u f d i e S c h a a l e : d a h e r d i e W o r t e : w e h e d e n
B e s ie g te n ! im A ndenken g e b lie b e n s i n d 19) .
D ie Z e it w ä h r e n d w e lc h e r d ie S t a d t im B e s iz d er B a r­
b a r e n g e w e s e n , w ird a b w e ic h e n d zu sech s, s ie b e n oder
a c h t M o n a t e n a n g e g e b e n 20).
A ls P o ly b iu s s c h rie b , d ie G a llie r w ä re n , n a c h d e m s ie
d ie S ta d t aus G nade zu rü c k g e g e b e n , ohne Schaden m it
ih r e r B e u te h e i m g e k e h r t 21) , i s t es s ic h e r n ic h t s e in Z w eck

1218) Övid F ast. VI. 350. ff. Florus I. 13, 15. Suidas 8. v.
ôneppaÇ a angeführt von Mai. 19) Anstatt 1000 Pfund, giebt
Dionysius exc . 23. p. 24. — 25 Talente an: welche, indem ohne
Zweifel attische gemeynt sind, 1500 Pfund betragen. Im Ver­
lauf der Erzählung heisst es ferner, durch die Unredlichkeit der
Oallier habe ein Drittheil am Gewicht gefehlt, zu dessen Herbey-
schaffung die Römer Frist erhalten hätten; 1500 und ein Drit­
theil wären 2000 Pfund, welche Einige als den Betrag des Löse-
gelds angeben: (unten Anm. 1227:) nahm nun Dionysius an
das Mangelnde sey nicht entrichtet worden, und, mit Varro, in
dem vermauerten Golde sey ausser dem Lösegeld auch anderes
enthalten gewesen, so vermied er den Widerspruch wovon unten
die Rede seyn wird. 20) Für sechs Monate spricht Varro
bey Nonius IX. 6. (genit. pro abl.) : dieselbe Zahl hat Florus I.
13, 15.> — acht giebt Servius an. (ad A en. ѴШ. 652.); in der
Mitte stehen Polybius Д. 22. und Plutarch Camill. p. 144. b.
mit sieben: — und diese Zahl wäre freylich gewiss wenn die
angegebene Zeit der Räumung, Mitte Februar, fest stände: das
aber hätte Varro wissen müssen, und hätte dann keine falsche
Mondenzahl annehmen können. Uebrigens gehört zu dem Be­
fremdenden welches immerfort in historischen Fragmenten begeg­
net, dass es in dem aus Varro angeführten heisst: ut noster
txercitus ita sit fugatus ut G a lli Rom ae Capitoli (so) eint potiti .
21) Polybius П. 22. èÿeXouTt x a l fie r à y a p trog napadôv-
re g r f y itôXtv y â û p a v a ro i xal âatvetg, reç tjjv &<péXetav9
eig r f y olxeiav ènavr^Xûov.
— 476 — [band п .]

g e w e s e n d a m i t d e m M ä h r c h e n z u w i d e r s p r e c h e n , w e l c h e s e t?
v o rg ie b t, d e r S c h a z se y ih n e n e n tr is s e n , j a ih r g an z es
H eer sey v e rtilg t w o rd e n : w ie d ie G rie c h e n in d e r a lle r­
d ü rrs te n h is to ris c h e n Z e it, d ie B e s tra fu n g des Z ugs gegen
D e lp h i e rfu n d e n haben. D och is t d ie s e F a b e l g e w is s n ic h t
e r s t n a c h s e in e r Z e it e r s o n n e n w o r d e n , s ie m a g v ie lm e h r
schon ehe R o m .an d e n S e n o n e rn R a c h e u n d E rs a z b is
zur S ä ttig u n g genom m en h a tte , in der Sage von C a m illu s
a u s g e b ild e t, u n d im M u n d e d e s V o lk s g e w e s e n s e y n . D ie s e
S a g e e rz ä h lte , den a lte n V e rh ä ltn is s e n so angem essen dass
d aran e r k a n n t w erd en k a n n w ie f r ü h s ie s ic h g e s ta lte t h a t :
d ie zu V e ji V e rs a m m e lte n h ä tte n d u rch e in P le b is c it C a­
m illu s H e r s te llu n g u n d E r n e n n u n g z u m D ic ta to r b e s c h lo ss e n :
dazu fe h lte , d a m it es G esez sey, d ie Z u s tim m u n g des S e­
n a ts und d e r C u r i e n 1222) ; u n d e r w e ig e rte s ic h , a l s C ä d i c iu s .
kam , den a n g e tra g e n e n B efe h l zu ü b e rn e h m e n ehe d ie s e
gegeben sey . D e s s h a lb w a rd C o m in iu s auf das K a p ito l
g e s a n d t 23) . C a m illu s f a n d zu V e ji z w a n z ig ta u s e n d R ö m e r,
und v ie le F r e y w illig e aus L a tiu m v e rs a m m e lte n s ic h um
ih n : d ie s e f ü h r te e r g e g e n d ie S ta d t. E b e n h a t t e Q . S u l-
p ic iu s b e g o n n e n d e m g a l l i s c h e n K ö n i g d a s G o ld d a r z u ­
w ägen, a ls d e r D ic ta to r m it dem H eer in das T h o r e in ­
rü c k te , und a u f d as F o ru m e ilte , D ie G ö tte r w o llte n n i c h t 6 is
d ass R om s D aseyn e rk a u ft seyn s o lle : er kam ehe das
G o ld ü b erg eb e n w a r , u n d v e r w a r f d e n o h n e s e in e G e n e h m i­
gung g e sc h lo ss e n e n V e rtra g . B ren n u s s c h a lt z o rn ig ü b e r
T re u b ru c h : in z w is c h e n w a ren d ie L e g io n e n ih re m F e ld ­
h errn g e fo lg t, und e s k a m z u m G e fe c h t : d ie G a llie r w u rd e n
aus der S ta d t g e s c h la g e n . E in z w e y te s T re ffe n , auf der
g a b in is c h e n S tra s s e , w o s ie s ic h g e s a m m e lt h a tte n , rä c h te
R om v o lls tä n d ig : auch n ic h t e in M ann e n tk a m aus der
N ie d e rla g e , d ie B o ts c h a ft an zu sag en . B ren n u s w ard ge­
fa n g e n : er e ife rte über den F r ie d e ifs b ru c h : der D ic ta to r

1222) Oben S. 4 1J. 23) Als' Boten über dae Vorhaben


derer zu Veji stellt ihn nur Diodor allein dar: unter den übrigen,
welche alle das Wagestück auf Camillus beziehen, weicht Fron-
tinus darin ab (а. а. О.), СІД88 umgekehrt der Senat ihn vom
Kapitol *an Camillus sendet, der sich schon zu Veji befindet, und
Cominius zurückkehrt um den Trost seiner Antwort zu bringen.
JbAND II.] — 4T7 —

gab i h m d i e W o r t e , w e h e d e n U e b e r w u n d e n e n 1234) ! zu rü c k ,
nnd lie s s ih n n ie d e rh a u e n . N ach d ie s e m S ie g e zog C a­
m illu s tr iu m p h ir e n d in Eom e in .
V o n d e n F a b e l n d ie d e r r ö m is c h e n G e s c h ic h te a n h a f te n ,
so w e it s ie n ic h t m it der a lte n R e lig io n zu o ffen b are n
M ä h rc h e n w u rd e n , is t d ie s e z u e rs t v e rw o rfe n w o rd e n : s ie
b e le id ig te das G e fü h l d e r N a tio n , a ls d ie ju g e n d l i c h e P h i ­
lo lo g ie im 16. Ja h rh u n d e rt eben in F ra n k re ic h in der
f r ö h lic h s te n B lü th e s ta n d : das n ä m lic h e hat B e a u fo rt zu
s e in e r K ritik a n g e trie b e n . D u rch d ie s e is t d ie Sache zu
E n d e g e b ra c h t, s ie zu w ie d e rh o le n w ä re m ü s s ig ; u n d w enn
e in s t je m a n d im W e c h s e l d e r M o d e n d e n a lte n W ahn s o llte
z u rü c k ru fe n w o lle n , so w ird s ie n ic h t v e rsc h w u n d e n seyn.
I c h fü g e n u r n o c h h in z u , w a s B e a u fo rt, d e r so w e n ig a ls
a n d r e d a s G e w ic h t v o n D io d o rs E r z ä h lu n g a h n d e te , n ic h t
«19 a n g e m e r k t h a t , d a s s d ie s e r n ic h t e in m a l v o n e in e r D ic ta tu r
d e s C a m illu s w e is s , g e s c h w e ig e d a v o n d a s s e r R o m m it d e n
W a ffe n b e fre y t h ä tte : — so d a s s d ie s e g le ic h je n e n ä n d e rn
Z ü g e n a u s d e r S a g e , d ie ic h b e z e ic h n e t h a b e u n d b e z e ic h n e n
w e rd e , o h n e Z w e ife l e b e n so w e n ig h is to r is c h w a h r is t a ls
d ie R e ise der B u r g u n d is c h e n K ö n ig e an A ttila s H o f.
D as z w ie fa c h e G efech t sc h e in t dem W esen d e r d ic h ­
te ris c h e n Sage z u w id e r zu sey n : ic h v e rm u th e dass d ie
ä lte s te s ic h d a ra u f b e s c h rä n k te dass C a m illu s d ie Z a h lu n g
des G o ld e s h in d e r te und d ie G a llie r aus der S ta d t tr ie b ;
d ie S c h la c h t auf der S tra s s e nach G a b ii nur d u rch d ie
g e w ö h n lic h e H ä u fu n g h in z u g e fu g t i s t , u rs p rü n g lic h e in e r
ä n d e rn D a rs te llu n g a n g e h ö rte . Für das e d le re G e fü h l,
w e lc h e s L iv iu s th e ilte , w a r e s u n le id lic h dass e in L ö s e g e ld
fü r R om s D aseyn g e z a h lt sey: e in g e m e in e re s lä u g n e te
n i c h t d a s s d ie G a llie r m it d e m G o ld e a b g e z o g e n w ä r e n ,
d ic h te t e a b e r w ie e s n a c h h e r w ie d e re r la n g t w o rd e n s e y .
A n e in e r kecken E rd ic h tu n g w u rd e n d ie U m s tä n d e w ill­
k ü h rlic h a b w e ic h e n d g e fa b e lt. Jene E rz ä h lu n g lie s s es,
denke ic h , auf der g a b in is c h e n S tra s s e g eschehen, wo
gegen das Ende des J a h rh u n d e rts C. S u lp ic iu s oder M.
P o p illiu s g e s ie g t haben m ögen; e in e an d re bey V u ls in ii,

1224) Festus s. v. vae victis. Hier wird Ap. Claudius anstatt


Sulpicius als der genannt welcher das freche Wort hatte
hören müssen.
— 478 — [band п .]

e in ig e Z e it n a c h der E äum ung. C a m illu s habe d ie S ta d t


e n ts e z t, und im L ager der G -a llie r das aus E om W egge­
fä h rte L ö s e g e ld , und fa st a lle an d re g e ra u b te B e u te g e ­
f u n d e n 1225) .
E in e n a u g e n s c h e in lic h e n B e w e is d ass dem so s e y 620
g la u b te m a n d a rin z u h a b e n d a s s f ü r g a n z g e w is s g e g la u b t
w a rd , es w ä re n b is 691 z w e y ta u s e n d P fu n d G o ld , w e lc h e
M. C rassu s im g e n a n n te n Jah r g e ra u b t h ä tte , u n te r J u p i­
te rs T h ro n a u f d e m K a p it o l v e r m a u e r t g e w e s e n : u n d d ie s e n
S chaz habe C a m illu s v o n d e n G a llie rn e r o b e r t u n d g e w e ih t
g e h a b t 26) . D ass h ie r das G o ld des L o sk a u fs s ic h fin d e ,
b e z w e ife lte n ie m a n d : d ie m e is te n g la u b te n , d ie G a llie r
h ä tte n z w e y ta u se n d P fu n d e m p fan g en , und w ie d e r e i n g e -
b ü s st: an d re b e le h rte n , der L oskauf h ab e a lle rd in g s n u r
d ie H ä lfte b e tra g e n , das ü b rig e s e y den G a llie rn au sser-
dem abgenom m en; E aub, v o r n ä m lic h aus T e m p e ln ; oder
H a ls k e tte n und a n d r e r S c h m u c k 27) . E in e h ö c h s t e in fa c h e
E rk lä ru n g fü r d en U rsp ru n g d ie s e s S c h a z e s lie g t u n s no ch
eben so nahe w ie den rö m is c h e n A rc h ä o lo g e n , w e lc h e s ie
u n b e g re iflic h e rw e is e ü b e rse h e n zu haben sc h e in e n : m an
w ird , um den F e in d zu b e frie d ig e n , das a u f dem K a p ito l
v o r h a n d e n e T e m p e lg o ld v e rw a n d t h a b e n , m it d em G e lü b d e
es z w ie fa c h zu e rs ta tte n . E in S choss s o l l a u s g e s c h r i e b e n 621
seyn um das L ö s e g e ld a u f z u b r i n g e n 28) : d e r k o n n t e in der

1225) Diodor XIV. 117 . Ich emendire statt Oöeacxtov, OboX-


<riviov. Ist aber die Erwähnung des Lösegelds von Diodor selbst,
oder ist sie eingeschoben? Die Worte worauf es ankommt, sind:
TÏjç à7CO<TX£U7jç 7td<T7)Ç ix v p ie u a e v , èv 97 x al TÔ xpoaiov 9jv, O
еІХуректаѵ eiç 'P w jjyv. — Ist es glaublich dass ein griechischer
Litterator unter Augustus das geschrieben hätte? 2б) Pli­
nius ХХХПІ. 5. 27) Varro gehört zu den Irrenden die Pli­
nius zurecht weisst, de vita pop. R . bey Nonius III. 45. — I. p.
243. ed. B ip . a u ri pondo duo m illia acceperant ex aedibus sacris
et m atronarum ornamentis a quibus (l . a u re is: die Verbindung
der beyden Cola ohne Copula ist Varros Sprachgebrauch:) post-
ea id aurum et torques aureae multae relatae Romam atque-
consecratae. Er fügt das Kriegsgeschmeide, welches für Plinius-
das Gewicht auf 2000 Pfund vermehrt, zu denselben hinzu: in
gleicher Weise wie steigernd der Betrag der Beute von Pometia
als Zehenter betrachtet wird: Th. I. ß. 570. 28) Livius VI. 14.
cum conferendum ad redim endam a G allis civitatem aurum fu e r it *
tributo collationem fa cta m .
[band II.] — 479 —

K rie g s n o th n ic h t h e y g e trie b e n w e rd e n , w o h l a b e r n a c h h e r
um das aus den H e ilig th ü m e rn e rb o rg te m it W u c h e r z u
e rse z e n . D as S tills c h w e ig e n s o lc h e r E r z ä h lu n g e n w ie d ie
w e lc h e uns genügen m üssen, is t fre y lic h k e in G ru n d zu
lä u g n e n dass n ic h t der U e b e rlie fe ru n g des .G o ld e s e in
W a ffe n s tills ta n d v o rh erg eg a n g en sey, w ä h re n d d e s s e n d ie
B e la g e rte n m it den G e f lü c h te te n V e r k e h r p fle g e n , u n d d ie
M a tro n e n ih re G e s c h m e id e z u r V erw en d u n g fü r d a s V a te r­
la n d h erg eb e n k o n n te n : dass aber F ris t gew esen sey n
s o llte um von d e n M a s s i lie n s e r n e in e B e y S te u e r z u e r h a l t e n ,
von d e r Z e it a n wo s ic h annehm en lie s s dass es g e lin g e n
w e rd e d ie G a llie r a b z u k a u f e n , i s t g e w is s g a n z u n g la u b lic h .
U nd doch v e r d i e n t d ie E r z ä h l u n g ih re r Ja h rb ü c h e r w a h r­
lic h a lle A c h tu n g : dass a u f d ie B o ts c h a ft v o n E o m s U n­
g lü c k d ie ganze S ta d t T ra u er a n g e le g t, und G o ld und
S ilb e r zu sam m engeschossen und nach Eom g e s a n d t h ä tte ,
um d ie G a llie r zu b e frie d ig e n : d afü r sey ih n e n m it Is o ­
p o l i t i e , A t e l i e u n d P r o h e d r i e g e l o h n t w o r d e n 1229) . I c h g la u b e
d ie s d u rc h d ie V e rm u th u n g v e re in ig e n zu können, d ass,
w enn a n d e re V ö lk e r d e s A lte rth u m s , nach u n g e h e u re n U n ­
g lü c k s fä lle n , s ic h n ic h t e n tsa h e n G aben bey B e fre u n d e te n
zu s a m m e l n 80) , d ie E ö m e r w e n ig s te n s k e in B edenken tru ­
gen d a rg e b o te n e anzunehm en, um den G ö tte rn d as E n t­
le h n te e rs ta tte n zu können.
N och is t e in e S ag e ü b rig , der es g en ü g t zu h ab e n
622 s c h e i n t w e n n d i e G a l l i e r d e n S i e g s g e w i n n n u r n i c h t h e i m ­
fü h rte n ; d ie s e red et auch a ls Z e u g in gegen d as M äh rch en
der E ö m e r. S tra b o e rz ä h lt von den C ä rite rn , s ie h ä t t e n
d ie h e im z ie h e n d e n G a llie r im S a b in e r la n d g e s c h la g e n , u n d
ih n e n d ie v o n den E ö m ern e m p fa n g e n e n S ch äze abgenom ­
m e n 31) . D as d ü rfte nur Z usaz zu e in e m an s ic h w ah ren
E re ig n is s sey n : w e n ig s te n s m e ld e t auch D io d o r d a s s d ie
a u s A p u lie n z u r ü c k k e h r e n d e n C e lte n in d e r r ö m is c h e n L a n d ­
sc h a ft au f e in e m t r a u s i s c h e n G e fild e v o n d e n C ä r i e r n n ä c h t ­
lic h ü b e rfa lle n und s ä m tlic h n ie d e rg e h a u e n w ä r e n 32) .

1229) Oben Anm. 149. 30) Die Delpher nach dem Tem­
pelbrand: — viel später die Rhodier nach dem Erdbeben.
31) Strabo V. p. 220. b. 32) Diodor XIV. 117. Er wird
wohl K a tptoi, nicht K é p to i , geschrieben haben: hier hatte er
einen Römer vor Augen, sonst nennt er sie 'АуиккаХоі.
— 480 — [ band п .]

Ueber das Olympiadenjahr der Einnahme


Roms.a)
Jene A n n ä h e ru n g der C e lte n an d ie K ü ste n v o n S iid -
ita lie n , zog d ie A u fm e rk s a m k e it a u c h d e s e ig e n tlic h e n
G r ie c h e n la n d s je n s e its d e s io n is c h e n M e e rs a u f ih re W a n ­
d eru n g ; und u n te r den v ie le n S tä d te n , w e lc h e v o r ih r e m
A n la u f g e fa lle n se y n m ü s s e n , w a r E o m le i c h t d ie m ä c h ti g s t e
u n d b e rü h m te s te . D e m N a m e n n a c h w a r d ie s e s b is h e r in
je n e n G e g e n d e n fre y lic h n ic h t u n b e k a n n t g e w e s e n : es w a rd
in den S agen genannt w e lc h e d ie S c h ic k s a le der T ro e r
fo rts e z te n : und H e k a tä u s, w e lc h e r N o la in s e in e r E u ro p a
e r w ä h n t e 1233) , k a n n u n m ö g l i c h E o m ü b e r g a n g e n h a b e n , fü r
w e lc h e s der G la n z der k ö n ig lic h e n Z e it e rst in s e i n e m 623
re ife n M a n n e s a lte r e rlo sc h e n w a r. A lle in d ie K r ie g e w e lc h e
Eom w äh ren d der h u n d e rtz w a n z ig Ja h re s e it d e r T a rq u i­
n ie r V e rb a n n u n g g e fü h rt h a tte , gegen u n b e k a n n te , a ls
B a rb a re n b e tra c h te te V ö lk e r, k o n n te n d ie A u fm e rk s a m k e it
d er F re m d e n n ie b e s c h ä ftig e n , noch w e n ig e r d ie S c h rift­
s te lle r d av o n re d e n : und da d ie B ü c h e r d e s H e k a tä u s , s e it
E ra to s th e n e s d ie G e o g ra p h ie g e s c h rie b e n h a tte , g ä n z lic h
v e rg e sse n w a re n , so h a b e n d ie E r w ä h n u n g e n d e r E in n a h m e
d u rc h d ie G a llie r fü r d ie f r ü h e s t e n S p u ren e in e r K e n n t-
n is s rö m is c h e r S c h ic k s a le bey den G rie c h e n b e tra c h te t
w erd en können. Es is t Schade d ass P lu ta rc h g a r n ic h t
a n d e u te t w ie in der S c h rift d e s H e r a k lid e s von d e r S e e le
d ie E ede a u f je n e s E re ig n is s g e fü h rt w a r: von Theopom -
pus, der es n ic h t e rz ä h lte , nur n a n n t e 34) , is t z u v e rlä s sig
an zu n çh m en dass e s in e in e r d e r z a h lre ic h e n und au sfü h r­
lic h e n E p iso d e n s e in e s g ro sse n W e rk s geschah, n ä m lic h
b e y G e le g e n h e it d e r B e w e g u n g e n d e r G a la te r a n d e r M itte l­
donau. Im V e rla u f e in e r fo rtg e s e z te n E rz ä h lu n g kann es
n ic h t v o rg ek o m m en seyn: denn d ie E in n a h m e f ä llt in d ie

«) Mommsen Fasteninterpolation (Hermes 1870. S. 271.).


1333) Stephanus Byz. s. v. 34) Plinius Ш. 9. Theopom -
p u s, ante quem nemo mentionem habuit , urbem duntaxat a GaUis
captam d ix it.
[ band п .] — 481 —

Z e it d e re n G e s c h ic h te e r n ic h t g e s c h rie b e n h a t, z w is c h e n
dem S e e tre ffe n b e y K n id u s , und P h ilip p u s A n fa n g .
E ben so b e s tim m t l ä s s t s ic h dagegen s a g e n , d a ss T i-
m äu s, w e lc h e r s ic h m it der rö m isc h e n G e s c h ic h te b is a u f
ih re A lte rth ü m e r und d ie tr o is c h e A b sta m m u n g b e s c h ä f­
ti g te , u n d d ie ita lis c h e n u n d s ic ilis c h e n a n n a lis tis c h s c h r ie b ,
s ie d a rin n ic h t ü b e rg a n g e n haben kann. C h ro n o lo g ie w a r
624 i h m e in e v o rz ü g lic h e A n g e le g e n h e it; e r z u e rs t o rd n e te d ie
E re ig n is s e nach O ly m p ia d e n ja h re n und A rc h o n te n : g e w is s
hat e r a u c h je n e s n a c h beyden B e s tim m u n g e n angegeben.
Es le id e t n ic h t d e n g e rin g s te n Z w e ife l dass von ih m d ie
A ngabe h e rrü h rt, der Zug der C e lte n , au f dem Eom er­
o b e rt sey, fa lle in das Jahr des A rc h o n P y rg io n , 01.
98. 1 . ; und w enn D io n y s iu s s a g t, über d ie s e w ä re n fa st
a lle e i n s t i m m i g 1235) , so is t h ie b e y an E ra to s th e n e s und
A p o llo d o ru s , d e re n c h ro n o lo g is c h e T a fe ln u n b e d in g te s A n­
seh en gew annen, zu denken. D em T im ä u s fo lg t D io d o r
d u r c h g e h e n d s ; u n d w ie d ie s e r d ie , u n v e r k e n n b a r r ö m is c h e ,
E rz ä h lu n g von dem U n g lü c k der S ta d t m it d e r v o n D io ­
n y s iu s K rie g in S ü d ita lie n v e rk n ü p fe n d , s a g t, u m d ie Z e it
da d ie s e r E h e g iu m b e la g e rte , w ä re n d ie C e lte n ü b e r d ie
A lp e n gekom m en, so is t w o h l n ic h t zu b e z w e ife ln dass
T im ä u s , so v ie l o d e r so w e n ig er d arü b er e rw ä h n te , in
g le ic h e r W e is e auf je n e Z e it bezog. N ä m lic h d ie E in ­
w an d e ru n g in d ie L o m b a r d e y , d e re n Z e itp u n k t s ic h eben
so im A ndenken h a tte e rh a lte n können w ie der T ag an
w e lc h e m d ie A la m a n n e n und B u rg u n d e n in G a llie n , d ie
L o n g o b a rd e n in Ita lie n e in b ra c h e n , um d ie gew onnenen
L ä n d e r n ie w ie d e r z u v e rla s s e n , b lie b z u v e rlä s s ig b e k a n n t:
a u f je n e fo lg te bey ih m u n m itte lb a r ih re E rs c h e in u n g vor
Eom . D io n y s iu s o b e n a n g e fü h r te W o rte , — u n d e r w ä h lte
s ie im m e r s e h r u m s ic h tig , — r e d e n v o n d e m H e e r z u g d e r
C e lte n , v o n E o m s E ro b e ru n g n u r a ls e in e m d e r E re ig n is s e
d e s s e l b e n 36) . D a s s P o ly b iu s und D io d o r s e lb s t d ie E in -
625 n ä h m e in das n ä c h ste O ly m p ia d e n ja h r sezen, h a t a lle m
A n seh en nach s e lb s t bey je n e m k e in e n ä n d e rn G ru n d a ls
dass e r g la u b te e in e tw a s la n g s a m e r e r Z e itv e rla u f v e rs te h e
s ic h v o n s e lb s t.

1235) Dionysius I. 74. p. 60« d. 3®) ij КеХт&ѵ ëç>oâoçt


хсид? i} Tzôkig èaX<o. a. a. 0.
Niebuhr, Röm. Gesch. 31
— 482 — [band п .]

Jene A ngabe d e s g rie c h is c h e n C h ro n o lo g e n g a lt den­


je n ig e n d ie d a r a u f a u s g in g e n d ie S y n c h ro n is tik d e r rö m i­
schen G e s c h ic h te zu b e s tim m e n , fü r e in e u n z w e ife lh a fte
B a s is ih re r B ere ch n u n g en . In w e lc h e m O ly m p ia d e n ja h r
s ie d ie s e a n s t e l l t e n , w u s s te n s ie a ls e in e T h a ts a c h e d e r
G e g e n w a r t : w ir w is s e n d u r c h Z e u g n is s , a u c h o h n e B e re c h ­
nung, w ie s ic h d ie Jah re Eom s und d e r F a s te n zu der
g rie c h is c h e n Z e itre c h n u n g s e it P y rrh u s U e b erg an g nach
Ita lie n v e rh ie lte n . D ie s e r f ä llt in das J a h r 472 n a c h C a to ,
und e in Jah r v o r dem Zug d e r G a llie r n a c h D e lp h i, a ls o
01. 124. 4. H a tte n nun d ie S ta m m g e n o s s e n d ie s e r V er­
w ü ste r Eom 01. 98. 1. e in g e n o m m e n , 107 Jah re frü h e r,
so m ü s s te n d ie F a s te n doch w e n ig s te n 106 M a g is tra tja h re
d a rb ie te n : e in e s k o n n te a lle rd in g s a u s fa lle n ; d e n n fre y lic h
nahm en s ie , w enn d e re n A n fan g m a n c h m a ls d u rc h In te r­
re g n e n v ersch o b en w ard , e in e lä n g e re Z e it e in a ls e b e n
so v ie le S o n n e n ja h re : a b e r d ie T r i u m p h a l f a s t e n z e ig e n b e ­
s tim m t dass d ie s e V e rlä n g e ru n g im L auf e in e s h a lb e n
J a h r h u n d e r t s n u r s e c h s M o n a te a u s m a c h te . W ä h r e n d d ie s e s
Z e i t r a u m s a) h a t in d e s s e n L iv iu s nur 17 Ja h re M ilita r tr i-
bunen, 5 in w e lc h e n d ie E e p u b lik ohne c u ru lis c h e M a g i­
s tra tu r gew esen, 8 2 c o n s u la ris c h e , z u s a m m e n 1 0 4 : das e r­
w ä h n te a u s fa lle n d e Jahr hat er s tills c h w e ig e n d in dem
Z e itra u m vor dem p le b e jis c h e n C o n s u la t e in g e s c h a lte t,
in d e m d e rs e lb e zu 23 Ja h re n a n s ta tt zu 22 g e re c h n e t
w i r d 1237) : w o g e g e n P ig h iu s , n a c h v ö l l i g u n h a l t b a r e n G r ü n - 626
den, a ls L ü c k e n b ü sse r, e in C o n s u lp a a r f ü r das Ja h r (n a c h
C a to ) 421 e rso n n en h a t 38) . H ie rn a c h is t es h ö c h s te n s n u r

«) Mommsen Eöm. Chronol. 117. ff. 1237) Er zählt


das Jahr welches ihm 400 (nach Cato 399), als das 35. seit Er­
oberung der Stadt, und ablato post undecimum annum a plebe con-
su la tu : Livius ѴП. 18. 38) Ich will ihm gern einräumen dass
die kapitolinischen Fasten um diese Zeit ein Jahr mehr als die
livianischen gehabt haben müssen: es wird aber eine von jenen
erdichteten jährigen Dictaturen gewesen seyn. Wahrlich bezweifle
ich nicht leicht die Ehrlichkeit eines Gelehrten: aber Pighius
war nicht gewissenhaft: kann es hier mit dem aus Solinus her­
vorgezogenen Consulpaar unmöglich gewesen seyn ; er hat nicht
übersehen können dass der sich an die nämliche verkehrte An­
gabe hält welche bey Livius vorkommt, VIII, 24: — oder gar
ihm folgt.
[band II.] — 483 —

b is gegen das fü n fte Ja h rh u n d ert w ahr dass L iv iu s d ie


c a to n is c h e Z e itre c h n u n g b e fo lg e : e in Irrth u m d essen F o rt­
d a u e r, n a c h d e m S ig o n iu s u n u m s tö s s lic h d a r g e th a n lia t d a s s
e r in d e r T h a t d e n A n f a n g d e s e rs te n p u n is c h e n K r ie g s
in 486, n ic h t 488, den des m a k e d o n is c h e n in 5 5 0 , n ic h t
5 5 2 , s e z t e 1239) , e in e n tra u rig e n B e le g g e w ä h r t w ie w e n ig
e in e g a n z v o lle n d e te U n te r s u c h u n g , w o ra n d e r L e s e r T h e il
n e h m e n m u s s d a m it s ie g e lte n d w e rd e , g e g e n d ie B e q u e m ­
lic h k e it v e rm a g bey dem g e w ö h n lic h e n z u b le ib e n . Jenes
Jahr 472 nach C a to w a r f ü r L iv iu s 470: und d as in bey­
den Z e itre c h n u n g e n g e m e in s c h a f tlic h b e n a n n te , 3 6 5 , w o rin
Eom e ro b e rt w o rd e n , n ic h t 01. 98. 1 , so n d e rn 01. 98. 3 :
d a m i t d i e s e s a u s g e g l i c h e n , j e n e Z a h l v o n 1 0 6 J a h r e n v o ll-
627 s t ä n d i g w e r d e , s i n d z w e y F a s t e n j a h r e e i n g e s c h o b e n , d i e
j ä h r i g e D ic t a tu r d e s P a p i r i u s C u rs o r, 4 3 0 , u n d d a s C o n s u la t
4 3 9 , v o n d e n e n L iv iu s n ic h ts w e is s ; e in e E r z ä h lu n g w e lc h e
d ie B e g e b e n h e ite n Jahr vor Ja h r b e ric h te n kann s ie n ic h t
z u l a s s e n : ih r e V e r w e r f lic h k e it e r h e l lt , o h n e e in ig e n Z w e ife l,
a u s d e r a n d e rsw o g e n a u angegebenen D auer des z w e y te n
s a m n itis c h e n K rie g s .
W e n n w ir n u n a b e r L iv iu s b e y p flic h te n d e r s ie a u s -
s c h l i e s s t , so e r g i e b t s ic h , w ie n i c h t s e lte n s o n s t , d ie B e ­
m e r k u n g d a s s , d a e r a u f d e m h a lb e n W e g e s te h e n g e b lie b e n ,
d ie je n ig e n doch c o n s e q u e n te r w a re n w e lc h e je n e F a s te n ­
angaben a u fs te llte n w e lc h e d ie G e s c h ic h te v e rw irft. D enn
m it der A n a r c h i e a) w ä h ren d fü n f s ic h fo lg e n d e r Ja h re ,
d ie e r g l a u b t , s t e h t e s n i c h t b e s s e r ; a u c h d ie s e i s t n u r e r d a c h t
um d ie rö m isc h e n F a s te n der V o ra u sse z u n g an zu p assen
d a s s d ie E in n a h m e d e r S ta d t i n 0 1 . 9 8 . 1 . fa lle . S ie i s t
v ö llig u n m ö g lic h : E e c h ts p f le g e s o g a r, u n d in n e r e V e r w a ltu n g ,
d ie in r u h ig e n Z e ite n e in e W e ile h in d u rc h v o n . In te rre g e n
e rh a lte n w e rd e n k o n n te n , m ü s s te n , b e y der S pannung d ie

1239) Jenes XXX. 4, dieses, nach Sigonius schöner Emen­


dation, glas. 1 . — Die Abhandlung über die livianische Chrono-
nologie (Drakenborch ѴП. p. S2. ff.) ist durchaus vortrefflich,
denn dass sich jezt manches Einzelne berichtigen liesse, kommt
nicht in Betracht: die Feindseligkeit gegen Glareanus mag man
sich, wie Aehnliches bey ändern Philologen, warnen lassen; soll
aber darum den Werth der gefundenen Wahrheit nicht geringer
achten. a) Mommsen Röm. Chronol. 204, 209.
31*
— 484 — [ bakd i i .]

e in s o lc h e r Z u s ta n d v o ra u s s e z t, sehr b a ld zu G ru n d e g e ­
gangen seyn. S o n st w ar das B e d ü rfn iss e in e r d a u e rn d e n
O b rig k e it so f ü h lb a r dass, w e n n e in ig e W o c h e n la n g I n te r­
reg n en b e s ta n d e n h a tte n , a lle m a l e in e P a rth e y nachgab,
d a m it n u r W a h le n a u f ir g e n d e in e W e is e g e h a lte n w ü rd e n ;
und nun h ä tte m an s ic h m e h rere Ja h re h in d u rc h so h a ls ­
s ta rrig g e tro z t? so tr o z e n können ohne v ö l l i g e n U n t e r g a n g 628
h e r b e y z u f ü h r e n ? H ä t t e n w o h l d ie u m g e b e n d e n V ö lk e r E o m
g e s t a t t e t N u m a s F r ie d e n s z e it z u g e m e s s e n ? S c h o n d ie f o r t­
w ä h re n d e D auer e in e s Ja h rs is t fü r d ie s e n Z u s ta n d n ic h t
d e n k b a r. S o llt e n d ie T r i b u n e n a m A n f a n g d e s S tr e its so b e y -
s p ie llo s h a rtn ä c k ig gew esen seyn : im fe rn e re n V e rla u f,
wo d ie A u fre g u n g b is zu den fu rc h tb a rste n D ro h u n g en
s tie g , wo das A n seh en d e r D ic ta tu r v e rk a n n t w a rd , d ie
W a h le n haben ru h ig geschehen la s s e n ? Es kann n ic h t
f e h l e n d a s s s i c h a l l j ä h r l i c h , so l a n g e d ie H ä n d e l u m d ie
E o g a t i o n e n d a u e r t e n , i h r W i d e r s t a n d e r n e u e r te , a b e r im m e r
frü h er oder s p ä te r nachgab w enn das B e d ü rfn iss e in e
O b rig k e it z u h a b e n s ic h n ic h t h in h a lte n lie s s . S o k o n n te n
w äh ren d der D auer d ie s e r B ew egungen im G anzen z w ö lf
M o n a te oder m ehr in In te rre g n e n v erg eh e n ; und da d ie
n a c h s o lc h e n U n te r b r e c h u n g e n e in tr e te n d e n C o n s u rla trib u n e n ,
n ic h t a n d e rs w ie d ie g e w ö h n lic h e rn a n n te n , e in v o lle s
Jah r re g ie rte n , so m u s s te , um d ie F a s te n m it d e r k a p ito ­
lin is c h e n A e ra in U e b e re in s tim m u n g zu h a lte n , e in e s o h n e
M a g is tra tn a m e n b le ib e n ; und angem essen w ard d ie s e m
s e in e S te lle da a n g e w ie s e n , wo d ie T rib u n e n ih re E in sa g e
gegen d ie W a h le n z u e rs t g e lte n d m a c h t e n 1240) . W e il n u n
aber auch so noch d ie E in n a h m e a u f 01. 99. 1. k a m , a n -
/ s ta tt 98. 1 ., so s c h ie n es a u s g e m a c h t d a s s d i e m a n g e l n d e n 629
v ie r J a h r e ir g e n d w o i n d e n F a s te n ü b e r g a n g e n s e y n m ü s s te n ,

1240) p a die Stelle willkührlich ist, so ist das volle Jahr


der Anarchie bey Dionysius in 380 gesezt, während sie nach
Livius 379 anfing. Dass übrigens mehr als nur eines so verfloss,
deutet jener an, indem er 01. 102. 4. zuerst Anarchie, dann das
Consulartribunat von L. Aemilius und seinen Collegen hat. Die
Abweichung dass er in dieser verwir rungsvollen Zeit ein ganzes
Collegium aufführt, welches hey Livius nicht vorkommt, umge­
kehrt ein anderes weglässt, ändert am Ganzen der Chronolo­
gie nichts.
[band II.] — 485 —

und m an каш auf den G edanken, d ie C h ro n ik e n gäben


irrig an dass fü n f F a s te n ja h re d u rc h la n g e In te rre g n e n
g e tre n n t g ew esen w ä re n , a n s ta tt d ass e in e g le ic h e Z a h l,
m it E in s c h lu s s je n e r A n a rc h ie , d u rc h a u s ohne M a g is tra te
v e rg an g e n se y e n : e in e V e rm u th u n g d ie eben so w e it v o m
Z ie l t r a f w ie f a s t j e d e w o m it G e le h r te zu R om im s ie b e n te n
u n d a c h te n J a h r h u n d e r t R ä th se l der G e s c h ic h te zu lö s e n
m e y n te n .
V on d ie s e r V e r ir r u n g is t d en n C a to s e lb s t n ic h t fr e y ­
z u s p r e c h e n : je d o c h e r h ie lte n s ic h u n v e r k ü n s t e l t e F a s t e n . a)
S o lc h e n fo lg te F a b iu s , d e r, d a e r f ü r g r ie c h is c h e L e s e r s c h r ie b ,
d ie O ly m p ia d e n n i c h t k a n n u n e r w ä h n t g e la s s e n h a b e n , u n d
z u d e n je n ig e n g e h ö r t w e lc h e D io n y s iu s v o n d e r E in s tim m ig ­
k e i t ü b e r d ie Z e it d e r g a l lis c h e n E r o b e r u n g a u s n im m t: e r
h a tte s ie in 01. 99. 3. g e s e z t , u n t e r w e l c h e m J a h r d ie
C o n s u la rtrib u n e n von 365 z u m z w e y t e n m a l b e y D i o d o r V o r­
kom m en. D enn d ie s e r, nachdem er das z w ö lf te B uch m it
d e m J a h r 3 3 1 , w e l c h e s i h m 0 1 . 91. 1 . i s t ; s c h l o s s , ü b e r ­
s p r in g t d a r a u f m it u n e r h ö r te r L e ic h tf e r tig k e it f ü n f rö m isc h e
M a g is tr a ts ja h r e , in d e m e r d a s fo lg e n d e m it 3 3 7 , a ls 0 1 .
91. 2 . b e g i n n t , u m d i e E i n n a h m e d e r S t a d t m i t P o l y b i u s
auf 01. 98. 2. zu b rin g e n : in d ie s e m S y ste m s in d d ie
B ü ch er X III u nd X IV g e s c h rie b e n . N un aber w o llte n d ie
ih m v o rlie g e n d e n F a s te n n ic h t p a sse n , e b e n w e il s ie k e in e
e in g e s c h o b e n e n J a h r e h a t te n ; d a h a l f e r s ic h im X V . B uch
630 m i t p l u m p e r K e c k h e i t , d u rc h W ie d e rh o lu n g d er sch o n e in ­
m a l v o rg e k o m m e n e n M a g is tra te v o n 361 b is 365 u n te r den
O ly m p ia d e n ja h re n 98. 3 b is 99. 3 .1241). D ass e r a b e r fü r

«) Mommsen Röm. Chronol. 125. 1241) Diese Wieder­


holung, von der Wesseling eine Spur erkannte, ist von Borghesi
vollständig dargelegt in einer Untersuchung welche L. Dindorf,
wie sie es verdiente, seiner Vorrede zum Diodor II. angehängt
hat, p. XII. ff. Ich habe hier das Geständniss abzulegen dass
ich die neuen Fragmente der Fasten nur in Feas Ausgabe kenne
und besize: versäumt habe Borghesis vortreffliche Arbeit in Ita­
lien anzuschaffen, weil es bey dem dortigen elenden Zustand des
Buchhandels, zu Rom immer schwer hält ein einzelnes in der
Lombardey erschienenes Buch zu bekommen, und ich erst mehrere
Jahre nachher bemerkte dass diese neuen Fragmente auch für
meine Untersuchungen Wichtigkeit hätten; denen die archäolo-
— 486 — [band п .]

s e in e S y n c h ro n is tik , je n e beyden B ücher ausgenom m en,


F a b iu s fo lg t, is t n ic h t a lle in d esw egen w a h rs c h e in lic h
w e il d ie s e r in der G e s c h ic h te s e lb s t a ls s e in e Q u e lle b e ­
t r a c h t e t w e r d e n m u s s , u n d w e il im X I. B u c h d u r c h g e h e n d e
d e r U n te rs c h ie d z w is c h e n s e in e r S y n c h r o n is tik . u n d d e r
des D io n y s iu s e in e O ly m p ia d e b e trä g t, um w e lc h e n Z e it­
ra u m d ie B e s tim m u n g des G rü n d u n g sja h rs d e r S ta d t b e y
b e y d e n a u s e in a n d e r la g Ш 2) : s o n d e rn e s d a r f z ie m lic h s ic h e r
fü r b e z e u g t g e lte n d ass F a b iu s , genau w ie es b e y D io d o r
g e s c h ie h t, das Jah r des e rs te n p le b e jis c h e n C o n s u la ts a ls
das a c h tz e h n te von d e r E in n a h m e der S t a d t re c h n e te .
D e r G r a m m a tik e r , w e lc h e r b e h a u p te te , e in e H a n d s c h r if t
w o rin d ie s e s J a h r a ls d a s z w e y u n d z w a n z ig s te g e z ä h lt w a rd ,
sey h i e r u n r i c h t i g , u n d e s m ü s s e d a s a c h t z e h n t e h e i s s e n : в зі
duodevicesimo s t a t t duoetvicesimo — 43) , k a n n n u r h a b e n
sagen w o lle n d ie Z ah l sey h is to ris c h fa lsc h : e r m uss d ie
ric h tig e L e sa rt aus e in e m ä n d e rn C odex gekannt haben.
A u sle g u n g und K ritik d e r a lte n B ü c h e r, d u rc h G e s c h ic h te
w ie d u rch M y th o lo g ie , g e h ö rte , s e itd e m d ie A le x a n d rin e r
den B e g riff der G ra m m a tik f e s tg e s te llt h a tte n , zu ih re n
w e s e n tlic h e n T h e ile n . H ä tte er je n e s W o rt a ls s c h le c h t
la te in is c h v e rw o rfe n , so w ü rd e ih n G e lliu s seh r u npassend
e in e n a u s g e z e ic h n e te n M a n n in s e in e r W is s e n s c h a f t n e n n e n :
er w ä re in der T hat so le ic h t w id e rle g t gew esen w ie e s
s ic h je d e r L eser denken w ird , der da g la u b t es sey nur
von dem W o rt d ie R ede. E in U n g lim p f d e n e r s ic h s e lb e r
z u z u s c h re ib e n h a t, w e il er der n e c k is c h e n V e rsu c h u n g
nachgab s e in e Z u h ö re r zu tä u s c h e n , d ass s ie ih n a u f e in e m
h a n d g re iflic h e n Irrth u m zu b e tre ffe n g la u b e n , und m it
h ö c h s te r Z u v e r s ic h t d a a n g r e if e n s o llte n w o e r n ic h t s ta n d .
D ie F e u e re n haben ih n v o lle n d s g le ic h u n w is s e n d in der
G e s c h ic h te w ie in der S p rac h e g e s c h o lte n : v ie lle ic h t a lle s
ohne d a s s G e lliu s S c h u ld h ä t te ; d e n n d e r v e r lo r e n e S c h lu s s
des K a p ite ls m ag w o h l d ie R e c h tfe rtig u n g des G e le h rte n ,

gische Feststellung der Fasten fremd war. Ich weiss also nicht
ob jener grosse Antiquar die seltsame Wiederholung wie gezeigt,
so erklärt hat.
1*42) 01. 7. i. und 8. 1. Th. I. S. 297. ' 43) primum
ex p leb e alter Consul factus e st9 duoetvicesimo anno postqiiam
Rom am G a lli ceperunt . Gellius V. 4.
{band II.] — 48Ï —

und d ie B e s c h ä m u n g , w e n ig s te n s d en A e rg e r, s e in e r v o r­
s c h n e lle n B e u rth e ile r e n th a lte n haben. — B ie f a b ia n is c h e n
A n n a le n w o rin s ic h je n e S te lle fan d w a re n a lle rd in g s la ­
te in is c h : aber es s in d auch so n st B ru c h s tü c k e e rh a lte n
d ie n ic h t je n e m v ie l g e l e s e n e n g r ie c h is c h e n W e rk , w e lc h e s
D i o d o r g e b r a u c h t e , s o n d e r n e i n e m l a t e i n i s c h e n a n g e h ö r e n 1244) :
«32 a u c h n ic h t e tw a auf F a b iu s S e rv ilia n u s bezogen w erd en
können, da P ic to r a u s d rü c k lic h genannt w ird . Es hat
a lso höchst w a h r s c h e in lic h e in e la te in is c h e U e b e rse z u u g
der g r ie c h is c h e n G e s c h ic h te des Q . F a b iu s gegeben, w ie
C la u d iu s d ie A n n a le n d e s A c iliu s in d ie g e m e in s c h a f t lic h e
M u tte rs p ra c h e ü b e r tr u g .
D ie s e lb e Z e itr e c h n u n g lie g t d e n J a h rs z a h le n des O ro ­
s i u s a) v o m p l e b e j i s c h e n C o n s u l a t b i s z u m e r s t e n p u n i s c h e n
K r ie g zu m G r u n d e , d e re n V e rs c h ie d e n h e it v o n a lle n g e ­
w ö h n lic h e n A ngaben a ls F e h le r e in e s s p ä te n , n a c h lä s s ig e n
und u n w is s e n d e n S c h rifts te lle rs k e in e r A u fm e rk s a m k e it
w ü rd ig g e a c h t e t i s t 45) ; s o n s t h ä t t e ih re C o n se q u e n z e ig e n ­
tü m lic h e F a s te n erk en n e n la s s e n m üssen. V on ih n e n
kom m en im v ie rte n Ja h rh u n d e rt nur zw ey v o r, 384 und
388, w e lc h e den Jah ren 390 und 394 bey L iv iu s e n t­
sp rech en : u n d w ie h i e r sechs, so b e tr ä g t d e r U n te rs c h ie d
w ä h re n d d e s fo lg e n d e n d u rch g eh e n d f ü n f J a h r e 46) e s m u s s
n ä m lic h je n e s , w e lc h e s L iv iu s vor dem p le b e jis c h e n Con­
s u la t e in s c h a lte te , in d ie s e n F a s te n b a ld nach dem A n­
fan g d e s s e lb e n h in z u g e fü g t se y n . H ie rn a c h i s t d e r U n te r ­
s c h ie d um d ie Z e it d e r E in f ü h r u n g des p le b e jis c h e n Con-
633 s u l a t s in der T hat auch nur fü n f Ja h re ; und e ig e n tlic h
v ie r, w e il bey O ro siu s d ie g a llis c h e E ro b e ru n g in 364,

1244) Das zeigt die Sammlung der Fragmente, zum Beyspiel


hinter dem Corteschen Sallust. a) Mommsen Röm. Chronol.
131. 45) Abweichungen die gewiss aus Schreibfehlern ent­
standen sind, schwächen die Richtigkeit der Wahrnehmung nicht.
46) 384 (390 Liv.) Orosius III. 4. 388 (394) 6. 402 (408)
7. 409 (414) 9. 426 (432) 15. 450 (455) 21 . 464 (469) IV. 1.
475 (479) 3. 480 (485) 5- — 483, IV. 7. ist wohl falsch, statt
481. Hier, mit dem Anfang des ersten punischen Kriegs, hören
die Jahrszahlen auf, bis zum hannibalischen, wo er, gewiss ohne
die Lücke gewahr geworden zu seyn, zur Aera der kapitolinischen
Fasten übergeht, und bey dieser bleibt.
— 488 — [band п .]

s ta tt in 365 g e s e z t w ird : v o n d ie s e r b is zum p le b e jis c h e n


C o n s u la t s i n d g r a d e so v ie le w ie b e y D io d o r : a ls o e r k a n n t e n
auch d ie s e F a s te n n ic h t m e h r a ls e in Jahr d e r A n a rc h ie ,
und b r in g e n e b e n fa lls d ie g a l lis c h e E r o b e r u n g a u f 0 1 . 9 9 . 3 .
W enden w ir nun d ie s e B e ric h tig u n g an auf d ie oben
e rw ä h n te n Z e itp u n k te wo L iv iu s zw ey Ja h re w e n ig e r a ls
C a to re c h n e t, so is t fü r d as A n fa n g s ja h r des e rs te n p u n i­
schen K rie g s 482, a n s ta tt 4 8 6 , fü r d a s je n ig e d es p h ilip p i-
sch en 546, a n s ta tt 550, zu s c h re ib e n ; und das Jahr der
S ta d t fü r den c h ro n o lo g is c h e in g e f ü h r t e n A n fa n g u n serer
c h ris tlic h e n A era, 754 der v a rro n isc h e n R echnung, is t,
nach A u s s c h e id u n g der fä ls c h lic h e in g e s c h o b e n e n Ja h re ,
746. D ie s e A b w e ic h u n g von dem a llg e m e in E in g e fü h rte n
und A n g e w ö h n te n is t w a h rlic h e in e u n w illk o m m e n e N o tli-
w e n d ig k e it: m ir s e lb e r tre te n d ie Ja h re von C ic e ro s C on­
s u la t u n d C ä s a r s T o d im m e r u n te r d e n a n g e n o m m e n e n f a ls c h e n
Z a h le n vor d ie G edanken, n u r bey a b s ic h tlic h e r A u fm e rk ­
s a m k e it u n te r denen 683 und 70 2 : a n d e re , w e lc h e n ic h t
d u rc h d ie B e frie d ig u n g e n ts c h ä d ig t w e rd e n d ie W a h rh e it
h ie rü b e r s e lb s t g e fu n d e n zu haben, w e rd e n bey g le ic h e r
S c h w ie rig k e it u n d S tö ru n g e in e m V e rd ru ss nachgeben der
s ic h n ic h t s c h e lte n lä s s t. E rst d ie N a c h k o m m e n können
auch von d ie s e r A b sc h a ffu n g e in g e w u rz e lte n Irrth u m s un­
g e s tö rte n N uzen z ie h e n , w enn d ie H e rs te llu n g der rö m i­
schen G e s c h ic h te in ih re m ganzen U m fa n g a llg e m e in an­
genom m en, un d der a lte W a h n v ö llig in V e rg e s s e n h e it g e -
ra th e n seyn w ird . A lle in d er V e rfasser e in e r fo rtg e h e n d e n
G e s c h ic h te , der d ie b e s tim m t b e k a n n te D a u e r d e s z w e y t e n взз
s a m n itis c h e n K rie g s , w o fe rn d ie beyden fa lsc h e n Ja h re
b e y b e h a lte n w ü rd en , um so v ie l über d ie W a h rh e it v e r­
lä n g e rn m ü s s te , u n d d a b e y je n e d o c h ü b e rs p rin g e n , a ls ob
s ie , m i t t e n u n t e r l e b h a f te n K r ie g s u n te r n e h m u n g e n , in e in e m
W in te rs c h la f v e rg a n g e n w ä r e n , k a n n d ie s e in s e in e r C h ro ­
n o lo g ie so w e n ig a n e rk e n n e n , w ie es L iv iu s , wo s ie e in ­
m al bey ih m h e rv o rtritt, g e th a n h a t. Ist nun aber d ie s e r
S c h r itt u n v e rm e id lic h , so w ä re e s in c o n s e q u e n t u n d s c h w a c h
dabey s te h e n zu b le ib e n , und n ic h t a u f g le ic h e W e is e d ie
w id e rs in n ig e n J a h r e d e r v e rm e y n te n A n a rc h ie w e g z u w e rfe n ,
d e ren U n z u lä s s ig k e it d ie G e s c h ic h te g e lte n d m achen m uss.
Ist es e rk a n n t dass d ie E ro b e ru n g R o m s in OL 99. 3.
fä llt, so e n ts p ric h t 01. 9 8 . 1. — d ie Z e it d e s K rie g s vor
[band II.] — 489 —

R h e g iu m , und d e r E in w a n d e ru n g d e r G r a llie r — dem J a h r


der E in n a h m e v o n Y e ji, 3 5 9 : u n d d ie s s tim m t v o llk o m m e n
m it d e r A n g a b e d es F a lls von M e lp u m , u n d d er U rsa c h e n
w e lc h e d ie E tru sk e r a b h ie lte n den V e je n te rn H ü lfe zu
sen d en .
Es is t u n b illig d ass d ie ä lte s te und e in fa c h s te A n­
s ic h t s ic h gegen e in e z u fä llig h e rrsc h e n d g e w o rd e n e Ш й -
g e le y re c h tfe rtig e n und v e rth e id ig e n s o ll; aber m an m uss
s ic h auch h ie r dem L auf d e r W e lt bequem en, und s e in e
H in d e r u n g e n ü b e rw in d e n . So e rm ü d e ic h denn auch n ic h t
n o c h fe rn e re B e le g e fü r je n e n S a z , a u s d e r S y n c h ro n is tik ,
so w e it d ie r ö m is c h e G e s c h ic h te s ie g e w ä h r t, b e y z u b r i n g e n .
D as Z u s a m m e n tre ffe n des Ja h rs 363, m it 0 . 99. 1 .,
w o D io n y s iu s P y r g i e i n n a h m , e r k l ä r t , w ie ic h s c h o n b e -
635 m e r k t h a b e , d e n s o n s t u n e r h ö r t e n B e s c h l u s s d e r d i e C o n ­
s u ln abzudanken n ö t h i g t e 1247).
I n d e r T h e u r u n g d e s J a h r s 3 4 4 , e r w ie s e n d ie F ü r s t e n
in S i c i l i e n s i c h h ü l f r e i c h 48) . D ie M e h r h e it d e r Z a h l d a r f
bey d ie s e r E r w ä h n u n g n ic h t a u f h a lte n : o b w o h l e s n a m e n t­
lic h in den s ik e lis c h e n S tä d te n D y n a s te n g ab , w ie
A e im n e s tu s u n d A rc h o n id a s , so k a n n d o c h w o h l n u r D io n y ­
s iu s gem eynt seyn, dessen F re y g e b ig k e it im A ndenken
b lie b , und so g ar in d ie S age von C o rio la n u s ü b e rg in g .
N ach der b e ric h tig te n S y n c h ro n is tik e n ts p ric h t je n e s Jahr
d e r 01. 9 4 , 2: d a m a ls w ar s e it zw ey Ja h re n der 'F r i e d e
m i t K a r th a g o h e r g e s t e llt : u n d D io n y s iu s , h ö c h s t t h ä t i g s e in e
M acht zu b e fe s tig e n und a u s z u b re ite n , h a tte e in e sehr
tr iftig e V e ra n la s s u n g d ie F reu n d sch aft auch e n tfe rn te r
S ta a te n zu erw e rb e n : im Jahr 0 1 . 9 2 . 4 ., a u f w e lc h e s d ie
g e w ö h n lic h e fü h rt, w ü th e te der p u n is c h e K rie g in der
I n s e l, S e lin u s u n d H im e ra w u rd e n z e rs tö rt, u n d e rs t d rey
Ja h re n a c h h e r t r i t t D io n y s iu s au f.
S ic ilie n w a r b e y je d e m M is w a c h s d e r E ö m e r K o r n ­
k a m m e r: d es H a n d e lsv e rk e h rs d o rt g ed en k t schon der
e rs te k a rth a g in ie n s is c h e V e r tr a g ; d ie S c h ic k s a le d e s L a n d e s
b e s c h ä ftig te n zu R o m ,- w o m an den A u sg an g d e s p e lo p o n -
n e s is c h e n K rie g s g le ic h g ü ltig v e rn o m m e n h a b e n m ag. D a­
her haben d ie A n n a le n u n te r dem Jahr 324 a n g e z e ic h n e t,

Ш7) Oben S . 555. f. 48) Livius IV. 52.


— 490 — [band п .]

d a s s e in e f r e m d e M a c h t, d u r c h d ie in n e m F e h d e n d e r S tä d te
h e rb e y g e ru fe n , a u f d e r In s e lg e la n d e t sey . L iv iu s s a g t, d a m a ls
z u e r s t w ä r e n d i e K a r t h a g i n i e n s e r d o r t e r s c h i e n e n 1249) : g e w i s s 636
in d e m e r u n v o r s ic h tig e in e m A n n a lis te n d e s s ie b e n te n J a h r ­
h u n d e rts n a c h s c h re ib t, dem nur d ie P ö n e r a l s ü b e r s e e is c h e
F e in d e S ic ilie n s b e k a n n t w a re n . G le ic h z e itig e C h ro n ik e n
können a b e r n ic h t v o n ih n e n g e r e d e t h a b e n ; d e n n ih re
U n te r n e h m u n g in G e lo n s Z e it fä llt fü n fz ig Ja h re frü h er;
von da b is 01. 92. 4 haben s ie k e in e n Y e rsu c h gem acht
ih r e a u f s e h r w e n ig e fe s te O r te h e r a b g e k o m m e n e H e r r s c h a f t
w i e d e r a u s z u d e h n e n . A lle in n i c h t s ie s in d g e m e y n t, s o n d e r n
d ie A t h e n i e n s e r : d e n n je n e s J a h r f ä l l t , w e n n d ie f e s tg e ­
s te llte S y n c h ro n is tik genau z u rü ck g e fü h rt w e rd e n k ö n n te ,
auf 01. 89. 2: a b e r e in genaues Z u s a m m e n tre ffe n , w ie i n
der Z e it w e lc h e 0 1 . 9 9 . 3. n ä h e r lie g t, is t n ic h t zu suchen,
d a d i e F a s t e n a u c h n a c h d e m D e c e m v i r a t n i c h t f e s t s t e h e n 50) ;
ohne von dem E in flu s s d er v e rs c h ie d e n e n D auer d er M a­
g is tra ts ja h re zu red en . D as G eschw ader u n te r L a c h e s und
C h a rö a d e s, dessen S tä rk e g e rin g , s e in e U n te rn e h m u n g e n
u n e rh e b lic h , w a re n , e rs c h ie n d o rt 01. 8 8 . 2 : d a s S c h iffs h e e r
des S o p h o k le s und E u ry m e d o n , w e lc h e s z u e rst d e r E in ­
m isc h u n g A th e n s in d ie V e rh ä ltn is s e S ic ilie n s W ic h tig k e it
gab, s e g e lte 01. 88. 4. —
D e r U n te rs c h ie d der beyden B e s tim m u n g e n des Ja h rs
der E ro b e ru n g e rk lä rt in z w ie fa c h e r A r t d ie s y n c h ro n i­
s tis c h e n Irrth ü m e r in L iv iu s Ѵ Ш . und IX . B u c h . E r sezt
d ie L andung des e p iro tis c h e n A le x a n d e r s v ie l z u frü h , in
409 oder 4 1 0 : Jah re , d ie d e r 0 1 .1 1 0 . 3 . o d e r 4 e n ts p r e c h e n :
w enn aber je n e A ngabe in Ja h re n der S ta d t von e i n e m 637
A n n a lis te n , d e r ih n irre le ite te , n a c h der c a to n is c h e n Z e it­
rech n u n g v e rs ta n d e n is t, und doch von d e rje n ig e n g a lt
wo d ie Z e rstö ru n g in 01. 9 9 . 3 ., d i e E r b a u u n g i n 0 1 . 8 . 3 .,
gesezt w ird , s o i s t d a s O l y m p i a d e n j a h r 1 1 1 . 4 . o d e r 1 1 2 . 1 .,
und a u f d ie s e Z e it f ä l lt d ie U n te r n e h m u n g g a n z g e w i s s 51) .

1249) Livius IV. 29. 50) Unter 01. 90. 1. schiebt Diodor
ein Consulat zwischen die von 327 und 328 (nach Livius) ein,
gegen dessen Richtigkeit abzusprechen gar kein Grund ist.
51) Livius VIII. 3. Er gedeukt ihrer nach der Erwählung der
Consuln von 410: gewöhnlich aber bezieht sich eine so gestellte
Meldung bey ihm auf das verflossene Jahr. Auf diese Weise
[band п .] — 491 —

M it e n tg e g e n g e s e z te m Irrth u m sezt er den Tod d e s s e lb e n


F ü rste n , w ie d ie G rü n d u n g von A le r a n d r ie n , in 428 nach
s e i n e r A e r a 1252) , o d e r 0 1 . 1 1 4 . 1 : w e lc h e s f ü r d a s e r s te E r ­
e ig n is s e r w e is s lic h , fü r das z w e y te n o to ris c h fa ls c h is t.
E u s e b iu s s te llt es u n te r 01. 112. 3. — J. d. S t. nach
C a to 423 : nun m u s s , w ie d e n n S y n c h r o n is tik m a n c h e n v e r -
638 w i r r t gem acht h a t, je m a n d d ie s e Z ahl von 01. 8. 3 . g e ­
rech n e t haben; w o ra u s 01. 114. 1 . h e rv o rg e h t. G enau
d e rs e lb e J rrth u m w a lte t o b , wo e r a n n im m t d e r T o d des
g ro sse n A le x a n d e rs , der s ic h 01. 114. 1 . e re ig n e te , fa lle
in 434, nach s e i n e r R e c h n u n g 53) : w e l c h e s 0 1 . 1 1 5 . 3 w ä r e .

Rom nach der Räumung.


D ie E n t f e r n u n g der G a llie r gab den R ö m e rn in der
S ta d t e in e öde B ra n d s tä tte z u rü ck : und w e n ig s te n s auf

erklärt es sich dass Claudius Quadrigarius den Krieg mit den


Galliern am Anio, und den Zweykampf des T. Manlius, der nach
der livianiscben Aera 394 fallt, in 388 sezte: Livius VI. 42. Hat
er die Jahreszahl genannt, und nicht die Militartribunen, so
dürfte er nicht gefehlt haben, sondern nur nicht verstanden seyn
dass er der Aera des Fabius folgte : allein möglich ist doch auch
dass er in derselben Art wie Livius oben, sich geirrt habe. Oro­
sius sezt jenes Ereigniss grade in 388. — Eine Parallele zu
dieser Verschiedenheit der Zeitrechnungen gewährt die Chronik
des Anastasius, wo die Jahre von Christi Geburt durchaus 7
weniger sind als nach unsrer Zeitrechnung: Justinus I. Antritt
5 11, Justinians 520: wenn nun diese Verschiedenheit nicht be­
merkt, die Geschichte jener Zeit dürftig erhalten wäre, und man
fände darnach angegeben dass Belisarius 530 in Italien landete,
dabey stünde es fest dass Justinian 527 den Thron bestiegen
hätte, so könnte einer leicht annehmen es sey im vierten Jahr
des Kaisers geschehen.
*252) Livius VIII. 24. Durch diese entgegengesezten Ver­
sehen verlängert er den Aufenthalt dieses Alexanders in Italien
auf 18 Jahre. 53) Er würde nicht bey dem gedachten Jahr,
IX. 16., gesagt haben, Papirius Cursor würde Alexandern als
Feldherr entgegen gestanden haben wofern dieser nach Italien ge­
kommen wäre, noch die berühmte Vergleichung der römischen
Macht mit der Alexanders angestellt, wenn er sich diesen schon
vor sechs Jahren gestorben dachte: hingegen gab es Veraulassung
dazu wenn sich dessen Tod bey jenem Zeitpunkt angegeben fand.
î— 492 — [band II.]

dem lin k e n T ib e ru fe r kann nur z u fä llig e in e e in z e ln e


W ohnung des L andm anns der Z e rstö ru n g e n tg a n g e n seyn.
D ie E in fä lle d e r P e lo p o n n e s ie r v e rs c h o n te n in A ttik a k e in
H aus und k e in e n B a u m , w o h in s ie r e ic h te n ; u n d h ie r e r­
s c h ie n e n B a rb a re n , u n te r d eren F u s s tritt a lle s L e b e n er­
s ta rb . O s tia m o c h te s ic h b e h a u p te n ; von den la tin is c h e n
S tä d tc h e n d ie m it der rö m is c h e n L a n d sc h a ft v e re in ig t
w a re n is t es eben so u n w a h rs c h e in lic h d ass d ie G a llie r
O rte wo B e u te zu g e w in n e n w ar u n a n g e ta s te t g e la s se n ,
a ls dass s o lc h e ih n e n w id e r s ta n d e n h ä tte n . D er g rö s ste
T h e i l d e r B ü r g e r w a r u m g e k o m m e n 1254) : d ie m e is te n W e h r­
h a fte n an der A lia : u n z ä h lig e , auch W e ib e r und K i n d e r , езэ
d ie n ic h t e n trin n e n k o n n te n , m üssen u n te r dem S ch w erd t
oder in d ie K n e c h ts c h a ft des S ie g e s g e fa lle n seyn . W er
kann s ic h ü b e rre d e n dass d e r F lu s s d ie v e je n tis c h e F e ld ­
m a rk gedeckt habe, w e n ig s te n s a ls das g a llis c h e H eer
n o c h v e r s a m m e lt w a r ? u n d b is ti e f in L a tiu m m uss m ancher
G e flü c h te te vom V e rd e rb e n e rre ic h t sey n . K o n n te s e lb s t
von den H e ilig th ü m e rn nur e i n T h e i l f o r t g e s c h a f i 't , m u s s t e
das m e is te v e rg ra b e n w erd e n , so w ard von den H a b s e lig ­
k e ite n der E in z e ln e n g e w is s noch v ie l w e n ig e r g e b o r g e n ;
und rä u b e ris c h e s A u fw ü h le n w ird das V erg ra b e n e h e rv o r­
gezogen haben, w e lc h e s e in e n h ö h eren W e rth h a tte a ls
th ö n e r n e g e w e ih te G e g e n s tä n d e . A m lin k e n U fe r k o n n te d e r
L a n d m a n n , w e n n e r a u c h n o c h d a s L e b e n re tte te , n ic h t e in ­
m al s e in V ie h fo rttre ib e n , w enn d a s F lü c h te n n ic h t sch o n
vor der S c h la c h t begonnen h a tte ; da der F e in d g le ic h
nach dem S ie g d ie ganze G egend um d ie S ta d t be­
d e c k te .
E in e N a c h r i c h t w e lc h e aus der G e s c h ic h te v e rd rä n g t
is t g e w ä h r t e in e V o rs te llu n g von Eom s h ü lf s lo s e m Z u s ta n d
nach der R äum ung: und m it ih re m G e is t s tim m e n er­
h a lte n e Sagen ü b e r e in , w e lc h e D ic h tu n g , a b e r s ic h tb a r in

1254) 'rcow 'кХеіато))> 'k o Xltwv àizo/мХбтüju : Diodor XIV. 116.


Die Erwähnung dass, während die Gallier die Stadt inne hatten,
zwanzigtausend Römer zu Veji unter den Waffen gewesen wären
(Plutarch Cam ill. p. 142. a. und vermutblich nach ihm, aus dem
er manches nahm was Dio nicht hatte, Zonaras p. 34. c.), hat
ursprünglich wohl nur sagen sollen dass nicht mehr als die
Hälfte von denen übrig gewesen wären die an der Alia standen.
[ band п .] — 493 —

e in e r sehr a lte n Z e it e n tsta n d e n s in d , und so das B ild


kund th u n u n te r w e lc h e m d ie n ic h t s e h r e n tfe rn te n N a c h ­
k o m m e n s ic h d ie s e r S c h ic k s a le e rin n e rte n .
W ä h r e n d d ie G a llie r u n g e s tö r t in B o m g e la g e rt w a re n
640 h a t t e n s ie begonnen auch d ie M a u e rn der S ta d t n ie d e r­
z u w erfen . D ie s e h e rz u s te lle n w ar im e rs te n Ja h r, neben
d er E rric h tu n g e in e s O b d a c h s , das G e sc h ä ft des z u rü c k ­
k e h re n d e n V o l k s 1255) : es g e s c h a h w as das d rin g e n d e B e­
d ü rfn is s e rfo rd e rte : e rst 377 w ard d ie A u ffü h ru n g e in e r
neuen B in g m a u e r v o n W e rk s tü c k e n b e g o n n e n 56) .
A n fan g s a lso w a re n d ie Z u rü c k g e k e h rte n , w ä h r e n d s ie
den S c h u tt a u frä u m te n , so u n b e s c h ü z t g e la g e rt, u n d u n te r
n ic h t m in d e r b itte rn F e in d e n , a ls d ie C o lo n ie w e lc h e E s r a
auf d ie B u in e n der S ta d t ih re r V ä te r z u rü c k fü h rte . In
d ie s e r Lage is t es denkbar dass d ie u n te rw ü rfig e n O rte
w ie F ic u le a , a u c h so u n b e d e u te n d e w ie d ie E i n w o h n e r s c h a f t
w e lc h e s ic h nach der Z e rstö ru n g v o n F id e n ä d o r t w ie d e r
g e s a m m e lt h a b e n m o c h te , den G e h o rsa m v e r w e i g e r t e n 57) ;
n ic h t u n g la u b lic h d ass d ie p lö z lic h e A n n äh eru n g ih re r
B e w a ffn e te n und der von b e n a c h b a rte n O rts c h a fte n , e in
p a n isc h e s S c h re c k e n v e rb re ite t h a b e , dessen A ndenken in
d e r S o le m n itä t d e r V o lk s flu c h t, a n d e n N o n e n d e s Q u in c tilis ,
den G e s c h ic h ts c h re ib e rn zum T ro z , b is tie f in d ie K a is e r­
z e it e rh a lte n w a r. D ie s e s E re ig n is s n im m t V a rro , —
w e lc h e r den a n g e b lic h e n S ie g des C a m illu s auch h ie r
v e r w ir f t, in d e m e r s a g t, e s h a b e s ic h n a c h dem A bzug der
G a l l i e r z u g e t r a g e n 58) , — f ü r v o llk o m m e n h is to ris c h : a b e r
er u n te r s c h e id e t d ie P o p u lifu g ia von dem F est der N onä
641 C a p r o t i n ä , a n d e r e n T a g e n s i e d a r g e s t e l l t w a r d , in d e m e r
d a s s e lb e aus a lte r la tin is c h e r B e lig io n s s itte e r k lä r t: u n d
v e rw irft a ls o s tills c h w e ig e n d e in e v e rw a n d te , b e r ü h m te re

1255) r à retyy) àvexaivccrav : Zonaras p. 35* d. 5б) Livius


VI. 32. 57) És ist aber unerklärlich wie solche Orte, zum
Beyspiel Ficulea, drey Millien von Rom, sich erhalten hätten:
sollten die Gallier ihnen Loskauf gewährt und gehalten haben?
58) D ies popli/ugia videtu r nominatus, quod eo die tumultu
repente fugerit populus , non multo enim post hic dies quam de -
ces8U8 Gallorum ex urbe, et qui tum sub urbe p o p u li, ut F ic u -
leates ac Fidenates et fin itim i alii, contra nos coniurarunt . Varro
de l L . VI. 3. (V. p. 56.).
— 494 — [band п .]

S age ü b e r je n e E m p ö r u n g , w e lc h e P lu ta rc h u n d M a c ro b iu s
e r z ä h l e n 1259) .
N a c h i h r h ä t te n s ic h d ie V ö lk e r d e r b e n a c h b a r te n O rte
u n te r dem B e fe h l des D ic ta to rs von F id e n ä , P o s tu m iu s
L iv iu s , vor R om g e la g e rt, u n d a ls P r e is d e s F rie d e n s oder
G e is s e in , F r a u e n und Ju n g fra u e n v o n g u te n G e s c h le c h te rn
g e fo rd e rt. D ie R öm er h ä tte n z w is c h e n d ie s e r S chm ach
und d e r U n m ö g lic h k e it d e s W id e rs ta n d s k e in e n R a th ge­
fu n d e n , b is e in e M agd, P h ilo tis o d e r T u tu la g e n a n n t, ih n
e rso n n e n und a u sg e fü h rt habe. S ie w ä re , nebst ä n d e rn
D irn e n , a ls e d le F rä u le in m it der P rä te x ta b e k le id e t,
u n te r tä u s c h e n d e n T h rä n e n d e r S c h e id e n d e n , je n e n L a tin e rn
ü b e rg e b e n w o rd e n . A ls d ie s e s ic h d e s ü b e rm ü th ig e n V e r­
tra g s s c h w e lg e n d fre u te n ; dann von den L is tig e n zum
T ru n k e rm u n te rt, s o rg lo s u n d a c h tlo s in tie f e n S c h la f v e r ­
su n k en la g e n , erh o b d ie A n f ü h r e r in gegen d ie S ta d t v o n
e in e m B aum das v e ra b re d e te Z e ic h e n e in e r b re n n e n d e n
F a c k e l: d a r a u f ü b e rfie le n d ie R ö m e r d a s u n b e w a c h te L a g e r
und e rw ü rg te n d ie V e rm e sse n en . D er T u tu la und ih re n
B e g le ite rin n e n w ard m it F re y h e it und A u s s te u e r g e lo h n t.
D ie s is t F a b e l, g le ic h dem n i c h t u n ä h n lic h e n G e d ic h t ш
von der J u d ith : und g le ic h e r A rt e in e S age über d ie
n ä m lic h e Z e it w e lc h e V e r r iu s F la c c u s a u s u n g e n a n n te n
S c h rifte n n a h m 60) . U m d a s w e n i g e B r o d f ü r d i e z u s p a r e n
von d e re n E rh a ltu n g d ie F o rtd a u e r d e r R e p u b lik a b h in g ,
sey der B e s c h lu ss g e fa sst und a u sg e fü h rt w o rd e n , d ie
s e c h s z ig jä h rig e n G re is e in d ie T ib e r zu s tü rz e n : e in e
G ra u s a m k e it d ie im A lte r th u m so w e n ig u n e r h ö r t w a r dass
s ie au f K eos a ls G esez b e s ta n d e n haben s o ll, und, ausser
den U fe rn d e r In s e l, g e p rie s e n w a rd . D och d e r F o rtg a n g
d e r E rz ä h lu n g e n th ü llt ih r W esen : e in e in z ig e r G re is sey
von s e in e m fro m m e n Sohn v erb o rg en w o rd e n , und zum
D an k fü r d e n w e is e n R a th d e n d ie R e p u b l ik v o n ih m d u rch

1259) Plutarch Rom ul . p. 36. d. Cam ill . p. 145. 146. Ma­


crobius Sa tu rn . I. 11 . p. 251. Hat der lezte nicht auch hier
nach Plutarch geschrieben, dessen philosophische Schriften er
compilirt; — hat er einheimische Bücher vor Augen gehabt, so
sind die starken Ausdrücke über Roms Ohnmacht merkwürdig:
cum sedaius esset gallicus motus , res pu blica vero ad tenue de-
ducta. 6°) Festus s. v. sexagenarios .
[band II.] — 495 —

den M und d ie s e s Sohns o ft e m p fa n g e n habe, das G esez


z u rü ck g en o m m en w o rd e n . An e in h e im is c h e n G e s c h ic h te n
der A rt, w ie von P a p iriu s P rä te x ta tu s , von dem zum
H u n g e rto d e v e ru rth e ilte n g e s ä u g te n V a te r, w a r d ie rö m i­
sche Sage re ic h ehe s ic h d ie H is to r ie b ild e te : d ie s e z e ig t
zur G e n ü g e w ie ja m m e r v o ll d e r Z u s ta n d d e r Z u rü c k k e h re n ­
den in d e r U e b e rlie fe ru n g g e s c h ild e rt w a r.
I s t es a b e r fre y lic h z u v e rm u th e n d a s s d ie E n t k r ä f t e ­
te n in je n e r N o th e in e sch w ere B ü rd e fü r d ie ü b rig e n
L a n d e s le u te sey n m o c h te n , so m uss m an dagegen, w ie
nach ä h n lic h e n K a ta s tro p h e n in ä n d e rn E e p u b lik e n des
A lte rth u m s , das B e d ü rfn iss erk an n t haben, d ie so sehr
v e rm in d e rte Z a h l d e r W e h rh a fte n a u f a lle m ö g lic h e W e is e
643 z u erg ä n z e n . A uch zu Eom w e rd e n d ie V e r b a n n t e n zu­
rü c k g e ru fe n seyn: — und es is t sehr m ö g lic h d ass C a­
m illu s s e in e E ückkehr e in e m a llg e m e in e m G esez d ie s e r
A rt v e rd a n k te : — auch h ie r M e tö k e n und F re y g e la s se n e
in d ie T r ib u s e in g e s c h rie b e n s e y n . E s g esch ah m e h r:
C a p e n a te r , V e je n te r u n d F a li s k e r d ie w ä h r e n d d e r K r i e g e
zu den E ö m e rn ü b e rg e tre te n w a re n , e rh ie lte n das B ü rg e r­
re c h t, und w u rd en zw ey Ja h re s p ä te r (3 6 8 ) in v ie r n e u e
T rib u s v e r e i n i g t 1261) : a lso d a s s d e ren nun fü n fu n d z w a n z ig
w u rd e n . L iv iu s denkt s ic h e in z e ln e U e b e r lä u f e r : es is t
a b e r schon b e m e rk t dass ohne Z w e ife l u n te rth ä n ig e O rt­
sc h a fte n zu d en k en s in d , d ie v o n je n e n S tä d t e n a b g e fa lle n
w a r e n 62). D ie w e lc h e v ie r T rib u s a u s m a c h te n , m u s s te n
w e n ig s te n s d em F ü n fth e il d e r ü b rig g e b lie b e n e n a lte n B ü rg e r­
sch aft an Z a h l g le ic h k o m m e n : nach dem S y ste m w e lc h e s
E o m n a c h h e r im m e r b e y d e r A u fn a h m e v o n F re m d e n b e f o lg te ,
w o d u rc h a lle in e s m ö g lic h w ar ganze B ü rg e rs c h a fte n a u f­
zunehm en o h n e d e n G e is t d e r E e p u b lik zu ä n d e rn , m ü sse n
s ie v ie l z a h lr e ic h e r g e w e s e n seyn, v ie lle ic h t s o g a r a ls d ie
w e lc h e s ic h in e in e r g le ic h e n Z a h l T rib u s b e fa n d e n ehe
s ie d u rc h den K rie g v e rö d e t w a re n . V ie lm e h r is t z u v e r­
m u th e n dass g an z C apena d a m a ls rö m isc h g ew o rd en sey;
denn es kom m t in der F o lg e n ie m ehr a ls s e lb s tä n d ig
v o r. Es w a r w e is e , d a L a tiu m s ic h lo s g e ris s e n h a t te und
fe in d s e lig w ar, d ie B ü rg ersch aft au s n ic h tla tin is c h e n V ö l­
k e rn zu e rg än z en .

1261) Livius VI. 4. 5. 62) Oben S. 527.


— 496 — [band п .]

D as Y o lk b lic k te m it G ra u e n a u f d ie W ie d e r e r b a u u n g
der S ta d t; es b e g e h rte h e ftig m it d ie s e r N o th v ersch o n t
zu b le ib e n ; u n d d a s d a r f ih m n i c h t a l s s c h m ä h l i c h e V e r - 644=
z a g th e it a n g e re c h n e t w erd en . W ie e n g u n d g e rin g a u c h
das H aus w a r w e lc h e s d e m a lte n R ö m e r in d e r g u t e n Z e it,
s e lb s t in ih re m G la n z , g e n ü g te , — auch d ie s e s k o n n te
d o ch , w e r n ic h t e tw a s g e r e tte t h a tte , n ic h t a u ffü h re n ohne
zu b o rg e n . U nd V e ji g e w ä h rte W ohnungen und ö ffe n t­
lic h e G ebäude, s c h ö n e r a ls d ie rö m isc h e n vor d e r Z e rstö ­
ru n g gew esen w aren : den B e s iz d ie s e r S ta d t, v o m S c h ic k ­
sal v e rlie h e n , h a tte den rö m is c h e n N am en g e re tte t: es
w ar w e n ig s te n s fü r d ie noch ü b r ig e V o lk s m e n g e g e rä u m ig
genug: das s o llte fre y w illig v e rsc h m ä h t w erd en ! D as G e­
b ie t e n th ie lt ü b e rd ie s d ie vor k u rz e m an d ie G e m e in d e
a n g e w ie se n e n w e itlä u ftig e n M ark e n , w e lc h e denen d ie z u
R om w o h n te n fe rn la g e n . H a tte n nun auch d ie P a tr i c ie r
h ie rü b e r e in e n tg e g e n g e s e z te s In te re s s e , — in d e m das a lte
G e m e in la n d , a ls o bey w e ite m der g rö s ste T h e il ih re r B e -
s iz u n g e n , a u f dem lin k e n U fe r la g , und, w enn R om v e r­
la s s e n w a rd , w e n ig s te n s dem u n m itte lb a re n Schuz der
W a ffe n e n tz o g e n w ar, — so d a rf m an doch n i c h t z w e ife ln
dass auch e d le re A n s ic h te n d ie B e h a rrlic h k e it des S e n a ts
e n ts c h ie d e n : d a s s d e r h a r t e D r u c k d e r G e g e n w a r t d e r w e is ­
lic h e rk a n n te P re is der s p ä te re n G rö sse R o m s w ar. D er
d e m ü th ig e n d e B e s c h lu ss d ie S t a d t a u f z u g e b e n , w ü r d e ohne
Z w e ife l d ie B e s tim m u n g der N a tio n e n ts c h ie d e n haben:
w er den e rs te n S c h ritt, von dem das H e rz z u rü c k h ä lt,
frü h e re m R uhm und frü h e re m S tre b e n n a c h G rö sse zu e n t­
sagen, g e th a n , der lä s s t s ic h nachher von E rw äg u n g en
des A u g e n b lic k s tre ib e n . E in W o h n s iz je n s e its d e r T ib e r
w ü rd e das B and z w is c h e n R ö m e rn und L a tin e rn v ö llig
z e rriss e n ; d ie s e , m it d e n V o ls k e rn v e r e in ig t, w ü r d e n l e i c h t 645
e in e C o lo n ie in d ie v e rla s se n e n M a u e rn g efü h rt haben;
und der S tro h m fü r d ie rö m isc h e n V e je n te r eben so u n -
ü b e rs te ig lic h g e w o rd e n seyn a ls er e s f ü r d ie e tr u s k is c h e n
gew esen w a r. U nd s e lb s t w e n n d ie s e G e f a h r e n abgew andt
w ä re n , so h ä tte d a s s e lb e V o lk , in e in e r ä n d e rn S ta d t, in
e in e m ä n d e rn V a te rla n d , e n tfe rn t von a lle n fro m m e n , m y­
th is c h e n und h is to ris c h e n A ndenken, u n m ö g lic h b le ib e n
können w as es in s e in e r H e im a t w a r. Es w äre z u e in e r
[ band п .] — 497 —

C o lo n ie h e r a b g e s u n k e n , d e re n G e s c h ic h te von g e s te rn be­
g o n n e n h ä tte .
D a s g lü c k lic h e O m e n e in e s w o h l k lü g lic h v e r a n s ta lte ­
te n W o r t s 1263) , e n ts c h ie d d ie z w is c h e n N o th n n d S c h a m
u n e n ts c h lo s s e n e n G e m ü th e r. Rom w a rd in n e rh a lb e in e s
Ja h rs w ie d e r a u f g e b a u t; g e w is s h ö c h s t ä rm lic h . D ie S tr a s ­
sen in den tie fe n T h e ile n der S ta d t w a re n v o rh e r b re it
und g e ra d e g ew esen , denn d ie C lo a k e n la g e n u n te r ih n e n :
a u c h a u f d e n H ü g e ln s c h e in t, so w e it d e r B o d e n es z u lie s s ,
bey d e r a llm ä h lic h e n E rw e ite ru n g u n te r den K ö n ig e n d ie
O rd n u n g b e o b a c h te t zu s e y n w e lc h e bey d e r A n la g e n e u e r
C o lo n ie s tä d te b e f o lg t w a r d , dass, m it V o r b e h a lt sc h n u r­
g e ra d e r b re ite r S tr a s s e n , w e lc h e d e m S t a a t b l i e b e n 64) , d ie
von ih n e n b e g rä n z te n B a u p lä z e re g e lm ä s s ig e in g e th e ilt,
646 u n d a ls E ig e n th u m a n g e w ie se n w u rd e n . D ie s e s sc h e in t
d ie R e g ie r u n g a ls e rlo sc h e n d u rch d ie f e in d lic h e E r o b e r u n g
b e tra c h te t zu h a b e n : d a h e r k o n n te je d e m e rla u b t w e rd e n
s ic h anzubauen wo e r e s w ü n s c h te „ d a m it der E ife r d es
B e g in n e n s e rm u n te rt, und nach e in ig e m F o rtg a n g so v ie l
m e h rere fü r b e h a rrlic h e A u sd a u e r g e w o n n e n s e y n m ö c h te n .
D ie N a c h k o m m e n , u n e in g e d e n k d a s s s ie o h n e d ie s e n N a c h ­
th e il Rom w a h rs c h e in lic h n ic h t bew ohnt haben w ü rd en ,
b e k la g te n d ie U e b e re ilu n g , in d e m es im g rö s ste n G la n z
d e r S ta d t, b is a u f N e ro s B r a n d , u n m ö g lic h w a r d ie K rü m m e
und Enge der S tra s s e n ab z u ä n d e rn . A ls in d e ss e n d ie s e
V e rsc h ö n e ru n g e rla n g t w a r, g la u b te m an w a h rz u n e h m e n
d ass d ie G e s u n d h e it d u r c h d ie g ra d e n und b re ite n G asse n
l e i d e 65) , und tä u s c h te s ic h e r s ic h n ic h t: denn es is t b e ­
k a n n t d a s s im h e u t i g e n R o m d ie re g e lm ä s s ig e n , v o n g r o s s e n
S tra s s e n d u rc h s c h n itte n e n Q u a rtie re , w e it u n g e s u n d e r s in d
a ls d ie im M itte la lte r z w is c h e n T ib e r und V ia F la m in ia ,

1263) Nach Dionysius (Plutarch Camill. p. 145. b.) hatte Ca-


millus eben den ersten Senator L. Lucretius gerufen seine Stimme
zu geben, als das Wort des Centurio vernommen ward : lasst uns
hier bleiben. Auf die Umstände der Erzählung ist nichts zu
geben: aber nicht zu übersehen dass hier angenommen wird,
L. Lucretius sey der erste Senator gewesen, weil er 361 Consul
war, und wohl kein anderer Consular lebte. So weit standen
also die consularischen Tribunen nach. 64) Daher in pu bli­
cum prodire. 65) Tacitus Ann. XV. 43.
Niebuhr, Röm. Gesch. 32
4:98 — [band п .]

eben so u n fö rm lic h und v erw o rre n w ie je n e s e ilig h e rg e ­


s te llte R o m , a n g e b a u te n . D o rt f ü h lt m a n d e n g e fä h rlic h e n
W ech sel der L u ftw ä rm e nach S o n n e n u n te rg a n g w e it e m ­
p fin d lic h e r; und im W in te r w e rd e n s ie v o n den s c h n e id e n ­
den N o r d w i n d e n , d ie b e y h e lle r L u f t h e rrs c h e n , w enn m an
a u f s o n n ig e n g e s c h ü z te n P lä z e n e r h i z t w ird , d u rc h s tric h e n .
Ic h w e is s n ic h t ob E rfa h ru n g in G rie c h e n la n d d ie e n t-
g e g e n g e s e z te M eynung b e w ä h rte , dass b re ite fü r den Ö st-
und N o rd w in d o ffe n e S tra s s e n der G e s u n d h e it z u trä g lic h
seyen: fast m ö c h te ic h h ie rin e in e th e o re tis c h e V o ra u s-
sezung zu sehen g la u b e n : denn wo w ä re n , a ls A r i s t o t e l e s 647
s c h rie b , s o lc h e g ew esen a u s s e r im P irä e u s , den H ip p o d a -
m us re g e lm ä s s ig a n l e g t e 1266) ? S o n st w aren s ie in a lle n
g rie c h is c h e n S tä d te n , s e lb s t z u A th e n , so eng und k ru m m
w ie n o c h j e z t im O rie n t. D as W esen d e r L im ita tio n , aus­
gehend vom G anzen, w ar den e ig e n tlic h e n G rie c h e n fre m d ,
d e re n E in ric h tu n g e n auf den In d iv id u e n der B ü rg e r u n d
dem B e g riff u rs p rü n g lic h e s P riv a te ig e n th u m s b e ru h te n .
Z u r E rle ic h te ru n g sc h e n k te der S enat Z ie g e l: je d e m
w a rd v e rg ö n n t S te in e zu b rech e n und H o lz zu fä lle n wo
er w o llte , w enn e r B ü rg e n s te llte den B au b in n e n Jah res­
fris t zu v o lle n d e n . U m je n e zu sc h e n k e n m u s s te d e r S ta a t
G ebäude zum A b b re c h e n ü b e rla s se n : w o m it h ä tte e r d ie
A n fe rtig u n g von Z ie g e ln b e z a h le n s o lle n ? S o lc h e G ebäude
h a tte er zu V e ji; und es w ar angem essen um den v er­
h a s s te n G edanken der A u sw a n d e ru n g auf im m e r zu v e r­
bannen, d ie A b tr a g u n g je n e r S ta d t z u b e g ü n s tig e n , w e lc h e
auch kaum a ls e in g e rin g e r O rt b e s ta n d b is s ie u n te r
A u g u stu s a ls M ilita rc o lo n ie e in w e n ig w ie d e r a u fle b te .
A uch zu den S u b s tru c tio n e n des K a p ito ls , w e lc h e b a ld
n a c h h e r, ohne Z w e ife l u n te r der A rx , wo C o m in iu s u n d
d ie G a llie r a u f dem g ew achsenen S te in h in a u fg e k lo m m e n
w a re n , a u fg e fü h rt w u rd e n , u n d z u r H e rs te llu n g d e r M a u e rn ,
w ir d V e ji d ie f e r tig e n B r u c h s te in e h e r g e g e b e n h a b e n : so
v ersc h w a n d e n d ie T e m p e l u n d R in g m a u e r n . D i e w e l c h e 648

1266) Ueber jene Meynung s. Aristoteles Polit . VH. 11. p.


200 b. — Die Hauptstädte welche der Wille makedonischer Kö­
nige schuf, waren freylich sehr regelmässig, mit breiten Strassen,
wie Antiochia, zumal die Neustadt des Epiphanes; wo aber die
Hallen den Nachtheil wenigstens verminderten.
[ band и .] — 499 —

aus Scheu vor der L a st des B au e n s d o rt g e b lie h e n w a re n ,


w u r d e n d u r c h e i n S e n a t u s c o n s u l t u n t e r s c h w e r s t e r S t r a f e 1267)
vor e in e m b e s tim m te n T age zu rü ck g e ru fen .
Z a h llo s e G e g e n s tä n d e w aren u n e rs e z lic h v e rlo re n : es
is t e in W under d ass irg e n d e in e r der d u rch s e in e n S to ff
fü r d ie B a rb a re n G e ld e s w e rth h a tte , w ie d ie e h e rn e n
T a fe ln m it den la tin is c h e n B ü n d n is s e n aus dem D ia n e n -
te m p e l u n d von den R o s tris , w ie d ie S ta n d b ild e r d e r z u
F id e n ä u m g e b ra c h te n A b g e o rd n e te n , dem R aub; — dass
a n d re d ie das Feuer v e rz e h re n k o n n te , w ie j e n e s h ö lz e rn e
B ild d e r F o rtu n a , d e r V e rn ic h tu n g h a b e n e n tg e h e n können.
O der s o llte d ie A e c h t h e it v o n a lle m B e w e g lic h e n w as aus­
s e rh a lb des K a p ito ls z u rü c k g e b lie b e n seyn m ü s s te , eben
so v e rd ä c h tig seyn w ie d ie v o n R o m u lu s K r u m m s ta b , den
d ie A u g u rn u n te r der A sch e und d e n K o h le n von d e r m it
S tro h g e d e c k te n H ü tte des M av o rs u n v erseh rt g efu n d e n
haben w o l l t e n 68) ? Für d ie s W u n d e r w ard ih re Z e rstö ru n g
g e rn e r z ä h lt: so n st s o llte d ie w e lc h e b e s ta n d und g e z e ig t
w a rd , fü r d ie u rs p rü n g lic h e g e lte n .
D enen d ie s ic h in der u n g lü c k lic h e n Z e it h ü lfre ic h
e rw ie s e n h a tte n w ard d u rc h E h re g e lo h n t: den M a tro n e n
z u g e sta n d e n dass auch bey ih re n B e g rä b n is s e n G e d ä c h t-
n is s re d e n g e sp ro c h e n w ü rd en ; den C ä rite n u n d M a s s ilie n -
se rn das M u n ic ip iu m d e c re tirt: den le z te n m it v ie lle ic h t
u n g e w ö h n lic h e n A u s z e i c h n u n g e n 68) . D ie S e e le der R e­
p u b lik w ar d a m a ls C a m illu s , den d ie N achkom m en den
649 z w e y t e n R o m u lu s n a n n te n : u n d a ls H e e rfü h re r in d e n
K rie g e n , w e lc h e , m it A u sn a h m e d e r u n w a n d e lb a r tre u e n
S a b in e r , a u f a l le n S e ite n a u s b r a c h e n , b e w ä h r te u n d e rh ö h te
s ic h d a s V e rtra u e n d e r N a tio n in d e n ih r w ie d e rg e g e b e n e n
g ro sse n B ü rg er.

Die Kriege bis zur Reform von 384.a)


A ls d ie ü b r i g g e b l i e b e n e n R ö m e r, in d ie S t a d t z u r ü c k ­
g e k e h rt, w ie d e r zu s ic h gekom m en w a re n , fan d en s ie den

1267) poena capitalisj Livius VI. 4. ist auch hier nicht noth-
wendig Lebensstrafe. 68) Dionysius, exc. 27. p. 31. (u. Mais
Anm.) — Plutarch Camill. p. 145. d. 69) oben Anm. 149.
und S. 621.
a) Clason Röm. Gesch. I. 8. 57 ff.
32*
— 500 — [band п .]

Staat ohne Unterthanen, auf sich selbst zusammengesunken;


w ie Florenz, nachdem der Herzog von Athen ausgestossen
w ar. • Die Orte welche seit Latiums F a ll um Schuz zu ge­
messen unter Eom s Hoheit getreten waren, verschmähten
es diese jezt anzuerkennen. Schon im Ja h r 366 ist die
Eede vom A b fall der Latiner und H erniker1270): welches
doch nur von der Lösung des damaligen Bandes zu ver­
stehen is t : schieden indessen die Latiner auch ohne Feind­
seligkeit, so konnte es nicht fehlen dass diese bald in den
Gemüthern wurzelte. Ihre Landsgemeinde musste sich her­
steilen sobald die Ueberreste der Kation ihre Selbständig­
keit wiedernahmen. B ey ihr beschwerte sich der römische
Senat 369 dass diesè Zeit her keine Hülfsvölker gegeben
w ären , und das Gefühl der Ohnmacht zwang eine leere
Ausrede gelten zu lassen71). Indessen muss diese Ver­
bindung damals sehr lose gewesen seyn : Lage oder andere
Verhältnisse bestimmten einzelne Städte sich an Rom zu
halten; wodurch es erklärlich wird dass auch in diesem eso
Zeitraum latinische Colonien unter römischer Hoheit ge­
gründet werden konnten, wie Sutrium und Nepet: und
Setia, welches vermuthlich zu den vor 365 gemachten E r ­
oberungen über die Volsker gehörte. Unter dem Ja h r
3 7 2 nennt L iviu s Latium verdächtig: doch waren zu der­
selben Zeit Tusculum , Gabii und Lavici Rom anhänglich,
wie hingegen Lanuvium sich damals mit den Volskern
befreundete72). Häufig dienten Frey willige aus latinischen
Städten unter diesen73) : das war, wie sehr es auch die
Römer verlezte, keine allgemeine feindliche Handlung, da
der alte Bund des Sp. Cassius, der auch dem Einzelnen
untersagte die Waffen gegen die Eidsgenossen zu führen,
seine Gültigkeit verloren hatte.
Der falsche Schein als ob die Latiner aus treuen
Verbündeten Roms Feinde geworden wären, wird haupt­
sächlich dadurch befördert dass Präneste, in alten Tagen
eine der dreyssig Städte, in späteren die vornehmste in

1270) de/ectio L atin oru m H ernicoru m quey Livius VI. 2.


71) Ders. VI. 10. 72) Livius VI. 21. Lavici war allerdings
einer römischen Colonie übergeben : dass die Stadt Schuz zu
Rom suchte, ist Beweis dass diese nicht ausgestossen war.
Ders. V I. 7. 10. 12 . 17.
[band и .] — 501 —
Latium , seit 373 in offnem K rieg gegen Eom erscheint.
Wie sie aher, als die Gränze zwischen Tusculum und ihr
la g , nicht den Latinern angehört haben kann, sondern
äquisch gewesen seyn muss: sey es nun dass sie erobert
worden, oder dass sie sich mit den Siegern vereinigt hatte :
so tritt augenscheinlich dieser pränestinische K rieg an die
Stelle der früher unaufhörlich erneuerten mit den Aequern.
6 51 Denn von diesen ist nach dem Ja h r 367 die Eede nicht
mehr: erst nach dem zweyten samnitischen K rieg, lesen
wir ihren Fam en wieder. E s scheint dass auch ihre Ver­
bündung, gleich der latinischen, aufgelösst war : die Aequer
welche Eom gegen die Mitte des fünften Jahrhunderts sich
unterwarf, waren die eigentliche Nation in den Gebürgen
zwischen dem Liris und Fucinus, und um den Ursprung
des Anio ; deren Name vorher sich über ihre Zugewandten
und Unterthanen verbreitet hatte. B ei dieser Auflösung
bildeten sich neue Gesammtheiten; oder solche wo schon
eine herrschende Stadt mit ihrer Landschaft bestand traten
jezt abgesondert als Staaten hervor. So herrschte Präneste
wenigstens über acht Städte1274) : den Tiburtern, welche
Livius eine Nation nennt75) , war eine nicht angegebene
Zahl unterthan.
Jene Auflösung dürfte Folge eines schweren Schlags
seyn den die Aequer von den Galliern erlitten hätten ; die,
wenn Apulien sie als Ziel anzog, die Strasse dorthin durch
die mit unbemauerten Flecken angefüllte äquische Land­
schaft und die vier nördlichen Orte der Sabeller weit
offner fanden als die latinische, voll sehr fester Städte;
wo nachher die Samniter an ihrer Gränze hätten über­
wunden werden müssen. So gediehen selbst die Einbrüche
der Gallier Eom zum Segen, nnd förderten seine Grösse.
Die eigentlichen Aequer mögen vielleicht schon damals in
das Landrecht getreten seyn welches mit ihnen, ehe es
443 zum Kriege kam, offenbar bestand.
Mit andrer Gesinnung als die Latiner und allerdings
65 2 als Feinde, zerrissen die Volsker von Antium und E cetra76)

i274) Unten Anm. 1295. Livius VII. 19. Ob­


wohl Livius durchgehende die volskische Nation unbestimmt
nennt, so ist doch nur an diese Orte zu denken : VI. 31.
— 502 — [band п.]

dieses Recht, welches seit siebzig Ja h re n , sehr selten ge­


stört, sie mit Rom verknüpft hatte. Eine lange verhaltene
Gehässigkeit brach aus als Rom gefallen w a r: das sehr feste,
und au f der See mächtige Antium konnte von den schreck­
lichen Zeitläuften lange nicht so getroffen seyn wie das
innere Latium.
Doch erfüllte schon der erste Feldzug, 336, die Träume
nicht womit das unedle Unternehmen, gesunkne Grösse zu
zertrümmern, begonnen war. Anfangs zwar drohte der
einzigen L egio n , welche die Republik dorthin senden
konnte, völlige Vernichtung: sie musste sich auf dem Berg
M äcius, unweit Lanuvium , fünf und zwanzig Millien von
Rom, in einem festen L ager behaupten ; und das Heil der
Republik beruhte auf dem Entsaz wozu Camillus als Dic­
tator die Betagten und Entschuldigten herbeyführte1277).
M it Sonnenaufgang griff er die Volsker und ihre Bunds­
genossen an : die bedrängten Römer fielen aus ihrem Lager
heraus, und die Feinde wurden mit sehr grossem Verlust
geschlagen und zerstreut. So lautet ein glaublicher B e ­
ric h t78) : aber die dichterische S ag e, geflissen Camillus in ш
allen seinen Thaten zu verherrlichen, war auch hier ge­
schäftig. S ie , die Livius immer w ählt79), verschwieg die
anfängliche Bedrängniss, und liess Camillus sogleich ins
Feld ziehen. A uf das Gerücht von seiner Annäherung er­
schrecken die Volsker und umgeben ihr mit Wall und
Pfahlw erk verschanztes Lager noch durch einen Verhau.
In diesen lässt der Dictator Feuer w erfen; sein Glücks­
stern erregt die Flamme, und ja g t sie in das Lager, wor­
aus die Feinde entweichen müssen, und, vom Element
besiegt, fliehend in die Waffen der Römer fallen welche sie
vertilgen.

1277) ijvay'xde&v) xal toùç oùx èv &pq. t & v tcqAitwv , à №


yjây ‘K poßeßrjxö'raq (f. я apyjßrjxärag) xœ&OTzktcrcu : Plutarch Camill.
p. 146. ѳ. — Dies bezeichnet noch genauer die Reserve der Ve­
teranen (oben S. 138. 139.) als Diodors Ausdruck, XIV. 117. паѵтад
touç èv ijh xia xa’â onXtaavTeç — obwohl dieser auf die Ausrüstung
der causarii sehr wohl passt. 78j Bey Diodor XIV. 117. und
Plutareh Camill. p. 141). e. f. 79) Plutarch führt mit ihr
jene glaubhafte fort: p. 147. a. — worin Dionysius Manier, die
verschiedenen Erzählungen zusamraenzusezen, erscheint. '
[band II.] — 503 —
Nach jener Niederlage unternahmen die Volsker nichts
ehe das dritte Ja h r um war: aher Camillus musste, wie
König Friedrich nach dem Tage von Collin, die umringenden
Feinde einen nach dem ändern zurückschleudern. E r
nöthigte die Aequer die Belagerung von Bolä aufzuheben1280) :
darnach wandte er sich nach Etrurien, wo die bey Veji
versammelten Cohorten zu schwach gewesen waren um
Sutrium zu entsezen. Die treue Bürgerschaft hatte freyen
Abzug annehmen müssen: der Dictator aber entriss die
Stadt den Eroberern wieder. Auch hier ist das Gedicht
654 in der Erzählung nicht zu verkennen, dass der traurige
Zug der mit dem blossen Leben Entlassenen an dem­
selben Tage wo sie ihre Heimat geräumt hatten, dem
römischen Heer begegnete; und Camillus die Etrusker
so überraschte dass alle in ihre Gewalt gekommene Habe
ganz unberührt war, und kein Mann entkam: denn die
Stadt sey auf einmal umringt, und alle Thore eingenommen
worden. Wenn nicht sogar dieser ganze Krieg um Su­
trium eine blosse Verdoppelung aus der Folgezeit ist;
denn wir lesen auch über 369, und erkennen hier die A n­
nalen, dass die etruskische Gränze sich selbst überlassen
bleiben musste, bis der volskische Feldzug durch eine ge­
wonnene Schlacht geendigt war. Während dieses Verzugs
hatte Nepet sich den Feinden ergeben: in Sutrium waren
sie eingedrungen, und die Bürger vertheidigten sich nur
noch hinter Abschnitten in den Strassen. Camillus schloss
die Etrusker ein in der von ihnen gewonnenen Region:
hier wurden sie überwältigt und niedergemacht. Dann
führte er seine Völker gegen Nepet, wo die welche die
Uebergabe entschieden hatten, vor der Ahndung zitterten.
Sie weigerten sich der Aufforderung, die etruskische Be-
sazung zu vertreiben oder zu verrathen: aber diese konnte
die unglückliche Stadt nicht vertheidigen : sie ward stürmend
genommen; und die des Verraths angeschuldigten Obrig-

1280) g0 Diodor: Bola mochte doch auch die im Jahr 341


geforderte Colonie später bekommen haben, vielleicht gleichzeitig
mit Vitellia: der feste Ort einer römischen Kleruchie geworden
eeyn und sich, wie mancher andre in Lutium, erhalten haben.
Nach Livius VI. 2. waren die Aequer jezt im Besiz der Stadt, ß)
«) Clason Eöm. Gesch. I. 43.
— 504 — [band п .]

keiten büssten mit dem Leben1281). Von der Zeit an ist


Buhe an jener Gränze bis zum Ja h r 391: wo Krieg gegen
die Tarquinienser ausbrach, welche vielleicht das einzige
Y o lk gewesen waren womit Rom dort gestritten hatte. 655
So zeigt der K rieg sich 368, in welchem Ja h r sie durch
Einnahme und Zerstörung zweyer Städte büssten: und un­
verkennbar ist es die Stimme des Gedichts welche meldet
in jenem überall so zweifelhaften Feldzug habe ganz Etru­
rien Sutrium b elagert82). Dieses und Nepet erhielten Co­
lonien: das erste 372, das zweyte 382 83), und bildeten
nun während sechszig Jah ren unaugetastet die Vormauer
des römischen Staats.
E in Streifzug nach den Aequern hin, 36Ÿ, ist bis zum
J a h r 369, die einzige Erwähnung von Kriegsvorfällen in
L atiu m : es muss das Ansehen gehabt haben dass der Friede
dort dauerhaft gesichert sey, da die Tribunen die Anweisung
der pomptinischen Landschaft forderten. Doch dieser Glaube
täuschte: in dem genannten Ja h r bestanden die Antiater,
verstärkt durch zahlreiche Frey willige aus ganz Latium,
eine hartnäckige Schlacht bey Satricum gegen Camillus
selbst. E in Gewitter mit seinem Regenguss trennte die
H eere: allein der Sieg war nicht zweifelhaft: die latini- 656
sehen R eisläufer zerstreuten sich in ihre Heimathen; die
Volsker wichen auf Antium zurück. Satricum, einst eine
der dreyssig latinischen Städte, findet sich, nach ver­
schiedenem W echsel, kurz vor der gallischen Zeit abtrünnig

1281) Die verspätete Hülfe, die Einschliessung nnd Vertil­


gung der Etrusker im eingenommenen Sutrium, gleichen sich
in derselben Art wie des Clölius Schicksal auf dem Algidus und
vor Ardea. Plutarch versezt die zweyte Erzählung von 369 auf
374, Satricum und Sutrium verwechselnd: p. 149. a: — welches
aber keineswegs berechtigt die erste, die so deutlich das Ge­
präge der Dichtung trägt, vorzuziehen. Diodor hilft hier nichts
zur Entscheidung: indem er alle diese Ereignisse und noch
mehrere in das angebliche Jahr der Eroberung Roms 98. 2.
häuft: weil er sie in den folgenden füpf, die doppelt stehen,
nicht anbringen kann. ®2) E tr u ria p r o p e om n is , Livius
VI. 3. ist wieder eine verfälschende Minderung der alten Be­
stimmtheit. ^ 83) So Vellejus I. 14. Livius der die Gründung
der Colonie in Nepet in 372 sezt, VI. 21. verwechselt beyde Orte,
und übergeht daher Sutrium.
[band II.] — 505 —
von Roms Hoheit1284) : mag es nun ehe das Unglück ein­
trat nicht wieder bezwungen, oder aufs neue abgefallen
seyn, — jezt war es volskisch, und ward mit gewaffneter
Hand bezwungen. Camillus trachtete, Antium selbst zu
belagern: aber jede weitere Verfolgung des Siegs ward
durch die Nothwendigkeit gestört jenen Zug nach Sutrium
und Nepet auszuführen. Daher erschienen die Geschlagenen
im folgenden Ja h r wieder angreifend (370): stark genug
dass ein Dictator, A. Cornelius Cossus, wider sie ernannt
werden musste. Das tyrrhenische Circeji, welches vor mehr
als achtzig Jah ren von volskischen Colonen eingenommen,
seit 362 im Besiz von latinischen war, folgte der Sinnes­
art die nun in beyden Völkern herrschte: und wenn Ve­
liträ auch eine ganz römische Colonie erhalten hätte, so
war dort die volskische Volksart so überwiegend geblieben,
und so fest gewurzelt85), dass es nicht befremden kann, wenn
aus beyden Städten Freyw illige unter den Fahnen der An­
tiater und Ecetraner, mit geworbenen Latinern und Her­
nikern, dienten. Wie zahlreich aber auch dieses Heer war,
657 doch erfocht der Dictator im pomptinischen Gebiet einen
entschiedenen S ieg, und machte viele Gefangene; unter
ihnen manche die als Empörer angesehen wurden. A ls
solche mögen sie gestraft seyn, und dies den Entschluss
der Veliterner und Circejenser bestimmt haben sich von
der römischen Herrschaft zu befreyen: dieser ward vor 372
ausgeführt ; in welchem Ja h r beyde Städte, nicht mehr
nur einzelne ihrer Bürger, unter Roms Feinden sind86).
Nach dem Sieg des Dictators Cossus war eine Colonie
von zweytausend römischen Bürgern für das, im Ja h r zu­
vor eroberte, Satricum beschlossen87): diese Niederlassung,
wodurch die Römer sich zwischen Antium und Lanuvium
festsezten88), veranlasste das lezte sich mit den Volskern

1284) Oben S. 525- 85) Veliträ hat fortwährend für einen


recht eigentlich volskischen Ort gegolten: daher auch Dionysius
ganz vergass dass es ursprünglich latinisch war. Bekanntlich
soll auch die sogenannte volskische Inschrift dort gefunden seyn.
86) Oirceiensium q u id a m , et coloni etiam a Velitris B o-
m a n i : Livius VI. 12. Darnach 372: hostes navi7 p ra e ter Volscos
— Circeiosgue et Velitras colonias iam diu molientes defectionem :
VI. 21. 87) Ders. VI. 16. 88) Die AckeranWeisung im
— 606 — [band п.]

zu verbünden (372). Die anwachsende Vereinigung machte


b e so rg t: selbst gegen das empörte Veliträ ward der Krieg
zögernd erklärt: irgend eine Annäherung hätte den Senat
bereit gefunden: das Volk war heftiger. Obgleich die
P rä n e stin e r das Gebiet treuer latinischer Städte verwüstet
hatten, wollte die Herrschaft doch in ihnen keiue Feinde
sehen: erst als im Ja h r darnach das römische Heer in
einem Treffen gegen die Veliterner, bey deren Stadt, auch
m it zahlreichen pränestinischenHülfsvölkern gestritten hatte,
w a rd diesen abgesagt. Durch Veliträ war ihnen, wie vor 658
Zeiten den Aequern, die Verbindung mit den Antiatem
sich er und offen: vereinigt mit diesen eroberten sie Sa­
tricu m ; wo wider die römischen Colonen grausam gewüthet
w ard . N ach diesem Unglück ward Camillus zum siebentenmal
zum Consulartribun gewählt (374): obwohl er, hochbetagt und
k r a n k , ihm die Pflicht zu erlassen bat. Das Vertrauen
der Nation dass seine Weisheit die Republik stüzen werde,
auch wenn sein Arm schwach geworden, täuschte sich
nicht. E s ist ungewiss ob das römische Heer gegen Prä­
neste oder Satricum zog1289). Die Verbündeten waren sehr
üb erlegen an Zahl: aber beyde Heere gleich ungeduldig
den Feldzug zu entscheiden: und L. Furius Medullinus,
ein jüngerer Geschlechtsvetter, welcher abwechselnd als
College den Befehl mit Camillus theilte, war taub für seine
Vorstellungen Uebereilung zu meiden. Der Erfolg recht­
fertigte sie: die Legionen wandten sich dem Lager zu,
wo Camillus krank lag: er raffte sich auf, seine Erschei­
nung hemmte die Fliehenden; er sammelte und führte sie:
die Feinde zogen sich zurück90). So viel mögen wir, ob­
wohl immer ohne es zu verbürgen, in die Geschichte auf-

pomptinischen Gau im folgenden Jahr (VI. 21.) ist schwerlich


von dieser Colonie verschieden, deren Gegend füglich als ager
P o m p tin u s betrachtet werden kann. An die Sümpfe muss man
bey diesem nie denken.
1289) D as lezte sagt Livius, VI. 22 : — aber unmittelbar vor­
her erzählte er, man sey zum Abmarsch vor dem esquilinißchen
Thor versammelt gewesen, -welches die Strasse nach Lavici und
PrHneste war. Würde man die eingeschlagen haben um auf
Querwegen in das pomptinische Land zu kommenV 9ü) Ich
folge Plutarchs Erzählung, Camill. p. 148. f.
[ band п .] — 507 —
nehmen: den Sieg aber, welcher nach Livius jenen traurigen
Tag geendigt, nach Plutarch den folgenden erfreut haben soll,
659 und die Eroberung des feindlichen L agers, um so ent­
schiedener verwerfen da Camillus nicht triumphirte1291).
Auch die Erzählung dass die Tusculaner den Zorn des
S en a ts, da unter den Gefangenen einige ihrer Bürger ge­
funden waren, dadurch entwaffnet hätten dass die anrückenden
Legionen die Thore offen, friedliche Thätigkeit auf dem
Feld und in der Stadt fanden, und allenthalben ein Gefühl
wahrnahmen, es sey unmöglich dass nicht Friede mit Rom
8ѲУ> — kann nur auf sehr geringes Vertrauen Anspruch
machen, da wir auch hier keinen ändern Boden als den
der Sage von Camillus haben- Allerdings gehört sie zu
denen welche man der Geschichte gern gönnte, wo der
Glaube an die Gewalt edelmüthiges Vertrauens so ganz
selten erscheint: und, herabgestimmt auf Gewöhnliches, ist
nichts glaublicher als dass Klugheit ein schweres Gericht
von der Stadt abwandte, da einzelne Tusculaner den Frieden
gebrochen hatten. Mit der Begnadigung soll ihnen das
Bürgerrecht ertheilt seyn92) ; welches die Griechen von der
Isopolitie verstanden haben93) , doch aber wohl von Sym-
660 politie zu erklären ist : denn das höhere Municipium war
gewiss nicht mit der Aufhebung des cassischen Bündnisses
abgeschafft; und dass Tusculum zur Zeit des latinischen
Kriegs ein freyer Ort in Latium war, beweisst nur dass
die Stadt bey dem Frieden von 392 an diesen Staat zu­
rückgegeben seyn muss. An vollkommnes Bürgerrecht ist
nicht zu denken94): und das cäritische Municipium war
Strafe.

1291) Auch hier hat in der ganzen Erzählung bey Livius die
Sage die Geschichte verdrängt: hätte Camillus eine schon ver­
lorne Schlacht so umzuwenden vermocht, so wäre es gar nicht
zu rechtfertigen dass er keine annehmen wollte. Die angeblichen
vier Legionen sind gewiss eine erdichtete Zahl: wenn aber ihre
Stärke zu 4000 Mann angegeben wird, so dürften die Annalen
dabey im Sinn gehabt haben dass jezt 25 Tribus waren. Dar­
nach zählten 150 Centurien, 3750 Gemeine: dazu 150 Centurio-
nen, und 75 Fahnenträger, — 39 75* 92) civitatem etiam im -
p etra veru n t, Livius VI. 26. 93) ßSTaÄaßetv laonoAiretag,
Plutarch Camill. p. 149- e. 94) Hierüber ist Dionysius im
— 508 — [band ii.]

Schw er hält es zu glauben dass Camillus auch nur


eiue Niederlage abgewandt hatte, da die Pränestiner im
folgenden Feldzug, 375, die römische Landschaft bis an das
collinische Thor heimsuchten, als, durch die bürgerlichen
Unruhen gehindert, kein Heer von Rom ausgezogen war.
E ilig st ward ein Dictator bestellt, T. Quinctius, der ohne
Verzug ein Heer bildete vor welchem die Feinde auf der
salarischen Strasse zurückwichen: sey es nun um Falisker
und Etrusker unter die Waffen zu bringen, wie später die
Samniter an die obere Tiber zogen, oder um die Römer
von der pomptinischen Gegend entfernt zu halten, und den
V olskern Unternehmungen zu erleichtern: verständige Ent­
würfe, wenn die welche sie fassten hätten vertrauen dürfen
in offnem Felde zu siegen. Die Oertlichkeit der Alia, wo
sie das Treffen anboten, verminderte der Römer Sieges vertrauen
n ich t: und für sie selbst w ar es Thorheit sich in eine
Gegend zu begeben, von wo ihnen kein sichrer Rückzug
nach Präneste offen stand ; daher suchten sie Rettung in 66i
eiligster Flucht sobald die Schlacht sich gegen sie zu ent­
scheiden angefangen hatte. Die Römer verfolgten: und
solcher Schrecken ging vor ihnen her dass T. Quinctius
in neun Tagen eben so viele Orte einnahm. .Nach Livius
waren acht von diesen den Pränestinern unterthan: in der
neunten sieht er V eliträ1295) : ohne Zweifel eine ganz irrige
M einung: denn weder würde eine Stadt welche eine Colonie
ausgestossen gehabt begnadigt seyn, wie es Veliträ hätte
seyn müssen, da es unbeschädigt fortbesteht, — noch ist
es glaublich dass eine Feste vor welcher die römische
Macht nachher jahrelang nichts ausrichtete, in einem An­
lau f gewonnen sey. Die Zahl von neun eroberten Orten steht
fest: die Inschrift sprach sie aus womit T. Quinctius, der
am zwanzigsten T ag nach seiner Ernennung triumphirte,

völligsten Irrthum; тіоіпвіаѵ £/»<]>ааѵ % а р іса о $ (и , -xâvTwv ß £ -


тадортед шѵ ro tç Pwfxaioiç /летуй, ecl. de virU et vit. ed. ѴЫ.
p. 529. (p. 33. F rf )
1295) Livius VI. 29. Octo o p p id a erant sub ditione P r a e -
nestinorum — deincepsque , h au d m agn o certam ine captis, Veli-
tra s ех егсііш d u c tu s : eae quoque expu gn atae. Dionysius scheint
nur von neun Städten, ohne Veliträ, geredet zu haben: exc. 28.
p. 32.
[band II.] — 509 —
auf dem Kapitol von den Manubien einen goldnen Kranz,
an Gewicht zwey und ein Drittheil Pfund1296), weihte: die
662 älteste unter allen erhaltenen römischen deren Zeitalter
ganz genau bekannt is t97).
Präneste selbst soll sich am zehnten Tage ergeben
haben: eigentliche Dedition ist bey einer uneinnehmbaren
Stadt nicht zu denken98) , aber Kleinmuth konnte, wenn
Tag vor T ag ein Ort in des Siegers Gewalt fiel, bewegen
sich vor ihm zu beugen, und einen demüthigenden Frie­
den einzugehen, der schnell bereut und gebrochen ward
sobald in dem nächsten Ja h r, 376 , ein römisches Heer
durch seiner Anführer Unvorsichtigkeit grossen Verlust
von den Volskern егішеп hatte. Da verleiteten die P rä -
nestiner andre Latiner sich ihnen anzuschliessen. Die
nächsten Consulartribunen (377) rächten die Niederlage

1296) So erklärte Cincius den Ausdruck t r ie n t e m t e r t i u m


% )onäo — bey Festus 5. v. und die Analogie der angeführten
ähnlichen, quadrans q u a r t u s , s e s t e r t i u s , b e s a l t e r , ist ent­
scheidend; obwohl man nach dem römischen Zahlenwesen drey
und ein Drittheil Pfund erwartet, wie das Gelübde eines Auf­
wands von 33B333-J- Assen : Livius XXII. 10. Und wie, wenn
das Gewicht würklich so viel betrug, und die Annalen einen
falschen Ausdruck gebrauchten, anstatt t r i e n s q u a r t u s ? denn an­
zunehmen dass die Inschrift, wenn sie auch mehr enthalten haben
wird als Livius giebt, es bezeichnet habe, ist kein Grund vor­
handen. 97) Pighius Supplement ist in seiner Weise — ge­
wissenlos verwegen, und ganz verwerflich: indessen sind ohne
allen Zweifel bey Livius, wie der grosse Gronovius durchschaute,
wegen des Homöoteleuton, die Worte d i e b u s n o v e m ausgefallen.
So stehen drey altrömische Verse da:
l û p p i t e r , d tq u e D iv i o m n és hoc d e d é r u n t
U t T it u s Q u in c t iu s d ic t d t o r ( R o m d n u s )
O p p id a n o v e m d ie b u s n o vem c d p e r e t.
»Solche Inschriften waren immer in saturnischen Versen, wie die
des Prätors L. Aemilius Regillus über den Seebieg bey Erythrä
(Livius XL. 52. und Atilius Fortunatianus p. 2680), und des D.
Brutus (Jallaicus: ( s c h o i. zu Cicero p r o A r c h . 11. 27.).
ö8) Die Versezung der Statue des Jupiter Imperator auf das Ka­
pitol beweiset nichts: Lipsius hat dargethan dass T. Quinctius
Flamininus mit dem eben so genannten Çincinnatus verwechselt
ist: dass sie aus Makedonien, nicht aus Präneste gebracht war:
Drakenborch zu VI. 29. 8.
— 510 — [band и,]

durch Verheerung des Volskerlandes bis Ecetra: und im


folgenden J a h r , 3 7 8 , entschied eine zweytägige Schlacht
den antiatischen K rieg im dreyzehnten Ja h r. Die Ueber- 663
wundenen warfen sich in Satricum ; und hier brach zwi­
schen ihnen die Entzweyung a u s, womit eine vom Glück
verlassene Verbindung gewöhnlich endet. Die Antiater
wollten den K rie g nicht fortsezen; es stand in ihrer W ill­
kühr das alte V erhältniss herzustellen: nicht so für die
V eliterner, denen schon eine Strafe drohte wie sie Eom
ein M enschenalter später verhängte : die Pränestiner theil-
ten die Erbitterung sich verlassen zu finden. Als die
A ntiater Satricum geräum t, ohne Zw eifel diesen Ort den
Römern abgetreten hatten, war er noch von den Verbün­
deten besezt, die .ihn völlig einäscherten. Von der Brand­
stätte eilten sie nach Tusculum , und überraschten die
nachlässig bewachten Thore. Die Bürger flüchteten mit
W eib und Kind auf die geräumige Oberstadt: die römi­
sche Veteranlegion 1299) eilte ihnen zu H ülfe; und von ihr
und den Tusculanern von der Höhe herab wurden die
Eingedrungenen niedergemacht.
B ald darauf ward die Kraft der Republik gegen
das A usland durch die Fo lgen des Sträubens der Oligar­
chie w ider die licinischen Rogationen gelähm t: Tusculum
war sich selbst überlassen, und ward von den Veliternern
belagert. D a schwieg der Tribunen Einsage gegen die
W ahlen: ein römisches Heer entsezte die treuen Unter-
thanen, und schloss Veliträ ein 1300). Von der Belagerung
dieser Stadt ist wiederholt die Rede seit 380 bis 38 3: m
bey dem lezten Ja h r als von einem zwar langwierigen,
aber in seinem Ausgang sichern Unternehmen1): dennoch

1299) Zwey Legionen (exercitus longe validissim us) waren


gegen Satricum gesandt: ausser diesen stand die Reserve bereit,
und es waren städtische Cohorten gebildet : Livius VI. 32.
1300) Da die Fasten kein anderes Mittel wussten, um anzudeuten
dass in den fünf Jahren 379—383 während etwa zwölf Monaten
Interregnen bestanden hätten, als indem sie diese gesammelt für
ein Jahr einschoben, so musste dadurch irgendwo in der Folge
der Begebenheiten eine Lücke entstehen. Nach jenen fällt der
JEntsaz von Tusculum in 380, und gehört doch offenbar schon
in 379. i) Livius VI. 42.
[ band II.] - 511 —
hat sie gewiss nicht zur Eroberung geführt, wie es Livius-
durch jene Aeusserung verstehen lassen wollte, zu erzäh­
len nicht w agte: andre hatten sich nicht gescheut darüber
als von Camillus lezter Kriegsthat zu schreiben1302). Nach
der Herstellung des Consulats ist Friede; und der wird
erst 392 gebrochen: es ist klar dass Roms innere Zer­
rüttung den Yeliternern eine glückliche Gelegenheit dar­
geboten hat Frieden zu erlangen ohne zu büssen. Eben
so ist es klar dass Präneste vorher nichts zu ihrem B ey-
stand unternommen hatte: allem Ansehen nach hat es-
schon 380 die Bereitwilligkeit des Senats benuzt, einen
Frieden zu schliessen der nichts neuerte. Mit beyden
Orten wird das Municipium hergestellt seyn: eben so mit
Antium.
Auch ein gallischer K rieg wird am Schluss dieses
Zeitraums (383) erwähnt, worin M. Camillus seine lezten
Lorbern gewonnen haben soll: doch ist es höchst befremd­
lich dass Livius, welcher mit so viel Neigung Schlachten
ausmahlt, von dieser nichts erzählt als dass viele tausend
Barbaren im Treffen, viele tausend im Lager umgekommen
665 wären : die entronnenen hätten ihre Rettung der Entlegen­
heit Apuliens verdankt, wohin ihre Flucht sich gewandt,,
und ihrer Zerstreuung auf derselben. Dionysius war aus­
führlicher berichtet: Camillus habe ruhig erwartet dass
die Gallier durch Völlerei feist, träge, weichlich und un­
beholfen geworden wären3): inzwischen sein Heer sorg­
fältig gerüstet, und auf den Höhen im L ager gehalten,
bis die Zeit der Schlacht gekommen. Allein weder Poly­
bius, der den gallischen Zug im Ja h r 389 als den ersten
nach der Zerstörung der Stadt betrachtet, hat von diesem
etwas gewusst; noch, wie Diodors Stillschweigen verbürgt,

1302) Plutarch Camill . p. 151. c. Man erkennt hier Diony­


sius : wie er über Antiums Einnahme leichtgläubig ist, S. 288.
Anm. 57У. 3) Die Vergleichung von Dionysius exc. 29. p.
35. ff. mit Appian fr. 7. Celt. 81. zeigt dass dieser auch hier
nach jenem geschrieben hat: Plutarch doch wohl nicht, da er
den Krieg an den Anio sezt. Es scheint dass ein confuser Ge­
danke au die schlimme Würkung die das Lagern in Italien für
die Cimbern hatte, den Stoff zu jener wunderlichen Erzählung
gegeben hat.
— 512 — [band ii .]

F a b iu s: noch Q. Quadrigarius1304). Auch verrath sich die


e ig e n tü m lich e Sünde der späteren römischen Annalisten,
die eine Erzählung, mythisch oder historisch, auf eine
andre Zeit zurückspiegelnd verdoppeln, durch die Verglei­
chung m it dem grossen Sieg welchen L . Camillus 401
eben wie hier erzählt wird am Alhanergebürg gewann,
w orauf die Gallier eben so nach Apulien zogen. Auch
hier hat sich, mährchenhaft und fabelnd, ja unredlich, die
Sage in die Geschichte eingedrängt wie der Nachkommen
Thorheit sie ausgeschmückt und gehegt hatte.

Innere Geschichte bis zum Jahr 374.


Ich habe die Geschichte der K riege, welche auf die
H erstellun g der Stadt folgten, his zu dem Friedensstand
geführt den das Bedürfniss schuf die neue Ordnung des
S ta a ts nach der licinischen Gesezgebung zu begründen:
die innere Geschichte gestattet der Kaum dieses Theils nur
bis an den Zeitpunkt zu bringen wo diese Gesezgebung
prom ulgirt ward.
Die Gährung wodurch sie herbeygeführt wurde, ent­
stand nicht, wie die Aufregung welche zu den publilischen
Gesezen und der Wahl der Decemvirn führte, in den An­
sprüchen der vornehmen Plebejer au f grössere Freyheit
und gebührende Ehre, — sondern aus dem Elend welches
die gallische Eroberung zurückliess. Revolutionen zu denen
ein weit verbreiteter Nothstand treibt, zerstören, um die­
sem abzuhelfen, die Grundlagen einer dauernden freyen
Verfassung, und haben fast immer, durch entsezliche Zer­
störungen, zum Despotismus geführt: es ist der allerhöchste
Ruhm des römischen Volks, worin kein andres sich ihm
vergleichen kann, dass zweymal aus einer Aufregung die­
ser A rt eine höhere und kräftigere gesezliche Freyheit
hervorging. Was ihr anderswo Untergang brachte, heilte
zu Rom die innere Krankheit der Republik: und die Ver-
fa ssung erreichte den Zustand welcher, bey der Hinfällig-

1304) Dieser sezte in das Jahr 388 allerdings auch einen


gallischen Krieg; aber den am Anio, wo T. Manlius im Zwey­
kampf siegte: в. .oben Anm. 1251*
[ band п .] — 513 —

keit menschlicher Binge, wie eine ähnliche Stufe für unser


Lebensglück, wohl der erfreulichste ist: sie war nur noch
um einen Schritt von der Vollendung entfernt, nach der
jede fernere Veränderung, Ausartung und Verfall ist, wenn
667 auch lange unerkannt, ja als Ausbildung und Gewinn be­
trachtet.
Seit dem Decemvirat war der Wohlstand der Nation
offenbar ungemein erhöht : in der daraus entstandenen B e ­
haglichkeit ist, neben der Mischung der Plebes mit den
Clienten, die Erklärung der in den inneren Fehden seit
Mälius Tode sichtbaren Versöhnlichkeit zu suchen. Das
Vermögen der Patricier wurde durch die Erweiterungen
des Gemeinlands sehr vermehrt: die Plebejer erhielten
Ackeranweisungen, die, wenn sie auch, ausser der vejen-
tischen, gering waren, doch vielen Familien wenigstens
ein kleines Eigenthum verliehen: Kriegssteuern besiegter
Völker und Beute bereicherten manchen; die Zahlung des
Solds war eine grosse Wohlthat sobald der Zehente ent­
richtet ward, und die Ausschreibung des Schosses selten
geworden und auf massige Säze herabgebracht war. Ein
halbes Jahrhundert hindurch war das römische Gebiet fast
nie von Kriegsverheerung getroffen. Die Erhöhung der
Preise von Korn und V ieh , welche wir in Griechenland
finden, hat sich wohl gewiss bis auf Latium erstreckt,
und die glücklichen Folgen dieser Veränderung dürften
durch Herabsezung des Gewichts der Asse erhöht seyn1305).
Ein leidlicher Zins fuss war eingeführt6), und keine Klage
über Druck und Verschuldung begegnet uns.
So hatte die persönliche Verpfändung, welche die X II
668 Tafeln bestehen Hessen, in diesem Zeitraum keine weit
verbreitete und häufige empörende Folgen: der Verhaf­
tete7) war gewöhnlich im Stande sich am Verfalltag durch

1305) Nach der Vermuthung, Th. I. S. 506. 507, dass die Asse
mit dem Typus eines Rinds sich auf die Abschäzung der Multa
durch das Gesez von 325 beziehen. 6) Oben S. 383. Die
Erörterung, was die Unzialzinse war, findet ihre Stelle bey der
Herstellung derselben, im nächsten •Bande. 7) Dies "Wort
entspricht dem latinischen nexus vollkommen, auch dadurch dass
es, wie dieses, einen Gefangenen zu bezeichnen scheint, und doch
nur auf das Haften und Verbundenseyn sich bezieht.
Niobuhr, Röm. Gesch. 33
— 514 — [band п .]

Zahlung zu lösen; und die Bestim m ung jener Geseze, dass


sein bürgerliches Eecht dem des Ledigen gleich seyn solle,
nahm dem Verhältniss das Schm ähliche, und erleichterte
Geschäfte die zur Lösung führten. Ursprünglich war offen­
bar der N exus so wenig als jemand der in Potestas oder
Manus stand, befugt gewesen für sich rechtsgültig zu
handeln; er war eines Ändern, nicht mehr sein, eigen;
und was er hatte stand auch demselben zu Gebot: jezt
hob eine Fiction dieses a u f, und bildete zum Recht was
der redliche Mann bisher nach seinem Gewissen so ge­
halten hatte. Und wenn dann zur V erfallzeit der Schuld­
ner nicht sofort Rath schaffen konnte, aber eidlich erhär­
tete dass er Mittel h abe1308), so wird er die Tribunen nicht
vergebens angerufen haben.
Unter diesen Umständen hatten Verfügungen der Ta­
feln die grässlich lauten, und ihre Gesezgebung schon vor
A lters in den R u f abscheulicher B arbarey gebracht haben,
in der W ürklichkeit wenig schreckliches. Nur die Schuld­
forderung welche die Form eines Nexum angenommen
hatte, befähigte den Gläubiger zu summarischer Beytrei-
b u n g9) : es sollte aber sein Recht auch bey allen übrigen
geschüzt, und deren Verwandlung in ein Nexum begünstigt
werden. Die mannichfaltigsten Beyspiele von solchen Schul- 669
den bieten sich an; wie sie aus geleisteten Diensten, aus
Geschäften, aus Abrechnungen, Verlassenschaften, entstan­
den: wer könnte sie auf zählen? Das Gesez fügte aber
auch noch gerichtliche Erkenntnisse hinzu: nicht bloss
welche eine aus solchen Quellen entsprungene Schuld be­
stätigten, sondern auch, die für ein Verbrechen oder Ver­
gehen eine Entschädigung oder Busse in Geld bestimmten.
Hierüber verordneten die Decemvirn, was wahrscheinlich
auch nur altes Recht w ar: für solche Schulden solle eine
F rist von dreyssig Tagen zugestanden seyn. Nach deren
A b lau f möge der Gläubiger den Schuldner ergreifen, und
vor Gericht bringen : entrichte derselbe dann seine Schuld
nicht, oder fände Niemand der ihn verbürgte, so solle er
ihn nach seinem Hause abfuhren, und in Fesseln oder
Ketten legen : nicht leichter als fünfzehn Pfund: schwerer

1308) bonam copiam iu ra re. 1309) Durch Vindication


oder m anus in iectio.
[ BAND П.] — 515 —
möge er sie ihm anlegen. Nähren darf der Gefangene
sich selbst: thut er es nicht, so ist der Gläubiger pflichtig
ein Pfund Korn zu reichen : mehr mag er geben. Sechszig
Tage dauert das Gefängniss, während welcher Zeit der
Schuldner oder dessen Freunde um seine Lösung handeln
m ögen1310). Sind diese nicht bewürkt, so soll der Gefan­
gene an drey Markttagen hinter einander11) auf das Co­
mitium vor den Prätor geführt, und seine Schuldsumme
ausgerufen werden: hat auch dann Keiner Erbarmen mit
ihm so mag ihn der Schuldherr tödten, oder über die Tiber
€70 verkaufen12). Sind mehrere Gläubiger so können sie seinen
Leib theilen; hackt einer ein grösseres Theil ab als
im Verhältniss seiner Schuld, so ist er darum nicht zu
strafen13) a).
Diese lezte Bestimmung räumt die Einrede weg welche
Shylock bey einer ähnlichen Eechtsbefugniss im Wege
stand, und zeigt wie völliger Ernst es den Gesezgebern
war sie zur Vollziehung kommen zu lassen. Sogar für
den F all dass unter mehreren Gläubigern auch nur einer
unerbittlich war, ist diesem sein Eecht bewahrt; ihm
stand frey den gemeinsamen Schuldner, wo nicht auf einem
Streich umzubringen, so doch ihn zu verstümmeln dass er
sterben musste. Jeder Versuch die Unmenschlichkeit des
Gesezes durch Deutung zu beseitigen ist verkehrt und un­
wahr: sie war empörend wie sein buchstäblich verstandner
Sinn: auch möchte ich nicht mit Gellius behaupten dass
es nie angewandt, niemals ein Verschuldeter getödtet, oder
vollends zerhauen sey. Aber unerhört selten wird es ge­
schehen seyn: denn die ganze Absicht des Gesezes mit

1310) Auch hier findet sich mit der ersten Frist die Zahl
dreyssig dreymal. l l ) Man ßieht auch hier wie dies Recht
die Plebejer betraf. 12) Nicht nach Latium, damit er nicht
von dort manumittirt zurückkehrend, das Recht des Municeps
geltend mache. In Etrurien muss zur Zeit der Decemvirn kein
Ort Isopolitie mit Rom gehabt haben. 13) S i p lu s minusve
secuerunt se f r a u d e esto : dies allein hätte aus jedem gesunden
Kopf den Gedanken an eine sectio bonorum entfernen sollen: erst
das pötelische Gesez nahm das Vermögen in Anspruch. Es ist
fast überflüssig wegen aller dieser Verfügungen auf Gellius XX. I.
zu verweisen. a) Schwegler III. 39. A.
33*
— 516 — [bàîîd п .]

seinen Schrecknissen war keine andre als den Schuldner


zu zwingen dass er sich löse Qder ein Nexum eingehe,
wodurch er Zinsen schuldig w ard , aber auch eine Frist 67 i
Ъѳкаш, und, wenn er keinen Zahlungswerth bieten konnte,
m it A rbeit ab trug. Anstatt des abgelebten Vaters trat
auch wohl der kraftvolle Sohn in Leibhaft, die in Schuld­
knechtschaft überging1314): und wenige werden so verlassen
gew esen seyn dass gar Niemand für sie hergekommen
wäre um dem Gläubiger ein Gebot zu thun was ihm vor­
t e ilh a ft e r gewesen seyn würde als der Verkauf des Un­
glücklichen. Gegen einen W üthrich, der B illiges ausge­
schlagen hätte um seinen Zorn für das verlorne Geld im
B lu t des Schuldners zu kühlen; oder taub für die mensch­
lichen Vorstellungen derer, die mit ihm einbüssten, ge­
wesen w äre, würden zuverlässig die Tribunen eingeschrit­
ten seyn.
Um die Urheber des Gesezes gerecht zu beurtheilen
erwäge man dass sie die verbundene Macht von Starrsinn und
Geiz überwältigen wollten: Affecte, die beyde gleich tiefe
Wurzeln im römischen Charakter hatten, und häufig alle
glimpfliche W ege, Bemittelte zur Zahlungsleistung zu zwin­
gen, vereiteln mussten. B er Nexus sah den T ag kommen
wo er in Schuldknechtschaft verfallen, und den leiblichen
Züchtigungen eines aufgebrachten Herrn hingegeben seyn
werde: aber der Ungebundene lachte aller Drohungen: er
konnte seinen Sohn emancipiren und ihm alles Gut über­
geben. Also konnte er, wenn er ein Nexum eingehen
musste, leidliche Bedingungen erlangen: Herabsezung der
Schuld auf eine Summe nach deren Zahlung ihm und den
Seinigen noch etwas blieb, sey es dass er sie sogleich 672
entrichtete, oder sich für eine Frist verpfändete: der Gläu­
biger gewann ebenfalls, auch wenn er ein erhebliches
nachliess. Hatte jener kein Vermögen, aber starke Glied­
massen, so war er vollends nur durch ärgere Schrecknisse
zu bewegen dass er sich bequeme für die Schuld zu ar­
beiten. Diese, durch das Bewusstseyn die Seinigen nicht
ganz bettelarm zu hinterlassen, erhöhte K raft des Trozes,

1314) cum se C. P u bliliu s ob aes alienum paternu m nexum


d e d is s e t : Livius ѴПІ. 28.
[band II.] — 517 —
um einen leidlichen Vergleich zu erzwingen, muss in jenen
eisernen Gemüthem eine Stärke gehabt haben die wir nach
unserer A rt gar nicht zu ermessen vermögen1315).
Die Mittel der Lösung wurden seltner wie die Ver­
schuldung weiter um sich griff: und sollte auch nach der
gallischen Zeit die Tödtung des Schuldners noch immer
beynahe eben so schwierig eingetreten seyn wie die A n­
wendung der Tortur oder des Zweykampfs als sie in unsem
Tagen noch im englischen Criminalrecht bestanden, so war
hingegen Knechtschaft, die nicht erst mit einem entfern­
ten Verfalltage eintrat, der einzige Ausweg. E s war jenes
Nexum wo der Schuldner mit Arbeit abtrug16): und diese
Knechtschaft verlebte er im Zuchthause, gleich dem Sklaven.
Sie war das Loos des wegen eines Darlehens als eigen
zugesprochenen Schuldners, wie desjenigen dem das Gesez
673 mit Tod oder Verkauf in die Dienstbarkeit drohte. ’ Die
einen und die ändern füllten scliaarenweise die Verliesse
in den adlichen Häusern17), wo sie in Hunger und Kummer
verkamen18). Den Soldaten, den Manlius auslösste, er­
wartete ein Kerkerleben wie es der eingesperrte Sklav
führte: an Hinrichtung oder Verkauf in die wilde Fremde
wird nicht gedacht.
Die N otw endigkeit gleichzeitig in Stadt und Land
die zerstörten Häuser aufzubauen, wie dürftig es auch ge-
rathen mochte; Zugvieh, Geräth, Saatkorn, anzuschaffen,
führte unvermeidlich allgemeine Verschuldung herbey. Geld,
so viel das Bedürfniss erforderte, konnte nicht vorhanden
seyn: um so weniger da die schwere Erzmünze mit Karren
fortgeschafft werden musste, und zum Flüchten aus der

1315) Ich weiss, sagte ein Janitschar zu einem europäischen


Consul, der ihn wegen einer Schuld heftig drängte, dass du ein
Todesurtheil gegen mich auswirken kannst. Aber wenn ich bin-
gerichtet werde, was bekommt der Kaufmann dann ? und ich sage
dir dass ich nicht mehr bezahlen will als ich geboten habe. Felix
Beaujour tableau d u commerce de la Grèce: H. p. 176.
16) Th. I. S. 640. Anm. 1273. Livius VII. 19. etsi levata usura
e r a t9 sorte ipsa obruebantur inopes, nexumque inibant .
17) Gregatim quotidie de f o r o addictos d u c i, et repleri vinctis
nobile6 domos: et ubicumque p a triciu s habitet, ibi carcerem p r i ­
vatum esse: Livius VI. 36. 18) Th. I. S. 663.
— 518 — [band п.]

Stadt nur sechs und dreyssig Stunden, von der Kunde der
N iederlage an, frey gewesen waren. E s musste aus der
Frem de herbeygezogen werden; wie die Lombarden, welche
das Geschäft der alten Argentarii ohne einige Veränderung
führten1319), ihre Banken dorthin versezten wo sich ein 674

1319) Ich habe in den Anmerkungen zu den vaticanischen


Bruchstücken der Rede p ro Fonteio dargethan, dass die doppelte
Buchbalterey schon bey den Römern geführt ward, selbst in den
quästorischen Rechnungen, keineswegs Erfindung der Lombarden
ist: ebenso wird es sich mit den Wechseln verhalten. Das Wort
cam psare, welches, als dem täglichen Leben angehörend, nur zu­
fällig erhalten ist, bezeichnete wohl schon damals dies Geschäft.
(Zus. d. H.) Da N’s. Ausgabe der erwähnten Bruchstücke
der Rede p r o F onteio [in M. T u llii Ciceronis . . . . fragm en ta
ed. N ieb . JRomae 1820] selten ist, werden die besagten Anmer­
kungen über die doppelte Buchbalterey der Römer hier abgedruckt:
p . 5 3 . N a m ita ego defendo M . Fonteium , ju d ic e s , itaque
contendo, p o st legem Valeriam latam , a M arco F onteio quaestore
usque a d T itu m Crispinum quaestorem a liter neminem soluisse.)
JBaec est illa lex Valeria tu rpissim a, quae creditoribu» qu adran -
iem solvi ju s s it, la ia a L . Valerio F lacco, consule suffecto a. 666 :
de q u a vid e Velleium P aterculum I I . c. 2 3 . et Cortium a d S al-
lu stii CatiL c. 3 3 : quam p e r aliquot annos valuisse ex hoc f r a g -
mento constat : m ansisse autem donec lege Cornelia unciaria haud
pavXo m itiu s r e i foen erariae rem edium a d h ib ere tu r, coniicio.
H v ju s vero g en eris leges in iis tantum debitis ralere possunt quae
ante eas la ta s contracta fu e rin t ; nemo enim pecu n iam crtderet
n isi lege Ulis negotiis cautum esset quaecunque in posterum
f ie r e n t: n isi f o r t e acriore quadam im probitate haec lex eas quo-
que 8olutiones com pr ehender it, quae, nulla a d aes creditum rela­
tio n e, in subsequent tempus stipu latae antea fu eran t ; ex locatio-
nibus c e n so riis , ver bi gratia. Utut hoc f u e r it , quum aerarium
P. R. p e r qu aeetores, h aud secus quam p r iv a ti, quadrante d is -
solveret, eiqu e p a r ite r solveretur , apparet quam ampla fu r to ma­
teries d a ta f u e r i t , praesertim quum in dem tabulis aes novum con-
tin eretu r quod ex asse, et vetu s , quod quadrante solveretur. Sane
ig itu r optim 0 consilio L . H irtu leiu s, quaestor, u t pu to , ejus anni,
quo lex V a leria la ta est, duorum generum tabulas instituerai, et
d o d ra n ta ria s et q u adran tarias : quoties enim quadrante dissol-
ver et, assem quidem nom ini expensum fereb a t , dodrantem autem
eju s in lu cris pon ebat : sin aliter, nihil in lucro : atque contraria
ra tio n e in illis u tebatu r quae populo debereniur , et tum dam num
d o d ra n tis fa c tu m esse scribebat. Jam qui tabularum conficien -
[band II.] — 519 —

reicher Wucher darbot; auch in sehr entfernte Gegenden.


Aher der Zinsfass welchen die X II Tafeln festgesezt hatten,
konnte keinen Trapeziten locken, er war weit niedriger
als zu Athen1320) : die Bestimmung der Unzialzinse im Ja h r
393 kann nur Herstellung, — dieser Fuss muss nach der
gallischen Zeit aufgehoben gewesen seyn, eben um K api­
talien nach Rom zu ziehen a). E s war aher nicht allein

daram rationem tenet qu as d u p lic e s vocant , T ran salpin i Italicas


vocam us , is perspiciet hoc n ih il aliu d esse quam quod in re s i­
m ili argentarii et negotiator es fa c tu ri essen t: atque hinc ap p a ret
harum tabularum ш ит minime, u t fe ru n t, septingentis vel octin-
gentis annis abhinc invectum esse, sed ab antiquissim is Rom ano­
rum temporibus in Ita lia p erdu rasse . Quod quidem eo quoque
confirmatur , quod n u lla fe r e res in hoc toto negotio occurrit quae
non proprio 8uo vocabulo ex optimorum scriptorum usu latine
d i d posait ; in quo tarnen a tten ta lectio meliora su ppeditabit quam
lexica.
p. 61. Acceptas populo liom ano pecunias omnes isiei re ttu -
lerunt : Sei protin u s aliis aeque magnas aut soluerunt aut dede-
ru n t , u t, quod acceptum populo liom ano eat, id expensum quoi-
ріат si t , certe nihil potest ease detractum .) M agnam hie Locus
vim habet a d probandum id , quod d ix i, tabularum a p u d Rom a­
nos eandem fu isse indolem quam earum quas Italicas vocamus
Germ ani. F ac enim illo modo in stitu tas fuisae quo eae quas in
Germ ania noatrates tabulas nuncupam us , iam minime verum erit
quod hic ait Cicero. A t in Italicis nihil cuiquam acceptum r e -
f e r r i poteet quod non a lii expensum refera tu r; quae quidem
p ro p ria earum vis est. N egotia enim ipsa h au d secus quam ho­
mines nom ina in iis su n t , tam in adversariis quam in codice : ut
si quis a populo Romano opus redem tum h abebat, opus illud in
quaestoriis tabulis nomen erat , et quodcunque eo nomine solvere­
tu r, id illi quaestor expensum ferebat. Possum us ig itu r s u s p i c a r i
qu id hoc loco in tersit in ter s o l v e r e et d a r e , modo eorum me-
m ores sim us quae in hac re au t ipsi facim us aut ab allis f ie r i
quotidie videmus. M odo enim s o l v i t u r , quum de homine sermo
est cui debetu r, modo d a t u r , negotio scilicet. Neque tamen
contendam reiiciendam esse horum vocabulorum significationem
co n su èta m . I d certe verissimum est , rite in stitutis tabulis nullo
modo fie ri potuisse u t later et si qu id d e t r a c t u m fu is se t: omnis
autem interpolation comparatione inatituta , evidentissime argueba-
tu r : quapropter rite confici tabulas a d communem utilitam en p e r-
tinebat. — Q u o г u s , q u o i , Ciceroni iu re vindicatur.
1320) Böckhs Staatshaush. I. S. 143. ff. a) Schwegler
III. 286. A. 2.
— 520 — [band п .]

für das eigene unmittelbare .Bedürfniss nothwendig zu


borgen, sondern es wurden auch Anlagen ausgeschrieben,
theils zur Vollendung öffentlicher W erke, theils um das
Gold zu ersezen welches zum Loskauf der Stadt aus den
Tempeln entlehnt w a r1321). Da nun der Schoss immer nicht
die Einkünfte, sondern das auf dem Namen des Steuer­
pflichtigen stehende Eigenthum tr a f, dieser also steuern
musste als wäre der E rtrag ihm frey gewesen, und dabey
doch mit den Seinigen leben sollte, — so blieb oft nichts
übrig als die Zinsen wenigstens zum Theil zum Kapital
zu sch lagen ; alljährlich eine um so viel angewachsene
Schuld anzuerkennen.
A llem Ansehen nach ist ein Zustand wo jede A b­
weichung vom B illigen weit mehr als sonst verlezte, da­
durch noch verschlimmert worden dass die alten Kataster,
welche sonst von Lustrum zu Lustrum die Anfertigung
neuer vorbereiteten und begründeten, wenn sie nicht gar 675
verloren gegangen, so doch durch die allgemeine Zerstörung
völlig unbrauchbar geworden waren, und die Abfassung
neuer stockte. Denn während fünfzehn Jah ren behalf man
sich m it ungefähren Abschäzungen22) : wobey es an B e ­
günstigungen und Bedrückungen nicht fehlen konnte. Endlich
wurden dreym al Censoren erwählt, um eine gerechtere Ord­
nung herzustellen ( 3 7 1 bis 373). Sie sollten den Schulden­
zustand untersuchen23) : doch wohl das verpfändete Eigen­
thum um schreiben: vielleicht, wie es später geschah, eine
allgemeine Liquidation durch Werth für Geld einleiten.

1321) Ueber den Ersaz des entlehnten Tempelgolds, oben S.


621. Anm. 1228. Der Bau der Stadtmauern, wozu ein Tributum
ausgeschrieben ward (Livius VI. 32.) füllt etwas später; aber
das Aufmauern des kapitolinischen Bergs kann auf keine andre
Weise bestritten seyn: uud wie viele öffentliche Gebäude erfor­
derten nicht eine Herstellung welche sich nicht verschieben liess ?
22) Einen ändern Sinn kann die Nachricht vom tributum
temerarium (Festus s. v. tributorum) nicht haben; welches weder
in capita noch ex сет и entrichtet ward, quia proximis quinde-
cim annis post urbem a Gallis captam census alius (l. actus)
non erat. a) 23) maxime propter incertain famam aeris
alieni: Livius VI. 27. noscendi aeris alieni causa. 31.
«) Schwegler III. 301. A. 3.
[band п .] — 521 —

Allein das erstemal gab der Tod des einen Censors einen
Vorwand seinen Collegen abdanken zu lassen: die zweyten
mussten ihr Amt niederlegen wegen vorgegebener irriger
Auspicien; eigentlich aber, wie klar am Tage liegt, weil
einer von ihnen, P . Trebonius, nach demselben Recht wie
die M ilitartribunen, mit deren Amt die Censur verbunden
worden, aus der Plebes erwählt war132*) : die dritten blieben
unthätig25).
Hier ist die Hand des herrschenden Stands unverkenn­
bar^ welcher den Ertrag der Grundstücke seiner Schuldner
gemessen ^w ollte, ohne die Steuer davon zu entrichten :
Thoren, die nicht einsahen dass der Staat, welchen sie als
ihr Eigenthum betrachteten, zu Grunde gehen musste wenn
sie den Mittelstand zu einem Bettlerhaufen herabbrachten,
Immer noch erscheinen die Patricier als die Wucherer26):
nicht dass es glaublich wäre dass sie alles haare Geld
glücklich geborgen gehabt hätten ; sondern wohl hauptsäch­
lich weil der fremde Geldhändler nur unter dem Namen
eines Patrons Geschäfte machen konnte: ein Vortheil der
nothwendig hoch bezahlt seyn muss, wie die Befugniss
für einen Leibeigenen Handel und Gewerbe zu treiben.
Auch hatten sie aus früherer Zeit ihre Forderungen aus­
stehen.
Die römische Oligarchie hätte ohne sich zu verderben
hochmüthig gegen die plebejischen Ritter seyn können,
wenn sie, wie die karthaginiensische und die einiger grie­
chischen Städte, vor allen aber die der Republik Bern, für
den Wohlstand der Volksmenge Sorge getragen hätte. J a
auch ohne milde und freundliche Verwaltung möchte sie
sich viel länger erhalten h ab en , wenn der Senat mit den

1324) Ich habe oben S. 441. gezeigt, dass die beyden Mili­
tartribunen welche Diodor XV. 51. mehr hat als Livius, Censoren
waren. Von ihren Namen ist der eine, 1Epsvouxioç , ohne Zweifel
verschrieben, und wird Геѵоихсод heissen sollen: die Genucier
hatten Familien aus beyden Ständen, und hier ist ein Patricier
anzunehmen: die Trebonier sind uns seit dem Tribun von 307
als Plebejer, und nur als solche, bekannt. 25) ne rem age-
r e n t , bello impediti sun t: das ist eine Beschönigung, höchstens
schon der Annalen, vielleicht nur des Geschichtschreibers selbst.
26) Livius VI. 36. am Schluss.
— 522 — [band II.]

Mitteln bekannt gewesen wäre welche die neuere Finanz


erfunden hat, die Noth der Gegenwart zu übertünchen und
den Nachkommen zu überantworten: wenn auch nur ein
System hypothekarisches Credits und dauernde Darlehen mit
leidlichem Zinsfuss bestanden hätten.
M. M anlius, a) der Better des Kapitols, von dem die 677
Chroniken sagen , dass er an Adel und Tapferkeit Keinem
nachstand, durch Schönheit, Thaten, Beredsamkeit, Kraft
und Zuversicht vor Allen ausgezeichnet w ar1327), fand sich
in seinen Ansprüchen auf Dank und Ehre bitter getäuscht.
Camillus, sein Feind, dem er sich wenigstens gleich fühlte,
der die Noth der Belagerung nicht getheilt, der dem Vater­
land geflucht hatte, ward wiederholt durch die Geschlechter
zu D ictaturen, durch die von der Aristokratie abhängigen
W ahlen zum Consulartribunat erhoben: er selbst, obwohl
A ltconsul, fand sich von allen Würden ausgeschlossen.
Diese schnöde Zurücksezung, als Lohn einer That die in
einem Heldenleben von unerschöpfter K raft hervorragend
aber nicht einzeln stand, vergiftete sein Herz mit bitterm
Groll. E r war einer von den mächtigen Menschen die den
B eru f empfangen haben die Ersten im Vaterland zu seyn,
und Überwindliche Leidenschaft ihn geltend zu machen,
während der Neid und die Abneigung niedrigerer Naturen
sie von der Stelle die ihnen gebührt zurückzu drängen ent­
schlossen sind ; von deren dämonischem Gemüth, wie es
dieser K am pf enthüllt, auch rechtschaffene aber ängstliche
Männer scheu zurückweichen. Denn allerdings ist ihnen
ein Geist als Geselle beygegeben, gegen dessen Fallstricke 678
eben nur das Vertrauen und die Gunst edler Menschen sie
schüzen könnten. Gott wird ihre Seelen von denen fordern
welche sie auf unselige Wege trieben: ihre Fehler wird er
gnädiger richten, als die welche sein herrlichstes Werk
verderbten. Immer ist solchen Gewaltigen ein inniges Ge-

a) Mommsen, M. Manlius (Hermes lvS70. S. 243. ff.)


1327) Quadrigarius bey Gellius XVII. 2. form a , / actis, eloquen-
tia , dignitate, acrimonia, conßdentia, pariter praecellebat. Pli­
nius, VII. 29, erzählt, dass er vor dem siebzehnten Jahr, als
Prätextatus, zwey Spolien erbeutet hatte: er war der erste Rei­
sige der eine Mauerkrone gewann: er zeigte 6 Bürgerkronen, 37
Ehrengeschenke und 23 Narben adverso corpore.
[ band II.] — 523 —
fahl für E echt, Wahrheit und alles Herrliche; Liehe und
Erbarmen, Hass und Zorn rechter Art, angeboren:, es wird
den wilden Leidenschaften dienstbar, aber es erstirbt
nicht; und es ist schreyend ungerecht, auch wenn ihr
Leben unwiederbringlich verirrt ist, Handlungen, die in
einem unbescholtenen als edel und löblich gepriesen werden
würden bey ihnen anders zu betrachten, weil gemeine
Seelen dergleichen als berechnetes Werk üben mögen.
Gewiss mit reinem Gefühl begann Menlius sich der
hülflosen Schuldner zu erbarmen. E r erkannte auf dem
Forum einen alten Kriegsgefährten, einen durch vielfache
Thaten ausgezeichneten Hanptmann, den der Wucherer, nach
Urtheil und Eecht, gefesselt wegführte. A u f der Stelle zahlte
er für-ihn, und gab ihn den Seinigen wieder. A ls der B e­
freite Worte gefunden hatte, erzählte er der umgebenden
Menge sein Schicksal, worin die meisten Zuhörer ihr eigenes
erkannten. Der K rieg, und die gezwungene Herstellung
seines Hauses, hatten ihn in Schulden gestürzt: die Zinsen,
zum Kapital geschlagen, dieses, und endlich sein ganzes
Vermögen, weit überstiegen. E r enthüllte seine rühmlichen
Narben aus vielen Kriegen. Seinem Wohlthäter gelobte
er ewigen Dank und unbedingte Treue. Alle Versammelte
679 waren bewegt, Manlius war begeistert. E r verkaufte vor
allem Volk ein Landgut, sein reichstes Erbe ; und schwur,
so lange er noch ein Pfund habe werde er nicht ge­
statten dass ein Quirit als Schuldknecht abgeführt werde.
Das hat er treu gehalten: als er auf den Tod angeklagt
war, hat er an vierhundert Bürger als Zeugen gestellt, die
er durch Darleihen ohne Zinsen, aus dem Schuldkerker er­
rettet hatte.
Seit diesem Tage begrüsste ihn die Gemeinde mit dem
Namen ihres Patronus, der allerdings für die Herrschaft
beunruhigend seyn konnte1328). In seinem Hause auf der
Burg begannen Plebejer von allen Klassen sich zu ver­
sammeln; vor diesen soll er seine Mitstände angeklagt
haben, sie hätten das gallische Gold unterschlagen : das

1328) Livius VI. 18- Victor de vir. UL 2 4 : wo aber dieser


grosse Ehrennahme (verändert zu patronus populi) schon auf die
Rettung des Kapitols bezogen wird. Auch parens plebis scheint
er genannt zu seyn: Livius VI. 14. 3.
524: — [band п .]

solle man von ihnen zurückfordern, und zur Schuldentil­


gung verwenden. Die Erwähnung des Schosses, welcher
ausgeschrieben worden um jenes Gold aufzubringen1329),
lässt erkennen dass hier keine ausmahlende Erzählung
fabelnder Annalisten, nicht an das angeblich von Camillus
wiedereroberte gedacht ist. Die Chroniken meynten eine
Ausschreibung um das aus den Tempeln entlehnte zu er-
sezen: und zwar zwiefach, wie denn das eingemauerte
doppelt so viel betrug als das Lösegeld30). Hätte man
glückliche Zeiten erwartet, so war dawider nichts zu er­
innern damit der Staat sich nicht gewöhne Tempelraub
als eine bereite Aushülfe zu betrachten: musste aber das
Geld zum Schoss bey dem Wucherer erborgt werden, so eso
empörte, w as vielleicht nur Bigotterie seyn mochte, als
H eucheley; und da es zum Behuf einer vor allen Augen
verschlossenen Niederlegung geschah, so war Niemanden
der Argwohn zu verdenken, es sey gar nur eine Erpressung
zum Yortheil mächtiger Plünderer,. welche sich das Kapital
theilten, für dessen Darleihen an die unglücklichen Steuer­
pflichtigen sie von Clienten, die unter ihrem Schuz Wucher
trieben, Procente empfangen hatten. Sobald ein solcher
Verdacht sich verbreitete, galt er der gequälten Armuth
für ausgem acht; und dies musste weit mehr als alle alte
Bedrückungen die schreckliche Stimmung erregen worin
Aufstand ein willkommner Gedanke wird.
Solche Eügen konnten nur erbittern: was der Noth
würklich abhelfen sollte waren Anträge auf Ackerthei-
lung und Schuldentilgung. Dionysius erzählte31), Manlius
habe diese Tilgung gefordert, ohne dass das Gemeinland
verkauft werde, um mit dem Ertrag die Schulden abzu­
zahlen: das w ar, wenn es nur mit einem Theil geschah,
— so viel als billig zur Assignation hätte kommen können,
— jene in einer bessern Form. Noch ist wohl nur an
V orschläge zu denken wofür es möglich war die Einwilli­
gung der Curien wenigstens abzudringen: also nicht an
eine allgemeine Ackeranweisung.
E s w ar das Ja h r 370, das fünfte von der Herstellung

1329j Livius VI. 14. ad redimendam civitatem a Gallis —


Irxbuto collationem factam. 30) Plinius XXXIII. 15.
51) Denn ihn vernehmen -wir in Appian fr. 9. Italic, p. 40.
[band п .] — 525 —

der Stadt. — A. Cornelius Cossus war wegen des volski­


schen Kriegs zum Dictator ernannt; er, dessen Gewalt
auch nach der schnellen Beendigung des Feldzugs fort-
6 81 dauerte, liess Manlius als Verläumder der Herrschaft, und
als Meuterer in den Kerker werfen. Als ob den Patronus
oder einen nahen Freund dieses Schicksal getroffen hätte,
trauerten nun, nebst denen die ihm Freyheit und Tages­
licht verdankten, viele andre Plebejer in zerrissenen K lei­
dern und mit verwildertem Haupthaar und B art; täglich
wuchs ihre Zahl und vom frühesten Morgen verliessen sie
den ganzen Tag die Thür des Kerkers nicht. Um die Ge­
meinde von ihrem Führer abzuziehen, ward eine Colonie
von zweytausend Bürgern nach Satricum beschlossen: aber
die beschränkte Zahl, und zwey und ein halbes Jugerum
für die Fam ilie1332), wurden mit Hohn: die Lage des Orts,
wo die Angesiedelten auch bald nachher umkamen, ward
als eine verrätherische A rglist aufgenommen. Nun wichen
Manlius Anhänger auch die Nacht hindurch nicht: man
drohte gewaltsame Befreyung: anstatt ein Gericht entschei­
den zu lassen, fasst der Senat den Entschluss ihn in Frey­
heit zu sezen: sey es, dass man nur für den Augenblick
einen gewaltsamen Ausbruch zu vermeiden suchte, oder
dass auch nicht einmal scheinbare Beweise h och verräte­
rischer Entwürfe gegen ihn vorzubringen waren, wohl aber
zu erwarten stand dass das stürmische Gemüth sich nun
unfehlbar zu Schritten verirren würde, die gerichtlich
schuldig machten.
Wer kann bezweifeln dass, wenn nun sein Anhang
sich wieder um ihn versammelt fand, ihre Reden vielfach
ergrimmter und drohender waren als zuvor? Wer will es
$8 2 läugnen dass der Gedanke sich die Königswürde anzumas-
sen, den das gesunde Bewusstseyn eines Römers nicht
fassen konnte, in der Finsterniss des Kerkers die fiebernde
Seele ergriffen, und sie nicht wieder verlassen haben mag?
Aber nirgends fand Livius ihm eine Handlung zur L ast
gelegt welche unmittelbar auf jenes Vorhaben gedeutet
hätte33). Vielleicht würde Manlius auch jezt noch in das

1332) 5000 Jugern sind eben hundert quästorische oder ple­


bejische Centurien, zu 100 Actus. 33) Quae praeter coetus
— 526 — [band п .]

V erhältniss des gesezlichen Bürgers zurückgekehrt seyn,


wenn seine gerechten Ansprüche erfüllt wären ; doch Nach­
gieb igkeit und Vertrauen waren fü r'd ie Machthaber eben
so unmöglich, als für ihn dass er in tugendhafter Demuth
des Friedens wegen geduldet hätte. So war er denn, schul­
dig oder nicht, durch ein Unglück das niemand beseitigen
konnte, höchst gefährlich, und es konnte nur schlimmer
werden. Diesen Knoten hätte Ostracismus lösen können;
und die Tribunen, welche ihn vor dep. Centurien anklag­
ten1334), dürften nichts anders gewollt haben als einen
B ü rger entfernen, dessen Anwesenheit mit dem Bestehen
einer Regierung unverträglich war, deren gewaltsame Zer­
störung, wie tadelnswerth jene seyn mochte, dennoch das 683
höchste Unrecht und das allerärgste Uebel gewesen seyn
würde. Offenbar wollten sie ihn nur veranlassen sich zu
entfernen, sonst würden sie ihn verhaftet haben: jezt hätte
er ohne Schim pf das Bürgerrecht eines Municipiums kühren
können: leider blieb er unbiegsam, und erwartete das Ge­
richt. Dies liess um so viel mehr Gunst für ihn erwarten,
je ungem ässigter sich die Wuth der Patricier zeigte: die
Abtrünnigkeit der gesammten Freundschaft, welche ihre
heiligen gentilicischen Pflichten brach; die Verläugnung
seiner eigenen Brüder, welche die Trauerkleider abgelegt
hatten, — empörten um so mehr da es im Andenkeu war
wie im Gegentheil C. Claudius und sein ganzes Geschlecht
während der Anklage des Decemvirs getrauert hatten. Als
er aber die als Zeugen vorrief, denen er Freyheit und
Eigenthum wiedergegeben, oder in Kriegen das Leben ge­
rettet hatte, — unter diesen den Obersten der Reisigen,

m ultitudinis , seditiosasque voces , et largitionem, et fallax indi­


ciu m , pertinentia proprie ad regni crimen — objecta sint, —
a p u d neminem auciorem invenio. Livius VI. 20.
1334 ) ihre Namen heissen bey Livius, VI. 19. M. Mänius und
Q. Publilius, beyde nach Emendation, -welche für den zvreyfcen
als wohlbegründet gelten darf, und den Vater oder Grossvater
des Dictators zeigt : allein für den ersten sollte hier und IV. 53.
die Lesart aller Handschriften, M. Menenius, hergestellt werden,
■welche Sigonius mit zu grosser Dreistigkeit geändert hat: so
mancher Volkstribun führt den Namen eines patricischen Ge­
schlechts !
[band n.J — 527 —

C. Servilius, der nicht erschien ihm durch Zeugniss zu


vergelten: — als er die Waffen dreyssig erlegter Feinde,
vierzig von den Feldherrn empfangene Ehrengeschenke,
zeigte, die Narben seiner Brust enthüllte, und, von der
auf dem Marsfeld versammelten Gemeinde nach dem K a ­
pitol gewandt, betend, nicht mehr die jeder Wohlthat un­
dankbar vergessenden Menschen, sondern die ewigen Götter
anflehte, ihm in seiner Noth zu gedenken dass er ihren
heiligen Tempel von Entweihung und Zerstörung errettet
habe, — da fühlten sich auch die, welche seine Erhaltung
unvereinbar mit der des Staats glaubten, unwürdig einen
solchen Mann zu verdammen. Anerkannt ist dass er nicht
684 verurtheilt ward : nicht zu bezweifeln dass ihn die Centu­
rien losgesprochen haben; die Angabe, es sey das Urtheil
verschoben worden, ist nur erfunden nach dem Wahn, das
Gericht welches ihn verdammte sey eine rechtmässige Fort-
sezung von jenem auf dem Marsfeld gewesen.
Jeder Gedanke an glimpfliche Entscheidung war nun
hin. Manlius Anhänger bereiteten sich mit ihm das K a ­
pitol bewaffnet zu behaupten: die Vornehmen und Beson­
nenen von der Plebes überliessen wehmüthig den Sieg in
einer heillos gewordnen Sache denen die ärger und un­
edler waren als der Verirrte. Von der ändern Seite war
Camillus, zum viertenmal zur Dictatur erhoben1335), jezt
in der Stadt36), beschäftigt den Untergang seines Feindes
zu vollenden. Unter dem Schuz der Allgewalt seines Amts
erneuerten die Rügeherren vor den Curien37) die mislungene

1335) Dio Cassius (Zonaras p. 35. f.) meldet diese Dictatur,


welche er als die vierte des Camillus zählt, ausdrücklich; und
Livius Erzählung ist Zeugniss dafür dass C. Servilius zur Zeit
des Gerichts Oberster der Ritter war: VI. 20. inter quos G. Ser -
vilium magietrum equitum absentem nominatum. Er hatte dieses
Amt 366 bekleidet, aber unmöglich war es Livius Gedanke, Man­
lius habe ihm damals das Leben gerettet; worüber Plinius Er­
wähnung VII. 29. freylich nichts entscheidet. Jener hat sich
hier wie über 369 (VI. 6.) durch die Ansicht irre leiten lassen,
der Consulartribun könne dictatorische Gewalt empfangen haben,
nicht aber zum Dictator ernannt seyn. Зб) Wenigstens der
Magister equitum war vorher abwesend. 37) I n Petelinum
lucum extra portam Nomentanam concilium populi indicium est :
— 528 — [band п .]

A n k la g e ; oder sie trugen bey derselben auf Aechtung an: ees


und dies däucht mir w ahrscheinlicher; denn, obwohl die
X I I Tafeln solche Geseze wider den Einzelnen untersagt
hatten, so mochte doch die Beystimmung der Gemeinde,
welche dort nicht berücksichtigt seyn konnte, der Sache
eine andre Gestalt geben1338). Das Concilium des patrici­
schen Populus im petelinischen Hain, vor dem Momentaner
Thor, sprach den Tod über Manlius aus. a).
D ies ist nicht mit Unrecht geschehen wenn er nun
im A ufruhr w ar: doch wer mag verbürgen dass der Un­
glückliche nicht eben durch die Aechtung zu einem Schritt
getrieben ward bis zu dem er sich vielleicht sonst nie ver­
irrt hätte? Dass es geschehen; dass er nicht, wie Livius
Erzählung voraussezt, als ein duldendes Opfer fiel, wonach
denn seine Unschuld fast ausser Zweifel scheinen muss,
— darüber hat Dio ohne Zweifel aus der ächtesten Quelle, 685
wie so manches andre, eine Erzählung erhalten, wobey er
nur in den bey ändern römischen Geschichtschreibern so
gewöhnlichen Fehler einer widersinnigen Verbindung mit
der sonst angenommenen, verfallen ist. Davon getrennt

Livius VI. 20. Schon Th. I. S. 469. habe ich bemerkt dass hier
kein anderer Populus als die Curien zu verstehen seyn kann:
den Comitiat der Centurien kann kein Annalist ein concilium p o-
p u li genannt haben, welches jene eben so waren wie die Ver­
sammlung der Gemeinde das concilium plebis war und hiess.
Auch sind die Centurien niemals anderswo zusarnmengekommen
als auf dem Marsfeld: der Populus der Geschlechter hat auch
die Lex Hortensia in einem Hain angenommen: dem esculetum.
— Einige Annalen nannten als Ankläger nur die Tribunen, andre
nur die Quästoren (Livius VI. 19, 5. 20, 12.). Gegen so viele
Beyspiele an denen ich gerügt habe dass zwey abweichende Er­
zählungen der nämlichen Sache zusammengefugt werden als wären
es verschiedene Ereignisse, ist hier ein in der römischen älteren
Geschichte äusserst seltenes vom Gegentheil. Es ist ein feiner
Gedanke dass das Volk wo das Kapitol von ihren Augen war
das Urtheil zu sprechen kein Herz fassen konnte; aber daran
hing des Angeklagten Schicksal nicht. — Dionysius scheint (nach
exc. 28. p. 32. und Plutarch Camill. p. 148. b. c.) ganz wie Li­
vius erzählt zu haben.
1338 ) Dies ist was ich oben S. 56G. im Sinn hatte.
«) Schwegler III. 295 und A. 4.
[band XI.] — 5 29 —

lautet sie so glaubwürdig wie bedeutend. Nach ihr nun


war Manlius mit seinem Anhang Meister des Kapitols,
und im offenen K rieg gegen die Republik: aber die an­
gesehenen Plebejer hatten alle ihn verlassen, und er konnte
keine Hülfe verschmähen. E in Sklav, der durch die W a­
chen des Dictators geschlichen zu seyn schien,- fand sich
auf dem Berge ein, vorgeblich als der Bote einer Ver­
schwörung seiner K lasse. Manlius, auf der Area, am Rand
der schroffen Bergwand, hin und her wandelnd, lieh ihm
Gehör ohne Argwohn : an einem einsamen Ort w arf sich
der Verräther auf ihn, und stiess ihn vom Felsen hinab1339).
Die Nachkommen, der feigen Hinterlist sich schämend,
687 haben erzählt, die Tribunen hätten ihn hinabgestürzt40):
andre sagten, er sey gestäupt und enthauptet41): vielleicht
nur weil ein Todesurtlieil, welches die Curien ausgespro­
chen, so vollzogen worden wäre : möglich ist es dass der
Unglückliche noch athmend aufgenommen, und hinererich-
tet ward.
Dass Manlius sich der Feste hatte bemeistern können
weil er dort ein Haus hatte, veranlasste den Beschluss

1339 ) Dio, fr. XXXI. Reim. vgl. mit Zonaras, durch den jenes
Fragment erst verständlich wird, p. 35. f. Nichts kann unglück­
licher seyn als der Zusammenhang worin die Erzählung gestellt
ist: man habe sich nur seiner Person bemächtigt, um ihn vor
die Centurien zu. stellen : darauf folgt das zwiefache Gericht,
endlich wird er zum zweytenmal vom tarpejischen Felsen gestürzt.
Da starb er denn : hätte das erstemal so wenig Leides empfunden
dass er vor dem Volk redete V Er wäre in offenbarer Empörung
gewesen, und doch freygesprochen worden? Vielmehr hätte als­
dann gar kein Gericht Statt gefunden; der Dictator würde ihn
haben hinrichten lassen. — Auch Diodor redet über Manlius als
überwältigt in völliger Empörung: ÜTzißaXöfxsvoq rupaw tdt xal
xparyj&stç ду ур еЩ : XV. 35. 40) So erzählen Livius, Dio-
uysius (<exc. und Plutarch), Dio — übereinstimmend mit Varro,
bey Gellius ХѴП. 21 : wobey nur an die Tribunen zu denken
ist, die kein Recht hatten eine Hinrichtung vollziehen zu lassen,
am allerwenigsten gegen einen Patricier, da sie kein magistratus
populi waren: wohl aber zu tödten (oben Anm. 372.).
41) Cornelius Nepos bey Gellius a. a. 0 . — die Strafe für den
Perduellis wenn er auf der Duumvirn Anklage more maiorum
hingerichtet ward.
Niöbubr, Röm. Gesch. 34
— 530 — [band II.]

dass in Zukunft kein Patricier auf dem Kapitol wohnen


dürfe. N icht dass die Geschlechter ihn zu TJnehren ihres
eigenen Standes gefasst, dass Plebejer grösseres Zutrauens
würdig geschienen hätten: sondern es ist ein Vorrecht
aufgehoben worden : es sollte von nun an überall Niemand
a u f der B u rg wohnen, wie es den Plebejern immer ver­
wehrt gew esen w a r1842). Jenes Haus ward geschleift, und,
nach der einen Darstellung, die Stätte mit zwey Hainen
- bepflanzt; nach einer ändern der Tempel der Juno Moneta,
später auch die Münze, dort aufgeführt43). Auch beliebte
das M anlische Geschlecht auf ewige Zeiten dass kein P a ­
tricier unter ihnen den Namen Marcus führen solle44).
M. M anlius ward im Ja h r 3 7 1 getödtet. Das Volk 688
beweinte ihn, und Seuche und Misswachs, die bald folgten,
uud das Elen d vermehrten, schienen eine Rache der Götter
dafür zu seyn dass der Retter ihrer Tempel aufgeopfert
worden45).

1342) Daher war der kapitolinische Berg in keiner plebeji­


schen Region und kommt in Varros Topographie nicht vor.
43) Die Rede pro domo 28 ( 101). — Livius VI. 10. Plutarch
Camill. p. 143. d. 44) Wie das Claudische einst den Namen
Lucius ausschloss, weil zwey ihrer Gentilen, die ihn führten, der
eine wegen Mord der andre wegen Strassenraub, verurtheilt wur­
den. 45) Ein sonderbares Spiel des Schicksals hat unter den
Byzantinern jenen fabelhaften Glanz den die dichterische Sage
für Camillus schuf auf seinen unglücklichen Nebenbuhler über­
tragen. Johannes Malalas ( Chronogr. VH. p. 233—239.) erzählt,
aus einem Brunichius, vom Mallio Capitolinus wie er, von bos­
haften Feinden aus Rom verbannt, sich auf seine Güter bey Aqui-
leja zurückgezogen. Aber nach der Einnahme der Stadt habe
ihn der reuige Senat zum Feldherrn erwählt : er dann die Legio­
nen aus den Festungen zusammengezogen, mit ihnen das Kapitol
entsezt, Brennus mit eigener Hand erschlagen, sey darauf zum
Oberhaupt ernannt, und habe seinen Erzfeind, den verräterischen,
aus gallischem Geschlecht abstammenden, Senator Februarius ver­
jagt. Dieselbe Erzählung hat Cedrenus. — Brunichius ist sicher
kein erdichteter Schriftsteller wie die in den kleinen Parallelen,
dem Buch von den Flüssen, dem Scholiaeten zum Ibis, vielleicht
auch dem ravennatischen Erdbesclireiber : ein Römer war er frey­
lich nicht: der Name ist offenbar gothiscb, wie Wittich. Nichts
ist begreiflicher als dass die germanischen Ansiedler die Ge­
schichten welche яіе in Italien wieder zu Sagen geworden fanden,
[band II.] — 531 —

689 Wie nach Mälius Tode wohlfeile Getreidepreise gege­


ben wurden, so beschloss jezt, 372, der Senat die A ssig­
nation des pomptinischen Gebiets, welche sehen vor vier
Jahren von den Tribunen gefordert w ar1346). Doch ward-
diese Niederlassung bald durch den Verlust von Satricum
wieder zerstört, bey dem nur wenige der unglücklichen
Colonen sich retteten. Unter glücklicheren Auspicien zogen
die aus welche um Eigenthum zu erlangen in die latini­
schen Colonien Sutrium, 372, Setia, 373, und Nepete, 382,
wandernd47), dem Bürgerrecht entsagten.
690 Nicht unwichtig ist für die Verfassung, dass die von

theils unvollkommen auffassten, theils mit derselben Freyheit be­


handelten wie sie es mit ihren ererbten einheimischen gewohnt
waren. Spuren völliger Entstellung der alten Geschichte in volks-
mässiger Erzählung zeigen sich wenigstens nicht lange nach dem
Untergang des westlichen Reichs: offenbare Züge einer solchen
Gestaltung trägt die von Camillus im Commentar zum VI. Buch
dor Aeneis (ad. v. 826.), der unter Servius Namen geht aber zu
denjenigen gehört wovon nur ein ungeschickter und mannichfaltig
veränderter, zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert in einer der
dürftig fortlebenden grammatischen Schulen abgefasster Auszug
vorhanden ist. Sichtbar jung ist die Angabe vom Ort des Siegs :
bey Pisaurum, welches, wie die etymologische Erklärung, — vom
italienischen p esare , — zeigt, schon Pesaurum ausgesprochen
seyn muss : eigentümlich ist dass er nachher in das Exil zurück­
geht. — Die grossen Namen lebten fort mit innerer Unsterblich­
keit, aber die Phantasie spielte wild mit ihnen wie das Geschwäz
eines Kindes, oder wie Geschichte und Erdkunde sich in Ritter­
romanen gestalten. So ist Catilina im frühesten Mittelalter zum
Helden der florentmischen Chroniken geworden: so war Hannibal
in der Tradition Roms im zwölften Jahrhundert ein römischer
Feldherr, von dem eine Familie der Stadt ihr Geschlecht ablei­
tote. Wahrlich war dies harmlos, nnd den abgeschiedenen Gei­
stern willkommener als völlige Vergessenheit so lange die Ge­
schichte im Grabe lag. Malalas kennt diese vor Augustus ^nur
so: er erzählt wie Romulus die Factionen des Circus gestiftet,
und Brutus den Knecht Vindicius zum Comes ernannt habe.
Ш6) Livius VI. 5. 21. 47) So giebt Vellejus die Jahrs­
zahlen an. Livius sezt die Colonie zu Setia in 376, zu Nepete
in 382 (VI. 30. 21.) — übergeht Sutrium. Satricum war eine
Colonie von Römern: solche liegen ausser dem Plan des Ver­
zeichnisses bey Vellejus', und weder bey ihm noeh bey Livius
VI. 16. darf geändert werden.
34*
— 532 — [band h .]

Senat nnd Geschlechtern beschlossene Kriegserklärung jezt der


Gemeinde zur Genehmigung vorgetragen w ard1348), anstatt
dass früher die Centurien ihreBeystimmung ertheilt hatten49).
Doch wäre dem Y o lk jede Linderung seiner Noth will-
kommner gewesen als solche Besserungen der Verfassung,
oder ein Abkommen zwischen den Häuptern beyder Stände,
wie dasjenige wodurch die Patricier 376 zum erstenmal
nach siebzehn Ja h re n die Ernennung plebejischer Militar-
tribunen wieder zuliessen : zumal da diesen nur der Name
des Am ts blieb. Denn der Gewalt hatten sich die patri­
cischen Collegen willkührlich angemaasst: sie haben sie
sehr unglücklich ausgeübt: dadurch Hessen indessen die
Herrschenden sich nicht hindern im folgenden Ja h r wieder
alle plebejische Candidaten ausser einem auszuschliessen.
Je n er Vergleich war erzwungen worden indem die
Volkstribunen sich der Ueberantwortung der Scliuldknechte
an die Gläubiger, und der Aushebung der Soldaten wider-
sezt hatten, b is annahende Gefahr verpflichtete über diese
lezte nachzugeben. A ls sie 377 ihre Einsagen erneuten,
vertrug man sich dass, so lange der K rieg währe, kein
Urtheil über fällige Schulden gesprochen, noch Schoss
ausgeschrieben werden solle. Vielleicht gelang es für die
Dauer so kurzer Feldzüge, wie jener des Dictators T. Quinc- 69i
tius, den Sold mit dem Ertrag des Zehenten zu bestreiten :
vielleicht fanden die Plebejer, es sey ein minderes Uebel
ihn zu entbehren, da der Senat die Völker jezt nicht un­
bestimmt im Felde halten konnte. E s war nun das dritte
Ja h r dass Censoren ernannt wurden um den Schuldenstand
zu prüfen und zu erleichtern, aber, nach der Absicht der
Faktion, ihren A uftrag vereitelten: vielmehr ward die Ver­
schuldung noch gesteigert, indem sie ein Tributum zum
B au der Mauern ausschrieben60). Ueber die Ernennung
der Consulartribunen des nächsten Jah rs, 378, des L . Aemi­
lius und seiner Collegen51), sagt Livius dass sie durch die

1348) Livius VI. 21. отпев tribus bellum iusserunt.


49) oben Anm. 946. 50) Livius VI. 32. Den Unwillen über
die beschönigte Vereitelung des Census, ne rem agerent bello im-
ped iti sunt (VI. 31.) spricht er aus VI. 27.: eam ludificationem
— feren d am negabanti die Tribunen hemmen Rechtsgang und.
Aushebung donec inspecto aere alieno, initaque ratione minuendl
eins, sciat wnusqmsque quid sui quid alieni sit. 5*) Diese
[band п.] — 533 —

Patricier erzwungen worden 1352) : dies vereinigt sich mit Dio­


dors Angabe, es sey vorher eine Zeit in Aufstand und
Interregnen verflossen, weil ein Theil die Ernennung von
Consuln gewollt habe53). Die es redlich mit dem Vater-
692 land meynten, werden auch diesesmal, als die Feinde ins
Feld rückten, sich wehmüthig entschlossen haben dem
schnöden Unrecht lieber zu weichen.
Jezt war die allgemeine Noth aufs höchste gekommen :
täglich wurden Schuldknechte zugesprochen, und in die
Hauskerker geführt. Die Gemeinde erlag unter dem Elend,
und versank in ein dumpfes Dulden; wobey die Frage wegen
der Rechte der Stände als Gesammtheiten, über die schon
am Anfang des dem Ende entgegengehenden Jahrhunderts
mit so grosser Heftigkeit gestritten wurde, jezt ganz für
den herrschenden entschieden schien54). Die Zahl der
Freyen nahm zusehends ab; die welche übrig blieben
waren durch Verschuldung abhängig. Rom war im Begriff
zu einer elenden Oligarchie herabzusinken: der Name einer
latinischen Stadt in griechischen Büchern, wenn solche
ohne der Römer weltordnende Herrschaft hätten erhalten

Bezeichnung einer zahlreichen Magistratur durch den ersten und


seine Collegen ist in den florentinischen Chroniken üblich.
1352) coacta principum opibus: Livius VI. 32. 53) Diodor
XV, 61. 01. 102. 4. 7Гapà Pwßatocg èyéveTo <nâcrig, та>и fxèv
olopÂvwv деЪ икатоид, rwv âè %didpyoug alpsta&at. èm ßsu
oZv riva xpôvov àvap%ia tt)\> eràcrtv uKsAaße, fiera âè raura
eâo$e %iAiàp%oug aîpzïaÿai e$. Da Diodor gewiss nichts aus
eigenem Wiz hinzuthut, so lässt sich nicht annehmen, er selbst
habe fälschlich die licinische Rogation im Sinn gehabt. Also
haben entweder die licinischen Unruhen, welche Livius unter
diese Consulartribunen sezt, schon unter denen des Jahrs vorher
begonnen, — oder die Patricier wollten damals Consuln, aus den­
selben Ursachen wie vor der gallischen Zeit. r>4) Livius VI.
34. in urbe vis Patrum in dies, miseriaque plebis creacebant —
cum iam ex re nihil dari posset, j'ama et corpore iudicati atque
addicti creditoribm satiafaciebant: poenaque in vicem fid e i cea-
serat. Adeo ergo obnoxios submiserant animos, non infimi solum
sed principes etiam plebis , ut — ne ad plebeios quidem magistra -
tus capessendos ulli mro acri experientique animus esset : posses-
sionemque honoris, usurpati modo a plebe per paucos annos, re -
cuperasse in perpetuum Patres viderentur.
— 53 é — [band и .]

seyn können, w äre was unsere Zeit höchstens von ihr


wüsste, wenn nicht auf diesem Punkt des hoffnungslosen
V erfalls zwey Männer erschienen wären die das Schicksal
der Nation und der W elt wandten.
Unsre Vorältern, die sich an Sprüchen stärkten, habeu
gesag t: wenn man dem Volk die Ziegel doppelt, so kommt
Moses. Diese Zuversicht ist eine Täuschung : die Hellenen
sind von jeder Stufe des Elends und der Knechtschaft zu m
einer immer tieferen herabgesunken, und für Mosis Volk
ist kein zweyter Erretter erschienen; wohl aber mancher
falsche Prophet, der es in neues und schrecklicheres Unglück
gestürzt hat. Sie ist sogar gefährlich; denn sie kann zu
dem Glauben an jene Lügengeister führen die in einer
hoffnungslosen Zeit mit Verheissungen auftreten, und zu
verzweifeltem Beginnen ermuntern, welches noch Schlim­
meres bringt als jenes Arge das man als unleidlich herab­
würdigend empfand. Doch jene beyden Tribunen waren
Eetter wie sie der sich erbarmende Himmel allerdings zu­
weilen sendet wenn die Noth am höchsten ist: von ihnen
ist ungem ischter Segen ausgegangen, weil die Nation noch
gesund war, und das Bestehende, wenn es gebessert wor­
den, h eilig h ielt: weil sie selbst nur die durch den Wandel
der Zeit verlorne Angemessenheit des Einzelnen herstell­
ten; die V erfassung auf ihren B egriff zurückführten, nicht
träumten eine neue zu schaffen; kein Band des Staats zer­
rissen; sondern unverdrossen ausharrten bis die Besserung
in aller Form Rechtens erlangt war.
[band и .] — 535 —

A n h a n g .

Lieber die römische Eintheilung des Land­


eigenthums, und die Limitation1) “).
Die folgende Eintheilung, nach strengen römischen
Begriffen giebt auch die eigentüm lichen Ausdrücke des
alten Staatsrechts.

l) Die Abhandlung „über das agrarische Recht“ in der ersten


Ausgabe dieses Theils, enthielt den ganzen Umfang der Unter­
suchungen welche mich zuerst und allmählich aus ihrem eignen
Kreise zur Kritik der römischen Geschichte geführt haben. Da­
mals waren sie mir noch bis in das Kleinste sehr angelegen, und
aus dieser Vorliebe übersah ich dass ihr Umfang das Ebenmaass
zerstöre, worauf das Kapitel „vom gemeinen Feld und dessen
Nuzung“ oben S. 146. ff. zurückgeführt ist : dass die nachstehende
Untersuchung nicht wie dessen Inhalt dem Verständniss der Ge­
schichte nothwendig ist. In einem Anhänge wird sie nicht stören,;
und sie erläutert uralte römische Eigentümlichkeiten.
Dagegen habe ich die, früher als Anhang gegebene, Ab­
handlung über die Agrimensoren nicht wieder aufgenommen. Sie
ist durch die erste Ausgabe dieser Geschichte entweder in den
Händen derer die dafür Interesse haben, oder ihnen sehr leicht
zugänglich: dann gehört sie auch zu den Versuchen, welche durch
etwas Vollkommneres ersezt und beseitigt werden müssen: dies
erwarte ich von meinem Freund Blume, der, wenn er die Agri­
mensoren kritisch giebt, in einer Untersuchung welche ich nicht
habe wieder aufnehmen können, gewiss manches berichtigen, und
sie weiter führen wird. [Die Abhandlung über die Agrimensoren
ist in der 2. Sammlung der Kleinen historischen und philologi­
schen Schriften S, 81. abgedruckt. A. d. H.] a) Schwegler
H. 439; Nissen, Das Templum 1. ff.
— 536 — [ band II.]

A g e r , M ark, ist die Gesammtheit des einer Staatsge­


meinde eigen tü m lich en Bodens, im Gegensaz von terra,
Land, welches viele solcher Eigenthumsbezirke neben ein­
ander begreift: terra I t a l i a , G r a e c ia 2). A lles Landeigen- 695
thum (ager im engeren Sinn) ist römisch oder fremd (aut
R om an u s aut p ere g rin u s) . Fremd ist auch dasjenige der
isopolitischen Völker.
A lles römische Land ist Eigenthum des Staats (Ge­
meinland, Domaine), oder Privateigenthum (aut publicus aut
p r iv a tu s j .
Das Landeigenthum des Staats ist entweder den Göttern
geweiht (sa cer,) oder menschlicher Benuzung gewidmet (pro -
fa n u s, Jmmani iu r is). Spätere Ansicht machte diese Ein­
theilung zur höchsten, und unterschied dann das Eigen­
thum menschliches Kechts in Gemeingut und Privateigen­
thum 3) : aber eine Schrift welche offenbar unter Domitian,
und sicher von Frontinus, verfasst ist4), — die einzige
unter denen der Agrimensoren welche zu den classischen
gezählt werden kan n , und mit wahrer Rechtswissenschaft
geschrieben is t : — diese sa g t, der Boden heiliger Haine
sey unstreitig Eigenthum des römischen V o lks5). Dies wird 696
durch die N achricht bey Livius bestätigt, dass der Tempel
und H ain der Jun o zu Lanuvium gemeinschaftliches Eigen­
thum des römischen Volks und des Municipiums geworden
sey, als den Lanuvinern das Bürgerrecht gegeben w ard6).
A lles Landeigenthum des Staats, menschliches Rechts,
ist entweder denen die das Eigenthum daran verloren, oder
Bürgern und Zugewandten zum Besiz überlassen (aut red -
ditus aut occupatics).
A lles Privatlandeigenthum ist entweder aus dem Ge-

2) Varro de l. L . VH. 2. (VI. p. 84.) ut ager Tusculanm


sic Calydonius , ager est non terra. 3) Gaius H. 2—9.
4) Der Tyrann, dessen mit Abscheu beladener Name nach seinem
Tode auf Denkmälern ausgetilgt ward, konnte gewiss nur bey
seinem Leben praestantissimus JDomitianzis genannt werden, wie
es das von Rigaltius herausgegebene und dem Aggenus zuge­
schriebene Fragment de controversiis agrorum thut: — tit. de
subsecivis: p. 69. ed Goësii. Frontinus schrieb unter ihm die
Kriegslisten, und schrieb über die Agrimensur. 5) tit, de
locis sacris et religiosis , p. 74. 6) Livius VHI. 14.
[band и .] — 537 —
meinland ausgescliieden (ex publico fa ctu s privatus) , oder
es ist durch Verleihung des Bürgerrechts an eine fremde
Gemeinde römisch geworden (ager m um cipalis). Jen es ist
entweder verkauft (quaestorius), oder verliehen (assignatus) :
und das verliehene ist entweder allen Plebejern in gleichen
Loosen gegeben, — eigentlich jedem Familienvater, denn
eine grössere Allgemeinheit war Ausnahme7) — (virita-
n u s 8) — ) \ oder nur einer bestimmten, in eine Gemeinheit
vereinigten Anzahl (colonicus). Ist die Colonie latinisch, so
verliert das angewiesene Land die Eigenschaft eines römi­
schen Bodens, und wird fremd, wie der dorthin ziehende
Eömer sein Bürgerrecht aufgiebt: doch tritt es nicht aus
den Gränzen des Commercium.
DasMunicipalland war entweder das Gemeinland welches
jede italische Stadt — um nur von Italien zu reden — in
697 ihrer alten Selbständigkeit besessen hatte (ager vectigalis
der Pandekten^: oder es war Privateigenthum (privatus).
Dasselbe gilt für die Colonien, auch die militärischen.
* Jenes alte E ech t, dem diese Eintheilung angehörte,
ist ganz untergegangen. Aber eine andre, die ihre Haupt­
klassen durch äussere Form bezeichnet, hat sich in den,
Agrimensoren erhalten: den unverständlichsten und am
meisten vernachlässigten Schriftstellern der römischen Lit-
teratur: der sie auch eigentlich nicht mehr angehören als
wie Bücher ungebildeter Männer über Gegenstände des
ganz täglichen Lebens der unsrigen. Aber nichts gewinnt
durch den Verlauf der Zeit an Werth wie solche Schriften:
technologische des Alterthums wären jezt schäzbarer als
nur nicht vortreffliche Dichter. Auch diese, welche dem
Eömer, der den Beruf ihrer sonderbaren Kunst nicht übte,
ganz gleichgültig seyn mussten, da wohl jeder, der nicht
ganz und gar Städter w ar, anschaulich einen Begriff von
ihren Grundregeln hatte, sind für uns mit Eecht der Ge­
genstand eines mühsamen Studiums. Denn es lohnt sich
wohl, und nur durch sie ist es zu erlangen, jene Form zu
kennen, wodurch die Eömer das zum Eigenthum vom Ge­
meingut abgesonderte Land- bezeichneten, und seine ein-

7) So wird von der Assignation der vejentischen Landschaft


geredet: Livius V. 30. ö) Festus 5. v.
— 538 — [band и .]

zelnen Theile mit unveränderlichen Gränzen umschrieben:


eine Form älter als die Stadt; und die, dem Anschein nach
eine gezwungene und hinfällige Künsteley, mit der innern
K ra ft römischer Institutionen, den Untergang des westlichen
Reichs um ein halbes Jahrtausend überlebte.
Diese Fo rm , die nach Varro von den Etruskern er­
dacht, und au f ihre Himmelschau gegründet w ar9), wird 698
wie in Latium so bey den italischen Völkern angenommen
gewesen seyn , da sie sich, während man den Griechen
jenseits des Meers jede auch nur verwandte Einrichtung
absprechen kann, bey den Italioten findet: denn auf den
Tafeln vonH eraklea ist die Lage von Grundstücken durch B e ­
zeichnungen angedeutet worin Mazzocchi mit Recht eine
der römischen ähnliche Limitation erkennt10). Hiernach
lässt sich annehmen, dass die Feldmark welche die Syba-
riten zu Th urii für sich von der ihren Mitbürgern anzu­
weisenden absonderten, eben so das Wesen des italischen
agrarischen Rechts und seine Formen trug, wie ihre An­
sprüche au f ausschliesslichen Besiz der bürgerlichen Wür­
den den patricischen entsprachen11).
A b er im Sinn des agrarischen Rechts ist nur das Land
lim itirt welches dem Herkommen der Republik, und den­
jenigen Formen der Himmelschau gemäss die sie ange­
nommen, mit dieser Eintheilung bezeichnet ist. Jede an­
dere Lim itation lässt es für den Römer formlos. Der
Agrimensoren Gegenstand ist das limitirte Land : das übrige
erwähnen sie nur durch Entgegensezung.
Lim itirt ist jedes Feld welches die Republik vom Ge- C99
meinland abgesondert hat: keine Absonderung kann ohne
Lim itation geschehen: und wo diese sich findet ist, wenn
auch einzelne Grundstücke im Umfang des ihr unterworfenen

9) Varro im Fragm. de limitibus (aus Frontinus) p. 215: —


wo disciplinam etruscam statt d. rmticam zu lesen ist: — Hy­
ginus de limitih. p. 150. Die Erwähnung der Aruspicin betrifft
die Eintheilung des Himmelsgewölbes zur Auslegung der Blize;
aber dieselbe galt für die Auspicien, deren Wesen sabellisch war:
— und vielleicht ist auch hier eine tuskische Institution für
etruskisch angesehen. 1°) Mazzocchi tab. Heracl, p. 180 - 182.
Was dem limes entspricht wird mit einem ganz unerhörten Wort
ävrpßOQ genannt. П) Diodor XII. 11.
[band ii 4] — 539 —

Ganzen dem Gemeinland geblieben sind, doch für dasselbe


jene Ausscheidung nothwendig angedeutet.
Formlos dagegen, (ardfinius), nur durch natürliche oder
willkührliche Feldscheiden abgegränzt, ist, ausser jed er
fremden, auch jede Municipalmark: der wichtigste Theil
dieser Klasse ist aber das römische Gemeinland12). Hier ver­
wirren die späten Schriftsteller zwey Begriffe. Eben wie
jener eigenthümliche, nicht von der Republik assignirte
Boden, gehört auch das Gemeinland zum ager arcifinius\
selbst als es, vielleicht unter Trajan, eingeführt ward die
Domainen in den Provinzen zu vermessen und abzugränze n,
geschah dies missbräuchlich zwar auch nach den R egeln
der wahren Limitation, richtiger aber in Streifen und
Blöcken (per strigas et scamna). Aber der Ausdruck ager occu-
jpatorius ist nicht von gleichem Umfang, sondern beschränkt
sich auf das eigentlichste Gemeinland, in dem es die Art
der Besizergreifung bezeichnet.
Der Begriff aller Limitation ist die Ziehung von Linien
in der Richtung der vier Weltgegenden, parallel und sich
kreuzend, zur gleichförmigen Eintheilung der vom Gemein­
land in Privateigenthum übergehenden Landloose, und zu
700 unveränderlicher Feststellung ihrer Gränzen13). Daher wer­
den sie — die limites — durch eine ihnen angewiesene,
von allem Anbau ausgeschlossene B reite, als Reine oder
Wege, und ihre Winkel durch eine Reihe mit Zahlen ver­
sehener Steine bezeichnet.
Wie das Himmelsgewölbe templum hiess und der ur­
sprüngliche B egriff eines Tempels war, so ist auf Erden
ein Tempel was der Augur in seinem Gemüth, nach den
Weltgegenden, so weit der Blick trägt, als ein Ganzes zum
Behuf der Auspicien abgegränzt hat. Nur in einem Tem­
pel konnten Auspicien und Augurien genommen werden ;
aber die ganze Stadt war — durch die ursprüngliche
Inauguration — ein Tempel : auch ein Lager war ein Tem-

12) Latifundia arcentium vidnos : Plinius ХѴШ. 5.


13) Von denen sie, bey den plebejischen Assignationen, meistens
zwey Seiten und einen Winkel, wenigstens eine Seite, unmittel­
bar bildeten, und die übrigen Seiten und Winkel unzweifelhaft
anzeigten. Von der würklichen Begränzung kommt der gewöhn­
lichere Sprachgebrauch des Worts Limes.
— 540 —* [band II.]

pel, w eil in ihm Auspicien wahrgenommen werden mussten :


daher waren Mauern und Thore sa n cta : daher die Unver­
änderlichkeit des Pomörium. Denn alles was auf diese
W eise bestimmt w ar sollte unverrücklich feststehen, wenn
es nicht durch stärkere Auspicien aufgehoben ward; aber
geh eiligt w ar es. dadurch nicht: wie Varro lehrt, waren
viele Tempel den Göttern nicht geweiht, also auch nicht
h e ilig ; hingegen auch die Kirchen der Götter — für ein
einziges M al muss dieser Ausdruck erlaubt seyn — nicht
nothwendig Tem pel14) : nicht in allen konnten Auspicien
genommen werden. Doch müssen wir dem Sprachgebrauch,
obgleich er falsch ist, gehorchen, vornämlich um keinen
anstössigen A usdruck anzuwenden — und die den Göttern 701
geweihten Gebäude ohne Unterschied, und nach dem Zu­
fälligen als w äre es die Hauptsache, Tempel nennen. Eben
so w ar nun ein ganzes, durch Auspicien zur Theilung be-
stim mtes, Territorium, in der That ein Tempel und unver-
rü ck lich : hierauf beziehe ich den Ausspruch Ciceros als
A u g u r, in einer Sache die nach unsrer Ansicht für die
B e urtheilung des Staatsrechts gehört: dass, wo ein­
m al eine Colonie unter ächten Auspicien gegründet war,
so lange sie unverheert bestand, daselbst keine neue ange-
s ie d e lt werden dürfe15). Also bekam jede Landassignation,
selbst jeder V erkau f von der Domaine, eine religiöse Sicher­
h eit: sie konnte vom Staat nie wieder zurückgenommen
werden.
Ueber den Standpunkt des Augurs bey der Bestimmung
eines Tempels finden sich drey abweichende Angaben.
Nach L iv iu s 16) schaute er, bey der Inauguration des Königs,
— und, wie aus Dionysius17) erhellt, auch eines Consuls,
— nach Osten, und bestimmte Nord als lin ks, Süd als
rechts. Neben ihm sass, nach Süden gewandt, der dessen
In auguration gesucht ward. Hieher gehörte auch die
spätere Richtung der Limiten von Westen nach Osten18).
N ach V a rro 19) schaute er gegen Süden, und Ost war links:

14 ) Varro de l. Z . VH. 2. (VI. p. 32.). 15) Cicero Phi­


lipp . II. 40. (102.)* 1б) Livius I. 18. 17) Dionysius II.
5 . p. 81. e. i8) Hyginus de limitib. p. 152. l y) Varro
а. а. O. — s. Anm. 9. — und bey Festus 8. v. sinistrae.
[ band II.] — 541 —
hierauf bezieht sich auch die Eintheilung des Himmelsge­
wölbes bey Festu s20), und was in einer verstümmelten
702 Stelle desselben aus Ser v. Sulpicius ausgezogen w a r 21).
Allein nach Frontinus22) war Westen der Gesichtspunkt
bey der Eintheilung des Bodens : daher heissen ihm die an
der Westseite der durch den Standpunkt des Augurs lau­
fenden Mittagslinie gezogenen Limiten anticae, die an der
Ostseite posticae: wogegen Servius Sulpicius die P a ra lle l-
limiten, welche südlich und nördlich von der von Ost n a c h
West gezogenen Linie worauf der Augur steht fallen, a n ­
ticae und posticae genannt haben m uss23). Diese drey so
verschiedenen Angaben lassen sich, wie es scheint, durch
eine aus Varro erhaltene Notiz vereinigen. Der Augur dachte
sich schauend, wie die Götter auf die Erde schauten: der
Wohnsiz der Götter ward im Norden der Erde geglaubt24).
In dieselbe Weltgegend sezen die Indier den Götterberg
Meru: selbst die Griechen dachten sich diese Erdgränze,
jenseits des Boreas, als eine selige Gegend: die H eim at
gottgeliebter Menschen. Vom Norden her richteten die
Götter nach den drey übrigen Weltgegenden ihr über die
Erde waltendes A uge: nur wenn sie ihr zornig den Böcken
wandten reichte ihre Linke nach Westen: und dass sie es
thaten wenn die Auspicien ungünstig erschienen, war z u ­
verlässig die Lehre der Augurn. Dem Sinn nach ist also
kein Widerspruch in diesen verschiedenen Gesichtspunkten.
D ass, so lange die alte Religion in ihrer Kraft lebte, für
die Landtheilung in der That auch ein zwiefacher bestand,
Süd und West, ist aus den angeführten Stellen klar. Jener
703 erste war den späteren Landmessern unbekannt geworden :
er scheint aber grade der älteste gewesen zu seyn weil
Nord und Süd die Richtung des Kardo ist, der Hauptlinie
dieser Eintheilung.
Der älteste Feldmesser war unstreitig ein Augur, be­
gleitet von etruskischen Priestern oder ihren Schülern, die
gewiss allein im Besiz der wenigen mathematischen Kennt­
nisse waren, welche Rom zum Hausgebrauch aus dem viel­

-°) Festus s. v. posticum ostium. 21) Ders. s . v. postica .


22) (Frontinus) de Limitib. p. 215. Hyginus de Limitib. p.
150. 23) Festus s. v. sinistrae. 24) Varro bey Festus
8. V. sinistrae.
— 542 — [band II.]

leicht reichen Schaz Etruriens erborgte. Der Augur, welcher


a u f seinem Standpunkt die im Senatsbeschluss oder Gesez
bestimmten Gränzen im Sinn fasste, — vorsichtig die Inau­
guration gegen ein Versehen der Rede durch den Vorbehalt
zu schüzen, es gelte was er meyne, — dieser fehlte bei
den A ssignationen der Kaiserzeit: da nahm der Feldmesser
seine Stelle ein. Auch dieser begann damit sich zu orien-
.tiren, und zwar nach den wahren Weltgegenden, nicht nach
*dem zufälligen Ort des Aufgangs und Niedergangs der Sonne :
obwohl lezteres zuweilen geschehen ist; ein Beweis von der
R ohheit der einheimischen römischen Messkünstler25). Hier­
nach* zog er die Hauptlinie von Mittag nach Mitternacht, welche,
als der W eltaxe entsprechend, K a rd o genannt ward. Die
w elche sie rechtwinklich durchschnitt trug den Namen De-
c u m a n m , wahrscheinlich von der Kreuzform der Durch-
schneidung, die dem Zahlzeichen X gleicht, — wie decus-
satus. Diese beyden Hauptlinien wurden bis an die Gränze
des zur Theilung bestimmten Bezirks verlängert, und ihnen
parallel, näher oder ferner wie es die Grösse der Vierecke,
worin die Feldm ark eingetheilt werden sollte, angab, an­
dere Linien abgesteckt, welche mit dem Namen der Haupt- 704
linie belegt wurden der sie parallel liefen; diese ward durch
den Zusaz m axim u s unterschieden. Alle wurden auf dem
Boden, so w eit es seine Beschaffenheit zuliess, durch Reine
bezeichnet, von denen die welche die Grundlinien dar­
stellten die grösste Breite empfingen: nach ihnen, wenn
wir nach griechischer Weise zählen, je der sechste, oder,
nach römischer Sitte im Raum wie in der Zeit, — da
keine zweym al, aber diejenige welche auf die Grundlinie
folgt als die erste gezählt wird, — der fünfte26).
Diese Reine nun, die anschauliche Gestalt der formalen
L in ie n , werden limites genannt: sie blieben Gemeingut:
und in Italien alle, nicht bloss jene breiteren, zu öffent­
lichen W egen Vorbehalten. Ihr Flächeninhalt ward dem
zur Theilung bestimmten Boden entzogen, so dass die an
die breiteren Strassen gränzenden Gevierte kleiner als die

25) Hyginus de limitib. p. 153. 26) Eben so ist quin­


q uennale tempusfür Römer unstreitig eine Zeit von fünf Jahren,
während die griechische ttsvtагтурід deren nur vier begreift.
[band п .] — 543 —

übrigen geriethen, ohne Zweifel um den unwissenden Land­


messer einer jeden nur im allergeriugsten verwickelten B e ­
rechnung zu überheben27).
Die Entfernung der Limiten von einander ward durch
die Grösse der Vierecke bestimmt welche, unter dem N a ­
men von Centurien, durch sie begränzt wurden. Ich habe
bemerkt dass die ältesten des Populus 200 Jugern enthielten;
705 die der Plebes 5 0 ; dass auch die von 210 sich auf die
Assignationen nach sieben plebejischen Jugern beziehen28):
die übrigen sind neu, und gehen die alten Verhältnisse
nicht an. Noch die Triumvirn assignirten nach Centurien
von 50 Jugern unter diesem Namen, welchen die A g ri­
mensoren auf die alten quästorischen Aecker nicht an­
wenden wollten. Denn sie dachten nur an das Jugerum
als Einheit: das Mehr erklärten sie sich: aberdas Weniger
war ihnen unbegreiflich. Aber das Iugerum w ar, wie es
auch der Name andeutet, ein Doppelmaass29), und die
eigentliche Einheit des römischen Feldmaasses ist der Actus
von 14400 Quadratschuhen, also ein Geviertes von dem
jede Seite 120 Fuss m isst30). Ein Quadrat von 50 Jugern
Flächeninhalt hielt zehn Actus ins Gevierte31), und war
•eben so eine Centurie, nämlich von hundert Actus, wie die
romulische von hundert Heredien32).
Zu der Quadratwurzel des römischen Actus ^der Fundus,
zwölf zehnfüssigen Ruthen, verhielt sich die des etruski­
schen und umbrischen Versus oder Vorsus von zehn derselben,
den wir aus einem Fragment des Frontinus33), — durch
V a rro 34) als Maass Kampaniens, — kennen, grade wie das
cyclische Ja h r zu dem römischen bürgerlichen. Wie nun die
706 Limites der plebejischen Centurien, sowohl die Decumane als die

27) Hygiiius de limiiib. p. 152. — Sieben Loose von je sie­


ben Jugern, in der Centurie von fünfzig, blieben unverkummert.
28) Oben S. 177. Anm. 329. S. 185. Anm. 355.
29) Columella V. 1. Щ Nur ungefähr diesem entsprechen,
so dass die Eömer in Gallien die Wortq gleichbedeutend ge­
brauchten, konnte der gallische Aripenm s: dem auch der Arpent
von irgend einer Grösse unmöglich ganz genau gleich seyn kann.
3i) iJh v s aciihits L iugera incluserunt : Siculus Flaccus
p. 2. 32) Oben S. 184. 33) fragm. de limitib. p. 216.
34) Yarro de re r. I. 10.
— 544 — [band п.]
Kardines, zwölfhundert Fuss von einander entfernt gezogen
wurden, so lagen ohne Zw eifel zwischen denen der etruski­
schen je tausend Fuss, so dass zwölf ihrer Centurien zehn
römischen gleich waren.
Eingetheilt ward nach diesen Eegeln der ganze Distrikt
dessen A ssignation beschlossen w ar: aber assignirt, zu
Eigenthum übergeben, wurdennur Aecker und Pflanzungen35).
Das A ckergesez bestimmte den zu theilenden Bezirk, die
Grösse der A ckerloose, und wie Viele Land empfangen
sollten: die Vertheilung geschah durch Verloosung, indem
so viele Berechtigte als deren Antheile zusammen eine
Centurie füllten, unter eine Nummer zusammengezählt; eben
so Loose für alle ganz aus urbarem Lande bestehende Cen­
turien, jede durch die Zahlen ihrer Gränzlinien bestimmt,
in eine Urne 'gethan wurden; von denen man dann eine
nach der ändern heraushob, und wie sie herauskamen der
entsprechenden Nummer der Namen zuschrieb. Die B e ­
schaffenheit des Bodens war dem Glück überlassen; das
M aass allein, und dass der Acker angebaut gewesen war,
kam in B etrach tu n g: nur als ein sehr seltner F a ll, wo
die Verschiedenheit des Bodens gar zu gross gewesen seyn
muss, wird bey den Colonien der Kaiser Ausgleichung nach
der Bonität erwähnt.
A us d^j* A rt der Verloosung folgte nothwendig dass
alle Centurien die entweder ganz oder zum Tlieil aus un­
urbarem Lande bestanden, oder, an die unregelmässige 707
Gränzlinie stossend, [nicht volles Maass hielten, gar nicht
zur Vertheilung kamen: denen auf die sie gefallen wären
würde Unrecht geschehen seyn. Diese Grundstücke blieben
unter dem Namen subsedva (Beste) Eigenthum des römi­
schen Volks, und mit ihnen auch die vollständigen Centurien ur­
bares Landes welche bey der Verloosung übrig bleiben mochten.
Die urbaren Reste wurden zuweilen den Gemeinden neuer
Eigenthüm er geschenkt, gewöhnlicher als Domaine genuzt:
W ald, Weide und Wüste jenen fast ganz als Mark ver-

35) qua f a l x et arater ierit. Hyginus de limitib. p. 192:


augenscheinlich eine uralte Bestimmung; er führt sie nur aus
augustischen Ackergesezen an, kennt aber auch die älteren
gar nicht.
[band ii .] — 545 —

liehen: denn Gemeintriften durften nie fehlen, weil nur


Baufeld zugetheilt ward. Wäre das urhare Land nicht
hinreichend gewesen jedem sein volles Maass zu gewähren,
so würde unter der Eepublik ein andrer Domainenbezirk
das fehlende ersezt haben: bei den Militarcolonien that es
gesezlose Confiscation der angränsenden Landschaft, wie
Mantua dieses Schicksal erfuhr.
Das limitirte und das formlose Land hatten, mit allen
übrigen Eigenschaften des quiritarischen Grundeigenthums,
auch die directe Steuerfreiheit unter sich gemein : wogegen
ihr Werth im Census abgeschäzt, und im Tributum ver­
steuert ward. Sonst hatte das limitirte Kechtseigenthüm-
lichkeiten, wovon freylich kaum eine andre Notiz aus­
drücklich erhalten ist als dass ihm die Alluvion feh lte36),
weil ein bestimmtes Maass die Bedingung seiner Bildung
war. Fast vorherrschend, unter den Kaisern, in den meisten
tus Eegionen Italiens, gewöhnlich in den Provinzen des Westens,
scheint im Osten dieser Charakter des Grundeigenthums
äusserst selten gewesen zu seyn: daher die Yersäumniss
bey den Auszügen für die Pandekten. Die Nichterwäh­
nung auch der auffallendsten Eigenschaften kann folglich
nicht als Beweis gegen ihr Daseyn gelten : w ir dürfen aus
innern Beweisen folgern, was factisch darzulegen zufällige
Zerstörung der Zeugnisse vielleicht auf immer unmöglich
gemacht hat; was vielleicht auch nur einem beleseneren
und glücklicheren Forscher Vorbehalten ist.
E s ist klar dass die ganze Kunst der Agrimensoren,
die ursprünglichen Gränzscheiden zu entdecken, an der
Freyheit einzelne Landstücke von willkührlichem Umfang
zu veräussern hätte scheitern müssen: und, gewohnt diese
vorauszusezen, werden wir jene eben deswegen zwecklos
und widersinnig finden. Die ursprünglichen Gränzen mochten
sie ausmitt ein, aber von nun an entschieden nur Kaufbriefe
und andere Documente : und wenn diese nicht vollkommen
geometrisch bestimmt abgefasst waren, so konnte kein
Eigenthum unsicherer seyn als Erwerbungen auf limitirtem
Boden, wo die in derselben Centurie Begüterten die Contro­
verse de modo erheben konnten.

3(>) l. 16. D . de a dqu ir. rer. dom. (XLI. 1.). I. 1. §. 6. Ä


de flum in ib. (XLIII. 12.).
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— 546 — [band II.]

D ies führt auf die Vermuthung dass ein assignirter


Fundus als eine geschlossene Hufe, als ein Ganzes in un­
veränderlichen Gränzen, anzusehen ist. Eine Vorstellung
welche schon in den Grundzwecken der Lim itation ihre
Bew ährung zu haben scheint.
A us den P a n d ek te n , Inschriften und alten Urkunden,
ist bekannt dass ein Fundus gewöhnlich einen e ig e n tü m ­
lichen Namen trug : nicht veränderlich nach dem jedes- 7oa
maligen B esiz e r, sondern so fortdauernd d&ss noch jezt,
wer diesen Spuren nachginge, ohne Zweifel, vorzüglich in
der römischen Campania, viele hundert Beyspiele ganz
kenntlich erhaltener römischer Namen von Grundstücken
finden würde. Von den vier f m idis welche die Schenkung
des A . Quinctilius zu Ferentinum nennt, haben zwey ihre
Namen fast unverändert bew ahrt37): welches gar nicht
als etwas auffallendes berichtet wird. Der h. Hieronymus
meldet, jener Fundus welchen der Dichter Attius bey der
A ssignation der Colonie Pisaurum zu seinem Loos empfangen,
werde nach seinem Namen genannt38): und wiewohl auch
in nichtgetheilten Landschaften solche dauernde Benen­
nungen gelten mochten, so ist es wahrscheinlich dass sie
auf assignirtem B oden , wie dort zu Pisaurum , nach den
ersten Belehnten gegeben sind, unter deren Namen die
Hufe in das Grundbuch eingeschrieben worden.
Nun aber finden sich in den ältesten Urkunden jener
suburbicarischen Gegenden die ländlichen Grundstücke fast
immer unter einem solchen Namen bezeichnet, und ihr
Verkauf oder Verm ächtniss, wo nicht das Ganze veräussert
wird, geschieht im Unzialverhältniss. Damit stimmt die
in den Pandekten häufige, uns auch so fremde, Erwähnung
mehrerer Eigenthüm er eines Fundus: damit, aus der alten
Geschichte E o m s, jene Gütergemeinschaft der sechszehn 710
A e lier, denen eine einzige "Hufe im Veientanischen ge­
hörte 39).

37) Marianna Dionigi (viaggj in alcune citth del Lazio , p,


18.)#bemerkt dass die fu n d i, Moianus und Ceponianus, ohne
Zweifel dieselben Grundstücke sind welche jezt la Roana und
la Cipollara heissen. 38j Chron. n . 1877. 39) Valerius
Maximus IV. 4. 8 .
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Dies schliesst nicht Theilung40), ja auch nicht Ver­
kauf, im U n z i a l v e r h ä l t n i s s , aus: aher die ursprüng­
liche Gränze begriff wie ein Ganzes alles in sich, und alle
Theile hafteten für den Modus der ersten Assignation. E s
ist auch schon bemerkt worden, wie wesentlich durch
solche unveränderliche Einheiten die Ordnung im Kataster
der Censoren erleichtert ward.

40) Daher die termini comportionales.

B eri ch tig u n g en .
Nachträglich zum ersten Theil, -will ich nur zwey Punkte der
Aufmerksamkeit des Lesers empfehlen.
Der erste und wichtigste betrifft den Ursprung Roms als Co­
lonia von Eidsgenossen: — Oben S. 380: — der zweyte, oben
S. 583 f., berichtigt die Meynung S. 305. dass die Mucier ur­
sprünglich Plebejer gewesen wären.

Druck von J. Drägera Buchdruckerei (C. F eicht) in Berlin.

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