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DOI: 10.1002/best.200900061
Steffen Marx
Gregor Schacht
Gelenke im Massivbau
Gelenkige Verbindungen im Massivbau wurden bereits vor 130 1 Einleitung
Jahren entwickelt und seitdem in vielen Bauwerken erfolgreich
eingesetzt. 1880 verwendete Köpke erstmalig so genannte Wälz- Betongelenke sind gekennzeichnet durch eine außeror-
gelenke beim Bau einer Naturstein-Gewölbebrücke. Weitere Ent- dentlich hohe Belastbarkeit und Verformungsfähigkeit, sie
wicklungen folgten zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vor sind vollkommen wartungsfrei und haben eine hohe Dau-
allem in Frankreich durch Freyssinet (Betongelenke ohne Beweh- erhaftigkeit, wenn sie richtig bemessen und konstruiert
rung des Gelenkhalses) und Mesnager (Betonfedergelenke). Die sind. Betongelenke sind hervorragend geeignet, den Kraft-
guten Erfahrungen bezüglich der Funktionalität und die wirt- fluss in Bauwerken zu steuern und Zwangsbeanspruchun-
schaftlichen Vorteile führten in Frankreich zu einem intensiven gen wirkungsvoll zu reduzieren.
Einsatz von Betongelenken, vor allem beim Bau von Stahlbeton- Die Erfindung von massiven Gelenken geht auf die
bogenbrücken und von massiven Dreigelenkbögen für Hallen-
besonderen Anforderungen im Gewölbebrückenbau zu-
tragwerke. Aber auch in Deutschland, in den USA und vor allem
rück. Die Zwangsbeanspruchungen in fugenlos ausge-
in der Schweiz wurden Betongelenke verwendet. Durch die Ar-
führten Stampfbetonbögen verursachten Zugspannungen
beiten von Fritz Leonhardt (Deutschland), E.O. Fessler (Schweiz)
und führten besonders bei größeren Stützweiten zu star-
und G.D. Base (Großbritannien), welche bis heute international
ker Rissbildung. Zunächst versuchte man dieses Problem
den Stand der Technik definieren, erlebten die Betongelenke in
den sechziger Jahren eine Renaissance. Die Bemessungsregeln durch Fugenschnitte zu lösen, aber erst die Einführung
Leonhardts wurden im Rahmen eines Forschungsvorhabens von Gelenken gewährleistete eine sichere und berechen-
hinsichtlich der heute bekannten Forschungserkenntnisse über- bare konstruktive Durchbildung.
arbeitet. Damit wird eine Bemessung von Betongelenken auf Die ersten massiven Wälzgelenke wurden 1880 von
Basis des heute bauaufsichtlich eingeführten Regelwerks ermög- Claus Köpcke (Dresden) [1] entwickelt und vielfach er-
licht. folgreich eingesetzt. Die Herstellung war jedoch sehr kom-
pliziert. Der Durchbruch in der Entwicklung dauerhafter
Concrete Hinges
Articulated connections consisting of concrete (concrete hinges)
have already been developed 130 years ago and since then they
were used successfully in many constructions. In 1880 Claus
Köpcke (Dresden) was the first who used so called saddle bear-
ings for a natural stone-arched bridge. At the beginning of the
20th century further developments, especially in France by
Freyssinet (concrete hinge without reinforcement in the throat of
the hinge) and Mesnager (concrete hinge with heavy reinforce-
ment in the throat of the hinge) have been made. The good expe-
riences in the functionality and the economical advantages led to
numerous use of concrete hinges in practice, especially in con-
structions of reinforced concrete arched bridges and three-
hinged arches for hall trusses. But concrete hinges were also
used in Germany, in the USA and particularly in Switzerland. In
the 1960 the works by Fritz Leonhardt (Germany), E.O. Fessler
(Switzerland) and G.D. Base (Great-Britain), which define the in-
ternational state of the art till today, led to a renaissance of con-
crete hinges. The design rules given by Leonhardt have been
adapted to the current state of knowledge within a research pro-
ject. Therewith the design of concrete hinges based on the today
established rules will be possible.
© 2010 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 105 (2010), Heft 1 27
S. Marx/G. Schacht · Gelenke im Massivbau
und gleichzeitig einfach herzustellender Gelenkkonstruk- Die ersten Versuche zu Brückengelenken wurden
tionen im Stahlbetonbau gelang 1908 zunächst Augustin 1894 von Geheimrat Krüger für den Bau des Dresdner
Mesnager. Er entwickelte eine Art „Halbgelenk“ (semi-ar- Inundations-Viaduktes (Marienbrücke) für die Königlich
ticulation), das ähnlich ausgeführt bereits im Stahlbau Sächsische Staatseisenbahn vorgenommen. Krüger beob-
eingesetzt wurde. Die zu verbindenden Betonkörper sind achtete mit Hilfe von Martens’schen Spiegelapparaten die
dabei durch sich im Gelenkpunkt kreuzende Beweh- Längenänderungen in den Gelenkquadern. Dabei stellte
rungsstähle verbunden [2], wobei die Kraftübertragung al- er fest, dass in ungefähr halber Höhe der Gelenkquader die
lein der Bewehrungsstahl übernimmt. größten Zugdehnungen, und somit auch die größten
1910 konnte dann Eugène Freyssinet nachweisen, Zugspannungen, auftraten. Diese waren parabolisch ver-
dass auf eine Bewehrung des Gelenkhalses vollständig teilt, und Krüger leitete baustoffunabhängig ab, dass die
verzichtet werden und die Übertragung der Druckkräfte Größe der Zugkraft rechtwinklig zur Druckrichtung
ausschließlich über die Teilflächenpressung und Um- 28 Prozent der Auflast beträgt [4]. Auch die Versuche von
schnürung des Betons erfolgen kann. Die Rotation im Ge- Bach zu Granit- und Sandsteingelenken zeigten, dass
lenk wird dabei durch die Verformung des Betons, bei grö- nicht die hohe örtliche Pressung, sondern Zugspannun-
ßerer Verdrehung auch durch das teilweise Aufreißen des gen senkrecht zur Druckrichtung die tatsächliche Ver-
Gelenkhalses ermöglicht. In Deutschland ist diese Ausbil- sagensursache waren. Die Gelenkquader versagten aus-
dung von Betongelenken eng mit dem Namen Fritz Leon- nahmslos durch einen senkrechten, mittig verlaufenden
hardt verbunden, der das heute in Deutschland üblicher- Riss, der die Gelenkquader trennte. Die Erkenntnis, dass
weise verwendete Bemessungsmodell dafür entwickelte. die Zugspannungen das Versagen der Stein- und Beton-
Bild 1 zeigt eine Klassifikation der verschiedenen Gelenk- quader verursachen, bewirkten zahlreiche Ausführungen
typen. von Betongelenken mit Eiseneinlagen (Friedrich-August-
Brücke in Dresden, Brücke in Rothenburg, Emsbrücke
2 Wälzgelenke Rheda) (Bild 2).
2.1 Wälzgelenke, Gelenkquader und deren Tragwirkung Mörsch gab 1924 eine erste theoretische Ableitung
„über die Berechnung der Gelenkquader“ [6]. Anhand ei-
Die Wälzgelenke aus Stein, Beton oder Eisenbeton beste- nes einfachen Modells leitete er aus den Bedingungen der
hen aus zwei Quadern, die über Zylinderflächen auf ei- Formänderung das Vorhandensein von quergerichteten
nander abrollen. Köpcke verwendete diese Gelenke erst- Zugspannungen her und vereinfachte die Spannungstra-
mals 1880 beim Bau einer Bogenbrücke der Pirna-Berg- jektorien im Gelenkquader zu einem Stabwerk, mit dem
gießhübler Eisenbahn bei Langenhennersdorf, um die sich die Größe der Zugkraft in Abhängigkeit von der
unvermeidbaren Scheitelsenkungen beim Ausrüsten ohne aufgebrachten Belastung sehr einfach errechnen lässt
Zwang und damit ohne Rissbildung zu ermöglichen [1]. (Bild 3).
Nach dem Ausrüsten wurden die Gelenke verfüllt. Die Mehr als ein halbes Jahrhundert nachdem Köpcke die
Gelenke funktionierten so gut, dass sie zum Vorbild zahl- ersten Wälzgelenke erfolgreich eingesetzt hat veröffent-
reicher Konstruktionen wurden. lichte Bortsch seine Lösung zur Berechnung der „Span-
Eine wesentliche Grundlage für die Anwendung die- nungen in Wälzgelenkquadern“ [7]. Für den als Scheibe
ser Gelenke war die Erkenntnis erhöhter Materialfestigkei- gedachten Mittelschnitt durch einen Gelenkquader trenn-
ten bei Teilflächenpressung. Bereits 1869, zwölf Jahre be- te Bortsch die als Cosinusfunktion angenäherte Beanspru-
vor Hertz seine Gleichungen der „Hertz’schen Pressung“ chung in drei Teile auf, für die er separat die Airy’sche
veröffentlichte, gab Köpcke die erste theoretische Lösung Spannungsfunktion fand und löste. Die Lösungen für die
zur Beschreibung der Zusammendrückung zweier Zylin- drei zerlegten Beanspruchungen überlagerte er anschlie-
der an. Er nahm dabei an, dass sich die im Berührungs- ßend und gab für verschiedene geometrische Verhältnisse
punkt einstellende, maximale Zusammendrückung auf ei- der Quader die Spannungsverhältnisse an. Mit den theore-
ner Höhe h des Kämpfersteines verteilt und die gepressten tischen Lösungen zur Ermittlung der Spannungszustände
Zylinder eine ebene Kontaktfläche ausbilden [3]. waren die Wälzgelenke nun vollständig berechenbar. Die
3 Verformungsgelenke
3.1 Federgelenke nach Mesnager und Considère
rung im Gelenkhals. Bereits 1902 meldete er diese Spiral- gering zu halten, nach Alternativen zu Stahllagern ge-
umschnürung als Patent an. Die erste Bogenbrücke, bei sucht. Base [21] führte zahlreiche Versuche zu Federge-
der dieser Gelenktyp eingesetzt wurde, ist die 1930 erbau- lenken und Freyssinet-Gelenken durch. Besonders erwäh-
te Caveman Brücke bei Grants Pass im Bundesstaat Ore- nenswert sind die Versuche zur Querkrafttragfähigkeit, die
gon. Analog sind in den USA noch viele weitere Brücken bewiesen, dass Betongelenke bei ausreichend großen Nor-
ausgeführt worden (Rogue River Bridge, Brücke bei Coos malkräften auch sehr hohe Querkräfte aufnehmen kön-
Bay (McCullough Memorial Bridge), Oregon) (Bild 8). nen. Die Ergebnisse der umfangreichen Versuche über-
führten Sims und Bridle in ein Berechnungsmodell, wel-
3.2 Unbewehrte Betongelenke nach Freyssinet ches seit 1966 (1975 überarbeitet) in Großbritannien zur
Bemessung von Betongelenken [22] verwendet wird.
Wenige Jahre nachdem Mesnager seine Stahlbeton-Feder- In Deutschland wurde das Betongelenk Bauart Freys-
gelenke der Öffentlichkeit präsentierte, nutzte der Inge- sinet das erste Mal bei den Pendelrahmen der Spann-
nieur Eugène Freyssinet eine äußerlich ähnlich ausgebil- betonbrücke über die Nidda 1953 eingesetzt. Leonhardt
dete Gelenkform erstmals für den Bau des Pont du Veur- benutzte Betongelenke bei der Ausführung der Pendelstüt-
dre und der beiden Schwesterbrücken Boutiron und Châ- zen der Hochstraße zur Rheinbrücke Mannheim, um für
tel de Neuvre [18]. Freyssinet erkannte jedoch, dass der geringe Verdrehungen die Verwendung von teuren Stahl-
mehraxiale Druckspannungszustand den Beton am Aus- lagern zu umgehen.
weichen hinderte und so die Betondruckfestigkeit erheb-
lich gesteigert wurde. Deshalb übertrug er die Gelenkkräf-
te nicht durch Stähle, die den Verdrehwiderstand erhöh-
ten, sondern ausschließlich über den Beton im Gelenk-
hals.
Erste Versuche zu unbewehrten Betongelenken wur-
den in Belgien von Riessauw und Passelecq [19] an der
Universität von Gent geführt. Dabei wurden Verdrehun-
gen von 0,02 rad ohne schädliche Wirkung ertragen. Mit
der besseren Kenntnis über die Funktionsweise wurde das
Gelenk nach Freyssinet vielfach eingesetzt. Der Wasserbe-
hälter bei Orleans, der Pont de la Coudette und die fünf
vorgefertigten Brücken über die Marne [20] sind nur eini- Bild 9. Belastungsversuch nach Fertigstellung der Marne-
ge Beispiele (Bilder 9 und 10). Auch in Großbritannien Brücken nach Freyssinet, aus [20]
wurde, um die Kosten beim Bau zahlreicher Autobahnen Fig. 9. Load test of Marne-bridges [20]
Bild 10. Auflagerbereich der Marne-Brücken mit Betongelenk nach Freyssinet; Foto: Jaques Mossot, (www.structurae.de);
Zeichnung nach [20]
Fig. 10. Bridge bearing of Marne-bridge [20]
Gelenkachse αd beansprucht. Mögliche Querkräfte Qd stärkerer Einschnürung im Gelenkhals nach [25] über-
werden hier nicht weiter berücksichtigt, dazu wird auf den nommen, ergibt sich die Bestimmungsgleichung für die
Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben verwiesen. minimale Gelenkhalsfläche zu:
Aus der Beanspruchung durch Nd und αd ist theoretisch
ein Versagen im Gelenkhals (Einschnürungsbereich) 10 · Nd,max
A G,min = (3)
durch Überschreitung der Betondruckfestigkeit möglich, ⎡ ⎛ ⎞⎤
Ec0m
was bei den bisher ausgeführten Betongelenken jedoch 3 · fcd · ⎢1 + λ · ⎜1 – α d · ⎟⎥
⎢ ⎜⎝ 12800 · 3 · f ⎟⎠ ⎥
niemals beobachtet worden ist. In Versuchen wurde das ⎣ cd ⎦
Versagen ausschließlich durch das Fließen der Spaltzugbe-
wehrung in den Gelenkanschlusskörpern eingeleitet. Die Nd,max Bemessungswert der maximal auftretende
Festigkeitssteigerung im Gelenkhals kann auf den dort Gelenknormalkraft
herrschenden dreiaxialen Druckspannungszustand zu- AG,min minimale Gelenkhalsfläche
rückgeführt werden. Dieser wird durch die Querdehnungs- fcd Bemessungswert der Betondruckfestigkeit
behinderung infolge der Einschnürung des Betons im Ge- αd Bemessungswert der einwirkenden Gelenk-
lenkhals bewirkt. Entscheidend für die Tragfähigkeit ist die verdrehung
Aufrechterhaltung dieses Spannungszustandes auch nach λ Parameter zur Berücksichtigung des Einschnü-
der Rissbildung im Gelenkanschlusskörper, was durch eine rungsverhältnisses
entsprechend stark dimensionierte Spaltzugbewehrung ge- Ec0m Tangentenmodul des Betons
währleistet wird. Im Bemessungsmodell wird zunächst nur
der Effekt der Teilflächenpressung berücksichtigt, wobei Diese Abschätzung ist konservativ gegenüber dem bisheri-
der Bemessungswert der aufnehmbaren Teilflächenlast ge- gen Berechnungsmodell nach Leonhardt bzw. den Be-
mäß Eurocode [27] wie folgt definiert ist: rechnungsvorschriften in Frankreich oder Großbritan-
nien. Dies zeigen zum Beispiel die in den Diagrammen
FRdu = Ac0 · fcd · 兹苵苵苵
Acl苵苵苵
/A苵苵苵
c0 ≤ 3,0 · fcd · Ac0 (1) dargestellten Vergleichsberechungen (Bild 12).
Bezüglich der zulässigen Verdrehungen sind die in-
Dabei sind die anrechenbaren Abmessungen der affinen ternationalen Festlegungen weit heterogener als hinsicht-
Ausgangsfläche Ac1 auf jeweils die dreifachen Abmessun- lich der übertragbaren Gelenkhalskräfte. So ist nach der
gen der Teilfläche begrenzt. Die Forderung nach einer af- britischen Vorschrift ein Aufreißen infolge Verdrehung
finen Ausgangsfläche soll sicherstellen, dass in beiden gar nicht, nach Leonhardt dagegen bis maximal zur Hälf-
Richtungen senkrecht zur Krafteinleitung eine ausrei- te des Gelenkhalses gestattet. Das französische Modell li-
chende Querdehnungsbehinderung eintreten kann. Dies mitiert die Verdrehung auf α ≤ 50 ‰, womit das Gelenk
wird für Betongelenke bereits durch eine ausreichende deutlich über die Hälfte der Gelenkhalsbreite aufreißt.
Einschnürung (br ≥ 0,7 · a ≥ 5 cm) des Gelenkhalses senk- Versuche an Betongelenken [23], [26] haben jedoch ge-
recht zur Drehachse erreicht. Berücksichtigt man für die zeigt, dass Betongelenke auch extreme Verdrehungen
Ausbildung eines Liniengelenks die Geometrieempfehlun- millionenfach wiederholt schadensfrei aufnehmen kön-
gen Leonhardts (a ≤ 0,3 · d) und vernachlässigt die Ein- nen. Die von Leonhardt angegebene Begrenzung der Ver-
schnürung in Richtung der Gelenkachse, so ergibt sich die drehung im Gelenk unter der zugehörigen Bemessungs-
erhöhte aufnehmbare Teilflächenlast zu normalkraft Nd ist weder ein Gebrauchstauglichkeits-
noch ein Tragfähigkeitskriterium, sondern dient aus-
FRdu = Ac0 · fcd · 兹苵苵
3 (2) schließlich der Wahrung der Modellannahmen. Unter der
Voraussetzung, dass die Höhe des an der Verdrehung be-
Wird der empirische Term Leonhardts zur Berücksichti- teiligten Gelenkbereichs etwa der Breite des Gelenkhal-
gung der mehraxialen Druckspannungszustände bei noch ses entspricht, die Randspannung zum vierfachen Wert
der mittleren Gelenkhalsspannung angesetzt wird und wickelt, die jedoch alle auf dem gleichen Grundprinzip
der Gelenkhals maximal bis zur Mitte aufreißt, kann der beruhen – der Zentrierung der Druckspannungen auf eine
zulässige Verdrehungswert über folgende Beziehung be- stark reduzierte Querschnittsteilfläche. Die damit erheb-
rechnet werden: lich anwachsenden Druckspannungen können wegen des
dreiaxialen Druckspannungszustandes im Einschnü-
8 · Nd rungsbereich problemlos übertragen werden. Die starke
α Rd = (4)
a · b · Ec0m Einschnürung des Betons gestattet gleichzeitig eine scha-
densfreie Rotation des Gelenkes auch bei häufiger Wech-
In Übereinstimmung mit den Empfehlungen aus DIN selbeanspruchung. Entscheidend für die Tragfähigkeit der
1045-1 3.3 wird die Formel so umgeformt, dass die übli- Gelenkkonstruktion ist die Aufnahme der Spaltzugkräfte
chen Einheiten eingesetzt werden können: im Bereich der Gelenkanschlusskörper.
Im Zuge des Forschungsvorhabens des DBV konnte
128000 · Nd die historische Entwicklung von Gelenken im Massivbau
α Rd = [‰, kN, cm, N/mm 2 ] (5)
a · b · Ec0m umfassend recherchiert werden. Dabei zeigte sich, dass es
in der Vergangenheit sehr verschiedene Konstruktionsfor-
Diese Beziehung kann in die Bestimmungsgleichung für men gab, heute international jedoch nur noch die so ge-
die „maximale Gelenkhalsfläche“ überführt werden. Die nannten Stahlbetonfedergelenke nach Mesnager und die
vollständigen auf die heutige Normengeneration übertra- Gelenke mit unbewehrtem Gelenkhals nach Freyssinet
genen Bemessungsvorschläge Leonhardts sind in Tafel 1 von Bedeutung sind. Diese Gelenkformen sind in unzähli-
zusammengefasst. gen Brückenbauwerken und Hochbauten in Europa und
Amerika eingebaut worden und haben sich hervorragend
5 Zusammenfassung und Ausblick bewährt. In Deutschland ist nahezu ausschließlich das
Freyssinet-Gelenk in Gebrauch, für welches Fritz Leon-
Im Laufe der Zeit haben sich verschiedenste Konstruk- hardt und seine Mitarbeiter in den 1960er Jahren ein Be-
tionsformen gelenkiger Verbindungen im Massivbau ent- messungsmodell entwickelten.
Die Anwendung von Betongelenken im Brückenbau [14] Moreell, B.: Articulations for concrete structures – the
ist, trotz der großen konstruktiven Vorteile, in Deutsch- Mesnager hinge; Journal Proceedings; March 1935; S. 368–
land in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. 381.
Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das vor- [15] Kammüller, K. und Jeske,O.: Federgelenke; Heft 125 des
DAfStb; Berlin; 1957.
handene Berechnungsmodell nicht konform zu den heute
[16] Sallenbach, H. H.: Betongelenke beim Hardturm-Viadukt,
gültigen Sicherheitskonzepten ist und einige empirische, Schw. BZ Vol. 85, 1967.
nicht normgerechte Ansätze zur Beschreibung des drei- [17] McCollough: Modern design and construction practise for
axialen Betonverhaltens enthält. Deshalb wurde dieses wide-span arches in U.S.A; IABSE Abhandlungen, Vol. 6;
Bemessungsmodell basierend auf den bewährten Modell- 1940–1941.
annahmen Leonhardts überarbeitet. Neben den hier nur [18] Eugène Freyssinet: Un amour sans limite; Èditions du Lin-
auszugsweise vorgestellten Untersuchungen zu Normal- teau; Paris; 1993.
kraft und Verdrehung werden auch die Beziehungen [19] Riessauw/Passelecq: Essais sur les articulations en béton
zur Querkrafttragfähigkeit und zur Querbiegung und armé; Annales des Travaux public de Belgique; Bruxelles
Torsionsbeanspruchung überarbeitet. Eine ausführliche (1948).
Ableitung und Modellbeschreibung wird im geplanten [20] S. Chaudesaigues: La reconstruction en béton précon-
traint des ponts sur la Marne a Annet; Trilbardou, Esbly, Ussy
Abschlussbericht des Vorhabens gegeben.
et Changis-Saint-Jean; Annales de l’institut technique du bâti-
Es ist geplant, den Abschlussbericht in der DBV-Heft- ment et des travaux publics; No. 228; Paris; 1952.
reihe als DBV-Heft Nr. 17 zu veröffentlichen. [21] Base, G. D.: Tests on Reinforced Concrete hinge with a
large design rotation; Cement and Concrete Association;
Literatur Techn. Report TRA/359; 1962.
[22] BE 5/75 Technical Memorandum (Bridges) – Rules for the
[1] Köpcke: Über die Verwendung von drei Gelenken in Stein- Design and Use of Freyssinet Concrete Hinges in Highway
gewölben; Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur Vereins Structures; 1975.
zu Hannover; 1888; S. 374–380. [23] Dix: Betongelenke; Heft 150 des DAfStb; Berlin; 1962.
[2] Mesnager: Experiences sur une semi-articulation pour [24] Leonhardt/Reimann, H.: Betongelenke; Heft 175 des
routes en Béton armé; Annales de Ponts de Chaussees; 1907. DAfStb; Berlin; 1965.
[3] Köpcke: Über die Kompression von Körpern mit gekrümm- [25] Leonhardt und Mönnig: Sonderfälle der Bemessung im
ten Oberflächen; Deutsche Bauzeitung 1869; S. 120–121. Stahlbetonbau; Vorlesungen über Massivbau Teil 2; 3. Auf-
[4] Colberg: Die Illerbrücken bei Kempten im Allgäu; Deutsche lage; Springer-Verlag; 1986.
Bauzeitung 1906; S. 218–222, S. 232–237, S. 261–264, S. 318. [26] Franz, G. und Fein, H.-D.: Betongelenke unter wiederhol-
[5] Emperger: Handbuch für Eisenbeton; Band 6 – Brücken- ten Gelenkverdrehungen; Heft 200 des DAfStb; Berlin; 1968.
bau; Berlin; 1911; S. 394. [27] EN 1992-1-1: 2004 – Bemessung und Konstruktion von
[6] Mörsch: Über die Berechnung der Gelenkquader; Beton Stahlbeton- und Spannbetontragwerken.
und Eisen 1924; Heft 12; S. 156–161.
[7] Bortsch: Die Spannungen in Wälzgelenkquadern; Beton
und Eisen 1935; Heft 4; S. 61–66.
[8] von Leibbrand: Gewölbte Brücken; Fortschritte der Inge-
nieurwissenschaften; 2.Gruppe; 7. Heft; Leipzig; 1897.
[9] Burkhardt: Betongelenke mit gepanzerter Wälzfläche; Die
Bautechnik 11. Jg.; 10. Nov. 1933; Heft 48; S. 651–658.
[10] Mesnager: Pont en béton armé, a trios articulations; Le
Génie Civil; 27. August 1910.
[11] Mörsch: Der Eisenbeton – Seine Theorie und Anwendung;
6. Auflage; 2 Bände; Konrad Wittwer Verlag; Stuttgart; 1929. Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx Dipl.-Ing. Gregor Schacht
[12] Emperger: Der Einsturz einer Bogenhalle aus Eisenbeton; steffen.marx1@tu-dresden.de gregor.schacht@tu-dresden.de
Beton und Eisen 1939; Heft 6.
[13] Jesinghaus/Bieligk: Ausbildung unvollkommener Beton- Technische Universität Dresden
gelenke; Zement 19 (1930); Heft 36 S. 850/855 und Heft 37 Institut für Massivbau
S. 873/879. George-Bähr-Straße 1
01069 Dresden