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BAND I
DIE ZELOTEN
LEIDEN/KÖLN
E. J. BRILL
1976
DIE ZELOTEN
UNTERSUCHUNGEN ZUR JÜDISCHEN
FREIHEITSBEWEGUNG
IN DER ZEIT VON HERODES 1. BIS 70 N. CHR.
VON
MARTIN HENGEL
Institutum ]udailum, Tübingen
LEIDEN/KÖLN
E. J. BRILL
1976
Erstausgabe 1961
ISBN 90 04 04327 6
Diese Arbeit wurde im Oktober 1959 der Ev. Theol. Fakultät an der
Eberhard-Karls-Universität in Tübingen als Dissertation vorgelegt.
Die Anregung dazu ging von oer J osephus-Übersetzung der Herren
Professoren D. :NIichel und D. Bauernfeind aus, an der ich als Assis-
tent mitwirken durfte. Besonderen Dank schulde ich meinem Dok-
torvater, Herrn Professor D. Otto :NIichel, für sein stets gleichbleiben-
des, reges Interesse und seine verständnisvolle Geduld, mit der er das
von mancherlei Widrigkeiten unterbrochene Fortschreiten der Arbeit
verfolgte. Ihm habe ich auch für wertvolle Anregungen zu danken.
:NIein weiterer Dank für hilfreiche Gespräche gilt Herrn Prof. D.
Bauernfeind, meinem Freund Dozent Dr. Betz, Herrn Privat-Dozent
Dr. Gese und Herrn Rabbiner Dr. Geis in Karlsruhe. Die Fertigstel-
lung der Arbeit erfolgte fern der Universität neben einer völlig anders
gearteten verantwortlichen Tätigkeit in einem Industriebetrieb. Ge-
wisse Lücken in der angeführten Literatur sind durch die Schwierig-
keiten der Literaturbeschaffung bedingt. Hier habe ich noch der
Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart zu danken, die
mich unermüdlich im Rahmen des :NIöglichen mit den notwendigen
Büchern versorgte. Dem Institutum Judaicum in Tübingen und hier
insbesondere Herrn Dozent Dr. Betz und Herrn Assistent Schmidt
danke ich für das sorgfältige Mitlesen der K.<?rrekturen. Wieviel
meine liebe Frau mitgetragen hat, lässt sich mit Worten nicht aus-
drücken.
Für die Durchsicht des Buches danke ich Herrn Kollegen Helmut
NIerkel, Herrn Dr. G. O. Neuhaus und Herrn Fritz Herrenbrück.
Dem letzteren. gilt mein Dank vor allem auch für die sorgfältige
Erstelh~ng des großen Registers und das Lesen der Korrekturen.
EINLEITUNG . • . . . . . 1
1. Zur Geschichte der Forschung 1
2. Aufbau und Ziel der Darstellung 3
1. DIE QUELLEN. . . . 6
A. Die "Räuber". . . . . 25
1. Der antike Sprachgebrauch. 25
Exkurs II: Zum Räuberunwesen in der antiken Welt. 26
a) Im römischen Reich . . . . . . . . . . . . 26
b) In Syrien und Palästina . . . . . . . . . . . . 28
c) Zur Strafverfolgung und juristischen Beurteilung. 31
d) Die soziologischen Grundlagen. . . 34
2. Die C"~C""
.: .
im rabbinischen Schrifttum . 35
3. Die AYl(HCXL bei Josephus. . . . 42
B. Die Sikarier. . . . . . . . . . . 47
1. Die lateinische Grundbedeutung 47
2. Die Sikarier bei J osephus 48
3. Die Sikarier in der rabbinischen Literatur. 51
Exkurs III: Das Sikarikongesetz . 52
C. Barj one und Galiläer . 55
1. Die Barjone ("~;"l~) 55
2. Die Galiläer . . . 57
XII INHALTSÜBERSICHT
Seite
D. Die "Eiferer". . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
1. Der griechische Sprachgebrauch. . . . . . . . . 61
2. Die "Eiferer" als Partei im' "J üdischen Krieg" des
J osephus. . . . . . . . . . . . . . . 0 • • • 64
3. Die "Eiferer" als Partei in der jüdischen Überlieferung 68
4. Die "Eiferer" in den christlichen Quellen. 72
E. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . 0 • 0 • • 76
Seite
D. Zusammenfassung: Der religiöse Charakter der von Judas
begründeten Bewegung. . . . . . . . . . . . . . . . 146
1. Zur Beurteilung der Sekte des Judas als einer nationa-
listischen Bewegung. . . . . . . . . . . 146
2. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse 149
Seite
c) Die Zwangsbeschneidung als Schutz für die Vor-
rechte Israels. . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
d) Die Achtzehn Halachot und die Absonderung von
den Heiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
3. Der Eifer für die Reinheit des Heiligtums ..... 211
a) Die Bedrohung des Tempels durch die heidnische
Herrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
b) Die Entweihung des Heiligtums von jüdischer Seite 215
c) Versuche, die Reinheit des Tempels zu wahren. . 219
d) Die "Reinigung" des Tempels durch die Zeloten . . 223
e) Das Heiligtum als Mittelpunkt und Rückhalt im letz-
ten Kampf gegen Titus . . . . . . . . . . 226
E. Zusammenfassung: Der Eifer als eschatologische Tora-
verschärfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
Seite
3. Der religiöse Selbstmord als Sonderform des !vlartyriums 268
4. Zusammenfassung: Das Verständnis des !vlartyriums
bei den Zeloten. 271
E. Der Heilige Krieg . 277
1. Im Alten Testament und in der Makkabäerzeit 277
2. Die eschatologisch-dualistische und messianische Deu-
tung des Heiligen K.rieges in der Apokalyptik und der
Kriegsrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
a) Die eschatologisch-dualistische Deutung. . . 279
b) Der Messias als Führer im endzeitlichen Krieg 281
c) Die Kriegsrolle . . . . . . . . . . . . . 283
3. Der Heilige Krieg und die Zeloten . . . . . . 287
a) Die Zeit bis zum Ausbruch des Jüdischen Krieges 288
b) Der Jüdische I<.rieg als "Heiliger Krieg" 289
4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . 292
Exku1:S IV: Sabbatheiligung und Heiliger Krieg. 293
F. Zelotische Messias-Prätendenten. . . . . . . . 296
1. Die Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 296
2. Messianische Prätendenten in der Jüdischen Freiheits-
bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
a) Vom Bandenführer Hiskia bis zu Judas dem Galiläer 297
b) Menahem als zelotischer Messias 299
c) Simon bar Giora. . . . . 303
3. Die Davidssohnschaft . . . . 304
4. Zelotische Messiashoffnung und das palästinische
Christentum . . . . . . . . 306
G. Der Endsieg und die Weltherrschaft Israels . 308
1. Die Vernichtung der gottfeindlichen Weltmacht 308
a) Die Beurteilung Roms . . . . . . . 308
b) Der Endtyrann . . . . . . . . . . . 309
c) Die Vernichtung der römischen !vlacht 310
2. Die Herrschaft Gottes und seines Volkes. 312
a) Die Gottesherrschaft . 312
b) Die Herrschaft Israels. 314
H. Zusammenfassung. . . . . 315
XVI INHALTSÜBERSICHT
Seite
VI. DIE ENTWICKLUNG DER ZELOTISCHEN BEWEGUNG 319
A. Die Vorgeschichte bis zur Verbannung des Archelaos 319
1. Der Räuberhauptmann "Hiskia" und die Unruhen in
Galiläa beim Regierungsantritt des Herodes . 319
2. Die Herrschaft des Herodes . . . . . . . . . . . . . 324
3. Die Unruhen nach dem Tode des Herodes . . . . . . 331
B. Von der Gründung der 4. Sekte bis zum Tode Agrippas 1. 336
1. Die Gründung der neuen Bewegung durch Judas den
Galiläer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
2. Die zelotische Bewegung zur Zeit J esu. . . . . . 344
3. Von Pilatus bis zum Tode des Herodes Agrippa I. 348
C. Die Ausbreitung der zelotischen Bewegung nach dem Tode
Agrippas 1. bis zum Ausbruch des Jüdischen Krieges. . . 349
1. Die Entwicklung von Cuspius Fadus bis zur Absetzung
des Cumanus. . . . . . . . . . . . . . . -. . . . 349
2. Die zunehmende Verschärfung der Lage von Felix bis
Albinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
3. Die letzte Zuspitzung der Situation unter Gessius Floms 361
D. Das Auseinanderfallen der zelotischen Bewegung im
Jüdischen Krieg und ihr Ende. . . . . 365
1. Eleazar und :NIenahem . . . . . . . 365
2. Der weitere Verlauf des Jüdischen I<rieges bis zur
Niederlage des Cestius Gallus. 373
3. Die politische Wende nach dem Sieg über Cestius, der
daraus hervorgehende Bürgerkrieg und das Ende der
Aufstandsbewegung . 376
Gesamtüberblick und Hinweis auf neutestamentliche Frage-
stellungen . . . . . . . 384
Nachtrag: Zeloten und Sikarier 387
Abkürzungen 413
Literaturverzeichnis 417
Literaturnachtrag . . 432
Stellenregister . . . 437
Personen- und Sachregister . 465
Begriffsregister . 484
Autorenregister . . . . . . 486
EINLEITUNG
1) H. Graetz, Geschichte der Juden, Bd. III, 1/2 Geschichte der Judäer von
dem Tode Makkabis bis zum Untergang des jüdischen Staates, in 5.A. bearbeitet
v. :M. Braun, Leipzig 1905 s. Register unter Zeloten und die Noten 24. 26. 29.
2) J. Derenbourg, Essai sur l'histoire et la geographie de la Palestine d'apres
les Thalmuds et les autres SOUl'ces rabbiniques, Premiere Partie: Histoire de
la Palestine depuis Cyrus jusqu'a Adrien, Paris 1867, 237ff.
3) S. JE VoL XII (1906), p. 639-643 und der Aufsatz: "Wer waren die Zeloten
oder Kannaim?", Festschrift in Ehren des Dr. A. Harkavy, Petersburg 1909,
6-18. J. W. Lightley gibt in seinem Werk, Jewish Sects and Parties in the Time
of J esus, London 1925, auch eine Darstellung der Zeloten, doch beschränkt er
sich nahezu ausschließlich auf die Angaben des J osephus. Sie bedeutet daher
einen Rückschritt gegenüber der Arbeit der jüdischen Forscher.
2 EINLEITUNG
Die vorliegende Arbeit versucht von den Quellen aus zur religiösen
Eigenart und historischen Entwicklung der zelotischen Bewegung
in dem engeren Zeitraum zwischen Herodes 1. und dem jüdischen
Krieg vorzudringen. Dabei sollen jeweils die einzelnen Quellen-
aussagen im Zusammenhang mit den entsprechenden religiösen
Anschauungen des Spät judentums und des Rabbinats interpretiert
werden. Die Verschiedenartigkeit und Bruchstückhaftigkeit der
Quellen bewirkt, daß die einzelnen Ergebnisse oft nur einen gewissen
Grad der Wahrscheinlichkeit erreichen. Zuweilen müssen wir uns
auch mit nur beschränkt begründbaren Hypothesen begnügen.
Trotz dieser Schwierigkeiten wird angestrebt, ein möglichst geschlos-
senes Bild der zelotischen Bewegung zu erlangen.
Der Aufbau gestaltet sich in folgender Weise: 1. Am Anfang
steht eine kritische Beurteilung der Quellen, insbesondere der Haupt-
quelle, der Werke des Josephus. 2. Es folgt die philologisch-histo-
rische Untersuchung jener Bezeichnungen, die der jüdischen Frei-
1) \v, R. Farmer, Maccabees, Zealots, and Josephus, An Inquiry into Jewish
Nationalism in the Greco-Roman Period, New Y ork 1956; vgl. auch den Aufsatz,
Judas, Simon and Athronges, NTS 4 (1957/58), 147ff.
2) Als erster H. E. del Medlco, Deux :Manuscrits de la :NIer Morte, 1951 und
L'enigme des manuscrits de la Mer Morte, 1957. Auch J. Klausner, Hist. 5,324ff
vermutet einen Zusammenhang zwischen den Schriftrollen und den Zeloten.
Neuerdings wird die These vor allem von C. Roth, The Historical Background
of the Dead Sea SeraIls, Oxford 1958 und G. R. Driver, The Judaean Serails,
Oxford 1965, vertreten.
8) Die Unhaltbarkeit dieser Vermutungen hat vor allem H. H. Rowley, Qum-
ran, the Essenes and the Zealots, in "Von Ugarit nach Qumran", Btr. z. atl. u.
altoriental. Forschung, O. Eissfeldt ... dargebracht, BerEn 1958, 184-192, nach-
gewiesen.Vgl. aueh die Fülle der Theorien, die M. Burrows, The Dead Sea SeraIls,
1956, 123-186 anführt. Zur \Viderlegung der Zelotenhypothese s. vom selben
Verfasser, More Light on the Dead Sea Serails, 1958, 232-245 u. 271-274 und
R. de Vaux, Essenes or Zealots, NTS B (1966/7), 89-104.
4 EINLEITUNG
DIE QUELLEN
Die Frage nach dem Wesen der zelotischen Bewegung setzt als
Erstes die Frage nach Art und Tendenz der Quellen voraus. Es
zeigt sich schon hier die ganze Schwierigkeit, die einer genaueren
Erfassung des Gegenstandes entgegensteht.
1) Vita 2.198; b 1,3; 3,352; c. Ap. 1,54; vgl. 1. ehr. 24,7-18; 1. l\fakk. 2,1.14.
Sein Ururgroßvater Matthias heiratete eine Tochter des Hohenpriesters Jonathan.
2) Vita 12. Die Angabe ist mit Vorsicht aufzunehmen s.u. S. 378 A. 3.
3) Vita 204 bezeichnet sich Josephus als CPLAOC:; ••• xcd O'uv~e"l)C:; des Hohen-
priesters Jesus S.d.Gamala.
JOSEPHUS ALS HAUPTQUELLE 7
war Vespasian und Titus gewidmet 1), Titus selbst versah es mit
seiner eigenhändigen Unterschrift 2).
Als Hauptquelle für die ausführliche V orgeschichte von der
Makkabäerzeit bis zum Regierungsantritt des Archelaos benutzte
Josephus wohl durchweg das Geschichtswerk des Herodesfreundes
Nikolaus von Damaskus 3). Dadurch wurde natürlich die Darstellung
dieses Teils der jüdischen Geschichte einseitig parteüsch. So wird
die Widerspenstigkeit des jüdischen Volkes getadelt und die Treue
der hellenistischen Syrer gelobt 4); die Versuche der Hasmonäer,
ihre Macht wieder zu gewinnen, werden verurteilt, dagegen erhält
Herodes 1. eine relativ günstige Beurteilung 5). Auch vermißt man
die für einen Juden unerläßliche religiöse Begründung des Geschichts-
verlaufs durch Gottes Eingreifen, während Josephus in dem weiteren
Verlauf seines Werkes häufig davon Gebrauch macht 6). Selbst-
verständlich müssen hier alle Bestrebungen der Juden zur Wieder-
gewinnung ihrer Unabhängigkeit negativ beurteilt werden. Mit dem
Aufhören dieser Quelle 7) bricht der fortlaufende Erzählungsfaden
plötzlich ab und die Überlieferung wird außerordentlich dürftig.
Die Berichterstattung des Josephus beschränkt sich vorwiegend auf
die Darstellung jüdischer Unruhen unter Pilatus, I<:'aiser Caligula
und den späteren Prokuratoren Cumanus und Felix 8). Erst über die
unmittelbare Vorgeschichte des Jüdischen Krieges berichtet er
wieder ausführlicher 9). Für den weiteren Verlauf der Auseinander-
setzung war er, wie er selbst hervorhebt, als Geschichtsschreiber
besonders geeignet. Er hatte ja als Augenzeuge an den entscheidenden
1) Vita 361; c.Ap. 1,50.
2) Vita 363; vgl. R. St. ]. Thackeray, op. cit. 27.
3) Ein in Bellum und Antiquitates oft genannter Freund des Rerodes, der in
einer Universalgeschichte von 144 Büchern auch die jüdische Geschichte aus-
führlich behandelt hat; s. G. Rälscher, Art. ]osephus, PW IX (1916), 1945ff;
Schürer 1,83 A. 16; CAR 10,885. Zur allgemeinen Tendenz des Nikolaus v.
Damaskus s. A. Schlatter, G.I., 241-245. Der ganze Bericht des Josephus von
b 1,31-2,110 dürfte nur ein ausführliches Exzerpt aus dem Werk des Nikolaus sein.
V gl. B. Z. Wacholder, Nicolaus of Damascus, Berkeley 1962, 60ff u.ä.
4) b 1,88.90.94; 2,92; vgl. Rälscher, op. cit. 1945.
5) b l,171ff. 357. Auch in der Beurteilung der familiären Schwierigkeiten des
Rerodes stand Nikolaus in der Regel auf dessen Seite s. 1,432.436f. Gelegent-
licher Tadel 1,493. 533. 543 kann das positive Gesamtbild der Herrschaft des
Herodes (l,429f.665) nicht ändern.
6) Vgl. u.a. b 3,404; 4,323.622; 5,2; 6,288.310.
7) Sie endet wohl mit dem Betrüger Alexander 2,110; G. Rälscher, op. cit.
1949 vermutet das Ende der Quelle erst nach der Verbannung des Archelaos 2,116.
B) b 2,169ff.184ff.247ff.
9) b 2,277ff vom Amtsantritt des Florus an.
JOSEPHUS ALS HAUPTQUELLE 9
1) b 3,108: "Dies habe ich nicht beschrieben, um die Römer zu loben, sondern
vielmehr um die Unterworfenen zu trösten und die Empörungslustigen zurück-
zuhalten". (Nach der ausführlichen Schilderung des römischen Heerwesens).
Dies galt in erster Linie natürlich für den ständig unruhigen Aramäisch sprechen-
den Osten, aber auch für die Griechisch sprechende jüdische Diaspora im Reiche
selbst, in der es auch nach dem Kriege weiter gärte (b 7,407-453).
2) Dies hat W. \"'o/eber hervorgehoben, op. cit. 66 u. 77: ,,]osephus hüllt sich
als Historiker in ein profetisches Gewand" und zwar in bewußtem Gegensatz zu
dem jüdischen, zelotischen Profetentum (s. dazu u. S. 247f): Er hält Mahnreden
gegen die Verstockten (b 5,393): EfLe 'rov 7tCl.PCl.XCl.AOUV'rCl. Tt'pOC;; a(O}'r7)ptCl.V ufLli.C;;
ßACl.acp"l)!.LEL're:, vgl. 6,96; er stimmt auch das Klagelied über die Stadt an (5,19f
vgl. 1,12).
3) b 2,539; 5,60.368ff; 6,4. 39f.299.
4) b 5,412 vgl. 6,300 u. Hes 10,18f; 11,22f.
5) b 3,6.401; 4,622; 5,2.367. In der großen Mahnrede b 5,362-419 zieht
]. deutlich die Parallele zu ]eremia und Nebukadnezar (390ff.411).
11) b 2,445.449.525.529.538.540; 5,28.53.265.333f; vgL auch a 20,166.172.
12 DIE QUELLEN
den Tempel zu schleudern, dafür ist dessen Zerstörer, der Caesar Titus
selbst Zeuge; während des ganzen Krieges bewegte ihn das Mitleid
mit dem von den Aufrührern vergewaltigten Volk, mehrfach verschob
er die Erstürmung der Stadt aus eigenem Entschluß, um den Schuldigen
während der Belagerung Zeit zur Umkehr zu geben. Wenn uns aber
einer tadeln sollte über das, was wir als Ankläger gegen das Raub-
gesindel vorbringen, während wir das Unglück des Vaterlandes
beseufzen, so möge er diesen Verstoß gegen das Gesetz der Geschichts-
schreibung meinem Schmerze zugute halten" 1).
Die verhaßten Gegner wurden zur dunklen Folie~ auf der der Helden-
jüngling Titus umso heller erstrahlte 2). NIit dieser eindeutigen,
religiös gefärbten, politischen Tendenz dürfte J osephus der Zustim-
mung seiner kaiserlichen Gönner gewiß gewesen sein; die schon
erwähnte Unterschrift des Titus, die Zustimmung Agrippas H. und
der beachtliche materielle Erfolg 3) bestätigen dies.
Die "Jüdischen Altertümer" ('Iou~a.~x.~ &pzcaoAoyta.) kommen
durch ihre ausführlichere Darstellung der jüdischen Geschichte bis
zum Ausbruch des Jüdischen Kriegs vor allem als Quelle für die
V orgeschichte der zelotischen Bewegung unter Herodes I. und ihre
Ent\vicldung unter den Prokuratoren in Frage. Das Werk wurde
93/94 n. ehr. vollendet 4); es ist nicht mehr dem Kaiser, sondern
wie die "Vita" und "contra Apionem" einem Gönner des J osephus,
Epaphroditus, gewidmet 5). Josephus war damals nicht mehr so eng
wie unter Vespasian und Titus mit dem Kaiserhaus verbunden. Die
Absicht der Antiquitates geht daher weniger in eine politische, als
vielmehr in die religiös-ethische Richtung: J osephus will die gebildete
römisch-hellenistische Welt über Geschichte und Glauben der Juden
aufklären und dem verachteten V ülke Anerkennung verschaffen 6).
Das gibt den "Altertümern" eine grundsätzlich andere Tendenz als
1) Vgl. dazu vor allem Thackeray, op. cit. 105-124. Nach a 1,7ff wollte J. die
Arbeit aufgeben. Mehrfach wechselte er seine griechischen Stilisten; das 20.
Buch ist - wie die Vita - wohl von ihm selbst geschrieben.
2) Op. cit. 128-215, besonders 198ff. Vgl. den Nachweis von R. Eisler 1,108f,
wo er zeigt, daß Teile aus den Antt. ohne Sinnverlust um mehr als die Hälfte
zusammengezogen werden können; s. jedoch G. Hölscher, op. cit. 1988 und
Schürers Antwort (1,83 A. 16) auf eine äp-nliche Vermutung von B. Niese (Hist.
Zeitschr. 76 [1896], 218ff): "eine der in der Archäologie ausgiebiger benützten
Quellen (vermutlich Nicolaus Damascenus) liegt auch schon der kürzeren
Darstellung des BelIum Judaicum Zu Grunde". Die überarbeitungshypothese
hängt eng mit dem Problem der "Lebensbeschreibung" zusammen, auf die
Josephus am Ende seines \Verkes (a 20,267) hinweist. Ob ihr jedoch ein solches
Ausmaß zukommt wie R. Laqueur (op. cit. Vorwort, 79,91 A. 3 u. S. 234ff. u.ö.)
u. R. Eisler (1,97f. 233f. 526 A. 3 u.ö.) vermuten, bleibt sehr fraglich.
3) Josephus u. Tacitus über Jesus Christus, Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum,
31 (1913), 643.
~) So R. Eisler 1, XXXIXf. 26f. u.ö.; E. Norden, op. cit. 642 A.2, vermutet
die Vermittlung eines rämischen Annalisten wie Cluvius Rufus; s. auch G. Höl-
scher op. cit. 1985.
6) Vita 362ff; c. Ap. 1,51.
8) G. Hälscher, op. cit. 1971-1993, möchte die Berichte über die Zeit der
Prokuratoren seinem "anonymen, jüdischen Autor" (1974) zuschreiben (s. auch
o.S. 13 A. 5). Von ihm sollen im Wesentlichen die letzten 3 Bücher der "Antiqui-
tates" stammen. Er vertrete den gemäßigten jüdischen Standpunkt, lobe die
Gesetzestreue und tadle die Abtrünnigen ebenso wie die Eiferer. Gegenüber der
hellenistischen Kultur, Theater u. Gladiatorenkämpfen zeige er eine gewisse
Freisinnigkeit (1992f). Es handle sich um ,,(einen) aristokratische(n) Priester,
begeistert für das Hasmonäerhaus, eingenommen für die Vornehmen und gegen
JOSEPHUS ALS HAUPTQUELLE 15
die Plebs, voll Haß gegen den Emporkömmling Hemdes" (1982f). Diese Charak-
teristik trifft jedoch am besten J osephus selbst.
1) V gl. a 16,186f; 19,329ff; 20,100.143f.218. u.a.; s. dagegen b 5,45ff die posi-
tive Beurteilung des Apostaten Tiberius Alexander.
2) Vgl. a 18,4-9.23ffu. b 2,118; s. auch a 20,5.102.160ff-u. a.
S) a 18,25; 20,252-258.
4) a 20,162ff (vgl. dagegen b 2,256); 20,215.252ff.
6) a 19,366; 20,175.
11) Eine kleine Sammlung von offensichtlichen Widersprüchen gibt Eisler
1,99ff, s. auch u. S. 338 A. 1.
7) Zur Selbstcharakteristik s. b 1,16; 7,455; a 16,187; 20,157: "Wir, die wir
den festen Vorsatz haben, nur die Wahrheit zu sagen ... " Treffend ist das Urteil
von N. Bentwich, Josephus, 1926, 106: "He was a sophist rather than a sage,
afld circumstances compelled him to be a court chronicler rather than anational
historian" .
8) S. o. S. 1.
16 DIE QUELLEN
1) S. o. S. 8 f u. 13 vgl. u. S. 79 ff.
2) V gl. u.a. die widerspruchsvolle Schilderung des Joh. von Gischala b
2,585ff u. vita 43ff. Als typische Übertreibungen erscheinen b 4,382ff.559-565;
5,429ff.562ff; 6,201ff. Auf die Unterschlagung der z"elotischen Messiaserwartung
bzw. deren Umdeutung auf Vespasian hat schon W. Weber, op. cit. 35.43ff
hingewiesen (s. auch u. S. 243f. 247); lediglich in den Antiquitates werden Spuren
davon sichtbar (4,125; 10,210; 17,45). Bezeichnend ist auch die Umdeutung der
Selbstbezeichnung "Zeloten" b 4,160f. Den Sachverhalt sahen schon klar H.
Drexler, Klio 19 (1925),287:" ... vor allem erfahren wir nichts von dem Wesent-
lichen: \'V'as sind die treibenden Kräfte und Ideen dieses nationalen und religiösen
Radikalismus, was die Unterschiede der einzelnen Gruppen? Für Josephus sind
sie ... Verbrecher, nämlich die Schuldigen am Untergange des Volkes." und
W. Weber, op. cit. 215: "Die Tiraden des Josephus über ... die Rücksichts-
losigkeit der ,Räuber' und, Tyrannen' verschmieren die Linie des ganzen Bildes ...
Nur gelegentlich wird die Stärke ihres Anhangs erwähnt, werden ihre Unter-
führer vorgeführt ... ; diese bleiben Schemen, wie die Führer selbst es sind,
sobald man die Ergüsse des J osephus wegnimmt".
3) S. dazu u. S. 42. Vgl. auch die Charakteristik b 1,11 (s. o. S. 12 A. 1 und
vor allem die abschließende Zusammenfassung b 7,253-274: "Es mag einer
sogar sagen, daß sie für das, was sie getan hatten, zu wenig leiden mußten, denn
ein gerechtes Strafmaß für sie gibt es gar nicht." (273: ähnlich b 4,185).
4) Josephus gebraucht zu ihrer Charakterisierung mit Vorliebe Begriffe wie
&1t'()vow., Cl..vow. und !LGtVLGt s. b 2,265.651; 3,454.479; 4,362; 5,34.121.424.436;
6,20; 7,213.267.412 u. ö.; a 17,263.271; 18,25; vita 19.
JOSEPHUS ALS HA UPTQUELLE 17
sich als relativ späte Mischform erweist 1), die Prüfung der Auslassungen
und Kürzungen, die wohl auf willkürliche Eingriffe des Übersetzers
zurückgehen 2), und schließlich eine Untersuchung der zahlreichen
Erweiterungen, die außer den christlichen Einschüben lediglich stilistisch-
literarischer Art sind und keine historische Geltung besitzen. Letztere
enthalten dagegen nichts, was nicht auf apokryphe Motive, die Kirchen-
väter, christlich-antijüdische Polemik oder auf die Evangelien selbst
zurückgeführt werden könnte 3). Der Schreiber will nur seine Leser
erbaulich unterhalten; im Ganzen hat seine Darstellung doch die Ver-
herrlichung Jesu und seiner Jünger zum Ziel 4). Vielleicht ist er mit dem
Übersetzer ins Altrussische identisch (12./13. Jh. n. Chr.), möglicherweise
handelt es sich bei ihm auch um einen byzantinischen Chronisten 5).
Auch die neueste russische Untersuchung über den altrussischen
Josephustext lehnt die historische Echtheit jener vieldiskutierten Zusätze
ab. Es ist bezeichnend, daß Eisler in dem Bemühen, seine Hypothesen
zu halten, alle Züge innerhalb des altrussischen Werkes, die seiner
Konstruktion widersprechen, als christliche Einfügungen entfernt.
Der Grund, warum die Einschübe solches Aufsehen erregen konnten,
liegt in einem Kunstgriff des byzantinischen Interpolators, den E.
Bickermann deutlich erkannt hat:
B. DIE NEBENQuELLEN
als zelotische Schrift bezeichnet wurde 1), enthält in der uns über-
lieferten Form keine spezifisch zelotischen Züge. Es bleibt daher
sehr ungewiß, ob sie innerhalb der jüdischen Freiheitsbewegung
entstanden ist 2) ; sie kann mit gleichem Recht auch quietistisch-
pharisäischen oder essenischen K.reisen zugeordnet werden 3).
Wenn es also - mit einer Ausnahme - nicht möglich ist, einzelne
Werke des reichen spätjüdisch-palästinischen Schrifttums direkt der
zelotischen Bewegung zuzuweisen, so sind in jenem doch eine ganze
Reihe von V orstellungen enthalten, die in besonderer Weise auch
für die "Eiferer" von Bedeutung waren. Hier handelt es sich vor
allem um den "Eifer" für Gesetz und Heiligtum, der eine bedingungs-
lose Leidensbereitschaft in sich schließt, den profetischen Enthusias-
mus, den Haß gegen die heidnischen Unterdrücker, die Vorstellung
vom "Heiligen Krieg", die Erwartung eines Kriegsmessias und der
Herrschaft Israels über die Völker der Welt. Zur Herausarbeitung
dieser "zelotischen Vorstellungen" wird eine ganze Reihe spät-
jüdischer Schriften herangezogen. Dazu zählen unter anderen die
beiden Makkabäerbücher, der äthiopische Henoch, das Jubiläenbuch,
die Testamente der 12 Patriarchen, die Psalmen Salomos, das 3. u. 4.
Makkabäerbuch, die schon erwähnte Assumptio Mosis, gewisse
Teile der sibyllinischen Bücher, die Apokalypsen Esras und Baruchs
und das pseudophilonische liber antiquitatum biblicarum. In diesen
Zusammenhang gehört auch die historisch- apologetische Schrift
Philos über die Gesandtschaft an Gaius, die in Ergänzung zu J osephus
einen interessanten Einblick in die Auseinandersetzung des palästi-
nischen Judentums mit den Ansprüchen des Kaiserkultes gibt.
Auch das durch die Funde vom Toten Meer bekanntgewordene
essenische Schrifttum vermag wertvolle Hinweise zu geben. So
enthält die Rolle vom "Krieg der Kinder des Lichts gegen die
Kinder der Finsternis" eine Schilderung des endzeitlichen heiligen
Krieges, die inhaltlich in manchem dem Geist der zelotischen Bewe-
gung nahesteht 4). Die eschatologisch-messianischen Fragmente aus
1) Zu den älteren Vertretern der Zelotenhypothese s. J. W. Lightley, Jewish
Sects and Parties in the Tüne of Jesus, 1925, 349. In seiner 2. Auflage (3,219)
hatte Schürer derselben ebenfalls noch zugestimmt; er wandte sich jedoch in der
3. A. (3,300) dagegen.
2) So Schürer 3,300; C. Clemen in Kautzsch, Apok. u. Pseudep. 2,315; B.-Gr.
87/88 A. 3.
3) S. P. Rießler, Alt jüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, 1928, 1301;
J. Klausner, The Messianic Idea in Israel, übersetzt ins Englische von W. F.
Stinespring, 1955, 325 u. O. Eißfeldt, loc. cit.
4) S. die eingehende Darstellung u. S. 283ff.
DIE NEBENQUELLEN 21
Höhle I und IV, einzelne Stellen aus der Sektenschrift und den
Hymnen führen ebenfalls in die Nähe zelotischer Ideen.
Eine Quelle ganz besonderer Art stellen die Münzen des 1. jüdischen
Aufstandes 66-70 n. ehr. mit ihren Abbildungen und Aufschriften
dar 1). Sie gehören zu den wenigen direkten Zeugnissen, die uns noch
von der jüdischen Freiheitsbewegung des 1. Jahrhunderts n. ehr.
erhalten geblieben sind.
Da gerade die religiösen Anschauungen der "Zeloten" von
J osephus nur sehr einseitig und bruchstückhaft dargestellt werden,
kann das Bild dieser Bewegung durch das überwiegend religions-
geschichtliche Material, welches von den genannten jüdischen
Quellen der hellenistisch-römischen Zeit beigesteuert wird, in wert-
voller Weise ergänzt werden. Zugleich zeigt sich, daß sich im Zelo-
tismus bestimmte Anschauungen konzentrierten, die in weiten
Kreisen des palästinischen Judentums verbreitet waren.
schreibung etwa eines Euseb sieht die Zeloten lediglich mit den
Augen des Josephus und weiß nichts Neues dazu beizutragen 1).
Dagegen bringt Hippolyt in seiner "Widerlegung aller Häresien"
bei der Beschreibung der jüdischen Sekten auch einige aufschluß-
reiche Nachrichten über die Zeloten, die er als Untergruppe der
Essener darstellt 2).
Während die neutestamentlichen Hinweise auf die jüdische Frei-
heitsbewegung schon wegen ihrer zeitlichen Nähe besonders interes-
sant sind, ist es der kurze Bericht des Hippolyt auf Grund seiner
eindrücklichen Schilderung des zelotischen Eifers, der durch verwand-
te talmudische Berichte seine Bestätigung findet 3).
wir noch eine Notiz des älteren Plinius, der vermutlich nicht an der
Belagerung teilnahm 1) und eine Erwähnung von Martyrien der
"Galiläer" durch Epiktet; hier liegt es nahe, an die Hinrichtung
jüdischer Aufständischer nach Beendigung des Jüdischen Krieges
zu denken 2). Der Beitrag der nicht jüdischen antiken Schriftsteller
für unser Thema hat jedoch die relativ geringste Bedeutung.
erwähnt, s. Schürer 1,58 und vor allem E. Norden, Neue Jahrbücher f. d. klasse
Altert. 31 (1913), 664ff.
1) S. U. S. 341 A. 2. Gegen frühere Meinungen s. Sir R. Syme, Tacitus, Oxford
1958, 1,20 f (besonders A. 5) u. M. Stern, JRS 52 (1962), 258.
2) S. U. S. 60.
KAPITEL ZWEI
1) Hirschfeld, op. cit. 594; vgl. Apuleius, met. 2,18,3: Passim trucidatos per
medias plateas videbis iacere, nec praesidis auxilia longinqua levare civitatem
tanta clade possunt. Zur geringen militärischen Besatzung dieser Provinzen
s. b 2,366.368. .
2) 2. Kor 11,26.
3) Varro, de re rust. 1,16,2: multos enim agros egregios colere non expedit
propter latrocinia vicinorum: ut in Sardinia qu,osdam ... vgl. Josephus b 2,279
u. a 20,256.
4) De provo cons. 7: Res in Sardinia cum mastrucatis latrunculis a propraetore
una cohorta auxiliaria gesta.
5) Dio Cassius 55,28,1.
6) Tacitus, anno 2,85: coercendis illic latrociniis; vgl. Sueton, Tib. 36.
7) Varro loc. cit.: ut in Hispania prope Lusitaniam.
8) Hist. Rom. (Hispania) 6,68.
9) Op. cit. 6,77; vgl. dazu den heroischen Selbstmord jüdischer Aufständischer
U. S. 268ff.
28 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
stellte, ging er straflos aus und erhielt die Prämie 1). Ein eindrückliches
Zeichen für die Wirksamkeit solcher Banden sind die Grabinschriften
ihrer Opfer 2). Selbst vor dem italienischen Stammland machte die
Räuberplage nicht halt, im Gegenteil, sie scheint dort besonders ver-
breitet gewesen zu sein 3). Nach dem übereinstimmenden Urteil einer
Reihe römischer Schriftsteller zwischen Augustus und Domitian war
das Reisen in Italien eine höchst gefährliche Angelegenheit 4). Besonders
schlimm waren die Verhältnisse am Ende des Bürgerkrieges, zu Beginn
der Herrschaft Octavians 5). Dieser suchte allerdings mit energischer
Hand das Unwesen einzudämmen 6); die von ihm begonnene Aufgabe
wurde dann später von Tiberius und Claudius fortgesetzt 7).
b) In Syrien und Palästina
In dem uns besonders naheliegenden Gebiet Syrien und Palästina
war die Lage nicht besser als in den genannten Provinzen. Schon im
Alten Testament finden wir Hinweise auf eine Bandenbildung auf
Grund sozialet Notlage: Unzufriedene Habenichtse ließen sich von
einem unternehmungslustigen Condottiere anwerben, der mit ihnen
seine Privatkriege führte 8). Das beste Beispiel dafür bietet David: vom
König verstoßen, sammelte er eine Freischar von entwurzelten Ele-
menten 9) um sich und zog sich in die Wüste Juda mit ihren ausgedehnten
Höhlen zurück. Bezeichnend ist allerdings, daß diese sehr "weltlichen"
Umstände religiös interpretiert werden können; so wenn Abigail zu
David sagt: " ... denn die Kriege Jahwes, meines Herrn, führst du" 1).
Der soziale Verfall in der späteren Königszeit, der durch die Ausbreitung
des Großgrundbesitzes auf Kosten der verschuldeten Bauern bedingt
war 2), scheint eine ähnliche Bandenbildung begünstigt zu haben 3).
Auch der Makkabäeraufstand wurde - wenigstens in seinen Anfängen
und nach dem Tode des Judas - ganz in der Form eines Bandenkrieges
geführt; da er aber, zumindest in seinem ersten Teil, das Gepräge eines
Glaubenskampfes trägt, wird er noch eingehender zu behandeln sein 4).
Der Zerfall des Seleukidenreiches gegen Ende des 1. Jh. v. ehr. ließ
das Land weithin in die Gewalt arabischer und ituräischer Stämme
geraten 5), die seit jeher den Karawanenraub als ihr Privileg betrachtet
hatten 6). Die Besetzung Syriens durch Pompeius hatte unter anderem
auch den Zweck, diesem Treiben ein Ende zu machen 7). Auch Juden
hatten sich an der Bildung kleiner "Raubstaaten" beteiligt; ihr Mittel-
meerhafen Joppe wurde zu einem Seeräubernest, das das östliche
Mittelmeer unsicher machte 8). Die Zeit der römischen Besatzung
brachte keineswegs die erwünschte Ruhe. Wenn auch der "Räuber-
hauptmann" Hiskia mit seinen Männern schon in den Bereich des
jüdischen Freiheitskampfes gehört und daher auszuklammern ist 9), so
bleiben doch die Räuber in der Trachonitis, die J osephus ebenfalls
A1l0''t'CX( nennt, obgleich sie mit den späteren Zeloten wohl kaum etwas
zu tun haben. Das zerklüftete, für den Ackerbau wenig geeignete Gebiet
der Trachonitis bot mit seinen vielen Höhlen stets geeigneten Unter-
schlupf. An sich waren die Bewohner wohl Hirten 10), doch ihre Haupt-
einnahmequelle waren die Überfälle auf Karawanenstraßen, die nach
1) 1. Sam 25,28.
2) Vgl. Am 2,6ff; 4,H; 5,lH; 6,3ff; 8,4-6. Jes 3,14f; 5,8 u.a.
B) Vgl. Hos 7,5 u. 6,9 .
•) ·s. u. S. 154ff.
5) Th. Mommsen, Römische Geschichte, 14. unv. A. 1933, 3,139ff; M. Ro-
stovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hell. Welt, 1956, 2,670.683;
s. auch Strabo 16,2,18.20 (755f). 28 (759).
8) Vgl. schon Gen 16,12; 1. Sam 30,lff; 2. ehr 22,1; Hi 1,15ff. Auch einzelne
israelitische Stämme scheinen in früher Zeit Karawanenraub geübt zu haben
s. Gen 49,17.19.27; Dt 33,22.
7) Vgl. Justinus (Pompeius Trogus) 40,2,4: ne rursus Syriam Iudaeorum et
Arabum latrociniis infestam reddat. Vgl. auch den Prolog zu Buch 39. Die
a 14,38-40 und Strabo 16,2,10.18 (752.755) genannten "kleinen Tyrannen" sind
wohl nichts anderes als solche Bandenführer, die durch die allgemeine Anarchie
eine gewisse Machtstellung erwerben konnten. Pompeius ließ einige von ihnen
hinrichten: a 14,39; Strabo 16,2,18 (755).
8) Vgl. a 14,43 (s. auch Strabo 16,2,28 S. 759). Ein Grab in Jerusalem aus der
Zeit Alexander Jannaj's zeigt eine Kriegsgaleere, die ein Schiff verfolgt. Der
Kapitän steht mit gespanntem Bogen am Bug; s. IEJ 6 (1956), 127f. S. jetzt
L. Y. Rahmani etc., The Tomb of Jason, Atiqot 4 (1964). Zu Beginn des Jüdi-
schen Krieges haben die Juden in Joppe das Seeräuberhandwerk wieder auf-
genommen (b 3,415f). 9) S. u. S. 319ff.
10) a 15,346; 16,272. Die Hirten waren im Judentum stets der Räuberei
verdächtig, s. Bill. 3,114.
30 BEZEICHNUNGEN DER .JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
gegen die Juden der Vorwurf, sie seien ein Volk von Räubern, erhoben 1)
- ein Urteil, das von Josephus in seiner Apologie des Judentums
verständlicherweise energisch zurückgewiesen wurde 2). Selbst das
rabbinische Schrifttum hat uns Hinweise auf ähnliche, gegen die Juden
vorgebrachte Verleumdungen, erhalten 3).
c) Zur Strafverfolgung und juristischen Beurteilung
Für die Bekämpfung der Räuber und aller derer, die jene unterstützten,
waren in den Provinzen jeweils die Statthalter verantwortlich 4). Die
sehr unterschiedlichen Fähigkeiten der Statthalter, sowie ihr häufiger
Wechsel führten zu einer starken Unsicherheit und unterstützten indirekt
das Brigantentum, wie das Beispiel Palästinas vor Ausbruch des Jüdi-
schen Krieges deutlich zeigt. Eine besondere Sicherheitspolizei hatte
das Reich trotz vereinzelter Ansätze n~)Ch nicht 5). Wo es an regulären
Truppen fehlte, mußte man auf Milizen zurückgreifen. So scheint der
Prokurator Cumanus gegen die Angriffe der Juden unter dem "Räuber-
hauptmann" Eleazar S.d.Dinai die samaritanische Miliz eingesetzt zu
haben 6). Auch die Tempelwache konnte vom römischen Standpunkt
aus als eine solche orts gebundene Miliz angesehen werden 7).
Die juristische Beurteilung des AYlcr't'~C; bzw. "latro" im römischen
1) Vgl. Strabo 16,2,37 (761) vgl. auch 28 (759); ]ustinus 40,2,4; s.u.S.166.
2) c. Ap. 1,62.
3) R. ]ehoschua v. Sikhnin i. N. d. R. Levi (3./4. ]h. n. ehr. s. Strack, Einl.
140), Gen. R. 1,2: " ... damit nicht die Völker Israel lästern, und zu ihm sagen:
seid ihr nicht ein Volk von Räubern?"
Zur antijüdischen Polemik in diesem Zusammenhang vgl. W. Bacher, The
supposed Inscription upon ,]osua the robber', ]QR 3 (1891), 354-357.
4) Dig. 1,18,13 prol. (aus Ulpian Eb. VII de officio proconsulis): (praeses)
sacrilegos latrones plagiarios fures conquirere debet et prout quisque dereliquerit
in eum animadvertere, receptores eorum coercere, sine quibus latro diutius latere
non patest. Ganz ähnlich Marcian, dig. 48,13, 4 § 2; vgl. Hirschfeld op. cit. 593.
Nach Dio Cassius 54,12,1 begehrten Statthalter, die Räuber fingen oder aufrühre-
rische Städte züchtigten, den Triumph.
5) S. Mommsen, Röm. Strafrecht, 1899, 318ff u. ]. luster 2,253. Zu den
Verhältnissen in Ägypten s. o. S. 26 A. 4, zur Rechtsunsicherheit s. S.
28 A. 4.
6) Vgl. a 20,122. In Kleinasien kannte man seit dem 2. ]h. n. Chr. ein Amt der
dP"f)VCXPXCXL; ihnen war die örtliche Miliz der 8LWYfLL't'CXL unterstellt; s. Hirschfeld
op. cit. 594ff; Mommsen op. cit. 308. Nach Mart. Polyc. c. 6 u. 7 wurden sie
auch in Christenverfolgungen eingesetzt, da die Christen als Aufrührer und
Unruhestifter galten. Zur Verwendung gegen Räuber s. Marcian, dig. 48,3,6
§ 1 (aus einem Edikt des Antoninus Pius während seiner Statthalterzeit in Klein-
asien 133-136 n. ,Chr.).
7) S. Lk 22,52 vgl. Apg 4,1; 5,24.26. Das wc; bd AYl(J't'~V bei Lukas wird hier
erst recht verständlich. Als munizipale Miliz hatte die Tempelwache Recht und
Auftrag, gegen A"ncr't'cxL vorzugehen. Nach b 2,263 war sie möglicherweise bei
der Abwehr des ägyptischen Profeten beteiligt. J. spricht freilich nur allgemein
von der Bevölkerung ] erusalems. Bedeutsam ist, daß der Aufstand in ] erusalem
66 n. Chr. von ihrem Befehlshaber ausging: s. u. S. 365ff.
32 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
1) Vgl. zum Folgenden Mommsen op. cit. 629f und Pfaff, Art. latrocinium,
PW 12,978-980.
2) V gl. Cicero, pro TuH. 21 (50); Seneca, de benef. 5,14,2: Sic latro est, etiam
antequam manus inquinet: quia ad occidendum iam armatus est, et habet spoliandi
atque interficiendi voluntatem.
3) Paulus, sent. 5,23,1: Lex Cornelia poenam deportationis infligit ei qui
hominem occiderit eiusve rei furtiue faciendi cum telo fuerit. Vgl. instit. 4,18,5.
') Vgl. Mommsen op. cit. 564 A. 2 und J. Juster 2,219 A. 6. Juster glaubt
nach Dio Cassius 69,12,2, das Waffentragen in Palästina sei erlaubt gewesen, doch
ist dort nur von Waffenpflichtlieferungen an die Römer vor dem Bar-Koseba-
Aufstand die Rede; vgl. die ausführliche Erörterung v. R. Eisler 2,268f A. 6.
11) Callistratus, dig. 48,19,28 § 10.
B) Mardan, dig. 48,19,11 § 2.
7) Paulus, sent. 5,3,4: receptores adgressorum itemque latronum eadem poena
adficiuntur qua ipsi latrones; vgl. Mommsen op. cit. 775 A. 2. Auch für Palästina
galt dieser Grundsatz: b 2,253. S. o. S. 31 A. 4. s. u. 355.
8) Ulpian dig. 49,15,24. Zum postliminium vgl. den Art. v. Weller P. W.
22,863-873;
~) Pomponius (Mitte 2. Jh. n. Chr.), dig. 50,16,118; vgl. Paulus ad. Sab.
dig. 49,15,19 § 2.
DIE RÄUBER 33
Provinz 1). Daraus wird deutlich, daß die Römer die Glieder der jüdischen
Freiheitsbewegung - auch nach Ausbruch des Jüdischen Krieges - gar
nicht anders nennen konnten als eben A:nO''t'OC(; sie waren gesetzlose
Aufrührer 2) und darum mit gemeinen Verbrechern gleichzusetzen, auch
wenn sie den Römern in offener Feldschlacht entgegentraten.
Die \i3estrafung der "Räuber", sofern sie römische Bürger waren,
erfolgte nach der lex Cornelia durch Verbannung, doch wurde diese
relativ milde Strafe im Laufe der Zeit wesentlich verschärft 3). Es wurde
daraus die deportatio 4) und später - zumindest bei den humiliores -
die Todesstrafe durch bestiae oder crux 5). Wahrscheinlich hat man hier
die Vorzugs behandlung der römischen Bürger dem schärferen Straf-
vollzug bei Provinzialen und Unfreien angeglichen. Gegen größere
Banden, die wegen Aufruhr (seditio) bzw. Staatsgefährdung (crimen
majestatis) angeklagt werden konnten, kam von vorne herein die
schärfste Strafe in Frage 6). So wurde wohl schon in der früheren Kaiser-
. zeit über "famosi latrones" die Kreuzigung verhängt 7). Die Kreuzigung
gehörte zu den "summa supplicia" 8) und wurde zunächst wohl vor
allem bei Sklaven und Nichtrömern und später allgemein unter Begünsti-
1) V gl. Forcellinus, op. eit. 2,637 unter latroeinium: milites qui illegitimum
bellum privata auctoritate collecta manu, nullo duce publico dato movent ...
Diese Vorstellung scheint schon bei Caesar bell. eiv. 3,109f zugrundezuliegen,
wo die ägyptischen Gegner folgendermaßen charakterisiert werden: ut potius
privatorum paucorum et latronum consilio quam regio susceptum bellum videtur.
2) Im rechtlichen Sinne war jeder Aufrührer ATlO''t'~C;;, darum kann auch für
Josephus ATlO''t'~C;; u. O''t'ocO'tocO'~<;; im selben Sinne gebraucht werden s. u. S. 43.
3) S. Mommsen op. eit. 631f.
') Paulus sent. 5,23,1; Marcian dig. 48,8,5 § 1 u. ö.
11) Paulus loc. cit.: ... humiliores vero in crucem tolluntur aut bestiis obiciun-
tur. Ähnlich Marcian. loc. eit. Der berühmte Räuber Felix Bulla wurde ad bestias
verurteilt: Dio Cassius 76,10,7. Als Strafe für die Zeloten s. b 6,418; 7,24.37ff.
11) Vgl. Mommsen, op. cit. 562ff u. 657ff; s. auch Paulus, sent. 5,22,1 = dig.
48,19,38 § 2: Auctores seditionis et tumultus vel coneitatores populi pro qualitate
dignitatis aut in crucem (furcam dig.) tolluntur aut bestiis obiciuntur aut in
insulam deportantur.
7) Unter Hadrian: dig. 48,19,28 § 15: Famosos latrones in hislocis, ubigrassati
sunt, furca (= cruce s. Mommsen op. eit. 921 A. 2) figendos compluribus placuit,
ut et conspectu deterreantur alii ab iisdem facinoribus ... Eine ähnliche Bestim-
mung scheint schon im 1. Jh. n. Chr. existiert zu haben: Petronius 111,5: cum
interim imperator provinciae latrones iussit crueibus adfigi; Seneca epist. 7,5:
Sed latrocinium fecit aliquis: quid ergo meruit ut suspendatur. Nach Galen ed.
Kühn 2,385 konnte man an den auf den Bergen gekreuzigten Räubern anatomische
Studien treiben. '
8) Callistratus, dig. 48,19,28 prol. u. §15; Paulus, sent. 5,17,2:summasupplicia
sunt crux, crematio, decollatio; 5,23,17: bestiis obiei aut cruci sufligi. Zur Kreuzi-
gung von Aufrührern in Palästina s. u. S. 265f u. ö. Auch das Rabbinat wußte wie
Callistratus um die Kreuzigung und Verbrennung als höchste Strafen: Ex R 9,4:
Pharao sagt: "Wenn der Sohn Amrams (d. h. Mose) noch einmal zu mir kommt,
so bringe ich ihm um; ich kreuzige ihn, ich verbrenne ihn". Hier ist wohl die
Kenntnis römischer Rechtsgrundsätze vorauszusetzen.
34 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
gung der honestiores bei Verbrechern der niederen Stände angewendet 1).
Eine spezielle Strafe für politische Verbrechen war sie nicht; vielmehr
stand die Wahl der Todesart weithin im Ermessen des Richters 2).
d) Die soziologischen Grundlagen
Die Ursachen des Räuberunwesens sind verschieden. Falls es sich nicht
wie bei den Stämmen des kleinasiatischen Taurus, in Sardinien und
Lusitanien um Volksgruppen handelte, die seit jeher unruhig waren,
rekrutierten sich die Räuber vor allem aus entlaufenen Sklaven 3),
fahnenflüchtigen Soldaten 4) und verarmten Bauern, die der Groß-
grundbesitz oder die Unbarmherzigkeit der Steuerbeamten von Haus
und Hof vertrieben hatte. In Gebieten, wo das Bandenunwesen sich auf
Grund ungenügender Abwehr hatte stärker ausbreiten können, wurde
diese Zersetzung des Kleinbauerntums durch die Behinderung eines
geordneten Ackerbaus besonders begünstigt 5). Der berühmte Räuber-
hauptmann Felix Bulla sandte einen gefangenen Centurio mit der
Botschaft zurück: "Melde deinen Herren: Füttert eure Sklaven, damit
sie nicht Räuber werden". Es waren bei ihm viele kaiserliche Freige-
lassene, die keinen Lohn erhalten hatten 6). In Ägypen entsprach dem
die "Anachoresis", in Palästina die Flucht ins Wüstengebirge. Auch die
Abenteuerlust mag manche zu Räubern gemacht haben 7). Das freie,
abenteuerliche Räuberleben zog überhaupt das Interesse der antiken Welt
auf sich. Erzählungen aus diesem Bereich gehörten neben Gespenster-
und Liebesgeschichten zu den beliebtesten Stoffen der Unterhaltungs-
literatur, und in dem Roman, der den Beifall seiner Leser finden wollte,
durften die Räuber auf keinen Fall fehlen 8). Auf elnen and.eren wesent-
lichen Punkt weist J. Juster hin: " ... dans l'antiquite le peuple ne con-
siderait pas les pirates et les brigands comme exer<;ant un metier des-
honorant. Par consequent quoiqu'ils aient aussi commis des meurtres,
il faut les distinguer des simples meurtriers" 9).
1) Mommsen op. cit. 918-21; Hitzig Art. crux PW 4,1728-31; J. Blinzler, Der
Prozeß Jesu, 4. A. 1969, 339ff. 357ff.
2) Sie wird den auctores seditionis angedroht (Paulus sent. 5,22,1), galt aber
auch für gewöhnliche Mörder bzw. für alle die von der lex Cornelia betroffen
wurden, vgl. op. cit. 5,23,1.
3) V gl. die großen Sklavenaufstände zur Zeit der Republik in Sizilien (135-
132 v. Chr. u. 104-102 v. Chr.) und in Italien (Spartakus 73-71 v. Chr.). Nach
b 2,57 = a 17,253 wurde eine Gruppe Aufständischer von einem königlichen
Sklaven geführt, vgI. auch b 4,510.
4) V gI. Spartian (Script. hist. Aug.), Pesc. Niger 3,4: ad comprehendos deserto-
res qui innumeri Gallias tunc vexabant; s. auch u. S. 39 A. 4: Nu. R. 20,19.
5) Beispiele aus .Ägypten s. bei M. Rostovtzeff, Gesellschafts- u. Wirtschafts-
geschichte der hellenistischen Welt, 1956, 2,708; vgI. auch u. S. 342 A. 1. Für
Palästina s. a 18,274; 20,256. 6) Dio Cassius 76,10,5f.
7) Dio Cassius 74,2,5: Dadurch, daß Septimius Severus die Prätorianer nicht
mehr aus Italien nahm, trieb er die kriegs- und abenteuerlustige Jugend dazu,
sich den Gladiatoren und Räubern zuzuwenden. Vgl. auch a 18,10.315.
8) V gI. Friedländer, op. cit. 1,357. So bei Apuleius, Heliodor, Achilles Tatius,
Petronius, Longus u.a.
9) Les Juifs dans l'empire Romain, 1914, 2,208.
DIE RÄUBER 35
1) Zu 77T~ s. Jastrow Dict. 1,231. Der Begriff bezieht sich vor allem auf das mit
Anwendung von Gewalt durchgeführte Eigentumsvergehen.
2) Für "Bande" erscheint häufig o~~~ s. dazu J. Levy, Neuhebräisches u.
Chaldäisches \Vörterbuch über die Talmudim u. Midraschim, 2. A. 1876ff, 1,318;
] astrow 1,231.
3) Art. A'(lcrTY)C; Th WB 4,264ff; vgl. 266,33f: "Die Deutung ist durch die
Geschlossenheit des palästinischen Gebrauchs von AYlcrTY)C; (J osephus, Rabbinat)
nahegelegt" . An anderer Stelle ist das Urteil nicht ganz so bestimmt (265,9f):
"So wird man vielleicht sagen dürfen, daß - ungeachtet späteren abweichenden
Gebrauchs - O~~9~? im Rabbinischen ursprünglich den Zeloten bezeichnet".
4) Op. cit. 265,11ff. (gesperrt).
5) Op. cit. 264,37f: "Der Sprachgebrauch ist für uns hier längst nicht so
durchsichtig wie bei J osephus" ...
6) Schab. 2,5. vgl. T. Taan. 2,12 (Z. 218).
7) Kreuzigung von Räubern wird im Rabbinat mehrfach berichtet vgl. Sanh.
46b Bar. (nach einem Gleichnis R. Meir's); Eccl. R. 7,26; Esth. R. 3,14 zu 1,12
u.ö., jedoch war die Kreuzigung durchaus nicht nur politische Strafe: s. o. S.
33 A. 7. Zur besonderen Wertung der Kreuzigung als l\hrtyrium s. u. S. 266.
DIE RÄUBER 37
am Ort seiner j\;fissetaten auch seine Strafe erleiden müsse 1), läßt
sich zwar aus dem römischen Recht ableiten 2), ist aber höchstens ein
Hinweis darauf, daß die Juden in Kapitalsachen keine eigene Zu-
ständigkeit mehr besaßen 3). Jene beiden Grundsätze: "die Frau des
Räubers ist wie der Räuber selbst" 4) und "der Gefährte des Räubers
ist wie der Räuber selbst" 5), sind nicht etwa aus dem "Kriegs- oder
Standrecht" zu erklären, sondern gehen entweder ebenfalls auf das
römische Recht zurück 6), oder aber sie sind als Sprichwort zu
verstehen ähnlich dem deutschen "der Hehler ist wie der Stehler".
Wenn ein o~~9~7 seinem Opfer das Gewand nimmt 7) und ihm sein
eigenes dafür gibt, so tut er das wohl nicht aus Rücksicht auf Dt 24,
13, sondern weil er ein gutes für ein schlechtes eintauscht. Das zeigt
deutlich der Parallelfall, in dem ein Zöllner ein 'gutes Tier abnimmt
und dafür ein altes, ausgedientes gibt.
Auch über die von Rengstorf angeführten Beispiele hinaus deutet
das Wort im Rabbinat nicht spezifisch auf die religiös-politischen
"Eiferer" des 1. Jhs. n. ehr. hin: Die Räuber machen die Verkehrs-
wege unsicher, sie bevorzugen vor allem \Vegkreuzungen, um den
Reisenden aufzulauern 8). Hier sind es vor allem wieder die Kara-
wanenstraßen in der Wüste, die von ihnen heimgesucht werden 9). Das
Reisen wird dadurch zu ejner höchst gefährlichen Angelegenheit 10).
Man schützt sich gegen die Räuber durch Waffen 11), durch gegen-
seitige Hilfe und durch Wachtposten 12), sowie durch Amulette und
Gebete 1). Aber auch die Hirten und die Landbevölkerung sind durch
Raubüberfälle von Banden bedroht 2).
Eine besondere Gattung bilden solche Berichte, in denen die
Auseinandersetzung zwischen Räuber und Obrigkeit geschildert
wird. NIeist handelt es sich dabei um maschalartige Stücke, nicht so
sehr um auf ein historisches Ereignis zurückgehende Anekdoten.
Sie bilden einen Teil jener Königsgleichoisse, die für die späteren
Midraschim typisch sind 3). Voraussetzung ist darin die tödliche
Feindschaft zwischen König und Räuber: letzterer droht einmal den
Königssohn umzubringen 4), dann wieder wird der königliche Prinz
gefangen, doch sein Vater rettet ihn und tötet die Banditen 5). Auch
eine Königstochter läßt man von Räubern bedrängt werden 6); dann
wieder verwüsten diese einen königlichen Weinberg und werden vom
Besitzer vernichtet 7). Die Gefangennahme der Banditen durch die
staatliche Macht findet sich mehrfach 8), desgleichen ihre Bestrafung 9).
Am ehesten könnte man das NIotiv des Überfalls auf einen könig-
lichen Beamten als einen Hinweis auf das Treiben der zelotischen
ArJ(jTaL verstehen 10):
Sabbat erlaubt. Zur Errichtung von Wachtposten gegen Räuber vgl. Lev. R.
35,5; Nu. R. 20,2; Cant. R. 6,11; Midr. Teh. 10,2 (s. S. Krauß, Monumenta
Talmudica V, Nr. 360b) berichtet von "Burgänln" d.h. Wachtstationen in der
Wüste. Eine Karawane wird aufgefordert, dort wegen Räubergefahr einzu~.
kehren. In Inschriften (CIL 8,2494.2495) werden solche "burgi" in Nordafrika
mehrfach erwähnt: s. Daremberg-Saglio III, 2 S. 992.
1) Ber. 4,4 u. 29b; Lev. R. 25,1.
2) B. Mez. 7,9; B.Q. 6,1; Pea 2,7f; S. Lev. zu 19,5.
3) Eine teilweise Zusammenstellung des .Materials findet man bei S. Krauß, .0iIonu-
menta Talmudica V, S. 161ff Nr. 383-390 und bei 1. Ziegler, Die Königsgleich-
nisse des Midrasch, 1903, 93-100.
4) Jalqut 2,620 aus Mek. (Mon. Tal. V Nr. 389); vgl. Mek. Ex. zu 14,19 u.
Cant. R. zu 3,6, § 3: "Er (der Engel) war wie ein Räuber (C"~C"'''~'N) der mit
einem Königssohn (Jakob) rang". Vgl. Gen. R. 77,2 zu 32,24.
6) Ex. R. 20,12 s. Ziegler op. cit. 94.
11) Ex. R. 21,5 s. Ziegler op. cit. 95.
7) Ex. R. 30,17 s. Ziegler op. cit. 93.
8) Gen. R. 48,6 zu 48,1 = Mon. TaL V Nr. 386; Lev. R. 30,6 = Mon. Tal.
V Nr. 390.
Q) Eccl. R. zu 3,17: R. Chanina b. Papa (Ende d. 3. Jh. n. Chr.) : "Den Gerechten
wie den Frevler wird Gott richten, der Räuber besteigt den Richtplatz und R.
Akiba besteigt den Richtplatz". Vgl. auch T. Jeb. 4,5 (Z. 244) = bab. 25b. und
Jalqut 1,76 s. Ziegler op. cit. 97, die Hinrichtung eines Räubers in Kappadokien.
Zur Kreuzigung von Räubern s. o. S. 33 A. 8 u. S. 34 A.1.Auch Freilassungen
werden berichtet, s. Ziegler op. cit. 99f.
10) Nu. R. 11,5 = Mon. Tal. V Nr. 384 u. Ziegler op. cit. 93. Ein weiteres
Beispiel dieser Art s. Lev. R. 30,6 = Mon. Tal. V Nr. 387: Der Überfall eines
Räubers auf den königlichen Steuereinnehmer.
DIE RÄUBER 39
"Mit dem Segen ist die Behütung verbunden. Ein König von Fleisch
und Blut hat einen Diener in Syrien, während er in Rom sitzt. Der
König schenkte ihm 100 Litren Gold. Die nahm er an sich und ging
auf den Weg. Es .fielen aber Räuber über ihn her und nahmen ihm alles
. weg, was er ihm gegeben und was er bei sich gehabt hatte. Konnte er
(der König) ihn vor den Räubern bewahren? Darum ,der Hen segne
dich' - mit Reichtum, ,der Herr wird dich behüten' - vor Räubern".
Es ist jedoch zu bedenken, daß diese Gleichnisse in der Regel
relativ späte Traditionen darstellen, und daß ähnliche Vorkommnisse
auch sonst in der antiken Literatur erwähnt werden 1). Wesentlich
ist auch, daß jede religiöse Motivierung und Glorifizierung bei der
Darstellung der Räubergestalten fehlt. Im Gegenteil, meist wird der
Freibeuter scharf verurteilt, man setzt ihn den Gojjim oder den
wilden Tieren gleich 2). Wenn andererseits seinem abenteuerlichen
Leben und seinem ßiIut ein gewisses Interesse entgegengebracht
whd, so entspricht dies durchaus einer allgemein antiken Haltung 3).
Wahrscheinlich liegt hier der Grund zu dem wiederholten Auftreten
des Räubers in der so beliebten Lehrform des Gleichnisses; selbst das
volkstümliche ßiIärchenmotiv vom betrogenen Räuber kann in
verschiedenen Variationen wiederkehren 4).
Charakteristisch ist, daß auch die fremden Unterdrücker als Räuber
bezeichnet werden können. An einer schon erwähnten Stelle stehen
die Zöllner unmittelbar neben den Räubern; beide -bringen die
1) B. Q. 10,1.2; vgI. auch Bill. 1,378f: Scheb. 39a Bar.: R, Schirneon b. Jochai
(um 150): "es gibt keine Familie, in der ein Zöllner ist und keine, in der ein
Räuber ist, ohne daß sie alle Räuber (C'It?t?"7) sind".
2) J. Keth. 26d,44. .
3) Lev. R. 9,8.
4) V gl. die Schilderung des Überfalls auf das judäische Timna durch einen
Trupp plündernder Soldaten: Jom tob 21a Bar. = Tos. ibo 2,6 (Z. 203). Ähn-
liches wurde auch aus Galiläa berichtet s. Schab. 145b. Nach Gittin 57a Bar.
wurde durch einen Überfall römischer Soldaten auf einen Hochzeitszug ein
Aufstand der Juden hervorgerufen. VgI. dazu das Urteil des Josephus über die
röm. Besatzungstruppen a 19,366 u. b 2,268. Auch diese Klagen finden ihre
Parallelen in der weiteren antiken Überlieferung: s. L. Friedländer, Darstellungen
auS der Sittengeschichte Roms, 10. A. 1922,1,221; Phila, C. Flaccum 5 (M. 2,518);
Apuleius, met. 9,39-42; luvenal, sat. 16. Für Palästina vgl. noch Lk 3,14.
5) Ex. R. 31,17. Mon. Tal. V Nr. 335.
6) Mon. Tal. V Nr. 165: c9~1;l~"~ P ;,!i:J 1~ Nach dem 2. Targum zu Esther,
Tr. Soferim 13,6 u.a.; vgI. auch H. L. Strack, Jesus, die Häretiker und die Christen
n. d. ältesten jüd. Angaben, 1910, 45f.
7) Eccl. R. ZU 5,7, Mon. Tal. V Nr. 335.
8) Lev. R. 13,5, Mon. Tal. V Nr. 76, vgI. auch Gen. R. 65,1 zu 26,34.
DIE RÄUBER 41
" ... und für wen bringt er (d.h. der Frevler = Rom) alles Geld
zusammen? Für Israel, wie es heißt: ... Sie werden ihre Räuber berauben
und ihre Plünderer. plündern (Hes 39,10)" 1).
Die ß.-fekilta vergleicht die Römer, die den Tempel zerstörten, mit
einer Räuberbande, die den Palast eines Königs plünderte, nieder-
. brannte .und dessen Diener tötete. Der König sitzt über die Räuber
zu Gericht, läßt sie teilweise gefangen halten und teilweise töten, einige
sogar kreuzigen. Daraufhin wird seine Herrschaft in der ganzen Welt
anerkannt 2).
1) S. o. S. 35 A. 6.
2) S. C. Brockelmann, Lexicon Syriacum, 2. A. 1928, 368.
3) a 14,159 = b 1,204 vgl. a 17,271 = b 2,56. Zum Folgenden s. G .W. Bucha-
nan, HUCA 30 (1959), 169-177; 31 (1960), 103-105 .
.1) a 14,415ff = b 1,304. 5) S. o. S. 29.
6) a 17,285; b 2,65: ,,6"E: )':ncr"pLXOÜ 7tOAEfLOU -r1)V 'Iou~cdav micrav EVE:7tLfL7tAacrav.
Man könnte fragen, ob hier ein "illegitimum bellum" (s. o. S. 33 A. 1) oder die
äußere Form eines "Guerillakrieges" (s. u. S. 44 A. 8) gemeint ist. \Vahrschein-
lieh will der Begriff beides umfassen.
7) S. o. S. 8 u. 13; vgl. K. Kohler, Harkavy-Fcstsehrift, 1909, 7.
DIE RÄUBER 43
1) S. u. S. 146ff.
2) a 18,7f.
3) b 2,228.235.238: E7PcXTWIJTO /tOAAot 7tpO~ ):neJTdav; 253f.264 u.ö.; a 20,5.
113.121.124.160.165 u.ö.
'1) b 2,417; vgl. ,veiter 425.431.434.441; vita 21.28.77ff.
5) Der cXPXLA:na't"~~ Tholomäus a 20,5; Eleazar b. Dinai b 2,253; vita 105 ein
gewisser Jesus mit einer Bande bei Ptolemais; b 2,587 Johannes v. Gischala;
2,652 Simon S.d.Giora; 3,450 Jesus S.d.Tupha. Vgl. auch b 2,275.
6) Vgl. b 2,264ff; a 20,160f.167.185. Josephus spricht in der Regel nur sehr
allgemein von Raub, Mord und Plünderung; Einzelunternehmungen werden
nur in ganz wenigen Fällen - so z. B. a 20,208ff - erwähnt.
7) Vgl. b 2,517ff.523.536.543 - 554: Der Sieg über Cestius; 3,9. 17f.22. 130.
136.149f u.ö.: die Verteidigung von Jotapata.
8) Vgl. b 2,452.484.525.534.538.557.651 u.ö. Daneben spricht Josephus
auch von ve:w't"e:pL~olJTe:~ b 2,417 u.ö. oder Ta Ve:WTe:PL~OV 3,463 u.ö.
9) b 2,443ff; s. u. S. 299f. 370f.
10) b 2,511: Ta ~E: aTamw~e:~ xat ):naTpLX6v; bei den Kämpfen vor J erusalem
spricht Josephus b 2,541 noch einmal von AileJTaL, vielleicht mit Rücksicht auf
die Taktik des Überraschungsangriffs, sonst tritt der Begriff jedoch völlig
zurück.
11) b 2,587ff.593; 4,84.97; s. u. S. 381.
44 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
"Dies (ihre Forderung der Freiheit) war nur ein Deckmantel, mit
dem sie ihre Grausamkeit und Habsucht zu verhüllen suchten, wie ihre
Taten deutlich bewiesen" 1).
Daß solche Menschen den Titel A1l0''t'at zu Recht verdienten, konnte
danach keine Frage mehr sein.
Es ;st natürlich sehr schwer, unter diesem Zerrbild die wahren
Züge der zelotischen Bewegung zu erkennen. Manchmal wird auch
kaum zu entscheiden sein, ob J osephus unter den A1l0''t'a( wirklich
Zeloten oder nur gewöhnliche Straßenräuber verstanden hat 2). Es
mag auch richtig sein, daß die Bezeichnung auf eine gewisse Zer-
splitterung der Bewegung hinweist 3). Dies könnte dann vor allem
für die eigentliche Zeit des Jüdischen Krieges gelten, in der die
Freiheitsbewegung infolge des Fehlens einer zentralen Führung sich
in mehrere feindliche Gruppen aufspaltete 4).
Auch die soziologische I<:'omponente des Begriffs ist nicht zu
übersehen; es handelte sich bei den A1l0''t'at wohl wirklich größtenteils
um Angehörige der sozial benachteihgten Schichten, die u.a. für
eine gottgewollte Neuordnung der Besitzverhältnisse kämpften. Auch
dieser Zug hat seine Parallele in der antiken Welt 5). Vermutlich ist
der Vorwurf der Habgier, den Josephus gegen die Räuber erhebt, von
hier her zu verstehen.
Entscheidend bleibt jedoch, daß J osephus durch die Bezeichnung
A1l0''t'at die Zeloten als im römischen Sinne rechtlose Aufrührer und
gesetzlose Verbrecher hinstellen wollte, die am Ende ihre verdiente
Strafe empfingen 6). Von hier aus gesehen ist es äußerst unwahr-
scheinlich, daß A1l0''t'at in seiner aramaisierten Form jemals dne
Selbst bezeichnung der Zeloten gewesen ist 7); man könnte höchstens
die Frage stellen, ob nicht der den Zeloten feindlich gesinnte Teil
der jüdischen Bevölkerung, d.h. die besitzende Oberschicht, die
Freiheitskämpfer so bezeichnet hat. Diese Möglichkeit bleibt offen,
allerdings war A1l0''t'at auch dann nicht etwa eine Sonderbezeichnung
für die Zeloten, sondern bedeutete - wie die Untersuchung des
rabbinischen Sprachgebrauchs zeigte. - die bewaffneten Räuber
schlechthin. Durch diese Identifizierung sollte ja gerade der "Eiferer"
1) b 7,256 vgl. 264. 2) Z.B. a 20,5.113.
3) So K. H. Rengstorf, ThWB. 4,264 Z. 25ff. 4) S. U. S. 373f.
5) V gl. b 2,265.427: Die Verbrennung der Archive; s. u. S. 341f. 368f. Leider
fehlt bei H. Kreissig, Die sozialen Zusammenhänge des jüdischen Krieges, Berlin
1970, jede tiefergehende Begriffsuntersuchung.
6) b 7,272-274; vgl. o. S. 12 A. 1.
7) S. O. S. 35f.
DIE RÄUBER 47
Felix wird durch Lukas bestätigt 1), wo der Chiliarch und Befehls-
haber der Burg Antonia, Claudius Lysias, den Paulus mit jenem
Ägypter verwechselte, der 4000 "Sikarier" in die \Vüste führte.
Wahrscheinlich hat Lukas dabei verschiedene Ereignisse zu einem
vereinigt 2). Ein früheres Auftreten des Begriffs läßt sich nicht nach-
weisen 3).
Dieser Sachverhalt in Verbindung mit dem lateinischen Ursprung
des Wortes legt nahe, daß mxapLO~ als Bezeichnung für die ).,:{)(j'"raL
wohl direkt auf die römischen Behörden und Soldaten in Palästina
zurückzuführen ist. Vermutlich gaben sie den jüdischen Freiheits-
kämpfern diesen Namen, als jene, gezwungen durch die Erfolge des
Prokurators Felix in der Bandenbekämpfung auf dem offenen Lande 4),
mittels einer neuen Kampfesweise die Stadt J erusalem selbst zum
Schauplatz ihres ständigen Kleinkrieges machten. Es handelte sich
bei den "Sikariern" also nicht, wie schon vermutet wurde, um eine
neue selbstständige Partei 5), sondern um eine besonders aktive
Gruppe unter den A"{)CJ't'aL, die durch eine neue 1vIethode den Kampf
in die Hauptstadt selbst hineintrug und damit dem erhofften Ziel
einer allgemeinen Volks erhebung gegen Rom um einen wesentlichen
Schritt näher kam. Denn die letzte Entscheidung darüber konnte nur
in Jerusalem selbst fallen 6). Josephus gebraucht zunächst die beiden
Begriffe CJ~xapLO~ und A"{)CJ~a( unbedenklich nebeneinander und
meint damit jene aktivste und zugleich führende Gruppe der zum
Kriege hindrängenden Aufrührer 7). Erst als zu Beginn des Auf-
gegen Hemdes die Rede, in der diese den König mit unter ihren Gewändern
versteckten Dolchen umbringen wollten. Auch Apg 23,12-15 deutet wohl einen
ähnlichen Vorgang an. Vorbild war nach Ri 3,11-30 Ehud.
1) Apg 21,38.
2) S. F. J. Foakes Jackson & Kirsopp Lake, The Beginnings of Christianity I,
The Acts of the Apostles, 1920, 1,422; E. Haenchen, Die Apostelgeschichte,
Meyer's Komm. 14. A. 1965, 549ff z. St. Ob Lukas diese Stellen von J osephus
übernommen hat, ist jedoch sehr fraglich; er müßte Josephus völlig falsch
verstanden haben. Wahrscheinlich liegt wie in Apg 5,37 (s. u. S. 81) eine Parallel-
überlieferung vor.
3) Der von O. Cullmann (Der Staat im N.T., 2. A. 1961, 10) aufgenommene
Versuch des F. Schulthess, den Beinamen des Verräters Judas 'IO"xcx.pLw'nlC; mit
den Sikariern in Verbindung zu bringen, ist wenig überzeugend. Die von Sch.
angenommene Form crLXcx.PLW't'1jC; läßt sich in keiner Weise belegen und die Deutung
der "Sikarier als nicht jüdisches, fremdes Raubgesindel" bleibt völlig unbegründet:
s. Das Problem der Sprache Jesu 1917,41 u. 54ff sowie ZNW 21 (1922), 250ff
und E. Klostermann, Das Markusevangelium, HBzNT 4. A. 1950, 35.
4) b 2,253f. 5) S6 Beginnings 1,422f. 6) S. u. S. 365ff.
7) V gl. z.B. a 20,164f u. b 2,254f; s. auch a 20,210; b 2.408: ... 'nve:c; 't'wv f.LaALO"'t'cx.
XLVOUV't'UlV 't'ov 1t6Ae:f.LOV u. 425.
50 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
menhang mit den mx,eXpLm des J osephus stehe: Es geht bei diesem
Begriff stets um den Erwerb und Besitz von Grundstücken bzw. Sklaven,
die unter dem Druck fremder Gewalt ihren Besitzer wechselten. Dabei
kann das Wort diese Güter selbst, die neuen Besitzer derselben, sowie
_auch das Gesetz bedeuten, das den Besitzwechsel und Erwerb der
fraglichen Güter regelt 1). Man war der Ansicht, die Sikarier hätten
schon vor dem Jüdischen Krieg durch Drohungen und Erpressung
fremden Besitz an sich gerissen, und das Sikarikon-Gesetz gälte nun
zum Schutze der beraubten Besitzer 2). Elbogen zeigte dann, daß der
Begriff mit den Sikariernvor und während des Jüdischen Krieges direkt
nichts zu tun habe, er beziehe sich allein auf den während und nach dem
Kriege vom römischen Staat enteigneten Besitz, insbesondere an Grund
und Boden. Die Herkunft des Wortes ließ er offen 3). Es folgten ver-
schiedene Deutungsversuche, die auf termini technici der griechischen
Rechtssprache zurückgriffen 4), aber sprachlich nicht befriedigen können.
Jastrow vermutete im Anschluß an Elbogen "a disguise of X,CX,Lcrctp[KLOV" 5),
d.h. das vom kaiserlichen Fiskus beschlagnahmte Land, doch fehlen zu
1) Die in Frage kommenden Stellen sind: Git. 5,6; Tos. 5,1 (Z. 328); jet. 47b,
18ff; bab. 44a u. 58b; Bik. 1,2; T.A.Z. 3,16 (Z. 464); T. Terum. 1,6 (Z. 25):
Hier erscheint zwar der Begriff "Sikarikon" nicht, jedoch die Sache; J\iIek. Ex.
23,19 (L. 3,187); S. Dt. 26,2 § 297. ed. Friedmann; B. B. 47b.
2) SO B. Graetz, Das Sikarikongesetz, Jahrbuch d. jüd. theol. Sem. Breslau
1892; F. Rosenthal, MG\VJ 37 (1893), lff.57ff. 105ff; S. Krauß, Zur griech. u.
lat. Lexicographie ... , Byzant. Ztschr. 2 (1893), 511ff; J. Levy, Neuhebr. u.
Chald. Wörterbuch, 1876ff 3,518f; ihm folgt Schürer 1,574 A. 31. Graetz u.
Rosenthai nahmen an, daß das Sikarikongesetz vom Synhedrium schon vor der
Zerstörung J erusalems erlassen worden sei. Rosenthal vermutet darüber hinaus
allerdings noch ein 2. Stadium, wo nicht mehr die Sikarier als Erpresser auftraten,
sondern der römische Fiskus, der nach dem Kriege große Teile des Landes
enteignet habe. S. Krauß, Griech. u. lat. Lehnwörter im Talmud, J\iIidrasch u.
Targum, 1899, 2,392f glaubte, in vielen Fällen müsse statt l'P"'P"O einfach
7"'P"O gelesen werden. l'P"'P"O selbst leite sich von mKctpLXoV, einer Parallel-
bildung von A:(jcr't'PLKOV, ab; die Bedeutung sei dieselbe: "Das Räuberwesen und
alles, was damit zusammenhängt".
3) l'P"'P"O eine Studie, MGWJ 69 (1925), 249-257. Zur Landenteignung nach
dem Kriege vgl. b 7,216f. Siehe auch S. Klein, Neue Beiträge zur Geschichte u.
Geographie Galiläas, Pal.-Studien H. 1 (1923), 15ff. Für die Ansicht Elbogens
spricht vor allem j. Git. 47b, l1ff. Dort zeigt sich eindeutig, daß die Enteignungs-
aktion von Rom ausging, während des Krieges schon begann und nach seiner
Beendigung fortgesetzt wurde. An mehreren Stellen werden die unrechtmässigen,
neuen Besitzer - zu denen wohl auch Josephus gerechnet werden kann (s. o. S. 7
A. 2) - den Räubern, Dieben oder auch den Gewalttätigen gleichgestellt:
s. Bik. 1,2; T. Ter. 1,6 (Z. 25), u.ö.
4) S. Feist, Zur Ethymologie von l'P"'P"O, MGWJ 71 (1927), 138-141, will
es von dem griechischen Rechtsbegriff VOfLOC;; crUYKp[VWV ableiten. A. Gulak,
Tarbiz 5 (1933/34),23-27, legt ihm den hellenistischen Rechtsbrauch der Zwangs-
versteigerung UTCO K~PUKL oder cruVx.-~PUXL zugrunde. Ihm folgt auch N. N.
Glatzer, Geschichte der talmudischen Welt, 1937, 29.
5) Dictionary, 2,986. Allerdings erscheint in dem P. Oxy. 477,5 nur das Adjektiv
KctLcreXpe:wc;;, "dem Caesar, zu seinem Besitz gehörig": LiddelI-Scott, 860.
S4 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
1) S. Safrai, Sikarikon, Zion 17 (1952), 56-64. V gl. auch die o. S. 51, A. 2 ange-
führte. Origenesnotiz.
2) Zur zeitlichen Festsetzung s. o. S. 53 A. 3. Bezeichnenderweise berichtet die
Gemara beider Talmude zu Mischna Git. 5,6, wo die Sikarikonfrage am ausführ-
lichsten behaD.deit wird, eingehend über den Krieg unter Vespasian u. Titus.
3) S. Git. 5,6, vgl. dazu S. Safrai, op. cit.; vgl. auch M. Avi-Yonah (0. S. 41
A. 5), 29f.
4) Jesus v. Nazareth, 3. A. 1952,229 A. 130. 5) J. Git. 47b,20. Bar.
6) J. Schab. 15d,50. Bar. Jochanan ben Zakkai zugeschrieben.
7) ü"P~O~ = C~P'l~~ s. B.Q. 116 b.
8) Op. cit. 16ff.
9) B.Q. 5,1: "Wenn jemand von seinem Nächsten ein Feld geraubt hat ("iU)
und ,Erpresser' (C"P"~~) es ihm weggenommen haben ... "
BARJONE UND GALILÄER 55
1) Eccl. R. zu 7,12; Lament. R. zU 1,5 § 31; ARN 4,6 cd. Schcchtcr S. 23.
Es erscheint hier der Begriff in keinem Falle. Auch der Name "Ben Battiach"
(Eccl. R. zU 7,12 u. Lament. R. zU 1,5; vgl. außerdem Kelim 17,12) ist wohl
ursprünglicher als der Phantasiename "Abba Siqera" in Git. 56a.
2) Ber. 10a; Taan 23b u. Sanh. 37a; "Barjone" bedeutet in diesen teils auf
R ..Meir, teils auf Abba Chilkia, den Sohn des Regenbitters Choni, teils auf
R. Zera bezogenen verwandten Traditionen wohl nicht mehr als schlechte,
zügellose :Menschen.
3) Vgl. vor allem Mon. Tal. V Nr. 343b A. 7. In "Griech. u. Lat. Lehn-
wörter ... " 2,165 hatte er noch eine Ableitung von eppoupwv = Soldat, Offizier
vorgeschlagen.
4) Ex. R. 30,18.
5) Jalqut (Esther) 2,1056 (Mon. Tal. V Nr. 202).
6) Ex. R. 30,11 (Üs. n. Wünsche 228).
7) Mon. Tal. V Nt. 128.
8) Op. cit. 1,193. Ähnlich J. Nedava JQR 63 (1973) 321.
BAR]ONE UND GALILXER 57
"Ich klage euch an, Pharisäer, die ihr den Namen des Herrschers
(~W;~) mit dem Namen ß,loses in die Scheidebriefe schreibt. Die Pharisäer
erwiderten: Wir' klagen dich an, galiläischer Häretiker, denn ihr schreibt
(den Namen) des Herrschers und den (Gottes-) Namen in (eine) Spalte
(Z"J1~). Und noch mehr, ihr schreibt den Namen des Herrschers oben
und den (Gottes-) Namen unten, denn es heißt: ,und der Pharao
sprach: Wer ist ]HWH, dessen Stimme ich. hören sollte, Israel zu
entlassen" .
1) Protagoras 343 a; ähnlich Diodoms Sie., bib. hist. 1,73 u. Herodian, ab exc.
divi :Marci 6,8,2.
2) Philodemus, reth. 2,262 (1. Jh. v. Chr.); Diog. Laert. 9,38: Thrasyll (1. Jh.
n. Chr.) über Demokrit: ~.'t"wv 1t'U8a.YOpLXWV d.h. der Lehren der Pythagoräer.
Vgl.auch Jamblich, vita Pyth. (XXVIII) 151,3. Jh. n. Chr.: ~.'t''ijI:;'OpcpE:w<; e:P!-l'fjVELIX<;.
3) Isokrates, ad Dem. 1,11: ~.'t''ljl:; 1t'IX"P(~c(<; &pE't"'lj<;: Epiktet, Arrian diss. 2,12,25.
4) Aeschines, orat. 2,171; W. Dlttenberger, SIG, 3. A. 1915ff, 675,27f u.
756,32; Plutarch II (mor.) 6D: Demosthenes für Athen.
5) Vita Mos. 2,55.161: ~.'t"wv Atyu1t"na.xwv 1t'Aa.crWhwv; ähnlich 2,196; de
Abr. 22; de mut. nom. 93; spec. leg. 1,333; 4,89.91.199 u.ö.
6) De Abr. 33: ~. T'ij<; OLXIXLOcruV'fj<;; 60: Eucrzßdxc; u. apE't"'lj<;; ähnlich spec.
leg. 1,30; de virt. 175 u.ö.
7) b 6,59: die ersten römischen Soldaten, die die Mauer der Burg Antonia
erstiegen, sind ~.'t"'ij<; avopELa.<;; c. Ap. 1,162 wird Pythagoras ein ~. der crOcpLa. u.
e:UcrEtßELa. genannt. Auch jene Stellen, ,vo J osephus im Anschluß an die jüdische
Tradition vom Eifer für Gesetz und Glaube spricht Ca 12,271 u. a. 20,47), konnten
vom hellenistischen Leser im pädagogisch-philosophischen Sinne verstanden
,verden. Typisch die Deutung des Parteinamens ~'fjAW't'IX( b 4,160; s. u. S. 67f.
8) J. Kor 14,12; 1. Ptr 3,13; Tit 2,14; 1. Cl 45,1; ep. Pol. 6,3.
9) Die frühesten Belege auf Inschriften: Dittenberger, op. cit. 717,33: TWV
xcxAALcr't"WV (d.h. der attischen Epheben 100/99 v. Chr.); weiter Strabo 10,5,6(486)
und der Historiker Memnon (I. ]h. v. - 1. ]h. n. Chr.?) in FGrHist 434 F 1,35:
~.'t"'lj<; Acx!-lcX.xou 1t'POIXLPEcre:WC; (d. Taten des Lamachos).
10) S. D. \'<7yttenbach, Lex. Plutarcheum, 1843, 1,393: I (vitae) 357B.504A.
718C.781F U.ö. 11 (moralia) 154C.741D.97SC.
11) Anian diss. 3,24,40.
DIE "EIFERER" 63
1) S. u. S. 146f. u 181ff.
2) b 2,444.564.651; 4, 160ff. 193ff u.ö.; 5,5ff.99ff.250.358.527; 6,92.148; 7,268f:
TO TWV ~'f)A(uTWV xA'f)8EVTWV yEVO~.
3) S. O. S. 44.
4.) Vgl. die Aufzählung der 4 Parteien, die Jerusalem verteidigten: b 5,248ff.
358; 6,92.148.
5) b 2,564; 5,5-21.99ff. b 4,225 werden die Priester Eleazar (mit MVRC
\)to~ L:LfL(Uvo~ statt n(Uvo~) und Zacharias S. d. Amphikallei als die ~ye:fL6ve:<:;
TWV ~'f)AWTWV genannt. S. u. S. 120.
DIE "EIFERER" 65
1) b 7,269ff. Vgl. auch b 4,160f: "t'oiho (d.h. ~YjAw"t'aL) y~p au't'ouc; ExcX.Ae:crav
WC; E7t' ciya6oi."c; E7tL't"Yjoe:u[J.acrL\I ciAA' ouzt ~·IJAwcra\ITe:c; "t'~ xcX.XLcr't'a TC;)\I EPYW\I
(Text nach Lu. Lat.) u7te:pßaAA6f.Le:\lOL.
2) s. o. S. 42 u. 51; s. u. S. 164f.
3) S. o. S. 16 u. S. 188f.
4) Sing. ~N~iC s. M. Jastrow, Dict., 2,1388.
5) Ed. Schechter, 1887, c. 6. S. 32; s. o. S. 51 A. 6; s. u. S. 401 A. 2.
DIE "EIFERER" 69
1) Sanh. 9,6; vgl. zum Folgenden die ausführliche Erklärung dieser Stelle
durch S. Krauß, Die Mischna, Text, übersetzung u. ausführliche Erklärung
hrsg. v. G. Beer etc. IV, 4 u. 5, Sanhedrin-Makkot, 1933, 261ff.
2) Vgl. M. ]astrow, op. cit. 2,1395;]. Levy, Wörterbuch 4,345. Der Ausdruck
findet sich schon im A.T. Nu 4,7 u.ö. Möglicherweise wurde das Gefäß zur
Wasser u. Weinlibation an Sukkot verwendet. Da nach Sukka 4,9 (bab. Talmud
48b) und a 13,372 die sadduzäischen Priester Gegner der \'V'asserlibation waren,
sieht A. Geiger, Jüd. Zeitschrift 5 (1867), 106ff, in dieser Stelle einen antisaddu-
zäischen Zug; vgl. auch I. Epstein, The Babylonian Talmud, Seder Nezikin VI,
Sanhedrin II, 547 A. 7. Vielleicht ist dieses Gefäß auf den Münzen des 1. u. 2.
Aufstandes abgebildet: s. A. Reifenberg, Ancient Jewish Coins, 2. A. 1947,58.
3) S. Krauß, op. cit. 261f. H. Danby, Tractate Sanhedrin, 1919, 119 A. 2 ver-
mutet die Abkürzung eines nichtorthodoxen Gottesnamens wie XOCJ(.LO'ITA<X.CJ't"7)C;
oder eine verderbte Form des Tetragramms. \'V'eiteres im jer. Talmud z. St. 27b,
29f. Vgl. M. Jastrow, op. cit. 2,1396. G. Driver, JThS 14(1963) 133: "in (the
manner of) one casting spells" wie Bileam Nu 22,7; 23,23 vgl. Dt 18,10.
4) I. Epstein, loc. cit.
5) Vgl. Nu 25,5-13; j. Sanh. 27b, 28ff; bab. Sanh. 82 a & b.
70 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
jeruschalmi ist der Begriff r~~jC determiniert 1), er ist daher wohl
genauso wie bei J osephus als Parteiname zu verstehen. Das Ziel
dieser "Eiferer" war vermutlich, durch spontane Bestrafung der
Gesetzesübertreter die Reinheit Israels, seines Glaubens und Tempels,
wiederherzustellen 2). Ihr biblisches Vorbild war der Priester Pinehas,
der in einem Augenblick höchster Not unter Umgehung des ordent-
lichen Gerichtsweges einen offensichtlichen Sünder inmitten der
Volksgemeinde tötete 3). Eine Untersuchung der religiösen Grund-
lagen der zelotischen Bewegung wird u.a. von diesem Punkt ausgehen
müssen. Besondere Schwierigkeiten bereitet die zeitliche Festlegung
der 0 ben angeführten Halacha. Einj ge jüdische Historiker treten
für eine frühe Datierung ein 4); sie berufen sich dabei auf eine
Rechtsbestimmung aus der Hasmonäerzeit, die den Geschlechts-
verkehr mit einer Nicht jüdin betrifft 5). Doch haben wir sonst
keinerlei Hinweise auf das Wirken einer Partei von "Eiferern" in
einer solch frühen Zeit. Dazu kommt, daß die c"~~jC getreu ihrem
Vorbild Pinehas gewissermaßen eine inoffizielle "Femejustiz"
durchführten, die erst dann einschritt, wenn die offizielle Straf-
verfolgung von Gesetzesübertretern versagte; die hasmonäische
Bestimnlung ist dagegen wohl als Hinweis darauf zu betrachten, daß
die Verbindung mit einer Heidin damals offiziell strafrechtlich
verfolgt wurde. So paßt die Halacha eher in die Zeit zwischen 7 und
66 n. ehr., wo - bis auf das kurze Zwischenspiel unter Agrippa 1. -
den Juden das ius gladii genommen war 6). Sie wäre dann als Drohung
gegenüber den Gesetzesfrevlern zu verstehen, die infolge der Fremd-
herrschaft durch den ordentlichen Strafvollzug des Synhedriums
nicht mehr belangt werden konnten 7).
1) S. S. Krauß, op. cit. 262: die Handschrift München der Mischna u. jer. T.
27b, 31. Vermutlich haben wir hier die ursprüngliche Lesart vor uns.
2) S. u. S. 152f. 190ff. 3) S. u. S. 152-181.
4) K.· Kahler, JE XII, 639; "A statute evidently of the Maccabean time";
ähnlich in der Harkavyfestschrift 13. Kahler setzt dabei die "Eiferer" mit den
"Chasidim",gleich. Vgl. auch J. Klausner Hist. 3,252; I. Epstein, op. cit. Seder
Naschim VI, Sota 113 A.4, identifiziert die "Eiferer" mit den aufständischen
Pharisäern unter Alexander Jannaj.
5) Sanh. 82a: "Das Gericht der Hasmonäer bestimmte, wer eine Nicht jüdin
beschläft, sei schuldig wegen (Beschlafens) einer Menstruierenden, Sklavin,
Nicht jüdin oder Ehefrau". Als Tradent wird R. Dimi, 4. Jh. n. Chr. angegeben;
s. Strack, Einl. 147.
6) b 2,117; a 20,200ff; Joh 18,31; vgl. Th. Mommsen, Röm. Strafrecht, 1899,
240f A. 2; Schürer 1,466f;' Juster 2, 132ff.
7) Man kann dabei an Vorgänge denken wie sie Apg 23,12f geschildert werden.
S. auch u. S. 219f. und S. 353.
DIE "EIFERER" 71
Zwei andere Hinweise auf die " Eiferer" , die ebenfalls aus dem
spät jüdischen Bereich stammen, sind wesentlich weniger eindeutig.
Es handelt sich. um Namen bzw. Beinamen, die möglicherweise auf
einen Anhänger der Zelotenpartei gedeutet werden können. Schon
A. Geiger 1) vermutete in dem rabbinischen Lehrer Nechonja ben
Hakkanah, einem jüngeren Zeitgenossen Jochanan b. Zakkais, den
Sohn eines Zeloten: statt des unerklärlichen illpil sei lediglich Nlpil
zu lesen 2). Seine Lebensregel wäre dann als kritische Stellungnahme
gegenüber der Haltung seines Vaters zu verstehen:
"J eder, der die Tara auf sich nimmt, wird vom Joch der Regierung
(m~1;l~) und vom Joch weltlicher Beschäftigung (Y1N l1i) frei, aber
jedem, der sich vom Joch der Tara losmacht, wird das Joch der Regie-
rung und das Joch weltlicher Beschäftigung auferlegt" 3).
Das Torastudium würde hier dem scheinbar kämpferisch-politischen
Freiheitsideal der Zeloten als der ~ahre Weg zur Freiheit entgegen-
gehalten. Falls der Vatername des Lehrers wirklich mit "Eiferer"
gleichzusetzen ist, könnte man darin auch einen Hinweis dafür
sehen, daß die jüdische Freiheitspartei schon lange vor dem I<riege
die Bezeichnung tl.,~~i? führte. Wirkliche Gewißheit läßt sich jedoch
hier nicht erlangen, es könnte sich auch um einen bisher unbekannten
Namen oder Beinamen handeln.
Eine mögliche Parallele finden wir in einer Inschrift aus der
jüdischen Synagoge am Monteverde in Rom 4):
I(J)NIOC 0 KE AKONE L:E<pd)PHNOC: "Ianios, der auch (xext)
'Akone' genannt wird aus Sepphoris".
Juster vermutet hinter ,Akone' möglicherweise die einfache Trans-
skription von N~Pij "der Zelot" 5). Der erste Herausgeber datiert zwar
die Inschrift in eine spätere Zeit, jedoch mit allen Vorbehalten 6).
Wenn die Vermutung von J uster zuträfe, wäre ,Akone' ein Beiname,
wie wir ihn auch ganz ähnlich in den Evangelien finden. Doch
bleibt schon von der Datierungsfrage her die Deutung sehr ungewiß.
minierter Form gebraucht wird. Man wird daher auch in dem Bei-
namen "der Eiferer" des Jüngers Simon einen Hinweis dafür sehen
dürfen, daß schon zur Zeit J esu eine bestimmte Gruppe im Judentum
die Bezeichnung "die Eiferer" trug 1) .
.Einen zweiten sehr wichtigen Hinweis Enden wir in den Philo-
sophumena des Hippolyt. Gegen Ende eines mit J osephus parailel-
laufenden Berichtes über die Essener bringt er plötzlich eine eigene,
bemerkenswerte Überlieferung 2):
"Im Laufe der Zeit haben sie sich in vier Parteien gespalten, von
denen jede ihre eigene Lebensführung hat. Die einen übertreiben die
V orschriften in dem Maße, daß sie nicht einmal eine Münze anrühren
mit der Begründung, man dürfe ein Bild weder tragen noch ansehen
noch verfertigen. Sie gehen auch in keine Stadt, auf daß keiner durch
ein Tor schreite, auf dem Bildsäulen ständen; denn sie halten es für
Unrecht, unter Bildsäulen durchzugehen. Wenn einer von der zweiten
Richtung hört, daß jemand über Gott und seine Gesetze spricht und
dabei unbeschnitten ist, lauert er ihm, wenn dieser allein ist, irgendwo
auf und droht ihm mit dem Tod, wenn er sich nicht beschneiden läßt;
wenn dieser nicht gehorchen will, so kennt er keine Schonung, sondern
bringt ihn um. So haben sie dieser Sache halber den Namen Zeloten
angenommen; manche nennen sie Sikarie:r. Die Angehörigen einer
anderen Richtung nennen niemand Her:r außer Gott, selbst wenn sie
einer marterte oder gar tötete. So sehr sind die Späteren von der Lebens-
strenge abgewichen, daß diejenigen, die bei den ursprünglichen Sitten
geblieben sind, sie nicht einmal berühren; sollten sie sie aber berührt
haben, so waschen sie sich sofort, als ob sie einen Fremden berührt
hätten".
Da Hippolyt in seinem Essenerbericht nahezu völlig mit J osephus
übereinstimmt, liegt zunächst die Annahme nahe, er habe diesen
von dem jüdischen Geschichtsschreiber übernommen. Einige wenige,
nicht unwesentliche Abweichungen 3) und insbesondere jene eigen-
artige Einschaltung über die Zeloten zeigen jedoch, daß er über
1) V gl. Mt 10,3, die Kennzeichnung des Matthäus mit 6 't"E:AWV"fjC;;. J.-A. :Morin,
RB 80 (1973), 348f. 355 übersieht die einmalige Art der Bezeichnung.
2) (Refutatio omnium haeresium) 9,26, GCS ed. P. Wendland, 1916, 3,260;
Übersetzung nach K. Preysing, BibI. d. K.V. Des hl. Hippolytus v. Rom Wider-
legung aller Häresien, 1922, 260. Das Verdienst, darauf erstmalig hingewiesen zu
haben, kommt K. Kohler in seinem Artikel "Zealots", JE 12,639f zu.
3) Außer dem oben angeführten Zelotenzusatz s. 9,23: sie schwären, auch
ihre Feinde nicht zu hassen (gegen b 2,139), wohl eine ·Änderung im christlichen
Sinne; lQS 9,21 spricht für josephus gegen Hippolyt. 9,25: etliche erheben sich
am Sabbat nicht vom Lager (fehlt b 2,147). 9,27: Auferstehung und Weltbrand
(gegen b 2, 154ff) ; beides wird durch die Qumranschriften bestätigt: Zur Auf-
erstehung vgl. 1QH 6,29f.34, zum Weltbrand tQH 3,28ff; 6,18; 1QS 2,17.
74 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
1) Phil. 9,28 = b 2,160f. K. Kahler, op. eit. 8 hat hier den Bericht Hippolyts
mißverstanden.
~ S. o. S. 67fu. S. 188(
3) PhiL 9,26; ... ~7JAWTG(( XIXAoufLEVOL {mo TWWV 8e O'LXi:X.PLOL ..
4) S. U. S. 93ff.
5) Der Wortlaut stimmt am ehesten mit a 18,23 überein; vgl. Juster 2,343
A. S.
76 BEZEICHNUNGEN DER JÜDISCHEN FREIHEITSBEWEGUNG
Wie dem auch sei, sein Bericht legt nahe, daß ein gewisser innerer
Zusammenhang zwischen den "Zeloten" und den radikalen Forde-
rungen des Galiläers Judas besteht.
E. ZUSAMMENFASSUNG
losigkeit bei der Befolgung von Gottes Geboten und in der Gewalt-
anwendung gegen alle, die dem radikal verstandenen Gebot ihren
Gehorsam verweigern 1).
Auf Grund des bisher Gesagten wird der weiteren Untersuchung
ein zwiefacher Weg gewiesen: 1.) Die von Judas dem Galiläer
gegründete "vierte Philosophensekte" und ihre Anschauungen sind
genauer zu erforschen. 2.) Das religionsgeschichtliche Phänomen
des "heiligen Eifers" im Spät judentum bedarf einer eingehenden
Analyse. Damit ist die Aufgabe der beiden folgenden Kapitel umrissen.
1) b 2,117-119.
2) a 18,2f.
3) a 18,4. Zur Frage nach der Herkunft des Judas s~ u. S. 336ff.
4) -r1)v TE &7t'OT~fL'1Jmv OU~E:V äAAO ~ äVT~XflUe; OOUAELaV €m<pEflE~V A~YOVTEe; xal. T'ije;
eAeUeep~ae; E:7t" &:~T~~1)~e.: 7t'a~IXx~AoGvT:\e;, T~ it8voc; ~a 18,4]. " \
5) a 18, 5: XIX~ TO 8eLOv oux IXAAOOe; '1J em crufL7t'pa~e~ TOOV' ßouAEUfLaToov E~e; TO
xIXTop80Gv crufL7t'p08ufLdcr8a~ fLiiAAOV
80 DIE ,,4. PHILOSOPHENSEKTE" DES JUDAS GALILÄUS
1) a 18,6.
2) a 18,7f.
3) a 18, 9: 't"e:'t"cf.p't"'Yj\l tpLAOcrOtpteY.\I E7tdcreY.X't"o\l 'l][LL\I &ydpeY.\I't'e:c;.
4) a 18,23-25.
5) rt.\lOLeY. (OC7t6\10L<X,[LeY.\I(eY.) gehärt zu jenen typischen Begriffen, mit denen
Josephus immer wieder die Vorstellungen und Bestrebungen der jüdischen
Freiheitsbewegung-charaktedsiert; s. o. S. 16 A. 4.
DIE AUSSAGEN DER QUELLEN 81
lieh bald, getötet und seine Bewegung zersprengt. Über die Anschau-
ungen seiner Anhänger und ein Weiterwirken ihrer revolutionären
Ideen hören wir nichts. Die Frage, woher Lukas diese historische
Notiz erhalten hat, läßt sich schwer beantworten. Eine direkte
Abhängigkeit von Josephus ist unwahrscheinlich 1). NIöglicherweise
lagen hier und an anderen Stellen 2) gemeinsame mündliche Traditio-
nen vor. Daß die Gamalie1:rede von Lukas "frei komponiert" wurde,
dürfte nach den Untersuchungen von IVL Dibelius wohl als wahr-
scheinlich gelten 3). Andrerseits muß sich die Gründung dieser neuen
Bewegung tief in die Gemüter der Zeitg~nossen eingeprägt haben,
wenn sich die Tradition darüber so lange erhalten konnte 4).
Aus den angeführten Berichten des Josephus über Judas und seine
Sekte wird mehrfach deutlich, daß ein innerer Zusammenhang
zwischen der neuen Bewegung und dem Untergang Jerusalems
besteht, ja diese wird für die spätere Entwicklung direkt verantwort-
lich gemacht 5). Man wird daraus folgern dürfen, daß die Wirksamkeit
der von Judas ausgehenden Bewegung bis zum Jüdischen Krieg
hin angedauert hat.
Auffallend ist weiter, daß Josephus die von Judas und Zadduk
gegründete Partei als eine 't"z"'C'a.P"'C'1) CPLAocrOcpCe< innerhalb des Juden-
tums bezeichnet. Was konnten schon jene Aufrührer mit einer
"Philosophenschule" gemeinsam haben? Doch der Anstoß über diese
eigenartige Ausdrucksweise schwindet rasch, wenn man sich das
schon erwähnte hellenistische Gewand der Antiquitates vergegen-
wärtigt: J osephus wollte damit seinen griechischen Lesern die
jüdische Sektenbildung durch die .Analogie zu den Philosophen-
schulen verständlich machen 6).
Im Gegensatz zum Bellum, wo die neue Sekte des Judas als taLcx
cxlpEcnc; von den 3 "Philosophenschulen" (-rpJcx yap 7tCXpa 'IouacxLotc;
e:ra1) qnAocrocpE~-rCXt) scharf abgesetzt wird, erscheint diese in den
Antiquitates als ,,4. Schule" gewissermaßen gleichberechtigt neben
den drei traditionellen jüdischen Religionsparteien, den Pharisäern,
Sadduzäern und Essenern 1). Die Selbständigkeit der von Judas
ausgehenden Bewegung betont das Bellum ebenfalls: die neue Sekte
habe mit den anderen nichts gemein gehabt (OUa€V -ro~c; &MOtC;
7tpocrEotxcilc;). Die Antiqwtates erheben den Vorwurf, sie sei fremd-
artig (&7tdcrcxwroc;) und ungewöhnlich (&cruv1j81)c;), ja die Sektenstifter
hätten sogar die Gesetze geändert (~ TWV 7tCX-rPLWV XCXLVLcrtC;) 2). Dies
alles legt den Schluß nahe, daß es sich bei der von Judas begründeten
Sekte um eine eigenständige Gruppe neben den anderen jüdischen
Parteien gehandelt hat, die auch ihre eigenen, ausgeprägten
V orstellungen besaß.
Dieser Annahme widerspricht jedoch bis zu einem gewissen Grade
die klare Aussage von Antiquitates 18,23: die 4. Sekte habe sich nur
durch die Forderung nach der "Alleinherrschaft Gottes" von
den Pharisäern unterschieden 3). Dem entspricht, daß auch
wie die drei anderen. Auch B.-Gr., Rel. 87 übersieht diese Tatsache: " ... die
Partei der sogenannten Zeloten, die uns J osephus treuherzig als ,vierte philo-
sophische Sekte' schildert, die indessen nichts weiter waren als nationale Fanati-
ker ... "; ähnlich auch E. NIeyer, Ursprung u. Anfänge des Christentums,
1921ff. 2,402; M. J. Lagrange, Le ]udaisme avant ]esus-Christ. 3. A. 1931, 214
u. S. Baron, A Social and Religious History of the lews, 1937, 1,220. Richtig
wurde der Sachverhalt von G. Hölscher erfaßt, Gesch. d. isr. jüd. Rel., 1922,227:
"Auch dieser Bund wurde von ]osephus mit Recht als religiöser Verein
beschrieben". H. Rasp, ZNW 23 (1924), 28 betont zu Recht die "Rücksicht auf
ein fremdes, d.h. griechisches Lesepublikum". Vgl. auch G. Ricciotti, Flav.
Gius. 2, 208 zu b 2,119.
1) Vgl. b 2,118 u. a 18,9.23. Die von ]osephus bewußt durchgeführte Analogie
zu den griechischen Philosophenschulen ist sehr weitgehend: vita 12 werden .die
Pharisäer mit den Stoikern verglichen, a 15,371 die Essener mit den Pythagoräern.
Bei den Sadduzäern kann man als Entsprechung eventuell die Epikuräer anführen
und bei der vierten Sekte vielleicht die Kyniker, wobei sie allerdings nicht deren
Gleichgültigkeit gegen die politischen Verhältnisse teilten; s. M. ]. Lagrange,
loc. cit. u. H. Rasp, op. cit. 31: "Die Juden, will ]osephus sagen, bedeuten nicht
nur in der großen Politik etwas, sie sind auch ein hervorragender Kulturfaktor,
sie haben Philosophenschulen". Ahnlich auch G. Ricciotti, Flav. Gius. 2,208 Zu
b 2,119.
2) a 18,9; s. auch o. S. 80 A. 3. Der Vorwurf "einen neuen, fremden Gottes-
dienst einzuführen" wurde nach b 2,414 auch gegen die radikalen Priester
erhoben, die das Kaiseropfer einstellen wollten, s. dazu u. S. 111. 210.
3) Diesen Gegensatz erkannten schon O. Holtzmann, Neutestamentliche Zeit-
geschichte, 1. A. 1895,161; Sieffert, Art. Zeloten in RE 12,656; M.]. Lagrange, op.
cit. 214; G. Ricciotti, loc. cit.; eingehend behandelt die Frage W. R. Farmer, 30ft
84 DIE ,,4. PHILOSOPHENSEKTE" DES JUDAS GALILÄUS