Inhaltsübersicht:
* in der zweiten wird man unsicher, WOLLEN „ethische Stufe“ (ANTITHESE): Lösung
verliert das Können, sucht, zweifelt, vom unmittelbaren Lebens-vollzug
experimentiert, lernt, reift. durch Reflexion
* Die dritte beginnt, wenn die Sicher- SEIN „religiöse Stufe“ (SYNTHESE):
heit der ersten Epoche, nun erhöht und In der Entscheidung für den Glauben
bewusst gemacht durch erworbene findet ein „Sprung“ auf die höchste
Erfahrung, allmählich wiederkehrt.“ Stufe statt.
„WALTER war ... fest von der Wichtigkeit menschlichen Kontaktes überzeugt, und er lehnte
das diktatorische Verhalten so vieler Dirigenten ab. Er betrachtete seine Orchestermusiker
als Kollegen und erwartete wie FURTWÄNGLER von ihnen eigene Ideen“ (11, S. 256). „WALTER
teilt seinen Leuten die eigenen Empfindungen, die eigene Auffassung der Musik in Worten
mit, und seine und seine unzweifelhafte Fähigkeit, sie in die künstlerische Tat zu übertragen,
das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird, schaffen die eigentümliche Atmosphäre
gemeinsamen Musizierens“ (13, S. 148). Hier mag vielleicht ein kritischer Leser fragen:
Menschlichkeit ist gut – aber wofür gut? Eine Antwort darauf: Menschlichkeit schafft (wie
schon gesagt) eine gemeinsame Grundlage für gegenseitiges Vertrauen, welches für das
Ent- und Bestehen von Gemeinschaft erforderlich ist. In ihr kann eine gemeinsame
,Wellenlänge’ entstehen, die gegenseitiges Verstehen fördert. Soweit der ,humanistische’
Gedankengang. Nun zum ,rationalen’ Teil der Antwort: Gegenseitiges Verstehen ist oft
notwendig, wenn eine bestimmte Aufgabe gemeinsam gemeistert werden soll (bzw. muss),
um schließlich nicht aneinander vorbei zu arbeiten. Richtig dosierte Menschlichkeit macht
also offensichtlich langwierige ,Kraftakte’ (Überredungsmanöver, Befehle, Verhandlungen,
Verteidigungen u.ä.) überflüssig.
„Der Dirigent soll sich bemühen, jedes Mitfühlen im Orchester zu ermutigen, er soll die
Fähigkeiten seiner Mitarbeiter erforschen und in vollstem Maße ausnützen, ihr geistiges
Interesse erregen, ihre musikalischen Talente steigern, kurz einen befruchtenden Einfluss
auf sie ausüben. Dann entsteht ... eine harmonisch zusammengestimmte, lebensvolle
Einheit aus Individuen, die seiner Führung willig folgen“ (12, S. 147).
„Mir war es vielleicht besonders schwer geworden, mich beim Orchester durchzusetzen,
weil ... durch meine gar zu Ich-lose Einfühlung in den Anderen meine Selbstbehauptung an
Sicherheit und Energie bedenklich verlor. Doch gewann ich schließlich gerade ,daraus’ die
Klarheit darüber, welcher Weg mir durch meine Natur gewiesen war. Ich erkannte, dass ich
gewiss nicht zum Herrscher oder Despoten, aber vielleicht wohl zum Erzieher veranlagt war,
der ja seine Methode zur Einwirkung auf den Anderen aus der Einfühlung in dessen Wesen
gewinnt. So galt es die machtvollen, ja unwiderstehlichen musikalischen Forderungen meines
Innern mittels jener Einfühlung durchzusetzen, mein Ich kompromisslos zu wahren, ohne
den Anderen zu vergewaltigen.“ (12, S. 141)
„Hinderlich war mir (beim Kampf gegen Gewohnheit und Bequemlichkeit) – wie in jedem
Konflikt meines Lebens – , dass meine Natur dazu neigte, den Anderen anzuerkennen,
wenn ich mich in die Lage eines Gegner, in diesem Fall eines routinierten, überarbeiteten
Orchestermusikers, versetzte, mir vorstellte, dass er da plötzlich auf Weisung eines un-
erfahrenen jungen Kapellmeisters umlernen, d.h. dies und jenes anders spielen sollte, als
er es seit Jahren gewohnt war und für richtig gehalten hatte ... und so bemühte ich mich,
eine Methode des Probierens zu finden, die mir charakterlich lag und gleichzeitig geeignet
schien, den stumpf passiven oder gelegentlich auch aktiven Widerstand ... zu überwinden“
(12, S. 138)
„Wenn er sich entspannt, so geschieht das fern der Musik, mit Finanz- oder Filmleuten und
ein paar Angehörigen des >Jet set<. Er liest nicht viel und hat einmal einem Schriftsteller
erzählt, er lese nie Romane, denn sein eigenes Leben sei ein Roman“ (11, S. 303).
Nun noch etwas zum kollegialen Umfeld des Dirigenten: Dazu sagt FRITZ BUSCH:
„Wichtig ... ist der Besuch von Orchesterproben junger und auch älterer Kollegen. Betrüblich
erscheint es mir nun, dass ich – abgesehen von meiner Studienzeit, in der mehrere meiner
Freunde ein gleiches Interesse zeigten – meistens der einzige Dirigent war, der sich unter
den Zuhörern befand“ (2, S. 26). „Ähnliche Anschauungen ... teilt auch TOSCANINI, der noch
heute keine Gelegenheit versäumt, Proben und Aufführungen seiner Kollegen beizuwohnen“
(2, S. 27).