Ist der
Kapitalismus
zukunftsfähig?
Zwischen Wachstumszwang
und Nachhaltigkeit
Protokoll
des 2. Binswanger-Privatissimums
Bildungshaus St. Virgil, Salzburg,
31.10. bis 2.11.1997
A. Eine Vorbemerkung
Die Texte auf den folgenden Seiten sind ein nahezu vollständiges ‘Nahezu-Wortprotokoll’ des 2.
Binswanger-Privatissimums. Sie umfassen jedenfalls alles Gesprochene, soweit es auf der
Tonbandaufzeichnung von Manfred Schön aufzufinden ist, mit Ausnahme jener Zwischenbemerkungen des
Moderators, die rein organisatorischer Natur sind.
‘Nahezu-Wortprotokoll’ heißt, dass bei der Niederschrift vielfach nahezu dem gesprochenen Wort gefolgt
wurde, was manchmal im geschriebenen Wort einen sehr unüblichen Satzaufbau ergibt. An etlichen Stellen
wurde dieses aber auch um der Klarheit willen etwas verändert. Nichtverständliche Sätze und Satzteile sind
meist mit Auslassungspunkten (......) gekennzeichnet.
Manfred Schön sei an dieser Stelle für die leihweise Überlassung der Aufzeichnungen, deren Dauer etwa 10
Stunden beträgt, freundlich gedankt.
Einer Anregung, nur die wichtigsten Aussagen festzuhalten, bin ich aus mehreren Gründen nicht gefolgt.
Zum ersten ist es ja sehr subjektiv, was als wichtig zu bezeichnen ist, und kommt eine Auswahl bereits einer
Interpretation nahe. Und oft ist es ja gerade das so leichthin Gesagte, aus dem ganze Bände sprechen. Zum
zweiten ist es nicht nur von Interesse, was gesagt, sondern auch, was nicht gesagt wurde. Das aber ist nur aus
dem Gesamten erkennbar. Und zum dritten steht immer auch sehr viel gewissermaßen ‘zwischen den
Zeilen’, ist also auch nur aus dem Gesamtkontext herausspürbar. Und gerade dies scheint des öfteren genau
so wichig wie das Gesprochene selbst.
Das mehrfache Wort für Wort Anhören und Niederschreiben des Gesprochenem war zwar sehr mühselig, bot
aber auch die Gelegenheit, all das mit besonderer Eindringlichkeit noch einmal nachzuvollziehen und zu
überdenken, was eben nur aus dem Gesamttext heraus möglic h ist.
Einige wenige dieser Aussagen darf ich beispielsweise hier ansprechen. Und es sei jemanden wie mir, dessen
Kindheit und Jugend durch die Arbeitslosigkeit der dreißiger Jahre und dem Krieg geprägt wurde, und der
aus dem heraus den Weg zur Beschäftigung mit sozioökonomischen Fragen fand, gestattet, dabei
verschiedenes in Erinnerung zu rufen.
Michael Kohlhaas beginnt sein zusammenfassendes Statement mit den Worten:
„Von der Geldproblematik bin ich nicht so hundertprozentig überzeugt. Ich muss gestehen, dass ich vieles
von dem, was an Argumenten vorgebracht wurde, nicht so richtig verstanden habe.“
Aus den eher leichthin gesagten Worten mag sicherlich auch noch eine weitere Bringschuld der
‘Monetärmenschen’ (W. Sachs) entspringen. Mag sein, dass vieles noch nicht angemessen dargestellt und
begründet ist.
Was aber für mich stärker zählt, ist, dass daraus eine gewisse Ablehnung dieser Überlegungen heraushörbar
ist, wo für mich eigentlich eine Holschuld der ‘Nicht-Monetärmenschen’besteht. Eine doppelte Holschuld,
nämlich eine, die aus wissenschaftlicher Angemessenheit, und eine zweite, die aus politischer
Verantwortlichkeit entspringt.
Wie von Heinrich Noller dargestellt, kennt nur die Mathematik Beweise. Sowohl in den Natur- wie in den
Sozialwissenschaften gibt es ‘nur’ Erklärungshypothesen, die nach Karl Popper solange als richtig zu gelten
haben, solange sie nicht falsifiziert sind. Während Hans Christoph Binswanger sich bemüht, die Inkonsistenz
der Neoklassik nachzuweisen, ist das mit seinen Hypothesen bis jetzt nicht geschehen. Teil der Holschuld ist
also, diese Hypothesen entweder anzuerkennen, oder sie zu falsifizieren.
Wissenschaftliche Angemessenheit gebietet aber auch darauf hinzuweisen, dass ein großer Teile von dem,
was Binswanger hier dargelegt hat, seit Mitte der dreißiger Jahre zum Stand der ökonomischen Wissenschaft
gehört und gemeinhin über die Metapher John M. Keynes’ vom ‘Graben von Löchern’ bekannt ist. Dazu
schreibt seine Schülerin Joan Robinson: „Nach seiner (Keynes, E.D.) Theorie ist bei der Investition der
entscheidende Punkt, dass sie effektive Nachfrage schafft. Was wichtig ist, ist das Investieren und nicht
dessen Früchte. Sogar wenn die Investition bloß darin besteht, ‘Löcher in den Boden zu graben und sie
wieder auszufüllen’, wird sie Nachfrage erzeugen und zu einer Zunahme der Realeinkommen führen.“[1]
Und weiter erläutert sie dann den prozeßhaften Zusammenhang: „Der Überschuß der Einnahmen aus den
Verkauf von Konsumgüteren über deren Lohnkosten ist gleich der Lohnsumme im Investitionssektor. Die
Gewinnspanne beim Verkauf von Konsumgütern hindert die Arbeiter im Konsumgütersektor daran, ihr
gesamtes eigenes Produkt zu konsumieren und ermöglicht den Arbeitern im Investitionssektor, am Konsum
teilzuhaben. [...] Der Gewinn aus der Tätigkeit eines Jahres ist gleich dem Wert dessen, was während des
Jahres zum Kapital hinzugeschlagen wurde, aber da die Wirtschaft sich ständig ausweitet, sind die
Investitionen in jedem Jahr größer als im Vorjahr. [....] Daher müssen die Unternehmer ständig über ihre
Gewinne hinaus finanzielle Mittel investieren. Es muss daher eine ständige Expansion des Kreditvolumens
geben. Solange die Unternehmer fortfahren zu investieren, erzielen sie ständig Gewinne, und deren Tätigkeit
in jedem Jahr befähigt sie, die Darlehen zurückzuzahlen, mit denen diese Tätigkeit finanziert wurde. So kann
die Wirtschaft ständig expandieren.“[2]
Diese Darstellungen, die eine Beschreibung des Wachstumseffektes beinhalten, basieren dabei auf einer
Analyse von Michal Kalecky[3] aus dem Jahr 1935.
Die politische Verantwortung auch von Wissenschaftern hängt damit sowohl aus formal-wissenschaft-lichen
wie auch aus historischen Gründen innigst zusammen. Die formal-wissenschaftliche wurden schon oben
dargelegt. Historisch aber ist anzumerken, dass die Ablehnung geldökonomischer Einsichten schon einmal
die Geschichte Deutschlands und der ganzen Welt tragisch beeinflußte..
John M. Keynes hat seine Überlegungen, zwar sicher noch nicht ganz so theoretisch ausformuliert, bereits
Anfang der dreißiger Jahre öffentlich auch in Deutschland vertreten[4]. Sie wurden weder von
Wissenschaftern noch von linken noch von rechten Kommentatoren ernst genommen.
So kommt es auch, dass Golo Mann über die historische Schuld eines Reichskanzlers Heinrich Brüning und
dessen Maßnahmen, die die Arbeitslosigkeit noch weiter verstärkten und dadurch der ‘Macht-ergreifung’ den
Boden erst so richtig bereitete, schreiben muss: “Was half es, dass sie ‘wissenschaftlich’
(Anführungszeichen G. M.) richtig ....waren. [....] dass es ihm an guten Beratern fehlte, dass besonders der
Präsident der Reichsbank, Luther, keinen anderen Rat wußte, als eben den mörderischen, die Deflation durch
Super-Deflation zu bekämpfen. [...] Ausnahmen gab es wenig; wenige Professoren, wenige Publizisten,
welche die Funktion des Geldes, und was es mit ihren Zusammenbruch auf sich hatte, verstanden. Sie
wurden für Phantasten gehalten [....]“[5].
Sicherlich, die Zeiten sind heute andere, die deutsche Demokratie ein gefestigte im Vergleich zu Weimarer
Republik. Aber es ist darauf hinzuweisen, dass alle damals am Vorabend der ‘Machtergreifung’ nicht erkannt
haben, was auf sie zukommt[6], auf welche Titanic sie sich begeben haben. Auch weil sie vieles nicht ernst
genommen haben, was bereits nachzulesen war.
Aber wissen denn wir heute, ob wir nicht bereits wieder auf einer Titanic fahren? Und werden nicht wieder
die Warnungen vor den ‘Eisbergen’ von Beratern derer nicht ernst genommen, die nun das Ruder in den
Händen haben?
Und wenn Michael Kohlhaas meint,
„Und nun ist natürlich die Frage, warum erzählt man es einmal auf die eine oder auf die andere Art? Weil
man glaubt, daraus das passende Rezept ableiten zu können“, dann ist hier einzufügen, dass das, was Golo
Mann als ‘wissenschaftliche’ Richtigkeit apostrophiert, auf den Neoklassiker Arthur C. Pigou zurückgeht,
der auch heute wieder in der neoklassischen Umweltökonomik eine Rolle spielt.[7] Er lehrte, dass in Zeiten
der Depression der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt würde, da der wegen sinkender Preise steigende
Realwert des Geldes die Ausgabentätigkeit anrege, wodurch eine Steigerung der Nachfrage und eine
Wirtschaftsbelebung hervorgerufen würde[8], sich also ein neues Gleichgewicht einstellt.
Dieses Rezept war nicht nur falsch, es war tödlich. Dass dadurch nämlich gerade das Gegenteil
hervorgerufen wurde, was Brüning und Luther erhofften, sollte mittlerweile tragische Gewißheit sein.
Gerade das aber lassen Einwürfe bei meinem Statement bezüglich der realen Kaufkraft des Geldes dennoch
nicht ganz glauben. Es scheint doch nicht so gewiß zu sein, dass die Deflation damals die Demokratie
zerstörte.[9]
Dass ein Hans Christoph Binswanger die ökologischen Gefahren und all das, was die Wuppertaler und die
Leute vom DIW sagen, ernst nimmt, ist anhand seiner schrittmachenden Publikationen seit Ende der
siebziger Jahre nachvollziehbar. Es verwundert allerdings, dass sein Name nicht einmal im
Literaturverzeichnis der Studie ‘Zukunftsfähiges Deutschland’[10] aufscheint.
Umgekehrt bleibt als das Ziel dieser Veranstaltung die Hoffnung, dass auch die Wuppertaler und die Leute
vom DIW und auch andere das wirklich ernst nehmen, was Binswanger sagt.
Das ist ihre Holschuld. Dass das neue Modell von Binswanger, das vorgestellt wurde, um die Frage des
Wachstumszwanges zu begründen, in der kurzen Zeit eventuell nicht adäquat behandelt werden konnte, darf
keine Begründung sein, es außen vor zu lassen.
Aus der Diskussion darf aber dennoch schon geschlossen werden, dass es auf Grund des überall
angewandten Vorsichtsprinzips in der Studie ‘Zukunftsfähiges Deutschland’ zumindest heißen müßte:
Ob die Systemlogik des marktwirtschaftlichen Systems mit Zukunftsfähigkeit vereinbar ist, dessen können
wir uns nicht sicher sein. Ernst zu nehmende Überlegungen sprechen vielmehr dafür, dass das derzeitige
marktwirtschaftliche System ohne tiefgehende systemische Veränderungen nicht zukunftsfähig ist.
Darüberhinaus ist aber auch zu beachten, dass sich bestimmte Korrekturvorschlägen nicht nur als
wirkungvoll oder wirkungslos herausstellen können, sondern diese auch ein Versagen des
marktwirtschaftlichen System provozieren können.
Damit wird das, was die Wuppertaler „mit relativer Sicherheit“ wissen, „was an Schritten notwendig ist, um
Zukunftsfähigkeit zu erreichen“, jedenfalls weiter relativiert. Es ist also keine absolute Sicherheit, mit der
diese Schritte vorgeschlagen werden, was heißt: Es kann gut gehen, aber es muss nicht! Dieses zu wissen, ist
aber auch von hoher politischer Relevanz.
Linz, im Jänner 1998
Ernst Dorfner
B. Teilnehmer und Veranstalter
Hauptdiskutanten:
Prof. Dr. Hans Ch. Binswanger, Institut für Wirtschaft und Ökologie, St.: Gallen
Dr. Mathias Binswanger, Institut für Wirtschaft und Ökologie, St: Gallen
Guido Beltrami, Institut für Wirtschaft und Ökologie, St: Gallen
Dr. Friedrich Hinterberger, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
Dr. Michael Kohlhaas, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin
Prof. Dr. Wolfgang Sachs, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
DI Ernst Dorfner, Österreichischer Naturschutzbund, Umweltdachverband ÖGNU, Linz
Mag. Herbert Schustereder, Bildungshaus St. Virgil, Moderator
Mitdiskutanten:
Mag. Else Aiginger, Forum der Wissenschafter für Umweltschutz, Wien;
Dr. Edgar Atzmannsdorfer, Arbeiterkammer Salzburg;
Dr. Stephen Bannas, Köln;
Mag. Evelyn Blau, Gewerkschaft der Privatangestellten, Wien;
Helmut Butterweck, Die Furche, Wien;
Dr. Raimund Dietz, Wien;
DI. Georg Gratzl, Linz;
Mag. Rudolf und Andreatta D. Gruber, Salzburg;
DI Wolfgang Hein, Wien;
Dr. Gerhard Imhof, Forum der Wissenschafter für Umweltschutz, Wien;
Eveleine und Günther Jesinger, Linz;
Siegfried Kühn, Radebeul;
DI Michael Kruckenhauser, Salzburg;
Stefan Maurer, St. Peter / Au
Prof. Dr. Heinrich und Sonja Noller, Österreichischer Naturschutzbund, Wien;
Mag. Wolfgang Pekny, Greenpeace Österreich, Wien;
Perkmann Lucia, Saalfelden;
Agnes Rücker, Salzburg;
Scheel Brigitte, Stuttgart;
Hedwig Scheiner, Wien;
Mag. Markus Scheucher, Grün-Gemeinderat, Graz;
Prof. Dr. Ursula Schneider, Uni Graz;
Manfred Schön, Wien;
Lukas Schrattenthaler, Salzburg;
Dr. Heinrich Schulte-Vieting, Akademie der Diözese Aachen;
Marcus Stewens, Wuppertal-Institut, Mainz;
Mag. Tieber Claudia, St. Gilgen;
Prof. Dr. Werner Tschiderer, Uni Salzburg;
Helmut Waldert, ORF, Wien;
Martin Windtner, St. Georgen / A
Veranstalter:
Bildungshaus St. Virgil, Salzburg
Österreichischer Naturschutzbund, Salzburg
Unterstützer:
Bundesministerium für Familie und Umwelt, Wien;
Umweltdachverband ÖGNU, Wien;
Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, Wien;
Gewerkschaft der Privatangestellten, Wien;
Arbeiterkammer Salzburg, Salzburg;
C. Das Protokoll
Freitag, 31. 10. 1997, Beginn 19h00
Begrüßung und Einleitung
Herbert Schustereder
begrüßt als Moderator, stellt die Hauptdiskutanten vor und stimmt den Ablauf der Tagung ab.
Ernst Dorfner
kommt auf die Hintergründe der Entstehung dieser Tagung zu sprechen, die sich in je einer Aussage der
Studie ‘Zukunftsfähiges Deutschland’ und einer im Buch von Prof. Binswanger fokussiern lasse.
In der Studie heißt es:
„Der Wissenschaftliche Beirat ‘Globale Umweltveränderungen’ weist in seinem Jahresgutachten auf die
Wachtumsdynamik des marktwirtschaftlichen Systems hin, macht aber auch gleichzeitig darauf
aufmerksam, dass es im „Gegensatz zu mancher Behauptung - falls die ökologischen
Rahmenbedingungen dies erzwingen - im Prinzip auch mit dem Gedanken des Nullwachstums vereinbar
(ist)“. [11]
Im Beitrag von H.C. Binswanger wird kundgetan:
„Die Alternative zum Wachstum ist nicht Stabilisierung auf dem heute erreichten Niveau, sondern Krise
bzw. Schrumpfung.“ [12]
Dorfner: Und nun weiß ich, dass Prof. Binswanger auch ein jahrelanges prominentes Mitglied des
Mitherausgeber dieser Studie, des BUND ist. Und ich war etwas erstaunt, dass der Name ‘Binswanger’ hier
im Literaturverzeichnis nicht vorkommt. Und so habe ich mir gedacht, es ist eigentlich höchst notwendig,
hier etwas aufzuarbeiten, wo es unterschiedliche Meinungen gibt. Das kurz zur Entstehung dieser Tagung.
Ich werde etwas später dann noch etwas näher darauf eingehen.
1. Die Statements
Michael Kohlhaas
(Kein Wortprotokoll, aber dem gesprochenen Wort im wesentlichen folgend.)
Ich wurde nach Salzburg eingeladen und gebeten, über Ergebnisse eines Greenpeace-Wirtschafts-
wachstums-Workshop im März 1997 zu berichten, das ich zusammen mit einem Kollegen vom DIW
organisiert habe. Titel des Workshops: „Zukunftsgestaltung ohne Wirtschaftswachstum“.
Ich hab spontan zugesagt. Bei näherem Nachdenken sind mir aber Zweifel aufgekommen, ob ich dieser
Aufgabe wirklich gerecht werden könne. Denn zu konkreten Ergebnissen in der Form von Antworten auf
Kernfragen, Lösungen identifizierter Probleme, hat es nicht gegeben. Eigentlich wurde es auch nicht
erwartet. Denn es ist das ein Forschungsgebiet, wo alles noch in Fluß ist.
Zuerst wäre etwa die Frage zu klären: Was wird denn alles berührt von der Frage der Zukunftsfähigkeit, was
weiß man schon, was sind noch offene Fragen?
Ich möchte deshalb versuchen, Überlegungen zu präsentieren, die bei der Vorbereitung und Abgrenzung des
Workshops wie auch bei diesem selbst angestellt wurden.
Das Workshop trug ursprünglich den Arbeitstitel: „Keine Wirtschaftswachstum, kein Problem?“
Ausgangspunkt war, dass einerseits Wirtschaftswachstum immer wieder als notwendige Bedingung, als
Rezept, für die Lösung verschiedener Probleme in Marktwirtschaften gesehen wird. Andererseits werden
seit den 70-iger Jahren auch die Grenzen des Wirtschaftswachstums gesehen, insoweit dadurch die
Lebensgrundlagen mittel- bis langfristig erschöpft oder zerstört werden.
Damit stellen sich verschiedene Fragen:
--Einerseits: Wird die Begrenzung des Wirtschaftswachstums irgendwann die Marktwirtschaft zerstören bzw.
wird deren Ersatz notwendig? Eine Frage, an deren Ende möglicherweise die Anwort steht: Müssen wir die
Marktwirtschaft über Bord schmeißen . Kombiniert mit der zweiten Aussage, dass wir noch keine
Alternativen kennen. Was heißt: Wir müssen dringend anfangen, nach Alternativen suchen.
--Andererseits: Kann es passieren, dass eine Wachstumsbegrenzung in Marktwirtschaften gar nicht möglich
ist und man am Ende bei einer Umweltzerstörung steht?
Ich möchten zudem anmerken:
--Beim Workshop haben wir von der Marktwirtschaft gesprochen, heute reden wir vom Kapitalismus. Ist
beides aber ident?
--Zu reden ist auch darüber, ob die Kombination von Marktwirtschaft und politischem System - sprich:
Demokratie - einen Teil der Probleme verursacht. Welchen Anteil haben die Entscheidungsmechanismen
einer Gesellschaft, die der Marktwirtschaft Rahmenbedingungen auferlegen können? Und: Ist das politisches
System geeignet, solche Rahmenbedingungen zu setzen?
-- Es gibt verschiedene Ausprägungen der Marktwirtschaft: Manchesterliberalismus, Soziale und
Ökosoziale Marktwirtschaft, usw. Inwieweit ist das Wachstum eine Frage der konkreten Ausprägung der
Marktwirtschaft, oder kriegt das Wachstum konstituierende Merkmale der Marktwirtschaft? D.h., geht es
um das System ‘Marktwirtschaft’ an sich?
Setzt man zudem Kapitalismus mit Marktwirtschaft ident, dann gibt es zwischen beiden Veranstaltungen
eine Überlappung. Meint man weiter, dass Zukunftsfähigkeit mit Wachstumsbeschränkung zu tun hat, dann
kann man behaupten, dass beide Veranstaltungen im Kern mit der gleichen Frage zu tun haben. Interessant
dabei ist jedoch, dass die Schwerpunkte dort und da völlig verschiedene waren bzw. sind.
Dann aber ist die offene Frage: Wie hängt Zukunftsfähigkeit mit Wirtschaftswachstums zusammen?
Bei der Zukunftsfähigkeit geht es um eine Begrenzung der Umweltnutzung in Form der Entnahme von
Ressourcen aus oder der Abgabe von Schadstoffen in die Umwelt. Beim Wachstums geht es um die
Herstellung von Gütern und Dienstleistungen. Das Bindeglied ist die Ressourcenproduktivität., d.h. die
Menge an Gütern oder Dienstleistungen, die mit einer Ressourcen- oder Schadstoffeinheit erstellt werden
kann. ( dazu wird eine Folie gezeigt)
Die einfache Graphik zeigt als Ziel des Wirtschaftens die Erstellung von Gütern und Dienstleistungen, die
mit Hilfe von verschiedenen Produktionsfaktoren erfolgt: Arbeit, Kapital, sowie auf der einen Seite die
natürliche Ressourcen, und auf der anderen Seite die Aufnahmekapazität der Umwelt für Schadstoffe. Die
Verhältniszahl zwischen Input an natürlichen Ressourcen und dem Output ist die Ressourcenproduktivität.
Ähnlich verhält es sich mit der Arbeitsproduktivität und der Kapitalproduktivität.
Wie weit aus einer Zeit mit ökologischen Restriktionen nun Wachstumsbeschränkungen resultieren, hängt
von verschiedenen Aspekte ab. Stellt die Umweltnutzung oder die Knappheit anderer Produktionsfaktoren
die Wachstumsgrenze dar?
Ist Kapital der knappe Faktor, der Faktor Umwelt aber in Überfluß vorhanden, dann resultiert aus der
Umwelt keine Wachstumsbegrenzung. Ist aber der Faktor Umwelt knapp, dann wird die
Ressourcenknappheit oder die Aufnahmefähigkeit der Umwelt einerseits und die Zunahme der
Ressourcenproduktivität andererseits den Spielraum für das Wachstun darstellen.
Nun kann man da weiter verschiedenes sehen: Wieweit glauben wir bei den Ressourcen Beschränkungen zu
haben? Die ökologischen Grenzen sind eine von außen vorgegebene Sache, nur kennen wir die Grenzen
nicht so genau. Wie weit kann die Wissenschaft dazu beitragen dass wir Knappheit hier wahrnehmen? Und
was trägt das Internationale System bei: Etwa bei den Klimaverhandlungen von Kyoto.
Letztlich aber gilt: Was nehmen wir als Grenzen wahr und wo sind die wirklichen Grenzen? Und welche
Grenzen sind wir bereit zu respektieren?
Bindeglied zwischen Input und Output ist also die Ressourcenproduktivität. Daran ändert auch die Hintertür
‘Qualitatives Wachstum’ nichts. Es ergibt sich nur eine andere Zusammensetzung von Gütern und
Dienstleistungen.
In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken: In der Graphik ist oben geschrieben: Güter und
Dienstleistungen, nicht aber BSP. Beim Workshop wurde auch gefragt: Was wächst denn wirklich? Die
Einsatzgrößen, der Output oder das BSP, oder noch etwas anderes?
Mir geht es um die Güter und Dienstleistungen.
Ein qualitatives Wirtschaftswachstum verbessert nun die Ressourcenproduktivität durch die andere
Zusammensetzung von Gütern und Dienstleistungen und schafft damit Spielraum für weiteres Wachstum.
Müssen (oder können ?) wir mit solchen umweltbedingten Wachstumskräften rechnen:
--Es gibt Optimisten, die meinen, mit Technologie ist hinsichtlich Ressourcenproduktivität alles zu schaffen.
--Andere Position sehen hier jedoch auch Grenzen. Wenn aber diese Steigerung der Ressourcenproduktivität
nicht unbegrenzt ist, müssen wir uns auf ein Nullwachstum einstellen. Oder noch schlimmer: Dass der
Ressourceninput sogar schneller zu reduzieren ist wie die Ressourcenproduktivität wächst, so dass es zu
einer Schrumpfung des materiellen Outputs kommt.
Es ist dies eine Position, die oft den Industrieländer anheim gestellt wird, wenn es um die gerechte Verteilung
der Ressourcen geht
Aber es gibt auch Zwischenpositionen:
So wurde beim Greenpeace-Workshop von der Annahme eines Nullwachstum in den Industrieländern
ausgegangen bzw. dies als Referenzpunkt gesetzt. Dazu die Fragen: Was ist, wenn wir ein bißchen
Wachstum oder ein bißchen Schrumpfung haben?. Ändert sich dann qualitativ etwas an der Ausgangsanalyse
des Nullwachstums?
Ich sehe in den nächsten Jahrzehnten unterschiedliche Phasen. Solche, die keine Beeinträchtigung des
Wirtschaftswachstums bedingen, aber auch solche mit einer Schrumpfung. Eine Frage ist dabei auch die
Intensität oder Geschwindigkeit: Etwa wenn Deutschland bis 2002 nichts unternimmt zur CO2 -Be-
schränkung, und dann bis 2005 eine Reduktion von 25% nachholen will, dann würde ich massive
Wachstumsprobleme sehen.
Langfristig sehe ich:
--ein deutlich niedrigeres, aber positives Wachstum;
--eine Ressourcenproduktivität, die sich im Rahmen von Produkt- und Sozialinnovationen noch deutlich
steigern läßt, wobei physikalische Grenzen überwunden werden können durch den Übergang von physischen
Produkten zu Dienstleistungen (Als Beispiel wird referiert: Von der Briefzustellung zum Internet)
Ich muss anmerken, dass ich bisher immer von absoluten Größen gesprochen habe, bei denen das
Bevölkerungswachstum vernachlässigt wurde. Wie aber ist es mit dem Pro-Kopf-Einkommen.
Aber all dieses spielt für Industrieländer sowieso keine Rolle.
Nun aber zur Frage. Mit welcher Art von Problemen ist zu rechnen, wenn dauerhaft ohne Wachstum
auszukommen ist?
Beim Workshop wurden vier Blöcke behandelt:
1. die Beschäftigungsfrage;
2. die Frage der Finanzierung der Staatsausgaben, insbesondere die sozialen Sicherungssysteme und die
Verteilung;
3. das Wirtschaftssystem Marktwirtschaft;
4. die Frage der Nord-Südbeziehungen.
Die Rolle des Geldes wurde fast vollkommen ausgespart. Insofern sind beide Veranstaltungen
komplementär: Dort wurde über alles geredet, außer über Geld. Hier sollen wir dafür nur alles über Geld
erfahren.
Anzumerken ist: Ich kann zu den Punkten hier notwendigerweise nur meine subjektive Wahrnehmungen
wiedergeben.
ad 1. Die Beschäftigungsfrage
Für die Beschäftigung gilt, dass vielfach mehr Wachstum als hilfreich angesehen wird. Nun aber kennen wir
auch das Phänomen des ‘jobless growth’ -Wachstum ohne Arbeitsplätze. Es gibt sogar die Meinung, dass
Wachstum durch Rationalisierungen mehr Arbeitsplätze zerstört als dadurch geschaffen werden. Es werden
steigende Wachstumsraten beobachtet, boomende Gewinne und gleichzeitig massive Arbeitslosigkeit.
Generell gilt anhand der Graphik: Steigt die Arbeitsproduktivität schneller als der Output, kommt es zu einer
Abnahme der Beschäftigung. Bei Nullwachstum und steigender Arbeitsproduktivität kommt es tendentiell
zu einer Abnahme der Beschäftigung.
Als Formen der Abhilfe wurden beim Workshop genannt:
--eine Veränderung des technischen Fortschritts weg von der Erhöhung der Arbeitsproduktivität hin zur
Erhöhung der Ressourcenproduktivität. Der Output kann naturverträglich etwas mehr wachsenden, der
Freisetzungsdruck wird gemildert.
--ökologische Reparaturarbeiten fördern;
--umweltentlastender Strukturwandel: Das Wachstum ist von den energieintensiven Produkten hin zu
weniger energieintensiven Dienstleistungen zu verlagern. Dabei wurde auf den enormen Bedarf an sozialen
Dienstleistungen, aber auch auf solche in anderen Bereichen, verwiesen;
--ein weiterer Punkt setzt beim Arbeitsvolumen an: Es ist dies die Diskussion über Arbeitszeitverkürzung.
Ein sinkendes Arbeitsvolumen kann auf eine gleichbleibende Beschäftigtenanzahl bei kürzerer Arbeitszeit
aufgeteilt werden. Dabei gab es den Einwand, dies sei keine Lösung, sondern nur die Verwaltung eines
Mangels an Arbeitsplätzen.
Dem folgte der Einwand, dies gelte nicht, wenn damit ein Wertewandel einhergeht und es um mehr Freizeit
statt um mehr Einkommen und materiellen Verbrauch geht. Ob jedoch mehr Freizeit nicht wieder zu mehr
Umweltbeanspruchung führt, blieb unbeantwortet.
Jedenfalls, so die Meinung, ist der Beschäftigungsbereich einer mit sozialem Sprengstoff. Dies wäre
allerdings nicht ein Problem der Marktwirtschaft - diese braucht angeblich Arbeitslose - sondern ein Problem
des sozialen bzw. politischen Systems.
ad 2. Die Frage der Finanzierung der Staatsausgaben, insbesondere der sozialen Sicherungssysteme,
Fragen der Verteilung;
Bei Nullwachstum stagnieren die Einnahmen des Staates, während die Ausgaben noch weiter wachsen
dürften. Etwa wird das Gesundheitssystem durch die Fortschritte der Gerätemedizin immer aufwendiger
werden. Andererseits sind auch Entlastungen zu erwarten, wenn man aufhört, Autobahnen zu bauen, die
Infrastruktur noch weiter auszubauen. Im Sozialbereich ist dagegen eine zunehmende Professionalisierung
in öffentlich finanzierten Insitutionen, wie etwa bei Alten und Kindern, zu beobachten. Es ist dies auch eine
Frage, wie sich das gesellschaftliche Wertesystem entwickelt. Was ist, wenn im Bereich der
Sozialversicherungen die Zahlungen für Arbeitslose massiv zunehmen? Dies ist keine Zukunftsvision,
sondern tägliche Praxis. Hier gibt es eine gewisse Wahl für eine reale Umverteilung - so dass jeder über
Arbeitszeitverkürzung einen Job kriegt - oder eine monetäre Umverteilung. Leute mit einem Job zahlen
über monetäre Umverteilung an die ohne Job.
Für den Staat sind neue Finanzquellen zu erschließen:
--Besteuerung der Ressourcen (Ökosteuer);
--die Besteuerung der Kapitaltransaktionen (Tobinsteuer);
Kritisch wurde angesehen: Eine Umverteilung aus Zuwachs ist leichter als ohne Zuwachs. Kein Zuwachs
führt zu einem Nullsummenspiel. Die Verteilungskonflikte dürften sich vermehren und verschärfen.
Ein Teilnehmer brachte auch das Zitat: „Wachstum ist Hoffnung; Hoffnung macht es leichter, bestehende
Ungerechtigkeiten hinzunehmen“.
ad 3. Das Wirtschaftssystem Marktwirtschaft
Es geht um die Frage, ob das marktwirtschaftliche System ohne Wachstum stabil bleiben könnte.
Von einem Referenten wurden 12 These und dazu jeweils eine Antithese mit zugehörigen Argumenten
formuliert. Etwa:
--Gibt es in einem Marktsystem einen inhärenten Wachstumszwang durch die Geldwirtschaft? Das konnte
dort nicht geklärt werden
--Auch wenn man sich ein stabiles System vorstellen kann: Wie bekommt man den Übergang von einem
System in ein anderes? Wann, wie, mit welchen Wissen muss man anfangen? Oder kann man bei großer
Ungewißheit überhaupt nur herumexperimentieren?
--Muss der Staat gestaltend eingreifen? Marktwirtschaftler meinen, der Staat müsse nur die
Rahmenbedingungen setzen. Etwa über handelbare Zertifikate. Die andere Position ist, der Staat müsse
steuernd, gestaltend eingreifen. Nur so ist ein Übergang ohne massive Brüche zu schaffen
--Kann die Entscheidungsfreiheit der Produzenten und Konsumenten erhalten werden oder braucht es eine
Ökodiktatur? Und gibt es dann bei letzterer noch eine Marktwirtschaft, die auf persönlicher
Entscheidungsfreiheit beruht?
ad 4. Die Frage der Nord-Südbeziehungen
Welchen Einfluß haben Wachstumsbeschränkungen in den Industrieländern auf die Bedingungen der
Entwicklungsländer? So die Frage. Dabei wurde anschaulich entwickelt, um wieviel schneller der
Welthandel und damit die Verflechtung zwischen den einzelnen Regionen zugenommen hat als das
Wachstum der einzelnen Länder selbst. Die Frage ist, kann man diesen Prozeß an irgend einer Stelle
unterbrechen, ohne die gesamte Weltwirtschaft ins Schleudern zu bringen, ohne diese in eine Krise zu
stürzen?
Das Modell, das vom Referenten entwickelt wurde, sagt: Wir müssen verschiedene Arten von
Entwicklungsländern unterscheiden. Etwa die Staaten Schwarzafrikas einerseits und die Tigerstaaten
Südostasiens andererseits. Auf der einen Seite die Schwellenländer, die Konsum- und Investgüter herstellen,
und auf der anderen Seite Länder, die auf Primärgüterexporte angewiesen sind. Die Frage ist nun die,
inwieweit es die Schwellenländer schaffen können, in jene Rolle hineinzuwachsen, die momentan die
Industrieländer haben. Auf diese Art könnten es diese schaffen, den Nachfrageausfall aus den
Industrieländern zu kompensieren und gleichzeitig bei den Primärgüterxporteuren sowohl als Anbieter als
auch als Nachfrager aufzutreten. Ob so etwas möglich ist, blieb allerdings umstritten.
Zum Ende des Workshops haben wir uns die Frage gestellt: Sind wir nun zufrieden mit dem was wir gemacht
haben. Eine Antwort war: Nein. Denn Antworten auf die Fragen, die wir stellten, haben wir nicht bekommen.
Klar ist uns allerdings die Problemstruktur geworden. Interessant war, festzustellen, wie stark die
Ausstrahlung in andere gesellschaftliche Bereiche ist.
Zweitens zur Struktur der Problem, state of the Art...... (Bandwechsel)
Ich hoffe, dass Ihnen das Umfeld, in dem wir uns mit dieser Frage bewegen, ein wenig geholfen hat.
Diskussion:
Binswanger: Der Begriff des Wachstums bezieht sich auf die von Gütern und Dienstleistung, nicht auf das
BSP. Hier tauchen Fragen des Messens des SP auf.
Die entscheidende Frage aber ist: Wie und womit, auf Grund welcher Tatsachen wachsen die Güter und
Dienstleistungen? Hier ist eine klare Antwort zugeben: Man muss verdeutlichen, dass sie durch Investitionen
wachsen. Wir müssen die Investitionen in den Vordergrund stellen.
Nun gibt es grundsätzlich zwei Arten von Investitionen: Ersatzinvestitionen und Nettoinvestitionen.
Erstere sind einfach der Ersatz der Maschinerie. Über Abschreibungen kommt das Geld wieder herein und
wird dann reinvestiert. Damit ergibt sich ein Nullwachstum. Und so könnte auch weiterproduziert werden.
Die Nettoinvestitionen führen aber zu Kapazitäterhöhungen. Es muss also mehr produziert werden. Und
zwar nicht nur bei Erweiterungsinvestitionen, sondern auch bei Rationalisierungsinvestitionen. Auch sie sind
üblicherweise mit einer Mehrproduktion verbunden. Will man also kein Wachstum mehr, dann dürften auch
keine Netto-Investitionen mehr getätigt werden. Dies ist der entscheidende Punkt. Wie kann man das aber
einen Unternehmer verbieten? Dahinter steht eine Gewaltfrage.
Weitere Diskussionsbeiträge sind am Band nicht festgehalten.
Dorfner:
Im Rahmen der Diskussion des Statements Kohlhaas kommt Dorfner auf die Trennung von
Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft zu sprechen und zitiert dazu aus Arthur Woll [13]:
„Die traditionelle deutsche Betriebswirtschaftslehre hat sich außerhalb der Universitäten entwickelt, weil die
Ausbildung in der Volkswirtschaftslehre den Bedarf an akademisch geschulten Kaufleuten in der
Vergangenheit lange Zeit vernachlässigte. Die Volkswirtschaftslehre (.....) nahm sich insbesondere der
Unternehmens- und Marktprobleme nicht in einem Maß an, das angesichts der raschen industriellen
Entwicklung erforderlich gewesen wäre. Seit der sechziger Jahre unternommene Versuche, auch im
deutschen Sprachraum die Einheit der Wirtschaftswissenschaften herzustellen, (.....) haben bisher keinen
durchschlagenden Erfolg gehabt.“
Ernst Dorfner
(Statement anhand von Folien, deren Inhalt hier mit eingezogenem Absatz wiedergegeben wird. Nicht
eingezogen ist der etwas in den Worten abweichende gesprochene Text)
1.
Die Wuppertaler Autoren kritisieren „die neoklassisch inspirierte Umweltökonomik“, dass sie wohl „ein
formal überzeugendes theoretisches Bild“ bietet, „das aber zumeist mit der Realität wenig gemein hat“,
meinen aber dennoch, dass sich „eine [...] Wachstumsbeschränkung [...] als Folge der
Stoffstromreduktion [...] durchaus als vereinbar mit der marktwirtschaftlichen Ordnung erweisen kann.“
Skeptisch heißt es dann aber weiter unten: „Ob die Systemlogik des marktwirtschaftichen Systems
tatsächlich mit Zukunftsfähigkeit vereinbar ist [...], wissen wir nicht - und können wir nicht wissen“.
H. C. Binswanger schreibt:
Aus der Analyse der ökonomischen Dynamik ergibt sich aber, dass ein Nullwachstum [...] ohne eine
wesentliche Mutation der Geldwirtschaft nicht möglich ist. Die Alternative zum Wachstum ist nicht
Stabilisierung auf dem heute erreichten Niveau, sondern Krise bzw. Schrumpfung.
2.
Das neoklassische Paradigma beschreibt unsere Wirtschaft als eine geldvermittelte Tauschwirtschaft, in
der heute fertige Güter (und Leistungen) gegen heute fertige Güter getauscht werden und dem Geld
lediglich die Rolle eines neutralen Tauschvermittlers zukommt. Alles geschieht zeitgleich. Konstitutiv
gibt es somit nicht die Zeit und damit auch nicht Verschuldung. Und niemanden geht es um Geld.
Einen systemlogischen Zwang zum Wachstum gibt es in der Neoklassik folglich nicht.
Vielmehr geht es allen nur um die Güter (und Leistungen) und deren optimale Allokation. (Pareto-
Optimum). Jedem Angebot steht zwangsläufig eine Nachfrage gegenüber, wie es das Say’sche Gesetz
formuliert.
Die Ökonomik reduziert sich damit in der Neoklassik auf eine Optimierungsaufgabe
3.
Folglich findet hier eine Krise keinen theoretischen Ort , und gibt es auch ökonomisch keine
Umweltkrise, sondern nur eine suboptimale Allokation von Ressourcen.
Die Dynamik der Marktwirtschaft wird durch die Vorteile der Arbeitsteilung und dem den Menschen von
Urzeiten an innewohnenden „Hang zum Tauschen“ bewirkt. Somit braucht die Neoklassik kein
monetäres Profitmotiv, damit es überhaupt zur Produktion von Gütern kommt. Dass der ‘Wirtschaftszug
fährt’, gilt als selbstverständlich. So geht es ökonomisch bei der Entwicklung einer zukunftsfähigen
Wirtschaft von vornherein ‘nur’ darum, aufzuspüren, welche Behinderungen dem Erreichen eines
optimalen Zieles entgegenstehen, welche Weichen also falsch stehen.
Eine eventuelle konstitutive Eigengesetzlichkeit von Geld wird überhaupt nicht in Betracht gezogen.
4.
Der Vorteil (Gewinn) liegt in der Tauschrelation der arbeitsteilig erzeugten Güter selbst, d.h. im Verhältnis
von eingetauschtem Grenznutzen gegenüber dem hingegebenen Grenzaufwand. Dieser wird in einer
geldvermittelten Tauschwirtschaft nur monetär eingekleidet. Von all denen, die das Gut A herstellen,
erzielt beim Tausch gegen das Gut B eben der den größten ‘Gewinn’, der A mit dem geringsten Aufwand
herstellt.
So gibt es im ‘neoklassischen’ Wettbewerb zwar Gewinner, aber keine Verlierer, die auch ausscheiden
müssen. Der Wettbewerb ist somit kein Verdrängungs-Wettbewerb.
Gewinner ist der mit den geringsten Aufwendungen. Alle anderen müssen ‘halt nur mehr hineinstecken’,
ihr Verhältnis ‘Grenznutzen zu Grenzkosten’ wird kleiner.
Es ist wie eine Wettfahrt flußab: Auch die, die nicht rudern, kommen an - nur eben später.
5.
In eben diesem Verständnis sehen die Wuppertaler Autoren Wettbewerb nur von der positiven Seite:
„Erst ein ausreichender Wettbewerb schafft innerhalb einer geeigneten Rahmensetzung ausreichende
Anreize für die Suche nach Innovationen. Ein wirtschaftlicher Rahmen ohne geeignete Politik gegen
Wettbewerbsbeschränkungen ist nicht geeignet, die gewünschten Ziele zu erreichen.“
Sie meinen auch, „dass das Streben nach Gewinn das Ziel unternehmerischer Aktivitäten ist und bleibt“.
In diesem Sinn meinen sie, „dass sich eine Erhöhung der Ressourcenproduktivität schon unter
Kostengesichtspunkten ‘rechnet’ “.
Dieses betriebswirtschaftlichen Ergebnis ergibt sich dabei sowohl bei neoklassischer als auch
geldökonomischer Herangehensweise für das einzelnen Unternehmen.
6.
Betriebswirtschaftliche Erfahrung zeigt:
Vor Beginn der Produktion erhebt sich für den Betriebswirt die Frage nach dem Geld, mit dem diese
finanziert wird. Das ‘Sich rechnet’ heißt dann aber, dass zumindest die ursprünglich investierten Geld-
Kosten samt Zinsen durch den Verkauf der Produkte wieder hereinkommen müssen.
Denn der Betriebswirt weiß, dass er das Eigentum, das er zur Sicherstellung seines Kredites verpfändet
hat, dann verliert, wenn er die Tilgung des Kredites samt Zinsen nicht leisten kann. Somit geht es beim
Kostenreduzieren um wesentlich mehr als um eine Optimierungs-Aufgabe. Es geht um ‘Leben oder Tod’.
Da der Unternehmer seine Schulden aber nur mit Geld tilgen kann, muss er seine Produkte gegen Geld
verkaufen und darf sie gerade nicht gegen Güter tauschen. (Satz von Clower)
7.
Das Bemühen um Kostenminderung gilt es auch gesamtvolkswirtschaftlich zu bedenken.
Bilden (neoklassisch) die erzeugten Güter und Leistungen das reale Volkseinkommen[14], sinkt dieses
nicht, auch wenn diese zu geringeren Kosten (= Realaufwand) erzeugt werden. Werden diese Güter aber
zu geringeren monetären Kosten erzeugt, sinkt auf der anderen Seite auch das monetäre Volkseinkommen
und damit die Höhe der Nachfrage.
Eine Auswirkung auf das gesamtvolkswirtschaftliche Aggregat ergibt sich somit nur bei
geldökonomischer Betrachtung.
Durch die Reduzierung der Kosten wird auch das monetäre Volkseinkommen und damit die monetäre
Nachfrage reduziert.[15]
Das Volkseinkommen hängt also davon ab, wie hoch sich die Unternehmer insgesamt verschulden.
Gesprochener Text zum selben Punkt:
Ich komme auf das Zitat von Woll zurück: Wenn wir den Schritt machen. dass wie die Makroökonomie nicht
als eigene Wissenschaft betrachten, sondern sozusagen als das Aggregat der Betriebswirtschaft, dann ist das
Bemühen um Kostenminderung auch gesamtvolkswirtschaftlich zu bedenken. Und nun stellt sich ganz
deutlich ein Unterschied heraus, ob ich einen realwirtschaftlichen Zugang habe oder einen monetären. Wenn
ich einen realwirtschaftlichen Zugang habe und das BSP hintnach die Summe aller Güter und
Dienstleistungen ist, dann sinkt das Volkseinkommen nicht, auch wenn ich in diese Erzeugung weniger an
Ressourcen hineinstecke. Das entscheidende ist ja faktisch das Endergebnis. Wenn wir das aber von der
monetären Seite her betrachten, wenn wir weniger Geld in die Produktion hineinstecken, weil wir uns um
Kostenminderung bemüht haben, so sinken die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten, und dann sinkt auch
das gesamte Volkseinkommen und damit auch die Höhe der gesamten zur Verfügung stehenden monetären
Nachfrage. Das zeigt für mich, dass sich die Auswirkung auf das gesamtvolkswirtschaftliche Aggregat nur
bei geldökonomischer Betrachtung ergibt. Bei realwirtschaftlicher Betrachtung bleibt das Volkseinkommen
gleich, aber die Summe des Geldes wird weniger. Das heißt, durch Reduzierung der Kosten. wird auch das
monetäre Volkseinkommen, aber auch die monetäre Nachfrage reduziert
Einwände und Ergänzungen:
N:N.: ...die Alternative wäre eine (reine) Subsistenz-Ertragsgesellschaft ....
Dorfner: ...das, was der Betriebswirt macht, summiere und auf die ganze Volkswirtschaft anwende ...
Blau:: ....das gilt nur, wenn die geringeren Kosten nicht in sinkenden Preisen weitergegeben werden.
Umgekehrt ist ..... zu deflationieren.
Dorfner: .Richtig ... Ich komme später noch darauf zurück, wenn wir näher auf die Schulden eingehen:
Sie können natürlich das Geld ....(den Geldwert deflationieren), dann bleibt das Realeinkommen gleich. Das
reale Einkommen, wenn sie....
Kohlhaas: (?): Wo liegt dann das Problem?
Dorfner: Das Problem entsteht dann, wenn sie mit dem Geld die Schulden zurückzahlen müssen, die in der
Vergangenheit getätigt wurden. Sie müßten in dem Zusammenhang auch die Schulden abwerten. ....
Binswanger: .... müßten ....
Dorfner::.. Ja, sie müßten auch die Schulden abwerten. Ich komme auf das noch zurück ...
Schustereder unterbricht und bemüht sich nun zu moderieren und Wortmeldungen zu ordnen.
Hier fehlen nun offensichtlich am Band mehrere Wortmeldungen, so eine von Kohlhaas
Binswanger:..... so einfach die Dinge darstellt, ohne Geld und ohne Zeit, wie er es dargestellt hat. Und es
gibt einen gewissen Ansatz dazu, es zu verbessern, sozusagen die Zeit etwas einzuordnen .. das Geld als
idealen (?) Standard, aber erstens meine ich, ist er (der Ansatz, E.D.) nicht vollständig, bezieht sich nur auf
die Makroökonomie, nicht auf die Mikroökonomie, und zweitens ist er heute wieder weitgehend vergessen.
Also, die heutige Ökonomie ist eine neoklassische Ökonomie und Keynes ist praktisch out. Das muss man
einfach de facto sehen. ...Da ist es durchaus realistisch, dies so darzustellen, dass man einfach sagt - und
wird auch in Lehrbüchern so abgehandelt. Gerade die Wachstumsfragen werden so abgehandelt, wie es
abgehandelt würde, wie wenn der Robinson allein auf einer Insel lebt. Er entscheidet allein (darüber), ob er
spart und investiert - uno actu spart und investiert -, oder etwas mehr konsumiert. Und das ist das Bild, dass
von der Ökonomie heute geboten wird. Das ist nicht eine Erfindung von mir, das steht wörtlich so in den
Büchern. Man kann es fast gar nicht grotesker sagen als die Wirklichkeit ist. Ich möchte das nur .... Es ist
tatsächlich so absurd, wie Herr Dorfner es dargestellt hat.
Dorfner: ...das Produktionsergebnis kann durchaus das gleiche bleiben. Nur wenn ich das mit weniger
Aufwand, mit weniger monetären Aufwand insgesamt herstelle, dann sind das weniger Kosten für die
Volkswirtschaft, und nachdem die Kosten auf der anderen Seite die Einkommen sind, sinken mit den
geringeren Kosten auch die Einkommen.
N.N.: ... die monetären Kosten, wie ist das real?
N.N.: .....(nicht verständlicher Einwand)
Binswanger: ...das was sie sagten , stimmt deshalb nicht, weil nicht gleichzeitig die Kosten und die Preise
sinken. Die Kosten geht man ein, bevor man verkauft. D.h., ich muss mit dem Verkauf die Kosten decken,
die ich vorher eingegangen bin. Wenn ich das nicht kann; dann mache ich bankrott.
N.N.: ... na gut, das ....
Binswanger: Genau um den Punkt geht es.
8.
Für den einzelnen Unternehmer ergibt sich aber nur solange ein Wettbewerbsvorteil, wie die
Gesamtkosten - und damit das Volkseinkommen - durch diese einzelwirtschaftlichen Bemühungen noch
nicht wesentlich gesunken sind und nur er allein eine verbesserte Kostenposition hat. Diese rasch zu
nützen, bestimmt das Tempo der Marktwirtschaft.
Um aus diesem Spiel nicht ausscheiden zu müssen, werden sich aber auch die anderen Unternehmer
bemühen, diesen Positionsvorteil wieder einzuholen. Das aber heißt:
In einer Wettbewerbswirtschaft ohne (ausreichendes) Wachstum - und damit bei gleichbleibendem realen
Output - tritt durch immer weitere Kostenreduzierungen ein Schrumpfen des monetären Sozialproduktes
in einer Spirale nach Unten ein. (Siehe dazu auch Nachtrag)
9.
In der realen Welt geht es nicht um das gleichzeitige Tauschen von fertigen Gütern gegen fertige Güter,
sondern um das Bezahlen von fertigen Gütern mit Geld. Damit aber kommt die Zeit ins Spiel:
Das Geld, mit dem die Waren bezahlt werden, wird in Form von Löhnen und Zukäufen für jene
Produktion ausgegeben, die erst im Laufen ist. (Beispiel) Gekauft werden aber damit die Waren, die
schon fertig am Markt sind.
Einwand:
N.N.: ..... da häufen sich jetzt Widersprüche...
In einer Geldwirtschaft verschränkt sich das Gestern mit dem Heute, womit Schulden auch einen
theoretischen Ort finden.
Kommt es heute zu einem Ansteigen der Ausgaben der Unternehmern bei steigender Produktion
gegenüber gestern, so erhöhen sich auch die Einkommen. Somit können heute Preise für jene gestern
erzeugten Waren realisiert werden, die höher sind als deren Kosten.
10.
Sinken jedoch die gesamten Kosten der Produktion gegenüber der Vorperiode, so können die am Markt
vorhandenen Waren nur zu Preisen verkauft werden, die in Summe nur kleiner sein können als deren
vormals investierten Kosten und damit die vormals eingegangenen Schulden. Ein übermäßig großer Teil
der Unternehmen wird daher seinen finanziellen Verpflichtungen selbst ohne Verzinsung nicht
nachkommen können und bankrottieren .
Eine Wettbewerbswirtschaft, in der die monetären Kosten ständig reduziert werden, kann deshalb für sich
allein nicht bestehen. Die Kosten- und Einkommensreduktion durch den Wettbewerb muss durch ein
anderweitiges Wachstum von Kosten und Einkommen überkompensiert werden. [16]
Einwand:
Blau: ...das meint bei stabilen ... (Preisen)
Dorfner: Ja
11.
Die Rede ist stets ‘nur’ von einer Veränderung der Allokation zwischen Arbeit und Energie, sowie vom
Zusammenhang von wirtschaftlichem Wachstum und dem Angebot an Arbeitsplätzen.
Vom Wachstum abhängig ist aber auch der Gewinnsaldo des gesamten Unternehmensbereiches.
N.N.: .... Was ist das ...?
Dorfner: ... der Gewinnsaldo, das ist Summe aller Gewinne und Verluste des gesamten
Unternehmensbereiches einer (gesch ..) Volkswirtschaft.
Binswanger: .....die Summe der Gewinne und der Verluste
Kohlhaas: Da war doch so ein bißchen die Silbe ‘gesch ..’ angeklungen: Soll das eine offene oder
geschlossene Volkswirtschaft sein.
Dorfner: (Nicht am Band) Wegen der einfacheren Erklärung wie allgemein üblich: In einer geschlossenen
Volkswirtschaft. Durch den Staatsanteil und Im- und Exporte wird das nur komplizierter. Das Prinzip ist so
leichter am geschlossenen Modell erklärbar.
Mit kleiner werdendem Wachstum wird der Gewinnsaldo kleiner und das Verlustrisiko größer, was
auf die Investitionsbereitschaft und damit auch auf das Angebot an Arbeit drückt.
Vermögenseigentümer haben ja nicht nur die Wahl, Geld entweder für ‘Arbeitspar’- oder ‘Energiespar’-
Investition zu verwenden. Eigentümer können sich, aber sie müssen sich nicht verschulden. Aber nur
dann, wenn sie sich für reale Investitionen verschulden, entsteht Erwerbsarbeit. Ansonst gerät die
Wirtschaft in eine deflationäre Abwärtsspirale.
Einwände:
Kohlhaas: ..könnten Sie uns das noch einmal erklären?
Dorfner: Um zu investieren, braucht er Geld. Damit er das Geld bekommt, muss er das Geld, das er von
der Bank (als Kredit) erhält, mit bereits vorhandenem Eigentum sicherstellen. Er muss also bereits Eigentum
haben. Er verpfändet das Eigentum, das er auf das Spiel setzt, nur dann, wenn er relativ sicher ist, dass er
nicht nur das investierte Geld wieder herausbekommt, sondern zusätzlich mehr. Und dieses Risiko steigt
(jetzt). Dazu könnte ich morgen noch ein paar Folien zeigen... Dieser Gewinnsaldo sinkt immer mehr ab. Es
kommen immer mehr Unternehmen in die Verlustzone hinein, und je mehr Unternehmen in die Verlustzone
geraten, um so mehr wirkt sich das auf die ganze Unternehmerschaft aus. Sie werden also vorsichtiger, Geld
in die Produktion hineinzustecken, Geld aufzunehmen und damit Arbeit zu bezahlen. ....Die Erwerbsarbeit
muss ja mit Geld bezahlt werden. Und zu dem Geld kommt der Unternehmer nur, wenn er sich verschuldet.
Kohlhaas und andere Stimmen: ..nein, das ist nicht notwendig, das versteh ich nicht.. ...
Dorfner. Jede Unternehmensbilanz hat zwei Seiten, eine Haben und eine Sollseite. Und alles was der
Unternehmer auf der Habenseite hineinsteckt, dem steht auf der anderen Seite eine Forderung gegenüber.
Kohlhaas: Das könnte aber theoretisch Eigenkapital sein.
Binswanger: Das nennt er (Dorfner) auch Verschuldung. Verschuldung an sich selbst.
Kohlhaas: .....genau so gut... Na, dann wird aber das ganze ad absurdum geführt. Wenn das Preisniveau
steigt, dann werden auch die Schulden nominal aufgewertet, wenn das Preisniveau sinkt, dann werden die
Schulden nominal abgewertet ... und plötzlich kann man die ganze Wirtschaft mit Nullwachstum genau so
gut weiter ...
Dorfner: Aber nicht nur die Schulden, sondern sie müssen genauso den Hunderter und den Tausender auch
abwerten.
Kohlhaas: ...nein, nein, das darf ich wiederum nicht: Ich rechne ja in Geldeinheiten. Aber ..
12.
Erwerbsarbeit ist etwas künstliches.
Und: Geld ist nicht einfach da.
Geld entsteht durch Verschuldung von Eigentümern. Und es verschwindet durch deren Entschuldung
wieder. Folglich gibt es Geld nur im Zeitraum zwischen Ver- und Entschuldung. Nur in diesem Zeitraum
kann es auch als ‘Tauschmittel’ von denen verwendet werden, die sich selbst nicht verschulden, sondern
etwa Lohnarbeit gegen Geld verkauft haben.
Diese Verschuldungen für die Investitionen müssen nun aber von Periode zu Periode höher werden, da sie
nicht nur die früheren Schulden, sondern auch die Gewinne und die darauf zeitabhängig anfallenden
Zinsen abdecken müssen.
Mit steigendem Sozialprodukt müßte also die Verschuldungsbereitschaft der Unternehmer zunehmen..
Dorfner: ...ich möchte damit für heute Schluß machen
Samstag, 1.11.1997
Friedrich Hinterberger
Einleitend stellt sich der Referent vor, insbesondere hinsichtlich seiner Mitarbeit an der Studi
‘Zukunfsfähiges Deutschland’. Es ist dies die erste große Arbeit des Wuppertal-Institutes über alle
Abteilungen hinweg.
Es gibt nicht die Meinung des Wuppertal-Institutes. Es sind die Meinungen, Positionen der einzelnen
Mitbeiter, die durchaus unterschiedliche Positionen besetzen.
Es folgt ein allgemeiner Überblick über die Studie ‘Zukunftsfähiges Deutschland’ und das Folgebuch
‘Ökologische Wirtschaftspolitik’ und Hinweis au diese als Unterlagen.
wobei ni die Stückanzahl (Menge) der verschiedenen Produkte i,
Wird zur Zeit t+1 mit einem Einkommen Y(t+1)
Gi = Y(t+1) - Yt
d.h einen (positiven) Gewinnsaldo gibt es nur bei steigendem monetären Volkseinkommen.
Ist nun das Volkseinkommen zur Zeit t ...Yt = Summe (ni, t * k i, t ) ,
das Volkseinkommen zur Zeit (t+1) ...Y(t+1) = Summe (ni, (t+1) * k i, (t+1) ),
so wird Y(t+1) >Yt bei k i, (t+1) < k i, t, , wenn n i (t+1) >> ni, t
Das aber heißt, dass eine Wettbewerbswirtschaft mit im Laufe der Zeit sinkenden Stückkosten einen
wachsenden Output (höhere Stückzahl) braucht, um Gewinne realisieren zu können.
Für den Sonderfall der (reinen) Wettbewerbswirtschaft ohne Wachtum gilt:
n i (t+1) = n i , t = konstant und k i (t+1) < k i,t wird Y(t+1) < Yt ;
Dann wird Gi < 0, d.h es ergibt sich ein negativer Gewinnsaldo, also ein negativer makroökonomischer Saldo
aller Gewinne und Verlust.
[1] Joan Robinson, Anmerkungen zur Theorrie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1957, aus dem
Französischen übersetzt von Erwin Weissel, abgedruckt in ‘Über Keynes hinaus, Europaverlag,
1962 , S. 96
[2] Joan Robinson, op. cit., S.99
[3] Michal Kalecky, Theorie der wirtschaftlichen Dynamik, Europa-Verlag 1966, S. 49ff . In dem
vereinfachten Modell sparen die Arbeiter als Klasse nicht, sondern konsumieren alles. Als
Ergebnis kommt heraus, dass die Bruttoprofite der Kapitalisten als Klasse gleich sind ihren
Bruttoinvestitionen plus dem Konsum der Kapitalisten.
[4] Vortrag von J. M. Keynes Anfang 1932 im Hamburger Überseeklub. Siehe dazu Gerhard
Ziemer, Inflation und Deflation zerstören die Demokratie, Seewald Verlag, 1971, S. 158
[5] Golo Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Fischer TB, 1992, S. 770ff
[6] Am 12. September 1932 wurde auf Antrag der Kommunisten nahezu von allen Abgeordneten
des Reichstages das Kabinett Papen niedergestimmt, welches ein antideflationistisches
Arbeitsbeschaffungsprogramm einführen wollte. Von diesem Programm profitierte dann Hitler,
konnte das ‘Wunder’ vollbringen, wieder Arbeit zu schaffen und seine politische Position
festigen.( Siehe dazu Gerhard Ziemer, 0p.cit. S.214) Doch, so Golo Mann: „Es war kein Wunder
dahinter. Auch Hitlers Vorgänger hätten sie vollbringen können.“ (op. cit,, S. 830)
[7] siehe dazu Franz Jaeger, Natur und Wirtschaft, Verlag Rüegger, 1994, S. 33. Die Ansätze gehen
auf Pigous Hauptwerk, Economic of Welfare’ (1920) zurück, wo er sich auch mit dem Thema
‘Unemployment’ beschäftigt.
[8] Über Arthur C. Pigou in Jürgen P. Hoffmann, Die großen Wirtschaftsdenker, Econ-TB, 1986,
S.117
[9] Gerhard Ziemer, Inflation und Deflation zerstören die Demokratie, sei allen anempfohlen, die
sich anhand des Bericht eines kompetenten Augenzeugen über jene Zeit genauer informiern
möchten.
[10] BUND / MISEREOR, Zukunftsfähiges Deutschland, Studie des Wuppertal Instituts für Klima-
Umwelt- Energie Gmbh, Birkhäuser, 1996, S. 372
[11] BUND / MISEREOR, Zukunftsfähiges Deutschland, Studie des Wuppertal Instituts für Klima-
Umwelt-Energie Gmbh, Birkhäuser, 1996, S. 372
[12] H.C. Binswanger / P. v. Flotow, ‘Geld &Wachstum, Weitbrecht, 1994, S. 119
[13] Arthur Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Vahlen, 1981, S. 7:
[14] bei konstant bleibender Stückzahl der Produktionen
[15] Dieser Satz ist unpräzis formuliert und führte zu Mißverständnissen bei Hans C. Binswanger
(siehe dort), der darauf hinweist, dass zwischen Stückkosten und Gesamtkosten zu unterscheiden
sei. Tatsächlich ist immer gemeint: Bei gleichbleibender Stückzahl sinkende Gesamtkosten, was
auch heißt: Sinkende Stück-
kosten. Genauer muss es deshalb heißen: Durch die Reduzierung der Stück-Kosten bei
gleichbleibender Stückzahl ( = Output) wird auch das monetäre Volkseinkommen und
damit die monetäre Nachfrage reduziert. (Siehe dazu auch Nachtrag zu Ernst Dorfner)
[16] Der Satz muss genauer lauten: Eine stationäre Wettbewerbswirtschaft, in der die monetären
Stückkosten ständig reduziert werden, kann deshalb für sich allein nicht bestehen.
Makroökonomisch muss die dadurch bedingte Kosten- und Einkommensreduktion durch den
Wettbewerb durch ein Wachstum des Output überkompensiert werden.
[17] Helmut Creutz, Das Geldsyndrom, Ullstein-TB, 1995, S.34 und S.68
[18] Österreichische Nationalbank (Hgb), ‘Notenbank und Währung’, Eigenverlag, 1985, S. 32 und
S. 42. Auf Seite 32 heißt es: „Wenn bespielsweise ein Kreditunternehmen von der Österr.
Nationalbank ausländische Zahlungsmittel erwirbt und mit Schillingnoten bezahlt, verlieren diese
bei der Hereinnahme durch die Notenbank ihre Geldeigenschaft, währen die entsprechenden
Deckungswerte sich verringern. Es hat also ein ‘Geldvernichtungsvorgang’ stattgefunden.
[19] Der rechnerisch mögliche Geldschöpfung-Multiplikator ist nur ein mathematischer Wert, der
mit der Realität wenig gemein hat, wie etwa auch Robert J. Gordon in seiner ‘Makroökonomik’,
Oldenburg, 1989, S. 489, einräumt.
[20]Was deshalb Michael Kohlhaas unter der normalen Kapitalrendite’ versteht, wäre zu
beantworten.
[TARA1]