Die Gitarre im deutschsprachigen Raum zu Beginn des
20. Jahrhunderts
Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
in der zeitgenössischen Unterrichtsliteratur
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts
an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
Betreuer:
Dr. Helmut Brenner
Institut für Musikethnologie
Dezember 2011
Inhaltsangabe
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Wiederbelebung der Gitarre im deutschsprachigen Raum
zu Beginn des 20. Jahrhunderts und im Besonderen mit dem Stellenwert des volksmusikalischen
Repertoires in der zeitgenössischen Unterrichtsliteratur. Erst etwa 50 Jahre nach dem Ende der Gi
tarrenblüte des 19. Jahrhunderts gelangte das Gitarrenspiel in der Wandervogel und Jugendmusik
bewegung sowie in der Gitarristischen Bewegung zu neuer Popularität. Divergierende Ansichten un
ter den Protagonisten der eben genannten Strömungen führten immer wieder zu Konflikten. In einer
kurzen vergleichenden Betrachtung wird dieser Sachverhalt genauer diskutiert. Das volksmusikali
sche Repertoire spielte bei der Wiederbelebung der Gitarre eine nicht zu vernachlässigende Rolle.
Zur Untermauerung dieser Hypothese werden Auszüge aus den vom Leipziger Musikverleger Fried
rich Hofmeister veröffentlichten „Hofmeister Monatsberichten“ sowie Konzertprogramme der vom
eine Auswahl von zwischen 1890 und 1920 herausgegebenen Gitarrenschulen analysiert.
iii
Abstract
The present thesis addresses the guitar’s revival in the Germanspeaking world at the beginning of
the 20th century and, specifically, the significance of the folk music repertoire in contemporary in
structional literature. About 50 years after the end of the guitar’s ‘Silver Age’, the instrument was
gradually regaining popularity due to three novel movements, namely the wandervogel movement,
the youth music movement and the guitaristic movement. The divergent ideas promoted by the sup
porters of these movements involved numerous conflicts. A short comparative study takes a deeper
look at this issue. The folk music repertoire played a substantial role in the context of the guitar’s re
vival. To confirm this hypothesis, excerpts of the ‘Hofmeister Monatsberichte’ edited by the Leip
zigian publisher Friedrich Hofmeister are presented, as well as concert programmes of the ‘Gitarris
tentage’ organized by ‘Internationaler Gitarristenverband’ (IGV). Furthermore, a selection of guitar
schools published between 1890 and 1920 is analyzed.
iv
Erklärung
Name: MARLENE POCK
Matrikelnummer: 9873057
Hiermit bestätige ich, dass mir der „Leitfaden für schriftliche Arbeiten an der KUG“ bekannt ist und
ich diese Richtlinien eingehalten habe.
Graz, den 6. Dezember 2011
v
Danksagung
Zuallererst möchte ich mich bei meinem Betreuer Dr. Helmut Brenner für die Unterstützung beim
Verfassen dieser Diplomarbeit bedanken. Mein Dank gilt des Weiteren Mag. Heinz Wallisch, von
dem ich wertvolle Anregungen erhalten habe und der mir sein umfangreiches Privatarchiv zur Ver
fügung gestellt hat. Schließlich danke ich Michael für die moralische Unterstützung und die vielen
praktischen Ratschläge im EDVBereich.
vii
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung........................................................................................................................................13
2 Die Gitarre im 19. Jahrhundert.......................................................................................................15
2.1 Blütezeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.................................................................15
2.2 Einfluss der alpenländischen Volksmusik...............................................................................16
2.3 Kompositionen im alpenländischen Stil..................................................................................17
2.4 Niedergang der Gitarrenszene um 1850..................................................................................19
3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts.....................................................21
3.1 Wandervogelbewegung...........................................................................................................22
3.1.1 Soziokulturelle Voraussetzungen.....................................................................................22
3.1.2 Gruppierungen.................................................................................................................24
3.1.3 Musikalische Ziele...........................................................................................................24
3.1.4 Repertoire........................................................................................................................26
3.1.5 Stellenwert der Gitarre.....................................................................................................28
3.2 Jugendmusikbewegung...........................................................................................................30
3.2.1 Soziokulturelle Voraussetzungen....................................................................................30
3.2.2 Gruppierungen................................................................................................................32
3.2.2.1 Musikantengilde um Fritz Jöde...............................................................................32
3.2.2.2 Finkensteiner Bund um Walther Hensel..................................................................33
3.2.3 Musikalische Ziele..........................................................................................................34
3.2.4 Repertoire........................................................................................................................37
3.2.5 Stellenwert der Gitarre....................................................................................................40
3.3 Sologitarristik.........................................................................................................................44
3.3.1 Soziokulturelle Voraussetzungen....................................................................................44
3.3.2 Gruppierungen................................................................................................................46
ix
3.3.2.1 Gitarreklub München...............................................................................................48
3.3.2.2 Freie Vereinigung Augsburg....................................................................................49
3.3.3 Musikalische Ziele..........................................................................................................50
3.3.4 Repertoire........................................................................................................................51
3.3.5 Stellenwert der Gitarre....................................................................................................54
4 Vergleichende Betrachtung.............................................................................................................57
4.1 Jugendmusikbewegung und Sologitarristik............................................................................58
4.1.1 Musikalische Ziele...........................................................................................................58
4.1.2 Gitarre oder Laute?..........................................................................................................60
4.1.3 Repertoire........................................................................................................................62
4.2 Wandervogelbewegung und Sologitarristik............................................................................64
4.2.1 Musikalische Ziele..........................................................................................................64
4.2.2 Dilettantisches Begleitspiel auf der Gitarre....................................................................66
4.2.3 Repertoire........................................................................................................................68
4.3 Wandervogelbewegung und Jugendmusikbewegung..............................................................69
4.3.1 Musikalische Ziele..........................................................................................................69
4.3.2 Ablehnung der Zupfgeige................................................................................................71
4.3.3 Repertoire........................................................................................................................72
5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires.............................................................................73
5.1 Hofmeister Monatsberichte und Gitarristentage des IGV.......................................................74
5.1.1 Hofmeister Monatsberichte..............................................................................................74
5.1.2 Gitarristentage des IGV...................................................................................................78
5.2 Gitarrenschulen.......................................................................................................................80
5.2.1 Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die Guitarre..........80
5.2.2 Moderne Lauten oder GitarreSchule............................................................................83
5.2.3 Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten und GitarreSchule................................................86
5.2.4 Neue GitarreSchule für Solospiel..................................................................................88
x
5.2.5 Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels.....................................................90
5.2.6 Klampfenschule...............................................................................................................94
5.2.7 Lehrgang des modernen Gitarrespiels.............................................................................95
5.2.8 Gitarristischer Lehrgang.................................................................................................98
5.2.9 Weitere Gitarrenschulen................................................................................................100
6 Zusammenfassung........................................................................................................................105
7 Wissenschaftlicher Apparat..........................................................................................................107
7.1 Abbildungsverzeichnis...........................................................................................................107
7.2 Bibliographie.........................................................................................................................108
7.3 Gitarrenschulen......................................................................................................................113
7.4 Elektronische Dokumente......................................................................................................114
7.5 Webseiten...............................................................................................................................115
7.6 Benutzte Bibliotheken und Archive.......................................................................................116
7.7 Alphabetischer Index.............................................................................................................116
xi
1 Einleitung
Nach dem Ende der großen Gitarrenblütezeit des 19. Jahrhunderts um das Jahr 1850 gelangte das
Gitarrenspiel erst im beginnenden 20. Jahrhundert wieder zu nennenswerter Popularität. Das neuer
lich aufkeimende Interesse an der Gitarre zeigte sich zum einen in der Wandervogel und Jugend
musikbewegung, deren Anhänger die Gitarre zur Liedbegleitung einsetzten, und zum anderen in der
Gitarristischen Bewegung (auch Sologitarristik genannt), deren Protagonisten vor allem die Wieder
geburt der Gitarre als ernst zu nehmendes Konzertinstrument herbeizuführen suchten. Das auf der
Gitarre gespielte Repertoire war sehr umfangreich und von unterschiedlichstem Niveau: Es umfasste
das elementare, teils laienhafte Begleitspiel wie auch technisch und musikalisch ausgefeilte solisti
sche Kompositionen. Zudem wurden zahlreiche Stücke aus dem volksmusikalischen Genre einbezo
gen.
Kapitel 2 stellt anhand eines konzisen Überblicks über die Gitarrenblüte des 19. Jahrhunderts und
den darauf folgenden Niedergang des Gitarrenspiels den notwendigen historischen Kontext her. Im
Besonderen wird dabei der Einfluss der alpenländischen Volksmusik auf die klassische Gitarrenlite
ratur thematisiert.
Kapitel 3 befasst sich mit der Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die
denen die Gitarre eine zentrale Rolle spielte, werden in Hinblick auf soziokulturelle Voraussetzun
gen, musikalischen Zielvorstellungen, das intendierte Repertoire sowie den prinzipiellen Stellenwert
der Gitarre beleuchtet.
Divergierende Ansichten und Haltungen führten des Öfteren zu erheblichen Konflikten zwischen
Form einer vergleichenden Betrachtung dargestellt. Obwohl die wechselseitige Auseinandersetzung
13
Kapitel 1 Einleitung
eindeutig von Kritik und Ablehnung geprägt war, wird in dieser Betrachtung auch versucht, etwaige
Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.
Bei der Wiederbelebung der Gitarre war neben dem klassischen auch das volksmusikalische Reper
toire von Bedeutung. Volkslieder und populäre Unterhaltungsstücke wurden gezielt in die Gitarren
schulen aufgenommen, da sie am geeignetsten schienen, Begeisterung für das Instrument zu entfa
chen. Die vorliegende Arbeit geht von der Hypothese aus, dass das volksmusikalische Repertoire
– wurde es auch noch so oft und heftig kritisiert – einen wichtigen Platz in der Gitarrenliteratur der
damaligen Zeit innehatte. Zur Untermauerung dieser Hypothese werden in Kapitel 5 Auszüge aus
den vom Leipziger Musikverleger Friedrich Hofmeister veröffentlichten „Hofmeister Monatsberich
ten“ sowie den Programmen der vom Internationalen Gitarristenverband (IGV) veranstalteten Gi
tarristentage präsentiert. Darüber hinaus wird der musikalische Inhalt einer Reihe von zwischen
1890 und 1920 herausgegebenen Gitarrenschulen analysiert.
14
2 Die Gitarre im 19. Jahrhundert
2.1 Blütezeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Ausgehend von der französischen Revolution 1789, kam es in Europa zur Emanzipation des Bürger
tums, welche sich nicht unerheblich auf das kulturelle Leben auswirkte. Von nun an war die Kultur
nicht mehr als Privileg einzelnen Klassen vorbehalten, sondern Musik und Kunst wurden einer brei
ten Masse zugänglich. Dies äußerte sich durch das Entstehen eines regen Konzertlebens, in dem der
virtuose Künstler im Mittelpunkt stand.1 Diese Entwicklung begünstigte den Aufschwung der Gitar
re. Reisende Künstler wie Fernando Sor, Mauro Giuliani, Dionisio Aguado und Ferdinando Carulli
verhalfen der Gitarre durch ihr Wirken als Solisten und Komponisten sowie durch ihre Unterrichts
tätigkeit zu ungemeiner Popularität. Fernando Sor, einer der herausragendsten Gitarristen dieser
Zeit, versetzte das Publikum durch seine spektakulären Konzerte in helle Begeisterung.2
In allen europäischen Ländern wurde das Gitarrenspiel gepflegt; als musikalische Stützpunkte bil
deten sich die Hauptstädte Paris, London und Wien heraus. Die Gitarre, vorher hauptsächlich in der
vornehmen Gesellschaft anzutreffen, wurde so zum Volksinstrument, was den Bedarf an Noten für
spruchsvolle Kompositionen waren sehr gefragt. Zu dieser Zeit entstand neben den virtuosen Solo
stücken eines Fernando Sor und Mauro Giuliani auch eine große Anzahl von Stücken für den Lieb
haber. Als Beispiele hierfür seien die zahlreichen Solo und Kammermusikstücke von Ferdinando
Carulli und Leonhard von Call sowie die Bearbeitungen von Schubertliedern durch Anton Diabelli
genannt.3 Diese Stücke besaßen in Liebhaberkreisen eine enorme Zugkraft und bildeten eine wichti
ge Einnahmequelle für die Künstler. Zu anspruchsvolle Literatur fand häufig wenig Interessenten.
15
Kapitel 2 Die Gitarre im 19. Jahrhundert
Josef Zuth beschreibt die Situation des Künstlers Fernando Sor folgendermaßen: „[…] da auch sei
ne Gitarrekompositionen den Liebhabern zu schwierig waren und wenig Absatz fanden, lebte er in
ungünstigen Verhältnissen.“4
Für den musikalischen Absatzmarkt spielten die so genannten Dilettanten eine wichtige Rolle.
Selbst Mauro Giuliani, der über 200 Werke für Gitarre schrieb, trachtete danach, den Geschmack
der Leute zu treffen. Dies geschah vor allem durch das Einbeziehen folkloristischer Elemente in die
Kompositionen.5 Die Bedeutung der Folklore ist in der spanischen und lateinamerikanischen Gitar
renliteratur am offensichtlichsten. Aber auch in der Gitarrenliteratur des deutschsprachigen Raumes
ist der Einfluss der Volksmusik evident.6
2.2 Einfluss der alpenländischen Volksmusik
Die alpenländische Volksmusik inspirierte immer wieder Künstler, und sie hat, was die Gitarre be
trifft, nicht nur in der Wiener Klassik, sondern auch in der internationalen Musikliteratur Spuren
hinterlassen. Stefan Hackl führte zum Thema „Die Gitarre in der Alpenländischen Volksmusik“ um
fassende Untersuchungen durch. Er ging dabei auch speziell auf Berührungspunkte zwischen Volks
musik und klassischer Gitarre ein. Gerade zu Beginn der Gitarrenblütezeit des 19. Jahrhunderts gibt
es zahlreiche Hinweise darauf.7
Gottfried Herder, Lord Byron, Brüder Schlegel, Achim von Arnim, Clemens Brentano etc.) zurück
gehend, ein zunehmendes Interesse der gebildeten Stände an der Kultur der Landbevölkerung.8 Der
4 Zuth, Josef, Handbuch der Laute und Gitarre, Wien 1926, 259, fortan zitiert als: Zuth 1926.
5 Vgl. Päffgen 22002, 81.
6 Hackl, Stefan, „Die Gitarre in der Alpenländischen Volksmusik. Berührungspunkte zwischen Volksmusik und
klassischer Gitarre“, Gitarre & Laute, 6/1998, 16, fortan zitiert als: Hackl 1998.
7 Hackl 1998, 16–21. Vgl. Hackl, Stefan, „Die Gitarre in der Alpenländischen Volksmusik. Berührungspunkte zwi
schen Volksmusik und klassischer Gitarre (zweiter Teil)“, Gitarre & Laute, 1/1999, 54–59, fortan zitiert als:
Hackl 1999.
8 Vgl. Rainer, Gerald / Kern, Norbert / Rainer, Eva, Stichwort Literatur. Geschichte der deutschsprachigen Literatur,
Linz 1993, 163, fortan zitiert als: Rainer/Kern/Rainer 1993.
16
2.2 Einfluss der alpenländischen Volksmusik
Stellenwert der Volksmusik änderte sich. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Sing und Musizierpraxis
leithner.9 Diese Entwicklung ging auch an der klassischen Gitarrenszene nicht spurlos vorüber. In
Wien, einem der bedeutendsten Zentren der Gitarristik, lebten einige Musiker aus ländlichen Gebie
ten: Leonhard von Call aus Tirol, Anton Diabelli aus Salzburg und Wenzel Matiegka aus Böhmen.
Ihre Kompositionen sind offenkundig von der Musik ihrer ländlichen Heimat beeinflusst.10
2.3 Kompositionen im alpenländischen Stil
Es gibt zahlreiche Beispiele für alpenländische Einflüsse auf die klassische Gitarrenliteratur des
19. Jahrhunderts, die Stefan Hackl im Artikel „Die Gitarre in der Alpenländischen Volksmusik“ an
führt. Leonhard von Call, Anton Diabelli und Wenzel Matiegka veröffentlichten Ländler. Erste Dru
Molitor erschienen bereits um 1800. Gegen Ende der Gitarrenblüte um 1850 wurden die Ländler
op. 6 und op. 9 von Caspar Joseph Mertz veröffentlicht. Einen wesentlichen Beitrag lieferte auch
Anton Diabelli.11 Er schrieb und bearbeitete etliche Ländler und Tänze, wie zum Beispiel „24 leich
te Altwiener Ländler“ und „12 leichte Ländler“.12
Ein weiteres Beispiel für den Einfluss der alpenländischen Volksmusik auf die klassische Gitarrenli
teratur stellt die Kompositionstätigkeit des Italieners Mauro Giuliani dar, der sich während seiner
Zeit in Wien (1806–1819) auch mit der österreichischen Volksmusik auseinandersetzte.13 Seine Va
riationen über die Volkslieder „A Schisserl und a Reindl“, „I bin a Kohlbauern Bub“ und „Das ist
alles eins, ob wir Geld haben oder keins“ legen darüber Zeugnis ab. Mehrere Walzer und Ländler
weisen ebenfalls alpenländische Stilelemente auf.14
9 http://www.austrialexikon.at/af/AEIOU/Volksmusik, Stand: 16.12.2010.
10 Hackl 1998, 17.
11 Hackl 1998, 17.
12 http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Diabelli, Stand: 16.12.2010.
13 Zuth 1926, 119.
14 Hackl 1998, 18. Vgl. http://www.klassika.info/Komponisten/Giuliani/wv_gattung.html, Stand: 16.12.2010.
17
Kapitel 2 Die Gitarre im 19. Jahrhundert
Abbildung 1: Giuliani, Mauro, „Thema“, aus: „Variationen über das Lied ‚A Schisserl und a Reindl‘“.
18
2.4 Niedergang der Gitarrenszene um 1850
2.4 Niedergang der Gitarrenszene um 1850
Carcassi (1853) und Diabelli (1858) wurde es immer ruhiger um die Anfang des 19. Jahrhunderts zu
großer Beliebtheit aufgestiegene Gitarre. Zu dieser Zeit wirkten zwar noch vereinzelt Gitarristen
des Instruments nicht aufhalten.15 „Die zunehmende Herrschaft der Oper und des Kunstliedes ließen
part der Lieder von Schumann und Schubert nicht gewachsen war.“16 Astrid Stempnik führt in ihrer
„Studie über den Niedergang der Gitarre in Wien um 1850“ einige Gründe für den Abstieg der Gi
tarre an: den raschen Aufstieg zum modischen Kunst und Konzertinstrument, die zahlreichen damit
einhergehenden Kompositionen von zweifelhafter Qualität sowie die Diskrepanz zwischen dem ge
ringen künstlerischen Anspruch und der nichtsdestoweniger mühevollen Erlernbarkeit.17
Das Klavier erfreute sich immer größerer Beliebtheit und verdrängte so die Gitarre aus den Kon
zertsälen. Dieser Abstieg machte sich schon in den 1830er Jahren bemerkbar und führte wenige
Jahrzehnte später zum vollständigen Verfall der Gitarristik. Die Gitarre fand sich nur noch in der
Rolle des untergeordneten Begleitinstruments wieder, das in Mandolinenorchestern, in Wirtshäusern
und auf Almhütten eingesetzt wurde. Die verwendeten Instrumente waren billig und minderwertig
Gitarre wegen ihres kurzen und schwachen Tones gegenüber anderen Instrumenten nicht mehr be
19
Kapitel 2 Die Gitarre im 19. Jahrhundert
haupten konnte. Deshalb fand sie in der professionellen Musik kaum noch Platz, wodurch ihr Anse
hen und ihre Wertschätzung drastisch sanken.19
In dieser für die Gitarre geruhsamen Epoche gab es, von Spanien ausgehend, dennoch vorteilhafte
Entwicklungen. Der in Sevilla beheimatete Antonio de Torres entwickelte die Gitarre zu ihrer heuti
gen Form: Der Korpus wurde größer, und für die Decke setzte sich die Fächerverstrebung aus sieben
Balken durch. Diese auf Torres zurückgehenden technischen Errungenschaften äußerten sich haupt
sächlich im Klang des Instruments. Die Gitarre wurde lauter und war somit besser für größere Kon
Hand, dem ApoyandoAnschlag und der neuen Sitzhaltung unter Verwendung des Fußstuhls wichti
ge Meilensteine in der Verfeinerung der Gitarrentechnik. Gerade diese Entwicklungen waren maß
gebend für die nächste große Blütezeit der Gitarristik.21
19 Buek 1926, 116.
20 Päffgen 22002, 168.
21 Päffgen 22002, 167.
20
3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Am Beginn des 20. Jahrhunderts führten mehrere Impulse zu einer Renaissance der Gitarrenmusik
gung, eine der wichtigsten Reformbewegungen des frühen Jahrhunderts, die Gitarre als steten Be
gleiter für ihre Volkslieder. Zum anderen sammelten sich in Wien Interessierte aus den Alpenlän
dern um die 1899 von Josef Pommer gegründete Zeitschrift „Das deutsche Volkslied“. Die Erfor
schung der Volksmusik wurde ein wichtiger Bestandteil in der musikwissenschaftlichen Arbeit.22
Stefan Hackl schreibt dazu: „[…] und erst gegen Ende des Jahrhunderts setzte [in Hinblick auf die
Gitarre, M.P.] ein neuer Aufschwung ein, der seine Kraft nicht zuletzt der Volksmusik verdankte.“23
Das Gitarrenspiel fand zahlreiche Nischen, in denen es von nun an wieder besonders gepflegt wur
de. Es war die oben erwähnte Wandervogelbewegung, die es sich zum Inhalt machte, Volkslieder
mit Gitarrenbegleitung zu sammeln. Diese anfänglich – was das Gitarrenspiel betraf – recht laien
hafte Bewegung ging schließlich in die Jugendmusikbewegung über, deren Vertreter die ursprüngli
chen Ideen weiterführten und optimierten. Zur selben Zeit entwickelte sich die Gitarristische Bewe
gung (auch Sologitarristik genannt). Primäres Anliegen ihrer Protagonisten war es, die Literatur der
vorangegangenen Gitarrenblüte neu zu entdecken und das virtuose Gitarrenspiel zu forcieren. Im
Bereich der alpenländischen Volksmusik übernahm der Musiker und Volksliedersammler Kiem
Pauli aus Bayern eine Pionierrolle.24 Er spielte auf der Gitarre nicht nur im gewohnten BassundBe
gleitungStil, sondern trug auch Solostücke vor.25
22 Suppan, Wolfgang, Volkslied. Seine Sammlung und Erforschung (=Sammlung Metzler. Realien zur Literatur, Ab
teilung E: Poetik, Band 52), Stuttgart 21978, 9, fortan zitiert als: Suppan 21978.
23 Hackl 1998, 18.
24 Hackl, Stefan, „Volksmusikalisches Gitarrenspiel in Tirol“, 200 Jahre Volksmusikalisches Gitarrenspiel in Tirol,
Austro Mechana CD 28430, CD 2, Innsbruck 2004, 9, fortan zitiert als: Hackl 2004.
25 Vgl. Focht, Josef, „Gitarrenbau Hauser. Zur Geschichte einer großen bayerischen InstrumentenbauerFamilie“,
Sänger & Musikanten, 47/1, 2003, 7, fortan zitiert als: Focht 2003. Vgl. Seefelder, Maximilian, „Gitarre ohne und
mit Verstärker“, Sänger & Musikanten, 47/1, 2003, 11, fortan zitiert als: Seefelder 2003. Dank Tobi Reiser und
Kiem Pauli schaffte die Gitarre den Sprung in die „gepflegte“ Volksmusik.
21
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Wie eingangs erwähnt, manifestierten sich Anfang des 20. Jahrhunderts einige Impulse, die auf den
Verlauf der Gitarrengeschichte einen positiven Einfluss hatten. In der weiteren Folge soll nun auf
die einzelnen Strömungen näher eingegangen werden.
3.1 Wandervogelbewegung
3.1.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
„Als Wandervogel wird eine in ihren Anfängen 1896 entstandene Bewegung bürgerlicher Jugendlicher und jun
ger Erwachsener bezeichnet, die angeregt durch die Ideale der Romantik vor dem autoritären Druck der Gesell
schaft in die Natur flüchteten, um dort mehr nach ihren eigenen Überzeugungen zu leben.“26
Als Geburtsort der Wandervogelbewegung gilt das BerlinSteglitzer Gymnasium. Der Student und
Stenographielehrer Hermann Hoffmann gründete mit seinen Schülern Wandergruppen, die regelmä
ßig Fahrten aufs Land unternahmen. Diese Bewegung wird als Vorläufer betrachtet. Die offizielle
Gründung der Wandervogelbewegung erfolgte 1901. Man kampierte im Freien oder auf dem Heubo
den. Die Ideale des Wandervogels richteten sich gegen die bürgerlichen Normen der Elterngenerati
on. Auf den Wanderungen war es möglich, dem tristen großstädtischen Alltag zu entrinnen und ge
meinschaftliche Bindungen mit Gleichgesinnten und „Kameraden“ zu intensivieren.27
Wenngleich – aufgrund der Ablehnung der Klassengesellschaft – offen für die Jugend aller Schich
ten, entsprang die breite Masse der Mitglieder dem mittleren Bürgertum. Im Gegensatz zu den
Schülern war die Arbeiterjugend sehr früh ins Berufsleben integriert und hatte folglich nicht die
Möglichkeit, an langen Fahrten oder Gruppenabenden teilzunehmen. Das Gefühl der persönlichen
Freiheit, ohne strenge soziale Kontrolle durch die Eltern oder die Schule, stand im Vordergrund. Ein
eigener Lebensstil entwickelte sich nach dem Leitbild des durch die Lande ziehenden mittelalterli
chen Scholaren: asketisches Leben, einfache, wetterfeste Kleidung, Schlafen in der Scheune oder
26 Kindle, Jürg, Gedanken zum Thema Liedbegleitung, Referat zur EGTATagung am 10. September 2006 in Zürich,
http://www.guitarweb.ch/kindle/PDF/liedbegleitung.pdf, Stand: 16.12.2010, 4.
27 ProbstEffah, Gisela, Musikalische Jugendkulturen im 20. Jahrhundert, Skript zum gleichnamigen Seminar, abge
halten im Wintersemester 2006/2007, http://www.unikoeln.de/ewfak/Mus_volk/scripten/probst/jugend.html,
Stand: 16.12.2010.
22
3.1 Wandervogelbewegung
höchstens in einem billigen Dorfgasthof.28 Fritz Jöde beschreibt im Aufsatz „Jugend und Musik“ die
Grundzüge dieses Lebens folgendermaßen: Einfachheit, Natürlichkeit, Heiterkeit und Geselligkeit.
„Und weil das so war, so verlangte dieses Leben zwangsläufig auch nach den musischen Ausdrucksformen, und
also erwachte Lied, Musik und Tanz von selbst ohne jede Vornahme und ungerufen. Diese Jugend erwarb sich in
ihrem gemeinschaftlichen Leben eine Volksmusikkultur, von der die Schule in ihrem Unterricht und ihrer Erzie
hung keine Ahnung mehr hatte, und die sie der Jugend darum auch nicht geben konnte.“29
Abbildung 2: Musizierende Jugend am Lagerfeuer.
Gemeinsames Musizieren, Tanzen und Singen gehörten zu den häufigsten Aktivitäten der Wander
gruppen. Das Volkslied und die Volksmusik gewannen immer mehr an Bedeutung und wurden so zu
einer wesentlichen künstlerischen Stilrichtung. „[…] und weil diese Jugend ‚aus grauer Städte Mau
ern‘ in die Natur zog und in ihr und mit ihr lebte, so zog sie auch zu unserem Landvolk, befreundete
sich mit ihm, half ihm bei der Ernte und sang mit ihm seine Lieder, die ja auch ihre Lieder gewor
den waren, und sie tanzte mit ihm seine Tänze.“30
28 Giesecke, Hermann, Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend. Jugendarbeit zwischen Politik und Pädagogik, http://
www.5tc1.de/giesecke/wvtot.pdf, Stand: 16.12.2010, 19.
29 Jöde, Fritz (Hg.), „Jugend und Musik“, Die Volksmusikinstrumente und die Jugend, Trossingen/Wolfenbüttel 1956,
22, fortan zitiert als: F. Jöde 1956a.
30 F. Jöde 1956a, 22.
23
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Herkunft und Abstammung der Mitglieder spielten keine Rolle. Dahinter stand die Absicht, Jugend
liche aus allen gesellschaftlichen Schichten über das gemeinsame Singen, Musizieren und Tanzen
zusammenzubringen. Die Wandervogelbewegung blieb nicht einheitlich; bald nach ihrer Gründung
spaltete sie sich zunehmend in konkurrierende Einzelbünde. Die ursprünglichen Ideale blieben aber
bestehen.31 Ab 1918 ging die Wandervogelbewegung in die Jugendbewegung über, woraus sich wie
derum eine Bewegung mit spezifisch musikalischen Inhalten, genannt die Jugendmusikbewegung,
entwickelte.
3.1.2 Gruppierungen
Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt 3.1.1 erwähnt, blieb die Wandervogelbewegung keine ein
Wandervogel, eingetragener Verein zu Steglitz getrennte Wege. Während Ersterer sich auf ganz
Deutschland ausbreitete, blieb Letzterer auf Berlin beschränkt. Außerdem bildeten sich weitere stu
dentische Gruppierungen, die von der neuen Idee der wandernden Lebensführung angetan waren.
Einen Höhepunkt stellte das gemeinsame Treffen auf dem mitteldeutschen Bergmassiv des Hohen
Meißner dar, welches 1913 stattfand. Der Versuch, die verschiedenen Gruppierungen wieder voll
ständig zusammenzuführen und eine neue gemeinsame Plattform zu schaffen, scheiterte an den ein
zelnen Autonomiebestrebungen; dennoch vereinigten sich die meisten Wandervogelgruppen zum
Wandervogel e. V.32
3.1.3 Musikalische Ziele
Hans Breuer beschreibt die sentimentalen Forderungen nach dem Volkslied und nach der Hinwen
dung zur Landbevölkerung wie folgt:
31 Goeke, Olaf, Die Unterweisung im Gitarrenspiel in Deutschland vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1932 (=Mu
sikwissenschaft, Band 6), Münster/Hamburg 1994, 32, fortan zitiert als: Goeke 1994.
32 Giesecke, Hermann, Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend. Jugendarbeit zwischen Politik und Pädagogik, http://
www.5tc1.de/giesecke/wvtot.pdf, Stand: 16.12.2010, 22.
24
3.1 Wandervogelbewegung
„Der Wandervogel, der des Abends mit der Zupfgeige inmitten der Bauernfamilie sitzt, ihre alten Lieder singt
und begeistert ihre schönen Häuser, das wundervolle irdene Geschirr an der Wand, die soliden Eichenschränke
und ausgesägten Stuhllehnen preist, der gibt seinem Volke mehr als alle gedruckten und von oben aufoktroyierten
Volkserziehungsexperimente, der gibt ihm seinen Stolz, sein Selbstvertrauen wieder, und das ist das Rückgrat al
len Fortschritts. So erweitert und vertieft sich die Mission unseres Wandervogels […].“33
Nachstehende Aussage von Buek gibt Auskunft über die musikalischen Zielvorstellungen in der
Wandervogelbewegung:
„Mit der Zunahme der Sing und Spiellustigen entstand auch das Bedürfnis einer Literatur für dieses Gebiet. Es
stürzte sich nun alles auf das Volkslied, um es für die Gitarre zurechtzumachen. Jeder grub etwas aus, ganz wahl
los, ob es einen literarischen oder musikalischen Wert besaß oder nicht. Ein völliger Wettbewerb setzte ein, und
die Liedliteratur wuchs ins Ungeheuere.“34
Die Auswahl der Lieder erfolgte zunächst eher „aus dem Bauch heraus“, der augenblicklichen Stim
mung angepasst, ohne ästhetische und musikalische Kriterien miteinzubeziehen.35 Doch waren be
reits einige entscheidende Impulse für die Hinwendung zum Volkslied und die Auswahl bestimmter
Herausgabe des „Zupfgeigenhansl“37 ging Hans Breuer erstmals auf ästhetische Fragen ein und stieß
dadurch auf das alte Volkslied. Das Kriterium für ästhetische Qualität war für ihn die Dauerhaftig
keit eines Liedes.38 Durch die einseitige Hinwendung zum Volkslied und die Unzulänglichkeiten der
Wandervögel beim Gitarrenspiel wurden aber immer wieder kritische Stimmen laut, die sich gegen
das musikalisch amateurhafte Engagement der Wandervogelbewegung richteten.39
33 Breuer, Hans, „Wandervogel und Volkslied“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Ju
gendbewegung, Hamburg 1918, 101, fortan zitiert als: Breuer 1918.
34 Buek 1926, 121.
35 Willmitzer, Gerhard, Die Volksliedbegleitung auf der Gitarre (Laute) und das Lautenlied in der Zeit der deutschen
Jugendbewegung (1900–1932), Halle (Saale) 1970, 2, fortan zitiert als: Willmitzer 1970.
36 FunkHennigs, Erika, „Über die instrumentale Praxis der Jugendmusikbewegung – Voraussetzungen und Auswir
kungen“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmusikbewegung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel/Zü
rich 1987, 221, fortan zitiert als: FunkHennigs 1987.
37 Breuer, Hans, Der Zupfgeigenhansl, Leipzig 251923, fortan zitiert als: Breuer 251923.
38 Kolland, Dorothea, Die Jugendmusikbewegung. „Gemeinschaftsmusik“ – Theorie und Praxis, Stuttgart 1979, 142,
fortan zitiert als: Kolland 1979.
39 Kolland 1979, 142. Vgl. FunkHennigs 1987, 221.
25
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
3.1.4 Repertoire
Das gemeinsame Singen hatte in der Wandervogelbewegung einen hohen Stellenwert; deshalb ent
wickelte sich in ihren Reihen auch ein eigenes Liedrepertoire. Es kam zur Herausgabe von Lieder
blättern und Liederbüchern, die der wandernden Jugend als Leitfaden dienen sollten. Wolfgang Ka
schuba nennt in seinem Aufsatz „Volkslied und Volksmythos – Der ‚Zupfgeigenhansl‘ als Lied und
Leitbuch der deutschen Jugendbewegung“ ein buntes Gemisch an Liedgut und Musikkultur, welches
auf der naturwüchsigen Praxis der Wanderungen Verwendung fand: Kunstlieder, Kommerslieder,
Volkslieder, Moritaten, Operette und Bänkelsang.40
Populär waren romantische Volkslieder, da diese unmittelbar die Hingabe zur augenblicklichen
Stimmung der Natur implizierten. Ein zentrales Thema war zum Beispiel die Abenddämmerung. 41
„Was gesungen wird und wie gesungen wird, bleibt weithin noch der Spontaneität und Improvisati
onsfreude der Gruppen überlassen.“42 Die Lieder erklangen als Hintergrundmusik, und die Auswahl
des Repertoires erfolgte vorerst nach keinen allgemeingültigen musikalischen Kriterien. Mit dem
Entstehen von regionalen Liederblättern und Liederbüchern – an dieser Stelle sei wiederum der
„Zupfgeigenhansl“ genannt – wollte man durch gezielte Liedvorschläge der damals herrschenden
Beliebigkeit entgegensteuern.
„Die Leiblieder des Wandervogels haben gewechselt wie die Pariser Moden: Bierlied – Scheffel – Arie – Mori
tat – Turnerlied. Zuletzt kam still und anspruchslos das Volkslied. […] Und indem die Jahre Volkslied an Volks
lied in unsere Reihen woben, erkannten wir mehr und mehr, daß hier im stillen eine neue, eigenartige Welt für
unseren Wandervogel entstand.“43
Hans Breuer, Herausgeber des „Zupfgeigenhansl“, definiert den Charakter des Volksliedes als un
mittelbarste und ehrlichste Sprache von allem Erlebten: „Was der Wandervogel draußen sucht, das
40 Kaschuba, Wolfgang, Volkslied und Volksmythos – Der „Zupfgeigenhansl“ als Lied und Leitbuch der deutschen
Jugendbewegung (=Jahrbuch für Volksliedforschung, 34. Jahrgang), Berlin 1989, 42, fortan zitiert als: Kaschu
ba 1989.
41 Willmitzer 1970, 2.
42 Kaschuba 1989, 42.
43 Breuer 1918, 95.
26
3.1 Wandervogelbewegung
unserer WandervogelIdeale.“44
Abbildung 3: Vorderansicht des „Zupfgeigenhansl“.
kauft.45 Die Lieder sind in folgende Rubriken unterteilt:46 Abschied – Minnedienst – Liebesklage –
Balladen – Geistliche Lieder – Am Abend – Freude – Die Sommerlust – Auf der Landstraße – Auf
Schiffen und Rollwägen – Spinnstube – Soldatenlieder – Schlemmlieder.
Wolfgang Kaschuba erklärt den weitreichenden Erfolg des „Zupfgeigenhansl“ dadurch, dass das in
härente Gliederungsprinzip einem Kanon von Lebenssituationen und Gesellschaftsszenen, bekannt
aus Schul und Märchenbüchern sowie Gedichte und Liedersammlungen dieser Zeit, folge. „Es
44 Breuer 1918, 95.
45 ProbstEffah, Gisela, Musikalische Jugendkulturen im 20. Jahrhundert, Skript zum gleichnamigen Seminar, abge
halten im Wintersemester 2006/2007, http://www.unikoeln.de/ewfak/Mus_volk/scripten/probst/jugend.html,
Stand: 16.12.2010.
46 Breuer 251923. Vgl. Kaschuba 1989, 42–43.
27
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
sind gängige Chiffren bildungsbürgerlicher Weltsicht und Gemütsverfassung, vielleicht mit einem
stärkeren Einschlag ins Abenteuerliche, Ungebärdige.“47 Ein weiterer Grund für den Erfolg war die
große Sympathie, die der so genannten Zupfgeige (gebräuchliches Synonym für Gitarre) und auch
der Laute entgegengebracht wurde. Erstere entwickelte sich zum beliebtesten Instrument der Wan
dervogelbewegung. Eingesetzt als Begleitinstrument, war sie auf allen Ausflügen mit dabei.
3.1.5 Stellenwert der Gitarre
Zur Zeit der Wandervogelbewegung waren mehrere Begriffe für die Gitarre gängig. Einerseits wur
onym verwendet. Mit dem Terminus „Laute“ verband man keineswegs, so wie heute, nur historische
Instrumente in ursprünglicher Bauart, Stimmung und Besaitung. Josef Zuth beschreibt im „Hand
19. Jhdts. meist alte Lauten, die Hals, Griff und Wirbelbrett der Gitarre samt ihrer Besaitung erhiel
ten, gitarrisiert wurden; zur Zeit ist dieses Bastardinstrument allgemein unter dem Namen Laute
gangbar.“48
Fritz Buek weist in „Die Gitarre und ihre Meister“ darauf hin, dass gerade die Entwicklung des mo
das Bedürfnis nach einfacheren Formen förderte.49 Diese Tendenz kam der Gitarre natürlich sehr
entgegen. Das etablierte Klavier wurde abgelehnt, und die Gitarre wurde zum Symbol unverbrauch
ter, freier Jugendkultur. Die Kritik am bürgerlichen Konzertwesen und am Virtuosenkult war auch
Teil der Grundhaltung in der Wandervogelbewegung.50
47 Kaschuba 1989, 42.
48 Zuth 1926, 174.
49 Buek 1926, 117.
50 Jäggin, Christoph, Anmerkungen zum gitarrebegleiteten Lied des Schweizer Wandervogels, http://www.
christophjaeggin.net/Schriften/LiederdesSchweizerWandervogels.pdf, Stand: 16.12.2010, 3.
28
3.1 Wandervogelbewegung
Abbildung 4: Wandernde Jugend.
„Die Gitarre oder Klampfe wird zum kollektiven Rhythmusgeber des Singens und des Wanderns gemacht. Sie
bewirkt neue sinnliche, gruppendynamische, affirmative Effekte, die auf die Vereinheitlichung und Gruppener
fahrung des Singens abzielen, indem sie eine geschlossene emotionale Erlebnisform und eine gemeinsame ästhe
tische Praxis modellieren.“51
Die Klampfe wurde zur Schlüsselfigur der Wandervogelbewegung und verkörperte den „Genossen“
und steten Begleiter. Zu den ideellen Motiven, die Gitarre zu verwenden, kamen natürlich auch rein
praktische Gründe hinzu. Sie war billig zu erwerben, robust und somit ideal für Wanderungen in der
Gründe aufmerksam:
„Vergessen wir es ja nicht: Nicht Motive künstlerischer Art, sondern rein praktische Erwägungen waren es, die
uns wieder zur Gitarre greifen ließen. Das an den Raum gebundene, durch seine Intelligenz schon ohnehin unge
mütliche Klavier mußte natürlich am freien, ungebundenen Volksgesange zuschanden werden mit seiner Kunst
fertigkeit; denn Intelligenz ist stärkste Bindung. Da blieb für uns als einziges handliches Harmonieinstrument die
Gitarre. […] Aber die Tatsache bleibt: daß es keine Erwägungen musikalischer Natur waren, die die Verbreitung
der Gitarre brachten.“52
51 Kaschuba 1989, 43.
29
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Das Gitarrenspiel begeisterte die Jugend durch seine leichte Erlernbarkeit. Ein paar improvisierte
Akkorde, Hauptdreiklänge und „SchrummSchrummBegleitung“53, schon kam die Klampfe der ro
mantischen Stimmung entgegen und genügte den Ansprüchen an ein Wanderinstrument.54
Gerhard Willmitzer geht in seiner Dissertation „Die Volksliedbegleitung auf der Gitarre (Laute) und
laienhafte Handhabung der Gitarre zu dieser Zeit ein. Anhand des von der Wandervogelbewegung
empfohlenen Lehrmaterials verdeutlicht er das primitive Anfangsstadium des Akkordspiels auf der
Gitarre, zeigt aber auch die im weiteren Verlauf durchaus positiven Tendenzen auf.55 Gerade diese
unkritische Auseinandersetzung mit der Gitarre und dem Volkslied veranlasste die Sologitarristik zu
noch eingehender diskutiert.
3.2 Jugendmusikbewegung
3.2.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
Um die Jahrhundertwende setzte, ausgehend vom jugendlichen Bildungsbürgertum, eine allgemeine
Kulturkritik ein. Die Wandervogelbewegung war geprägt durch die Rückbesinnung auf alte geistige
Werte, was im Gegensatz zum damaligen wirtschaftlichen und technischen Fortschritt stand. In der
Wandervogelbewegung nahmen das Singen von Volksliedern und das gemeinsame Musizieren einen
hohen Stellenwert ein. Daraus ging um 1918 die Jugendmusikbewegung hervor, eine spezifisch mu
sikalische Ausprägung der Jugendbewegung. Als deren Hauptinitiator wird Fritz Jöde (1887–1970)
gesehen.56
52 Jöde, Fritz (Hg.), „Gitarre und Volkslied“, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugendbewegung,
Hamburg 1918, 160, fortan zitiert als: F. Jöde 1918b.
53 Willmitzer 1970, 8.
54 F. Jöde 1918b, 161.
55 Willmitzer 1970, 8.
56 ProbstEffah, Gisela, Volksmusik im 20. Jahrhundert, Skript zum gleichnamigen Seminar, abgehalten im Sommer
semester 2009, http://www.unikoeln.de/ewfak/Mus_volk/scripten/probst/volksmusik.htm, Stand: 16.12.2010.
30
3.2 Jugendmusikbewegung
1918 veröffentlichte Fritz Jöde das Buch „Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugend
bewegung“, in dem Aufsätze von mehreren Autoren gesammelt sind. Zu diesen Autoren zählen un
ter anderen: August Halm, Gustav Wyneken, Hans Breuer, Fritz Jöde und Richard Möller. Im Ge
leitwort bringt Jöde seine Ambitionen bezüglich des Entstehens einer neuen Musikkultur folgender
maßen zum Ausdruck: „Darum: Wollt ihr aus euch heraus eine neue musikalische Kultur (als ein
Letztes und Höchstes, das euch nicht einen einzigen Augenblick aus den Augen verloren gehen
möge!) erreichen, so erarbeitet sie euch mit aller Inbrunst, deren ihr fähig seid.“57
Dorothea Kolland erwähnt in „Die Jugendmusikbewegung. ‚Gemeinschaftsmusik‘ – Theorie und
Praxis“ die Aufgliederung der bündischen Jugend in Berufsgruppen, so genannte „Gilden“. In die
sen Gemeinschaften sollten sich Kaufleute, Akademiker, Lehrer, Handwerker und Politiker mensch
lich näher kommen. Die ersten Gilden entwickelten sich Anfang der 1920er Jahre, so auch die Musi
kantengilde, die den Ausgangspunkt der Jugendmusikbewegung darstellt. Kolland weist in ihrer Ar
beit nachdrücklich auf die komplexen Zusammenhänge bei der Formierung der Jugendmusikbewe
gung hin:
„Dennoch wäre es eine Verkürzung, die Jugendmusikbewegung nur als einen Teil der Jugendbewegung zu sehen.
In ihr trafen Musikliebhaber und Kritiker des Musiklebens mit musikinteressierten Jugendbewegten zusammen;
sie wurde im Laufe der 20er Jahre zu einer gänzlich eigenständigen Bewegung. So soll die Jugendmusikbewe
gung eher als ein Teil der umfassenden neokonservativen Bewegung verstanden werden; ihre Anhänger waren
nicht nur Jugendbewegte, sondern junge Menschen, deren Ziele weit über den Gedankenkreis dieser Bewegung
hinausgingen.“58
Die Jugendmusikbewegung war von Anfang an keine einheitliche Bewegung. Zwei Hauptströmun
gen, die grundsätzlich dieselben Anliegen vertraten, in der Praxis aber immer wieder divergierende
Bund um Walther Hensel (ursprünglicher Name Julius Janiczek) repräsentiert.59
57 Jöde, Fritz (Hg.), „Durch Arbeit (Ein Geleitwort)“, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugendbewe
gung, Hamburg 1918, 6, fortan zitiert als: F. Jöde 1918a.
58 Kolland 1979, 30.
59 Günther, Ulrich, „Jugendmusikbewegung und reformpädagogische Bewegung“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Ju
gendmusikbewegung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel/Zürich 1987, 166, fortan zitiert als: Günther 1987.
31
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
3.2.2 Gruppierungen
3.2.2.1 Musikantengilde um Fritz Jöde
Das zentrale Anliegen der Musikantengilde um Fritz Jöde war es, das gesamte Musikleben des Vol
Rechnung getragen. Einer breiten Masse (oder, in der Diktion Jödes, dem „Volke“) sollte es ermög
licht werden, ohne umfassende Vorkenntnisse aktiv zu musizieren. Diese ästhetischen Zielvorstel
lungen wurden im Besonderen vom Musikerzieher August Halm, Mitautor in „Musikalische Ju
gendkultur“, konkretisiert: „So kann ich mir auch vorstellen, wie die Musik unter einem Heer von
bewunderten Fachleuten mehr und mehr versiegt, wenn nicht das Volk selbst sie ernstlich und mit
Verantwortung pflegt.“60
Um die Grundsätze der Gemeinschaftsmusik zu etablieren, wurden Jugendmusik und Volksmusik
schulen gegründet, die die elementare Musikausübung zum Inhalt hatten. Zentrales Ziel war das Ge
meinschaftsmusikleben. Dieses sollte durch die Entwicklung von eigenen, den gemeinschaftlichen
Anforderungen genügenden Formen des Musiklebens aufgebaut werden. Denn erst mittels der Ge
meinschaft könnten die Voraussetzungen für die volle Entfaltung der Musik entstehen. Als Kontra
punkt zur bürgerlichen Musikkultur wurden neue musikalische Initiativen wie die Singwoche oder
stärkt werden.62
Den Grund für die vorherrschende Trennung zwischen Musik und realem Leben und damit zwi
schen Musik und „Volk“ sah Jöde im Warencharakter der Musik, welcher sich im öffentlichen Kon
60 Halm, August, „Musik und Volk“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugendbewe
gung, Hamburg 1918, 9, fortan zitiert als: Halm 1918a.
61 Kolland 1979, 58.
62 F. Jöde 1956a, 26.
32
3.2 Jugendmusikbewegung
diesen Prozess der Entfremdung aufzuhalten.63 Das Virtuosentum, die Mechanisierung, Industriali
sierung und Vermarktung von Musik richteten sich vollkommen gegen die künstlerischen Vorstel
lungen Jödes. Die Frage, welches Instrumentarium die Entwicklung hin zum Gemeinschaftsmu
sikleben günstig beeinflussen könnte, wurde von den Vertretern der Jugendmusikbewegung intensiv
diskutiert. So gab es einige musikpädagogische Erklärungsversuche, um bestimmte Instrumente wie
die Laute, die Blockflöte und die Geige als besonders geeignet für das gemeinschaftliche Musizie
ren darzustellen. Generell wurden alle Formen von mechanisch oder elektronisch erzeugter Musik
abgelehnt. Ferner kamen nur Musikinstrumente infrage, die für jedermann finanziell erschwinglich
waren. Zumal dies für die Gitarre und die Laute, aber auch für die Blockflöte offensichtlich zutraf,
wurden diese in den 1920er Jahren die primär verwendeten Instrumente der Jugendmusikbewegung.
Mit der 1918 erfolgten Übernahme der Zeitschrift „Die Laute“ stand Jöde der Weg offen, die Musik
praxisnah Lieder, Tonsätze, Grifftechniken etc. und wurde 1922 in „Musikantengilde“ umbenannt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Musikantengilde um Fritz Jöde endgültig etabliert.64
3.2.2.2 Finkensteiner Bund um Walther Hensel
stand, das ursprünglich deutsche Volkstum durch die Kräfte deutscher Musik zu reanimieren. 65 Nach
der Eingliederung der deutschsprachigen Gebiete Böhmens, Mährens und Schlesiens in die Tsche
choslowakei und Polen versuchte man die „Entseelung“ der Bevölkerung zu verhindern. Der Leitge
danke war, das „verstummte sudetendeutsche Volk zum Singen und damit zum Bewusstwerden sei
ner geistigen Substanz zu erwecken“.66
63 FunkHennigs 1987, 223.
64 Kolland, Dorothea, Musik der Musikanten. Die Jugendmusikbewegung, http://kulturneukoelln.de/client/media/46/
2_musik_der_musikanten_1998.pdf, Stand: 16.12.2010.
65 Kolland 1979, 38.
66 Klein, Hans, Walther Hensel und der Finkensteiner Bund, http://www.waltherhenselgesellschaft.de/ueber
waltherhensel/finkensteinerbund.html, Stand: 16.12.2010.
33
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Walther Hensel, ursprünglich Julius Janiczek, geboren in Mährisch Trübau, Germanist und Musik
wissenschaftler, kam direkt aus der Böhmerlandbewegung. 1923 veranstaltete er eine Singwoche, im
Musikerziehung, und Volkslied, Volksmusik und Volkstanz wurden vordergründig gepflegt und ge
sammelt.67 Als Beispiel ist die von Walther Hensel herausgegebene Liederblattsammlung „Finken
steiner Blätter“ zu nennen, der viele weitere Liederbücher folgen sollten.68 Die Finkensteiner Bewe
gung bemühte sich auch intensiv um die Pflege der Hausmusik. Cello, Flöten und Oboenspiel
wurden dabei dem Klavierspiel vorgezogen. Den eigentlichen Schwerpunkt bildete indessen stets
der Gesang. Da im Rahmen der Singwochen kaum Zeit für instrumentales Musizieren zur Verfü
gung stand, wurden immer wieder reine Instrumentalwochen abgehalten. Hierfür wurden in der Re
gel mehrstimmige Vokalsätze auf die jeweiligen Instrumente übertragen. Mit dieser Praxis versuchte
man, den unterschiedlichen musikalischen und technischen Voraussetzungen der Instrumentalisten
entgegenzukommen.69 Wie in der Musikantengilde um Jöde wurde zum Begleiten von Volksliedern
sichtlich der Instrumentalpraxis im Zentrum des Geschehens.
3.2.3 Musikalische Ziele
Während in der Finkensteiner Bewegung der Schwerpunkt auf der Pflege von Vokal und Hausmu
sik lag, setzten in der Musikantengilde um Fritz Jöde Überlegungen zur Entwicklung der Laien und
Gebrauchsmusik ein. Diese Betrachtungen sollten nicht nur die musikalischen Inhalte, sondern vor
allem auch die Instrumentalpflege entscheidend prägen. Erika FunkHennigs fasst die Grundsätze
67 ProbstEffah, Gisela, Volksmusik im 20. Jahrhundert, Skript zum gleichnamigen Seminar, abgehalten im Sommer
semester 2009, http://www.unikoeln.de/ewfak/Mus_volk/scripten/probst/volksmusik.htm, Stand: 16.12.2010.
68 Kolland, Dorothea, Musik der Musikanten. Die Jugendmusikbewegung, http://kulturneukoelln.de/client/media/46/
2_musik_der_musikanten_1998.pdf, Stand: 16.12.2010.
69 FunkHennigs 1987, 224.
34
3.2 Jugendmusikbewegung
der von der Musikantengilde eingeschlagenen Musikrichtung, welche Konsequenzen bezüglich Aus
wahl und Spielweise der Instrumente haben sollten, wie folgt zusammen:70
Das Instrument muss „singen“ können.
Aktives Musizieren ist sinnvoller als passives Rezipieren.
Weniger Musik, mehr Musizieren.
Musizieren heißt gemeinschaftliches Musizieren im Dienste des Musikalischen.
Musikalische Strukturen sollen auf die elementaren Gesetzlichkeiten der Melodiebildung zu
rückgehen.
Im Zentrum der Jugendmusikbewegung stand das Bestreben, die Musik vom Konzertsaal ins Haus
zu verlagern. Durch die Pflege der Hausmusik konnte die Zielvorstellung des aktiven gemeinschaft
schwach ausgeprägten „singenden“ Charakters als ungeeignet betrachtet. Außerdem kamen sie dem
Laienmusiker aufgrund der erforderlichen Virtuosität wenig entgegen. Querflöte und Klarinette
wurden infolge ihres gewichtigen Konzerttones abgelehnt, während Oboe und Fagott die herrschen
de Klangvorstellung trafen. Grundsätzlich ging es stets um die Suche nach Instrumenten, die von der
Konzertsaalkultur nicht negativ beeinflusst waren. Kolland identifiziert sechs Problemkreise, um
deren Mittelpunkte sich die Argumente für die Ablehnung bestimmter Instrumente konzentrierten.
Diese sind:72
Ablehnung der Mechanisierung
ästhetische Vorbehalte
für Hausmusik ungeeignet
Statussymbole des Bürgertums
Musikinstrumente als Träger der abgelehnten Musikanschauung
Konzertsaalinstrumente
70 FunkHennigs 1987, 225.
71 FunkHennigs 1987, 225.
72 Kolland 1979, 80.
35
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Ein Kerngedanke Jödes war, die Kluft zwischen dem immer mehr der virtuosen Technik zugewand
ten konzertierenden Künstler und der rezipierenden Zuhörerschaft beziehungsweise dem Laienmusi
tisch und chorisch von der Musikerschaft gefordert wird, ist zwar so groß, daß ein Händelsches Ora
torium ein Kinderspiel dagegen ist; aber sie wirkt nicht mehr, weil sie immer mehr an Inhalten voll
bracht wird, die nicht mehr zünden.“74 Demgemäß wurden die Schwerpunkte in der Laien und Ge
brauchsmusik gesetzt. Die Qualität der Kompositionen trat zugunsten der Brauchbarkeit und leich
des Gemeinschaftsgeistes auf die Zuhörer wurde zentrale Bedeutung beigemessen: „Musiker und
Zuhörer sollten durch das gemeinsame Erlebnis der Musik ‚eins‘ werden.“76 Fritz Reusch schreibt
über die Gemeinschaftsmusik:
„Wir sprechen heute viel über die Gemeinschaftsmusik, ohne die notwendige Klarheit über diesen Begriff bereits
gewonnen zu haben. Weder die Eignung als ‚Gebrauchsmusik‘ noch der Grad der technischen Schwierigkeit sind
hier ausreichende Maßstäbe. Die künstlerischen Ausdrucksformen eines Zeitabschnittes sind im Geistigen veran
kert, nicht im Technischen.“77
Durch die Verknüpfung von Musik mit einem klar definierten Zweck erhöht sich offensichtlich die
Wahrscheinlichkeit, dass diese öfters aufgeführt wird. Den Komponisten bot dieser Umstand den
nötigen Anreiz zu kompositorischer Betätigung. Als Beispiel ist in diesem Zusammenhang Paul
Hindemith zu nennen, der der Jugendmusikbewegung sehr nahe stand. Neben dem Streben nach Ge
meinschaftsmusik nahmen auch die Pflege des Echten Volksliedes und die Wiederbelebung der Al
73 Vgl. Jöde, Fritz, Musik. Ein pädagogischer Versuch für die Jugend, Wolfenbüttel 1919, 10, fortan zitiert als:
F. Jöde 1919.
74 F. Jöde 1919, 13.
75 Vgl. Halm, August, „Musik und Leben“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugend
bewegung, Hamburg 1918, 23–30, fortan zitiert als: Halm 1918b.
76 Kolland 1979, 66.
77 Reusch, Fritz, Musik und Musikerziehung im Dienste der Volksgemeinschaft, Osterwieck/Berlin 1938, 55, fortan zi
tiert als: Reusch 1938.
78 Kolland 1979, 146.
36
3.2 Jugendmusikbewegung
von Gemeinschaftsbewußtsein und die Erziehung zu aktivem Musizieren“ als Kernziele propa
giert.79
3.2.4 Repertoire
Die Jugendmusikbewegung übte mit ihrer Forderung nach Gemeinschafts und Gebrauchsmusik ge
zielt Kritik an der zeitgenössischen Unterhaltungsmusik sowie an der Konzertmusik der Klassik und
Romantik. Kolland begründet dies folgendermaßen:
„Diese Musik, in der sich zunehmend die Persönlichkeit des Künstlers in einem individuellen Personalstil wie
Werkstil ausdrückt – im Unterschied zu der noch in der Barockmusik herrschenden relativen Allgemeingültigkeit
und Allgemeinverbindlichkeit des musikalischen Materials, der musikalischen Sprache, bis hin zu einer gewissen
Austauschbarkeit von Kompositionselementen –, wird gerade wegen der wahrnehmbaren subjektiven Aussage
des Künstlers, die vorher noch nicht dezidiert angestrebt wurde, als zu individualistisch, als ‚nicht objektiv‘ abge
lehnt.“80
Den Beginn des Verfalls der Gemeinschaftsmusikkultur setzten die Vertreter der Jugendmusikbewe
gung ans Ende der Ära von Johann Sebastian Bach. In der Barockzeit war ihrer Meinung nach die
kulturelle Bildung des Publikums höher: „[…] denn das Publikum etwa zur Zeit Bachs war dem
musikalisch Kulturellen mehr hingegeben, es glaubte mehr an die Musik als an eine geistige Exis
tenz denn das heutige.“81 Darum wuchs auch das Interesse an der Alten Musik.82
Infolge der im vorhergehenden Abschnitt 3.2.3 aufgelisteten Vorbehalte schränkte die Jugendmusik
bewegung ihr musikalisches Repertoire stark ein. Das erste Liederbuch war, wie schon zuvor in der
Wandervogelbewegung, der „Zupfgeigenhansl“. Er erreichte eine große Verbreitung, und die darin
gesammelten, mit Begleitsätzen für Gitarre oder Laute versehenen Lieder dominierten anfangs fast
ausschließlich das Repertoire. Der „Zupfgeigenhansl“ wurde in späteren Ausgaben immer wieder
erweitert. Aufgrund seiner zweifelhaften musikalischen Qualität wurde er in der weiteren Folge je
79 Kolland, Dorothea, Musik der Musikanten. Die Jugendmusikbewegung, http://kulturneukoelln.de/client/media/46/
2_musik_der_musikanten_1998.pdf, Stand: 16.12.2010.
80 Kolland 1979, 88.
81 Halm, August, „Gegensätze“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugendbewegung,
Hamburg 1918, 57, fortan zitiert als: Halm 1918c.
82 Vgl. Funck, Eike, „Alte Musik und Jugendmusikbewegung“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmusikbewe
gung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel/Zürich 1987, 63–91, fortan zitiert als: Funck 1987.
37
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
doch eher kritisch betrachtet.83 Einen hohen Stellenwert in der Musizier und Singpraxis hatten au
ßerdem das Echte Volkslied, Lieder des Tages und Jahreskreises, Ständelieder, Jodler sowie Lieder
aus dem 16. und 17. Jahrhundert.84
wie es auch in der Jugendbewegung der Fall gewesen war. In den Notenbeilagen des zweiten und
dritten Jahrgangs der Zeitschrift „Die Laute“ wurden erstmals Werke von Komponisten des 17. und
18. Jahrhunderts veröffentlicht. Die ab 1922 erscheinende Zeitschrift „Der Musikant“ widmete sich
unterschiedlichen Bereichen der Musikgeschichte mit Hauptaugenmerk auf älterer mehrstimmiger
Musik. Das vierte Heft etwa thematisiert Volks und Kunstlieder, meist in polyphoner Satzweise,
mit oder ohne Instrumentalbegleitung. Kolland sieht den „Musikant“ im Besonderen auf das ge
meinsame Musizieren von Sängern und Instrumentalisten ausgerichtet. Zur selben Zeit wie der
„Musikant“ erschien das Liederbuch „Der Spielmann“, das hauptsächlich das Instrumentalspiel zum
Inhalt hatte. Einen umfassenden Überblick über die Musikpflege in den einzelnen Musikantengilden
geben schließlich die Beilagen zur Zeitschrift „Die Musikantengilde“ (Nachfolgerin der „Laute“).
Als Beispiel führt Kolland die Beilage von 1925 an: Von insgesamt 45 Liedern sind 27 in der Zeit
vor Bach entstanden, 12 Lieder sind zeitgenössische Kompositionen. 20 Stücke sind für vokale und
ebenfalls 20 für instrumentale Ausführung gedacht, wobei bei Letzteren die Lautensätze dominie
ren. Die restlichen 5 Stücke werden für eine vokal und instrumental gemischte Besetzung vorge
schlagen.85
In der Finkensteiner Bewegung prägte vorwiegend Walther Hensel das Repertoire. Die ab 1923 er
Kolland wertete drei Jahrgänge der „Finkensteiner Blätter“ aus und kam zu folgendem Ergebnis:
83 Harlan, Peter, „Von eigener Bestimmung und innerer Wahrhaftigkeit. Hans Breuer und der ‚Zupfgeigenhansl‘“,
Zeitschrift für Musik, 114/4, 1953, 209, fortan zitiert als: Harlan 1953.
84 Vgl. Reusch 1938, 27–37.
85 Kolland 1979, 92.
86 http://www.archivderjugendmusikbewegung.de/zeittafelderjugendmusikbewegung.htm, Stand: 16.12.2010.
38
3.2 Jugendmusikbewegung
Abbildung 5: Auswertung von drei Jahrgängen der „Finkensteiner Blätter“.
Wie aus Abbildung 5 hervorgeht, ist hauptsächlich das alte Volkslied präsent. Generell konzentrierte
sich der Finkensteiner Bund auf die vokale Musik; Notenmaterial für das instrumentale Musizieren
spielte kaum eine Rolle.87
In der Musikantengilde war das Repertoire stark von den Grundsätzen der Gemeinschafts und Ge
brauchsmusik beeinflusst. Der Schwierigkeitsgrad der Stücke sollte dem Können der Ausführenden
angepasst sein. Da anfangs kaum dem Stil der Gemeinschaftsmusik entsprechendes Notenmaterial
zur Verfügung stand, konnte in der Musizierpraxis die Musik der Klassik und Romantik nie ganz
übergangen werden. Notenausgaben, welche den Forderungen der Gemeinschafts und Gebrauchs
musik standhielten, wurden erst im Laufe der 1920er Jahre verfügbar. Das tatsächlich gespielte Re
pertoire geht am besten aus den Programmen der Singwochen hervor. Auszug aus dem Programm
einer von der Musikantengilde veranstalteten Singwoche: Suite aus der Musik zum Trauerspiel „Ab
delazar“ von Henry Purcell, „Thema, Variationen und Fuge“ für zwei Geigen von ErnstLothar von
87 Kolland 1979, 93.
39
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Knorr, Orchestersuiten von Johann Hermann Schein, ein Streichquartett von Ludwig Weber, Stücke
aus dem „Musikant“ und der Jödeschen Kanonsammlung.88
3.2.5 Stellenwert der Gitarre
Die Gitarre, Laute, Zupfgeige oder Klampfe war zu Beginn des 20. Jahrhunderts primär das Instru
ment der wandernden Jugend kleinbürgerlicher Abstammung. In der Wandervogel und Jugendbe
wegung wurde sie mit großer Begeisterung zum Begleiten von Volks und Wanderliedern einge
setzt. Dadurch erlebte das Gitarrenspiel einen regelrechten Aufschwung.89 Die Begriffe „Gitarre“
und „Laute“ wurden zu dieser Zeit recht willkürlich verwendet.90 Unter anderem kann man dies in
einem Aufsatz von Richard Möller beobachten: Ungeachtet des Titels „Laute und Lautenmusik“ ist
im Text immer wieder explizit von der Gitarre die Rede.91 Die erstaunliche Popularität der Gitarre,
die im Besonderen aus der prinzipiell mühelosen Erlernbarkeit einiger Grundakkorde resultiert, zog
jedoch einen ziemlich arglosen Umgang mit der Volksliedbegleitung nach sich.92 Jöde bezeichnete
diese Art der Begleitung abwertend als „SchrummSchrummBegleitung“. Dieser Terminus wird
auch heute noch gerne bemüht, wenn man von der Gitarre als Begleitinstrument zu Lagerfeuerlie
dern spricht.
Jöde bemängelte die Stillosigkeit, die den Begleitschemen der verfügbaren Volksliedersammlungen
innewohnte: „Es dauerte nicht lange, bis man die gewöhnliche Art Lieder zu begleiten als unwürdig
erkannte.“93 Um diesem unkritischen Umgang mit der Gitarre entgegenzuwirken, verstärkten sich
die Bestrebungen, den Spielern außer gängigen Akkordbezifferungen auch ausgeschriebene Liedbe
88 Kolland 1979, 94.
89 Goeke 1994, 31.
90 SchwarzReiflingen, Erwin (Hg.), „Laute oder Gitarre?“, LautenAlmanach auf das Jahr 1919. Ein Jahr und
Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und des Volksliedes, BerlinPankow 1919,
10, fortan zitiert als: SchwarzReiflingen 1919a.
91 Möller, Richard, „Laute und Lautenmusik“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Ju
gendbewegung, Hamburg 1918, 164–168, fortan zitiert als: Möller 1918.
92 Willmitzer 1970, 3.
93 F. Jöde 1918b, 160.
40
3.2 Jugendmusikbewegung
gleitungen anzubieten. Heinrich Scherrer etwa verwirklichte dies in der vierten Auflage des „Zupf
geigenhansl“. Nichtsdestoweniger war die Gitarre auch weiterhin heftiger Kritik ausgesetzt.94
Wandervogelbewegung übernommen hatte, manifestierte sich zu dem Zeitpunkt, wo die Zupfgeige
im Begriff war, das Hauptinstrument der Musikantengilden zu werden. Ein wichtiger Grund für die
vorherrschende Antipathie war offenkundig die Zuordnung der Gitarre zu den mechanischen Instru
menten. Der Begriff „Mechanisierung“ wird bei Instrumenten im Zusammenhang mit der Tonerzeu
gung verwendet. Man kam zum Schluss, dass die Beseeltheit der Musik unter dem Mechanismus,
der sich zwischen den Musiker und die von ihm erzeugten Töne schiebt, leide. Zusätzlich sprachen
Daher stießen Instrumente wie die Ziehharmonika, das Schifferklavier und die Mandoline, die in
diesen musikalischen Stilrichtungen beliebt waren, auf wenig Zustimmung. Dem ästhetischen Krite
rium des „Echten“ wurde Folge geleistet: Wenn sich herausstellt, dass Volksmusik nicht echt ist,
dann trifft dies ebenso auf die Instrumente zu, auf denen sie gespielt wird. Wie Kolland anmerkt,
barg diese Haltung jedoch einige Widersprüche in sich. Einerseits war man bestrebt, die Kluft zwi
schen Musik und „Volk“ zu verringern, andererseits wurden gerade diejenigen Instrumente abge
lehnt, die häufig und gerne gespielt wurden – es existierten zahlreiche Mandolinen und Harmonika
vereine.95 „Sie wollen den großen Abstand kennzeichnen, der die kleinbürgerlichen Schichten, de
nen die Jugendmusikbewegten entstammen, vom Proletariat trennt, mit dessen plebejischer Musik
kultur das bedrohte Kleinbürgertum nichts zu tun haben will.“96 Tatsache ist, dass die Jugendmusik
bewegung viele gängige und populäre Instrumente für ihre Vorhaben im Bereich der Gemein
schaftsmusik nicht nutzte.
94 Willmitzer 1970, 10.
95 Kolland 1979, 80. Vgl. Wölki, Konrad, „Die Zupfinstrumente“, Hg. Fritz Jöde, Die Volksmusikinstrumente und die
Jugend, Trossingen/Wolfenbüttel 1956, 84, fortan zitiert als: Wölki 1956.
96 Kolland 1979, 80.
41
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Jöde favorisierte unter den Zupfinstrumenten die Laute, zumal er deren Wurzeln im Gegensatz zu
Die Bevorzugung der Laute ergab sich zudem aus dem Protest gegen die Sologitarristik. Die Sologi
Volksliedes und der Hausmusik in den Vordergrund, sondern strebte im Besonderen auch nach der
Wiederaufwertung der Gitarre als Solo und Konzertinstrument. Gerade Letzteres deckte sich nicht
im Geringsten mit den Zielvorstellungen der Jugendmusikbewegung, die der in der bürgerlichen
Konzertkultur forcierten Virtuosität bekanntermaßen ablehnend gegenüberstand.97 Die Geringschät
zung der Gitarre und der Aufstieg der Laute zum Symbolinstrument der Haus und Kammermusik
zeigten sich schon bei Richard Möller, dem Begründer der Zeitschrift „Die Laute“.98 In seinem Auf
satz „Laute und Lautenmusik“ macht Möller darauf aufmerksam, dass die Laute das allererste In
strument zur Wiedergabe polyphoner Musik gewesen und über Jahrhunderte deren Trägerin geblie
ben ist. „An dieser Erkenntnis müssen wir festhalten und von hier aus die Neuorientierung der Lau
tenkunst als Volkskunst versuchen.“99
Die in der Jugendmusikbewegung herbeigeführte auffallende Differenzierung zwischen Gitarre und
Laute ist aufgrund der damals ähnlichen Bauweise im Grunde nicht nachvollziehbar und wird infol
gedessen von vielen späteren Autoren als Irrtum bezeichnet. Gitarre und Laute waren in Hinblick
auf Stimmung und Besaitung völlig ident, und die Grenze zwischen den Anhängern der Gitarre auf
der einen Seite und den Verfechtern der Laute auf der anderen Seite ist oftmals nur schwer zu zie
hen. Peter Schmitz bemerkt dazu:
„Diese Häufung von Fachpublikationen für Gitarre und Laute läßt auf ein reges Interesse seitens eines großen
Publikums für die beiden Zupfinstrumente schließen. Ebenfalls kann man davon ausgehen, daß sich die Konkur
renz der drei Publikationen [‚Der Gitarrefreund‘, ‚Die Laute‘, ‚Die Gitarre‘, M.P.] untereinander gegenseitig be
fruchtete – weit gefehlt! Zwar gab es ein großes und interessiertes Publikum für Laute und Gitarre. Dieses Publi
97 Schmitz, Peter, „Die Kritik der Jugendmusikbewegung an der Gitarrenbewegung“, Gitarre & Laute, 1/1995, 59,
fortan zitiert als: P. Schmitz 1995.
98 Buek 1926, 138.
99 Möller 1918, 165.
42
3.2 Jugendmusikbewegung
kum – und mehr noch die Herausgeber der obigen Zeitschriften – war untereinander aber in einem Grade tief ge
spalten und angefeindet, daß es für einen heutigen Betrachter schwer ist, diese Zwietracht zu verstehen.“100
Buek begründet die Ablehnung der Gitarre durch Möller und Jöde folgendermaßen:
„Der Herausgeber [Möller, M.P.] war aus der Gitarristischen Vereinigung hervorgegangen, aber seine Kenntnisse
des Instrumentes, seiner Geschichte und seiner Technik reichten nicht aus und führten daher zu Anschauungen,
die der ganzen Bewegung zuwiderliefen. Nach dem Tode Möllers übernahm Fritz Jöde die Leitung der Zeit
schrift. Auch ihm fehlte die fachmännische Ausbildung als Lautenspieler, und er stellte sich bewußt in Gegensatz
zur Gitarre.“101
Jöde beschäftigt sich im Aufsatz „Vollzogener Wandel“ mit der Frage, welche Impulse von der Ju
gendmusikbewegung auf dem Gebiet der Instrumentalpflege ausgegangen sind:
„Von ihrer Mutter, der Jugendbewegung, hatte sie ein Instrument übernommen, das zum Leben der damaligen
neuen Jugend gehört hat, wie der Rucksack und das Fahrtenbuch. ‚Klampfe‘ oder ‚Zupfgeige‘ wurde es genannt,
und es war die Laute, die Gitarre. Sie ist im Jungvolk des Wandervogels wirklich ein Volksinstrument gewesen,
das bei allen Gelegenheiten mit dabei sein mußte und vor allem andern dazu bestimmt war, den Volksgesang zu
begleiten. Die Jugendmusikbewegung hat dieses Instrument dann zwar weiter gepflegt, aber es ist doch langsam
in den Hintergrund getreten. Aus der Klampfe wurde die Laute, und diese wurde Soloinstrument und suchte die
Verbindung mit der alten Lautenkunst.“102
Zum Abschluss dieses Abschnitts sei noch angemerkt: Ein wesentliches Merkmal der Jugendmusik
bewegung besteht in der Tatsache, dass die Beurteilung bestimmter Instrumente hinsichtlich ihrer
Eignung für die Gemeinschafts und Gebrauchsmusik einem steten Wandel unterworfen war. Instru
mente, deren Verwendung ursprünglich gutgeheißen wurde, wurden zu einem späteren Zeitpunkt
aus ideologischen Gründen abgelehnt. Selbst Jöde änderte immer wieder seine Einstellungen und re
vidierte so manche seiner vormaligen Äußerungen.103
100 P. Schmitz 1995, 57.
101 Buek 1926, 138.
102 Jöde, Fritz (Hg.), „Vollzogener Wandel“, Die Volksmusikinstrumente und die Jugend, Trossingen/Wolfenbüt
tel 1956, 37, fortan zitiert als: F. Jöde 1956b.
103 Kolland 1979, 80.
43
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
3.3 Sologitarristik
3.3.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
Um 1850 endete die Gitarrenblüte des 19. Jahrhunderts, und es kam zu einem Niedergang des künst
lerischen Gitarrenspiels. Buek sieht als ausschlaggebende Momente hierfür die Vervollkommnung
mehr behaupten. Bedingt durch die damit einhergehende geringe Wertschätzung, wurde sie im Ge
gensatz zu den klassischen Orchesterinstrumenten und dem Klavier nicht in den Lehrplan der Lehr
anstalten für Musik aufgenommen. Folglich fehlte den Gitarristen die Möglichkeit einer umfassen
den musikalischen Ausbildung – das Gitarrenspiel war dem Verfall hin zum völligen Dilettantismus
ausgesetzt.105 „Die charakteristischen Eigenschaften des Dilettantismus sind immer eine leichtfertige
und oberflächliche Anteilnahme an allem, was Kunst bedeutet, und ein Mangel an technischer und
theoretischer Vorbildung.“106
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts zeigte sich, wie bereits in Abschnitt 3.1.5 erwähnt wurde, zuneh
mend die Hinwendung zur Kunst im Kleinen. Infolge der beachtlichen Tonmasse des modernen Or
chesters wurde das Bedürfnis nach weniger großen musikalischen Formen (Hausmusik, Salonmu
sik) immer stärker. Offensichtlich kam dies der tonlich eher schwachen Gitarre ziemlich entgegen,
und eine neue Bewegung, die Gitarristische Bewegung (auch Sologitarristik genannt), nahm ihren
Anfang.107 Im Gegensatz zur Wandervogelbewegung, die bekanntlich einen wesentlichen Beitrag zur
Verbreitung der Gitarre leistete, machte es sich die Sologitarristik zum obersten Ziel, die Gitarre im
Konzertleben wieder zu etablieren und ihr Ansehen als vollwertiges Instrument zu steigern. Letzt
104 Buek 1926, 115.
105 Vgl. SchwarzReiflingen 1919c, 40–44.
106 Buek 1926, 116.
107 Buek 1926, 117. Vgl. Huber, Karl, Die Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrespiels um 1900. Untersuchungen
zur Sozialgeschichte des Laienmusikwesens und zur Tradition der klassischen Gitarre, Augsburg 1995, 199, fortan
zitiert als: Huber 1995.
44
3.3 Sologitarristik
endlich ging es vor allem darum, dem schlechten Ruf der Gitarre ein Ende zu setzen. Fritz Buek
schreibt in „Die Gitarre und ihre Meister“ zu diesem Thema:
„Wie sehr man auch die Wandervögel für die Verbreitung des Gitarrespiels heranziehen mag (und das geschieht
fast in jeder Kritik), so trug doch ihre Betätigung in keiner Weise dazu bei, das Ansehen des Instrumentes zu he
ben und die Entwicklung des Gitarrespiels zu fördern. Im Gegenteil verlief sie in den Bahnen des übelsten Dilet
tantismus und fand nie eine Brücke zur wahren Kunst des Gitarrespiels.“108
legt. Zu den Mitgliedern dieses – später in Gitarristische Vereinigung e. V. umbenannten – Vereins
zählten zum größten Teil Laien, aber auch bekanntere Musiker. In den Mitgliederlisten von 1901
sind folgende Personen eingetragen: Scherrer, Albert, Bayer, Götz, Henze, Schwerdhöfer, Weinhöp
den Mitgliederlisten von 1901 nicht verzeichnet) an.109 Manche der führenden Mitglieder fungierten
als Bindeglied zur gitarristischen Tradition des 19. Jahrhunderts.110 Hierzu merkt Karl Huber in sei
ner Dissertation „Die Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrespiels um 1900“ an:
„Der vielbeschworene Niedergang der Gitarre nach 1850 war jedoch bei weitem nicht so vollständig wie behaup
tet wurde, denn in den seßhaft gewordenen Virtuosen und ihren Schülerkreisen suchte die künstlerische Potenz
des Gitarrespiels innerhalb der gesellschaftlichen Ambivalenz zwischen an oberschichtlichen Werten orientierter
Konzertmusik und bürgerlicher Unterhaltungsmusik zu überleben. Über Mertz, Coste, Darr, Bayer, Götz, Decker
Schenk und Hammerer verlaufen in dieser Struktur die Verbindungslinien vom ‚Silver Age‘ der Gitarristik zur
frühen gitarristischen Bewegung des 20. Jahrhunderts.“111
Auch Michael SieberichsNau unterstreicht in seiner Schrift über den Komponisten und Gitarristen
Johann Dubez die Tatsache, dass die Verbindung zur gitarristischen Tradition des 19. Jahrhunderts
nie vollständig abriss, sondern abseits des medialen Interesses und im Wirken einzelner Gitarristen
aufrecht blieb.112
108 Buek 1926, 126.
109 Goeke 1994, 24.
110 Vgl. Buek 1926, 118.
111 Huber 1995, 28.
112 SieberichsNau, Michael, Johann Dubez. 1828–1891. Biographie und Werkverzeichnis, http://www.mvam.at/dubez/
pics/DubezBiografie051120.pdf, Stand: 16.12.2010, 3–4.
45
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Huber durchleuchtet in seiner Dissertation ferner den soziographischen Hintergrund des IGV. Aus
der Liste der Gründungsmitglieder geht hervor, dass die Mitglieder des Verbandes hauptsächlich
bürgerlichen Kreisen entstammten. Arbeiter sind in den ersten Mitgliederlisten kaum verzeichnet.113
Obwohl die Mitgliederzahl des Verbandes ständig stieg, wurde die Hauptarbeit von wenigen aktiven
Protagonisten vorangetrieben. Huber unterteilt diese in vier Schichten:114
Orchestermusiker
Gitarrenlehrer
Instrumentenbauer und Verleger
Dilettanten
Orchestermusiker waren als Berufsmusiker sehr angesehen und besaßen eine natürliche musikali
sche Autorität. Dadurch befähigten sie den Verein, ein ausreichendes Maß an Professionalität auf
rechtzuerhalten. Gitarrenlehrer, zu dieser Zeit fast ausschließlich Autodidakten, spielten eine wichti
ge Rolle beim fachlichen Austausch unter den Mitgliedern. Instrumentenbauer zeichneten verant
wortlich für die technische Verfeinerung der Instrumente und Verleger für die Vermarktung und
Verbreitung der gitarristischen Literatur. Dilettanten schließlich bot der Verein die Möglichkeit, sich
in einem professionellen Umfeld musikalisch zu betätigen und zu engagieren.
3.3.2 Gruppierungen
Karl Huber geht im ersten Kapitel von „Die Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrespiels um
zeichnet er den 1877 gegründeten Leipziger Gitarreklub.115 In diesem Zusammenhang behauptet Hu
ber, dass Fritz Buek die Geschichte der Gitarre in seinem Buch „Die Gitarre und ihre Meister“ oft
mals sehr einseitig darstelle: Buek, der Präsident des IGV und Herausgeber der als Organ des IGV
dienenden Zeitschrift „Der Gitarrefreund“ war, hebt die Bedeutung des eigenen Vereins stark hervor
113 Huber 1995, 43.
114 Huber 1995, 61–82.
115 Huber 1995, 15–29.
46
3.3 Sologitarristik
und ortet im Leipziger Gitarreklub lediglich die „letzten Funken der verglimmenden Begeiste
rung“116.
„Tatsächlich aber liegen die Ursprünge und Wurzeln insbesondere der gitarristischen Bewegung in Bayern in der
Mitte des 19. Jahrhunderts. Gerade die späten GitarreVirtuosen stellen neben den Aktivitäten des Leipziger Gi
tarreklubs wichtige Verbindungen der mitteleuropäischen Gitarristik des frühen 20. Jahrhunderts zur Hochblüte
des Virtuosentums um 1800 und seiner Werküberlieferung dar, was auch Buek nicht vollständig negieren
kann.“117
In der Zeitschrift „Gitarre & Laute“ findet man die ursprünglich im „Gitarrefreund“ veröffentlichten
Erinnerungen Karl Kerns an die Gründung des IGV. Kern schildert die Eindrücke, die er ob der ste
tig wachsenden Beliebtheit der Gitarre in der Gesellschaft gewann, und erzählt, wie er die Treffen
erlebte, auf denen die Ideen zur Gründung des Gitarristenverbandes reiften. „Geplant war ein enger
Zusammenschluß von Gitarrespielern oder Freunden der Gitarremusik im Rahmen einer festgefüg
ten Gesellschaft mit bindenden Satzungen zur Pflege und Verbreitung des Gitarrespiels in allen
Kreisen des Volkes.“118 Darüber hinaus zeichnet Kern in seinen Erinnerungen ein Bild vom ersten
Gitarristentag, im Verlauf dessen der königliche Hofmusiker Heinrich Scherrer zu den Festgästen
sprach und seine Überlegungen zur Aufwertung der Gitarre und zum Gelingen dieser „schönen Sa
che“ darlegte. Er setzte sich für die Reinheit des harmonischen Satzes bei allen Kompositionen ein
und sprach sich gegen das „unwürdige“, die feststehenden Regeln der Musik missachtende Gitarren
spiel aus.
„Wenn die Gitarre und mit ihr auch das fast entschlafene Volkslied wirklich wieder zu neuem Leben erweckt und
zu voller Blüte entfaltet werden sollen, dann bildet die erste Voraussetzung hierzu eine streng musikalische
Grundlage, ohne die alle Bemühungen von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilt wären.“119
Zeit wurden weitere Ortsgruppen gegründet. Zwischen Münchnern und Augsburgern kam es relativ
bald zu heftigen Richtungskämpfen, und zwar aufgrund konträrer Ansichten darüber, wie die Kulti
vierung des Gitarrenspiels erfolgen sollte. Olaf Goeke fasst die Streitpunkte in folgender Frage zu
116 Buek 1926, 115.
117 Huber 1995, 15.
118 Päffgen, Peter, „Wiederbelebungsversuche. Die Gitarre zu Anfang des XX. Jahrhunderts. Teil 4. Erinnerungen“,
Gitarre & Laute, 6/1992, 22, fortan zitiert als: Päffgen 1992c.
119 Päffgen 1992c, 22.
47
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
sammen: „Sollte die Gitarre primär als Begleitinstrument zum Gesang, zu anderen Instrumenten
oder aber als Soloinstrument genutzt werden?“120 Wie aus Kerns Erinnerungen hervorgeht, sprachen
sich die Münchner eher für das Begleitspiel aus, während die Augsburger vielmehr die Entwicklung
Vorstellungen möglichst zu verbreiten. Dies geschah im Wesentlichen über die Notenbeilagen im
„Gitarrefreund“.121 In der sich verschärfenden Auseinandersetzung waren weder die Münchner noch
die Augsburger bereit nachzugeben. Obwohl Erstere grundsätzlich die Fäden in der Hand hielten,
kam es letztendlich zu keiner Einigung, und die beiden Ortsgruppen gingen von da an getrennte
Wege. Ungeachtet dessen gab es einzelne Mitglieder, die auch weiterhin sowohl der Münchner als
auch der Augsburger Ortsgruppe angehörten.122
3.3.2.1 Gitarreklub München
Eine Schlüsselrolle im Gitarreklub München spielte ohne Zweifel Heinrich Scherrer. Als ausgebil
deter Soloflötist des königlichen Hoforchesters und ernannter Kammervirtuose prägte er mit seinen
musikalischen und ästhetischen Vorstellungen den Gitarrenverein. Kern schreibt über Scherrer:
„Heinrich Scherrer leistete seit Gründung des Verbandes auf dem Gebiet der Lauten und Gitarren
musik und damit auch für die Wiederauffrischung der Pflege des echten herrlichen Volksliedes Un
Anton Mehlhart zu den bedeutendsten Mitgliedern. Albert war als herausragender Gitarrist seiner
Zeit federführend an der Weiterentwicklung des solistischen Gitarrenspiels beteiligt.
Von Beginn an förderte man im Gitarreklub München die Zusammenarbeit mit diversen Mandoli
nenvereinen; auch Zitherspieler wurden regelmäßig ins Vereinsleben integriert. Es fanden zahlreiche
Zusammenkünfte in familiärem Rahmen statt. Karl Huber nennt als Erfolgsrezept drei Säulen: „[…]
120 Goeke 1994, 26.
121 Goeke 1994, 25.
122 Huber 1995, 104.
123 Päffgen 1992c, 23.
48
3.3 Sologitarristik
Organisation, Musik und Geselligkeit – eine Struktur, die im Vereinsleben bis heute anzutreffen
ist.“124 Ein weiteres Kennzeichen des Gitarreklub München war die umfangreiche Öffentlichkeitsar
beit, welche sich in der Gestalt wöchentlicher Ensembleproben, der Organisation von historischen
Konzerten und der Herausgabe des „Gitarrefreund“ zeigte. Der Klub erreichte bald eine geachtete
Stellung im gesellschaftlichen Musikleben, und die Mitgliederzahlen stiegen stetig. Huber begrün
det diese Entwicklung folgendermaßen:
„Der durch die Hofmusiker Scherrer, Albert und die Akademiker Rensch, Bauer und Edelmann gewährleistete
personelle Zugang zur oberen Mittelschicht, der kaiserliche Aufruf zur Pflege des Volksliedes von 1903, ein ge
wisser Überdruß eines Teils des Konzertpublikums an den Produktionen der Neudeutschen Schule und Scherrers
historisierende Ideen bezüglich der Gitarre und des Liedes wirkten hier zusammen.“125
3.3.2.2 Freie Vereinigung Augsburg
Die Abspaltung von der Münchner Ortsgruppe erfolgte hauptsächlich wegen Scherrers harter Linie
bei der grundsätzlichen musikalischen Ausrichtung des IGV. Dadurch dass Scherrer sich persönlich
für das Ensemblespiel und das gitarrenbegleitete Volkslied einsetzte, war die solistische Literatur in
der Verbandszeitschrift „Der Gitarrefreund“ leidlich unterrepräsentiert. Scherrer sah im Solospiel
lediglich eine Vorübung für musikalisch und technisch verbessertes Begleitspiel. Somit wurde 1904
als eigenständiger Verband die Freie Vereinigung zur Förderung guter Guitarremusik (e. V.), Sitz in
Augsburg gegründet.126
Im Vergleich zum Gitarreklub München zeichnete sich die Freie Vereinigung Augsburg wenig durch
musikalische Öffentlichkeitsarbeit und publizistische Tätigkeit aus. Ein Grund hierfür war sicherlich
die Tatsache, dass der eher introvertierte Verein kaum Mitglieder aus Akademikerkreisen aufwies,
welche für eine adäquate gesellschaftliche Stellung hätten sorgen können. Prägende Persönlichkei
ten in Augsburg waren Franz Sprenzinger und Markus Schwerdhöfer. Das prinzipielle Ziel der Frei
en Vereinigung Augsburg bestand darin, den Mitgliedern Zugang zu vergriffener solistischer Gitar
124 Huber 1995, 84.
125 Huber 1995, 89. Vgl. Buek 1926, 118.
126 Huber 1995, 99.
49
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
renliteratur zu verschaffen. Veröffentlichungen von Liedern mit Gitarrenbegleitung waren hingegen
deutlich in der Unterzahl.127 Jahre später, nachdem der Gitarreklub München begonnen hatte, dem
Solospiel mehr Bedeutung beizumessen, kamen sich die beiden konkurrierenden Ortsgruppen wie
der näher und schlossen sich im Jahr 1909 unter dem Namen Gitarristische Vereinigung e. V. aber
mals zusammen.128
3.3.3 Musikalische Ziele
den sprichwörtlich schlechten Ruf der Gitarre zu korrigieren. Huber führt als primäres Ziel der So
logitarristen die Vergrößerung ihrer gesellschaftlichen Anerkennung an.129 Die Gitarre wurde am
Ende des 19. Jahrhunderts durchwegs nur mehr als untergeordnetes Begleitinstrument betrachtet und
kam höchstens in Mandolinenorchestern, auf Almhütten und in Wirtshäusern zum Einsatz. Natür
lich war dies nicht das erste Mal, dass der Gitarre ein schlechter Ruf vorauseilte. So schreibt etwa
Hermann Leeb in seinen Betrachtungen über die Gitarre zur Zeit der Renaissance:
„Im übrigen Europa hatte die Gitarre von vornherein keine Chance aufzusteigen, weil eben a priori die Laute als
das gehobene und die Gitarre als das bäurische Instrument galt. Man darf sich aber nicht vorstellen, daß die Mit
glieder der Gesellschaft nicht auch zur Gitarre griffen. Sie taten es aus demselben Grund, wie heute manch einer
zur Ziehharmonika greift. Es macht ihm Spaß.“130
später in der Gitarristischen Vereinigung) gezielt Werbung für das Instrument. Durch umfangreiche
Öffentlichkeitsarbeit, die Herausgabe der Verbandszeitschrift „Der Gitarrefreund“ und das Einladen
mochte man das Bild von der Gitarre nachhaltig zu verbessern. Die damit einhergehende Aufbruch
stimmung erfasste auch die Instrumentenbauer und Musikverleger. Längst vergessene Gitarrenlitera
127 Huber 1995, 100–102.
128 Huber 1995, 103–104. Vgl. Päffgen, Peter, „Wiederbelebungsversuche. Die Gitarre zu Anfang des XX. Jahrhun
derts. Teil 1“, Gitarre & Laute, 2/1992, 14, fortan zitiert als: Päffgen 1992a.
129 Huber 1995, 51.
130 Leeb, Hermann, „Die Gitarre. 2. Teil“, Gitarre & Laute, 3/1980, 33, fortan zitiert als: Leeb 1980.
50
3.3 Sologitarristik
tur wurde wieder ausgegraben und der Allgemeinheit im „Gitarrefreund“ zugänglich gemacht.131 Ein
jährliche Veranstaltung diente den Mitgliedern des IGV zum Informationsaustausch und als Podium
für eigene Auftritte. Überdies wurden Rezensionen empfehlenswerter Kompositionen diskutiert so
wie Instrumente und Musikalien ausgestellt. Internationale Teilnehmer an den Gitarristentagen ka
men anfangs jedoch nur aus Österreich (Götz), Italien (Lucat) und der Schweiz (Alder).133
Lehrer waren zu dieser Zeit Mangelware; außerdem wurde die Gitarre meist nebenbei, das heißt zu
sätzlich zu einem anderen Instrument, gelehrt und gelernt. Die Lehrwerke wandten sich nicht nur an
den Schüler, sondern enthielten vielfach auch explizite Anregungen für den Lehrer. Ein beträchtli
cher Teil der Unterrichtsliteratur war zudem stark auf das Selbststudium ausgerichtet.134 Olaf Goeke
listet in seiner Dissertation „Die Unterweisung im Gitarrenspiel in Deutschland vom Ende des
19. Jahrhunderts bis 1932“ alle Lehrwerke und Schulen von 1870 bis 1932 auf. Er beschreibt detail
liert die Weiterentwicklung des Gitarrenspiels im Kontext der sich ändernden technischen Anforde
rungen am Beispiel der damals zur Verfügung stehenden Unterrichtsliteratur.135
3.3.4 Repertoire
In der Anfangszeit der Gitarristischen Bewegung war das künstlerische Niveau auf der Gitarre nicht
besonders hoch.136 Es mangelte an geeigneten Studienwerken, und die Unterrichtsliteratur aus der
selbst und seine Mithelfer konnten nur den geistigen Impuls geben, da es an fertigen und ausgebilde
131 Buek 1926, 117.
132 Vgl. Päffgen 1992c.
133 Huber 1995, 118.
134 Goeke 1994, 37.
135 Goeke 1994.
136 Vgl. Zuth, Josef, „Aufgaben der neuzeitigen Gitarristik“, Hg. Erwin SchwarzReiflingen, LautenAlmanach auf
das Jahr 1919. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und des
Volksliedes, BerlinPankow 1919, 74, fortan zitiert als: Zuth 1919.
51
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
ten Spielern fehlte.“137 Die Gitarrenliteratur orientierte sich stark an der Hausmusik des 19. Jahrhun
derts und umfasste demnach vor allem Charakter und Genrestücke, Effekt und Vortragsstücke in
Form stilisierter Tanzmusik sowie Bearbeitungen diverser Orchesterstücke. „In Bayern wurde dieser
durch die Miteinbeziehung volkstümlicher Musik ergänzt.“138
Huber analysierte im Rahmen seiner Dissertation das gitarristische Repertoire, welches die Noten
beilagen des Münchner „Gitarrefreund“ und der Augsburger „MitteilungenFV“ dominierte, und
fand für die veröffentlichten Komponisten folgende Systematik:139
1. Komponisten vor 1840
a) Komponisten des „Silver Age“ von ca. 1780 bis 1840: Diabelli, Giuliani, Graeffer, Hum
mel, Legnani, Molitor, Carcassi, Carulli, Le Dhuy, Lhoyer, Molino, Sor, Körner, Küff
ner, Marschner, Pettoletti, Silcher, Wyssotzki
b) Ältere Meister und ihre Bearbeiter: Bach (Albert), Anonymus (Tappert), Chopin (Stock
mann), Mendelssohn (Jaksch), Johann Strauß (Hammerer), Weber (Krüger)
2. Komponisten des späten Virtuosentums nach 1840: Brand, Darr, Franz, Mietzke, Regondi,
Mertz, Schulz, Raab
3. Zeitgenossen
Rung, Stockmann
Funk, Grandauer, Hunyady, Henze, Kliewer, Klinger, Knab, Krick, Luckner, Lutz, Mehl
hart, Meier, Meyer, Mozzani, Römer, Scherrer, SchmidKayser
Hubers Analyse zufolge wurden im „Gitarrefreund“ neben einer großen Anzahl gitarrenbegleiteter
Lieder vorrangig leichte und kurze – das heißt vollends auf die Bedürfnisse von Dilettanten zuge
137 Buek 1926, 119.
138 Huber 1995, 200.
139 Huber 1995, 202.
52
3.3 Sologitarristik
mittleren Schwierigkeitsgrad hinaus. Virtuose Solostücke wie zum Beispiel die „Grande Ouverture“
von Giuliani oder die „Grande Sérénade“ von Coste spielten demnach überhaupt keine Rolle. Man
Voraussetzungen fehlten, um Stücken wie den zuletzt genannten gewachsen zu sein. Außerdem ka
men im „Gitarrefreund“ die ästhetischen Zielvorstellungen Scherrers zum Tragen, welche zuallererst
die Forcierung des gitarrenbegleiteten Liedes vorsahen. Ganz im Gegensatz dazu dienten die „Mit
teilungenFV“ fast ausschließlich der Veröffentlichung von solistischer Gitarrenliteratur.140
Wie Huber weist auch Goeke darauf hin, dass hauptsächlich „Musik leichterer Art“ – konkret Mär
sche, Walzer und Polkas – in den Notenbeilagen anzutreffen war. Auf zu Beginn des Jahres 1900 or
Besonderen Komponisten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie Mertz, Darr, Bayer und
DeckerSchenk gespielt.141 Huber schreibt in diesem Zusammenhang:
„Prägend für die Laienmusiker der gitarristischen Bewegung wurden aber die Komponisten der späten Virtuo
sengeneration, deren Ästhetik und Technik den Zeitgenossen näher waren als etwa Sor: […] Aus der Anlage ihrer
Werke spricht zwar die technische wie musikalische Kenntnis der Komponisten der Blütezeit; starke Einflüsse
aus der Salon und der volkstümlichen Musik geben ihnen jedoch eine stereotype Anlage in formaler, melodi
scher und harmonischer Hinsicht, die eine musikalische Entwicklung entweder durch einfache Reihung ersetzt
oder aber eine logische Stringenz und fließende Variabilität vermissen läßt.“142
Ein Kernthema in Goekes Arbeit stellen die der Unterrichtsliteratur innewohnenden methodischen
Ansätze dar.143 Da zu Beginn des 20. Jahrhunderts wenig Lehrmaterial zur Verfügung stand, gaben
Meyer, Albert, Kothe, Ritter, Henze, Vorpahl) neue Unterrichtswerke heraus. Diese spiegeln die un
terschiedlichsten musikalischen Richtungen wie ernsthaftes Solospiel, oberflächliche Volksmusik
und künstlerische Liedbegleitung wider. Heinrich Scherrer veröffentlichte 1907 „Die Kunst des Gi
tarrespiels“ sowie 1911 die „Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten und GitarreSchule“. Letztere wird
140 Huber 1995, 100. Vgl. Päffgen 22002, 196.
141 Goeke 1994, 74.
142 Huber 1995, 213.
143 Goeke 1994.
53
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Augsburger Ortsgruppe des IGV, veröffentlichte 1909 die „Neue theoretischpraktische Guitarre
Schule“. Im „Verzeichnis der wichtigsten und wertvollsten Lauten und Gitarrenwerke“145 wird unter
anderem Heinrich Alberts „Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels“, bestehend aus
den vier Teilen „Das Volkslied zur Gitarre“, „Das moderne Gitarrelied“, „Die Gitarre als SoloIn
strument“ und „Das virtuose Gitarrespiel“, angeführt. Das pädagogische und kompositorische
Schaffen Alberts wird darüber hinaus im „Handbuch der Laute und Gitarre“ von Josef Zuth gewür
digt.146
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es vermehrt zu internationalen Kontakten, welche der bis dahin
herrschenden veritablen Isolation der deutschen Gitarristik ein Ende bereiteten. Die zunehmende
Konzerttätigkeit ausländischer Virtuosen wirkte sich sehr bald auf das künstlerische Repertoire wie
auch auf die Technik aus. Vor allem die spanischen Virtuosen Llobet, Pujol und Segovia leisteten
einen enormen Beitrag zur Weiterentwicklung der deutschen Gitarristik.147
3.3.5 Stellenwert der Gitarre
Wie die vorhergehenden Abschnitte 3.3.1–3.3.4 vor Augen führten, genoss die Gitarre im Bereich
der Sologitarristik naturgemäß den höchsten Stellenwert. Im Weiteren soll nun noch einmal das zen
trale Anliegen der Gitarristischen Bewegung, nämlich die Gitarre substanziell aufzuwerten, anhand
eines kurzen abschließenden Streifzugs durch die Geschichte der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhun
derts beleuchtet werden.
Erwin SchwarzReiflingen schreibt zur Bedeutung der Gitarre in der Zeit vor ihrer Wiederentde
ckung:
144 Willmitzer 1970, 14–18.
145 SchwarzReiflingen, Erwin (Hg.), LautenAlmanach auf das Jahr 1919. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten
und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und des Volksliedes, BerlinPankow 1919, 120–121, fortan zitiert als:
SchwarzReiflingen 1919.
146 Zuth 1926, 13. Vgl. Ragossnig 32003, 95.
147 Goeke 1994, 97.
54
3.3 Sologitarristik
„Sie erwarb sich überall viele Gönner, da sie für jeden, der singlustig und singtüchtig ist, das angenehmste und
leichteste Akkompagnement abgibt, überdies auch leicht transportabel ist. Aller Orten sah man die Gitarre in den
Händen der angesehensten Herren und Damen. Jetzt wird sie nicht mehr so gesucht, und man nimmt häufiger das
Klavier zum Akkompagnement für Gesang.“148
Um die Jahrhundertwende änderte sich die Situation der Gitarristik grundlegend.149 Auslöser hierfür
war primär die Wandervogelbewegung, die die Gitarre zum absoluten Kultinstrument erklärte.
„[…] kurz, wohin man hört, in Haus, Konzertsaal und in der freien Natur, überall begegnet man dem Lauten
klang. Aber leider ist im Verhältnis die Zahl derjenigen, welche die Sache wirklich künstlerisch betreiben, noch
viel zu gering, und die DurchschnittsGitarristen beherrschen das Instrument nur sehr mittelmäßig.“150
Die Wiederbelebung der Gitarre startete in musikalischer und spieltechnischer Hinsicht auf nied
rigstem Niveau. Der Internationale Gitarristenverband (IGV) trachtete danach, die Gitarre in den
„besten Kreisen“ wieder einzuführen und ihr den Status eines vollwertigen Konzertinstruments zu
rückzugeben. Diese Anstrengungen trugen zunächst nur langsam Früchte.151 Einen nicht zu unter
schätzenden Beitrag zum Aufschwung der Gitarre leistete die wissenschaftliche Beschäftigung mit
ihrer Geschichte. Als Beispiel ist in diesem Zusammenhang der Wiener Josef Zuth zu nennen. Er
schrieb seine Dissertation über „Simon Molitor und die Wiener Gitarristik um 1800“.152 Die histori
sche Forschung spielt nach Zuth eine zentrale Rolle im Bestreben, das Gitarrenspiel auf einen
„möglichst künstlerischen Stand“ zu heben: „Die historische Forschung auf dem Gebiet der Gitarre
musik ist eine Aufgabe, die wohl geraume Zeit noch ihrer Lösung harren und über deren Wert erst
zu urteilen sein wird, wenn die reiche internationale Fachliteratur gesichert und durchgearbeitet
ist.“153
55
Kapitel 3 Wiederentdeckung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Letztendlich waren die vielfältigen und offensichtlich auf zum Teil widersprüchliche Beweggründe
zurückzuführenden Versuche, die Gitarre wiederzubeleben, von Erfolg gekrönt. Der Trend zu ver
mehrter künstlerischer Betätigung auf der Gitarre setzte sich auch in den darauf folgenden Jahren
nahtlos fort. Ohne Zweifel wurde der erste Meilenstein dieser nachhaltigen Entwicklung zu Beginn
des 20. Jahrhunderts gelegt.154
154 Vgl. Päffgen 1992a, 12–13.
56
4 Vergleichende Betrachtung
Die Wiederbelebung der Gitarre in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts gestaltete sich als mehr
schichtiger Prozess. Auf der einen Seite avancierte die Gitarre zum Lieblingsinstrument der in der
Wandervogelbewegung organisierten Jugend; auf der anderen Seite etablierte sie sich dank des Ein
satzes einiger neu gegründeter Gitarrenvereine allmählich wieder als vollwertiges Konzertinstru
ment. Im Spannungsfeld zwischen Wandervogelbewegung und Sologitarristik stand die Jugendmu
sikbewegung. Deren Repräsentanten – namentlich Fritz Jöde, Gustav Wyneken, August Halm und
Richard Möller – stießen sich an der willkürlichen Verwendung von Gitarre und Laute in der Wan
dervogelbewegung. Noch um einiges kritischer standen sie indessen der Hinwendung der Sologitar
ristik zum Virtuosenkult des 19. Jahrhunderts gegenüber.155
Zu Beginn der 1920er Jahre wurden in Deutschland drei einschlägige Fachzeitschriften verlegt: „Der
Fritz Jöde und Erwin SchwarzReiflingen, waren einander beinahe feindselig gesinnt. Aus diesem
Grund ist es nicht weiter verwunderlich, dass gegenseitige Anregungen praktisch ausblieben.156
Die folgenden Abschnitte 4.1–4.3 stellen den Versuch dar, die musikalischen Zielvorstellungen und
einer vergleichenden Betrachtung zu unterziehen. Neben der umfangreichen gegenseitigen Kritik
werden auch etwaige Berührungspunkte diskutiert. Als Grundlage der Vergleiche dient vornehmlich
der Stellenwert, welcher der Gitarre in den einzelnen Bewegungen zukam.
155 Vgl. Willmitzer 1970, 129.
156 P. Schmitz 1995, 57.
57
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
4.1 Jugendmusikbewegung und Sologitarristik
4.1.1 Musikalische Ziele
Im Zentrum der Jugendmusikbewegung stand das Streben nach Gemeinschafts und Gebrauchsmu
sik sowie die Pflege alter Volks und Hausmusik.157 Die Sologitarristik hingegen wandte sich vor al
lem dem klassischen Gitarrenspiel zu, mit dem Ziel, die Tradition des 19. Jahrhunderts fortzuschrei
ben.158 Das Wiederaufblühen des Virtuosentums fand jedoch nicht nur Zustimmung. Fritz Jöde etwa
sah als Folge dieser Entwicklung die Einheit zwischen Musik und „Volk“ gefährdet.159 Auch August
Halm stellt in seinem Aufsatz „Musik und Leben“ kritisch fest:
„Vom Volk, auch dem gebildeten Teil werden sie [Künstler und Komponisten, M.P.] hier abgelehnt, dort be
staunt; aber auch das letztere ist längst keine Nachfolge. Sie haben strenggenommen keinen Einfluß auf das Mu
sikleben, obgleich sie die Konzertsäle füllen. Das Publikum […] begnügt sich bei dem Gefühl: mag uns Einzel
nes gefallen oder mißfallen – verstehen tun wir’s nun einmal nicht. Wir kommen nicht mehr mit.“160
Jödes Ansicht nach verbrachten die Sologitarristen zu viel Zeit mit „rein mechanischen spieltechni
schen Übungen“ und befassten sich nur unzureichend mit der Musik an sich.161 In der von Jöde her
ausgegebenen Zeitschrift „Die Laute“ wurde der Kritik an der Sologitarristik viel Platz eingeräumt,
was wesentlich dazu beitrug, dass die Gitarre in der Jugendmusikbewegung mehr und mehr auf Ab
Liedbegleitung zu etablieren, und trat vehement gegen die „heillose Verwirrung“ auf, welche seines
Glaubens in der Sologitarristik vorherrschte.162
hervor, dass die Begriffe „Gitarre“ und „Laute“ zur damaligen Zeit einigermaßen willkürlich ver
wendet wurden. Abgesehen von der Bauart wiesen die beiden Instrumente keine nennenswerten Un
terschiede auf; Stimmung und Besaitung waren jedenfalls ident. Daraus folgt natürlich, dass die von
157 Halm 1918b, 23.
158 Willmitzer 1970, 115.
159 P. Schmitz 1995, 59.
160 Halm 1918a, 11.
161 P. Schmitz 1995, 61.
162 Willmitzer 1970, 131. Vgl. P. Schmitz 1995, 61.
58
4.1 Jugendmusikbewegung und Sologitarristik
den Vertretern der Jugendmusikbewegung propagierte Laute kaum etwas mit den historischen Vor
bildern aus dem 16. und 17. Jahrhundert gemein hatte. Schließlich, wie SchwarzReiflingen schreibt,
sei die Kluft zwischen „unserm heutigen Musikhören und empfinden“ und dem des 16. Jahrhun
derts unüberbrückbar.163 Ernst Duis vertritt in seinem Aufsatz „Das Lied zur Laute“ gar die These,
dass die Laute erst neu entdeckt werden müsse.164 Jöde reagierte auf diese Aussagen, indem er den
Sologitarristen mangelndes Verständnis der Alten Musik unterstellte: „[…] von deren Musikauffas
sung uns allerdings eine Kluft trennt, eine weit größere Kluft, als von der alten Lautenmusik.“165
Überhaupt hatte Jöde einiges an den so genannten Altmeistern der Gitarristik auszusetzen. Er kriti
sierte deren Kompositionen, die seiner Meinung nach musikalisch nicht mit dem Standardrepertoire
der Organisten und Pianisten mithalten könnten.166 „Hier schieden sich deutlich die Geister. Zwei
extreme Musikanschauungen stießen aufeinander. Auf der einen Seite die […] der Gitarristik […],
auf der anderen Seite die von Fritz Jöde vertretene Anschauung, die für die ‚Erneuerung aus dem
Geiste der Jugend‘ immer maßgeblicher wurde.“167
ristik auch eine Gemeinsamkeit, nämlich die unverhohlen geäußerte Geringschätzung der Wander
vogelbewegung. Tatsächlich rührte die Ablehnung der Gitarre in der Jugendmusikbewegung von der
Wandervögel her.168 Auch den Vertretern der Sologitarristik war der unreflektierte Begleitstil in der
Wandervogelbewegung ein Dorn im Auge. Fritz Buek sah darin ein Moment, welches den Verfall
des künstlerischen Gitarrenspiels begünstigte.169
163 SchwarzReiflingen 1919a, 10.
164 Duis, Ernst, „Das Lied zur Laute“, Hg. Erwin SchwarzReiflingen, LautenAlmanach auf das Jahr 1919. Ein Jahr
und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und des Volksliedes, BerlinPan
kow 1919, 91, fortan zitiert als: Duis 1919.
165 Jöde, Fritz, „Lauter Sand, nicht ein Felsen“, Die Laute, 4, 1920/1921, 22, zitiert nach: P. Schmitz 1995, 60.
Vgl. Willmitzer 1970, 132.
166 P. Schmitz 1995, 60.
167 Willmitzer 1970, 132.
168 Wyneken, Gustav, „Vorkunst“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugendbewegung,
Hamburg 1918, 50, fortan zitiert als: Wyneken 1918a.
169 Vgl. Buek 1926, 126.
59
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
4.1.2 Gitarre oder Laute?
Verdrängung der populären Gitarre durch die Laute herbeiführen. „Die Laute sollte als Gegenmo
dell zur Gitarre für die Jugendmusikbewegung die Erneuerung der Musikausübung auf der Grundla
ge der Rückbesinnung auf die Alte Musik vorantreiben helfen.“170 Die Gitarre geriet ob ihrer Ver
wendung für solistische Vorträge klassischer Literatur in Verruf und wurde den mechanischen (und
musik im 15. und 16. Jahrhundert, das heißt in der Blütezeit der Laute, vermutete, verkörperte die
Laute das ideale Vehikel zur Realisierung der zentralen Zielvorstellung des häuslichen Musizierens.
Richard Möller schreibt zu diesem Thema:
„In der eigentlichen Blütezeit der Laute, also im 15. und 16. Jahrhundert, spielte sich nun das ganze Leben ja
auch entschieden mehr in häuslichem Kreise ab; – man war nicht so vom Strudel öffentlicher Veranstaltungen
mitgerissen wie heute. Daher war auch die Musik damals mehr diesen ganzen Verhältnissen angepaßt; d.h. man
trieb mehr Haus und Kammermusik.“172
Wer aber spielte die von der Jugendmusikbewegung vehement beworbene Laute? Am bekanntesten
– wenn auch spieltechnisch auf nur mäßigem Niveau – waren die zur so genannten Lautenliedbewe
gung gehörenden Musiker, namentlich Robert Kothe, Sven Scholander und Elsa Laura von Wolzo
gen.173 Fritz Buek schreibt über Robert Kothe, der ganz Deutschland bereiste und zahlreiche Konzer
te gab: „Das Lied zur Laute verdankt ihm eine ganze Reihe wertvoller Entdeckungen unbekannter
Volkslieder und eigener Vertonungen, die alle eine gute melodische Linie zeigen. […] Trotz alledem
vermochte auch er es nicht, das Lied zur Laute einer höheren Entwicklung zuzuführen, da auch ihm
die spieltechnischen Mittel fehlten.“174 Ebendieser Umstand zeichnete dafür verantwortlich, dass die
170 P. Schmitz 1995, 62.
171 FunkHennigs 1987, 223.
172 Möller 1918, 166. Vgl. P. Schmitz 1995, 62.
173 Päffgen, Peter, „Wiederbelebungsversuche. Die Gitarre zu Anfang des XX. Jahrhunderts. Teil 3. Die Laute und
wir!“, Gitarre & Laute, 5/1992, 57, fortan zitiert als: Päffgen 1992b.
174 Buek 1926, 123.
60
4.1 Jugendmusikbewegung und Sologitarristik
letztendlich auch nicht wert, sich um des Erlernens einiger Volkslieder willen einem umfangreichen
Studium zu unterziehen.175
Gemäß Möllers Auffassung war die Laute das allererste Instrument, welches zur Wiedergabe poly
phoner Musik eingesetzt wurde, und über mehrere Jahrhunderte die bedeutendste Trägerin der Poly
phonie.176 Vorzugsweise wurde dieses historische Argument von den Protagonisten der Jugendmu
sikbewegung ins Treffen geführt, wenn es darum ging, die Laute als Gegeninstrument zur Gitarre zu
quent über die zur Blütezeit der Laute ebenso bedeutsame Höfische Musik hinweggesehen. Außer
dem ist Schmitz’ Ansicht nach zu bedenken, dass der „Begriff ‚Hausmusik‘ erst im 19. Jahrhundert
aufkam, als eine große Verbreitung der Hausmusik im Bürgertum – nicht zuletzt auch mit Hilfe der
damaligen Gitarre – spürbar wurde“.177 Ähnlich kritisch erörtert Konrad Wölki die Wiederbelebung
der alten Lautenspielkunst durch die Jugendmusikbewegung:
„Einige, die tiefere musikalische Neigungen zeigten, suchten das eigene Gesicht des Jugendmusizierens auf dem
Wege über die Wiederbelebung der alten Lautenspielkunst zu gewinnen. Vor lauter Historismus gelang es aber
den damaligen Experten der Zupfmusik nicht, in wirklich musizierfreudiges Neuland vorzudringen.“178
Vertreter der Sologitarristik schließlich machten immer wieder darauf aufmerksam, dass die zur Zeit
der Jugendmusikbewegung gespielte Laute nur wenig mit ihren historischen Vorbildern gemein hat
te. Ursprünglich unterschied sich die Laute von der Gitarre nämlich nicht nur durch ihren charakte
ristisch gewölbten Körper, sondern auch durch ihre völlig andere Stimmung sowie ihre Doppelchö
rigkeit. Erwin SchwarzReiflingen resümiert:
„Wir haben es bei unserm heutigen Instrument mit einer Gitarre zu tun und müßten auch die birnförmigen, lau
tenähnlichen Instrumente richtiger als Gitarrenlaute, moderne Laute, oder Laute mit Gitarrenstimmung bezeich
nen. Leider wurde an Stelle des richtigen ‚Gitarre‘ oft das wohl besserklingende, suggestivere Wort ‚Laute‘ ge
braucht, und selbst von musikwissenschaftlich geschulten Führern der Gitarrenbewegung wurden beide Bezeich
nungen, oft ganz willkürlich, angewendet.“179
175 Buek 1926, 124.
176 Möller 1918, 165.
177 P. Schmitz 1995, 62.
178 Wölki 1956, 85.
179 SchwarzReiflingen 1919a, 11.
61
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
Möller konnte dieser Argumentation naturgemäß wenig abgewinnen. Nachdem die Stimmung und
die Saitenanzahl der Lauteninstrumente im Laufe der Jahrhunderte fortwährend variiert worden wa
ren, hielt er es für unzulässig, genau diese Eigenschaften zur Charakterisierung der Laute heranzu
ziehen.180
Alles in allem war es für die Jugendmusikbewegung von großer Wichtigkeit, sich gegen die Sologi
Musik und zur Pflege des häuslichen Musizierens glaubte man die eigenen musikalischen Vorstel
lungen bestmöglich umsetzen zu können. Das von der Sologitarristik ins Zentrum gerückte Reper
toire des beginnenden 19. Jahrhunderts wurde im Grunde gänzlich abgelehnt. Schmitz mutmaßt,
dass bei Überwindung der auf rein ideologischen Differenzen beruhenden Antipathie zwischen Ju
von Gitarre und Laute ein Ende zu bereiten und die beiden Instrumente ein für alle Mal in der Mu
sikwelt des 20. Jahrhunderts zu verankern. „Dies wäre aber wohl nur durch ein gemeinsames Bemü
hen der Jugendmusikbewegung und der Gitarristen möglich gewesen.“181
4.1.3 Repertoire
klarerweise mit erheblichen Unterschieden im jeweils angestrebten Repertoire einher. Während die
Gitarristische Bewegung die virtuose Gitarrenliteratur des frühen 19. Jahrhunderts zu erschließen
suchte, setzte die Jugendmusikbewegung den Schwerpunkt auf das Lautenspiel und die Wiederbele
bung der Alten Musik. Die Sologitarristen wurden ob ihres Hangs zur Steigerung der reinen Virtuo
sität häufig kritisiert, im Besonderen von Fritz Jöde: „[Dieser, M.P.] sah in der Erziehung zur Vir
tuosität einen sozialen Notstand, in dem der Musiker gezwungen war, ‚nicht etwa ein Leben in Mu
sik‘, sondern in ständiger Besorgnis um die Steigerung seiner Technik zu führen.“182 Darüber hinaus
180 P. Schmitz 1995, 64.
181 P. Schmitz 1995, 64.
182 Willmitzer 1970, 135.
62
4.1 Jugendmusikbewegung und Sologitarristik
bemängelte Jöde, dass die Harmonik der von den Altmeistern der Gitarristik komponierten Stücke
kaum über die erste und fünfte Stufe hinausgeht.183 Sobald einen dieser Komponisten sein musikali
scher Erfindungsgeist im Stich zu lassen scheint, kommt ihm die Gitarre zu Hilfe, auf der man
„stundenlang klimpern kann, ohne eigentlich etwas gesagt zu haben“184.
Schließlich missbilligte Jöde den großteils homophonen Charakter der klassischen Gitarrenkompo
sitionen. Doch auch in der Jugendmusikbewegung wurde die Polyphonie nicht von Beginn an for
ciert. Der „Zupfgeigenhansl“ umfasste zunächst ausschließlich einstimmige Melodien mit Gitarren
begleitung. Zwei und dreistimmige Liedsätze, anfangs noch stark an den „einfachen harmonischen
Abläufen der Klampfenbegleitung von einst“ orientiert, wurden erst im Laufe der Zeit ins Repertoire
aufgenommen.185 Über die Melodien von der Gregorianik bis zum Frühbarock glaubten die Anhän
ger der Jugendmusikbewegung zu einer Art „überpersönlichen Wahrheit“ zu gelangen, und: „Basie
grund. Diese Tendenz manifestierte sich in einem neuartigen, „linearen“ Begleitstil, welcher im
Lautenspiel mehr und mehr zu hören war.
Gerhard Willmitzer sieht die Geringschätzung des schematischen Akkordgriffs als möglichen Be
rührungspunkt zwischen Jugendmusikbewegung und Sologitarristik. Letzten Endes zielten die Solo
gitarristen jedoch einzig auf die „Pflege des akkordlichhomophonen Spiels entsprechend den Meis
terwerken der klassischen Gitarre“ ab.187 Diese Werke waren ohne ein höheres spieltechnisches Stu
dium kaum zu bewältigen und standen somit weit abseits des jugendmusikalischen Ideals der Ge
meinschafts und Gebrauchsmusik.188
183 P. Schmitz 1995, 60.
184 Jöde, Fritz, „Lauter Sand, nicht ein Felsen“, Die Laute, 4, 1920/1921, 20, zitiert nach: P. Schmitz 1995, 60.
185 Ehrhorn, Manfred, „Das chorische Singen in der Jugendmusikbewegung – Erneuerungsbestrebungen nach 1900“,
Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmusikbewegung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel/Zürich 1987, 44,
fortan zitiert als: Ehrhorn 1987.
186 Ehrhorn 1987, 45.
187 Willmitzer 1970, 134.
188 Willmitzer 1970, 135.
63
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
Ein erster Versuch, diverse Instrumental und Vokalstücke im Bereich der Lautenmusik zu sammeln,
wurde mit der Herausgabe des „Jahrbuchs der Neudeutschen Künstlergilden“ unternommen. Dieses
enthält vornehmlich einfache deutsche Hausmusik, darunter etliche für das Lautenspiel adaptierte
Klavierstücke. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass dem Jahrbuch unter den Anhängern der Solo
gitarristik nur geringe Anerkennung zuteil wurde, zumal die darin gesammelten Kompositionen in
vielerlei Hinsicht nicht mit den Werken von Sor oder Carcassi mitzuhalten vermögen.189 Und genau
diese Werke aus der Zeit der Gitarrenblüte waren in der Sologitarristik gleichsam von existenzieller
Bedeutung, da sie das Fundament für die zentrale Zielvorstellung, die Gitarre wieder als vollwerti
ges Konzertinstrument zu etablieren, bildeten.
4.2 Wandervogelbewegung und Sologitarristik
4.2.1 Musikalische Ziele
Rolle, als die gesungenen und gespielten Lieder hauptsächlich der reinen Unterhaltung sowie der
Förderung von Geselligkeit dienten. Dementsprechend ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich
im Hinblick auf die musikalischen Zielvorstellungen keine nennenswerten Gemeinsamkeiten mit der
Sologitarristik feststellen lassen. Eine Bewegung wie die der Wandervögel wird ihre Intentionen na
turgemäß eher emotional als rational begründen und ihre Anhänger vor allem durch die Vermittlung
einer Art kollektiven „Lebensgefühls“ an sich zu binden suchen.190 Das gemeinsame Lebensgefühl
stellte auch für den Herausgeber Hans Breuer das Hauptkriterium bei der Zusammenstellung des im
„Zupfgeigenhansl“ veröffentlichten Liedguts dar:
„Die Qualitätsmaßstäbe, die er bei der Auswahl von Liedern für den ‚Zupfgeigenhansl‘ entwickelte, sind vor al
lem als Gegenbegriffe dessen zu verstehen, was für Breuer der Begriff ‚Zivilisation‘ beinhaltete; die Kriterien
sind nicht als spezifisch musikalische zu verstehen und auch auf die musikalische Faktur kaum übertragbar. Posi
tive Kriterien sind für Breuer Eigenschaften wie ‚alt‘, ‚echt‘, ‚rein‘, ‚schlicht‘. Sie bilden eine spezifische Gedan
kenmixtur von Funktion, Geschichte, emotional erspürter musikalischer Struktur und symbolischer Bedeutung
189 Willmitzer 1970, 141.
190 Giesecke, Hermann, Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend. Jugendarbeit zwischen Politik und Pädagogik, http://
www.5tc1.de/giesecke/wvtot.pdf, Stand: 16.12.2010, 17. Vgl. Willmitzer 1970, 3.
64
4.2 Wandervogelbewegung und Sologitarristik
des Volksliedes, die Hans Breuer aus einer antizivilisatorischen, vitalistischen Grundhaltung heraus zum idealen
Gegenbild stilisierte. Diese Besinnung auf das Volkslied ging bei den Wandervögeln Hand in Hand mit einer Ab
lehnung der ‚Erwachsenenkultur‘, auf musikalischem Gebiet all dessen, was zum herrschenden Musikleben, sei
es im Konzertsaal oder im Salon gehörte.“191
Fritz Buek kritisierte an der Wandervogelbewegung nicht nur das unreflektiert ausgewählte Reper
toire, sondern vor allem auch die gedankenlose Verwendung der Gitarre als Begleitinstrument. In
Letzterem sah er nichts weniger als den prinzipiellen Grund für den niedrigen Stellenwert, an dem
das Instrument im Musikleben der damaligen Zeit zu tragen hatte: „Es war viel guter Wille dabei,
aber wenig Können, wenig Fertigkeit und Ausgereiftheit, aber trotz alledem griff die Bewegung um
sich und besaß so viel werbende Kraft, daß immer mehr Anhänger ihr zuströmten und den Boden
für eine volkstümliche Betätigung mit der Gitarre bereiteten.“192
Der banale Begleitstil der Wandervögel war im Grunde unvereinbar mit den musikalischen Zielvor
stellungen, die von der Gitarristischen Bewegung vorgegeben wurden. Heinrich Scherrer, eines der
Kernmitglieder der Münchner Ortsgruppe des Internationalen Gitarristenverbandes (IGV),193 ver
langte daher im Vorwort zur vierten Auflage des „Zupfgeigenhansl“ unmissverständlich eine Steige
rung der Qualität beim Gitarrenspiel.194 Doch auch Scherrer fehlten die wirklich großen gitarristi
Verbesserungen des Begleitspiels nach sich zogen. Das augenscheinliche Interesse Scherrers für das
chen Lauten und GitarreSchule“. Obwohl sich rasch eine beträchtliche Nachfrage nach diesem
Lehrwerk einstellte, wurde es nicht von jedermann in der Gitarristischen Bewegung positiv aufge
nommen.195 Olaf Goeke ruft jedoch zu Recht in Erinnerung, dass die wenigen Berührungspunkte
191 Kolland 1979, 143.
192 Buek 1926, 120.
193 Huber 1995, 83.
194 Breuer 251923, Vorwort, o.S. Vgl. Willmitzer 1970, 10.
195 Vgl. Buek 1926, 133.
65
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
zwischen Sologitarristik und Wandervogelbewegung allein der Tätigkeit Scherrers als Herausgeber
volkstümlicher Gitarrenschulen und Koautor des „Zupfgeigenhansl“ zu verdanken sind.196
4.2.2 Dilettantisches Begleitspiel auf der Gitarre
Die in der Wandervogelbewegung übliche Zupfgeigenbegleitung spielte sich technisch auf niedrigs
tem Niveau ab. Schon Fritz Jöde bemühte hierfür den heutzutage wohl bekannten und wenig
schmeichelhaften Terminus „SchrummSchrummBegleitung“. Das Zusammenspiel der Gitarristen
gestaltete sich typischerweise in einem wilden Durcheinander, in dem des Öfteren nicht ein jeder
wusste, welcher Hauptdreiklang gerade gespielt werden sollte.197 „Wenn da zehn mehr oder weniger
verständnisinnig auf Gitarren, von denen höchstens sechs gestimmt sind, mitspielen, da kann man
wohl in Verzweiflung geraten.“198
Heinrich Scherrer, Mitbegründer der Gitarristischen Bewegung, war einer der Ersten, der das unbe
kümmerte Gitarrenspiel der Wandervögel bemängelte. Wie schon erwähnt, versuchte er durch seine
Mitarbeit am „Zupfgeigenhansl“ und die Veröffentlichung einer speziell auf die Wandervogelbewe
gung zugeschnittenen Gitarrenschule, eine grundlegende Reform der volkstümlichen Gitarrenbe
gleitung herbeizuführen. Gerhard Willmitzer beschäftigte sich im Rahmen seiner Dissertation mit
den Intentionen Scherrers und analysierte den Inhalt dessen „Kurzgefaßter, volkstümlicher Lauten
und GitarreSchule“. Willmitzers Analyse zufolge beschränkt sich das Scherrersche Lehrwerk auf
die Akkordbegleitung einfacher Volkslieder. Die Musiklehre wird eher fragmentarisch in Form ei
ner einfachen übersichtlichen Darstellung abgehandelt, und die spieltechnischen Übungen weisen
relativ wenig Bezug zu den Liedbeispielen auf. Von ungemein höherer Qualität sind laut Willmitzer
die spielpraktischen Anleitungen: Scherrer legt viel Wert auf die richtige Haltung der Gitarre beim
196 Goeke 1994, 34. Vgl. Willmitzer 1970, 117. Willmitzer setzt zwischen Scherrers Anfängen und dem Aufkommen
der Sologitarristik einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten. Erst in den 1920er Jahren galt Scherrers Akkordbe
gleitung unter Musikwissenschaftlern und den Vertretern der Sologitarristik generell als überholt.
197 Willmitzer 1970, 3.
198 SchwarzReiflingen, Erwin (Hg.), „Das Zusammenspiel. Ein Wort an die Wandervögel“, LautenAlmanach auf das
Jahr 1919. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und des Volks
liedes, BerlinPankow 1919, 63, fortan zitiert als: SchwarzReiflingen 1919d.
66
4.2 Wandervogelbewegung und Sologitarristik
Begleitspiel und geht ausführlich auf die Bewegungen der Anschlagshand ein. „Die von ihm ge
pflegten Begleitfiguren kann man sich auch heute nicht mehr aus Volksliederbüchern mit Gitarren
begleitung wegdenken.“199 Wenige Jahre nach Scherrer veröffentlichte auch Heinrich Albert ein Gi
tarrenlehrwerk. Sein „Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels“ legt den Schwerpunkt
ein.200
Die meisten Akteure der Gitarristischen Bewegung forcierten einzig das zur Zeit der Gitarrenblüte
des 19. Jahrhunderts vervollkommnete virtuose Solospiel und konnten Scherrers Vorschlägen zur
Kultivierung des Gitarrenspiels nur wenig abgewinnen.201 Manche nahmen diese sogar als veritable
Gefahr für die Weiterentwicklung der Gitarre als Soloinstrument wahr.202
„[…] so ist es heute der Überdilettantismus auf diesem Gebiete, der den gebildeten Musiker abstoßen muß. Die
verbreitete Vorstellung, daß wenige Monate, ja Wochen genügen, das Gitarrespiel zu erlernen, führt denn auch
zur Praxis, den Liedgesang mit einigen zur Not erlernten Akkordgriffen in mehr schablonenhafter als harmoni
scher Weise zu stützen.“203
Doch auch unter den Verfechtern des reinen Solospiels existierte zur prinzipiellen Rolle der Gitarre
und zu ihrer korrekten Handhabung stets eine Reihe mehr oder weniger divergierender Ansichten.
Der Mangel an echten Vorbildern war offensichtlich und wurde erst im Zuge der Einladung spani
freilich eher langsam in Gang. Nichtsdestoweniger leitete dieser Prozess, unterstützt durch steigen
des theoretisches Interesse, eine nachhaltige Professionalisierung des Gitarrenspiels im deutschen
Sprachraum ein.205
199 Willmitzer 1970, 16.
200 Huber 1995, 65.
201 Vgl. Huber 1995, 182. Die „Tradierung des gitarristischen Solospiels“ beschränkte sich zunächst auf einen relativ
kleinen Kreis. Dagegen lässt die von Scherrer ausgelöste „Schwemme von konzertierenden Lautensängern und
komponisten“ einen starken populistischen Zug erkennen.
202 Willmitzer 1970, 101. Vgl. Buek 1926, 126.
203 Zuth 1919, 74.
204 Vgl. Huber 1995, 174.
205 Vgl. Huber 1995. Vgl. Goeke 1994.
67
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
4.2.3 Repertoire
Die Vertreter der Sologitarristik übten durchwegs intensive Kritik am Repertoire der Wandervögel.
Da Letztere ihre Lieder nach emotionalen Kriterien auswählten, blieben die Inhalte des Singens und
„Klampfens“ improvisiert und spontan.206 Doch auch in der Gitarristischen Bewegung genügte das
Repertoire zunächst nur mäßigen Ansprüchen. Ganz klar dominierten in der Anfangszeit volkstüm
unterzog die Konzertprogramme und Kataloge des Internationalen Gitarristenverbandes (IGV) und
seiner Nachfolgerin, der Gitarristischen Vereinigung, einer genaueren Untersuchung. Dabei kam er
zu folgendem Schluss:
„Gesammelt wurde also vor allem auch Musik, die ästhetisch als schlecht angesehen wurde. Sie spielte zwar in
den Veröffentlichungen der beiden Verbände [München und Augsburg, M.P.] nur eine kleine Rolle, in ihren
Sammlungen jedoch eine umso größere, woraus – zusammen mit den Erkenntnissen aus der Betrachtung der
Konzertprogramme, geschlossen werden darf, daß solche Musik intern in den Vereinen ihren Platz gefunden hat
te.“208
Im Zuge der Etablierung des IGV stieg die Anzahl der Mitglieder, welche höhere musikalische Ziele
verfolgten. Nichtsdestoweniger beherbergte der IGV auch weiterhin reine Amateurmusiker (darunter
einige Musiklehrer), deren Repertoire auf volkstümliche Unterhaltungsmusik und geselliges Ensem
blespiel beschränkt war.209 Zu den Mitgliedern mit dem größten künstlerischen Anspruch zählte
zweifelsohne der sowohl in der Münchner als auch in der Augsburger Ortsgruppe tätige Fritz Buek.
Er stand in strikter Gegnerschaft zum dilettantischen Repertoire der Wandervogelbewegung und sah
fortschreitende Verflachung des Gitarrenspiels: „Wohl hatten Scherrer und auch andere betont, daß
das Solospiel für den Sänger zur Gitarre auch zu pflegen sei, aber die meisten der neuen Schulen,
die erschienen, waren ganz auf den Gesang zur Gitarre eingestellt und brachten statt Übungsstoff
nur Unterhaltungsmusik; […].“210
206 Kaschuba 1989, 42.
207 Vgl. Huber 1995, 199–250. Vgl. Goeke 1994, 74.
208 Huber 1995, 205.
209 Huber 1995, 165.
210 Buek 1926, 133. Vgl. Willmitzer 1970, 101.
68
4.2 Wandervogelbewegung und Sologitarristik
Heinrich Scherrer hatte als Koautor des „Zupfgeigenhansl“ einen ernsthaften Versuch unternom
men, den Begleitstil der wandernden Jugend nachhaltig zu verbessern. Wie Gerhard Willmitzer in
seiner Dissertation „Die Volksliedbegleitung auf der Gitarre (Laute) und das Lautenlied in der Zeit
der deutschen Jugendbewegung (1900–1932)“ aufzeigt, legte freilich auch Scherrer den meisten Lie
dern eine einfache Hauptstufenharmonik zu Grunde, ohne dem jeweiligen musikhistorischen Hinter
grund Rechnung zu tragen.211
Nach dem Ersten Weltkrieg änderten sich die Rahmenbedingungen für die Gitarristik, was dazu
führte, dass der von Scherrer gelehrte Begleitstil immer kritischer betrachtet wurde. Darüber hinaus
begannen sich das steigende Interesse für die Geschichte der Gitarre und die vermehrte didaktische
Auseinandersetzung mit dem Instrument auf das Repertoire auszuwirken.212 Ungeachtet dessen
konnte sich die Gitarre auch weiterhin nicht gänzlich vom Image des reinen Begleitinstruments lö
sen. Jahre später erzählte etwa Luise Walker, eine Pionierin des virtuosen Solospiels im deutsch
sprachigen Raum:
„Schaun Sie, wenn mich jemand gefragt hat ‚Spielen Sie ein Instrument?‘ und ich gesagt habe ‚Gitarre‘, kam die
Antwort ‚Ah ja, was singen Sie denn?‘. Jeder hat also geglaubt ich singe. Wenn ich dann gesagt habe ‚nein, ich
singe nicht dazu‘, dann herrschte betroffenes Schweigen und man hat mitleidsvoll nichts mehr darüber gesagt.
Aber es war immer mitleidsvoll! […] Nicht einmal Musiker hatten seinerzeit die Gitarre als Soloinstrument aner
kannt.“213
4.3 Wandervogelbewegung und Jugendmusikbewegung
4.3.1 Musikalische Ziele
Die Jugendmusikbewegung ging aus heutiger Sicht direkt aus der zu Beginn des 20. Jahrhunderts
entstandenen Wandervogel und Jugendbewegung hervor.214 Gegen Ende des Ersten Weltkrieges ma
nifestierte sich in der Jugendbewegung eine Strömung, die sich vollauf der Alten Musik, das heißt
der Musik vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, zuwandte. Verantwortlich für diese Entwicklung zeich
211 Willmitzer 1970, 12. Vgl. P. Schmitz 1995, 58.
212 Goeke 1994, 76.
213 Wolff, Robert, „Interview mit Luise Walker“, nova giulianiad, 8/1986, 216, fortan zitiert als: Wolff 1986.
214 Funck 1987, 63.
69
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
neten im Besonderen Gustav Wyneken, August Halm, Richard Möller, Fritz Jöde und Walther Hen
sel. Sie veröffentlichten zahlreiche Schriften und erreichten dadurch eine rasche Verbreitung ihrer
neuartigen musikalischen Anschauungen.215
Im Jahr 1918 brachte Fritz Jöde das Buch „Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugend
bewegung“ heraus, an welchem – bis auf Walther Hensel – auch die übrigen der eben erwähnten
Personen als Koautoren mitgearbeitet hatten. Zentrale Forderung dieses Buches ist die Anhebung
des generell niedrigen musikalischen Bildungsniveaus. Mit Nachdruck ruft Jöde im Geleitwort zur
Aufsatz „Vorkunst“ scharfe Kritik am Zustand der zeitgenössischen Jugendkultur:
„Die bisherige Jugendkultur des Wandervogels ist noch keine Kultur und auch nicht die Vorstufe zu einer, son
dern ihr vorläufiger Ersatz. Bei aller Liebe zu dieser Bewegung muß ich es doch aussprechen, daß ihre bisherige
Kultur, wenn man sie ganz ernst nehmen und konsequent fortentwickeln wollte, zu Mittelmäßigkeit, Banalität
und Kitsch führen würde.“217
Wyneken pochte darauf, dass eine Neuorientierung der musikalischen Jugendkultur auf Basis einer
„strengeren Auslese“ zu erfolgen habe. In diesem Sinne forderte er eine Vertiefung bei der Pflege
des Liedes und des Lautenspiels sowie die Berücksichtigung objektiver Maßstäbe bei der Auswahl
und Beurteilung des Repertoires.218 Dringenden Handlungsbedarf sah auch August Halm:
„Ich hörte zusammen mit einem Feldgrauen auf dem Stuttgarter Schloßplatz ein Konzert von ‚Ritters Knaben
musik‘, das uns beide als Musikfreunde, aber noch weit mehr als Freunde der Jugend tief beelendete und anwi
derte: solche Verrohung, Verdummung und Vergiftung musikalischen Empfindens wähne man doch nun und
nimmer mit irgend welchem noch so guten Zweck zu heiligen!“219
gung, geboren.
215 Willmitzer 1970, 129.
216 F. Jöde 1918a, 6.
217 Wyneken 1918a, 53.
218 Wyneken, Gustav, „Grundsätzliches zur Führerfrage“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus
der Jugendbewegung, Hamburg 1918, 73, fortan zitiert als: Wyneken 1918b.
219 Halm 1918a, 13.
70
4.3 Wandervogelbewegung und Jugendmusikbewegung
4.3.2 Ablehnung der Zupfgeige
Trotz ihres unmittelbaren Bezugs zur Wandervogelbewegung wandten sich die Vertreter der Jugend
musikbewegung strikt gegen die laienhafte Zupfgeigenbegleitung der Wandervögel.220 Für Fritz
Jöde stand außer Zweifel, dass es „mit unserer Zupfgeigenbegleitung nicht so weiter gehen könne
wie bisher“.221 Nach Richard Möllers Tod 1918 ergriff Jöde die Gelegenheit und übernahm die Her
ausgabe der etablierten Zeitschrift „Die Laute“. Vermöge dieser Position gelang es ihm, seine musi
kalischen Zielvorstellungen zum Großteil durchzusetzen und die missbilligte Lautenromantik weit
Laute (Gitarre) anfangs überhaupt ablehnte, da sie angeblich der freien Entfaltung der Musik ‚durch
ihren Willen zur Einfachheit und ihre griffliche Beschränktheit‘ entgegenstand, […].“222 Jöde war
der Auffassung, dass rein praktische Erwägungen den Aufstieg der Gitarre zum primären Begleitin
strument für Volkslieder bedingt hatten. Wirkliche musikalische Gründe für die überaus weite Ver
das melodische Begleitspiel auf der Laute. Dieses sollte an die Stelle des in seinen Augen primitiven
Akkordspiels der Wandervögel treten.224
Jöde und sein Vorgänger Möller unternahmen ohne Frage die größten Anstrengungen, die Laute und
Scherrer und Robert Kothe, entsprechend ihrem jeweiligen Verständnis von der polyphonen Musik
des 15. und 16. Jahrhunderts, neue Maßstäbe beim Lautenspiel zu setzen.226
220 FunkHennigs 1987, 221.
221 F. Jöde 1918b, 159.
222 Willmitzer 1970, 133.
223 F. Jöde 1918b, 160.
224 Willmitzer 1970, 134.
225 FunkHennigs 1987, 222.
226 Vgl. Willmitzer 1970, 9.
71
Kapitel 4 Vergleichende Betrachtung
4.3.3 Repertoire
machte man sich kaum Gedanken über die Qualität der gesammelten und veröffentlichten Lieder.
Diesen arglosen Umgang mit dem Volkslied wollten die Protagonisten der Jugendmusikbewegung
künstlerischer Bedeutung sei.228 Zudem stellten sie entschieden den Status der Gitarre als natürli
ches Begleitinstrument für Volkslieder infrage. Jöde schreibt in diesem Zusammenhang: „Es ist be
zeichnend, daß die Kritik an unserer Musik zuerst am Begleitinstrument und nicht beim Liede selbst
einsetzte.“229
Zu Beginn orientierte sich das Repertoire der Jugendmusikbewegung stark am Liedgut der Wander
vogelbewegung – vieles wurde im Endeffekt direkt übernommen. Auch der allgegenwärtige „Zupf
geigenhansl“ spielte eine wichtige Rolle.230 Mit der Veröffentlichung zahlreicher neuer Liederbücher
Richtung Alte Musik.231
227 Jöde, Ulf, „Liedsatzbeiträge in der deutschen Jugendmusikbewegung und späteren Veröffentlichungen im Rahmen
dieser Tradition“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmusikbewegung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüt
tel/Zürich 1987, 56, fortan zitiert als: U. Jöde 1987.
228 Funck 1987, 63.
229 F. Jöde 1918b, 160.
230 Kolland 1979, 91.
231 Willmitzer 1970, 129.
72
5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
In diesem Kapitel soll die Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires in der Gitarrenliteratur
des beginnenden 20. Jahrhunderts aufgezeigt werden. Abschnitt 5.1 präsentiert hierzu Auszüge aus
ten“232 sowie den Konzertprogrammen der vom Internationalen Gitarristenverband (IGV) veranstal
teten Gitarristentage233. Zweifelsohne kann daraus geschlossen werden, dass die alpenländische
Volksmusik stets einen nennenswerten Einfluss ausübte und selbst in der Sologitarristik eine nicht
zu vernachlässigende Rolle spielte.
Abschnitt 5.2 widmet sich – als Kernstück dieses Kapitels – der Analyse einer Auswahl von Gitar
renschulen, die im Zeitraum zwischen 1890 und 1920 herausgegebenen wurden. Infolge der wach
senden Beliebtheit der Gitarre stieg der Bedarf an adäquatem Notenmaterial schnell an. Dies mün
dete in der Veröffentlichung zahlreiche Gitarrenschulen, welche zwar allesamt das Ziel verfolgten,
das Erlernen des Instruments professioneller zu gestalten, trotzdem aber eindeutig auf die grund
sätzlichen Bedürfnisse von Liebhabern und Dilettanten zugeschnitten waren.234 Es ist nicht verwun
derlich, dass die Herausgeber dieser oft explizit auch für den „Selbstunterricht“ gedachten Lehrwer
ke dem volksmusikalischen Repertoire und im Besonderen der Volksliedbegleitung viel Raum ga
Schule“: „Ein ausgiebiges Tonleitern und Arpeggienstudium wird rasch vorwärts bringen. Und die
Volkslieder dürften dazu beitragen, das Instrument populär zu machen.“236
232 http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm, Stand: 16.12.2010.
233 Huber 1995, 165–192.
234 Buek 1926, 115–130.
235 Vgl. Albert, Heinrich, Moderne Lauten oder GitarreSchule. Zum Selbstunterricht besonders geeignet, Leip
zig 1911, fortan zitiert als: Albert 1911.
236 Albert 1911, 3.
73
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
5.1 Hofmeister Monatsberichte und Gitarristentage des IGV
5.1.1 Hofmeister Monatsberichte
Die folgende auf den „Hofmeister Monatsberichten“237 beruhende Tabelle erfasst das zwischen 1900
und 1920 in der Sparte „Musik für Gitarre“ veröffentlichte Notenmaterial, welches dem volksmusi
kalischen Genre zugeordnet werden kann. Gitarrenschulen sind darin nicht berücksichtigt. Darüber
hinaus erfolgte die Auswertung der „Hofmeister Monatsberichte“ allein anhand der Werktitel. Infol
gedessen erhebt die Tabelle keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt lediglich einen
Überblick dar.
1900 Kein Eintrag.
1901 WAGNER, J. F.
In unserer Muttersprache. Original Wienerlieder u. Tänze f. 2 V., Guitarre u. Harmoni
ka. Wien, Eberle.
1902 GÖTZ, Alois.
Alpenrosen. Ländler f. 1 Guitarre od. f. 2 Guitarren. Offenbach, André.
1903 STÖCKIGT, L.
Auf dem Berge. Ländler f. 1 V. m. Guitarre od. f. 2 V. m. Guitarre. Heilbronn, Schmidt.
1904 Kein Eintrag.
1905 BÖCK, W.
Sammlung gefälliger u. leicht spielbarer Unterhaltungsstücke f. 1 od. mehrere Guitarren.
Trier, Hoenes.
Heft 1: Alpengrüsse/Ländler – In schöner Stunde/Ländler – Herzblümerl/PolkaMazurka – Amalie/Polka.
Heft 2: Herzenstöne/Ländler – Sehnsuchtsklänge/Walzer.
Heft 3: Nürnberger GuitarristenMarsch – Rosenblüte/PolkaMazurka.
KREBS, Gustav.
Echt Bayrisch. Lieder aus dem Volke u. OriginalSchnadahüpf’lnLandler f. Z. (od. Gui
tarre) bearb. v. Jos. Kellner. 2 Hefte. München, Hieber.
237 http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm, Stand: 16.12.2010.
74
5.1 Hofmeister Monatsberichte und Gitarristentage des IGV
HALBING, H.
Kompositionen f. Guitarre. München, (Miller’s Nachf.).
Bayerischer TrommelMarsch – Blaue Augen/Gavotte – Der Karneval v. Venedig – Erinnerung an
Meran/Marsch – GlockenWalzer – Für’s G’müat/Mazurka – GretchenPolka – Kornblumen/Gavotte –
Oberbayrische Ländler.
1906 MEHLHART, Anton.
Zur Erinnerung. Marsch f. Guitarre. München, Verl. „Der Guitarrefreund“.
1907 Kein Eintrag.
1908 KELLNER, Josef.
GuitarreSolostücke. München, Westermair.
Schneewittchen/Gavotte – Unter Freunden/Marsch.
1909 SCHWERDHÖFER, M.
12 Alpenlieder f. Guitarre solo (m. Guitarre II ad lib.) od. f. Gesang m. Guitarre. Augs
burg, Böhm & Sohn.
KREBS, Gustav.
Echt Bayrisch. Lieder aus dem Volke u. OriginalSchnadahüpf’lLändler. Heft 3, 4.
Ausg. f. Z. (od. Guitarre) bearb. v. Jos. Kellner. München, Hieber.
1910 MAIRHUBER, Franz.
Oberbayrische KirchweihTänze (Ländler, Schuhplattler, Jodler) f. V. od. Fl. od.
Klar. (C) m. Guitarre (arr. v. H. Hertwig). Dresden, Seeling.
1911 SCHWERDHÖFER, M.
Zwölf leichte Ländler f. Guitarre (m. 2. Guitarre ad lib.). Augsburg, Böhm & Sohn.
SCHERRER, Heinrich.
Aus alter Zeit. Lauten u. Gitarremusik, gesammelt u. zum Zweck des Zusammenspiels
in Haus, Familie u. Freundeskreis, sowie zum Ensemblespiel in den GitarreVereins
abenden bearb. u. hrsg. Leipzig, Hofmeister.
Teil 2: Stücke aus der Grossvaterzeit f. 2 Gitarren (SoloGitarre u. 2. Gitarre ad lib.). Zwei alte Gitarren
Märsche – Adagio – Vier alte Ländler – Zwei Chöre v. Conradin Kreutzer – Russischer Marsch.
1912 REITER, Josef.
Echte Volkstänze aus den Alpen. 12 der schönsten Walzer, Ländler, Steyrischen u.
Schuhplattler f. 2 V. (V. II ad lib.) [od. Fl. u. V.] m. Gitarre (od. Laute) gesetzt. Leipzig,
Hug & Co.
HELLER, Ludwig.
Steirischer Ländler f. 2 Guitarren. Offenbach, André.
75
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
1913 SCHWERDHÖFER, Markus.
Heimatklänge f. Guitarre. 2 Hefte. Augsburg, Böhm & Sohn.
Heft 1: Allein – Jugendtraum – Spielmannslaunen – Feierabend – Am Waldbach – Erinnerung an den Kö
nigssee.
Heft 2: FrühlingszauberIdylle – Zigeunermarsch – Fröhliche Jagd – Geburtstagsmorgen – Capriccio –
CyaneGavotte.
1914 SCHWERDHÖFER, Markus.
12 Schuhplattler f. Guitarre (m. 2. Guitarre ad lib.). Heft 1, 2. Augsburg, Böhm & Sohn.
1915 HERTWIG, Hermann.
GuitarreAlbum. 30 Lieder, Tänze, Ländler u. Märsche f. Guitarre bearb. Dresden, See
ling.
1916 HALBING, H.
Bayerischer TrommelMarsch f. Gitarre. München (Grosshadern), Westermair.
HALBING, H.
Vier leichte Ländler f. Gitarre u. Gitarre II. München (Grosshadern), Westermair.
1917 RUCH, Hannes.
Bunte Beute. 10 leichte u. 10 schwere Stücke f. Gitarre allein. Leipzig, Hofmeister.
Band 1: Zehn leichte Stücke. Volksliedchen – MariechenWalzer – Einfache Geschichte – Der Dudel
sack – Gassenhauer – Kleiner Marsch – Ständchen – TonleiterPolka – Alter Marsch – Slawisches Stück.
Band 2: Zehn schwere Stücke. Ländler – Melancholie – Melodie – Uebungsstück – Trauriges Liedchen –
Menuett – AenneWalzer – Liebeslied – JulchenPolka – Novellette.
1918 Kein Eintrag.
1919 BÖCK, W., u. M. SCHRICKER.
Im Dachstübchen. Leicht spielbare Unterhaltungsstücke f. 1 od. mehrere Gitarren. Pa
singMünchen, Hoenes. Heft 4–6: v. M. Schricker.
Heft 4: Fröhlichfrei/Marsch – Heut is lusti!/Ländler.
Heft 5: Magst du mich?/Gavotte – Maiblümchen/PolkaMazurka.
Heft 6: Ständchen – Sorgenfrei/Polka.
ZODER, Raimund, u. Rudolf PREISS.
Bauernmusi. Oesterreichische Volksmusik. Hrsg. im Auftrag des Oesterr. Wandervo
gels. Leipzig, Hofmeister. Ausg. f. 1 od. 2 V. m. Gitarre (Laute). Ausg. f. 1 od. 2 Man
dolinen m. Gitarre (Laute). Ausg. f. 1 od. 2 Fl. (od. Klar.) m. Gitarre (Laute).
1920 HÜLSEN, Ernst.
Acht leichtere OriginalTänze f. SoloGitarre od. Laute. Hamburg, Benjamin.
Wanderlust/Marsch – Im Dorfkrug/Ländler – Am Kamin/Walzer – Rokoko/Gavotte – Mariela/Walzer –
Heidefahrt/Marsch – Feierabend/Ländler – Sommernacht/Walzer.
76
5.1 Hofmeister Monatsberichte und Gitarristentage des IGV
KELLNER, Josef.
Kompositionen f. Gitarre. MünchenGrosshadern, Joh. B. Westermair.
GrenadierMarsch – Im Künstlerkreis/Walzer – In der Almhütte/Ländler – JubelQuadrille – NegerTanz –
Russische Heimatklänge – Die Sommerfrischler/Walzer – Die Vertraulichen/Walzer.
MAYR, Max.
Die Fidelen. Ländler f. Gitarre. MünchenGrosshadern, Joh. B. Westermair.
MÜHLAUER, Peter.
Kompositionen f. Gitarre. MünchenGrosshadern, Joh. B. Westermair.
D’ Isartaler/Ländler – Liebeswogen/Walzer – Rotkäppchen/Polka – RobertusMarsch.
WERNER, B.
Am Tegernsee. Mazurka f. Gitarre. MünchenGrosshadern, Joh. B. Westermair.
LANGER, Gustav.
Grossmütterchen. Ländler. V. I, II (D) zur Mandolinen u. GitarreAusg. passend.
Tyroler Bauerntänze f. 1 od. 2 V. (od. Mandolinen, Fl., Klar.) m. Gitarre (Laute).
Band 3. Leipzig, Hofmeister.
Der Name Markus Schwerdhöfer taucht in obiger Tabelle insgesamt viermal auf. Schwerdhöfer war
Dirigent in der Augsburger Ortsgruppe des IGV und veröffentlichte neben mehreren volkstümlichen
Kompositionen (siehe Abbildung 6) auch eine bekannte Gitarrenschule mit dem Titel „Neue theore
Hubers Analyse zufolge sicher zu den wesentlichsten der damaligen Zeit.239
Alpenländische Volksmusik ist häufig für Violine, Flöte oder Klarinette jeweils mit Gitarre gesetzt.
Klar ist, dass der Gitarre in solchen Besetzungen eine eher untergeordnete Rolle zukommt. Über
haupt fällt auf, dass vor allem in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts weit mehr Notenmaterial für
Zither und Mandoline gedruckt wurde als für Gitarre. Die Herausgeber von Spielliteratur für Zither
und Mandoline veröffentlichten oftmals auch Gitarrenliteratur, scheinen diese Tätigkeit jedoch mehr
als Nebengeschäft angesehen zu haben.240
238 Vgl. Goeke 1994, 125.
239 Huber 1995, 206.
240 Vgl. Ragotzky, Hans, Gitarristischer Lehrgang. Langsam vorwärtsschreitend bis zum Studium unserer alten Gitar
remeister. Band II, Berlin NW o.J., Frontispizseite, fortan zitiert als: Ragotzky o.J.
77
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Abbildung 6: Schwerdhöfer, Markus, „Nr. 1“ und „Nr. 2“, aus: „12 leichte Ländler“.
5.1.2 Gitarristentage des IGV
Die Ausrichtung des Gitarristentags stellte von 1899 bis 1906 den jährlichen Höhepunkt in der Ar
beit des IGV dar. Im Wesentlichen umfasste diese Veranstaltung folgende Programmpunkte:241
Vorabendkonzert mit geselligem Beisammensein
241 Huber 1995, 117.
78
5.1 Hofmeister Monatsberichte und Gitarristentage des IGV
Generalversammlung des IGV
öffentliches Konzert
eventuell Ausstellung als Umrahmung
Ausflug und/oder Nachfeier mit Musik und geselligem Beisammensein
Karl Huber analysierte für seine Dissertation „Die Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrespiels
um 1900“ im Detail die Programme der Konzerte, welche im Rahmen der insgesamt acht Gitarris
tentage gegeben wurden.242 Daraus erschließt sich ein relativ klares Bild von den musikalischästhe
gramm des im Jahre 1899 veranstalteten ersten Gitarristentags eingegangen werden. Dieses sah fol
gendermaßen aus:243
Teil I
Markus Schwerdhöfer, Festmarsch [3 Terzgitarren, 2 Primgitarren und Kontragitarre]
Mauro Giuliani, Rossiniane [Gitarrensolo]
Franz Schubert, Mädchen’s Klage, Frühlings Glaube, Schlay, An die Weser [Baritonsolo und
Gitarrenbegleitung]
Friedrich Brand, Concertino [Gitarrensolo und begleitung]
Teil II
Carl Michael Ziehrer, Verliebt (Romanze)
Fellini e Zenuti, La mano nera [Mandolinenensemble und Gitarrenbegleitung]
Markus Schwerdhöfer, Durch Wald und Flur (Marsch) [Gitarrensolo]
Alois Götz, Alpenrosen (Steyrer Ländler) [Zither und Gitarre]
Alois Mehlhart, Erinnerung an Schliersee (kl. Fantasie) [Gitarrenduo]
Teil III
Kopetzky, SoldatenHumor (Marsch) [Gitarrenduo]
A. Alfieri, Rimembranze Andaluse [Mandolinenensemble und Gitarre]
Markus Schwerdhöfer, Spielmann’s Traum [2 Gitarren und Kontragitarre]
Hieronymus Halbing, Für’s Gmüath (Mazurka) [Gitarrenduo]
242 Huber 1995, 117–139.
243 Huber 1995, 119.
79
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Wie dem obigen Tableau zu entnehmen ist, bot das öffentliche Konzert des ersten Gitarristentags
nur in sehr beschränktem Ausmaß Werke der klassischen Gitarrenliteratur. Ganz klar dominierten
Stücke, die dem volksmusikalischen Genre oder der Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts zuge
ordnet werden können. „Dies zeigt den desolaten Zustand der künstlerischen gitarristischen Litera
tur vor der Gründung des IGV ebenso auf wie die starke Verwurzelung der Gitarristen im Bereich
der unterhaltenden und volkstümlichen Musik.“244 Speziell zur alpenländischen Folklore zu zählen
sind der Ländler „Alpenrosen“ von Alois Götz sowie die Mazurka „Für’s Gmüath“ von Hieronymus
Halbing.245
gendeiner Form Rechnung. Wachsender Beliebtheit erfreute sich insbesondere das Volkslied zur Gi
tarre oder Laute wie etwa „Es trieb ein Mädl die Gänse aus“ und „Weiss mir ein Blümli blawe“, vor
getragen im Rahmen des Festkonzerts des achten und letzten Gitarristentags.246 Interessant ist, dass
gerade die volksmusikalischen Beiträge zu den Gitarristentagen von der Presse durchwegs schlecht
bewertet wurden. So merkt Huber zur Darbietung des bereits erwähnten Ländlers „Alpenrosen“ im
Verlauf des Festkonzerts des dritten Gitarristentags an: „Das GitarreTrio der ‚Alpenrosen‘ wurde
vollständig verrissen, da die Spieler vorher weder miteinander geprobt hatten noch zur Generalprobe
erschienen waren.“247
5.2 Gitarrenschulen
5.2.1 Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die Guitarre
Die „Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die Guitarre“248 von Alois
Mayer enthält kein Erscheinungsjahr und kann daher zeitlich nicht exakt eingeordnet werden. Laut
244 Huber 1995, 119.
245 Vgl. http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm, Stand: 16.12.2010.
246 Huber 1995, 136.
247 Huber 1995, 124.
248 Mayer, Alois, Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die Guitarre, Leipzig o.J., fortan
zitiert als: Mayer o.J.
80
5.2 Gitarrenschulen
dem „Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher“ entstand die Gitarrenschule um 1890 herum.249
Über ihren Herausgeber, Alois Mayer, ist kaum etwas bekannt. Selbst in Josef Zuths relativ detail
liertem „Handbuch der Laute und Gitarre“ findet dieser nur in folgendem kurzem Eintrag Erwäh
nung: „Die Fachliteratur nennt als Komponisten des 19. Jhdts.: Alois M., Herausgeber der bekann
ten, ins Holländische und Tschechische übertragenen ‚Kleinen MayerSchule‘: op. 35, praktische,
leichtverständliche Anleitung […]; veröffentlichte auch eine Sammlung ‚Liederschatz‘: 100 Lieder
mit Git.Begltg. in 4 Heften (Leipzig, Zimmermann).“250
Wie Mayer im Vorwort mit wenigen, aber dennoch sehr klaren Worten ausführt, behandelt die für
den Selbstunterricht vorgesehene Gitarrenschule vor allem das Begleiten von Liedern, worin seiner
Meinung nach letztendlich der „Hauptzweck des Instrumentes“ liegt.251 Der erste Teil der Schule
wiederholt zunächst „Vorkenntnisse der Musik“, das heißt Notensystem, Notenwerte, Tonarten und
Tonleitern. Danach wird die korrekte Haltung der Gitarre erläutert. Mayer stellt zwei zulässige Vari
anten vor, nämlich die Haltung im Sitzen, bei der die Gitarre auf das rechte Oberbein gestützt wird,
sowie die Haltung im Stehen, bei der das Instrument mit einem Band befestigt und durch leichten
Druck mittels Oberarm fixiert wird. Etwas ungewöhnlich mutet in der weiteren Folge das von
Mayer empfohlene Schema für das Spiel mit der rechten Hand an: Der Daumen ist ausschließlich
für die Basssaiten zuständig, Zeige, Mittel und Ringfinger schlagen jeweils eine Diskantsaite an,
und der kleine Finger stützt sich an der Decke ab.252 Natürlich ist mit einem solcherart starren An
schlagsschema in technischer Hinsicht nur ein sehr eingeschränktes Spiel möglich.
Der zweite Teil der Schule beginnt mit einer elementaren Unterweisung in der Stufentheorie. Dabei
werden für jede Dur und Molltonart Grund und Dominantakkord mittels Notensystem beziehungs
weise Griffbild dargestellt. Nach ein paar Tonleiterübungen in Terzen, Quarten, Sexten, Septimen
249 http://www.zvab.com/, Stand: 16.12.2010.
250 Zuth 1926, 190.
251 Mayer o.J., 1.
252 Mayer o.J., 4–5.
81
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
und Oktaven wird die „gewöhnliche Begleitungsweise“ für geraden und ungeraden Takt eingeführt
und sogleich in „Kleinen Uebungsstücken“ zur Anwendung gebracht:
Abbildung 7: Mayer, Alois, „Kleine Uebungsstücke“, 1. Zeile, aus: „Praktische und leichtverständliche Schule zum
Selbstunterricht für die Guitarre“.
Im Anschluss an die Übungsseite folgen mehrere Lieder sowie – als einziges Instrumentalstück –
ein einzeiliger Ländler. Wie aus Abbildung 8 und Abbildung 9 hervorgeht, sind die Lieder mit kei
ner Akkordbezifferung versehen. Die Melodie wird stets zweistimmig in Terzen oder Sexten ge
führt; Harmonie und Bassstimme sind in der Regel stark vereinfacht.253
Abbildung 8: Mayer, Alois, „Haidenröslein“, aus: „Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für
die Guitarre“.
Abbildung 9: Mayer, Alois, „’s Bleamerl am See“, aus: „Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht
für die Guitarre“.
253 Vgl. Willmitzer 1970, 4.
82
5.2 Gitarrenschulen
5.2.2 Moderne Lauten oder GitarreSchule
Die „Moderne Lauten oder GitarreSchule“254 von Heinrich Albert erschien, wie aus dem Vorwort
geschlossen werden kann, im Jahre 1911. Der prinzipielle Zweck dieses Lehrwerks ist evident: Es
Selbstunterricht verwendet werden. Letzteres bedeutet übrigens nicht, dass nur mäßige Anforderun
gen gestellt werden. So weist Albert im Vorwort explizit darauf hin, dass das Achten auf eine saube
re Technik, das Einhalten von Fingersätzen sowie ein intensives Tonleitern und Arpeggienstudium
Grundvoraussetzungen sind, um beim Erlernen der Gitarre rasch Fortschritte machen zu können.255
Der einführende Teil der Schule beginnt mit einem Exkurs in die historische Entwicklung von Laute
Tonleiter, Versetzungszeichen, Rhythmus und Takt. Was das Spiel mit der Zupfhand betrifft, weist
Alberts Lehrmeinung bereits wesentliche Unterschiede zu den von Alois Mayer in der „Praktischen
und leichtverständlichen Schule zum Selbstunterricht für die Guitarre“ vertretenen Ansichten auf:
Albert lehnt das Abstützen des kleinen Fingers an der Decke strikt ab, weil damit eine inakzeptable
Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Zupfhand verbunden ist. Darüber hinaus sollen Zeige,
Mittel und Ringfinger flexibel (also auch auf den Basssaiten) eingesetzt werden können. Besonde
ren Wert legt Albert schließlich auf ein schönes Legatospiel. Um ein ebensolches zu erreichen, emp
fiehlt Albert die Finger der Greifhand möglichst lange liegen zu lassen.
Der Hauptteil der Schule widmet sich ausdrücklich nur den „leichten“ Tonarten, das heißt denjeni
gen Dur und Molltonarten, welche zum Begleiten des „einfachen“ Liedes benötigt werden.256 Zuerst
wird CDur behandelt. Nach der Einführung der Tonleiter und einigen Akkordübungen folgt so
gleich als Anwendungsbeispiel ein Ländler (siehe Abbildung 10). Diese einfache methodische Vor
gangsweise findet man im Großen und Ganzen auch bei den übrigen Tonarten wieder.
254 Albert 1911.
255 Albert 1911, 3.
256 Albert 1911, 16.
83
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Abbildung 10: Albert, Heinrich, „Ländler“, aus: „Moderne Lauten oder GitarreSchule“.
Vornehmlich um der „Unterhaltung und Aneiferung“ willen beinhaltet die Schule eine Anzahl von
alten Volksliedern und Weisen.257 Die Gitarrenbegleitung zu diesen Liedern ist unter Berücksichti
gung des jeweiligen melodischen und textlichen Stimmungsgehaltes frei komponiert. Auf die Über
tragung von Klavierliedern und Opernarien hat Albert bewusst verzichtet, da deren musikalische Es
senz auf der Gitarre nur unzureichend reproduziert werden könne. Was den Gesang anbelangt,
meint Albert: „Es ist durchaus nicht nötig, daß diese Lieder gerade ein großer Sänger vorträgt, auch
Solche mit wenig Stimmitteln werden sich daran erfreuen können, sofern sie sich nur einer guten
Aussprache und Atemführung befleißigen.“258
Die „Moderne Lauten oder GitarreSchule“ enthält insgesamt 107 Stücke. Wie in Abbildung 11
veranschaulicht wird, unterteilen sich diese in 69 Etüden und Übungen, 22 Lieder, 9 volksmusikali
sche und 7 klassische Stücke. Von den 22 Liedern sind 21 alte Volkslieder, das älteste stammt aus
dem LochamerLiederbuch. Nur ein Lied von Carl Maria von Weber kann dem klassischen Reper
toire zugeordnet werden. Die 9 volksmusikalischen Stücke setzen sich aus 6 Ländlern, einem Tanz,
einer Polka und einer Tyrolienne zusammen. Notenbeispiele zu den Kategorien „Lieder“ und
„Volksmusikalische Stücke“ werden in Abbildung 12 und Abbildung 13 präsentiert.
257 Albert 1911, 18.
258 Albert 1911, 18.
84
5.2 Gitarrenschulen
Abbildung 11: Musikalische Kategorien in: „Moderne Lauten oder GitarreSchule“.
Abbildung 12: Albert, Heinrich, „Kärntner Lied“, aus: „Moderne Lauten oder GitarreSchule“.
85
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Abbildung 13: Albert, Heinrich, „Tyrolienne“, aus: „Moderne Lauten oder GitarreSchule“.
5.2.3 Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten und GitarreSchule
Die „Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten und GitarreSchule“259 von Heinrich Scherrer – dem Vor
wort zufolge im Jahre 1911 entstanden – wendet sich gezielt an die Musikanten der Wandervogelbe
wegung. Sie behandelt ausnahmslos die Liedbegleitung und enthält nur Volkslieder, die dem „Wan
dervogelLiederbuch“, dem „Zupfgeigenhansl“, den „Deutschen Volksliedern und Balladen zur Gi
tarre“ sowie den „Deutschen Studentenliedern zur Gitarre“ entnommen sind. Primäre Intention
Scherrers ist es, die Natur des richtigen „Akkordierens“ herauszuarbeiten, ohne jedoch der Phanta
sie des Gitarrenspielers unnötige Grenzen zu setzen.260
Am Beginn der Schule stehen konzise Ausführungen zur Bauweise und korrekten Haltung der Gi
tarre. Für das Begleitspiel schlägt Scherrer die Haltung im Stehen vor, wobei die Gitarre mit einem
Band am Körper befestigt wird. Interessanterweise äußert sich Scherrer an dieser Stelle auch zum
Solospiel, obwohl dieses sonst nirgendwo in der Schule thematisiert wird. Erwartungsgemäß emp
fiehlt er hierfür die Sitzhaltung unter Zuhilfenahme eines Fußstuhls. Im Weiteren werden die obliga
torischen musiktheoretischen Grundlagen wie Tonleiter, Rhythmus, Takt und Vortragszeichen erar
259 Scherrer, Heinrich, Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten und GitarreSchule. Eine leichtverständliche Anleitung für
den Selbstunterricht im Akkordieren, (auch ohne Notenkenntniß, also nach dem Gehör und nach dem rhytmischen
Gefühl) auf der Laute und auf der Gitarre, mit Berücksichtigung der BaßGitarre (SchrammelGitarre) und Baß
Laute sowie der schwedischen Laute und der doppelchörigen Laute, Leipzig 1911, fortan zitiert als: Scherrer 1911.
260 Scherrer 1911, 1.
86
5.2 Gitarrenschulen
beitet. Besonderes Augenmerk lenkt Scherrer schließlich mit einer detaillierten Anleitung und ziel
gerichteten Übungen auf das Spiel mit der rechten Hand. Denn: „Nur auf Grund eines klangvollen,
das ist sinngemäßen Anschlages, ist ein endliches, lückenlos klingendes Akkordspiel erreichbar.“261
Der Hauptteil der Schule behandelt nacheinander alle Tonarten, die zur Bewältigung des ausgewähl
ten Liedrepertoires vonnöten sind. Jede Tonart wird unter Berücksichtigung von Haupt und Neben
harmonien erörtert. Dabei werden Grund und Erweiterungsgriffe vorgestellt und in kurzen Übun
gen über gängige Akkordverbindungen zueinander in Beziehung gesetzt. Auf die theoretische Ein
führung einer Tonart folgen unmittelbar die zugehörigen Lieder. Wie aus Abbildung 14 ersichtlich
wird, ist jedes Lied sowohl mit einem Gitarrensatz als auch mit einer Akkordbezifferung versehen.
Die von Scherrer konzipierten Gitarrensätze sind durchwegs sehr einfach gehalten. Sie konzentrie
ren sich auf die Hauptharmonien und stellen keinerlei Anforderungen an die rechte Hand.262
Abbildung 14: Scherrer, Heinrich, „Nimm sie bei der schneeweißen Hand“, aus: „Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten
und GitarreSchule“.
261 Scherrer 1911, 1.
262 Vgl. Willmitzer 1970, 15.
87
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
5.2.4 Neue GitarreSchule für Solospiel
Vorpahl lebte von 1864 bis 1926 und war Lehrer für Mandoline in Berlin. Josef Zuth erwähnt die
Gitarrenschule in seinem ausführlichen „Handbuch der Laute und Gitarre“, doch macht auch er kei
ne zeitlichen Angaben zu deren Erscheinen.264 Beim Durchsuchen des „Zentralen Verzeichnisses
Antiquarischer Bücher“ stößt man auf ein anderes Werk Vorpahls, nämlich die zwischen 1910 und
1912 entstandene Liedersammlung „Deutsche Volkslieder zur Guitarre“.265 Damit ist zumindest eine
grobe zeitliche Einordnung der Gitarrenschule möglich. Fündig wird man schließlich in den „Hof
meister Monatsberichten“: Dort scheint die Gitarrenschule unter den Veröffentlichungen des Jahres
1910 auf.266
Wie dem Vorwort zu entnehmen ist, wendet sich Vorpahl mit der „Neuen GitarreSchule für Solo
spiel“ an diejenigen Gitarrenspieler, die sich intensiver mit ihrem Instrument auseinanderzusetzen
beabsichtigen. Die Schule ist somit in gewisser Hinsicht als Fortsetzung des einige Jahre zuvor von
ihm herausgegebenen „Schatzkästleins für Gitarrenfreunde“ konzipiert, dessen Inhalt sich auf das
Begleiten einfacher Melodien beschränkt.267 Am Beginn der Schule erfolgt analog zu vielen anderen
Lehrwerken eine kurze musiktheoretische Einführung. Danach werden für alle Dur und Molltonar
ten die wesentlichsten Akkorde mittels Griffbild dargestellt, und zwar jeweils der „Grund Accord“
(Tonika), der „Septime Accord“ (Dominante mit kleiner Septime) sowie der „Hilfs Accord“ (Subdo
minante mit großer Sexte statt Quinte).268
Im Anschluss an den einleitenden Teil folgen 17 „Lektionen“, in denen anhand spieltechnischer
Übungen und einfacher Übungsstücke (siehe Abbildung 15) sukzessive die für das Solospiel not
263 Vorpahl, Reinhold, Neue GitarreSchule für Solospiel. Harmonie und Accordlehre für Gitarre angewandt, Berlin
Lichterfelde o.J., fortan zitiert als: Vorpahl o.J.
264 Zuth 1926, 282.
265 http://www.zvab.com/, Stand: 16.12.2010.
266 http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm, Stand: 16.12.2010.
267 Vorpahl o.J., 1.
268 Vorpahl o.J., 6–8.
88
5.2 Gitarrenschulen
wendigen Voraussetzungen erarbeitet werden. Der ersten Lektion gehen ein paar Seiten mit zum Teil
ausführlichen Erläuterungen voran, auf die Vorpahl im Weiteren bei Bedarf verweist. Den Ab
schluss der Schule bildet ein recht umfangreicher Teil mit anspruchsvolleren „Übungs und Unter
haltungsstücken“. In diesen werden die zuvor vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten zur Anwen
dung gebracht.
Abbildung 15: Vorpahl, Reinhold, „Rheinländer“, aus: „Neue GitarreSchule für Solospiel“.
Die „Neue GitarreSchule für Solospiel“ umfasst insgesamt 56 Stücke. Diese unterteilen sich, wie
Abbildung 16 zeigt, in 29 klassische Stücke (von Sor, Mertz und Call), 20 Übungen sowie 7 volks
musikalische Stücke (Ländler, Walzer und Unterhaltungsstücke). Das klassische Repertoire spielt
89
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
demnach eine deutlich größere Rolle als das volksmusikalische; die Volksliedbegleitung auf der Gi
tarre wird überhaupt nicht thematisiert.
Abbildung 16: Musikalische Kategorien in: „Neue GitarreSchule für Solospiel“.
5.2.5 Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels
Der im Jahre 1916 erschienene „Moderne Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels“269 von Hein
rich Albert war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Gitarrenlehrgänge seiner Zeit. Ungeach
tet des Titels wendet er sich nicht nur an den künstlerisch ambitionierten Gitarrenspieler, sondern
auch an den reinen Liebhaber des Instruments. Im Vorwort weist Albert auf die universelle Ver
wendbarkeit der Gitarre hin, deretwegen sie nicht zu Unrecht zu jenen Instrumenten gezählt wird,
die sich am besten für die Hausmusik eignen und am meisten zur „Veredlung unseres musikalischen
Geschmackes in Haus und Gesellschaft“ beizutragen vermögen. Um der Vielseitigkeit der Gitarre
269 Albert, Heinrich, Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels. Für Lehrzwecke und zum Selbstunterricht.
I. Teil. „Das Volkslied zur Gitarre“, München 1916, fortan zitiert als: Albert 1916.
90
5.2 Gitarrenschulen
gerecht zu werden, hat Albert den Gitarrenlehrgang in vier eigenständige Teile gegliedert: Der erste
dern. Der zweite Teil („Das moderne Gitarrelied“) wendet sich vermehrt dem Lagenspiel sowie den
unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten auf der Gitarre zu und genügt damit bereits „höheren
Kunstzwecken“. Der dritte Teil („Die Gitarre als SoloInstrument“) ist ganz und gar der Gitarre als
vollwertigem Konzertinstrument gewidmet. Der vierte Teil („Das virtuose Gitarrespiel“) schließlich
konzentriert sich auf die Vermittlung einer fortgeschrittenen Spieltechnik. Wie Albert am Ende des
Vorworts bekräftigt, hat er in den „Modernen Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels“ die Ge
samtheit seiner Kenntnisse und Erfahrungen als Lehrer und Virtuose einfließen lassen. Aus diesem
Grund ist es nicht weiter verwunderlich, dass er selbst den Gitarrenlehrgang mit unverhohlenem
Stolz als das „beste Nachschlagewerk für alle Zweige der Gitarremusik“ bezeichnet.270
Im Folgenden wird nur der erste Teil des Gitarrenlehrgangs näher betrachtet. Dieser besteht aus
zwei separaten Abschnitten, einer einführenden, auf die zentralen Tonarten CDur, GDur und D
Dur beschränkten „Abteilung A“ und einer weiterführenden, die übrigen Dur und Molltonarten der
ersten Lage erschließenden „Abteilung B“. Am Beginn von Abteilung A beschäftigt sich Albert mit
der Frage, was das Wesen einer guten Gitarre ausmacht. Danach geht er auf die Haltung des Instru
ments, den Anschlag der Saiten und die elementare Grifftechnik ein und erörtert die Grundbegriffe
der Musiklehre wie Notensystem, Takt, Noten und Pausenwert, Versetzungszeichen, Akkord und
Kadenz. Eingestreute kurze Spielübungen dienen dazu, die theoretischen Kenntnisse unverzüglich in
die Praxis umzusetzen. Die Volkslieder von Abteilung A sind anfangs mit sehr einfachen Gitarren
stimmen versehen. Wie Albert anmerkt, kann tatsächlich eine Vielzahl von Volksliedern mit nur
drei Akkorden begleitet werden.271 Dies ist seiner Ansicht nach jedoch wenig erstrebenswert, weswe
gen die Gitarrenstimmen durch das Einbauen von Zerlegungen, Akkordumkehrungen und musikali
schen Figuren (Durchgängen, Wechselnoten und Vorhalten) kontinuierlich verfeinert werden. Ab der
zweiten Hälfte von Abteilung A umfasst der Übungsstoff nicht nur Volkslieder, sondern auch leichte
270 Albert 1916, 2.
271 Albert 1916, 15.
91
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Etüden und Kammermusikstücke. In Abteilung B wird schließlich sogar noch ganz kurz die Gitarre
als Soloinstrument thematisiert.
Der erste Teil des „Modernen Lehrgangs des künstlerischen Gitarrespiels“ („Das Volkslied zur Gi
tarre“) enthält insgesamt 61 Stücke. Wie Abbildung 17 zeigt, unterteilen sich diese in 26 alte Volks
lieder, 15 Etüden und Übungen, 14 Stücke aus dem Bereich der Kammermusik und 6 volksmusikali
sche Stücke. Die Kammermusikstücke sind für zwei Gitarren beziehungsweise für Gitarre und Flö
te, Violine oder Mandoline gesetzt. Die 6 volksmusikalischen Stücke verteilen sich auf 2 Ländler,
einen Tanz, einen Marsch, einen Walzer und eine Polka. Notenbeispiele zu den Kategorien „Alte
tiert.
Abbildung 17: Musikalische Kategorien in: „Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels“,
I. Teil.
92
5.2 Gitarrenschulen
Abbildung 19: Albert, Heinrich, „Ländler“, aus: „Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels“, I. Teil.
93
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
5.2.6 Klampfenschule
Die „Klampfenschule“272 von Fr. Pfister ist eines der „Handbüchlein der Instrumentalmusik“, die als
wurden. Sie enthält kein Erscheinungsjahr, entstand jedoch – wenn man dem Katalog des Musikan
tiquariats Faulhaber Glauben schenkt – um das Jahr 1920 herum.273 Über ihren Herausgeber,
Fr. Pfister, ist nichts bekannt. Josef Zuth erwähnt in seinem „Handbuch der Laute und Gitarre“ le
„fließende Melodien“ und „gute Begleitsätze“ gekennzeichnete Lieder zur Gitarre zurückgehen.274
Zu den „Veröffentlichungen der Neudeutschen Musikscharen“ findet man generell nur wenige Infor
Jungvolker“ aus der vierten Folge mit Erscheinungsjahr 1927 zum Verkauf angeboten.275
Die „Klampfenschule“ ist sehr klar strukturiert. Auf eine knappe Einführung, in der der Anschlag
der Saiten, die Haltung der Greifhand, die Stimmung der Gitarre und der Fingersatz erklärt werden,
folgen acht Teile, von denen jeder ein mehr oder weniger abgeschlossenes Thema behandelt. Die
ersten sechs Teile umfassen ausschließlich Übungen, und zwar Anschlags, Greif und Tonleiter
übungen, Lagenübungen (in Terzen beziehungsweise Sexten), mechanische Übungen sowie Akkord
übungen zu den wichtigsten Dur und Molltonarten. Der siebente Teil widmet sich dem Begleiten
von Volksliedern, und der achte Teil macht zum Abschluss einen kurzen Ausflug in die Instrumen
talmusik. Was beim siebenten Teil ins Auge fällt, ist, dass fast jedes Lied in unmittelbarer Bezie
dung 21). Die Gitarrenbegleitung zu den Liedern ist zuerst relativ einfach, wird jedoch bald schwie
riger und setzt gegen Ende des siebenten Teils ein solides bis fortgeschrittenes Lagenspiel voraus.
272 Pfister, Fr., Klampfenschule (=Veröffentlichungen der Neudeutschen Musikscharen, II. Folge: Handbüchlein der In
strumentalmusik, Heft 3), Würzburg o.J., fortan zitiert als: Pfister o.J.
273 http://www.musikantique.com/, Anmerkung: Das Musikantiquariat Faulhaber wurde mit 30. Jänner 2009 geschlos
sen.
274 Zuth 1926, 219.
275 http://www.antiquariatmkk.de/, Stand: 16.12.2010.
94
5.2 Gitarrenschulen
Abbildung 20: Pfister, Fr., „Die Tonart Adur“, Akkordübung 8, aus: „Klampfenschule“.
Abbildung 21: Pfister, Fr., „Zu Akkordübung 8“ („Stehn zwei Stern am hohen Himmel“), aus: „Klampfenschule“.
5.2.7 Lehrgang des modernen Gitarrespiels
Teil A („Das Akkordspiel“) und einem Teil B („Das Solospiel und die Liedbegleitung“). Die beiden
Teile sind eng miteinander verwoben. Dies bedeutet, dass Teil B letztlich als praktische Ergänzung
zu Teil A aufzufassen und in ebendiesem Sinne zu verwenden ist.277 Wie man es von anderen Lehr
werken her kennt, findet sich beim Durchblättern des Gitarrenlehrgangs kein wirklicher Hinweis auf
das Erscheinungsjahr. Eine zeitliche Einordnung ist dank der „Hofmeister Monatsberichte“ aber
dennoch möglich. Dort wird der Gitarrenlehrgang unter den Veröffentlichungen des Jahres 1917 ge
merkt dieser zu jenem im „Handbuch der Laute und Gitarre“: „R.’s Lehrwerke für Mandoline u. Gi
tarre erfreuen sich großer Volkstümlichkeit.“279
276 Ritter, Theodor, Lehrgang des modernen Gitarrespiels. Für den Gruppen, Einzel und SelbstUnterricht geeignet.
Teil B. Das Solospiel und die Liedbegleitung, Frankfurt am Main o.J., fortan zitiert als: Ritter o.J.
277 Ritter o.J., 2.
278 http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm, Stand: 16.12.2010.
279 Zuth 1926, 233.
95
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Im Weiteren wird nur auf Teil B des Gitarrenlehrgangs näher eingegangen. Dieser beginnt mit eini
gen ergänzenden Übungen, die namentlich der Festigung des Lagenspiels dienen. Danach folgt eine
bunte Mischung aus klassischen Stücken (von Giuliani und Küffner), volksmusikalischen Stücken,
Liedern sowie zusätzlichen Übungen und Etüden. Bei den volksmusikalischen Stücken handelt es
sich um leichte, für ein Melodieinstrument (Geige, Mandoline oder Flöte) und Gitarre arrangierte
Volkstänze. Diese sind Ritters Meinung nach besonders zweckmäßig, zumal sie das „präzise Zu
sammenspiel“ fördern, gleichzeitig aber nur geringe Anforderungen an die spieltechnischen Fähig
keiten der Musizierenden stellen.280 Abbildung 22 und Abbildung 23 zeigen zwei Beispiele, einen
„Deutschen Tanz“ und einen „Teutschen“. Ersterer zeichnet sich durch eine recht abwechslungsrei
che Gitarrenstimme mit Bassdurchgängen und variierenden Akkordzerlegungen aus. Bei Letzterem
hingegen spielt die Gitarre durchgehend eine einfache gemächliche Walzerbegleitung.
Abbildung 22: Ritter, Theodor, „Deutscher Tanz“, aus: „Lehrgang des modernen Gitarrespiels“, Teil B.
280 Ritter o.J., 3.
96
5.2 Gitarrenschulen
Abbildung 23: Ritter, Theodor, „Teutscher“, aus: „Lehrgang des modernen Gitarrespiels“, Teil B.
Teil B des „Lehrgangs des modernen Gitarrespiels“ („Das Solospiel und die Liedbegleitung“) bein
haltet in Summe 52 Stücke. Diese verteilen sich, wie in Abbildung 24 dargestellt wird, auf 16 klassi
sche Stücke, 15 Etüden und Übungen, 15 Lieder sowie 6 volksmusikalische Stücke.
5.2.8 Gitarristischer Lehrgang
Der „Gitarristische Lehrgang“281 von Hans Ragotzky umfasst drei Bände. Band I behandelt die Dur
und Molltonarten der ersten Lage. Band II befasst sich mit grundlegenden Elementen der Spieltech
nik und führt die in Band I ausgesparten schwierigeren Tonarten ein. Band III schließlich ist dem
fortgeschrittenen Lagenspiel gewidmet.282 Das Erscheinungsjahr des Gitarrenlehrgangs ist nicht ex
akt zu eruieren. Josef Zuth erwähnt zwar Hans Ragotzky und den „Gitarristischen Lehrgang“ in sei
nem „Handbuch der Laute und Gitarre“, macht jedoch weder zum Herausgeber noch zum Gitarren
lehrgang selbst genauere Angaben.283 Einen brauchbaren Hinweis auf das Erscheinungsjahr liefern
lediglich die Frontispizseiten der drei Bände des Gitarrenlehrgangs. Diese geben einen Überblick
über die in Ragotzkys Verlag „Mandolinata“ erschienene Unterrichts und Vortragsliteratur. Unter
anderem geht daraus hervor, dass der Gitarrenlehrgang auf der Berliner Lehrmittelausstellung des
Jahres 1920 mit einem Preis ausgezeichnet wurde.284 Aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgte seine
Veröffentlichung also 1920 oder in den Jahren unmittelbar davor.
wichtige Grundtechniken, das Legatospiel und – als Vorbereitung auf das Lagenspiel – den Barré
griff. Die in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit den eben angeführten Grundtechniken
stehenden Übungs und Vortragsstücke von Band II sind zum Großteil klassische Kompositionen
der Altmeister der Gitarristik wie Carcassi, Carulli, Diabelli, Giuliani, Küffner, Mertz und Sor. Es
finden sich jedoch auch einige volksmusikalische Stücke. Was auffällt, ist die Tatsache, dass diese in
der Mehrzahl in Form instrumental arrangierter Volkslieder für eine oder zwei Gitarren vorliegen.
Abbildung 25 zeigt als Beispiel das Kärntnerlied „Zwei Sternlein am Himmel“. Ein paar konventio
nelle volksmusikalische Stücke wie der Ländler aus Abbildung 26 runden den Übungsstoff ab.
281 Ragotzky o.J.
282 Ragotzky o.J., 1.
283 Zuth 1926, 227.
284 Ragotzky o.J., Frontispizseite.
98
5.2 Gitarrenschulen
Abbildung 25: Ragotzky, Hans, „Zwei Sternlein am Himmel“, aus: „Gitarristischer Lehrgang“, Band II.
Abbildung 26: Ragotzky, Hans, „Ländler für 2 Gitarren“, 1. und 2. Zeile, aus: „Gitarristischer Lehrgang“, Band II.
99
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Band II des „Gitarristischen Lehrgangs“ enthält in Summe 91 Stücke. Wie Abbildung 27 zeigt, set
Übungen zusammen.
Abbildung 27: Musikalische Kategorien in: „Gitarristischer Lehrgang“, Band II.
5.2.9 Weitere Gitarrenschulen
In diesem Abschnitt soll ein kurzer Blick auf drei weitere im Zeitraum zwischen 1890 und 1920 her
ausgegebene Gitarrenschulen geworfen werden, und zwar die „Kleine theoretisch praktische Guitar
reSchule“ von F. A. Schulz, die „Volkstümliche Schule für Gitarre und Laute“ von Alois Wanjek
sowie „Die Kunst des Gitarrespiels“ von Heinrich Scherrer.
Die „Kleine theoretisch praktische GuitarreSchule“285 von F. A. Schulz enthält kein Erscheinungs
jahr, kann aber analog zu vielen anderen Lehrwerken mit Hilfe der „Hofmeister Monatsberichte“
285 Schulz, F. A., Kleine theoretisch praktische GuitarreSchule. Zum Gebrauche für Schüler, die sich in möglichst kur
zer Zeit die Fertigkeit aneignen wollen, sowohl angemessene Solo’s vorzutragen, als auch ausgewählte Gesang
stücke mit Geschmack u. Gewandtheit zu begleiten, Leipzig 15o.J., fortan zitiert als: Schulz 15o.J.
100
5.2 Gitarrenschulen
zeitlich eingeordnet werden. Dort findet sich ein Eintrag für die dritte Auflage der Gitarrenschule
unter den Veröffentlichungen des Jahres 1888.286 Wie dem Untertitel zu entnehmen ist, berücksich
tigt die Schule sowohl das Solo als auch das Begleitspiel. Welchem von beiden mehr Aufmerksam
keit zuteil werden sollte, macht Schulz am Beginn der Einleitung mit folgendem Satz unmissver
ständlich klar: „Die Guitarre ist ein Instrument, welches mehr zum Accompagnement, als zum Vor
trage von Solosätzen geeignet ist.“287 Neben einer Reihe von Volksliedern mit Gitarrenbegleitung
beinhaltet die Schule auch einige – harmonisch recht einfache – Instrumentalstücke im volksmusika
lischen Stil. Abbildung 28 zeigt hierzu ein Beispiel.
Abbildung 28: Schulz, F. A., „Walzer“, aus: „Kleine theoretisch praktische GuitarreSchule“.
Die „Volkstümliche Schule für Gitarre und Laute“288 von Alois Wanjek erschien im Jahre 1908. Zur
prinzipiellen Ausrichtung der Gitarrenschule schreibt Wanjek:
„Einem allgemeinen Bedürfniß nachkommend, und von verschiedener Seite angeeifert, eine volkstümliche leicht
begreifliche Guitarreschule zu schreiben, die auch billig zu stehen kommt und doch ziemlich alles enthalten soll
um zu einem gewissen Ausbildungsgrad zu gelangen, habe ich mich dieser Aufgabe unterzogen […]. Die Guitar
re dient hauptsächlichst als BegleitInstrument […] und auf dieser Grundlage ist diese VolksGuitarreSchule
aufgebaut.“289
286 http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm, Stand: 16.12.2010.
287 Schulz 15o.J., 2.
288 Wanjek, Alois, Volkstümliche Schule für Gitarre und Laute. 6 saitige Gitarre und Laute. 9–14 saitige Contra Gitar
re. Schwedische Laute. Auch für den Selbstunterricht geeignet. Mit vielen Unterhaltungsstücken und einer Beglei
tungsTabelle sämtlicher Akkordgriffe, Leipzig u.a. 1908, fortan zitiert als: Wanjek 1908.
289 Wanjek 1908, 1.
101
Kapitel 5 Bedeutung des volksmusikalischen Repertoires
Was die Gewichtung von Solo und Begleitspiel anbelangt, weist die „Volkstümliche Schule für Gi
theoretisch praktischen GuitarreSchule“ auf. Abbildung 29 zeigt als Beispiel ein einfaches Volks
lied mit Gitarrenbegleitung.
Abbildung 29: Wanjek, Alois, „Der Tiroler“, aus: „Volkstümliche Schule für Gitarre und Laute“.
die zwischen 1907 und 1915 veröffentlicht wurden.291 Im Mittelpunkt steht das Begleitspiel, doch
wird auch der instrumentalen Volksmusik Rechnung getragen. Scherrer schreibt in diesem Zusam
menhang: „Wenn die Gitarre auch in erster Linie als das berufene Begleitinstrument zum Gesang in
290 Scherrer, Heinrich, Die Kunst des Gitarrespiels. Auf Grundlage der Spielweise der alten Lautenschläger. Heft 2. E
dur: Die Grundakkorde, Leipzig 301927, fortan zitiert als: Scherrer 301927.
291 http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm, Stand: 16.12.2010.
102
5.2 Gitarrenschulen
Betracht kommt, so hat sich doch auch eine volkstümliche Instrumentalmusik auf derselben heraus
gebildet. Die beliebteste Gattung dieser Art ist der Landler, […].“ 292 Abbildung 30 zeigt hierzu ein
Beispiel aus Heft 2 des Gitarrenlehrgangs.
Abbildung 30: Scherrer, Heinrich, „Zwei Landler“, aus: „Die Kunst des Gitarrespiels“, Heft 2.
292 Scherrer 301927, o.S.
103
6 Zusammenfassung
Die Wiederbelebung der Gitarre zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte ihren Ursprung in der Wan
dervogelbewegung. Die Wandervögel setzten das Instrument mit Begeisterung zum Begleiten ihrer
Lieder ein, erreichten aber nur ein geringes musikalisches und spieltechnisches Niveau. Aus der
Wandervogelbewegung ging nach 1915 die Jugendmusikbewegung hervor. Deren Vertreter grenzten
sich vom Dilettantismus der Wandervögel ab und suchten die Qualität des Liedrepertoires und des
Begleitspiels auf der Grundlage genauer formulierter musikalischer Zielvorstellungen zu verbessern.
In der sich parallel zur Wandervogel und Jugendmusikbewegung entwickelnden Sologitarristik be
mühte man sich vor allem, die Gitarre wieder als ernst zu nehmendes Konzertinstrument zu etablie
ren. Die Umsetzung dieses ambitionierten Vorhabens gestaltete sich freilich mangels echter musika
lischer Vorbilder relativ schwierig und gelang erst Jahre später im Zuge der Einladung international
anerkannter Gitarrenvirtuosen.
Die in Kapitel 4 vorgenommene vergleichende Betrachtung zeigt, dass das Verhältnis von Wander
vogelbewegung, Jugendmusikbewegung und Sologitarristik stark von gegenseitiger Kritik und Ab
lehnung geprägt war. Nichtsdestoweniger finden sich bei genauerem Hinsehen auch einige Berüh
schätzung der unbedarften Zupfgeigenbegleitung der Wandervögel. Heinrich Scherrer, Mitbegrün
der des Internationalen Gitarristenverbandes (IGV), fungierte als Bindeglied zwischen Wandervo
gelbewegung und Sologitarristik. Er machte sich nicht nur als Koautor um den in der Wandervogel
bewegung äußerst beliebten „Zupfgeigenhansl“ verdient, sondern gab mit der „Kurzgefaßten, volks
tümlichen Lauten und GitarreSchule“ auch ein explizit auf die Bedürfnisse der Wandervögel zuge
schnittenes Lehrwerk heraus. Wandervogel und Jugendmusikbewegung schließlich waren – zumal
verbunden.
105
Kapitel 6 Zusammenfassung
Die in Kapitel 5 präsentierten Auszüge aus den „Hofmeister Monatsberichten“ und den Program
men der vom IGV veranstalteten Gitarristentage bestätigen die Vermutung, dass das volksmusikali
sche Repertoire bei der Wiederbelebung der Gitarre eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte.
Zahlreiche Hinweise hierauf finden sich gleichermaßen in den näher untersuchten zeitgenössischen
Gitarrenschulen. Tatsächlich wenden sich diese, wie dem Vorwort oder den einführenden Worten
oft explizit zu entnehmen ist, vor allem an Dilettanten und Liebhaber des Instruments. Die spezielle
Ausrichtung der Gitarrenschulen zeigt sich häufig auch in augenfälligen Titelzusätzen wie „zum
Volkslieder und gängige volksmusikalische Stücke in ihre Lehrwerke auf, um den Schüler zu unter
halten und zu hinreichend intensiver Beschäftigung mit der Gitarre zu motivieren. Interessant ist,
dass dem alpenländischvolksmusikalischen Repertoire eine eindeutige Tendenz zum Ländler inne
wohnt. Generell zeichnen sich die volksmusikalischen Stücke wie auch die Begleitsätze zu den
Volksliedern durch einen relativ niedrigen Schwierigkeitsgrad aus. Nicht selten beruhen sie ledig
lich auf einfachen Zerlegungen der Grundakkorde und kommen so dem wenig fortgeschrittenen Gi
tarrenspieler entgegen.
Es besteht kein Zweifel, dass das Gitarrenspiel zu Beginn des 20. Jahrhunderts dank vielfältiger Be
mühungen und Initiativen zu neuer Popularität gelangte. Das wachsende Interesse war indessen eng
mit dem volksmusikalischen Genre verknüpft. Bis die Gitarre auch in kunstmusikalischen Kreisen
wieder als ernst zu nehmendes Instrument galt, sollten noch einige Jahre vergehen.
106
7 Wissenschaftlicher Apparat
7.1 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Giuliani, Mauro, Variationen über das Lied „A Schisserl und a Reindl“,
Mailand 1974: Edizioni Suvini Zerboni......................................................................18
Abbildung 2: http://www.jocom.de/leiningen/ruebe/WVLagerfeuer.jpg........................................23
Abbildung 3: http://www.quickbooker.org/kunden/l3750/images/00854.JPG.................................27
Abbildung 4: http://www.rageboy.com/mbimages/wandervogel.jpg................................................29
Abbildung 5: Diagramm: Marlene Pock...........................................................................................39
Abbildung 7: Mayer, Alois, Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die
Guitarre, Leipzig o.J.: Jul. Heinr. Zimmermann........................................................82
Abbildung 8: Mayer, Alois, Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die
Guitarre, Leipzig o.J.: Jul. Heinr. Zimmermann........................................................82
Abbildung 9: Mayer, Alois, Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die
Guitarre, Leipzig o.J.: Jul. Heinr. Zimmermann........................................................82
Abbildung 10: Albert, Heinrich, Moderne Lauten oder GitarreSchule, Leipzig 1911: Paul List....84
Abbildung 11: Diagramm: Marlene Pock...........................................................................................85
Abbildung 12: Albert, Heinrich, Moderne Lauten oder GitarreSchule, Leipzig 1911: Paul List....85
Abbildung 14: Scherrer, Heinrich, Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten und GitarreSchule,
Leipzig 1911: Friedrich Hofmeister............................................................................87
Abbildung 15: Vorpahl, Reinhold, Neue GitarreSchule für Solospiel, BerlinLichterfelde o.J.:
Ad. Köster...................................................................................................................89
Abbildung 16: Diagramm: Marlene Pock...........................................................................................90
Abbildung 17: Diagramm: Marlene Pock...........................................................................................92
Abbildung 18: Albert, Heinrich, Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels, I. Teil,
München 1916: Gitarrefreund.....................................................................................93
107
Kapitel 7 Wissenschaftlicher Apparat
Abbildung 19: Albert, Heinrich, Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels, I. Teil,
München 1916: Gitarrefreund.....................................................................................93
Abbildung 20: Pfister, Fr., Klampfenschule, Würzburg o.J.: St. Rita.................................................95
Abbildung 21: Pfister, Fr., Klampfenschule, Würzburg o.J.: St. Rita.................................................95
Abbildung 22: Ritter, Theodor, Lehrgang des modernen Gitarrespiels, Teil B, Frankfurt am
Main o.J.: Friedrich Hofmeister.................................................................................96
Abbildung 23: Ritter, Theodor, Lehrgang des modernen Gitarrespiels, Teil B, Frankfurt am
Main o.J.: Friedrich Hofmeister.................................................................................97
Abbildung 24: Diagramm: Marlene Pock...........................................................................................97
Abbildung 25: Ragotzky, Hans, Gitarristischer Lehrgang, Band II, Berlin NW o.J.: Mandolinata.. 99
Abbildung 27: Diagramm: Marlene Pock.........................................................................................100
Abbildung 28: Schulz, F. A., Kleine theoretisch praktische GuitarreSchule, Leipzig o.J.: Oscar
Brandstetter...............................................................................................................101
Abbildung 29: Wanjek, Alois, Volkstümliche Schule für Gitarre und Laute, Leipzig u.a. 1908:
Bosworth & Co.........................................................................................................102
Abbildung 30: Scherrer, Heinrich, Die Kunst des Gitarrespiels, Heft 2, Leipzig 1927: Friedrich
Hofmeister.................................................................................................................103
7.2 Bibliographie
BAYER, Eduard jr.
1920 „Die Gitarre als Soloinstrument“, Hg. Erwin SchwarzReiflingen, Der LautenAlma
nach. 2. Jahrgang 1920. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler,
Freunde guter Hausmusik und des Volksliedes, Berlin W: Ad. Köster, 35–37.
BREUER, Hans
1918 „Wandervogel und Volkslied“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen
aus der Jugendbewegung, Hamburg: Adolf Saal, 95–101.
25
1923 Der Zupfgeigenhansl, Leipzig: Friedrich Hofmeister, 25. Auflage.
BUEK, Fritz
1926 Die Gitarre und ihre Meister, BerlinLichterfelde: Robert Lienau.
108
7.2 Bibliographie
DUIS, Ernst
1919 „Das Lied zur Laute“, Hg. Erwin SchwarzReiflingen, LautenAlmanach auf das Jahr
1919. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Haus
musik und des Volksliedes, BerlinPankow: Ad. Köster, 89–92.
EHRHORN, Manfred
1987 „Das chorische Singen in der Jugendmusikbewegung – Erneuerungsbestrebungen nach
1900“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmusikbewegung. Impulse und Wirkungen,
Wolfenbüttel/Zürich: Möseler, 37–55.
FOCHT, Josef
2003 „Gitarrenbau Hauser. Zur Geschichte einer großen bayerischen InstrumentenbauerFa
milie“, Sänger & Musikanten, 47/1, 7–10.
FUNCK, Eike
1987 „Alte Musik und Jugendmusikbewegung“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmu
sikbewegung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel/Zürich: Möseler, 63–91.
FUNKHENNIGS, Erika
1987 „Über die instrumentale Praxis der Jugendmusikbewegung – Voraussetzungen und Aus
wirkungen“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmusikbewegung. Impulse und Wir
kungen, Wolfenbüttel/Zürich: Möseler, 221–234.
GOEKE, Olaf
1994 Die Unterweisung im Gitarrenspiel in Deutschland vom Ende des 19. Jahrhunderts bis
1932 (=Musikwissenschaft, Band 6), Münster/Hamburg: Lit, zugleich Dissertation Uni
versität Dortmund.
GÜNTHER, Ulrich
1987 „Jugendmusikbewegung und reformpädagogische Bewegung“, Hg. KarlHeinz Rein
fandt, Die Jugendmusikbewegung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel/Zürich: Möse
ler, 160–184.
HACKL, Stefan
1998 „Die Gitarre in der Alpenländischen Volksmusik. Berührungspunkte zwischen Volks
musik und klassischer Gitarre“, Gitarre & Laute, 6/1998, 16–21.
1999 „Die Gitarre in der Alpenländischen Volksmusik. Berührungspunkte zwischen Volks
musik und klassischer Gitarre (zweiter Teil)“, Gitarre & Laute, 1/1999, 54–59.
2004 „Volksmusikalisches Gitarrenspiel in Tirol“, 200 Jahre Volksmusikalisches Gitarren
spiel in Tirol, Austro Mechana CD 28430, CD 2, Innsbruck: Tiroler Volksliedwerk.
109
Kapitel 7 Wissenschaftlicher Apparat
HALM, August
1918a „Musik und Volk“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Ju
gendbewegung, Hamburg: Adolf Saal, 9–22.
1918b „Musik und Leben“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der
Jugendbewegung, Hamburg: Adolf Saal, 23–30.
1918c „Gegensätze“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugend
bewegung, Hamburg: Adolf Saal, 55–57.
HARLAN, Peter
1953 „Von eigener Bestimmung und innerer Wahrhaftigkeit. Hans Breuer und der ‚Zupfgei
genhansl‘“, Zeitschrift für Musik, 114/4, 207–210.
HUBER, Karl
1995 Die Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrespiels um 1900. Untersuchungen zur So
zialgeschichte des Laienmusikwesens und zur Tradition der klassischen Gitarre, Augs
burg: Lisardo Verlagsgesellschaft mbH, zugleich Dissertation Universität Augsburg.
JÖDE, Fritz (Hg.)
1918a „Durch Arbeit (Ein Geleitwort)“, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Ju
gendbewegung, Hamburg: Adolf Saal, 5–8.
1918b „Gitarre und Volkslied“, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugendbewe
gung, Hamburg: Adolf Saal, 159–163.
1919 Musik. Ein pädagogischer Versuch für die Jugend, Wolfenbüttel: Julius Zwißler.
1956a „Jugend und Musik“, Die Volksmusikinstrumente und die Jugend, Trossingen/Wolfen
büttel: Editio Intermusica, 21–31.
1956b „Vollzogener Wandel“, Die Volksmusikinstrumente und die Jugend, Trossingen/Wolfen
büttel: Editio Intermusica, 31–48.
JÖDE, Ulf
1987 „Liedsatzbeiträge in der deutschen Jugendmusikbewegung und späteren Veröffentli
chungen im Rahmen dieser Tradition“, Hg. KarlHeinz Reinfandt, Die Jugendmusikbe
wegung. Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel/Zürich: Möseler, 56–62.
KASCHUBA, Wolfgang
1989 Volkslied und Volksmythos – Der „Zupfgeigenhansl“ als Lied und Leitbuch der deut
schen Jugendbewegung (=Jahrbuch für Volksliedforschung, 34. Jahrgang), Berlin: Erich
Schmidt, 41–55.
110
7.2 Bibliographie
KOLLAND, Dorothea
1979 Die Jugendmusikbewegung. „Gemeinschaftsmusik“ – Theorie und Praxis, Stuttgart:
J. B. Metzler.
LEEB, Hermann
1980 „Die Gitarre. 2. Teil“, Gitarre & Laute, 3/1980, 32–40.
MÖLLER, Richard
1918 „Laute und Lautenmusik“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus
der Jugendbewegung, Hamburg: Adolf Saal, 164–168.
PÄFFGEN, Peter
1992a „Wiederbelebungsversuche. Die Gitarre zu Anfang des XX. Jahrhunderts. Teil 1“, Gi
tarre & Laute, 2/1992, 11–15.
1992b „Wiederbelebungsversuche. Die Gitarre zu Anfang des XX. Jahrhunderts. Teil 3. Die
Laute und wir!“, Gitarre & Laute, 5/1992, 55–57.
1992c „Wiederbelebungsversuche. Die Gitarre zu Anfang des XX. Jahrhunderts. Teil 4. Erin
nerungen“, Gitarre & Laute, 6/1992, 21–27.
2
2002 Die Gitarre. Geschichte, Spieltechnik, Repertoire, Mainz u.a.: Schott, 2. Auflage.
PARTSCH, Erich Wolfgang
1994 Karl Scheit. Ein Porträt, Wien/München: Doblinger.
RAGOSSNIG, Konrad
3
2003 Handbuch der Gitarre und Laute, Mainz u.a.: Schott, 3. Auflage.
RAINER, Gerald / KERN, Norbert / RAINER, Eva
1993 Stichwort Literatur. Geschichte der deutschsprachigen Literatur, Linz: VERITAS.
REUSCH, Fritz
1938 Musik und Musikerziehung im Dienste der Volksgemeinschaft, Osterwieck/Berlin:
A. W. Zickfeldt.
SCHMITZ, Alexander
2
1982 Das Gitarrenbuch. Geschichte – Instrumente – Interpreten, Frankfurt am Main: S. Fi
scher, 2. Auflage.
SCHMITZ, Peter
1995 „Die Kritik der Jugendmusikbewegung an der Gitarrenbewegung“, Gitarre & Laute,
1/1995, 57–66.
111
Kapitel 7 Wissenschaftlicher Apparat
SCHWARZREIFLINGEN, Erwin (Hg.)
1919 LautenAlmanach auf das Jahr 1919. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gi
tarrespieler, Freunde guter Hausmusik und des Volksliedes, BerlinPankow: Ad. Köster.
1919a „Laute oder Gitarre?“, LautenAlmanach auf das Jahr 1919. Ein Jahr und Handbuch
für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und des Volksliedes, Ber
linPankow: Ad. Köster, 10–12.
1919b „Zur Geschichte der Gitarre in Deutschland“, LautenAlmanach auf das Jahr 1919. Ein
Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und
des Volksliedes, BerlinPankow: Ad. Köster, 22–25.
1919c „Die Wiedererweckung des Gitarrespiels“, LautenAlmanach auf das Jahr 1919. Ein
Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik und
des Volksliedes, BerlinPankow: Ad. Köster, 40–44.
1919d „Das Zusammenspiel. Ein Wort an die Wandervögel“, LautenAlmanach auf das Jahr
1919. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler, Freunde guter Haus
musik und des Volksliedes, BerlinPankow: Ad. Köster, 61–67.
SEEFELDER, Maximilian
2003 „Gitarre ohne und mit Verstärker“, Sänger & Musikanten, 47/1, 11–12.
STEMPNIK, Astrid
1990 Caspar Joseph Mertz: Leben und Werk des letzten Gitarristen im österreichischen Bie
dermeier. Eine Studie über den Niedergang der Gitarre in Wien um 1850 (=Europäische
Hochschulschriften, Reihe XXXVI: Musikwissenschaft, Band 48), Frankfurt am
Main u.a.: Peter Lang, zugleich Dissertation Freie Universität Berlin.
SUPPAN, Wolfgang
2
1978 Volkslied. Seine Sammlung und Erforschung (=Sammlung Metzler. Realien zur Litera
tur, Abteilung E: Poetik, Band 52), Stuttgart: J. B. Metzler, 2. Auflage.
WILLMITZER, Gerhard
1970 Die Volksliedbegleitung auf der Gitarre (Laute) und das Lautenlied in der Zeit der deut
schen Jugendbewegung (1900–1932), Halle (Saale), Dissertation MartinLutherUniver
sität HalleWittenberg.
WOLFF, Robert
1986 „Interview mit Luise Walker“, nova giulianiad, 8/1986, 214–218.
WÖLKI, Konrad
1956 „Die Zupfinstrumente“, Hg. Fritz Jöde, Die Volksmusikinstrumente und die Jugend,
Trossingen/Wolfenbüttel: Editio Intermusica, 84–91.
112
7.2 Bibliographie
WYNEKEN, Gustav
1918a „Vorkunst“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anregungen aus der Jugendbe
wegung, Hamburg: Adolf Saal, 50–54.
1918b „Grundsätzliches zur Führerfrage“, Hg. Fritz Jöde, Musikalische Jugendkultur. Anre
gungen aus der Jugendbewegung, Hamburg: Adolf Saal, 73–79.
ZUTH, Josef
1919 „Aufgaben der neuzeitigen Gitarristik“, Hg. Erwin SchwarzReiflingen, LautenAlma
nach auf das Jahr 1919. Ein Jahr und Handbuch für alle Lauten und Gitarrespieler,
Freunde guter Hausmusik und des Volksliedes, BerlinPankow: Ad. Köster, 72–77.
1926 Handbuch der Laute und Gitarre, Wien: Zeitschrift für die Gitarre.
7.3 Gitarrenschulen
ALBERT, Heinrich
1911 Moderne Lauten oder GitarreSchule. Zum Selbstunterricht besonders geeignet, Leip
zig: Paul List.
1916 Moderner Lehrgang des künstlerischen Gitarrespiels. Für Lehrzwecke und zum Selbst
unterricht. I. Teil. „Das Volkslied zur Gitarre“, München: Gitarrefreund.
MAYER, Alois
o.J. Praktische und leichtverständliche Schule zum Selbstunterricht für die Guitarre, Leip
zig: Jul. Heinr. Zimmermann.
PFISTER, Fr.
o.J. Klampfenschule (=Veröffentlichungen der Neudeutschen Musikscharen, II. Folge: Hand
büchlein der Instrumentalmusik, Heft 3), Würzburg: St. Rita.
RAGOTZKY, Hans
o.J. Gitarristischer Lehrgang. Langsam vorwärtsschreitend bis zum Studium unserer alten
Gitarremeister. Band II, Berlin NW: Mandolinata.
RITTER, Theodor
o.J. Lehrgang des modernen Gitarrespiels. Für den Gruppen, Einzel und SelbstUnterricht
geeignet. Teil B. Das Solospiel und die Liedbegleitung, Frankfurt am Main: Friedrich
Hofmeister.
SCHERRER, Heinrich
1911 Kurzgefaßte, volkstümliche Lauten und GitarreSchule. Eine leichtverständliche Anlei
113
Kapitel 7 Wissenschaftlicher Apparat
tung für den Selbstunterricht im Akkordieren, (auch ohne Notenkenntniß, also nach dem
Gehör und nach dem rhytmischen Gefühl) auf der Laute und auf der Gitarre, mit Be
rücksichtigung der BaßGitarre (SchrammelGitarre) und BaßLaute sowie der schwe
dischen Laute und der doppelchörigen Laute, Leipzig: Friedrich Hofmeister.
30
1927 Die Kunst des Gitarrespiels. Auf Grundlage der Spielweise der alten Lautenschläger.
Heft 2. Edur: Die Grundakkorde, Leipzig: Friedrich Hofmeister, 30. Auflage.
SCHULZ, F. A.
15
o.J. Kleine theoretisch praktische GuitarreSchule. Zum Gebrauche für Schüler, die sich in
möglichst kurzer Zeit die Fertigkeit aneignen wollen, sowohl angemessene Solo’s vorzu
tragen, als auch ausgewählte Gesangstücke mit Geschmack u. Gewandtheit zu begleiten,
Leipzig: Oscar Brandstetter, 15. Auflage.
VORPAHL, Reinhold
o.J. Neue GitarreSchule für Solospiel. Harmonie und Accordlehre für Gitarre angewandt,
BerlinLichterfelde: Ad. Köster.
WANJEK, Alois
1908 Volkstümliche Schule für Gitarre und Laute. 6 saitige Gitarre und Laute. 9–14 saitige
Contra Gitarre. Schwedische Laute. Auch für den Selbstunterricht geeignet. Mit vielen
Unterhaltungsstücken und einer BegleitungsTabelle sämtlicher Akkordgriffe, Leip
zig u.a.: Bosworth & Co.
7.4 Elektronische Dokumente
GIESECKE, Hermann
2002 Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend. Jugendarbeit zwischen Politik und Pädagogik,
http://www.5tc1.de/giesecke/wvtot.pdf,
Stand: 16.12.2010.
JÄGGIN, Christoph
o.J. Anmerkungen zum gitarrebegleiteten Lied des Schweizer Wandervogels,
http://www.christophjaeggin.net/Schriften/LiederdesSchweizerWandervogels.pdf,
Stand: 16.12.2010.
KINDLE, Jürg
2006 Gedanken zum Thema Liedbegleitung, Referat zur EGTATagung am 10. September
2006 in Zürich,
http://www.guitarweb.ch/kindle/PDF/liedbegleitung.pdf,
Stand: 16.12.2010.
114
7.4 Elektronische Dokumente
KLEIN, Hans
o.J. Walther Hensel und der Finkensteiner Bund,
http://www.waltherhenselgesellschaft.de/ueberwaltherhensel/finkensteiner
bund.html,
Stand: 16.12.2010.
KOLLAND, Dorothea
1998 Musik der Musikanten. Die Jugendmusikbewegung,
http://kulturneukoelln.de/client/media/46/2_musik_der_musikanten_1998.pdf,
Stand: 16.12.2010.
PROBSTEFFAH, Gisela
2007 Musikalische Jugendkulturen im 20. Jahrhundert, Skript zum gleichnamigen Seminar,
abgehalten im Wintersemester 2006/2007,
http://www.unikoeln.de/ewfak/Mus_volk/scripten/probst/jugend.html,
Stand: 16.12.2010.
2009 Volksmusik im 20. Jahrhundert, Skript zum gleichnamigen Seminar, abgehalten im
Sommersemester 2009,
http://www.unikoeln.de/ewfak/Mus_volk/scripten/probst/volksmusik.htm,
Stand: 16.12.2010.
SIEBERICHSNAU, Michael
2005 Johann Dubez. 1828–1891. Biographie und Werkverzeichnis,
http://www.mvam.at/dubez/pics/DubezBiografie051120.pdf,
Stand: 16.12.2010.
7.5 Webseiten
http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Diabelli,
Stand: 16.12.2010.
http://www.antiquariatmkk.de/,
Stand: 16.12.2010.
http://www.archivderjugendmusikbewegung.de/zeittafelderjugendmusikbewegung.htm,
Stand: 16.12.2010.
http://www.austrialexikon.at/af/AEIOU/Volksmusik,
Stand: 16.12.2010.
115
Kapitel 7 Wissenschaftlicher Apparat
http://www.klassika.info/Komponisten/Giuliani/wv_gattung.html,
Stand: 16.12.2010.
http://www.musikantique.com/,
Anmerkung: Das Musikantiquariat Faulhaber wurde mit 30. Jänner 2009 geschlossen.
http://www.onb.ac.at/sammlungen/musik/16615.htm,
Stand: 16.12.2010.
http://www.zvab.com/,
Stand: 16.12.2010.
7.6 Benutzte Bibliotheken und Archive
Bayerische Staatsbibliothek, D80539 München.
Deutsche Nationalbibliothek, D04103 Leipzig.
Österreichische Nationalbibliothek, A1015 Wien.
Privatarchiv Heinz Wallisch, A3150 Wilhelmsburg.
Steirisches Volksliedwerk, A8010 Graz.
Universitätsbibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, A8010 Graz.
Universitätsbibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, A1030 Wien.
Universitätsbibliothek Dortmund, D44227 Dortmund.
7.7 Alphabetischer Index
Arnim, Achim von.........................................16 Augsburg................................47, 49, 68, 75, 76
Aguado, Dionisio.....................................15, 19 Bayer, Eduard................................................45
Albert, Heinrich. .45, 48, 49, 52, 53, 67, 73, 83, Bayern...........................................21, 47, 52, 94
84, 90, 91 Berlin............................................21, 22, 24, 88
Alpenländische Volksmusik...13, 16, 17, 21, 52, Böhmerlandbewegung.............................33, 34
77 Brentano, Clemens.........................................16
Alte Musik..................36, 37, 59, 60, 62, 69, 72 Breuer, Hans.....................24, 25, 26, 31, 64, 65
Altmeister................................................59, 63 Buek, Fritz.....19, 25, 28, 43, 44, 45, 46, 47, 48,
Altwandervogel..............................................24 51, 57, 59, 60, 65, 68
Amateurmusiker......................................53, 68 Byron, Lord....................................................16
116
7.7 Alphabetischer Index
117
Kapitel 7 Wissenschaftlicher Apparat
Polyphonie..........................................61, 63, 71 Sprenzinger, Franz.........................................49
Pommer, Josef................................................21 Tárrega, Francisco.........................................20
Pujol, Emilio..................................................54 Torres, Antonio de.........................................20
Purcell, Henry................................................39 Tyrolienne......................................................84
Ragotzky, Hans..............................................98 Unterhaltungsmusik................37, 41, 45, 68, 80
Regondi, Giulio........................................19, 52 Virtuose..................................45, 47, 50, 54, 67
Ritter..................................................45, 53, 95 Volkslied. .19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 29, 30, 34,
Rousseau, JeanJacques.................................16 38, 39, 47, 49, 54, 65, 72, 80, 91, 92, 102
Salonmusik....................................................44 Vorpahl, Reinhold........................45, 53, 88, 89
Sandrini, Paul.................................................17 Walker, Luise.................................................69
Schein, Johann Hermann...............................40 Wandervogelbewegung. . .13, 21, 22, 24, 25, 26,
Scherrer, Heinrich 41, 45, 47, 48, 49, 51, 52, 53, 28, 29, 30, 37, 41, 44, 55, 57, 59, 64, 65, 66,
65, 66, 67, 68, 69, 71, 86, 87, 100, 102, 105 68, 69, 71, 72, 86, 105
Scholander, Sven...........................................60 Wanjek, Alois.......................................100, 101
Schulz, F. A....................................52, 100, 101 Weber, Ludwig..................................40, 52, 84
SchwarzReiflingen, Erwin....54, 57, 58, 59, 61 Wolf, Louis....................................................17
Schwerdhöfer, Markus.....45, 49, 53, 54, 77, 79 Wolzogen, ElsaLaura von.............................60
Segovia, Andrés.............................................54 Wyneken, Gustav................................31, 57, 70
Sevilla............................................................20 Zither..................................................52, 77, 79
Singwoche..........................................32, 34, 39 Zupfgeige..........................25, 28, 40, 41, 43, 71
Sologitarristik 13, 21, 30, 42, 44, 50, 54, 57, 58, Zupfgeigenhansl...25, 26, 27, 37, 41, 63, 64, 65,
59, 61, 62, 63, 64, 66, 68, 73, 105 66, 69, 72, 86, 105
Sonnleithner, Joseph......................................17 Zuth, Josef............16, 28, 54, 55, 88, 94, 95, 98
Sor, Fernando.......15, 16, 19, 52, 53, 64, 89, 98
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