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10 | Die Arbeitswelt der Handwerker | 11

Bäckern und Mosaizisten, aber auch bei den Lei- Verträgen zählte und möglicherweise an eine Behör-
Der römische Handwerker chenbestattern bezeugt. Im berühmten Lingonentes- de gemeldet werden musste. Dabei stellte eine Partei
tament bestimmte der Erblasser, dass der Garten bei die Arbeitskraft des Lehrlings zur Verfügung (locatio),
in seinem Umfeld seinem Grab von drei Gärtnern und deren drei Lehr-
jungen gepflegt werden solle. Obwohl erst die spät-
die die andere in vertraglich geregelter Weise nutzte
(conductio). Da für die Ausbildung kein Lehrgeld ge-
antike Gesetzgebung vorschrieb, dass Söhne den Be- zahlt wurde, konnte der Meister als Gegenleistung in
ruf des Vaters zu erlernen hatten, führten bereits in dieser Zeit über die Arbeitskraft des Lehrlings verfü-
der hohen Kaiserzeit Nachkommen oft eine beste- gen. Deshalb waren Fehlzeiten nach beendeter Lehre
Die Arbeitswelt der Handwerker Trotzdem kannten römische Handwerker grundsätz- hende Werkstatt weiter. Auch wenn dann viele Hand- nachzuarbeiten. Manche Meister nutzten dieses Recht
lich weder vorgeschriebene Lehrzeiten noch staatlich griffe von Kindheit an durch spielerisches Nachah- über das zuträgliche Maß hinaus aus, so dass ein als
überwachte Ausbildungen, auch wenn Quellen mehr- men erlernt worden sein könnten, setzten bestimmte Lehrbub verdingter Sklave während der Ausbildung
Schon in der Antike galt der gerne zitierte Satz, dass fach Lehrlinge erwähnen, die wohl zumeist in kleine- Berufe wie der des Töpfers dennoch eine Ausbildung sogar zurück zu seinem Herrn floh. Der Lehrling un-
noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Da es ren und mittleren Betrieben lernten. Sie sind bei so voraus, weil das Herstellen von Gefäßen auf der Töp- terstand in dieser Zeit der hausväterlichen Gewalt
keine Gesellenprüfungen gab, unterschied man nur unterschiedlichen Berufen wie (Leinen-)Webern, ferscheibe außer praktischen Kenntnissen viel Übung (potestas) seines Lehrherrn, was das Recht der verba-
zwischen dem unqualifizierten Lehrling (ergátes) und Walkern, Stickern, Nagel- und Kupferschmieden, Flö- erforderte. So ließen nach zahlreichen Verträgen aus len oder körperlichen Strafe einschloss. Aber nur sel-
dem erfahrenen Fachmann (technítes). Seinen Rat tenspielern, Bauhandwerkern, Korb- und Matten- Ägypten Väter ihre Söhne sogar für das gleiche Ge- ten wird es dabei zu einem solch schrecklichen Unfall
holte man im 3. Jh. bei Grundstücksvermessungen flechtern, Wollkämmern/ Friseuren, Goldschmieden, werbe außerhalb der eigenen Werkstatt von fremden gekommen sein wie dem, den der Jurist Ulpian über-
ebenso ein wie vor anstehenden Bauarbeiten. Sicher Meistern ausbilden, um sie dort anders organisierte liefert: Ein Schuster versetzte seinem Lehrling mit
ist diese Praxis trotz fehlender Belege bereits früher Arbeitsabläufe und neue Verfahren erlernen zu las- dem Leisten einen so harten Schlag, dass der Junge
üblich gewesen. Dass der 249/50 n.Chr. in Oxyrhyn- sen. Nur selten entstanden allerdings »Schulen« wie stürzte und dabei ein Auge verlor.
chos vor der Vergabe von Reparaturen an öffentlichen in Aventicum/ Avenches, wo Lehrlinge zu Meistern Verschiedene Verträge aus Oxyrhynchos überlie-
Gebäuden beauftragte Kostenvoranschlag von »ge- wurden und dann selbst wieder Jüngere ausbildeten. fern weitere Details. Während der gesetzliche Vor-
lernten«, also ausgebildeten und entsprechend erfah- Die von Vepotalus um 15 v.Chr. gegründete Töpferei mund für Verpflegung und Kleidung des Lehrlings
renen (Bau-)Handwerkern erstellt worden ist, beweist führte sein Schüler Villo weiter, bei dem Sabinus lern- aufkam, übernahm der Lehrherr für seinen Schüler
den Qualitätsanspruch der Meister. Er führte die Ge- te. Als Meister nahm er Pindarus in die Lehre, der oft alle Abgaben, die Gewerbetreibende zahlen muss-
werke von Malern, Tünchern, Maurern und Hilfsar- sein Wissen schließlich in vespasianischer Zeit an Iu- ten. Sie waren für Minderjährige reduziert und im
beitern getrennt auf. Leider bleibt unbekannt, ob ein cundus weitergab. frühen 2. Jh. vorübergehend offenbar vollkommen
Konkurrenzangebot vorlag. Ob ein Handwerker für die Ausbildung von Lehr- aufgehoben worden. In einigen Verträgen wurden au-
Da ein ungelernte Arbeiter, der in den großen Ke- lingen eine Qualifikation nachweisen musste, entzieht ßerdem ein nach dem Ausbildungsstand gestaffelter
ramikmanufakturen sogar an Töpferkollegen weiter- sich unserer Kenntnis. Auf eine gewisse Sorgfalt Monatslohn sowie 16 bis 36 bezahlte Urlaubstage ver-
vermietet werden konnte, für einfachere Tätigkeiten scheint aber geachtet worden zu sein, wenn sich ein einbart. Dabei genoss ein Lehrling nach juristischen
bis in die Spätantike rund ein Drittel weniger Lohn Lehrherr verpflichtete, dem Lehrling »die gesamte Quellen durchaus rechtlichen Schutz, denn ihm stand
erhielt als ein ausgebildeter Handwerker, schätzte Webkunst« so beizubringen, »wie er sie versteht«. Au- aufgrund des durch den Lehrvertrag zustande-
man eine abgeschlossene Lehre als Grundlage für das ßerdem hatte ein Meister, der dies nicht gewissenhaft gekommenen Rechtsverhältnisses das Klagerecht
Erwerbsleben sehr hoch ein. Das belegt die Feststel- tat, mit einer Strafe zu rechnen. Wohl aus diesem gegen die andere Partei zu, das während seiner Min-
lung von Petronius, dass die Kunstfertigkeit nie ster- Grund wird die Zusammenarbeit von Meister und derjährigkeit allerdings von seinem Vormund wahr-
ben wird (artificium numquam moritur) ebenso wie Schüler 77 n.Chr. in Gornea (Armenien) bei einem genommen werden musste. Dazu zählten nicht nur
eine phrygische Grabinschrift, nach der Eltern ihren Tempelbau ausdrücklich vermerkt, während sie für der Lehrherr, sondern auch die mit Leitungsaufgaben
Sohn den Beruf des Steinmetzen erlernen ließen, der die Stuck- oder Mosaikarbeiten an der Villa Farnesi- in der Werkstatt beauftragten magistri und institores
junge Mann seine Lehre aber wohl nicht beenden na in Rom oder in Augst anhand unterschiedlicher (Stellvertreter), die zumindest zeitweise die Lehrlinge
konnte. Eine Abrechnung aus Ägypten beziffert so- Stile nur zu erschließen ist. Insgesamt aber dürfte die anleiteten. Ebenso konnten aber auch der Werkstatt-
gar die unterschiedlich hohen Verdienste. Während Ausbildung ohne ein festgeschriebenes Curriculum besitzer oder sein Stellvertreter eine Klage gegen den
die Facharbeiter, die Tünch- und Stuckarbeiten aus- sehr unterschiedlich und eher unsystematisch geblie- Lehrling anstrengen.
führten, mit einem Einkommen von 16 Drachmen Der Ausbildungsvertrag über
ben sein, auch wenn der Flickschneider Euphras aus Lehrlinge, die einige Erfahrung besaßen, konnten
rechnen konnten, erhielten die ihnen zuarbeitenden die Lehre bei einem »Mumien- Nicomedia in der Grabinschrift für seinen Lehrherrn sogar schon mit der Leitung einer Werkstatt beauf-
Handlanger für folgende, genau beschriebene Tätig- verschönerer« legt die Pflich- Vitalis ausdrücklich betonte, dass er bei diesem Meis- tragt werden. Falls sie dabei einen Schaden verur-
keiten als Entgelt: ten der beiden Vertragspartei- ter die téchne (Kunst) erlernt habe, die heute die sachten, indem sie z.B. in dem Geschäft eines Wal-
en exakt fest. Dazu gehören
– Gips brennen, zerstoßen und sieben 2 Drachmen Vereinbarungen über Sach-
Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz bilde. kers Kleidung falsch aushändigten, wäre nach Ulpian
– Kalk zerkleinern 1 Drachme leistungen für den Auszubil- Für die bis zu fünf Jahre dauernde Ausbildung traf ein vom Meister beauftragter Geschäftsführer (ma-
– Sand sieben und mit Kalk mischen 1 Drachme, denden, Bestimmungen für der Lehrherr (magister) mit den Eltern, einem Bru- gister) dafür nicht haftbar gewesen, ein den Hand-
den Krankheitsfall sowie der oder dem gesetzlichen Vormund des zu diesem werker vertretender institor dagegen in vollem Um-
1 Obole Regelung von Lohnzahlungen
– Sand, Gips und Kalk mit Wasser anrühren Zeitpunkt noch nicht rechtsfähigen, meist etwa 14 fang.
und Urlaub. © Institut für
1 Drachme, 3 Obolen Papyrologie, Universität Hei- Jahre alten Auszubildenden (discens/discipulus) eine Am Ende der Lehrzeit könnte nach einem Text aus
delberg. Vereinbarung, die rechtlich zu den locatio-conductio- dem römischen Ägypten eine Prüfung gestanden ha-
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ben. Sie wurde offenbar von einer eigens dazu zu- Arbeitern im Weinberg bezeugte mündliche Abspra- In der Terra-Sigillata-Töpferei Stunden. Im Sommer war sie mit 14 Stunden deutlich
sammengerufenen Kommission aus drei im gleichen che zur Beschäftigung ausreichte, wurde wohl lieber von Chémery-Faulquemont länger als im Winter mit 9 ¾ Stunden. Nur in Palästi-
dienten Gefäßrohlinge bevor-
Metier arbeitenden Meistern abgenommen, die ei- die Schriftform gewählt. Sofern ein Handwerker wie na endete der Arbeitstag aus religiösen Gründen
zugt der Form Dragendorff
nem Berufsverein angehören mussten. Wenn in Teb- der in den dakischen Bergwerken tätige L. Ulpius Va- 35/36 als Schreibmaterial, um beim Sichtbarwerden der ersten Sterne. Arbeitgeber
tynis der Vorstand des Webervereins in diesem Zu- lerius Analphabet war, unterzeichnete in seiner Ge- Urkunden wie einen Arbeits- durften ihre Angestellten nicht über die lokal übliche
sammenhang 600 Drachmen – an eine offizielle genwart der adiutor (Aufseher) stellvertretend den vertrag zu fixieren. Festgelegt Arbeitszeit hinaus beschäftigen und mussten erforder-
wurden in diesem Fall die An-
Stelle? – zahlte, haben vielleicht sogar Vertreter staat- Vertrag. liche Überstunden gesondert bezahlen, wobei auch
zahl der Schüsseln und Trink-
licher Behörden die Prüfung beaufsichtigt. Dass an- Weil der Arbeiter zumeist von dem Geld leben gefäße vermutlich für Wein, zusätzliche Essensrationen anfielen. Andererseits war
schließend ein Abschlusszeugnis ausgehändigt wur- musste, das er tagsüber verdient hatte, ist im Alten die der Pächter zu liefern es dem Lohnarbeiter verboten, in den Nachtstunden
de, wird oft vorausgesetzt, ist aber nicht belegt. Wie Testament die tägliche Abrechung üblich. Dabei hatte. noch einem weiteren Gewerbe nachzugehen oder
aber sollte ein Schmied aus Antiocheia in Pisidien, bleibt der bereits nach einer Arbeitsstunde am Tem- selbst zu hungern, um seine Kinder besser zu ernäh-
der auf seiner Grabinschrift ausdrücklich vermerken pel von Jerusalem ausgezahlte Betrag aber sicherlich ren. Oft genug hatten Frauen und Kinder daher mit-
ließ, sein Handwerk in Alexandria erlernt zu haben, die Ausnahme. Cato empfiehlt wegen des schwan- zuarbeiten, um das Auskommen der aus rund sechs
seine Behauptung ohne ein Zeugnis belegen? kenden Tageslohnes den Gutsbesitzern, für die Be- Mitgliedern bestehenden Familien zu sichern.
Nicht nur frei geborene Kinder, sondern auch Jun- wirtschaftung Lohnarbeiter anzustellen, die ein red- Arbeitsschutz gab es zumindest bei einer gesund-
gen und Mädchen aus dem Sklavenstand sind oft in emptor (Unternehmer) vermittelte, und sie täglich heitsgefährdenden Tätigkeit. So trugen die mit dem
mehrjährigen Lehren wohl bevorzugt zu Webern aus- nur für die tatsächlich geleistete Arbeit auszubezah- Reiben von minium (Zinnober) beschäftigen Arbeiter
gebildet worden. Eine solche Investition konnte sich len. Bei längerfristiger Beschäftigung wird eine Teil- pflichtete sich nämlich ausdrücklich, seine Tätigkeit eine Tierblase vor dem Mund, um möglichst wenig
sogar für einen einfachen Gewerbetreibenden loh- zahlung des Lohnes an festgesetzten, regelmäßig wie- gesund und im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte Gift einzuatmen. Ob auch andere Handwerker wie
nen. Mit den dabei erworbenen handwerklichen Fä- derkehrenden Zeitpunkten (per temporas) vereinbart, aufzunehmen. Bei Krankheit, unverschuldeter Ar- die Bleiarbeiter (plumbarii) eine ähnliche Vorsichts-
higkeiten ließen sich Sklaven nicht nur zum doppel- die als allgemein bekannt gelten und daher in keinem beitsunfähigkeit oder einem Fernbleiben entfielen al- maßnahme trafen, wird nicht überliefert.
ten Preis verkaufen, sondern sie konnten auch im erhaltenen Vertrag näher benannt sind. Vorauszah- le Zahlungen des Auftraggebers, während bei einer
Betrieb ihrer Herren beschäftigt werden oder als in- lungen auf den Lohn waren im privatwirtschaftlichen Arbeitsverweigerung, zu der bereits das Nichterfül-
stitor (Stellvertreter) eine eigene Werkstatt führen. Sie Bereich anders als bei offiziellen Aufträgen nicht üb- len der vom conductor festgesetzten Tagesleistung Die meisten Aufträge erhielten die Handwerker von
gehörte vor einer manumissio (Freilassung) juristisch lich. Dass 201 n.Chr. zwei Handwerker in Oxyrhyn- zählte, von den Beschäftigten sogar Strafsummen in privater Seite. Daneben spielte aber auch der Staat als
zum Vermögen des Herrn, der daher auch für even- chos 18000 Drachmen als Abschlag für die Material- Höhe von 5 Sesterzen und 8 Assen geleistet werden Abnehmer von Waren und bei der Vergabe von Ge-
tuell entstehende Verbindlichkeiten dieses Geschäf- kosten erhielten, ist wohl mit der Höhe der Summe mussten. Solche Vorgaben wie das für pompejanische werken eine wichtige Rolle. So beschäftigte der Ma-
tes aufkommen musste. Sofern der Betrieb aber zum zu erklären. Sofern ein Beschäftigter die letzte Rate Weberinnen und Holzarbeiter festgesetzte Tagespen- gistrat von Hermoupolis bei der Reparatur bzw. dem
persönlichen Sondervermögen (peculium) des Skla- seines vertraglich vereinbarten Lohnes nicht pünkt- sum sind bekannt. Sofern ein Mann das vereinbarte Wiederaufbau der Antinoitischen Straße und ihrer
ven zählte, hafteten beide gemeinsam. lich ausgezahlt bekam, standen ihm nach drei Tagen Soll vorzeitig beenden konnte, hatte der Arbeitgeber Anbauten 208 Mann und 832 Hilfsarbeiter, die täg-
Zinsen von monatlich 1% des Betrages zu, während das Recht, ihm eine andere Tätigkeit zuzuweisen, die lich 4 Drachmen Lohn erhielten. Im für seine Texti-
für den conductor eine zusätzliche Strafsumme von 5 jedoch leichter sein musste oder gesondert berechnet lien bekannten Ägypten konnten offizielle Stellen wie
Viele Handwerker führten keine eigene taberna, son- Sesterzen und 8 Assen anfiel. Nach dem Verstreichen wurde. Auch die freien Tage – vermutlich jeder achte die römische Verwaltung auch die Weber von Phila-
dern verdingten sich in saisonabhängigen Gewerben dieser drei Tage war eine Konventionalstrafe von 25 – blieben unbezahlt, und wenn höhere Gewalt wie ein delphia 138 n. Chr. mit dem Herstellen einer be-
wie dem Bauhandwerk oder dem Schiffsbau als Denaren zu leisten. Wassereinbruch die Arbeit unmöglich machte, muss- stimmten Zahl von genau beschriebenen Webwaren
Lohnarbeiter (mercennarius), wo zeitweise eine grö- Die im dakischen Alburnus maior/ Roşia Montană ten nur die vereinbarten Naturalien gestellt werden. beauftragen, die auch an Truppenkontingente in an-
ßere Zahl von Arbeitskräften benötigt wurde. Dane- Verespatak mit den Bergarbeitern zwischen dem Bei einem vorzeitig gelösten Vertrag drohte beiden deren Provinzen geliefert wurden. Solche Großauf-
ben waren auch Akkord- oder Stückarbeit bekannt, 6. Februar 131 und dem 29. Mai 167 n. Chr. abge- Parteien eine Konventionalstrafe von fünf Sesterzen träge wie z.B. die 155 n.Chr. vom Staat bestellten 6700
während in zahlreichen anderen Sparten wie der Tex- schlossenen, auf Wachstafeln (tabellae ceratae) nie- pro Tag. Vor allem aber wurden die Arbeiter meistens stolae für Gefangene boten den Handwerkern eine fi-
tilproduktion Spinn- und Webaufträge sowie Nähar- dergeschriebenen Arbeitsverträge waren sehr gleich- nur für die Sommermonate und damit rund ein hal- nanzielle Sicherheit, mit denen die Geschäfte mit Pri-
beiten dem Bedarf entsprechend bevorzugt im Ver- artig abgefasst. Die beiden einheimischen Pächter bes Jahr eingestellt, während sie im Winter wie andere vatkunden wohl nicht konkurrieren konnten, auch
lagswesen (s. Kapitel »Heimarbeit [Verlagswesen]«) Socratio Socratis und Titus Beusantio beuteten dort saisonabhängige Handwerker unbeschäftigt blieben. wenn enge Zeitvorgaben eingehalten werden muss-
vergeben worden sind. Vor allem für gefährliche Tä- die vom Fiskus gepachteten Gruben mit freien Lohn- Nur ausnahmsweise verpflichtete Socratio Socratis ei- ten. Üblich waren dabei Abschlagszahlungen, weil der
tigkeiten wie dem Tauchen nach Purpurschnecken, arbeitern aus, die sie für eine bestimmte Zeit zu einem nen Arbeiter vom 23. Oktober 163 n. Chr. für eine Endpreis erst nach einer Qualitätsprüfung der Ware
die man zur Herstellung des roten Farbstoffes benö- Festlohn und Naturalleistungen anstellten und belie- nicht genauer benannte Tätigkeit bis zum 13. Novem- in Alexandria von einem Fachgremium bestimmt
tigte, mietete man Arbeiter häufig an. Noch das dio- big einsetzen konnten. Obwohl gesetzliche Bestim- ber des darauffolgenden Jahres. Trotzdem genossen und die Differenz anschließend beglichen wurde.
cletianische Preisedikt kennt im Lohnwerk beschäf- mungen wie ausreichend Zeit zum Essen und zur gerade die mercennarii in den dakischen Bergwerken Dennoch kann die Entlohnung nicht so schlecht ge-
tigte Bauarbeiter, Weber, Mosaizisten sowie Ton- und Körperpflege zum Schutz der mercennarii bestanden als aus Illyrien oder Kleinasien zugezogene Spezialis- wesen sein, wie gemeinhin angenommen wird, denn
Gipsformer. und die kaiserliche Verwaltung sogar für die Schul- ten recht günstige ökonomische Bedingungen, und Weber bitten einmal während einer solchen Tätigkeit
Die Arbeitsverträge der Antike konnten auf un- bildung der Kinder sorgte, trug alleine der Arbeitneh- mancher Beschäftigte konnte von dem Verdienst so- mit dem Hinweis auf Folgeaufträge um Freistellung
terschiedliche Weise abgeschlossen werden, besaßen mer das Beschäftigungsrisiko. Für die Unternehmer gar ein kleines Haus erwerben. von anderen Pflichten. Außerdem hätte bei der ver-
nach heutigem Verständnis mit maximal fünf Jahren war ihr Einsatz in den Minen daher weitaus rentabler Generell dauerte die Arbeitszeit trotz regionaler mutlich großen Zahl der vergebenen Gewerke eine
aber keine allzu lange Dauer. Auch wenn die im Neu- als der von Sklaven, für deren gesamten Lebensunter- Unterschiede von Sonnenaufgang bis zum Einbruch ständige Unterbezahlung Unruhen unter der Provin-
en Testament in dem bekannten Gleichnis von den halt sie hätten aufkommen müssen. Der Arbeiter ver- der Nacht und betrug durchschnittlich wohl zehn zialbevölkerung ausgelöst.
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Drachmen. Da sie mit Putz, Leim, Goldputz, dem ge- Wochenmärkte mit saisonal unterschiedlichen
Der Markt bestimmte weitestgehend Löhne und Prei- samten anderen Bedarf sowie Blattgold erster Qualität Angeboten mussten grundsätzlich in Rom genehmigt
se, die in Quellen aber nur dann auftauchen, wenn sie dann zum Ausgleich das Material selbst stellen woll- werden. Sie fanden während der gesamten Kaiserzeit
wie der Weizenpreis im September 45/46 n. Chr. in ten, kann ihnen nach den bekannten Materialpreisen nicht nur in Städten, sondern regelmäßig auch in klei-
Tebtynis um 82% extrem stiegen oder in unerwarte- ein Lohn von nur ungefähr 30 Obolen verblieben sein, neren Weilern sowie den privaten Latifundien auf
tem Maße fielen und damit außerhalb der gewohnten auch wenn der Arbeitsumfang nicht zu erkennen ist. dem Land statt und wurden in den einzelnen Regio-
Normen lagen. Preiswerte Angebote wie günstiger Den in klingender Münze ausgezahlten Lohn er- nen von den Dekurionen so terminiert, dass Hand-
Saatweizen wurden jedenfalls schon damals von den gänzten Natural- und/ oder Sachleistungen. So for- werker und Händler möglichst alle besuchen konn-
Verbrauchern gerne genutzt. Fehlkalkulationen gin- derten im 2. Jh. zwei Steinmetze in Oxyrhynchos für ten. Die dafür von den Behörden mit kaiserlicher
gen alleine zu Lasten des Verkäufers, der in Ägypten die Bearbeitung von bauseits gestelltem, aber nicht zu Erlaubnis erhobenen Steuern (vectigalia) oder indi-
einmal für Gefäße wohl unter einem gewissen Markt- verzierendem Baumaterial folgende Summen: rekten Abgaben (portoria) wie warenspezifische Um-
druck jeden Preis zu akzeptieren hatte, nachdem ihm – 16 Kamelladungen Steine für Außenwände satzsteuern, Standgebühren und Händlerlizenzen
nur wenige Stücke zu der geforderten Summe ab- 4 Drachmen flossen sicher in die öffentlichen Kassen, auch wenn
genommen worden waren. Als es an geeigneten Ar- – 30 Kamelladungen Steine für Innenwände sie sich aufgrund dürftiger Quellen kaum benennen
beitskräften fehlte, versuchte ein conductor 116 n.Chr., 4 Drachmen lassen und sich von ihrer Höhe und der Art her lokal
mit einer deutlich höheren Bezahlung in Ägypten die – 100 Kamelladungen Füllgestein 3 Drachmen stark unterschieden haben dürften. Dass einfache
dringend benötigten Weber von anderen Stellen ab- – 16 Kamelladungen längliche Außenecksteine Handwerker manchmal schon diese Beträge kaum
zuwerben. Erst das Preisedikt von Diocletian fixierte 8 Drachmen aufzubringen vermochten, beweisen Schuldver-
301 n.Chr. Löhne für die verschiedensten Berufe und – 30 Kamelladungen längliche Innenecksteine schreibungen des L. Caecilius Iucundus, der in Pom-
Tätigkeiten, auch wenn diese Bestimmungen reichs- 8 Drachmen peji einem Walker das Geld lieh, um die Pachtgebüh-
weit kaum strikt eingehalten wurden. – 50 Kamelladungen behauenes Füllgestein Markttage (nundinae) waren ren für seine fullonica zu zahlen, und in einem
Im Neuen Testament wird als Lohn für die Arbeit 4 Drachmen
für die Handwerker im ganzen 103/ 107 n.Chr. beschlossene Steuerfreiheit für Lehr- anderen Fall die bei dem Besuch lokaler Märkte er-
eines ganzen Tages ein Silbergroschen – also ein De- Imperium wichtig, weil sie als linge blieb wohl nicht lange in Kraft. Der Betrag wur- hobenen Gebühren vorstreckte. Die Laufzeit dieser
– 50 Kamelladungen behauenes längliches Füll- Produzentenhändler dort die
nar – vereinbart, aber eine solche vereinzelte Angabe gestein 8 Drachmen, von ihnen hergestellten Wa-
de später als collectio lustralis alle fünf Jahre eingezo- Kleinkredite betrug bei einem Zinssatz von 12% zwi-
bleibt ohne Kenntnis der Kaufkraft wertlos. In den – dazu pro Person täglich ein Brot und Zukost. ren auch verkauften. Deshalb gen. Diese vom Staat festgesetzte Summe war nicht schen 16 Tagen und zehn bis elf Monaten.
Werkverträgen des Grubenbezirks von Alburnus achteten die lokalen Behör- von den Einnahmen oder der Qualifikation des Ähnliche Gebühren fielen wohl auch auf den
maior/ Roşia Montană schwankten die vereinbarten Falls sie zu Maurerarbeiten eingesetzt werden sollten, den sorgfältig darauf, dass Handwerkers abhängig, wird aber die unterschiedli- ganzjährig abgehaltenen städtischen Märkten an, de-
sich die Termine von Markt-
Zahlungen zwischen 70 Denaren für eine halbjähri- würde ihr Lohn 4 Drachmen betragen. Da eine Ab- tagen in der näheren Umge-
che Verdienstspanne der einzelnen Gewerbe berück- ren Höhe offenbar ebenfalls für die unterschiedlichen
ge Tätigkeit und 210 Denaren für die Dauer eines Jah- rechnung aus Pompeji explizit Brot und einen Denar bung nicht überschnitten. sichtigt haben. 128 n. Chr. betrug sie für die Gold- Handwerker gestaffelt war. Monatlich von den Steu-
res. Bei 46 unbezahlten Feiertagen hat der tägliche aufführt, könnten differierende Lohnangaben eine Dieser in einer Werkstatt an schmiede in Ägypten jährlich 264 Drachmen. Sie erpächtern (manceps mercaturus) eingeforderte Ab-
Verdienst also rund 4 ¼ Asse betragen. In diesem Fall Bezahlung mit oder ohne Verpflegung benennen. In die Wand gekritzelte Kalen- entfiel, wenn der Handwerker seinen Beruf vorüber- gaben sind für Oxyrhynchos ebenso bezeugt wie
der informiert darüber, an
lassen sich die Einkünfte sogar einmal bewerten, weil ägyptischen Papyri werden Handwerker wie Bronze- welchem Tag im Umkreis von
gehend wegen einer anderen Beschäftigung nicht aus- 143 n. Chr. bei den Webern in Magnesia. Das Sera-
bekannt ist, dass Lämmer und Ferkel dort 14 bzw. 20 gießer vereinzelt sogar nur in Naturalien bezahlt. Pompeji in den verschiede- übte oder seine Tätigkeit ganz beendete. peion in Soknopaiou Nesos rechnete diese Beträge
Sesterze (HS) kosteten. In Pompeji benötigte man für Aber auch im Nordwesten des Reiches erhielten die nen Orten Märkte abgehalten Beim Verkauf der Erzeugnisse fiel für den Produ- aber nicht nur nach einzelnen Werkstätten, sondern
den täglichen Lebensunterhalt rund 8 Asse. Durch Gärtner nach den Bestimmungen des Lingonentesta- wurden. zentenhändler grundsätzlich eine 1 %-ige Verkaufs- oft auch gemeinsam für die Handwerker einer gan-
den ausdrücklich vermerkten Zusatzverdienst von ei- ments jährlich außer ihrem Lohn noch 60 Scheffel steuer an (centesima rerum venalium). Diese von Au- zen Berufsgruppe ab. In diesem Fall konnten die col-
nem Denar (accepi denarium I) konnte der anhand (modius) Weizen und 20 bis 30 Denare Kleidergeld. gustus eingeführte Abgabe reduzierte schon Tiberius legia (Handwerkervereine) kollektiv die Summen be-
einer Liste mit Preisangaben geplante Einkauf deut- Kleidungsstücke stellten damals einen so beträchtli- auf 0,5% (ducentesima), bevor Caligula sie für Italien zahlen und anteilig auf die Mitglieder umlegen, was
lich reichhaltiger ausfallen. chen Wert dar, dass ihr Bestand oft in Ehe- oder offenbar ganz aussetzen ließ. In Soknopaiu Nesos, wo vielleicht wirtschaftliche Vorteile bot.
Kostenvoranschläge weisen die eigene Arbeitsleis- Scheidungsverträgen sowie in Testamenten genaues- viele der bekannten Mumienporträts angefertigt Bisweilen wurden diese allgemein wohl zu den
tung mit und ohne gestelltes Arbeitsmaterial aus. tens aufgeführt wurde. worden sein könnten, wurde um 200 n. Chr. eine wichtigsten öffentlichen Einnahmen zählenden Ab-
316 n.Chr. veranschlagte Aurelius Artemidoros, der télos, phóros oder telísmator genannte Steuer auf gaben von einem großzügigen Mitbürger übernom-
offenbar weder lesen noch schreiben konnte und das Malerprodukte erhoben, die wohl 25 % des Kauf- men oder als besonderes Privileg für eine bestimmte
Angebot daher von einem amtlichen Schreiber auf- Neben den von allen Reichsbewohnern zu zahlenden preises eines Bildes betrug. Ein zusätzliches, relativ Zeit erlassen. Das galt vor allem für die oft mehrere
setzen lassen musste, für die umfassende Sanierung Grund- und Kopfsteuern (solis/capitis) fielen für die kleines Entgelt mussten Handwerker für die Bedürf- Tage dauernden Festmärkte, die sich nicht zuletzt aus
der Hadriansthermen von Oxyrhynchos für Farben professionell tätigen Handwerker und ihre Lehrlinge nisse der Armee zahlen, da sie seit dem frühen Prin- diesem Grund einer besonderen Anziehungskraft er-
und andere Materialien zehn Myriaden D…, bean- seit dem frühen 1. Jh. reichsweit direkte und indirek- zipat keinen Militärdienst mehr zu leisten brauchten. freuten. Den alle vier Jahre im kleinasiatischen Oi-
spruchte aber nur eine Myriade als Lohn für sich. Da- te kaiserliche und munizipale Abgaben an, deren Hö- Außerdem hatten die Gewerbetreibenden kostenlos noanda hoch im Taurus-Gebirge stattfindenden 23-
bei fällt das unabhängig von der Interpretation D als he offenbar nach den Berufen variierte. Über sie sind für die Verwaltung bestimmte, von Augustus festge- tägigen Wettkampf besuchten auch Gäste, die
Denare oder Drachmen deutliche Missverhältnis zwi- wir vor allem durch Quellen aus dem östlichen setzte Dienstleistungen zu erbringen. Dazu zählte vor außerhalb der Provinz Lykien lebten. Dass sich sogar
schen Material- und Lohnkosten auf. Auch zwei Reichsteil unterrichtet. allem das Schätzen des in notariellen Verträgen wie bekannte Heiligtümer wie das Artemision von Ephe-
Handwerker, die sich 263 n.Chr. in Antinoopolis Ver- Die cheironaxion oder chrysargyron genannte Heiratsurkunden oder Testamenten genannten sos oder der Aphrodite-Tempel von Aphrodisias sol-
goldungsarbeiten an der Decke des Gymnasiums tei- Steuer war als Lizenzgebühr für jede Tätigkeit auch Schmuckes, der bei staatlichen Behörden hinterlegt che im frühen 1. Jh. durch ein senatus consultum er-
len wollten, veranschlagten Gesamtkosten von 106 von den Frauen und Sklaven zu entrichten, und die wurde. haltene Privilegien bis in das 3. Jh. hinein nach einem
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BU ##### Wenn auf dem Magdalensberg zur gleichen Zeit


zahlreiche Eisenhändler arbeiteten oder in Rom vie-
le Handwerker Damenpantoffeln zum Verkauf anbo-
ten, muss bei der fehlenden sozialen Absicherung
und den oft nur kurzfristigen Arbeitsverträgen ein
hoher Druck geherrscht haben, mit einem besonde-
ren Angebot Aufmerksamkeit zu erregen, um den
Absatz der eigenen Produkte zumindest zu sichern,
wenn nicht sogar zu steigern. Der Druck kann von
den Berufsvereinigungen kaum abgefedert worden
sein. Zumindest in größeren Städten dürfte die Nach-
frage der Kunden nach bestimmten Waren daher zum
Angebot sehr spezieller Produkte geführt haben, die
nicht nur von einzelnen Handwerkern, sondern auch
in arbeitsteilig organisierten Großbetrieben herge-
stellt wurden. Hochrechnungen für die frühe Neuzeit,
nach denen ein Schmied, der unter anderem Nägel
fertigte, täglich rund 800 Stück fertigstellen, ein nur
darauf spezialisierter Handwerker aber in der glei-
Pompeji, Wandmalerei aus chen Zeit 2200 Stücke produzieren konnte, dürften
Herrscherwechsel wieder neu bestätigen lassen muss- lange als Beleg für eine große Zahl hochspezialisier- der fullonica des Verecundus. und seiner Familie an, über deren Qualität die Quel- auch für die antiken Handwerker zutreffen. Sowohl
ten, erklärt sich wohl durch die Höhe der Einnahmen, ter Tätigkeiten, auch wenn die Antike grundsätzlich Bevor die am rechten Bild- len allerdings schweigen. der Fries auf dem bekannten Grabmal des Bäckers
rand angebotene Tunika
auf die römische Beamte nur ungern verzichteten. keine Facharbeiter mit besonders qualifizierender fertiggestellt war, mussten
Trotzdem zeichnet sich beim römischen Handwerk Eurysaces von 30/20 v. Chr. als auch eine rund 200
Bei Handwerkern, die auf Importe angewiesen wa- Ausbildung im neuzeitlichen Sinne kannte. Trotzdem verschiedene Handwerker eine klare Aufgliederung in unterschiedliche Gewerbe Jahre später in Side gesetzte Inschrift zeigen Backstu-
ren, verteuerten Zölle die Produkte zusätzlich. In So- muss der Künstler aus Alexandria, den der Magistrat mit Spezialkenntnissen wie und darüber hinaus innerhalb der einzelnen Sparten ben, in denen die Mitarbeiter jeweils nur bestimmte
knopaiuo Nesos waren am Beginn der Wüstenroute von Hermopolis 140 n. Chr. mit dem Guss einer Wollkämmer, Weber und Fil- ab. Neben der sogenannten horizontalen Spezialisie- Tätigkeiten übernahmen. Bildliche Darstellungen be-
zer tätig werden. Sie stellten
nach Alexandria in römischer Zeit an einem Zolltor Bronzestatue beauftragte, als weit über die Grenzen den Stoff her und verdichte-
rung, die sich nach den je eigenen Erfordernissen der zeugen auch für das Bauhandwerk um einer höheren
drei verschiedene Zölle zu bezahlen. Andererseits der Metropole hinaus berühmter und entsprechend ten ihn anschließend, bevor verarbeiteten Materialien wie Ton, Wolle, Pflanzenfa- Rentabilität willen teilweise sehr aufgegliederte Ge-
wurde von staatlicher Seite darauf geachtet, Doppel- befähigter Meister seines Fachs gegolten haben. Auch die Ware gebleicht oder ggf. sern oder Leder richtet, lässt sich auch die »vertikale werke. In den größeren Keramikmanufakturen ist die
besteuerungen zu vermeiden. So blieben in Megara Steinmetze wie die Brüder Limnaios und Diomedes auch eingefärbt wurde. Spezialisierung« innerhalb der einzelnen Gewerke fas- Übernahme bestimmter Aufgaben durch einzelne
und Kaunos innerhalb von 20 bis 30 Tagen nicht ab- aus Dokimeion wollten sich mit der offenbar überall sen. Gerade bei der Textilproduktion erscheint die Ar- Arbeiter ebenfalls vorauszusetzen, weil die Werkstät-
gesetzte Waren bei der Ausfuhr steuerfrei, und der verstandenen Berufsangabe »Dokimeionschneider« als beitsaufteilung unter verschiedenen Handwerkern ten sonst uneffektiv gearbeitet hätten. Zusätzlich för-
berühmte Zolltarif von Zraïa führt für Vieh und Zug- besonders qualifizierte Meister ausweisen, weil sie zu- sinnvoll, weil die anfallenden Tätigkeiten wie das Wa- derte die Betriebsorganisation eine Spezialisierung,
tiere keine Gebühren auf. mindest zeitweise in dem weit über Kleinasien hinaus schen der Wolle, das Spinnen, Weben, Färben und Nä- denn ein Eigentümer konnte seine Anlage verpach-
Auch andere Nebenkosten legten städtische Behör- bekannten Steinbruch gearbeitet haben müssen. In den hen oft besondere Werkstatteinrichtungen erforderten. ten, um ausschließlich Teller, Weingefäße oder Trink-
den auf die Handwerker um. Für den Erdaushub eines Marmorbrüchen von Aphrodisias etablierte sich die Außerdem konnten bei einzelnen Arbeiten verschie- becher produzieren zu lassen.
2,5 km langen Wasserkanals, der die Walkereien und sogenannte Bildhauerschule von Aphrodisias, die spä- dene Materialien verwendet werden, und nicht alle
Färbereien von Antiocheia mit Wasser versorgen soll- ter erfolgreich außerhalb der Provinz Syria Coele ar- Färber nutzten den teuren Purpur, sondern setzten
te, zog die städtische Verwaltung die Bewohner aller beitete und nicht nur in Rom, sondern auch in Olym- preiswertere pflanzliche oder mineralische Farbstoffe Unerwartet groß ist der Anteil der als Handwerke-
insulae heran und berechnete den Betrieben anschlie- pia, Korinth, Syrakus oder Leptis Magna nachzuweisen ein. Schon Aurelius Augustinus beobachtete, dass aus rinnen tätigen Frauen, die sich aber nie in Berufsver-
ßend den Wasserverbrauch, was sich bei dem hohen ist. Vor allem die Arbeiten des Bildhauers Polyneikes arbeitsökonomischen Gründen in einem Betrieb meh- einen zusammenschlossen. Entsprechend zahlreich
Bedarf für die Handwerker als bedeutender Kosten- finden sich in Rom, Priene und Aphrodisias. rere Arbeiter mit dem Anfertigen eines Silbergefäßes sind nicht nur im Osten, sondern auch im Westen die
faktor erwiesen haben muss. Die ebenfalls viel Wasser Bei den rund 160 aus den östlichen Provinzen so- beschäftigt wurden, um sie ohne vorausgehende, viel- weiblichen Berufsbezeichnungen. Welches Ausmaß
benötigenden metallverarbeitenden Werkstätten in wie den 225 aus dem Westen bekannten Berufsanga- leicht längerfristige Ausbildung etwas Geld verdienen diese Arbeit tatsächlich umfasste, lassen unsere Quel-
Ptolemais Euergetis hatten 13 Obolen pro Tag für die ben handelt es sich nach einer neuen Untersuchung zu lassen: »In einer Silberwerkstätte geht ein kleines len jedoch kaum erkennen. Sofern nicht drückende
Entnahme zu bezahlen. In Rom verteidigten die fullo- aber oft nur um veränderte und dem allgemeinen Gefäß, um fertig zu werden, durch die Hände vieler finanzielle Verhältnisse bei den kleinen Produzen-
nes (Walker), die seit Augustus abgabenfrei Wasser aus Sprachgebrauch angepasste Benennungen, die kei- Arbeiter, obwohl es von einem, der seine Kunst voll- tenhändlern die Mitarbeit der Frauen erforderte,
einer Quelle oder einem Aquädukt entnehmen durf- nesfalls spezielle Tätigkeiten belegen. Vermutlich kommen versteht, hergestellt werden könnte. Aber dürften vor allem sozial abhängige Sklavinnen oder
ten, ihr Recht erfolgreich in einem von 226 bis musste bei einem nur geringen Verdienst und einem man glaubt, der Menge der Arbeiter sei am besten da- Freigelassene beruflich tätig gewesen sein. Bevorzugt
244 n.Chr. durch drei Instanzen geführten Prozess. sicher engen Markt mit großem Konkurrenzdruck mit gedient, wenn jeder einzelne einen besonderen Teil sind sie bei der Produktion und dem Vertrieb von Le-
sogar jeder Auftrag angenommen werden. Ein Maler der Fabrikation schnell und leicht erlerne, damit nicht bensmitteln, Textilien und dem örtlichen Kleinhandel
aus Oxyrhynchos reparierte zunächst Gebäude und alle genötigt würden, sich in langer Zeit und mit vieler nachzuweisen. Aber schon damals arbeiteten Frauen
Die in den verschiedensten Quellen überlieferten, fertigte ein Jahr später im offiziellen Auftrag des rö- Mühe im ganzen Gebiet des betreffenden Handwerks nicht nur in typisch »weiblichen« Berufen als Webe-
sehr unterschiedlichen Berufsbezeichnungen galten mischen Präfekten Porträts des römischen Kaisers vollkommen ausbilden zu lassen«, notiert er. rinnen, (Flick-)Schneiderinnen oder Goldwirkerin-
66 | Das römische Handwerk Grundstoff Ton und Stein | 67

ten. Während die offizielle Kunst in den nordwest- schlag erreicht worden sein, der sich durch die Be- Utica (Tunesien): Aus ver-
lichen Provinzen einen deutlichen römischen Einfluss malung der Skulpturen aber nicht sehr stark ausge- schiedenfarbigem Gestein
zusammengesetzter Marmor-
erkennen lässt, bleiben die regional beauftragten wirkt haben kann. Die mit einem Meißel geglättete
boden.
Werke eher von indigenen Traditionen geprägt, die Oberfläche wurde poliert, zumindest bei Marmor mit
erst verhältnismäßig spät seit dem ausgehenden 2./ Wachs behandelt und zum Schluss farbig gefasst. Da-
frühen 3. Jh. die offiziellen Arbeiten beeinflussten. durch waren nicht nur die Stoßfugen verdeckt, die
Namentlich sind uns die Künstler aber nur dann be- sich beim Andübeln der oft separat gefertigten Köpfe
kannt, wenn Meister wie Samus und Severus, die und Arme nicht vermeiden ließen, sondern es konn-
Mitte des 1. Jh. in Mogontiacum/ Mainz arbeiteten, ten auch Details aufgemalt werden, die der Steinmetz
Ungewohnt erscheinen heute
ein Werk wie die Mainzer Iupitersäule signierten. An- nicht ausgearbeitet hatte. Skulpturen, bei denen die in
dere Ateliers werden nach stilistischen Kriterien er- der Antike farbige Fassung re-
schlossen. Das gilt für die zeitgleich tätige Annaius- konstruiert worden ist wie
hier an der bekannten Augus-
Werkstatt, der die Forschung aufgrund ähnlicher Die vor allem aus Nordafrika bekannten großflächi-
tus-Statue von Primaporta.
Bearbeitung mehrere Werke zuweist. Sie hat ihren gen Mosaikböden, die detailreich und farbenpräch- Das überdeckte zugleich die
Namen nach dem in Bingen aufgefundenen Grab- tig Szenen aus dem Alltag wiedergeben, faszinieren manchmal an Reliefs nur grob
stein des Soldaten Annaius Daverzus erhalten. Hier jeden Betrachter. Allgemein geht die Entwicklung von ausgearbeiteten Konturen der
Darstellung.
hat die Anwesenheit des Militärs sicher den Arbeits-
markt positiv beeinflusst, weil die Soldaten schon
früh indigene Handwerker mit zahlreichen Arbeiten
beauftragten. Das gilt wohl auch für die in einem klei-
nen vicus wie Nassenfels tätigen Betriebe, die vor Ort
verblieben, als die Truppen später verlegt wurden. In
Nîmes arbeiteten bereits in augusteischer Zeit Stein-
metze, die aus Rom zugewandert sein dürften. An-
hand von mehreren Skulpturen eines Denkmals las- schwarz-weißen Ornamenten zu polychromen Tech- partienweise aufgetragenen, noch feuchten Mörtel
sen sich dort zwei wohl im gleichen Atelier tätige niken, wobei die frühen Arbeiten aus Augst einen gedrückt, bevor vielleicht ein Mitarbeiter oder Lehr-
Meister unterscheiden. stark italischen Einfluss zeigen, der später gegenüber ling die Zwischenräume nach dem Trocknen ausfug-
In der Côte d’Or konnten in einer eng begrenzten solchen aus dem Rhônetal und Trier bzw. den rheini- te. Viele der Mittelmotive hatten die Handwerker –
Region außer der in Dijon tätigen Werkstatt zwei wei- schen Werkstätten zurücktritt. Insgesamt bewahren vielleicht schon seriell? – in einer Werkstatt vorge-
tere Betriebe bei Nuits-St.-Georges und Beire-le- sich die Künstler trotz stilistischer Ähnlichkeiten bis fertigt, die dann beim Verlegen mit Kürzungen oder
Châtel/ Mâlain lokalisiert werden. Sie lassen trotz ei- in das 3. Jh. hinein eine große Kompositionsfreiheit.
gener Stile so große Ähnlichkeiten erkennen, dass die Die aus vielen, teils sehr kleinen Steinchen zusam-
Steinmetzmeister wohl oft von Atelier zu Atelier wei- mengesetzten Beläge erforderten sorgfältige Vorar-
terzogen. Da allen Arbeiten aber eindeutig römische beiten. Vitruv empfahl als Unterlage den von Straßen
Einflüsse fehlen, gründet sich die von lebhaftem Han- her bekannten dreischichtigen Aufbau aus Trag-
del und florierender Wirtschaft geförderte Tätigkeit schicht (statumen), einer feineren, ca. 22 cm dicken
der Handwerker hier im Wesentlichen auf die ein- Mittelschicht (ruderus) und der obersten Bettung von
heimische keltische Tradition. 11 cm (nucleus). Diese Stärken werden aber nur selten
An den Werkstücken haben die Arbeitstechniken erreicht. Da fast immer eine Fuge die beiden oberen
der Bildhauer oft Spuren hinterlassen, die sich in ver- Schichten trennt, erfolgte der Auftrag des nucleus auf
schiedenen Gegenden oder sogar von Werkstatt zu einen vollständig trockenen ruderus.
Werkstatt unterscheiden können. puntelli – kleine Vorlagenbücher, aus denen der Auftraggeber das
Markierungspunkte auf ansonsten glatt abgearbeite- gewünschte Motiv wählte, sind bei Mosaikböden si-
ten Oberflächen – deuten auf den Einsatz eines dem cher vorauszusetzen, obwohl die Meister bei den Dar-
Storchschnabel ähnlichen Gerätes, mit denen in klei- stellungen natürlich auch eigene Entwürfe umsetzten.
nerem Maßstab gefertigte Modelle wunschgemäß zu Antiker Handwerkerpfusch in Gewisse stilistische Eigenheiten, die sich regional
vergrößern waren. Solange der Handwerker mit Augst (Schweiz): Bei der Repa- häufiger wiederholen, lassen »Werkstattkreise« mit
ratur dieses Mosaikbodens
Werkzeugen wie dem Flachmeißel die groben Struk- haben die Mosaizisten einfach
besonderen Traditionen vermuten. In Britannien
turen z.B. am Kopf herausarbeitete, ließ er wegen der den linken Henkel des Kraters scheinen vier solcher Zentren in Dorchester, Ci-
benötigten Festigkeit den Hals zunächst unbearbeitet kopiert, ohne ihn für die rich- rencester, Water Newton und Brough on Humber be-
stehen. Feinheiten wie Gewandfalten, Haarlocken, tige Optik zu spiegeln. Viel- standen zu haben.
leicht war aber auch techni-
Pupillen und Mundwinkel wurden seit dem späten Über den entweder mit roter Farbe auf den Boden
sches Unvermögen bei der Re-
2. Jh. zunehmend gebohrt. Mit dieser in Kleinasien paratur der Grund für diese gemalten oder in der obersten Bodenschicht ange-
entwickelten Technik soll ein kräftigerer Schatten- Nachlässigkeit. rissenen Entwurf wurden die Mosaiksteine in den
70 | Das römische Handwerk Organische Materialien: Textil- und Lederwaren, Holzobjekte und Knochenschnitzerein | 71

Saalburg-Museum, Bad dem Brechen in frischem Zustand auf der Dreh- anfertigte, bezeugen zahlreiche Quellen die umfang-
Homburg v. d.H. Die zum scheibe wie Holz verarbeiten lässt und erst unter dem reiche Produktion und den Vertrieb von Kleidung.
Fixieren des Steines erfor-
Einwirken von Luft aushärtet. Daraus wurden vor- Einem Papyrustext nach wurden in Oxyrhynchos
derliche Mühlachse wurde
vermutlich von Zulieferern wiegend konische Gefäße wie Becher, aber auch Tel- jährlich 100000 einfache Gewänder produziert, was
vor Ort produziert. ler hergestellt, die eingetiefte Riefen zierten. Aus ei- zur Notiz von Herodot passt, der die Weberei als ty-
Saalburg-Museum, Bad nem zylinderförmigen Stein konnte ein geübter pischstes Gewerbe von Ägypten bezeichnet und es
Homburg v. d.H. Eingear- Steinmetz eine größere Anzahl immer kleiner wer- daher das Land der Weber schlechthin nennt. Auch
beitete Öse für den Griff dender Gefäße der gleichen Form drehen. Hierapolis genoss für seine Textilerzeugnisse einen
am Läuferstein einer Hand-
guten Ruf. Gallische Namen für Mäntel wie die von
mühle.
den Sequanern getragenen bardocuculli, die sich in
Organische Materialien: Textil- und Lederwaren, Rom größter Beliebtheit erfreuten, weisen auf eine
Holzobjekte und Knochenschnitzereien lokale Tracht, die später überregional bekannt und in
ren aufweisen, drehte der Steinmetz das Werkstück rück, weil dort große Getriebemühlen arbeiteten. Die Kleinasien sogar imitiert wurde. Der geschäftstüch-
weiter, sobald er 1⁄3 bis 1⁄4 der Mahlfläche fertig bearbei- nicht mehr benötigten Handmahlsteine gelangten als tige libertus Q. Remmius Palaemon verdiente nicht
tet hatte. Auf der Oberseite der Läufer begrenzte eine Handelsgut in großer Zahl in die Germania Magna. Obwohl in der Antike ein Markt für Textilien gefehlt nur an einer Grammatikschule und Weinbergen,
sauber gearbeitete Radialrille den 4 bis 5 cm breiten, Die Rohformen der schwereren Sanduhrmühlen haben soll, weil man die benötigten Stoffe zu Hause sondern auch an den in seinen Manufakturen für den
markant abgesetzten Rand, hinter dem die trichterför- vom pompejanischen Typ, die Menschen oder Tiere Verkauf produzierten Gewändern. Da viele Hand-
mige Fläche ebenfalls vier Arbeitsfelder mit um 90° antrieben, verbrachte man vom Mayener Steinbruch werker oft mit besonderen Fachkenntnissen nötig
gegeneinander versetzten Arbeitsspuren zeigt. Zuletzt aus vermutlich auf Schlitten direkt nach Andernach, waren, um aus dem Rohmaterial tragbare Kleidung
wurden Halterungen für das erst nach dem Transport wo sie vor dem Verladen im Hafen fertiggestellt wur- herzustellen, hat das Textilhandwerk neben der Le-
eingesetzte Mühleisen bzw. die Griffe gebohrt, die wie den. Dabei waren vielleicht sogar Soldaten beschäf- bensmittelproduktion als einer der aufwendigsten
in Saint-Boil (Frankreich) und Châbles-Les Saux bei tigt, denn die Mechanik dieser Mühlen verlangte Arbeitsprozesse des antiken Gewerbes überhaupt zu
Chavannes-les-Chêne (Schweiz) auch in Mayen beim Fertigen von Zentrierung, Pfannenlager, Hän- gelten. Zudem setzte das Anfertigen einzelner Ge-
Schmiedewerkstätten vor Ort fertigten. gewerk und der Einstellmechanik zum Regulieren des wänder wie der Toga, die ihren Träger als Angehöri-
Die Mahlsteine können vor Ort an Händler ver- Mahlspaltes eine besonders exakte Arbeit und tech- gen eines bestimmten Standes auswies, einige Erfah-
kauft, aber auch in großen Mengen an die Armee nisches Know-how. Eine Großmühle aus Basaltlava rung voraus.
abgegeben worden sein. Der errechnete Bedarf des Mi- ließ in Bliesbruck eine fast schon industrielle Mehl- Schon damals kannte man verschiedene, zum Teil
litärs – eine Truppe von 75000 Mann benötigte rund produktion zu. Ihre Bauweise unterscheidet sich von sehr teure Stoffqualitäten. Leinen aus Tarsos und Alex-
9475 Mühlsteine – ließ sich bei der veranschlagten Jah- allen anderen Stücken, weil hier ein Räderwerk die andria sowie Seide aus Berytos, Tyros oder sogar Chi-
resproduktion von durchschnittlich 30000 Mühlstei- Rotation übertrug. na genossen eine allgemein hohe Wertschätzung, wa-
nen von den Mayener Betrieben leicht decken. Erst als Zu dem nur regional in Chiavenna am Comer See ren als Luxuswaren genau wie das feine Byssus aber
die Einheiten dauerhaft in den Limeskastellen statio- sowie im Wallis nachweisbaren Handwerk zählt das sicher nur für einen kleinen elitären Abnehmerkreis
niert wurden, ging der Bedarf am Ende des 2. Jh. zu- Verarbeiten des weichen Specksteins, der sich nach erschwinglich. Diesen goldschimmernden, nicht
färbbaren Stoff webte man aus dem reißfesten, bis zu
20 cm langen Faserbart der Edlen Steckmuscheln, mit
denen sich die Tiere im sandigen Boden verankerten.
Da pro Muschel nur 1 bis 2 g Rohbyssus gewonnen
werden konnten, waren bis zu 4000 Tiere für 1 kg
Byssus erforderlich. Die in augusteischer Zeit noch
hochgeschätzte Seide aus Kos (lubrica Coa?) wurde
später durch die – auch in Palmyra verarbeiteten? –
chinesischen Importe verdrängt. Aus Kilikien stamm-
Lavez-Geschirr aus Zermatt ten Gewebe aus Ziegenhaaren (cilicia).
und Ossingen (Schweiz). Aus Trier, Bronzestatue eines Man-
dem nach dem Brechen wei- nes, der offenbar mit einem
In den nordwestlichen Provinzen sind ausschließ-
chen Speckstein ließen sich einheimischen Kapuzenman- lich tierische und pflanzliche Rohstoffe wie Wolle und
Becher und Teller drehen, die tel bekleidet ist. Solche Ge- Leinen bzw. Hanf für Textilien genutzt worden. Hier
zunehmend unter Lufteinwir- wänder sind im 2. und 3. Jh. organisierten Unternehmer außer der Produktion of-
kung aushärteten. Diese Ware auch in Rom geschätzt wor-
konnte aufgrund des Material- den. Vor allem die bardocucul-
fenbar auch den Warenvertrieb. Ihre Tätigkeit geht
vorkommens aber nur lokal li, eine von den Sequanern damit über die der einfachen Handwerker hinaus, die
vor allem in der heutigen übernommene Mantelform, das Rohmaterial für Privatkunden oder im Verlags-
Schweiz hergestellt werden. erfreute sich dort während wesen verarbeiteten. Die Bedeutung des Textilgewer-
Links ein Drehkern als typi- der Kaiserzeit großer Beliebt-
bes in den Villen, wo Kleider bevorzugt während der
scher Fabrikationsabfall, da- heit. Möglicherweise zeigt
neben ein während der Bear- diese Statuette das Kleidungs- Wintermonate angefertigt worden sein dürften, ist bis
beitung gesprungenes Gefäß. stück. jetzt nicht sicher zu bestimmen.
72 | Das römische Handwerk Organische Materialien: Textil- und Lederwaren, Holzobjekte und Knochenschnitzerein | 73

Die bei der Schafschur im Frühsommer benutzten Palmyra, Syrien, Hypogäum Fadenstrangs konnte das anschließende Verzwirnen
Metallscheren ähneln den noch heute gängigen For- des Artaban. Loculusplatte ausgleichen. Während sich hölzerne Spindeln nur sel-
einer Dame mit Spinnrocken,
men, obwohl das Vlies manchmal auch von Hand ten erhalten haben, finden sich in Siedlungen oder
2. Jh. n. Chr.
ausgerissen wurde. Das anfangs bräunliche Haar der Villen häufig tönerne, scheibenförmige Spinnwirtel
kleinen ziegenähnlichen Tiere war im Laufe der Zeit bzw. solche aus Bein. Besonders kostbare Spindeln
zu einer qualitätvollen Faser von hellem Ton veredelt waren mit Gewichten aus Bernstein, Gagat oder sogar
worden. In Italien schützte man besonders feine, so ausgefallenen Materialien wie Elfenbein und Eisen
wertvolle Wolle vor Verunreinigungen, indem man beschwert.
den Schafen lederne Überzüge anlegte. Da das heute Auch Weben gehörte zu den Tätigkeiten des häus-
als Krempeln bezeichnete Auflockern der Faserbün- lichen Fleißes, das den Webgewichten nach auf zahl-
del unbekannt war, kämmten professionelle lanarii Tabarka (Tunesien), Raum reichen Gutshöfen betrieben wurde. Ihrem gehäuften
pectinarii mit grobzinkigen Eisenkämmen (pectares) mit drei Apsiden. Dargestellt Auftreten nach dürften Ateliers in den Villen Bibe-
Die von den antiken Schäfern ist bei den Szenen aus dem
vor allem bei langhaarigem Vlies Unreinheiten aus. rist/ Spitalhof und Orbe-Bosceaz Tuchwaren sogar
bei der Schafschur benutzten ländlichen Leben auch die
Dabei parallelisierten sie zugleich auch die Fasern, Scheren sind nicht nur in gro- Schäferin, die in der Nähe über den Eigenbedarf hinaus für den Verkauf produ-
nachdem ein Bad in heißem, mit Seifenkraut versetz- ßer Zahl erhalten geblieben, eines Stalles ihre Schafe ziert haben, was Columella, der beispielsweise Woll-
tem Wasser das Wollfett reduziert, aber nicht voll- sondern ähneln von ihrer hütet und zugleich das Vlies kämmer zur familia einer Farm rechnet, für wirt-
Form her auch den noch heute zu Wolle verspinnt.
ständig entfernt hatte. Gute Qualitäten wie die lana
gebräuchlichen Werkzeugen,
Gallicana aus Gallien konnten entweder vor Ort wei- wie die Anzeige aus dem
terverarbeitet oder an die in Städten wie Rom tätigen Katalog von manufactum im
lanarii geliefert werden. Sogar in der Baetica reagier- Vergleich zu einem römischen
Exemplar zeigt.
te man auf die sich ändernde Nachfrage und führte
seit dem frühen 1. Jh. statt fertiger Textilien zuneh-
mend Rohwolle aus. schaftlich sinnvoll hielt. Vereinzelt bestanden auch
Flachs, mit 50 bis 90 cm langen Fasern der wich- Werkstätten wie das textrinum in Pompeji, wo eine
tigste pflanzliche Rohstofflieferant, wurde vor allem Wandkritzelei den Arbeitsbeginn an einem Webauf-
im Osten des Römischen Reiches angebaut. Aber trag vermerkte. Dass gewerbliche Webereien ebenso
auch die keltischen Stämme der Morini und Caleti wie Weber insgesamt seltener bezeugt sind, erklärt
produzierten im Nordwesten Galliens schon vor den begonnen wurde, eher auf die Winterzeit weist. Nach sich wohl durch eine häufig im Verlagswesen vergebe-
später weltweit bekannten flämischen Handwerkern den altrömischen mos maiorum galt das Spinnen so- ne Tätigkeit, die z.B. für die in Vindolanda gekaufte
qualitativ hochwertiges Leinen, mit dem sie vor allem gar für die matronae der höheren Schichten als stan- Wolle vorausgesetzt werden darf. Die im 1. Jh. übli-
die in Gesoriacum/ Boulogne-sur-Mer stationierte desgemäße Beschäftigung. Daher tragen Frauen auf chen vertikalen Webstühle blieben zwar nicht erhal-
britannische Flotte belieferten. Man raufte Flachs be- den Grabsteinen als Zeichen ihrer Würde die meist ten, waren aber den pyramidalen Webgewichten aus
reits bei der sogenannten Gelbreife vorsichtig von als Schmuckring fehlinterpretierte Fingerkunkel, ei- Ton nach reichsweit in Siedlungen und Villen in
Hand aus, um die langen Fasern nicht zu brechen, nen mit 25 cm Länge meist recht kurzen Handrocken, Gebrauch. Ihr Rückgang im 2. und 3. Jh. hängt aus-
und trocknete die zu Garben gebundenen, kopfüber dessen ringförmiges Ende am Ringfinger steckt. Die schließlich mit dem neu entwickelten horizontalen
aufgestellten Stängel einige Tage. Anschließend wur- gläsernen Kunkeln aus sepulkralem Kontext dienten Webstuhl zusammen, bei dem die Kette nicht mehr
den sie bei einem Röste/ Rotte genannten Vorgang ge- wohl tatsächlich nur als Schmuck und nicht der prak- mit Gewichten, sondern mit dem Kettbaum straff ge-
wässert oder gedörrt, damit die in die aufgebrochene tischen Tätigkeit. spannt wurde, was eine rationellere Arbeit zuließ. Er-
Epidermis eindringenden Mikroorganismen die Fa- Außer einiger Übung verlangte das Spinnen viel haltene Textilien zeigen verschiedene Bindungstech-
sern vom umgebenden Gewebe lösen konnten. Bevor Fingerspitzengefühl, denn von der Festigkeit und der niken wie die mehrfach variierte Leinwand- und
das Material gänzlich verdarb, musste der Flachs wie- Stärke des Garnes hingen letztlich Stoff- und Faden- Köperbindung.
der getrocknet und anschließend einzeln mit Holz- qualität ab. Den 20 bis 30 cm langen Spinnrocken aus Die Brettchenweberei ist durch Funde der dafür
hauen aufgeschlagen werden. Erst dann ließen sich Holz oder Bein, auf dem das Vliesknäuel befestigt benötigten Brettchen aus Bein belegt. Mit dieser
die kleinteiligen Rindenreste von den Fasern trennen, war, hielt die Spinnerin in der Linken. Davon zupfte Technik stellte man bevorzugt bunte Borten her, die
die beim Hecheln parallelisiert und zugleich von den sie mit den Fingern der rechten Hand einige Fasern auf Gewänder aufgenäht wurden.
letzten noch anhaftenden Unreinheiten befreit wur- ab und verzwirbelte sie gleichzeitig zu einem Faden Die locker gewebten Wollwaren verdichtete erst
den. Dabei fiel auch das kurzfaserige, z.B. für Dochte der gewünschten Stärke, den die durch das Gewicht der Walker zu einem festeren Stoff mit glatter Ober-
verwendete Werg an. Der ähnlich aufbereitete Hanf des Spinnwirtels tanzende Spindel – ein ebenfalls bis flächenstruktur oder zu Filz. Sie konnten bei dem
diente vor allem für den nautischen Bedarf wie das zu 30 cm langer, an einem Ende abgerundeter Stab – hohen Bedarf an Textilien sicher mit einem guten
Kalfatern. zu einem möglichst gleichmäßigen Garn verdrehte. Einkommen rechnen, zumal sie die Kleider auch rei-
Das Verspinnen aller textilen Rohfasern war eine Nach den unterschiedlichen lokalen Traditionen be- nigten. Während in jedem Haus gewebt werden
arbeitsintensive, von den Frauen eines Haushaltes vorzugte man im Westen die z-förmig im Uhrzeiger- konnte, erforderte das Walken eine ausreichende
ganzjährig betriebene Tätigkeit, auch wenn die Notiz, sinn laufende, im Osten dagegen die gegenläufige Wasserversorgung. An vielen wasserdicht ausgeklei-
dass am 4. August mit der Arbeit an 28 Pfund Wolle oder s-förmige Drehung. Geringe Unebenheiten des deten Wannen oder Fässern, die in den Boden einge-

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