Ingo Fietze gibt Seminare für Manager, damit sie gut schlafen. Im Interview erklärt
der Mediziner, was gerade Führungskräfte beachten und vermeiden sollten – und
warum Wenigschläfer nicht nachahmenswert sind.
Ingo Fietze ist Oberarzt für Innere Medizin und als Schlafforscher Leiter des
Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Berliner Charité. Im Dezember
2019 erscheint sein Buch „Deutschland schläft schlecht. Wie Schlafmangel uns alle krank
macht und was Sie dagegen tun können“.
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Wie viel Schlaf ist denn zu wenig?
Der Normalschläfer braucht zwischen sieben und acht Stunden Schlaf. Das ist der
sogenannte Wohlfühlschlaf, der am gesündesten ist. Daneben gibt es Menschen,
die weniger als sechs Stunden schlafen und als Kurzschläfer gelten. Ein
Kurzschläfer schläft zwischen fünf und sechs Stunden, egal ob unter der Woche
oder am Wochenende. Er ist tagsüber nicht müde und hält auch mittags kein
Nickerchen. Allerdings ist das eher ein Ausnahmetyp.
Dann gibt es noch Langschläfer, die brauchen zwischen neun und neuneinhalb
Stunden Schlaf.
Die Arbeitswelt verlangt der Gesundheit von Führungskräften viel ab. Ein
Vorstandskoch, ein Personaltrainer und ein Schlafforscher erzählen, wie sie
Workaholics die Currywurst abgewöhnen – und ihnen mehr Ruhe geben.
Ist Schlaf eine individuelle Angelegenheit oder auch eine Aufgabe der
Führungskraft?
Auf jeden Fall eine Führungsaufgabe. Nehmen wir als Beispiel einen Schichtbetrieb.
Die Arbeitnehmer arbeiten im Schichtdienst und die Führungskraft nicht. Ein guter
Vorgesetzter sollte darauf achten, dass jeder seine Pausen einhält oder die
Schichten gleichmäßig verteilt werden. Führungskräfte müssen Vorbilder für guten
Schlaf sein.
Vier von fünf Deutschen klagen über Einschlafstörungen und unruhige Nächte.
Smarte Sensormatten, Schlafroboter und Gehirnstimulation versprechen bessere
Nachtruhe. Schummelei oder Wissenschaft?
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Während einer Geschäftsreise haben Arbeitnehmer und Führungskräfte die
Gelegenheit, ein Nickerchen im Zug oder Flugzeug zu halten. Was bringen
solche „Power Naps“?
Alle 90 bis 100 Minuten und zusätzlich alle 4 Stunden gibt es Zeitfenster von knapp
einer halben Stunde, in dem man mühelos einschlafen kann. Wer das früh erkennt
und diese Gelegenheit für ein Nickerchen nutzt, der wacht frisch und mit neuer
Energie auf. Ein kurzes Schläfchen reicht, um für die nächsten drei bis vier Stunden
Konzentrations- und Leistungsfähigkeit zu tanken.
Es gibt Apps und Gadgets wie Smartwatches, die angeblich messen können,
wie gut man schläft. Wie nützlich sind solche Hilfsmittel?
Ich halte nicht viel von diesen Geräten. Zum einen, weil eine Smartwatch die
Aktivität aufzeichnet und daraus Rückschlüsse auf die Schlafqualität zieht, was aber
medizinisch betrachtet nicht möglich ist. Zum anderen, wenn wir die Anbieter
solcher Apps oder Geräte fragen, was ihre Algorithmen berechnen oder woraus sie
einzelne Schlafphasen ableiten, dann bekommen wir als Mediziner keine
Antworten. Es bleibt also unklar, was da wirklich passiert. Lediglich die reine
Schlafdauer geben diese Hilfsmittel verlässlich an.
Wessen Gedanken nach Feierabend andauernd um die Arbeit kreisen, hat ein
Problem. Ein Hirnforscher erklärt, wieso Stress eigentlich etwas Gutes ist und
warum wir am Bauchumfang ablesen können, wie viel Stress jemand hat.
Matthias Rutkowski
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